Akustika-Kongress, Bern, 23. 6. 2018 Ototoxische Medikamente PD Dr. med. Dr. h. c. Andreas Schapowal Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Facharzt für Allergologie und klinische Immunologie Psychosomatische und psychosoziale Medizin (SAPPM) Medizinische Hypnose (SMSH) Phytotherapie (SMGP), Manuelle Medizin (SAMM) Landquart
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Ototoxische Medikamente · • Commotio/Contusio labyrinthi • Felsenbeinquerfraktur ... Schwindel, Retinopathie, gastrointestinale Beschwerden KI von Chloroquin bei Schwangeren
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Akustika-Kongress, Bern, 23. 6. 2018
Ototoxische Medikamente
PD Dr. med. Dr. h. c. Andreas SchapowalFacharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Facharzt für Allergologie und klinische Immunologie
Psychosomatische und psychosoziale Medizin (SAPPM)
Medizinische Hypnose (SMSH)
Phytotherapie (SMGP), Manuelle Medizin (SAMM)
Landquart
Ototoxizität - Definition
• Ototoxizität ist die Eigenschaft einer Substanz,
das Innenohr bzw. den Nervus vestibulo-
cochlearis zu schädigen. Dadurch kann es zu
einer Beeinträchtigung des Gehörs bzw.
Schwerhörigkeit, zu Gleichgewichtsstörungen
bzw. Schwindel und/oder zu Tinnitus kommen.
35.000
Neurone
Physiologie des Hörens
• Frequenzbereich ca. 16 – 20.000 Hz
• Jede Frequenz wird nach dem Amplitudenmaximum der Wanderwelle im Innenohr an einem Ort der Basilarmembran abgebildet
• Schalltransformation in elektrische Energie
• Reizfortleitung und Verarbeitung
3.500 innere
Haarzellen
bekommen 95%
der 35.000
sensorischen
Neurone
Haarzell-Stereozilien
regenerieren in 48 h
Innenohrschwerhörigkeit
Gehörlosigkeit
Innenohr-Erkrankungen
• Hereditär
• Degenerativ
• erworben
• Congenital
• Peri- / postnatal
• Entzündlich
• Toxisch
• Traumatisch
Assoziiert mit
Augen
- Usher-Syndrom
- Refsum-Syndrom
Niere
- Alport-Syndrom
Schilddrüse
- Pendred-Syndrom
• Rötelnembryopathie
-Amaurose, Herzfehler
-Mikrozephalie, Retardierung
• konnatale Lues
-Hutchinson-Zähne
-interstitielle Keratitis
• Toxoplasmose
-ZNS-Symptome
• Zytomegalie
-ZNS-Symptome
• Meningitis/Meningoenzephalitis
• Parotitis epidemica (Mumps)
• Masern (seröse Labyrinthitis)
• Otitis media
• Labyrinthitis
• Zoster oticus
• Lyme-Borelliose
• HIV-Infektion
• Antibiotika
• Schleifendiuretika
• Salizylate
• Zytostatika
• Commotio/Contusio
labyrinthi
• Felsenbeinquerfraktur
• Fensterruptur
• Barounfall/CaissonKrankheit
• Knalltrauma
• Explosionstrauma
• Akutes Lärmtrauma
• Akustischer Unfall
• Chronische Lärm-
schwerhörigkeit
• Presbyakusis
• Akute Hörminderung („Hörsturz“)
– Genese?
– ZMK, HWS, Endokrinologie, Kreislauf,
Neurologie
• M. Menière
• Kapselotosklerose
Ototoxische Medikamente - Antibiotika
AminoglykosideAmikazin
Gentamycin
Kanamycin
Neomycin
Netilmicin
Streptomycin
Tobramycin
Ototoxizität - Mechanismus
Aminoglykoside bilden in den Haarzellen Komplexe mit
Membranlipiden und Eisenionen, wodurch Sauerstoff-
radikale gebildet werden. Der folgende oxidative Stress
induziert die Bildung von Enzymen (Caspasen), die den
programmierten Zelltod (Apoptose) der Haarzellen
induzieren können.
Hochspringen, Huth et al: Mechanisms of Aminoglycoside Ototoxicity and
Targets of Hair Cell Protection. Intern J Otolaryngol 2011
Hochspringen, Kranzer et al.: A systematic review and meta-analysis of the
efficacy and safety of N-acetylcysteine in preventing aminoglycoside-induced
ototoxicity: implications for the treatment of multidrug-resistant TB. Thorax
2015
Ototoxische Medikamente - Antibiotika
MakrolideErythromycin
Glykopeptid-AntibiotikaTeicoplanin
Vancomycin
Ototoxische Medikamente -
Tuberkulosetherapie
4fach-Kombination für 2 MonateIsoniazid – Risiko: Polyneuropathie
Rifampicin – Risiko: Leberschäden
Pyrozinamid – Risiko: Leberschäden
Ethambutol – Risiko: Entzündung Sehnerv
Reservemedikament:
Streptomycin – Risiko: Innenohrschäden,
Nierenschäden
Initialtherapie bei Kindern 3fach ohne Ethambutol
Anschliessend 4 Monate Isoniazid und Rifampicin
Ototoxische Medikamente – Antibiotika,
die auch Tinnitus auslösen können
MakrolideErythromycin
Clarithromycin
Roxithromycin
Chinolone/GyrasehemmerCiprofloxacin
Ofloxacin
Cotrimoxazol (Trimethoprim + Sulfonamid)
Ototoxische Medikamente - Diuretika
Actazolamid
Bumetanid
Etacrynsäure
Furosemid
Ototoxische Medikamente - NSAID
Acetylsalicylsäure
ASS hemmt nicht nur die Blutgerinnung, sondern
verändert auch die Übertragung zwischen
Innenohrhaarzellen und dem Hörnerven. Ab einer
Tagesdosis von 2 g können Hörschäden und
Tinnitus auftreten. Dies ist nach Absetzen von ASS
in der Regel reversibel.
Cave: ASS ist nie zur Tinnitustherapie geeignet!
Ototoxische Medikamente –
Antimalaria-Medikamente
Chloroquin / Hydroxychloroquin
Chinin
Nebenwirkungen: Hörstörung, Tinnitus, Schwindel,
Retinopathie, gastrointestinale Beschwerden
KI von Chloroquin bei Schwangeren wegen
möglicher Teratogenität: Hörverlust, Erblindung,
Missbildungen, Aborte
Ototoxische Medikamente –
Chemotherapeutika
Cisplatin
Bleomycin
Vincristin
Tinnitusauslösung durch Veränderung
des Hirnstoffwechsels
ACE-Hemmer
ACE-Hemmer werden zur Therapie der Hypertonie
und der Herzinsuffizienz eingesetzt. Sie können über
eine Veränderung der Hirndurchblutung und des
Hirnstoffwechsel vermehrt zu Tinnitus führen.
Sonstige Toxine - Alkohol
Alkohol kann bei Vergiftung die Haarzellen direkt
schädigen oder töten.
Alkohol verändert auch in geringen Mengen die
Hirndurchblutung, die Wahrnehmung und
Verarbeitung von Sinnesreizen.
Sonstige Toxine – Nikotin
Nikotin ist nervenaktiv und ein Zellgift. Er verändert
den Hirnstoffwechsel und kann eine veränderte
Wahrnehmung des Tinnitus bewirken.
Langfristig kann Zigarettenrauchen Gefässschäden
hervorrufen und durch Minderdurchblutung
Haarzellschäden und Tinnitus auslösen.
Sonstige Toxine – Koffein
Koffein verändert die Hirndurchblutung und führt zu
einer vermehrten Ausschüttung von Neuro-
transmittern, dadurch zu erhöhter Aufmerksamkeit
und Wachheit. Sinnesreize können stärker
wahrgenommen werden, was zu einer verstärkten
Tinnituswahrnehmung führen kann.
Sonstige Toxine
Blei
Quecksilber
Schwefelkohlenstoff
Zinn
Gesteigerte
Nervenaktivität im
auditorischen Kortex
Arnold et al. 1996
Langguth et al. 2006
Funktionsveränderungen
in der gesamten Hörbahn
Tinnitus – Entstehungsmechanismen
Tinnitus
1-3 Hz
Normales Hören
7 – 12 Hz
Dysfunktion im Hörkortex und in
Nachbarregionen
- Deltarhythmus (1-3 Hz)
bevorzugt
- Reduzierte Alphaaktivität
(7-12 Hz)
- Korrelation mit Disstress r=0,72
Hörbahn mit komplexen zentralen Verschaltungen
Verbindungen der Formatio reticularis zum Cortex
und zu Kerngebieten in Hirnstamm
„Tinnitus-Netzwerk“
Beteiligung frontaler und limbischer Areale
Komplexe Interaktion des Geistes und seiner Funktionen
Hohe Plastizität, Chance für Veränderungen durch „bottom-up“- und „top-
down“-Aktionen
Symptome und Problembereiche bei Tinnitus
Vegetative Symptome
– Schlafstörungen
– Erschöpfung
– Nervosität
– Innere Unruhe
Symptome und Problembereiche bei Tinnitus
Affektive Beeinträchtigungen
– Reizbarkeit
– Emotionale Labilität
– Depressivität
– Suizidalität
Symptome und Problembereiche bei Tinnitus
Kognitive Beeinträchtigungen
– Grübelneigung
– Perseverieren
– Kognitive Einengung
– Katastrophisieren
– Aufmerksamkeitsfokussierung
– Interessenverschiebung
– Störung der Merkfähigkeit
– Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit
Symptome und Problembereiche bei Tinnitus
Soziale Folgen und Verhaltensänderungen
– Sozialer Rückzug
– Soziale Vereinsamung
– Verlust der sozialen Kompetenz
– Partnerschaftliche Probleme
– Arbeitsunfähigkeit
– Erwerbsunfähigkeit
– Juristische Auseinandersetzungen
Psychosomatische Krankheits- und
Erklärungsmodelle
Psychosomatische Krankheits- und Erklärungsmodelle
Kognitiv-Behaviorales Modell
Auslöser- Körperliche Schädigung
- Psychosoziale Belastung
Symptome
Wahrnehmung
- Aufmerksamkeits-fokussierung
(checking behavior)
Bewertung-
Bedrohung/Gefahr
- Unerträglich
- Unkontrollierbar
Gefühle-
Angst/ausgeliefert
- Depressiv/hilflos
- Aggressivität
Körp. Reaktion- Erregung/arousal
- Spannung/Tonus
- Schonhaltung
Klinische Erfahrung des psychosomatischen Zusammenhangs
1. Prädisposition für neurotiforme Störungen und Mangel an
Copingfähigkeit spielen bei Tinnitus-Betroffenen eine bedeutende
Rolle im Verlauf der Erkrankung
2. Chronifizierung des Tinnitus hängt von pathologischen
Plastizitätsmechanismen ab
3. Schwere des Tinnitus scheint von persönlichkeitsspezifischen und