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SEKEMs Journal für Wirtschaſt, Gesellschaſt, Kultur und Ökologie in Ägypten Insight Nr. 129 - Juni 2013 SEKEM Insight | Juni 2013 | Seite 1 Liebe Leserinnen, liebe Leser, in den vergangenen Wochen wurden die Unfälle in Textilfirmen in Asien in vielen Medien diskutiert. Die Einstürze baufälliger Fabrik- gebäude in Bangladesh haben viele Menschen dazu bewegt, darüber nachzudenken, welchen Weg ihre Kleidung eigentlich nimmt. Wurde sie fair produziert? Wurden die Mitarbeiter aus- gebeutet oder erhalten sie die uns gewohnten Sozialleistungen und ein angemessenes Gehalt? Doch die Produktion eines Kleidungsstücks repräsentiert nur die Spitze des Eisbergs. Hinzu kommt die Wertschöpfungs- kette der Stoffe und Accessoires, welche in die Produktion der Kleidung eingehen. Wurde die Baumwolle biologisch ange- baut? Welche Farben wurden ver- wendet? In diesem Monat wollen wir Ihnen zeigen, wie gesunde Kleidung in SEKEM entsteht. Wir hoffen, damit dazu beitragen zu können, dass Sie als Kunde informierte und sinnvolle Kaufentscheidungen treffen können. Denn von diesen profitieren sowohl Sie als auch die Mitarbeiter bei SEKEM und allen Herstellern auf der ganzen Welt. Editorial Ihr Redaktionsteam Wie gesunde Kleidung in SEKEM entsteht Nach den dramatischen Unfällen in Bangladesch ist das Thema Arbeitssicherheit in der Kleidungsindustrie in aller Munde. SEKEM Insight dokumentiert erstmalig in einem Beitrag die Bedeutung von unabhängigen Standards und fairem Handel für die Textilproduktion in SEKEM. Naturtextilien Qualität und Arbeitsstandards Grüne Entwicklung Heliopolis University Innova Award Bodenschutz „Summer of Soil“ mit SEKEM-Beteiligung SEKEM finden sie im Internet auch auf: S orgfältig faltet Aida Mahmood den Ärmel eines Baby-Stramplers aus weicher Bio-Baumwolle und schiebt das fröhlich gestreifte Kleidungsstück in die bereitliegende Tüte. Noch eben das Preisschild zurechtrücken, damit es für den Kunden gut lesbar ist und dann ab in den Karton. Heute Abend wird dieser zusammen mit 150 ande- ren Kartons von der Spedition abge- holt und nach Alexandria zum Hafen gefahren, von wo aus ein Container mit Naturtextilien nach Hamburg fährt und von dort aus weiter zum Kunden Alnatura. Aida freut sich, denn diese Babykleidung gefällt ihr besonders gut. Einige Mitarbeiter von Alnatura kennt sie sogar persönlich, denn Elke Dannenfeldt und ihr Team kommen regelmäßig nach SEKEM, um zusam- men mit Naturetex an den Musterteilen für die neuen Bestellungen zu arbeiten. SEKEMs Unternehmen Naturetex bietet eine große Bandbreite von Produkten für eine Vielzahl an namhaften Kunden aus Europa, Nordamerika und Asien an – alle gemäß internationaler Bio-Standards zertifiziert.
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SEKEM Insight 06.13 DE

Mar 15, 2016

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SEKEMs monatliches Journal für Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Ökologie in Ägypten
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SEKEMs Journal für Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Ökologie in Ägypten

InsightNr. 129 - Juni 2013

SEKEM Insight | Juni 2013 | Seite 1

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in den vergangenen Wochen wurden die Unfälle in Textilfirmen in Asien in vielen Medien diskutiert. Die Einstürze baufälliger Fabrik­gebäude in Bangladesh haben viele Menschen dazu bewegt, darüber nachzudenken, welchen Weg ihre Kleidung eigentlich nimmt. Wurde sie fair produziert? Wurden die Mitarbeiter aus­gebeutet oder erhalten sie die uns gewohnten Sozialleistungen und ein angemessenes Gehalt?

Doch die Produktion eines Kleidungsstücks repräsentiert nur die Spitze des Eisbergs. Hinzu kommt die Wert schöpfungs­kette der Stoffe und Accessoires, welche in die Produktion der Kleidung eingehen. Wurde die Baumwolle biologisch ange­baut? Welche Farben wurden ver­wendet?

In diesem Monat wollen wir Ihnen zeigen, wie gesunde Kleidung in SEKEM entsteht. Wir hoffen, damit dazu beitragen zu können, dass Sie als Kunde informierte und sinnvolle Kaufentscheidungen treffen können. Denn von diesen profitieren sowohl Sie als auch die Mitarbeiter bei SEKEM und allen Herstellern auf der ganzen Welt.

Editorial

Ihr Redaktionsteam

Wie gesunde Kleidung in SEKEM entsteht

Nach den dramatischen Unfällen in Bangladesch ist das Thema Arbeitssicherheit in der Kleidungsindustrie in aller Munde. SEKEM Insight dokumentiert erstmalig in einem Beitrag die Bedeutung von unabhängigen Standards und fairem Handel für die Textilproduktion in SEKEM.

NaturtextilienQualität und Arbeitsstandards

Grüne EntwicklungHeliopolis University Innova Award

Bodenschutz„Summer of Soil“ mit SEKEM-Beteiligung

SEKEM finden sie im Internet auch auf:

S orgfältig faltet Aida Mahmood den Ärmel eines Baby-Stramplers aus

weicher Bio-Baumwolle und schiebt das fröhlich gestreifte Kleidungsstück in die bereitliegende Tüte. Noch eben das Preisschild zurechtrücken, damit es für den Kunden gut lesbar ist und dann ab in den Karton. Heute Abend wird dieser zusammen mit 150 ande-ren Kartons von der Spedition abge-holt und nach Alexandria zum Hafen gefahren, von wo aus ein Container

mit Naturtextilien nach Hamburg fährt und von dort aus weiter zum Kunden Alnatura.

Aida freut sich, denn diese Babykleidung gefällt ihr besonders gut. Einige Mitarbeiter von Alnatura kennt sie sogar persönlich, denn Elke Dannenfeldt und ihr Team kommen regelmäßig nach SEKEM, um zusam-men mit Naturetex an den Musterteilen für die neuen Bestellungen zu arbeiten.

SEKEMs Unternehmen Naturetex bietet eine große Bandbreite von Produkten für eine Vielzahl an namhaften Kunden aus Europa, Nordamerika und Asien an – alle gemäß internationaler Bio-Standards zertifiziert.

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Wirtschaft

Solche Tage sind für Aida dann immer besonders spannend.

Ein Kleidungsstück entsteht

In der Muster- und Designabteilung von Naturetex, dem mit rund 300 Mitarbeitern größten SEKEM-Betrieb, beginnt der Weg aller 1,2 Millionen Fertigteile, die Naturetex jährlich produziert. Hier bei den Stoffen und Schnitten findet der erste von vie-len Schritten statt, die den kost-baren Rohstoff Bio-Baumwolle in fertige Kleidungsstücke verwandeln: Design und Schnitterstellung sowie Anfertigung von Musterteilen.

Meistens bringen Naturetex’ Kunden aus Europa oder aus den USA Ideen für neue Produkte mit, die sie nach den aktuellen Trends für ihre Märkte bei Naturetex anfertigen las-sen wollen. Die Schnittmeister von Naturetex produzieren nach den Ideen und Entwürfen Musterteile, die dann anprobiert und überarbeitet wer-den, bis sich alle einig sind: Diese Babykleidung ist perfekt und wird bestellt.

Dann geht es für Naturetex erst rich-tig los: Das Garn in passender Stärke wird in einer Spinnerei hergestellt. Die Baumwolle dafür hat Naturetex schon

im letzten Herbst bei den Demeter-Bauern gekauft, die sie extra für Naturetex angebaut hatten. Nachdem die Baumwollkerne, immerhin fast 2/3 des Gesamtgewichts, entfernt wur-den, lagerte die Baumwolle bis zum Spinnen.

Genau wie die Bauern wird auch die Spinnerei von externer Stelle kont-rolliert, um sicherzustellen, dass alle Arbeitsschritte den Anforderungen des GOTS (Global Organic Textile Standard) entsprechen. Zunächst wird geprüft, dass nur biologisch zer-tifizierte Baumwolle eingesetzt wird. Außerdem dürfen keine umweltschädi-genden Hilfsstoffe verwendet werden.

Fairer Handel

Auch Fairtrade schickt einen extra ausgebildeten Kontrolleur, um zu prü-fen, dass die Spinnerei die Kriterien für das Fairtrade-Label einhält. Diese gelten für alle Betriebe, die bei der Verarbeitung zum fertigen Textil mit-wirken. Zu den wichtigsten Punkten gehören der Fairtrade-Mindestpreis, der Bauern hilft, die Kosten einer nach-haltigen Produktion zu decken, die Fairtrade-Prämie, die der Käufer zahlt, und die für Gemeinschaftsprojekte verwendet werden muss sowie Nachweise von allen Beteiligten der

Lieferkette über die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen.

Das fertige Garn wird dann im Labor von Naturetex geprüft. Erst wenn sicher ist, dass es die richtige Stärke hat, genügend reißfest ist und keine Knoten oder Verunreinigungen auf-weist, wird es in die Färberei geschickt.

Hier werden nach den Vorgaben von Naturetex die Garne auch ein-gefärbt. Es werden zwar syntheti-sche Farbstoffe eingesetzt, aber nur solche Stoffe, die Abwasser und die Mitarbeiter wenig belasten, sind erlaubt. Natürliche Farbstoffe kom-men für das Färben von Baumwolle (noch) nicht zum Einsatz, da für ihre Fixierung schädliche Chemikalien benötigt werden. Die gefärbten Garne werden in Naturetex wieder getestet: Ist die Farbe waschecht? Verblasst sie bei starker Lichteinwirkung? Und ist der gewünschte Farbton genau getroffen? Wenn alles stimmt, geht es zur Strickerei, die aus den Garnen die gewünschten Stoffe für Naturetex produziert. Diese werden dann noch mal gewaschen und mechanisch aus-gerüstet, um starkes Einlaufen zu vermeiden.

Externe und interne Kontrollen

In allen vorgestellten Betrieben finden regelmäßige Kontrollen statt, sowohl durch die Mitarbeiter von Naturetex, als auch durch die unabhän-gigen Mitarbeiter der Kontrollstellen. Damit stellt Naturetex sicher, dass die Umwelt durch Abwasser und Rückstände nicht zu stark belastet Bei der Produktion der Schnitte beginnt die Herstellung eines Naturprodukts von Naturetex.

Naturetex‘ gesunde Textilien entstehen nahezu vollständig im eigenen Betrieb.

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Wirtschaft

wird, und dass die Mitarbeiter in den Firmen nicht ausgebeutet werden.

Nach den Qualitätstests werden die fertigen Stoffe dann zugeschnitten. Gleichzeitig wurden auch die nötigen Accessoires besorgt: Druckknöpfe, farblich passendes Nähgarn, ein Größenetikett, das auch die Marke des Kunden und Waschangaben zeigt, Preisschilder, Verpackungsmaterialien wie Tüten oder Banderolen aus Papier und der Karton. Alle diese Einzelteile werden bei Naturetex von geschick-ten Nähern und Näherinnen zusam-mengefügt. Dabei orientieren sich alle an dem Musterteil, das vom Kunden freigegeben wurde. In mehreren Zwischenschritten wird das Produkt überprüft, vermessen und getestet und schließlich gebügelt und verpackt. Das Resultat ist ein wertvolles Stück gesunder Kleidung.

Zwei wichtige Ziele

Naturetex hatte seit seiner Gründung 1993 zwei wichtige Ziele: Bei der Herstellung wird nicht nur auf den biologisch-dynamischen Anbau der Baumwolle geachtet, sondern die ganze Kette der Textilverarbeitung auf umweltrelevante Aspekte hin optimiert. Zum anderen sollen alle

Mitarbeiter dieses Prozesses faire, sichere Arbeitsbedingungen erhal-ten. Naturetex gelingt dies nach 35 Jahren immer besser. Die Mitarbeiter nehmen die materiellen, sozialen und kulturellen Zusatzleistungen dankbar an. Ein hohes Maß an Identifikation mit dem Schicksal des Betriebs wurde vor allem während der Revolution 2011 deutlich und hat Naturetex‘ Leitung in ihrem Weg bestärkt. Noch ist der Weg jedoch weit, auch andere Partner ent-lang der Wertschöpfungskette von dem Nutzen dieses Wirtschaftens zu überzeugen, das die bloße Erfüllung von Mindeststandards übertrifft. Das ist Naturetex‘ Ziel für die kommenden Jahre.

Christina Anlauf

Der schlafende Riese namens Verbraucher

Christina Anlauf, Redakteurin von SEKEM Insight, sprach mit Konstanze Abouleish (Leiterin von Naturetex), Mohammed El Zahar (Leiter der Qualitätssicherung) und Walaa Mohammed Sayed (Mitarbeiterin) über die Textilproduktion in SEKEMs größtem Betrieb.

Konstanze, aktuell werden die sozia-len Missstände in der Textilindustrie in Asien von vielen Verbrauchern dis-kutiert. Wie sieht es in Ägypten aus?

KA: Unfälle wie in Bangladesch kann ich mir in Ägypten nicht vor-stellen. Gerade die Einhaltung der Bauvorschriften wird hier besser geprüft. Dennoch gibt es großen Verbesserungsbedarf die Besserstellung von Mitarbeitern und ihren Familien betreffend. Die üblichen Gehälter lassen beispiels-weise ein Auskommen zu – positive Entwicklung erlauben sie nicht.

Was macht Naturetex anders?

KA: Wir achten auf ein sicheres und gepflegtes Arbeitsumfeld. Neben einem angemessenen Gehalt bietet Naturetex außerdem Kranken- und Rentenversicherung sowie Programme für die Gesund heits-för de rung, einen Pendelservice zur Arbeit und eine gesunde Verpflegung. Für die Mitarbeiter gibt es auch spezielle Tarife für die sozialen Einrichtungen SEKEMs. Außerdem bieten wir sowohl fach-liche als auch allgemeinbildende Fortbildungen an.

Walaa Mohammed Sayed: Hier in der Musterabteilung sorge ich neben meiner Verantwortung für die Produktion auch für Sauberkeit und Ordnung. Ich arbeite sehr gern hier, weil es hier so sauber und ordentlich ist und ich dafür auch selbst Verantwortung übernehmen kann. Außerdem ist mir wichtig, dass meine Familie darauf ver-trauen kann, dass man sich hier um

In der Abteilung für den Zuschnitt werden alle biologisch produzierten Rohwaren, die Naturetex verwendet, für die weitere Verarbeitung gesammelt, zugeschnitten und vorbereitet.

Naturetex beschäftigt derzeit rund 300 Mitarbeiter, 40 Prozent von ihnen Frauen.

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Wirtschaft

Mehr Informationen:

http://www.demeter.de http://www.global-standard.org/de/ http://www.ilo.org/berlin/arbeits-und-standards/kernarbeitsnormen

!

die weiblichen Mitarbeiter sehr gut kümmert. Darum arbeiten hier auch so viele junge Frauen. In meinem Dorf ist bekannt, dass die Mädchen hier sehr gut aufgehoben sind. Das war in einer anderen Firma, in der ich zuvor gearbeitet habe, nicht so.

Konstanze, was möchtet Ihr weiter ver-bessern?

KA: Wir möchten den Mitarbeitern noch mehr Möglichkeiten geben, sich in Naturetex aktiv einzubringen, betriebliche Regeln zu hinterfragen und mehr Verantwortung zu über-nehmen. Das ist in SEKEM zwar schon immer so gewesen, aber jetzt möchten wir den neuen Wind des Aufbruchs im Land gezielt nutzen.

Fragen Eure Kunden nach Sozial-standards bei Naturetex?

KA: Ja, nahezu alle unsere Kunden schätzen die Transparenz und Qualität unserer Produkte – auch die unserer Arbeitsbedingungen. Für uns zentral ist die Frage des Preises, der für diese Qualität gezahlt werden muss. Wir hoffen, dass hier in Zukunft Bewegung in den Markt kommt. Denn noch immer gilt im Textilmarkt eine Preisdiktatur, die auf Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit baut. Daher ist es

so wichtig, auch dem Endkunden Hintergrundinformation über unsere Produkte, ihre Herstellungsweise und die Menschen, die hinter ihnen stehen, zugänglich zu machen!

Mohammed El Zahar: Wir arbeiten ja mit den meisten unserer Lieferanten schon lange zusammen. Ich habe da nie Schwierigkeiten, unsere Auflagen durchzusetzen. Wir haben mit allen Verträge abgeschlossen, die deutlich auflisten, welche Substanzen sie für unsere Ware ver-wenden dürfen. Zu jedem Produkt gibt es ein Datenblatt der Sicher-heitsbestimmungen, auf dem die Inhaltsstoffe aufgelistet sind. Diese Liste wird jährlich überarbeitet. Neuaufnahmen muss ich persönlich bestätigen.

Konstanze, gibt es etwas, was Du Dir von den Kunden wünschst?

KA: Ich wünsche mir, dass unsere Kunden diese wichtigen Informationen zum Beispiel mittels Broschüren aktiv an ihre eigenen Kunden weitergeben, sodass deut-lich wird, warum Babykleidung von Naturetex etwas mehr kostet. Wir arbeiten auch an einem Instrument zur Rückverfolgung, sodass ein erworbenes Stück vom Verbraucher

anhand eines Codes bis zum Feld zurückverfolgt werden kann. Auf dem Textilmarkt wird sich, hoffe ich, wegen der aktuellen Unfälle einiges tun, und die Kunden werden zunehmend nach Herkunft und Herstellung ihrer Produkte fragen. Das gilt es, zu fördern! Denn noch bestimmt der Standort der billigsten Arbeitskräfte den Ort der Produktion eines Kleidungsstücks. Wir versuchen, diese Logik gemeinsam mit unseren Handelspartnern zu durchbrechen. Denn: Diese Logik muss durch-brochen werden, wenn wir den Anspruch haben, Textilien zu kaufen, die gesund sind und die allen beteiligten Menschen ein menschen-würdiges Leben gestatten.

Gibt es etwas, was Verbraucher tun können, um Euch zu unterstützen?

KA: Der Kunde ist der „schlafende Riese“. Leider ist er noch nicht immer aufgewacht. Kunden sollten immer beim Verkäufer oder bei der Markenfirma nachfragen, wo ihre Produkte herkommen und wie sie produziert wurden. Dadurch zeigen sie Aufmerksamkeit und Kritikfähigkeit. Außerdem sollten sie den eigenen Kleiderschrank bewusster bestücken, indem sie nach Produkten aus biologischem Anbau Ausschau halten und, wenn keine zu finden sind, danach fragen. Es sind die Kunden, welche die Zügel in der Hand halten und bestimmen, wohin sich der Markt bewegt.

Noch ist der Markt für Biotextilien klein, aber er wächst schneller als der für konventionelle Produkte. Ich wünsche mir also, dass der schlafende Riese immer mehr erwacht und all denen die er bisher gar nicht kennen wollte, die eigenen Maßstäbe aufmerksam und mit Selbstbewusstsein vermittelt!

Die Fragen stellte Christina Anlauf.

Konstanze Abouleish im Gespräch mit Mitarbeitern und Leitern von SEKEMs Textilfirma Naturetex.

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M it dem Ziel, die wissenschaft-liche Forschung und die tech-

nologische Entwicklung aktiv und praxisorientiert zu fördern, hat die Heliopolis Universität für nachhal-tige Entwicklung vor einigen Jahren damit begonnen, Preise auszulo-ben. Diese werden an Pioniere ihres Feldes für Innovationen in „grünen“ Forschungsbereichen vergeben, wie zum Beispiel erneuerbare Energien, Bio-Landwirtschaft oder Gesundheit. Ein Geldpreis von 35.000 ägyptischen Pfund ist Teil der Auszeichnung.

In diesem Jahr hat die Heliopolis Universität soeben fünf Geldpreise an junge Preisträger vergeben. Der erste Preis ging an Dr. Amr Sobhy für seine Forschung zum Thema „Entwicklung der ersten wirtschaft-lich und umweltgerecht arbeitenden Raffinierungsanlage für Bio-Abfall in Ägypten“. Die Anlage behan-delt industrielle Bio-Abfälle, erhöht ihren Wert und bereit sie so zur Weiternutzung an anderen Orten vor. Der zweite Preis ging an Dr. Mostafa Salah von der Universität Kairo für seine Forschung im Bereich der inno-vativen Entwicklung neuer pflanzli-cher Medikamente aus organischen Verbindungen. Der dritte Preis ging an Dr. Youssef Ahmed Youssef für sein Projekt „In-vivo-Wirkung von äthe-rischem Minzöl (Mentha viridis) auf Wachstum und Aflatoxinproduktion in aus Lagermais gewonnenem Aspergillus flavus“. Bei Aflatoxin handelt es sich um einen in manchen Rohprodukten spontan entstehen-den natürlichen Giftstoff, mit dem die Lebensmittelindustrie auch in Ägypten noch zu kämpfen hat. Dr. Mohamed Abdullah Al Aydi erhielt den vier-ten Preis für ein neues Naturprodukt gegen Pflanzenkrankheiten im ökolo-gischen Landbau unter dem Titel „Ein

neues Produkt für die Kontrolle von Pflanzenkrankheiten im Ökolandbau“.Die fünfte und letzte Auszeichnung ging an Frau Dr. Iman Mohamed Fathy Eshrak für ihr Projekt über neue Wege der Produktion der wertvol-len Spirulina-Alge, die als organische Nahrungsquelle reich an Nährstoffen, Vitaminen und Mineralien sowie Proteinen ist.

Auch Studenten der Heliopolis Universität nahmen an dem Forscher-Wettbewerb teil. Die Studentinnen und Studenten Yassin El Sherif, Anas Shalaby und Ahmed Mazhar präsen-tierten ein Forschungsprojekt zum Thema „Energiegewinnung durch das Überfahren von Straßeninstallationen für die Geschwindigkeitsreduzierung“. Der Student Ahmed Mohamed Abd EL Khalek stellte seine Forschungsarbeit über „Neue Wege zur Stromerzeugung mittels Solarzellen“ vor.

Der INNOVA 2-Preis wird an Forscher an Universitäten, in Unternehmen und an Oberstufenschüler vergeben, die ein Interesse daran zeigen, ehrgeizige und in hohem Maße innovative neue Ideen zu entwickeln, die für eine prak-tische Anwendung im Zusammenhang der ägyptischen Gesellschaft taug-lich sind. Die erfolgreichen Bewerber waren aufgefordert worden, ihre Ideen persönlich einer Gruppe von Experten vorzustellen. Das Gremium wird von Dr. Kadria Motaal, Leiterin der Forschung an der Heliopolis Universität, geleitet. Die Preise werden einmal jährlich am Hauptsitz der Heliopolis Universität am Stadtrand von Kairo vergeben.

Fatma Sami

Kultur

D ie Fachtagung für Kommunikation „öffentlich

wirken“ ist eine Fortbildung für Kommunikationsbeauftragte und -interessierte aus allen Bereichen sowie die insbesondere im anthro-posophischen Umfeld wirkenden Journalisten und Medienschaffenden. Im Jahr 2012 hatten SEKEM-Mitarbeiter die erste Veranstaltung dieser Art aktiv mitgestaltet. Am 1. und 2. November 2013 findet jetzt die zweite Konferenz statt.

Kommunikation ist eine anspruchs-volle Aufgabe, heißt es auf der Konferenz-Website. Schließlich gehen wir als Kommunikationsbeauftragte auf andere Menschen zu. Und dafür sollten wir die aktuellen Werkzeuge beherrschen. Bewegtbild? Sich für Krisen wappnen? Mit Social Media? Oder doch erst um die interne Kommunikation kümmern? In Zeiten immer neuer technologi-scher Kommunikationsmittel fällt Schritthalten manchmal schwer.

In Workshops berichten Referenten von ihren Erfahrungen aus dem Profialltag. In Vorträgen geht es um aktuelle Fragen. Und Antworten, die Sie weiterführen. Mit Best Practice-Beispielen gehen die Redner ins-besondere auf kleine Institutionen und Einrichtungen ein, die nur über geringe Budgets verfügen. Am Rande der Tagung besteht für Initiativen die Gelegenheit, sich den Tagungsbesuchern mittels Auslage von Broschüren o.ä. vorzustellen.

Um Anmeldung direkt auf der Website wird gebeten.

Quelle: Team „Öffentlich Wirken“

Fachtagung zur Kommunikation in Bochum

Mehr Informationen:

http://www.oeffentlich-wirken.de!

Heliopolis Universität vergibt erneut Preis für “grüne Innovation”

Der INNOVA-Preis der Heliopolis Universität fördert seit einigen Jahren die Entwicklung anwendungsorientierter “grüner” Ideen in Ägypten. Jetzt wurden erneut fünf Preisträger geehrt.

SEKEM können sie auch besuchen: www.sekem-reisen.de www.aventerra.de

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Impressionen aus SEKEM

I n SEKEM hat sich durch die biologisch-dynamische Landwirtschaft aus einer öden Wüstenlandschaft eine große biologische Vielfalt entwickelt. Außer den Pflanzen, die zur Ernte angebaut werden wie Kamille, Klee für die Kühe oder Weizen wachsen auf der SEKEM Farm viele Arten von Bäumen, Sträuchern,

Kräutern und Blumen. Dazu haben sich viele Tierarten angesiedelt, die in Nachbarschaft zu den Haustieren, den Kühen, Hühnern, Schafen und Kamelen leben. Insekten wie Libellen und Skarabäuskäfer gehören ebenso dazu wie Säugetiere, von Mäusen angefangen bis zum Wüstenfuchs oder dem Mungo. Eidechsen und manch-mal ein Chamäleon bereichern die Farm und eine ganz besonders große Vielfalt ist unter den Vögeln zu erle-ben: Einige Arten sind dauerhaft auf der SEKEM Farm zu Hause, andere kommen ein- oder zweimal im Jahr auf ihrem Flug von Süden nach Norden und umgekehrt vorbei, wie zum Beispiel die Bachstelze oder die Störche. Der hier gezeigte Halsbandsittich ist hingegen ein seltener Gast, der sich die Samen der Sonnenblume schme-cken lässt. Insgesamt können inzwischen bis zu 65 verschiedene Vogelarten in einem Jahr in SEKEM und Umgebung gezählt werden.

Impressionen

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Dr. Ibrahim Abouleish wurde 2012 mit dem Oslo Business for Peace Award für sein Engagement für die Verbindung von ethischem Handel und Friedensförderung ausgezeich-net. Anlässlich der diesjährigen Auszeichnung sprach Dr. Abouleish erneut in Oslo. Seine Rede ist als Video im Internet einsehbar (siehe Link unten, ab Minute 32).

Dr. Abouleish nutzte die Gelegenheit seines Besuchs zu einem Besuch der anthroposophischen Gesellschaft in Norwegen. Er sprach hier unter ande-rem über seine Studien des norwegi-schen Philosophen Arne Naess und dessen Gedanken über Ökologie, die ihn in seiner eigenen Arbeit inspiriert hätten. Nach weiteren Besuchen unter anderem an der Osloer Universität und bei Regierungsvertretern reiste Dr. Abouleish von Oslo aus direkt nach Südamerika, um hier an der INALDE Business School in Kolumbien zu sprechen.

Quelle: SEKEM-Freunde Norwegen

Kurznachrichten

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Herausgeber v.i.S.d.P.: SEKEM, Egypt. Die Redaktion von SEKEM Insight dankt allen Korrespondenten, die an dieser Ausgabe mitgewirkt haben.

Redakteure: Bijan Kafi und Christina Anlauf

Kontakt:SEKEM-Insightc/o SEKEM HoldingP.O.Box 2834, El Horreya, Heliopolis, Cairo, Egypt [email protected]

Bildnachweis: 1,2,3: Bijan Kafi; 5: SEKEM

Keine Vervielfältigung ohne schriftliche Einwilligung des Herausgebers. Markenzeichen sind Eigentum der jeweiligen Markeninhaber.

Der „Summer of Soil“ („Sommer des Bodens“) ist ein 5-wöchiges Intensivprogramm, dessen multi-dis-ziplinäre Kurse dazu dienen sollen, eine weltweite gemeinschaftliche Bewegung für die Erhaltung und Pflege unserer Böden zu bilden. Die vom 7. Juli bis 9. August im schwedischen Järna stattfindende Veranstaltung umfasst praxisbezogene Schulungen, eine Ausstellung und das 5-tägige „Living Soil Forum“, das dem Fachgespräch dienen soll. Am 24. Juli spricht Bijan Kafi, Repräsentant SEKEMs für die Öffentlichkeitsarbeit in Europa, um 9:30 Uhr über SEKEM Methoden des Bodenschutzes und der biologischen Bodenerschließung.

Die Kurse werden viele Möglichkeiten bieten, sich mit der Arbeit mit Böden und der Nahrungsmittelproduktion auseinanderzusetzen. Darüber hin-aus werden Vorträge, Exkursionen und Filmvorführungen das Programm ergänzen. Kursthemen umfassen unter anderem Einführungen in die Bio-Landwirtschaft, Permakultur, Saatgutschutz und Stadt-Gärtnern. Die Ausstellung wird einen Einblick in die erstaunliche Substanz „Boden“ geben sowie Anbaumethoden für die Bodenregenerierung vorstellen. Sie enthält außerdem einen Pavillon mit „Do It Yourself“-Lösungen und mehr. Das „Living Soil Forum“ verfolgt das Ziel, eine internationale Gemeinschaft aus Landwirten, Handel, Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Jugendlichen für die Erhaltung unse-rer Böden zu motivieren. Es findet vom 22. Juli bis 26. Juli im „Kulturhuset i Ytterjärna“, Schweden, statt.

Quelle: Summer of Soil

Der Kinofilm „Nach der Revolution“ des bekannten ägyptischen Regisseurs Yousri Nasrallah zeigt anhand der Geschichte des Reiters Mahmoud und der Journalistin Reem ein lebendiges Bild der ägyptischen Gesellschaft und ihrer Probleme in der Zeit nach der Revolution:

Es ist der 2. Februar 2011. Auf dem Tahrir-Platz in Kairo greifen Reiter auf Pferden und Kamelen die protestieren-den Gegner des Mubarakregimes an. Auch Mahmoud ist unter den Reitern, gerät aber in eine Schlägerei und fällt vom Pferd. Gedemütigt und als Verräter geächtet verliert er erst sei-nen Job und dann alle Hoffnung auf die Zukunft, auch für seine Kinder. Da begegnet er Reem, einer modernen jungen Frau, die sich für die Rechte der Frauen und der ärmeren Bevölkerung einsetzt. Die beiden werden Freunde und kommen sich immer näher. Doch gewisse Dinge dürfen nicht sein, auch wenn eine Gesellschaft den Umsturz wagt.

Regisseur Yousry Nasrallah insze-niert eine - leider nicht sehr glaub-würdige - Liebesgeschichte zwischen zwei starken Menschen, die in jeder Beziehung ungleich und gefangen sind in dem Konflikt zwischen Tradition und Moderne. Immer wieder durchmischen sich fiktive und dokumentarische Szenen, kommen Themen zur Sprache, die mal sehr persönlich, mal sehr poli-tisch sind. So gelingt ein intensiver Einblick in die Abläufe des Umbruchs in einem Land mit vielen gesellschaft-lichen Problemen. Es ist noch ein wei-ter Weg für Ägypten, hin zu wahrer Freiheit und Demokratie. Mit Filmen wie „Nach der Revolution“ wird dafür aber ein wichtiges Zeichen gesetzt. In Deutschland ab dem 30.05.2013 in den Kinos zu sehen.

Quelle: fbw-Filmbewertung

“Summer of Soil” in Järna mit SEKEM-Beteiligung

Filmtipp: “Nach der Revolution” in Ägypten

Dr. Ibrahim Abouleish spricht auf “Business for Peace Award 2013”

Mehr Informationen:

http://www.revolution-derfilm.de!

Mehr Informationen:

http://new.livestream.com/vizart/bfpa!

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http://www.summerofsoil.se!