LoGoScript Pädaudiologie 1 Unterrichtsscript Audiologie und Pädaudiologie Einige Grundbegriffe der Akustik Schall = Luftschwingungen, von Schallquellen durch Bewegung erzeugt Bei Ausbreitung über Luft: Schnelle Änderungen des Luftdrucks, die zu Schwingungen des Trommelfells führen. Wellenförmige Ausbreitung. Schall kann sich auch in Flüssigkeiten und in Festkörpern ausbreiten. Vier Arten von Schallereignissen: Ton, Klang, Geräusch, Knall Ton: Einfachstes Schallereignis, reine Sinusschwingung Mathematische Beschreibung von Sinusschwingungen: Frequenz f = Anzahl der Schwingungen pro Sekunde [Hertz (Hz)] o Je niedriger die Frequenz, desto tiefer der Ton Wellenlänge λ = Abstand zweier Punkte, die identisch schwingen [gemessen in Meter (m )]. o Je länger die Wellenlänge, desto tiefer die Frequenz Ausbreitungsgeschwindigkeit c abhängig vom Medium, in dem sich die Welle ausbreitet o Schallgeschwindigkeit in Luft 330 m/s, in Flüssigkeiten und festen Körpern 3-5 mal größer Schalldruck p [gemessen in Pascal (Pa) oder bar] entspricht der Amplitude und ist verantwortlich für die Lautstärke. 1 Pa ist gleich 0,01mbar Klang = Überlagerung der Grundschwingung mit weiteren Sinusschwingungen, deren Frequenzen ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz sind (Obertöne) Geräusch = Gemisch zahlreicher Töne mit rasch wechselnden Frequenzen und rasch wechselnden Stärken. Die meisten alltäglichen Schallereignisse sind Geräusche (Sprache, Rascheln, Kratzen …) Knall = sehr kurzes, schlagartig einsetzendes Schallereignis mit großer Amplitude (Militär, Feuerwerk) Das menschliche Hörvermögen Schall wird vom Menschen wahrgenommen von 16 Hz bis 20000 Hz. Sehr hohe und tiefe Töne werden erst bei höheren Schalldruckpegeln gehört als Töne im mittleren Bereich von 1000 bis 4000 Hz.
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LoGoScript Pädaudiologie 1
Unterrichtsscript Audiologie und Pädaudiologie
Einige Grundbegriffe der Akustik Schall = Luftschwingungen, von Schallquellen durch Bewegung erzeugt Bei Ausbreitung über Luft: Schnelle Änderungen des Luftdrucks, die zu Schwingungen des Trommelfells führen. Wellenförmige Ausbreitung. Schall kann sich auch in Flüssigkeiten und in Festkörpern ausbreiten. Vier Arten von Schallereignissen: Ton, Klang, Geräusch, Knall Ton: Einfachstes Schallereignis, reine Sinusschwingung
Mathematische Beschreibung von Sinusschwingungen: Frequenz f = Anzahl der Schwingungen pro Sekunde [Hertz (Hz)]
o Je niedriger die Frequenz, desto tiefer der Ton
Wellenlänge λ = Abstand zweier Punkte, die identisch schwingen [gemessen in Meter (m )]. o Je länger die Wellenlänge, desto tiefer die Frequenz
Ausbreitungsgeschwindigkeit c abhängig vom Medium, in dem sich die Welle ausbreitet o Schallgeschwindigkeit in Luft 330 m/s, in Flüssigkeiten und festen
Körpern 3-5 mal größer Schalldruck p [gemessen in Pascal (Pa) oder bar] entspricht der
Amplitude und ist verantwortlich für die Lautstärke. 1 Pa ist gleich 0,01mbar
Klang = Überlagerung der Grundschwingung mit weiteren Sinusschwingungen, deren Frequenzen ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz sind (Obertöne) Geräusch = Gemisch zahlreicher Töne mit rasch wechselnden Frequenzen und rasch wechselnden Stärken. Die meisten alltäglichen Schallereignisse sind Geräusche (Sprache, Rascheln, Kratzen …) Knall = sehr kurzes, schlagartig einsetzendes Schallereignis mit großer Amplitude (Militär, Feuerwerk) Das menschliche Hörvermögen Schall wird vom Menschen wahrgenommen von 16 Hz bis 20000 Hz. Sehr hohe und tiefe Töne werden erst bei höheren Schalldruckpegeln gehört als Töne im mittleren Bereich von 1000 bis 4000 Hz.
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Das gesunde Gehör kann Schalldruckamplituden von 0,00002 Pa bis 100 Pa als Höreindruck empfinden. Wollte man diese Unterschiede auf
einer analogen Skala zu Papier bringen wollen, wäre ein Audiometerformular von
hier bis Dülmen notwendig. Daher werden Schalldruck- und Frequenzskala logarithmisch (mathematisch komprimiert) dargestellt.
Die Schallamplitude ist in Dezibel (dB) angegeben. Die Dezibelskala ist eine Verhältnisskala, der Bezugspunkt ist auf den Anwendungsbereich angepasst: Logarithmischer Schalldruckpegel L (dB) = 20 * log (p/p0) Erhöhung des Schalldrucks um Zehnfaches bedeutet Anstieg um 10 dB Verschiedene logarithmische Skalen dB (SPL)= sound pressure level: physikalisch- technische Skala, p0 =20 μPa (2*10-5) dB (HL) = Hearing Level = Hörschwelle. 0 dB(HL) entsprechen der mittleren Hörschwelle junger Hörgesunder in allen Frequenzen. Relativskala zur übersichtlichen Darstellung: berücksichtigt, dass höhere und tiefere Frequenzen erst bei höheren absoluten Schalldrücken gehört werden als mittlere Frequenzen Audiometrische Schwellen- Definitionen Hörschwelle: minimale hörbarer Schalldruckpegel Schmerzsschwelle: bei sehr hohen Druckamplituden (130 bis 140 dB) Unbehaglichkeitsschwelle: 90 dB. Wird sie längerfristig überschritten, können Hörschäden auftreten. Hörfeld: zwischen Hör- und Unbehaglichkeitsschwelle. Innerhalb des Hörfeldes liegt der Hauptsprachbereich.
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Hören: Anatomische und physiologische Grundbegriffe Äußeres Ohr: Aufgaben:
Richtungshören (Ohrmuschel)
frequenzabhängige Schallverstärkung durch Resonanz (Gehörgang), vor allem die mittleren Frequenzen werden verstärkt
(mechanischer) Schutz des Mittel- und Innenohres Mittelohr: Aufgaben:
20-fache Schallverstärkung (Trommelfell Steigbügelfußplatte), Vorbereitung für Schallübertragung durch Flüssigkeit im Innenohr, dies benötigt mehr Schallenergie
Druckausgleich (Ohrtrompete): Anpassung an Umgebungsluftdruck Paukenhöhle: Hohlraum, der Gehörknöchelchen beinhaltet Trommelfell: zarte Membran. Pars tensa, Pars flaccida 4 Quadranten, Umbo = Zentrum Gehörknöchelchenkette
Verbindung vom Boden des Mittelohrs zum Nasenrachenraum
Teils knöchern, teils knorpelig
Öffnung beim Schlucken / Gähnen => Druckausgleich zwischen Luft im Mittelohr und äußerer Atmosphäre
Trommelfell arbeitet optimal, wenn Druck im Mittelohr = atmosphärischer Druck: Trommelfell schwingt ungehindert
Gesichtsnerv (N. facialis) läuft durch das Mittelohr
Versorgt mimische Muskulatur
Geschmacksfasern (Chorda tympani), sekretorische Fasern Muskeln: M. stapedius inseriert am Stapesköpfchen (N. facialis) M. tensor tympani inseriert am Hammerhals (N. trigeminus)
beeinflussen Schallübertragung: Kontraktion bei hohem Schalldruck versteift Gehörknöchelchenkette und schützt Innenohr vor zu hohen Schalldrücken
Kontraktion des M. stapedius kann gemessen werden (Stapediusreflexschwellenmessung): objektive Hörprüfung
Innenohr (Labyrinth): = flüssigkeitsgefülltes Gangsystem (Endolymphe) mit Sinneszellen für Hör- und Gleichgewichtsempfindung, gelagert in Perilymphe Vorhof + Bogengänge
peripheres Gleichgewichtsorgan
Sinneszellen für Linearbeschleunigung im Vorhof (Sacculus u. Utriculus)
Sinneszellen für Drehbeschleunigungen (vorderer, hinterer, lateraler Bogengang)
Schnecke (Kochlea): 2 ½ Windungen, dreigeteiltes Gangsystem:
Scala vestibuli (Perilymphe), Reissner- Membran
Scala media =Ductus cochlearis (Endolymphe), Basilarmembran
Scala tympani (Perilymphe) Corti- Organ (eigentliches Hörorgan) in der Scala media (Ductus cochlearis):
Membrana tectoria, äußere (12000) und innere (3000) Haarzellen
Wanderwellentheorie: frequenzabhängiges Schwingungsmaximum der Basilarmenbran
Schwingung wird auf Haarzellen übertragen, durch das Abknicken der Sinneshärchen wird dort ein elektrischer Impuls ausgelöst
Haarzellen von Schneckenbasis bis zur Spitze frequenzspezifisch angeordnet (=Tonotopie)
die Haarzellen für die Entschlüsselung der hohen Frequenzen sitzen an der Basis der Schnecke, für tiefe Frequenzen an deren Spitze (Modiolus)
äußere Haarzellen haben Verstärker- und Modulatorfunktion: Verstärken geringer Schalldrücke (bis 40 dB): Schwingung
der Basilarmembran wird durch Eigenbewegung der äußeren Haarzellen verstärkt
geringere Lautstärken werden nicht gehört, wenn äußere Haarzellen ausfallen
Dämpfen hoher Schalldrücke Verschaltung mit Gegenohr: auditive Selektion
(Störgeräuschunterdrückung)
innere Haarzellen: Frequenzanalyse werden durch die Bewegung der äußeren Haarzellen bzw.
erst ab 40 dB direkt stimuliert Aktivierung der inneren Haarzellen => Aktionspotential
(elektrisches Signal) zur Weiterleitung an den Hörnerv
chronische Lärmschwerhörigkeit Commotio/Contusio labyrinthi Direkte oder indirekte Schädigung i. R. eines Schädel-Hirn-Traumas M. Meniere: (Tiefton)schwerhörigkeit, Tinnitus, Drehschwindel Metabolisch (Stoffwechselstörung) z. B. bei Diabetes mellitus unbekannte Ursache:
Presbyakusis (Schwerhörigkeit im Alter)
Idiopathischer Hörsturz Erkrankungen des Hörnervens z. B. Akustikusneurinom (gutartiger Tumor im Kleinhirn-Brücken-Winkel) Symptomatik ähnlich Hörsturz, ggf. + Schwindel, Tinnitus, Fazialisparese Zentrale Hörstörungen z. B. Auditive Verarbeitungs- (Hirnstamm) und Wahrnehmungsstörungen (höhere Zentren)
Subjektive und objektive Hörprüfungen Subjektive Hörprüfungen: Ergebnis abhängig von Mitarbeit des Patienten und Interpretation des Untersuchers! Stimmgabelprüfung nach Weber und Rinne Hörweitenprüfung für Flüstersprache und Umgangssprache Freifeldaudiometrie
Reflexaudiometrie bei Neugeborenen
Reaktionsaudiometrie 3.-12. Lebensmonat
Spielaudiometrie bis 3. LJ Tonschwellenaudiometrie:
für Luftleitung und Knochenleitung ab 3. LJ (ggf. als Spielaudiom.) Sprachaudiometrie:
Mainzer Kindersprachtest I, II, III
Göttinger Kindersprachtest I, II
Freiburger Sprachtest für Erwachsene (Zahlen und Einsilber) Überschwellige Hörtests Objektive Hörprüfungen Ergebnis im Idealfall unabhängig von der Mitarbeit des Patienten und der Interpretation des Untersuchers Otoakustische Emissionen Tympanometrie Stapediusreflexschwellenmessung ERA (Electric Response Audiometry)
seitengetrennte Ermittlung der frequenzspezifischen Hörschwelle
Messung Luft- und Knochenleitungsschwelle ermöglicht Zuordnung Schallleitungs-, Schallempfindungs- u. kombinierte Schwerhörigkeit
Die Tonschwelle beschreibt allerdings nicht alle Funktionen des Gehörs, nicht erfasst werden u. a. überschwelliges Hören, Sprachverstehen, Sprachverstehen im Störlärm, dichotisches Hören, Lautheitsausgleich, Unbehaglichkeit, Geräuschempfindlichkeit
Durchführung
Prüfung üblich mit Pulstönen zwischen 250 (125) und 8000 Hz
Ermittlung, wann Ton eben gehört wird (Tonschwelle). Beginn bei – 5 dB HL, der Schalldruckpegel wird in 5 dB-Schritten erhöht, bis Ton gehört wird. Mehrfache Kontrolle!
Luft- und Knochenleitungsschwelle werden seitengetrennt bestimmt ─ Luftleitungshörer: Kopfhörer mit Flachmuffen auf Ohrmuschel ─ Knochenleitungshörer: elektrischer Vibrator auf Mastoid
Die Luftleitungskurve wird durchgehend, die Knochenleitungskurve gestrichelt auf dem Audiogramm eingetragen
Die gemessene Hörschwelle wird in dB HL (Hearing loss) abgelesen
die Knochenleitungsmessung ist so normiert, dass sie nicht schlechter als die LL sein kann
Überhören und Vertäubung Problem bei der seitengetrennten Audiometrie: Der Schall wird ab einer bestimmten Lautstärke über den Schädelknochen (Knochenleitung) auf das andere, nicht untersuchte Ohr übertragen. Dieses Phänomen wird als „Überhören“ bezeichnet. Bei Luftleitungsmessung wird ab 40 bis 50 dB „überhört“ Bei Knochenleitungsmessung wird ab 0 bis 15 dB „überhört“
Um Fehlmessungen durch Überhören zu vermeiden, wird das Gegenohr gezielt ausgeschaltet, d. h. mit Rauschen „vertäubt“. Zur Vertäubung beim Tonschwellenaudiogramm verwendet man ein Schmalbandrauschen. Dies enthält nicht alle Frequenzen, aber die dem Prüfton benachbarten. Bei Sprachaudiogrammen wird ein Breitbandrauschen (weißes Rauschen) verwendet, das alle Messfrequenzen beinhaltet. Beispiele für typische Tonaudiogramme: Schallleitungsschwerhörigkeit: Kennzeichen: Knochenleitung (KL) normal (0 bis 15dB), LL schlechter
a) Trommelfelldefekt: normale Knochenleitung (KL), Luftleitungskurve (LL) pantonal (über alle Messfrequenzen) 25-30dB abgesenkt
b) Paukenerguss: normale KL, LL vor allem in den höheren Frequenzen bis zu 40 dB abfallend
c) Steigbügelfixation (Otosklerose): normale KL, LL vor allem in den tiefen Frequenzen abfallend
d) Mittelohrblock (z. B. Unterbrechung der Gehörknochelchenkette:) pantonale LL-Störung von 40-50 dB (Kleine Senke in der KL-Kurve bei
2000 Hz messtechnisch bedingt)
Schallempfindungsschwerhörigkeit: Kennzeichen: Luft- und Knochenleitungskurve laufen (nahezu) identisch
a) Hochtonsenke: z. B. beginnende Lärmschwerhörigkeit bei 4000 Hz b) Hochtonabfall: Schrägabfall von LL und KL bei 1500 Hz beginnend,
z. B. Schwerhörigkeit im Alter oder chron. Lärmschwerhörigkeit c) Tieftonsenke: Absenkung von LL und KL im Tieftonbereich (unter
1000 Hz), im Hochtonbereich normal, z. B. M. Meniere Kombinierte Schwerhörigkeit (Beispiel d) Kennzeichen: Differenz zwischen LL und KL (Schallleitungsanteil), pathologische KL (Schallempfindungskomponente)
Freifeldaudiometrie Bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern ist eine seitengetrennte Erfassung der Hörschwelle über Tonaudiometrie mit Kopfhörer nicht möglich. Hörreaktionen werden im Freifeld (akustisch isolierter Raum mit Lautsprechern im Halb- oder Vollkreis sowie an der Decke) überprüft. Zur Beschallung eignen sich Wobbeltöne (frequenzmodulierte Töne) und Terzrauschen (Schmalbandrauschen), Alltagsgeräusche (Hupen, Hundebellen, Klingel) und Kinderlieder. Bei Neugeborenen werden das Aufwachen aus dem Schlaf sowie das Auslösen von Reflexen (Schreckreflex, Lidreflex) untersucht (Reflexaudiometrie), bei Säuglingen Reaktionen (Hinwenden zur Schallquelle= Lokalisation). Im Kleinkindalter (bis 3 Jahren) wird mit Ablenk- und Spielaudiometrie gearbeitet. Beispiele für altersgerechte Hörreaktionen: Neugeborenenperiode bis 4 Monate Normalhörendes Kind erwacht aus dem Schlaf: bei 90 dB in lauter Umgebung bei 50-70 dB in ruhiger Umgebung 3-4 Monate rudimentäre Kopfbewegung bei 50-60 dB Richtung Schallquelle 4-7 Monate Lokalisation zur Seite bei 40-50 dB 7-9 Monate Lokalisation zur Seite direkt und indirekt nach unten bei 30-40 dB 9-13 Monate Lokalisation direkt zur Seite und nach unten bei 25-35 dB 13-16 Monate Lokalisation direkt zur Seite und nach unten, indirekt nach oben bei 25-30 dB 16-21 Monate Lokalisation direkt zur Seite, nach unten und oben bei 25-30 dB 21-24 Monate Lokalisation direkt nach allen Seiten bei 25 dB
Überschwellige Audiometrie Die Tonschwelle bildet nur einen Aspekt des Hörvermögens ab. Viele Erkrankungen des Innenohres und des retrokochleären Systems führen auch zu verändertem überschwelligen Hören. Ziel überschwelliger Untersuchungen ist u. a., zwischen Innenohr- und retrokochleärem Schaden zu unterscheiden. Mit Einführung der Hirnstammaudiometrie haben diese Tests allerdings an Bedeutung verloren. Recruitment (syn. Lautheitsausgleich): Charakteristisch für Innenohrschwerhörigkeit: Ein überschwelliger leiser Testton wird auf dem kranken Ohr als leiser wahrgenommen als auf dem gesunden Ohr. Bei weiterer Erhöhung der Lautstärke wird ein Punkt erreicht, an dem der Ton beidseits als gleich laut empfunden wird (Lautheitsausgleich). Erklärung: Äußere Haarzellen verstärken geringe Schallintensitäten und
können hohe Schallintensitäten abschwächen Bei Innenohrschädigung sind zuerst die äußeren Haarzellen betroffen Hörschwelle heraufgesetzt (Verstärkerfunktion für geringe
Schallintensitäten fällt aus) Über 60 dB rascher Lautheitszuwachs Bei lautem Pegel Lautheitsausgleich Unbehaglichkeitsschwelle oft niedriger als bei Gesunden
(Dämpfung für hohe Schallintensitäten fehlt)=> Eingeschränkte Dynamikbreite!
Untersuchung des Lautheitsausgleichs Fowler- Test, SISI- Test, Lüscher-Test, Langenbeck- Geräuschaudiogramm
Hörermüdung und Adaptation: Hörermüdung: Bei neuraler oder zentraler Schädigung führt anhaltende akustische Belastung zu einer Verschlechterung der Hörschwelle Adaptation: Nachlassende Reaktion auf Dauerreiz => Vorgang am peripheren Rezeptor (Corti-Organ). In bestimmtem Ausmaß physiologisch Untersuchung von Hörermüdung und Adaptation Carhart-Test, Bekesy- Audiometrie
Untersucht Auswirkungen der Hörstörung auf Verstehen von Sprache (wichtigste soziale Funktion des Hörvermögens!)
=> Auswirkungen der Hörstörung auf das Alltagsleben
„Gegenkontrolle“ des Tonaudiogramms bei Verdacht auf Simulation oder Aggravation (=„Verdeutlichung“ einer Hörstörung )
Grundlage der Begutachtung
Hörgerätekontrollen erfolgen anhand der Sprachaudiometrie Das Sprachverständnis ist abhängig vom frequenzspezifischen Hörvermögen: Hier sind Stimmgrundfrequenzen für Männer und Frauen, Formanten (Oberschwingungen) für Vokale und einige Konsonanten dargestellt. [s] und [t] liegen im Hochfrequenzbereich und werden bei Hochtonhörverlust oft nicht richtig gehört. Prinzip der Sprachaudiometrie: Fest definierte Testwörterreihen werden vorgespielt und nachgesprochen bzw. auf einer Bildtafel gezeigt. Die Lautstärke wird über das Audiometer geregelt. Bei Kindern, ausländischen Patienten und Sprachbehinderten ist der Wortschatz zu berücksichtigen. Freiburger Sprachverständlichkeitstest (ab 7-8 Jahren)
10 Gruppen mit je 10 mehrsilbigen Zahlen (Zahlentest)
20 Gruppen mit je 20 einsilbigen Worten (Einsilbertest). Dieser Test soll die Umgangssprache nachbilden: Das Zahlenverständnis überprüft den Frequenzbereich bis 2000 Hz, der Einsilbertest die höheren Frequenzen. Die Ergebnisse werden in ein Formular eingetragen, hieraus sind wichtige Vergleichsgrößen ablesbar:
der Hörverlust für Zahlwörter bei einer Verständlichkeit von 50%
Anstieg der Verständlichkeit der Einsilber bei Erhöhung des Schallpegels
Normalhörende verstehen bei 18 dB 50% der Zahlen
Einsilber werden ab 50 dB verstanden, bei 65 dB sollten 100% der Einsilber verstanden werden
Der Verständlichkeitsgewinn bei zunehmender Lautstärke kann Hinweise über die Lokalisation der Hörstörung geben
Sprachaudiometrie bei Kindern Bei Kindern werden altersspezifische Wörterreihen verwendet. Weiterhin besteht die Möglichkeit, mit Bildtafeln zu arbeiten.
Mainzer Kindersprachtest (Biesalski u.a. 1974) (Wortschatz hörender Kinder für 3 Altersgruppen) Mainzer I: entspricht Wortschatz hörender Kinder unter 4 Jahren
5 Gruppen zu je 10 Wörtern, die sich aus 10 Wörtern bilden Mainzer II: entspricht Wortschatz hörender Kinder von 4 bis 5 Jahren
5 Gruppen zu je 10 Wörtern, die sich aus 25 Wörtern bilden Mainzer III: entspricht Wortschatz hörender Kinder von 6 bis 8 Jahren
5 Gruppen zu je 10 Wörtern mit insgesamt 55 Wörtern Zu den Tests I und II ist Bildmaterial erhältlich.
Göttinger Kindersprachverständnistest (Chilla u. a. 1976) Test I: 2 bis 4 Jahre und Entwicklungsverzögerung (20 Wörter)
5 Gruppen mit 10 Wörtern; insgesamt 20 Einsilber aus dem Grundwortschatz eines Kleinkindes
Test II: 5 bis 6 Jahre (100 Wörter) 10 Gruppen mit 10 Einsilbern; insgesamt 50 Einsilber, davon viele aus dem Freiburger Einsilber Test
Bildmaterial: für jedes Wort ein Blatt mit 4 Bildern zur Auswahl Oldenburger Kinderreimtest (Hörzentrum Oldenburg 2000)
Geschlossener Test mit Bildmaterial = Auswahl aus vorgegebenen Antworten bei offenen Tests (Mainzer/Göttinger ohne Bilder) keine Antworten vorgegeben
Geeignet für Kinder von 3-8 Jahren
Prüft Lautwahrnehmung in verschiedenen Positionen zweisilbiger Wörter mit insgesamt 34 Dreiwortgruppen im Multiple Choice Verfahren (Bsp.: Beule - Keule - Eule; Tanne - Tasse - Tasche; Brote - brüte - brate)
Mit und ohne Störgeräusch zur Überprüfung des Anpassungserfolges bei Hörgeräten verwendet
Dichotische Hörtests Überprüfen der Fähigkeit, zwei gleichzeitig dargebotene Schallsignale mit hohem Informationsgehalt (z.B. Worte) aufzunehmen und getrennt voneinander zu verarbeiten = „zentrale“ Hörleistung. Bei einigen neurologischen Erkrankungen beeinträchtigt, auch aufmerksamkeits- und konzentrationsabhängig. Auch Bestandteil einiger Testbatterien zur AVWS (auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung). Durchführung über Kopfhörer, erst monaurale Einübung, dann binaurale Testung. Auffällig, wenn weniger als 60% verstanden werden. Für Kinder ab 5 Jahren Uttenweiler-Test rechtes Ohr linkes Ohr der Weihnachtsmann das Schaukelpferd die Eisenbahn das Kinderbett Für Kinder ab 10 Jahren und Erwachsene Feldmann-Test rechtes Ohr linkes Ohr der Pinselstrich die Eisenbahn der Kühlschrank das Patenkind
Sprachaudiometrie im Störgeräusch Das Verstehen von sprachlicher Information ist im Alltag oft durch Nebengeräusche erschwert. Die Fähigkeit des Hörsystems zum „Herausfiltern““ von nützlicher Information aus Nebengeräuschen (Figur-Hintergrunderkennung, auditive Selektion) ist eine Leistung der auditiven Verarbeitung und kann durch die Sprachaudiometrie mit zusätzlichem Störgeräusch untersucht werden. Auch Erfolgskontrollen von Hörgeräteversorgungen unter „realistischen“ Bedingungen sollen mit Sprachaudiometrie im Störschall erfolgen. Es gibt unterschiedliche Testanordnungen, Einsilber- und Satztests mit verschiedenen Störgeräuschvarianten. Bei der Überprüfung des Hörgewinns durch eine Hörgeräteversorgung sollte idealerweise der hierfür konzipierte Oldenburger Kinderreimtest (OLKI) mit und ohne Störschall angewendet werden. Zur Untersuchung der auditiven Selektionsleistungen i. R. der AVWS-Diagnostik verwendet die Münsterer Variante der Sprachaudiometrie im Störschall die Beschallung im Freifeld mit Wortreihen von vorne mit 65 dB Lautstärke (je nach Alter der Kinder Göttinger II, ab 9 Jahre Freiburger) und Störschall (Breitbandrauschen) von 60, 65 und 70 dB von oben. Wir erkennen ein Nutzsignal (Sprache) besser, wenn ein vorhandenes Störsignal (Rauschen) auf beiden Ohren zu hören ist. Dieses kann dann leichter „ausgeblendet“ werden. Auch diese Fähigkeit kann bei einer auditiven Selektions-/ Verarbeitungsstörung beeinträchtigt sein und wird mit dem Binaural intelligibility level discrimination (BILD)-Test untersucht: Per Kopfhörer gleichzeitig einseitige Gabe von Sprache mit 63 dB Nutzschall und Störschall (Sprachsimulierendes Rauschen) mit 60 dB - Störschall zuerst monaural, dann binaural. Bei binauraler Störschallgabe sollte eine Verbesserung des Sprachverständnisses von mindestens 10% erreicht werden.
Prüfung der Mittelohrfunktion: Impedanzmessung Das Mittelohr (Trommelfell, Gehörknöchelchen, Ohrtrompete) hat die Aufgabe, den Schalldruck ca. 20-fach zu verstärken, so dass dieser die Flüssigkeit im Innenohr zum Schwingen bringen kann. Hierfür muss das Trommelfell gut schwingen können und das Mittelohr (über eine funktionierende Ohrtrompete) richtig belüftet sein. Am besten schwingt das Trommelfell, wenn der Luftdruck in der Paukenhöhle dem Außendruck (atmosphärischen Druck) entspricht. Die Trommelfellschwingung untersuchen wir indirekt, indem wir Schall auf das Trommelfell geben (Lautsprecher) und messen (Mikrofon), wie viel Schall zurückgeworfen wird. Je beweglicher das Trommelfell, desto mehr Schall wird weitergeleitet, desto weniger Schall zurückgeworfen. Bei der Tympanometrie / Impedanzmessung (Impedanz=Widerstand) wird über eine Druckpumpe und luftdichte Sonde im Gehörgang der Luftdruck verändert und ermittelt, bei welchem Druck der wenigste Schall zurückgeworfen wird. Dieser Punkt wird Compliance-Maximum genannt.
Tympanometrie/Messung des Tympanogramms: Der Gehörgang ist luftdicht mit einer Sonde abgeschlossen, in dieser sind 3 Öffnungen mit Verbindung zu:
1) Lautsprecher => Sondenton zum Trommelfell (220 Hz) 2) Mikrophon <= misst vom Trommelfell zurückgeworfenen Schall 3) Druckpumpe: ändert Druck im Gehörgang
Die Messung zeigt, ob das Trommelfell normal arbeitet, die Schwingung durch Unterdruck in der Paukenhöhle (Tubenkatarrh, Erkältung) beeinträchtigt ist, Flüssigkeit in der Paukenhöhle (Paukenerguss) die Schwingung abdämpft oder ob die Gehörknöchelchenkette unterbrochen und das Trommelfell dadurch abnormal beweglich ist.
Gesundes Ohr: Trommelfell ist bei Normaldruck maximal beweglich, nimmt großen Teil des Schalls auf (Compliance-Maximum). Schlechte Beweglichkeit bei Unter- und Überdruck im Gehörgang.
Bei Tubenfunktionsstörung (a.) ist durch Unterdruck im Mittelohr das Trommelfell Richtung Mittelohr eingezogen => Trommelfellbeweglichkeit beeinträchtigt, Schallleitungsstörung. Die Tympanometrie zeigt dies: Bei Unterdruck im Gehörgang wird das Trommelfell „herausgesaugt“ und schwingt optimal. Kurvengipfel entsprechend in Bereich des negativen Drucks verschoben Bei Paukenerguss (b.) ist die Schwingung durch die Flüssigkeit im Mittelohr abgedämpft, kein Schwingungsmaximum möglich, Kurve flach Ist das Trommelfell infolge einer atrophen (dünnen) Narbe oder einer Unterbrechung der Gehörknöchelchenkette (c.) abnormal beweglich, dann zeigt das Tympanogramm eine nach oben offene Kurve
Stapediusreflexschwellenmessung Der Stapediusreflex ist ein Schutzreflex, der das Innenohr vor hohem Schalldruck schützt. Aktivierung/Verlauf des Stapediusreflexbogens: Hoher Schalldruck => Afferenz(=Input) über Nervus acusticus => oberer Olivenkomplex: „Analyse: Das ist zu laut“ => Efferenz (=Output) beidseits (ipsi- und kontralateral)
über d. Nuclei faciales auf Nn. stapedii => N. stapedius innerviert Musculus stapedius => dieser zieht das Steigbügelköpfchen vom ovalen Fenster weg
(weniger Schalldruckübertragung auf das Innenohr) => Versteifung der Gehörknöchelchenkette => messbare Impedanzänderung (Abb. 15) messbar mit einer der Tympanometrie ähnlichen Messanordnung:
Messbare Impedanzänderung durch Kontraktion des M. stapedius
Eventueller Unterdruck im Mittelohr muss durch Anlegen eines Unterdrucks im Gehörgang ausgeglichen werden.
Bei flachem Tympanogramm keine Messung möglich
Reflex kann ab ca. 70 bis ca. max. 100 dB ausgelöst werden Dieser objektive überschwellige Hörtest ist heute vor allem noch wichtig für wissenschaftliche oder gutachterliche Fragen. Interpretation der Ergebnisse: Normale Reflexschwelle
Normales Gehör oder
Innenohrschwerhörigkeit < 55dB oder
Zentrale SH, Ursache oberhalb des Reflexbogens (sehr selten) Reflexschwelle erhöht
Auslösung vom mittelohrschwerhörigem Ohr her bis 30dB Schallleitungs- SH oder
Otoakustische Emissionen (OAE) = Schallaussendungen des Innenohrs, die im Gehörgang über ein Mikrophon gemessen werden. Vor allem die äußeren Haarzellen bewegen sich aktiv beim Hörvorgang (kochleärer Verstärker). Hierbei werden Schallwellen ausgesendet, die über ein Mikrofon im Gehörgang nachweisbar sind. Messung: Über eine Messsonde wird Schall zum Ohr gesendet und gleichzeitig auch der von den Haarzellen ausgesendete Schall aufgezeichnet. In der Sonde sind ein Miniatur-Mikrofon und Miniatur-Lautsprecher eingebaut. Ein PC produziert die Reizsignale und zeichnet die Antworten auf. SOAE (spontane otoakustische Emissionen) können spontan ohne akustischen Stimulus aufgezeichnet werden. Bei ca. 50 % der normal hörenden Erwachsenen nachweisbar. Bei Innenohrschädigung nicht nachweisbar. Bei Kleinkindern in ca. 70% nachweisbar, bei Erwachsenen über 50 Jahren in ca. 20%.
TEOAE (transitorisch evozierte OAE) kurze akustische Stimulation meist mit Klickreiz: Breitband-Reiz Schallantworten (Emissionen) über weite Teile der Basilarmembran da hohe Frequenzen an der Basis und tiefe Frequenzen an der Spitze
der Kochlea erkannt werden, sind Emissionen der Schneckenbasis (hohe Frequenzen) früher nachzuweisen als die der Schneckenspitze (tiefe Frequenzen)
Frequenz der Emissionen charakteristisch für Entstehungsort Entstehung der TEOAE. Der Klickreiz ps(t) löst auf der Basilarmembran eine Wanderwelle aus, die auf dem Weg bis zur Schneckenspitze die äußeren Haarzellen hintereinander anregt. Die angeregten Haarzellen erzeugen je nach Standort Schwingungen in unterschiedlicher Frequenz, Amplitude (zum Helikotrema abnehmende Steifigkeit der Basilarmembran) und Latenz.
ab Innenohrbedingtem Hörverlust > 30 dB keine TEOAE messbar
Auch bei Mittelohrfunktionsstörung oftmals nicht nachweisbar („Schall kommt schlechter rein, Emissionen nicht wieder raus“)
Über das gesamte Frequenzspektrum reproduzierbar nachweisbare TEOAE
Klinische Anwendung Innenohrfunktionsdiagnostik: Objektivierung oder Ausschluss von
Innenohr-Funktionsstörungen Bei Gutachten, V. a. Simulation, Aggravation in der Pädaudiologie zur objektiven Diagnostik Regelrechte Mittelohrfunktion (Tympanogramm, Ohrmikroskopie)
Voraussetzung für die Verwertbarkeit der Messergebnisse Neugeborenen-Hörscreening:
Möglichkeit, die Haarzellfunktion des Säuglings zu prüfen
Fehlen der TEOAE Hinweis auf Hörstörung, so ist ein Ausschluss höhergradiger Innenohr-Hörstörungen möglich
Schnell und zuverlässig am schlafenden Säugling durchführbar
Messfehler durch Fruchtwasser oder Käseschmiere im Gehörgang
Zwei Töne mit ähnlicher Frequenz, gleichzeitig gegeben, führen zur Bildung von „Kombinationstönen“ mit den Frequenzen f1+f2 , f2- f1, 2f1-f2 und 2f2+f1
Diese Töne entstehen als Verzerrungs- (Distorsions)töne durch Überlappung der Wanderwellen beider Primärfrequenzen
Auch von diesen Distorsionstönen sind otoakustische Emissionen nachweisbar, wobei die Emissionen der Frequenz 2f1-f2 die höchste Intensität haben. Diese sind daher auch klinisch relevant.
Die Emission hat nur 1/10 bis 1/15 der Stimulusamplitude
Klinische Anwendung
Bei Normalhörenden i. d. R. zwischen 500 und 8000 Hz messbar
Bei kochleären Hörstörungen bis Hörverlust von 40dB nachweisbar
ERA- Elektrische Reaktionsaudiometrie Ein Schallreiz führt bei regelrechter Innenohrfunktion zur Auslösung eines elektrischen Signals von der Kochlea über die Hörbahn bis zum zentralen Nervensystem. Dieses ist als Spannungsänderung (Potential) an der Kopfhaut mit Elektroden messbar (ähnlich den Herzströmen beim EKG). Die Methode zählt zu den objektiven Hörprüfungen. Durchführung:
Messelektroden werden auf Kopf befestigt (Vertex, Stirn, Mastoid)
Reiz über Kopfhörer z.B. Klick => lautstärkeabhängige Potentiale (Spannungsschwankungen) der Hörbahn
diese Potentiale werden von den Elektroden gemessen, verstärkt und mit PC aufgezeichnet
500-2000 Durchläufe, Aufaddieren der Ergebnisse („averaging“)
Potentiale werden aus dem Störrauschen/ EEG herausgefiltert
Auswertung der Potentialkurven nach Spannung und Zeitverhalten
=> Rückschluss auf Funktion der stimulierten Nervenbahn Störfaktoren: Unruhe, unbequeme Kopflagerung, elektrische Einstreuung Frühe akustisch evozierte Potentiale (FAEP) syn. BERA (Brainstem evoked response audiometry), 0 - 10 ms:
sehr zuverlässig ableitbare Potentiale mit geringer Amplitude
im Hörnerv und Hirnstamm generiert
für klinische Praxis größte Bedeutung
wichtig für Kinder: auch im Schlaf oder in Narkose messbar
typische Peaks (Spitzenwerte) nach Jewett von „I“ bis „VI“ benannt
einzelnen Wellen ordnet man bestimmte Orte der Hörbahn zu: Welle I: Beginn des Nervus cochlearis (z. B. Ganglion Spirale) Welle V: Lemniscus lateralis, große Amplitude, am zuverlässigsten nachweisbar
„Königsmethode“ der objektiven Audiometrie: bis nahe an die Hörschwelle messbar, gute Abschätzung Allerdings Potentialschwelle nicht identisch mit Hörschwelle
Mittlere Potentiale (MAEP): 10 - 50 ms.
schlecht gegen myogene (Muskel-)Komponenten abgrenzbar
Breitbandreiz, stimuliert gesamte Kochlea, Hörvermögen "im Ganzen" abgeschätzt, misst v. a. Hörbereich um 2000 Hz (lautester Frequenzanteil des Klickreizes)
Latenzdiagnostik: Reizweiterleitung des Hörnerven gestört?
die Nervenleitgeschwindigkeit ist bei Hirntumoren im Bereich des Hörnerven (z. B. Akustikusneurinom) oder neurodegenerativen Erkrankungen (Multiple Sklerose) herabgesetzt
Mittels Seitenvergleich und anhand von Normwerten kann abgelesen werden, ob die Reizweiterleitung auffällig verändert ist
Akustikusneurinom: Reizweiterleitung im Seitenvergleich verzögert: Differenz zwischen Welle I (Beginn des Hörnervs) und Welle V (Hirnstamm) vergrößert = „verlängerte Interpeaklatenz I-V“
Weitere Erkrankungen mit Latenzdifferenzen: Tumoren der hinteren Schädelgrube, Neurofibromatose (M. Recklinghausen) Schädel- Hirn- Traumen
Beispiel Akustikusneurinom: Bei einer Schädigung des Hörnerven ist die Laufzeit zwischen den Wellen I und V verlängert (links).
Kleinkinder unter 1J. zeigen aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Reifung der Hörbahn um bis zu 1 ms längere Latenzen. Schwellenbestimmung (objektive Audiometrie) durch BERA:
die Welle V ist bis nahe der subjektiven Hörschwelle nachweisbar
Abschätzung der Hörschwelle durch Untersuchung mit verschiedenen Pegeln
sinnvoll bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen, bei denen der Verdacht auch Simulation oder Aggravation besteht
frühe Potentiale = Anfang der Hörbahn, nicht die zentrale Reaktion Messung bei Erwachsenen und älteren Kindern in Ruhe, bei kleineren Kindern im Schlaf (ggf. Melatonin-induziert), Sedierung oder Narkose
Normal liegt die subjektive Hörschwelle ca. 10 dB unterhalb der objektiven Schwellenreaktion. Bei Klick-Schwelle von 20 dB wäre also eine Hörschwelle von 2-3 kHz bei 10 dB zu erwarten. Frequenzspezifische BERA (Notched Noise)
frequenzspezifische Ergebnisse bei Säuglingen und Kleinkindern z. B. für Hörgeräteversorgung wünschenswert
Durch Rauschen wird die Kochlea „vertäubt“. Das Spektrum des Rauschens lässt jedoch einen bestimmten Frequenzbereich (notch = Kerbe) aus
In dieser Kerbe liegende Haarzellen werden mit einem Tonpuls der entsprechenden Frequenz gereizt werden. So können frequenzspezifische Reizantworten generiert und abgeleitet werden
Messung bei (500), 1000, 2000, 4000 Hz üblich
Die Reizantworten sehen anders aus als die Klick-evozierten Potentiale. Entscheidend ist, ob ein Potential vorhanden ist.
verzögerter Laut- und Schriftspracherwerb? Mögliche operative Maßnahmen: Adenotomie, Parazentese
(Trommelfellschnitt), Paukenröhrcheneinlage Langzeiteffekt von Paukenröhrchen auf Sprachentwicklung? zumindest Kinder mit verzögerter Sprach- und allgemeiner
Entwicklung profitieren von der Beseitigung des Paukenergusses
intellektueller und psychosozialer Entwicklung möglich
Spracherkennung: Leistung des ausgereiften zentralen Hörsystems Frühkindliche periphere Hörstörungen behindern Entwicklung der zentralen Hörbahnstrukturen und neuronalen Vernetzung, deren Ausbildung nur innerhalb bestimmter Entwicklungsperioden möglich ist (Phasenspezifität der Plastizität / Hörbahnreifung) Neuronale Plastizität:
Axonal: Myeliniesierung bis zum 8.- 12. Lebensmonat
Kortikal: Hebb-Zellensembles (Mustererkennung bei gesprochener Sprache): bis 7./ 8. LJ
Lallperioden Erste (instinktive) Lallperiode (6. Woche- 6. Monate) ist auch hochgradig schwerhörigen Kindern vorhanden! Häufig Grund dafür, dass Eltern einen zunächst vorhandenen Verdacht auf eine Hörstörung nicht aufrechterhalten!
Erst in der zweiten (imitativen) Lallperiode (6.-9. Monat) erfolgt eine vom Grad der Hörstörung abhängige Verzögerung der Sprachentwicklung bis hin zum Erstummen. Sprache schwerhöriger Kinder:
Reduktion des aktiven Wortschatzes
Vermeidung komplexer Satzstrukturen
Wegfall von Endsilben und Endkonsonanten
Fehler bei Flexionen und Deklinationen
Artikulationsfehler: audiogene Dyslalie
erste Worte und Mehrwortsätze verzögert
Sprache und Stimme gehörloser und hochgradig schwerhöriger Kinder:
Erworbene Hörstörungen (vor/während/nach der Geburt durch äußere Einwirkung erworben) Infektionen 1. Zytomegalie (Virus führt zu Riesenzellbildung in entzünd. Gewebe) Mangel-/Frühgeburt, Pneumonie, Hepatitis, Retinitis, Mikro-/ Hydrozephalus
90% asymptomatisch, bis 10% davon später progrediente Hörstörung
ca. 12% der beidseitigen Hörstörungen durch Zytomegalie
> 50% Beginn nach 1. LJ 2. Toxoplasmose Selten (< 1%), Infektion d. Mutter mit Toxoplasma gondii (Einzeller) z. B. durch rohes Fleisch Gehirn- und Hirnhautentzündungen, Verkalkungen im Gehirn Hydrozephalus (Wasserkopf) Chorioretinitis (Augenentzündung) mit Erblindung 10 -15 %: Hörstörung
3. Neugeboreneninfektionen („Amnioninfektsyndrom“): unklare Erreger Infektion der Eihöhle/Eihäute/Plazenta während Schwangerschaft/Geburt Mumps, Masern, Röteln heute (Impfung!) sehr selten Lues (Syphilis), Windpocken, Herpes simplex Toxische und teratogene (keimschädigene) Substanzen Alkoholembryopathien (1-3:1000 Neugeborenen!) Symptome: breiter Nasenrücken, kurze Lidspalte, schmales Lippenrot, Mikrozephalie, statomotorische und geistige Retardierung 30%: sensorineurale Hörstörungen, rekurrente Otitis media Medikamente: ototoxische Antibiotika (v. a. Aminoglycosid-Antibiotika) fetaler Jodmangel Vitamin A- Embryopathie: Mikro-/Anotie, Mikrogenie, Herz-, Augenfehlb. Thalidomid-Embryopathie („Contergan“): Fehlbildungen der Gliedmaßen: „Robbengliedrigkeit“ (Phokomelie), Gehörgangs, -Mittelohrfehlbildungen Verletzungen Verkehrsunfälle, Geburtstrauma, Schädel- Hirn- Trauma (Schädelfraktur, intrazerebrale Blutung, Hirninfarkt)
Genetisch bedingte Hörstörungen ca. 50- 60% der Schwerhörigkeiten sind genetisch bedingt European working group on genetic hearing impairment: genetische Hörstörung sehr wahrscheinlich wenn
Bekannte Faktoren für erworbene Hörstörung ausgeschlossen sind
Schwerhörigkeit in der Familie
Konsanguinität vorliegt (Eltern blutsverwandt)
Syndrom vorliegt Monosymptomatische Hörstörung: = Hörstörung einziges Krankheitssymptom, kein Syndrom
Hypoplasie von Unterkiefer, Jochbogen und Kieferhöhle
Gelegentlich Mikrognathie, Spalten und Ohrdeformitäten
Autosomal dominant, auch sporadisch (Neumutation?) Mucopolysaccharidosen Stoffwechselstörung mit Speicherung von Mucopolysacchariden in verschiedenen Organen führt zu Organdefekten, viele verschiedene Formen, besonders Typ II (Hunter) führt zur frühen Ertaubung, Skelettanomalien und geistiger Retardierung Chromosomenanomalien Trisomie 21 (M Down): häufig Schallleitungsstörung: Gehörgangsstenose, chron. Paukenerguss auch Schallempfindungs- oder kombinierte Hörstörung Ullrich- Turner-Syndrom (45, XO): gehäuft Schallleitungsstörung, auch Schallempfindungs- oder kombinierte Hörstörung
5. ggf. bildgebende Diagnostik: Kernspintomographie, vor allem bei einseitiger Schwerhörigkeit bei V. a. knöcherne Beteiligung der Gesichts- /Ohrschädels ggf. Computertomographie (sehr strenge Indikationsstellung: Strahlenbelastung für Linse!)
Hörgeräteversorgung und Rehabilitation bei Kindern Eine unzureichende Stimulation des auditiven Systems während der Hörbahnreifung führt zu irreversible Folgen für Hör- Sprachentwicklung, Kommunikation, emotionale und soziale Entwicklung! Soll
erste beide Lebensjahre = sensible Phase der Hörbahnreifung Diagnose und Hörgeräteversorgung angeborener Hörstörungen
möglichst bis zum 4.–6.Lebensmonat Ist
Mittleres Alter bei Diagnose gravierender Hörstörung 2 Jahre (BD)
Mittleres Alter bei Hörgeräte- Erstversorgung 36 Monate
bei an Taubheit grenzender SH früher (19 Monate) als bei hoch- bzw. mittelgradig schwerhörigen Kindern (30 bzw. 50 Monate)
Hörgeräteversorgung erforderlich: permanente Hörstörungen, die (zu diesem Zeitpunkt) nicht operativ behandelbar sind
am häufigsten bei Innenohrschwerhörigkeit
bei Schallleitungsstörung temporär, oft im Schulalter OP möglich
Beispiel: u. U. auch bei Paukenergüssen, bei denen aufgrund der Enge des Gehörgangs keine Paukenröhrcheneinlage möglich ist
Indikation abhängig von Art, Lokalisation, Schwerhörigkeitsgrad, Hörschwelle,
Sprachverstehen Bei Kindern auch: Alter, weitere Behinderungen, soziales Umfeld
Indikationsgrenzen für Hörgeräteversorgung Erwachsener
von 500 bis 3000 Hz auf besserem Ohr ≥30 dB HV in ≥ 1 Frequenz
bei 65 dB max. 80 % Einsilberverstehen im Sprachaudiogramm nicht auf Kinder übertragbar, großzügigere Indikation! Bei Kindern kann jede Abweichung vom „normalen“ und „dem Alter
entsprechenden“ Hörvermögen eine Versorgung sinnvoll machen Eventuell „entwicklungsbegleitende Versorgung
„Behandlung “ = Hörgeräteanpassung + interdisziplinäre Betreuung: diagnostische, therapeutische und pädagogische Maßnahmen, Koordination Hörfrühförderung, Elternführung und –Beratung, Information über technische Zusatzausstattung, schulische Maßnahmen, Rehabilitation
Säuglinge und Kleinkinder: Einstellung möglichst nach frequenzspezifischer Hirnstammaudiometrie (Notched- Noise- BERA)
Später subjektive Reaktionsaudiometrie und Spielaudiometrie
„Puzzlespiel“ vieler Testergebnisse
ggf. „probatorische Versorgung“, Diagnostik vervollständigen, Ergebnisse i. S. einer „gleitenden Anpassung“ berücksichtigen
Ziel:
Kommunikationsmöglichkeiten verbessern, Sprache hörbar machen
Sprache und Umweltgeräusche angenehm verstärken
zu große Lautstärken und Verzerrungen vermeiden
Ausgangspegel frequenzspezifisch an Resthörbereich anpassen Kriterien: Akzeptanz, veränderte Hörreaktionen, etwaiges Erschrecken, vermehrtes Lautieren bzw. Fortschritte in der Sprachentwicklung, Veränderung des gesamten Verhaltens Begleitende Diagnostik und Behandlung
Ätiologische Diagnostik (Ursachenabklärung)
Über Fördermaßnahmen informieren
Kontakt mit Schwerhörigenberatungsstelle: Hörgerichtete Frühförderung
Ggf. Entwicklungsdiagnostik und Erheben des Sprachstatus
Ggf. zusätzliche logopädische Behandlung, Ergotherapie, heilpädagogische Behandlung oder allgemeine Frühförderung
Elternberatung
Wichtig! Mitarbeit, Geduld, Engagement der Eltern entscheidend für Erfolg der HG-Versorgung!
Auswirkung der Schwerhörigkeit auf Entwicklung des Kindes
Ablauf der Hörgeräteversorgung und Einsatz weiterer möglicher Hilfen
Einweisung in täglichen Umgang mit den Hörgeräten, Beratung über Zusatzgeräte und Anschlussmöglichkeiten an Radio und Fernsehen
Schwerbehindertengesetz (Versorgungsamt, Feststellung einer Behinderung)
Aufzeigen der Möglichkeit + Notwendigkeit gezielter Fördermaßnahmen
Hör- Sprach-Förderung: Beratung über häusliche Fördermöglichkeiten
Eltern müssen Kind in die Welt des Hörens einführen, das heißt: auf Geräusche aufmerksam machen, deren Bedeutung zeigen, Höraufmerksamkeit stimulieren, zum Lautieren und Produzieren von Geräuschen anregen, auf Lautäußerungen des Kindes angemessen reagieren, Sprache als wichtigstes Verständigungsmittel anbieten Psychische Belastung der Eltern: Oft Schuldgefühle: Beratung und Angebot einer familienpsychologischen Betreuung, damit Hörbehinderung und Hörgeräte akzeptiert werden. Für Kind wichtig, Hörgeräte selbstbewusst tragen zu können Permanente Begleitung Sprachentwicklung und allgemeine Entwicklung regelmäßig überprüfen!
Förderung ausreichend? weitere Fördermaßnahmen einzuleiten? zusätzliche technische Hilfsmittel?
Hörgerät ausreichend oder Versorgung mit einem CI indiziert?
Folgeversorgung nach üblicherweise frühestens 5 Jahren. „Versorgung“ nie wirklich abgeschlossen!
Auditive Kommunikationsförderung Ganzheitlicher Hörerziehungs- und Förderprozess:
Wahrnehmen?
Unterscheiden?
Identifizieren und Erkennen? open set (vorher nicht bekannt) oder closed set (vorgegebene Antworten)
Paralleles Lernen von Gebärden reduziert lautsprachliche Fortschritte o Kontroverse: Unisensorik vs. Multisensorik (+Lippenbild?) o Einsatz von Lautsprache begleitenden Gebärden, falls bei
alleiniger lautsprachlicher Förderung keine Fortschritte
Hören soll nicht trainiert, sondern zur Selbstverständlichkeit werden
Bestes Hörerziehungsinstrument ist die menschliche Stimme
Deutlich, Mimik und Gestik, rhythmisches und melodisches Sprechen
Rhythmisch-musikalische Erziehung
Motherese Baby Talk
Muttersprachlich- reflektierte Methode: Doppelrolle/Fangspiel: Elternteil fängt auf, was Kind sagen will, und versprachlicht es. Mehrmals sprechen, deutlich und melodisch, Lernen am Vorbild
Cochlea Implant Infolge einer Innenohr-Schädigung ertaubte oder hochgradig schwerhörige Patienten, früh ertaubte oder taub geborene Kleinkinder sowie nach dem Spracherwerb Ertaubte können mit Cochlea Implant (CI) wieder Sprache hören und verstehen. Elektrische Hörnervstimulation ermöglicht direkte Verbindung zur akustischen Umwelt und altersgemäße Sprachentwicklung. Bislang einzige funktionierende Prothese eines Sinnesorganes; weltweit > 40000 Implantierte. Aufbau: mehrteilige "Innenohrprothese": Empfänger, Stimulator (4) und Elektroden werden implantiert, Mikrophon und Sprachprozessor(1) sowie Senderspule (3) außen am Körper getragen. Sprachprozessor (1) nimmt akustische Signale über Mikrophon auf: Ton- und Geräuschanalyse, Umwandlung in elektrische Reizmuster, die über die implantierten Elektroden den Hörnerv (5) stimulieren. Die Reizmuster werden als Hochfrequenzsignale einer Sendespule (3) zugeführt. Die Information gelangt drahtlos über induktive Kopplung zum Implantat mit Empfangsspule sowie der Decodierungs- und Stimulatorelektronik (4). Der Sprachprozessor enthält die digitale Reizcodierungselektronik mit zwei bis acht gespeicherten Programmen und Batterien. Er wird heute meist als HdO- Gerät getragen. Das Implantat demoduliert die von der Sendespule (3) gesendete Information und gibt schnelle elektrische Pulse auf die in der Cochlea liegenden Elektroden => Stimualtion des Hörnerven, der Aktionspotentiale erzeugt und an Gehirn weiterleitet. Dort werden die Signale als Hör- und Klangempfindung wahrgenommen.
Funktionsweise
Direkte elektrische Hörnerven- Stimulation
Akustisches Signal in elektro-neurales Erregungsmuster übersetzt
Hörnerv kann mit unterschiedlichen Reizformen angeregt werden
Reizrate kann bis zu etwa 300 Pulsen pro Sekunde der Grundfrequenz der menschlichen Stimme zugeordnet werden
Stimulation an verschiedenen Reizorten ruft Empfindungen vergleichbar der Tonhöhenempfindung Normalhörender hervor
Elektroden geben wie Klaviertasten verschiedene Klangspektren wieder
Frequenzen hängen von Eindringtiefe des Elektrodenträgers ab
Beispiel Nucleus-Implantat (22 Elektroden, über 17 mm verteilt): bei Eindringtiefe von 20 mm Frequenzbereich zwischen 0,7und 11 kHz
Audiologische Indikationen bei Erwachsenen und Kindern
Beidseitige überwiegend sensorische Taubheit bis hin zur an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit.
Funktionstüchtigkeit von Hörbahn und Hörnerv muss angenommen werden können (anhand v. Voruntersuchungen)
Letztlich ist nicht die Tonaudiometrie, sondern die Sprachperzeption entscheidend
1. Postlingual ertaubte und resthörige Kinder, Jugendliche und Erwachsene:
Akut ertaubte Patienten sowie progredient ertaubte, möglichst frühzeitig Ertaubung >10 J.: besondere Anforderungen für Rehabilitation
Patienten mit Restgehör, deren Sprachverstehen nicht ausreichend ist (Einsilberverstehen im Freiburger Sprachtest unter 40 % - bei Freifeldmessung mit Hörgeräten)
2. Kinder (Prälingual ertaubt und konnatal gehörlos, auch mit Resthörigkeit)
möglichst frühzeitige Versorgung (ab 2. LJ) innerhalb d. ersten LJ; bei konnatal Gehörlosen bis max. 5. LJ
vorherige Beobachtungsphase (Hörgeräteversorgung, Frühförderung ohne ausreichende Sprachperzeption)
Kontraindikationen:
Fehlende Cochlea, fehlender Hörnerv
Akute und chronische Mittelohrinfektionen (nach Sanierung OP möglich)
Schwere psychische Erkrankungen
Nicht sichergestellte postoperative Rehabilitation
Gut angepasster Sprachprozessor ermöglicht, vielfältige Klangeindrücke wahrzunehmen und schneller voneinander unterscheiden zu lernen.
Hauptziel: für jede aktive Elektrode Hörschwellen und Pegel der angenehmen Lautheit zu bestimmen. Bei Kindern schwieriger
Anpassung nach abgeschlossener Wundheilung mit PC und spezieller Software. Ermittlung der minimalen Stromstärken, die Höreindrücke auslösen (Hörschwelle, Threshold bzw. T-level) und der maximalen Stromstärken, die noch angenehm laut empfunden werden (Comfort level bzw. most comfortable level, abgekürzt C-level oder MCL) für alle verfügbaren Kanäle bei ertaubten Erwachsenen einfach und zuverlässig. Postoperative Basis- und Folgetherapie technische Beratung, Veränderung der Anpassungsdaten, Dokumentation der Fortschritte (Hör- und Sprachtests) Besonderheiten bei Kindern Ziel: Hören im Leben des Kindes verankern, kommunikative und sprachliche Fähigkeiten entwickeln und verbessern Voraussetzungen dafür:
Schulung in Handhabung des Sprachprozessors, Erkennen von Fehlerquellen und ggf. Beseitigung
Elternanleitung zu situationsangemessenen Hörverhalten (Hörtaktik)
Zusammenarbeit CI-Zentren, Frühförderung, Kindergarten, Schulen und Herstellerfirmen
Jährliche ärztliche und technische Kontrollen an implantierender Klinik
Psychologische Beratung
Ggf. sonderpädagogische Förderung
Hör- und Sprachförderung (siehe Hörgeräteversorgung)
Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen Definition der DGPP (Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie) Eine auditive Verarbeitungs- und/oder Wahrnehmungsstörung (AVWS) liegt vor, wenn zentrale Prozesse des Hörens gestört sind: Analyse und Integration der in akustischen Signalen enthaltenen Frequenz-, Zeit-, Intensitäts, - und Phaseninformation, Prozesse der binauralen Interaktion (z.B. Lokalisation, Lateralisation, Störgeräuschbefreiung). Ätiologie und Pathogenese
Dysfunktion der Afferenzen und Efferenzen der Hörbahn
Unklar, ob isoliert Hörbahn betroffen ist oder generelles Defizit vorliegt
Vermutlich einzelne Abschnitte der Hörbahn unterschiedlich betroffen Symptome Schulkinder:
Spracherwerbsstörung, schlechte Lernleistung, besonders im Lese-Rechtschreibbereich, “Wahrnehmungsfehler“ in der Rechtschreibung=> gestörte auditive „Wahrnehmung“ / LRS?
Probleme im Richtungshören oder im Störlärm => gestörte auditive „Verarbeitung“/ Selektionsstörung
Hyperakusis, Geräuschempfindlichkeit, Probleme im Störlärm Mittel – und Innenohrschäden beeinträchtigen zwar die auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung, führen aber nicht zur AVWS, da Ursache die Störung des peripheren Sinnesorgans ist. Verarbeitungsstörung: Hirnstammniveau (z.B. Fehlbildungen, Tumor) Wahrnehmungsstörung: primärer auditorischer Kortex/ Assoziationszentren Störung von übergeordneten (nicht spezifisch auditorischen) kognitiven Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprozessen => „symptomatische“ Störung, keine AVWS i. e. S. Beispiel: Aufmerksamkeitsstörung Diagnose Achtung: „AVWS“ als „Modediagnose“. Bei Schulproblemen, denen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme (ADHS), perzeptive Dysfunktionen (sensorische Integrationsstörung), Lernstörungen, kognitive Einschränkungen wie eine Lernbehinderung (IQ<85), aber auch große Klassen oder pädagogische Schwierigkeiten zugrunde liegen, wird von Eltern (oder Lehrern) häufig eine „AVWS“ vermutet. Bei den meisten der Kinder liegt eines der o. g. Störungsbilder zugrunde (AVWS-Ausschlussdiagnostik). Auch im Kindergartenalter wird häufig eine AVWS vermutet, obwohl sie nicht vor 5 Jahren Lebensalter diagnostiziert werden kann. Diagnostik: ausführliche Anamnese, ohrmikroskopischer Befund sowie subjektive und objektive Testverfahren, die die verschiedenen Aspekte der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung überprüfen. Nachweis
gestörter Prozesse der auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung. Das Münsteraner Untersuchunskonzept beinhaltet: 1. Hördiagnostik
Tonschwellenaudiometrie,
standardisierte Sprachaudiometrie,
Hören im Störschall,
Binaural Intelligentibilty Level Different- Test (BILD)
dichotische Tests,
Hörtests zu basalen Hörverarbeitungsfunktionen wie Zeit- und Frequenzauflösung (GAP-Detektion),
Richtungshören (Regiometrie)
Otoakustische Emissionen, Suppression der OAE im Störschall 2. Sprachdiagnostik
Auditive Aufmerksamkeit
Tests zur phonologischen Bewusstheit: o Lautidentifikation (Heidelberger Vorschulscreening/HSET) o Lautdiskrimination (BLDT) o Lautsynthese (Untertest Laute verbinden aus dem PET) o Wortergänzung (Untertest WE aus PET)
Überprüfung der Hörmerkspanne: Auditive Merkfähigkeit für Zahlen, Silben, Sätze (aus dem PET), sinnfreie Silben (Mottier)
3. Psychologische Testdiagnostik
(nonverbale) Intelligenz
Aufmerksamkeits- und Reaktionstests
Tests zur verbalen Lern- und Merkfähigkeit Viele Tests sind nicht standardisiert und in ihrer Wertigkeit umstritten. Zur Bewertung: Gesamtschau der Befunde, der Beobachtungen und der Anamnese vor dem Hintergrund der allgemeinen kognitiven Fähigkeiten. Ziel: Defizit möglichst exakt beschreiben, um nähere Hinweise auf Schwerpunkt (einschließlich Lokalisation) der Dysfunktion zu gewinnen. Therapie abhängig von Störungsschwerpunkten: „Wahrnehmungs“problematik:
Training der phonologischen Bewusstheit, auditive Differenzierung, Lautidentifikation, Analyse, Synthese
Aber: LRS-Förderung bei Logopädin unter der Diagnose „AVWS“ geht nicht, ist Aufgabe der Schule. Verarbeitungs- oder Selektionsstörung
Problem der Figur- Hintergrunderkennung:
vor allem Hören im Störschall beeinträchtigt übende Verfahren (Hörtraining) Verbesserung der Signalqualität (Sitzplatz im Klassenraum,
Lärmpegel im Unterricht, ggf. raumakustische Maßnahmen, ggf. FM- Anlage/Hörgeräteversorgung)
AD(H)S, SI, (grenzwertige, d. h. noch regelbeschulte) Lernbehinderung:
Oft Symptome im Bereich auditiven Aufmerksamkeit, Verarbeitung und Wahrnehmung
Soweit diagnostisch abzugrenzen und schlechter als allgemeinen Leistungen, kann Therapie auffälliger Teilleistungen sinnvoll sein
Spezielle Therapiemaßnahmen: A. Übende Verfahren Lokalisationsfähigkeit, Lautunterscheidung, Lautidentifikation. Störungsspezifische Übungen zur Verbesserung von:
Auditorische Vigilanz
Diskrimination von Intensität und Frequenz, Frequenzübergangen
Phonem- und Silbendiskrimination
Lokalisation, Lateralisation B. Kompensatorische Strategien: Training übergeordneter/unspezifischer Hirnleistungen oder anderer Wahrnehmungs- oder Verarbeitungsstrategien
metalinguistisch => effizientere Sprachperzeption o Erkennung von Kohäsionsstrukturen o Generieren eines kontextabhängigen Vokabulars o Segmentierung, Prosodieerkennung
metakognitiv => Aufgabenverständnis, auditorische Aufmerksamkeit, Identifizieren von Kernaussagen, Hörselbstkontrolle
Sprachreize eingebettet in Störgeräusche
Training der auditiven Merkfähigkeit C. Verbesserung der Signalqualität
Verbesserung des Signal-Störschall–Verhältnisses
Intensitätserhöhung des an das Ohr kommenden Signals
o Sitzplatz vorne in der Klasse o z.B. Verbesserung der Schallreflexion in Schulräumen durch
Anbringen geeigneter Textilien (Teppiche/Vorhänge) o Verkleinerung der Gruppenstärke im Unterricht o in Sonderfällen Anpassung von FM- Übertragungsanlagen oder
Hörgeräten. Achtung: Risiko der Innenohrschädigung! => strenge Indikationsstellung und exakte Überwachung
Weitere Maßnahmen Bewusste Artikulation des Lehrers, visuelle Hilfen, Erleichterung von metakognitiven bzw. metalingusitischen Strategien.