MASTERARBEIT/MASTER’S THESIS Titel der Masterarbeit / Title of the Master’s Thesis Change Management bei Umstrukturierungen im Bankensektor Eine rekonstruktive Fallstudie in einer europäischen Bank verfasst von / submitted by Helena Mader BA angestrebter akademischer Grad / in partial fulfilment of the requirements for the degree of Master of Arts (MA) Wien, 2017 / Vienna, 2017 Studienkennzahl lt. Studienblatt/ A 066 905 degree programme code as it appears on the student record sheet: Studienrichtung lt. Studienblatt / degree programme as it appears on the student record sheet: Masterstudium Soziologie Betreut von / Supervisor Ao.-Univ. Prof. Dr. Ulrike Froschauer
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MASTERARBEIT/MASTER’S THESISothes.univie.ac.at/48091/1/50015.pdfwelchem Forschungsparadigma und theoretischen Hintergrund sich diese Studie verorten lässt. Neben einer erkenntnistheoretischen
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MASTERARBEIT/MASTER’S THESIS
Titel der Masterarbeit / Title of the Master’s Thesis
Change Management bei Umstrukturierungen im
Bankensektor
Eine rekonstruktive Fallstudie in einer europäischen Bank
verfasst von / submitted by
Helena Mader BA
angestrebter akademischer Grad / in partial fulfilment of the requirements for the degree of
Master of Arts (MA)
Wien, 2017 / Vienna, 2017
Studienkennzahl lt. Studienblatt/ A 066 905
degree programme code as it appears on
the student record sheet:
Studienrichtung lt. Studienblatt /
degree programme as it appears on
the student record sheet: Masterstudium Soziologie
Betreut von / Supervisor Ao.-Univ. Prof. Dr. Ulrike Froschauer
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Inhaltsverzeichnis
I EINLEITUNG .................................................................................... 5
I.1. Problemstellung und Relevanz der Arbeit ......................................... 5
I.2. Der Begriff der Organisation und des Change Managements ......... 7
I.2.1. Die Umwelt einer Organisation ..................................................... 7
sieht es in der Beratungssituation als einen wichtigen Schritt an, die
verschiedenen Sichtweisen der Mitglieder zu verstehen um darauf
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aufbauend ihr Verhalten zu beeinflussen. Dabei ist die Realität nicht als
objektiv anzusehen, sondern als höchst differenziert und subjektiv. Es
müssen alle Sichtweisen berücksichtigt werden, sowohl jene des
Managements, als auch jene der ProjektorganisatorInnen und der der
MitarbeiterInnen. (vgl. Froschauer/Lueger 2010, S.259f). Die Beratung hat
die Funktion Sachverhalte in einem System zu verstehen, reflektieren und
bewusst werden zu lassen. Allein das kann schon zu Sinneswandel führen,
da bestimmte defizitäre Prozesse bisher nicht bewusst wahrgenommen
wurden. So veranlasst eine neutrale Funktion das System dazu, sich von
außen zu beobachten und ein Bild von seiner eigenen Organisation zu
erlangen.
Nach Froschauer und Lueger (2010) sind Organisationen in ständiger
Bewegung und nie in sich stabil.
„Die wiederholte und geordnete Sinnproduktion erzeugt Strukturen,
die aufgrund des fragilen Verstehensprozesses ständiger
Veränderung unterliegen, die sich von den Intentionen der
Organisationsmitglieder völlig lösen können. Dies macht es auch
verständlich, warum in Organisationen häufig Probleme
auftauchen, die alle MitarbeiterInnen und Führungskräfte kennen,
unter denen sie alle leiden und die sie dennoch nicht verändern
können.“ (Froschauer/Lueger 2010, S.261)
In solch einer Situation ist die Unterstützung einer neutralen Beratung
essentiell, denn sie kann in diesen Prozess eingreifen und ihn für die
Mitglieder sichtbar machen.
II.7. Doppelte Kontingenz
Warum sollte überhaupt eine Information an ein anderes System gelangen?
Warum soll sich jemand mit der Mitteilung als Empfänger beschäftigen und
sie versuchen zu verstehen, fragt Luhmann. Wenn man sich in eine Situation
versetzt, in der kommunikativ keine Regeln vorherrschen, so ist es, laut
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Luhmann, eher unwahrscheinlich, dass eine Kommunikation stattfinden wird.
Er beschreibt es so, dass prinzipiell das Verhalten eines Gegenübers
gefährlich sein könnte und die Wahrnehmung von Mitteilung und
Information erst beobachtet werden müsse. Gerade in einer schwierigen
Situation der Kommunikation, könnte antizipiert werden, dass das Gegenüber
den Sinn der Mitteilung eher ablehnt. In dieser Situation, so Luhmann, sei es
eher unverständlich warum eine Kommunikation angefangen wird (vgl.
Luhmann 1997, S.191).
Wenn sich aber ein gemeinsamer Sinnhorizont ergeben hat, ist man als
soziales System bestrebt den Zustand instand zu halten. So ist es schwierig in
Kommunikation zu kommen, aber trotzdem eine Notwendigkeit der
menschlichen Absprache vorhanden.
III. Systemtheoretisch orientierte
Organisationstheorie
III.1. Organisationen bei Luhmann
Luhmann setzt seine Theorie sozialer System in den Kontext autopoietischer
Systeme ein. Aus diesem Grund werden seine früheren Werke zu seiner
Organisationskonzeption vorgestellt um sie mit dem späteren Werken in
Beziehung zu setzen.
In seinem Werk Funktionen und Folgen formaler Organisation spielen
insbesondere die Mitgliedschaft in einer Organisation eine Rolle und die
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Erwartungen, die diese Mitglieder sich gegenüber haben. Luhmann geht auf
den Begriff der „formalen Organisation“ ein. Er versteht unter Formalität die
Zugehörigkeit zu einer bestimmten Systemstruktur. Formal ist sie, weil die
Identität des Systems, dadurch dass Mitglieder innerhalb der Organisation
wechseln, gesichert werden muss (vgl. Luhmann 1976, S.29).
Er meint damit, dass innerhalb von Organisationen bestimmte Erwartungen
unter den Mitgliedern zugeschrieben werden, nach denen sich die Mitglieder
auch richten müssen. Dadurch, dass bestimmte Aufgaben in einer
Organisation verteilt werden müssen, werden bestimmte Positionen nach
Aufgaben besetzt, die mit den Zielsetzungen der Organisation eng verknüpft
sind, bzw. sich danach richten. Auch bei dem Austritt einer Person für eine
Position, muss diese wieder neu besetzt werden, ohne dass die nachfolgende
Person Beeinträchtigungen für die Organisation darstellt. Damit ein
Übergang derart, reibungslos verlaufen kann, müssen sich die Mitglieder an
formale Vorgaben für bestimmte Prozesse halten, die bereits vordefiniert
wurden. Luhmann sagt auch, dass dies charakteristisch sei für formal
organisierte Organisationen, und dass die Mitglieder sich diesen formalen
Erwartungen auch nicht entziehen könnten, da sie sonst ihre Position
gefährden könnten (vgl. Luhmann 1976, S.36).
Luhmann definiert Organisationen also unter den Bedingungen der
Mitgliedschaft. Der formale Charakter der Organisation hat die Funktion
einer Abgrenzung gegenüber Organisationen und deren Mitgliedern in der
Umwelt. Die Erwartungen stellen eine unbedingte Anforderung an die
Mitglieder dar, und werden auch als eine interne Norm gesehen über die auch
Konsens besteht. Konsens auch in dem Sinne, dass eine Abweichung von
dieser Erwartungserfüllung mit einem Fortbestehen innerhalb der
Organisation nicht möglich sein wird. Diese wechselseitigen Erwartungen
stellen für Luhmann eine universale Voraussetzung für ein Funktionieren der
Organisation dar. Sollten Erwartungen nicht erfüllt werden (wollen), dann
gibt es für die Mitglieder die Möglichkeit der Modifizierung ihres Verhaltens
oder sie müssen aus der Organisation austreten. Gegenseitige Erwartungen
können auch neu ausgehandelt werden (vgl. Luhmann 1976, S.34f).
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In seinem späteren Werk spielen auch wieder Erwartungen eine wichtige
Rolle, aber auch der Prozess von Entscheidungen. Entscheidungen sind für
Luhmann eine Unterkategorie der Kommunikation, die einen wichtigen
Bestandteil sozialer Systeme darstellt. Entscheidungsfindungen sind spezielle
Formen der Kommunikation und finden als ein sozialer Wahlakt statt, nicht
als individueller, psychischer Akt (vgl. Günther 2004, S.12).
In einer Definition zu Organisationen definiert Luhmann also
„Systeme, die aus Entscheidungen bestehen, und die Entscheidungen
aus denen sie bestehen, selbst anfertigen.“ (Luhmann 1988, S.166).
Organisationen bestehen also aus Entscheidungen, bringen aber auch
Entscheidungen hervor, die wiederrum Entscheidungsprozesse ankurbeln.
Dies stellt auch eine Parallele zum Autopoiesis-Konzept nach Luhmann dar.
Die selbstreferentielle Maschinerie der Entscheidungsproduktion. Jedoch
stellen Mitglieder nach wie vor eine wichtige Abgrenzungsfunktion
gegenüber der Umwelt, dar. Mitglieder bekommen Zugang zu einer
Organisation, unter der Voraussetzung bestimmte relevante Themen für die
Organisation in Angriff zu nehmen und dafür auch die Qualifikation
mitbringen (vgl. Luhmann 1984, S.268f).
III.2. Funktionen von Organisationen
Nun soll der Fokus darauf gelegt werden, welche konkrete Funktion soziale
Systeme haben, womit sie sich beschäftigen und warum diese Art der
Handlung für sie vorteilhaft ist.
Luhmann verfolgt einen funktionalistischen Ansatz und geht der Frage nach,
welche Probleme Organisationen lösen, wie und warum. Die Branchen und
Tätigkeiten, die von Organisationen ausgehen, sind sehr vielfältig. Er geht
von sozialen Tätigkeiten, zu privatwirtschaftlichen, staatlich organisierten,
bis hin zu religiös motivierten Organisationen und totalen Organisationen, die
alles für die Mitglieder organisieren, wie Gefängnisse. Dabei variiert das
Spektrum an Zielsetzungen unter den Organisationen ebenfalls (vgl.
Luhmann 2000, S.85).
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Es wird dadurch deutlich, dass Organisationen in einer komplexen Umwelt
agieren müssen. Komplexität ist dabei ein wichtiger Begriff um soziale
Systeme besser zu verstehen, denn sie stellt das wichtigste Problem für
Organisationen dar, was es gilt zu bewältigen. Damit ist die „Überfülle an
Möglichkeiten“ gemeint, für die es als Organisation gilt eine Eindämmung zu
finden.
Baecker definiert den Begriff der Komplexität folgendermaßen:
„Von der Komplexität eines Systems spricht man, wenn es eine
große Anzahl von Elementen aufweist, die in einer großen Zahl von
Bindungen zueinander stehen können, die verschiedenartig sind und
deren Zahl und Verschiedenartigkeit zeitlichen Schwankungen
unterworfen sind.“ (Baecker 1999, S.28).
Organisationen agieren also unter verschiedenen Voraussetzungen von
Beziehungen, dabei werden diese komplexer je höher die Anzahl ist. Dabei
besteht ein hohes Ausmaß an Möglichkeiten, die es zu wählen gibt um die
Art der Beziehungen zu realisieren. Aus diesem Grund besteht die
Notwendigkeit sich für eine Möglichkeit zu entscheiden und festzulegen
wie die Beziehungen miteinander verknüpft werden können. Die
Möglichkeiten, aus denen man entscheiden kann sind jedoch im Vorhinein
beschränkt, dadurch dass Operationen eines Systems auf andere
Operationen von Systemen Bezug nehmen (vgl. Willke 2005, S.306).
Des Weiteren schreibt Luhmann:
„Im Grunde ist ja das Prinzip der Bildung von Systemen durch
operative Schließung ihrer Grenzen: Die Umwelt wird
ausgeschlossen, damit das System auf Grund dieser Reduktion von
Komplexität eigene Komplexität aufbauen kann; und die operativ
produzierte Außengrenze wird intern durch die Unterscheidung von
Selbstreferenz und Fremdreferenz markiert.“ (Luhmann 2000,
S.222).
24
Für alle autopoietischen Systeme gilt, dass sie die Komplexität gegenüber
ihrer Systemumwelt reduzieren müssen und dadurch die Voraussetzung für
die Bildung interner Komplexität schaffen (vgl. Luhmann 2000, S.222).
Organisationen bestehen unter einem Entscheidungszwang, da sie aus den
Alternativen auswählen müssen. Gerade diese Entscheidungen müssen in
einem Rahmen getroffen werden, wo zum Teil keine Richtlinien vorhanden
sind, die noch geschaffen werden müssen. Entscheidungen werden also
unter Unsicherheit der Reaktionen auf die Entscheidungen getroffen (vgl.
Günther 2004, S.12). Probleme müssen, auf pragmatische Art und Weise,
aus ihrer Komplexität auf ein erfassbares Minimum reduziert werden oder
„respezifiziert“, wie Luhmann schrieb (vgl. Luhmann 2002, 158). Die
Unsicherheiten unter denen Entscheidungen getroffen werden müssen,
müssen ebenfalls auf ein Minimum reduziert werden, da es sonst zu einer
Lähmung der Organisation kommen könnte.
III.3. Strukturen von Organisationen
Wie sieht Luhmann den Stellenwert von Unternehmenszielen, Hierarchien
und Methoden administrativer Verfahren? Dazu schreibt Luhmann, dass
Organisationen entstehen und sich reproduzieren durch die Kommunikation
von Entscheidungen und das Operationen, dieses System nach außen
schließen. Ziele, Hierarchien und weisungsgebundene Mitglieder sind
demnach rückgestellt und werden als Ergebnis dieser kommunizierten
Entscheidungen gesehen. Alle Entscheidungen des Systems würden auf die
Entscheidungen des Systems zurückgeführt werden können. Somit sind
überhaupt Gründungen einer Organisation, sowie die Auswahl der
Mitglieder eine Entscheidungsfindung (vgl. Luhmann 2000, S.63).
Kerngedanke Luhmanns Begriff zur Organisationsstruktur ist, dass
sämtlichen Sachverhalten innerhalb einer Organisation, wie Hierarchie,
Personal, Kommunikationsformen, oder die Organisierung von
administrativen Belangen, immer Entscheidungen vorausgehen. Diese
Entscheidungen sind abhängig von vielen Faktoren, Regularien, bewährter
Erfahrung, kulturellen Aspekten und dies eingeschränkt auf einen
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reduzierten Entscheidungshorizont, aber auch dafür bedarf es einer
Entscheidung für die Auswahl der Einschränkung. In der Kommunikation
werden bereits Foci festgelegt, die einschränken, welche Gesichtspunkte
beachtet oder nicht beachtet werden, anstatt den Fokus stets auf die volle
Komplexität legen zu müssen (vgl. Luhmann 2000, S.223f).
Nun kann für jede Entscheidung für eine Festlegung eines Sachverhaltes
eine Begründung ersucht werden, jedoch würde das bei der Vielzahl an
Entscheidungen, die innerhalb von Organisationen getroffen werden, zu
einem Chaos und Stillstand der Arbeitsprozesse führen. Aus diesem Grund
ist es auch sinnvoll nach einem vordefinierten Regelwerk zu handeln, dessen
man sich verpflichtet und es möglichst nicht in jedem Detail hinterfragt.
Luhmann beschreibt dies als Prämissen, die bei ihrer Verwendung nicht
mehr hinterfragt werden (vgl. Luhmann 2000, S.222).
Dadurch, dass Entscheidungen in verschiedenen Kontexten zu treffen sind
und diesen immer wieder angepasst werden müssen, können zwar
Regelwerke formuliert werden, aber bei der Einhaltung dieser muss ein
Entscheidungsspielraum freigelassen werden, um eventuelle
Interpretationen der Sachverhalte möglich zu machen. Dadurch entstehen
Grauzonen, die Luhmann als „lockere Kopplungen“ bezeichnet (vgl.
Luhmann 2000, S.223).
III.4. Autopoiesis angewandt auf Organisationen
In Luhmanns Werk Organisation und Entscheidung geht er auf Bestandteile
seiner Theorie sozialer Systeme ein und überträgt diese auf Organisationen
(vgl. Luhmann 2000, S. 45-54). Diese bestehen nach seinem Modell der
Autopoiesis nach den Gesetzmäßigkeiten von Kommunikation,
operationaler Geschlossenheit, Rückbezug und Umweltoffenheit. Sie
zeichnen sich, nach Luhmann, durch eine starke Eigenlogik und einem
Eigensinn aus. Das bedeutet auch, dass sie schwer in eine Richtung zu
beeinflussen sind (vgl. Martens et.al. 2006, S.435). Entgegengesetzt zu
anderen Organisationstheorien, die besagen, dass Organisationen bewusst
dirigiert werden können, ist es Luhmanns Theorie, dass dies nicht möglich
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ist. Für eine gezielte Beeinflussung seien Organisationen viel zu komplex
(vgl. Luhmann 2000, S.180).
Dies führt weiter zu dem Gedanken, inwiefern in Organisationen
interveniert und gesteuert werden kann.
III.5. Intervention und Steuerung in Organisationen
Nach Willke (1994) ist es aufgrund der autopoietischen Konstituiertheit
nicht einfach bei Organisationen zu intervenieren. Dies begründet er damit,
dass Organisationen in Subsysteme aufgeteilt sind, die linear aufeinander
bezogen agieren, und bei einer Intervention ein Bruch dessen geschieht (vgl.
Willke 1994, VII). Ein System besteht aus autonom ablaufenden Prozessen,
die einer starken Dynamik unterliegen. Als BeobachterIn dessen, muss man
einen Bereich erfassen, der aus komplexen Kausalbeziehungen und
Verflechtungen besteht, die nicht einfach zu durchschauen sind, wenn man
nicht Teil dieses Systems ist.
Willke versteht unter Intervention zielgerichtete Kommunikation, eine
Wirkung zwischen KommunikationsparterInnen die zwischen psychischen
und sozialen Systemen agieren, jedoch die Autonomie des intervenierten
Systems respektiert wird (vgl. Willke 1987, S.333). In der systemischen
Intervention wird ein autonomes System in einer prekären Lage versucht
wirkungsvoll beeinflusst zu werden. Dabei ist es ihr Ziel Risiken des
Systems klarer zu bestimmen, stärker einzugrenzen und dadurch auch eher
tragbar zu machen (vgl. ebd., S.357). Dies zeigt sich durch die Reduktion
von Komplexität. Probleme werden erfassbar gemacht, weil sie sonst einen
Überfluss an Information darstellen und nicht mehr greifbar sind.
Interventionen müssen zwangsläufig ins Dunkel erfolgen, da die Folgen der
Interventionen nicht immer antizipierbar sind. Aus diesem Grund müssen
die Folgen stetig überprüft und modifiziert werden. Das bedeutet jedoch,
dass keine universellen Schabolenlösungen für die Organisation angewandt
werden können, aufgrund der Komplexität der Systeme. Interventionen
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können nur maßgeschneidert und theoriegeleitet stattfinden, was ein
risikoreiches Unterfangen ist (vgl. Königswieser/Exner 1998, S.21).
Nach Königswieser (1998) kann man systemische Beratung nach folgenden
Punkten charakterisieren:
Interventionen stellen Impulse dar, mit denen das System machen kann was
es will. Die Einflussmöglichkeiten sind somit begrenzt und nicht aufgebaut
auf Zwang. Die Organisation entscheidet wie mit Ideen und Impulsen
umgegangen wird. Ob die Impulse im System der Organisation Sinn
ergeben und funktionieren, kann das BeraterInnensystem nicht entscheiden
(vgl. ebd.1998, S.24).
Demnach kann für das BeraterInnensytem nur die Möglichkeit bestehen
aufgrund von einem zyklischen Vorgehen aus der Planung von
Interventionen, dem Bilden von Hypothesen, dem Sammeln von
Informationen und dem Intervenieren, den bestmöglichen Einblick in die
Organisation als soziales System zu erlangen (vgl. ebd., S.24).
Durch die operative Geschlossenheit des Systems, sind Prozesse immer
bezugnehmend auf vorherige Entscheidungen, so dass jegliche Veränderung
immer in Bezug gesetzt werden muss zu der Geschichte des hochkomplexen
Systems. Des Weiteren hat ein System Schnittstellen, die sich speziell mit
der Wahrnehmung der Umwelt befassen, und somit auch beeinflussen was
und wie es ausgenommen wird (vgl. Willke 1994, S.73). Hier wird die
Schwierigkeit von externen Steuerungsversuchen deutlich.
Willke sieht als eine Besonderheit, die aber auch ein Hemmnis für gezielte
Intervention darstellt, durch das Pendeln zwischen Normen und Regeln in
Hierarchieebenen. Wenn an Regeln und Normen Veränderungen
vorgenommen werden, so mag der Effekt nicht der gewünschte sein und
somit entstehen Konflikte (vgl. Willke 1994, S.73). Willke sieht dieses
Phänomen als intransparent an, sowie unberechenbar. Die Möglichkeit einer
Steuerbarkeit ist als fragwürdig anzusehen (vgl. Willke 1995, S. 1).
Als beratende Instanz kann die Unternehmenskultur nicht ignoriert werden,
ganz im Gegenteil, sie muss in den Beratungsprozess einbezogen werden
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und verstanden. Aber geht es nicht um die Anpassung an die Kultur und
auch nicht um die Instandhaltung, sondern um das kontextuelle und
strukturelle Sinnverständnis. Die Mitglieder der Organisation müssen sich
verstanden fühlen, nur so zeigen sie auch den Willen Kooperation zu zeigen
(vgl. Froschauer/Lueger 2010, S.261).
Als wichtigen Bestandteil einer reflexiven Beratung, werden mehrere
Zyklen der Reflexion eingebaut, in denen das beraterische, wie auch das
organisationale Handeln einer distanziert-kritischen Analyse unterzogen
werden. Darin integriert werden Feedbackschleifen innerhalb des
BeraterInnensystems, aber auch zwischen Beratung und Organisation.
Dabei sollten die Rahmenbedingungen der Prozessmaßnahmen stetig
reflektiert und angepasst werden, um unerwünschte Entwicklungen
rechtzeitig zu erkennen und neue zu erarbeiten (vgl. ebd., S.263).
Luhmann selbst hält es für eine Zumutung Theorien nur auf ihre praktische
Anwendbarkeit hin zu konzipieren, dies würde zu einer Einschränkung
führen, und nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Theorie. Eher sieht
er es so, dass Theorien sich selbst weiterentwickeln. Theorien behandeln die
Praxis als Gegenstand der Theorie, indem sie Handlungen oder Operationen
thematisieren. Aus diesem Grund, so Luhmann, sei es nicht notwendig, die
Theorie noch einmal explizit für PraktikerInnen verständlich zu machen. Ob
nun Systeme von außen wirklich nicht zu beeinflussen sind, steht zur
Diskussion (vgl. Luhmann 2000, S.473).4
IV. Organisatorischer Wandel
IV.1. Organisationskultur
Luhmann sieht als das Prinzip der Bildung von Systemen, die operative
Schließung durch ihre Grenzen. Es wird die Umwelt ausgeschlossen, damit
das System Komplexität reduzieren kann um eigene „Komplexität zu
4 Mehr zu Luhmanns Ansicht der Intervention von sozialen Systemen von außen, wird in der theoretischen Rückbindung erläutert.
29
erzeugen. Organisationen erzeugen jene Komplexität durch die
Entscheidung über Entscheidungsprämissen für weitere Entscheidungen“
(Luhmann 2000, S.222).
Eine Prämisse ist nach Luhmann eine Voraussetzung, die bei ihrer
Verwendung nicht mehr spezifisch geprüft wird. Dabei ist vor allem der
Bezug zum aktuellen Problem von Relevanz und nicht, ob die Prämisse als
wahr angesehen werden kann. Die Funktion der Prämissen ist dabei
vorrangig ein ökonomischer um Entscheidungskosten zu sparen (vgl. ebd.
2000, S.222f).
Zu den Entscheidungsprämissen zählt Luhmann die
Entscheidungsprogramme, die als regulative Bedingung von
Entscheidungen gelten5, wie auch die Kommunikationswege, die
eingehalten werden müssen damit eine Entscheidung eine Anerkennung in
der Organisation findet. Zuletzt zählt er den Personaleinsatz auf, welcher
bestimmte Personen aufgrund ihrer Eignung bestimmten Funktionen und
Stellen zuordnet. Sie werden den Entscheidungsprämissen zugrunde gelegt
(vgl. ebd., S.224f)
Entscheidungen, die innerhalb einer Organisation getroffen werden haben
jedoch auch einen kulturellen Hintergrund und prägen auch die Art der
Entscheidungsfindung des Managements und die Organisationskultur im
Allgemeinen:
„[…] Entscheidungsprämissen in der Organisation produziert und
selbstverständlich geschieht auch diese angesichts von
Entscheidungen – oder genauer gesagt: aus Anlass von
Entscheidungen […] Man kann deshalb nicht markieren, wie sie
entstanden sind. Sie gelten, weil sie immer schon gegolten haben
[…] Der Symbolbegriff wird überlastet mit Anforderungen an die
Evolution von Gefühlen, an das Stimulieren von Handlungen und an
5 So ist es bspw., dass wenn eine Aufgabe nicht genau im Detail in Form eines Programmes definiert wurde, die Person des Entscheiders von hoher Kompetenz sein muss. Ist dies nicht der Fall so muss ein Person, die den Anforderungen hinter der Entscheidung gewachsen ist, gesucht werden oder es geht in die höheren Hierarchieebenen (vgl. Luhmann 2000, S.226). Jene Entscheidungsprämissen haben eine Funktion der Ordnung und Flüssigkeit in den Aufgabenabläufen innerhalb der Organisation und reduzieren Komplexität.
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die Erzeugung von ansprechbaren Motiven […] Man denkt an
Werte.“ (Luhmann 2000, S.242)
Die Organisationskultur ist eine Ausprägung, die in ihrer Historizität
schwierig nachzuvollziehen ist, weil sie sehr vielschichtig und komplex ist.
Ihre Geltung wird nicht in Frage gestellt, jedoch kann sie auch nicht gezielt
beeinflusst werden, allein wegen der Emotionalität, der Werte und Motive,
die Luhmann anspricht. Alles Faktoren, die einer individuell und auch
kollektiv eine sehr sensible Rolle spielen. Hinter einer Kultur steht auch
Tradition. Luhmann sieht dies auch als etwas Etabliertes an, da es zur
Gewohnheit und Selbstverständlichkeit geworden ist, was es nicht gilt zu
kritisieren (vgl. Luhmann 2000, S.243).
Es scheint so, als sei die Organisationskultur eine Parallelerscheinung neben
formalisierten Entscheidungsprämissen. Luhmann sieht die
Organisationskultur in Form von Werten, basierend auf der Geschichte einer
Organisation. Auch die Kommunikation basiert auf der Organisationskultur
(vgl. ebd., S.244).
Es kann die Problematik auftreten, dass Entscheidungen getroffen werden,
die der Organisationstradition-oder kultur nicht entsprechen. Ebenso im
Falle einer Innovation (vgl. ebd., S.244). Kultur ist eine latente Ebene, die
nicht gezielt beeinflusst und auch schwer thematisiert werden kann. Jedoch
basieren schwierige Konflikte gerade in Zeiten des Wandels auf
Wertvorstellungen der Belegschaft einer Organisation, die
aufeinanderprallen und im Widerspruch zueinanderstehen.
Dazu Luhmann: „Ein Wandel der Organisationskultur wird oft
durch einen gesellschaftlichen Wertewandel induziert sein […] Die
Organisationskultur ist kein Bestandteil der Statuten des Systems.
Sie gilt heute als wichtigstes Hindernis geplanter Innovationen, denn
nur wer im Sinne des bisher Üblichen handelt, kann davon ausgehen,
dass er Konsens findet (ein Fall von self-fulfilling prophecy). Selbst
Bemühungen um eine stärkere Beteiligung der Mitglieder an
Planungen und Rationalisierungen mögen daran scheitern.“
(Luhmann 2000, S.245).
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Organisationskultur ist kein Thema, das häufig ins Bewusstsein gerufen
wird, jedoch stellt es eines der wichtigsten Themen dar, wenn eine
Transformation in der Organisationsstruktur durchgeführt wird, da es dann
omnipräsent ist. Beispiele hierzu sind Personalabbau, Re-oder
Umstrukturierungen, Fusionen und Merger, Betriebsübergange-oder
übernahmen. Häufig treten dann Konflikte auf, die die Mitglieder der
Organisation betreffen, gewachsen durch Orientierungen, Werte und
unterschiedliche Traditionen.
Wie Personen ihre Umwelt wahrnehmen ist nicht beliebig und entwickelt
sich im Rahmen interaktiver Prozesse.
„[…] im Zuge dessen die Wirklichkeit hergestellt wird und uns
gleichzeitig als äußere Realität unabhängig von uns gegenübertritt.
Phänomene sind nicht an sich sinnvoll, sondern ihr Sinn ist Produkt
von Konstruktion.“ (Froschauer 1997, S.113f).
Kommunikation ist die Basis von Organisationskultur, da nur dadurch
wechselseitige Verständigungsprozesse möglich sind (vgl. Froschauer
1997, S.112). Des Weiteren stellt Kommunikation auch eine Notwendigkeit
dar für die Ausbildung von Solidarität, Identifikation, Normen und Werte.
Damit es zu einer Kommunikation kommt ist es Voraussetzung, dass diese
vor einem kollektiv verbindlichen Sinnhorizont stattfindet, der sich
zwischen den Personen befindet. Der kollektive Sinnhorizont, so
Froschauer, stellt eine Komplexitätsreduktion dar, um Ordnung herzustellen
und um einen Rahmen für die Selektion von Information zu bestimmen (vgl.
ebd, S.113).
In einer Sender-Empfänger Interaktion, hat immer Einfluss was der Sender
als relevant zum Kommunizieren sieht und wie diese Mitteilung
kommuniziert wird, um auch „richtig“ anzukommen. Man antizipiert in
einer Kommunikation immer bestimmte Anforderungen an die
Kommunikation innerhalb eines speziellen sozialen Systems.
Darauffolgend ist einflussgebend in welchem Sinnhorizont sich der
Empfänger befindet und welche Intentionen in der Kommunikation auch
wahrgenommen werden (vgl. ebd., S.114).
32
Kommunikation und Organisationskultur bestimmen die Grenzziehung
nach außen hin. Dies äußert sich durch die Identität, die die Organisation für
sich bestimmt, welche Informationen als relevant erachtet werden und
welche als irrelevant. Diese Grenzen bilden sich auch durch interne
Systemdifferenzierungen (vgl. ebd., S.114).
Die Organisationskultur ist auch insofern nicht beherrschbar, als sie keine
Handlungsvorgaben gibt, sondern lediglich einen Orientierungshorizont,
der einen Hintergrund bildet für Handlungen und daher sämtliche
Auslegungen immer der Situation angemessen geschehen muss (vgl. ebd.,
S.116).
IV.2. Rahmenbedingungen des organisatorischen Wandels
Jegliche Kommunikation stellt einen vergänglichen Aspekt dar, denn der
Moment in dem die Information ausgetauscht wird, ist bald wieder
vergangen. Es gilt also eine zeitliche Komponente. Ein soziales System
endet, wenn die Kommunikation endet. Es wird sich stets auf
Vorangegangenes bezogen und darauf aufgebaut, in Form von
Folgekommunikation. Dabei besteht die Kommunikation aus stetigen
Reaktualisierungsprozessen, durch den Anschluss von Kommunikation an
Kommunikation. Ein System, nach Luhmann, kann sich nie in den früheren
Zustand rückversetzen, sondern sich nur erinnern und Vergleiche ziehen
(vgl. Luhmann 1997, S.475).
„Der Begriff des organisatorischen Wandels bezieht sich immer und
ausschließlich auf die Strukturen des Systems, nie auf seiner
Operationen, nie also auf die Ebene, auf der die Dynamik des
Systems sich realisiert. Denn Operationen sind immer Ereignisse,
die sich nicht ändern können, sondern mit ihrem Entstehen schon
wieder vergehen. Die Dynamik des Systems ist gleichsam existenziell
garantiert; aber sie erscheint nur in der Form von
Strukturveränderungen.“ (Luhmann 2000, S.331).
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Zum einen gehören zu den dauernden Prozessen das alltägliche
Tagesgeschäft. Die Struktur ändert sich durch Entscheidungsprämissen,
welche Voraussetzungen legen für weitere Entscheidungen. Es finden aber
nur Veränderungen statt, die zu einem Wandel führen, wenn diese von den
Menschen in der Organisation auch wahrgenommen werden. Wenn sie nicht
wahrgenommen werden, können sie auch nicht zur Autopoiesis beitragen
(vgl. Luhmann 2000, S.331). Ein Wandel kann auch eine Reform bedeuten,
die eine Verbesserung von Mängeln nach sich ziehen soll, sie gehen auf
Vorschläge zur Änderungen bestehender Strukturen zurück (vgl. Luhmann
2000, S.333).
Zum einen kann man ideologisch begründete Änderungen in den Strukturen
vornehmen, wie auch diagnostisch organisatorische Defekte versuchen zu
beheben. Bei der Thematisierung von Entscheidungen und ihren
Begründungen kann jedenfalls nur auf kleine Bereiche der
organisatorischen Realität Bezug genommen werden, da sonst die
Komplexität der Aufgaben unermesslich wäre (vgl. ebd.,).
Nach der klassischen Managementlehre6, ist der Prozess eines Wandels
linear und vorhersagbar und von Anfang an koordinierbar, Luhmann
zeichnet darüber allerdings ein anderes Bild.
Er sagt, dass sobald eine Reformansicht bekannt wird, die Situation
unübersichtlich wird. Es käme zu Stellungnahmen für und dagegen,
Modifikationen, Festlegungen und Vorwegnahmen, zu Verzögerungen und
einem Wechsel zwischen alten und neuen Vorstellungen, die Reformabsicht
ändere sich demnach ständig. Des Weiteren würde hier strategisches
Vorgehen sehr wichtig sein. Er sagt auch, dass durch so eine Instabilität in
den Entscheidungen keine rationalen Entscheidungen getroffen werden
können. Eine Frage sei auch, unabhängig von Wahlmöglichkeiten, wie sich
6 Eine der klassischen Theorien der Managementlehre wurde von Frederik Taylor begründet mit dem „Scientific Management“-Ansatz. Er entwickelte für die Praxis zugeschnittene Methoden der Optimierung von Arbeits-und Produktionsprozessen und übte damit einen sehr großen Einfluss auf die allgemeine Organisationsgestaltung aus, die bis heute anhält, auch wenn sie unter starker Kritik steht (vgl. Taylor 1911, S.120).
34
Reformen in ein bestehendes System integrieren lassen (vgl. Luhmann
2000, S.333).
Reformen werden von den verschiedensten Individuen durch ihre
subjektiven Filter auch verschieden wahrgenommen und bewertet. Es kann
sowohl zu einer konstruktiven Reaktion führen, als auch zu einer
destruktiven. Am Anfang steht womöglich eine Differenz zwischen
Protagonist und Betroffenen, was dann interessant zu beobachten ist, ist wie
das System mit diesen Differenzen umgeht (vgl. Luhmann 2000, S.335).
Es ist also Thema der Organisationskultur, wie mit Veränderungen
umgegangen wird. Da sich soziale Systeme im stetigem Wandel befinden,
mal einem großen Wandel, mal einem großen Transformationsprozess, der
auch die soziale Struktur verändern wird. Froschauer (1997) unterscheidet
zwischen Kulturentwicklung und kulturellem Wandel. Dabei sei
Kulturentwicklung eine „kontinuierliche geringfügige Modifikation“, die
eine Organisation stabilisieren und zur „zyklischen Reproduktion
beitragen“. Änderungen würden nur eine „Prozessualität zum Ausdruck
bringen, jedoch die Grundlagen der Kultur relativ unangetastet lassen.“
(Froschauer 1997, S.117).
In grundlegenden Transformationsprozessen von Organisationskultur,
finden Veränderungen statt, welche die Orientierung und Identität einer
In dieser Phase werden die ersten Schritte für den Feldeinstieg geplant und
die ersten „Gatekeeper“ und Kontaktpersonen gefunden und kontaktiert. Es
werden die ersten Vorannahmen zur Beschaffung des sozialen Feldes
generiert und das Erkenntnisinteresse definiert (vgl. ebd, S.21ff).
Orientierungsphase
Der Kontakt zum Feld ist nun etabliert und eine stabile
Kommunikationsbeziehung ist zustande gekommen. Dies ist wichtig für ein
positives Forschungsklima, da die ersten Kontakte auch bei Folgekontakten
eine wichtige Rolle spielen. Mit den ersten Kontakten zum Feld werden
auch weitere Schritte für die Forschung geplant (vgl. ebd, S.21ff).
Hauptforschungsphase
Der Grundgedanke der reflexiv-zyklischen Forschung wird in dieser
Forschungsphase durchgeführt. Die zyklische Vorgangsweise zeigt sich
durch ein Ineinandergreifen der Datenerhebung und Auswertung und ein
Aufeinanderbasieren. Des Weiteren wird der Forschungsgegenstand
permanent auf inhaltlicher und methodischer Ebene reflektiert. Das
Erhebungs -und Interpretationsverfahren gestaltet sich flexibel und offen.
Die vorläufigen Ergebnisse werden stetig anhand von laufenden
Teilanalysen überprüft (vgl. ebd., S.28).
In dieser Phase findet auch die Grounded Theory nach Glaser und Strauss
(1967) Anwendung, in dem nach dem theoretical sampling in der
Datenerhebung-und interpretation vorgegangen wird. In diesem Konzept
wird nach bestimmten Richtlinien neues Interviewmaterial beschaffen.
Praktisch wird Erhebung und Auswertung miteinander verknüpft, so dass
die Beschaffung von Datenmaterial sich am Stand des bisher generierten
Wissens orientiert (vgl. Froschauer et.al. 2003, S.29). Es sollten Daten
generiert werden, die bisherige Annahmen widerlegen (vgl. ebd.). Ziel ist
die Maximierung struktureller Variation des Datenmaterials. Des Weiteren
sollten Daten erhoben werden, die bisherige Ergebnisse bestätigen. Es wird
44
dadurch versucht theoretisierende Argumentationen zu stärken, indem man
diese fokussiert. Die theoretische Sättigung hat stattgefunden, wenn man in
der Datengenerierung nur noch auf die gleichen Ergebnisse stößt, oder
Argumentationen, die sich entwickelt haben, bestätigen lassen (vgl. ebd,
S.30).
Ergebnisdarstellung
Ziel der letzten Forschungsphase ist die Übermittlung der Erkenntnisse an
die Bezugsgruppen. Bei der Kommunikation sollte auf sprachliche
Feinheiten geachtet werden, insbesondere wenn die Rezipienten fachfremd
sind.
V.6. Interviewführung
Zu Beginn steht die Kontaktaufnahme mit der ersten Interviewperson. Es
werden erste relevante Informationen ausgetauscht, wie zum Beispiel, was
das Interesse ist und um welches Thema es geht, und natürlich die
Anonymisierungsgarantie erläutert. Durch den Gesprächseinstieg beginnt
das eigentliche Gespräch, was eine zentrale Frage erfordert. Sie setzt den
ersten Rahmen für das Gespräch und soll eine Erzählung des Befragten
generieren. Nach dieser Einstiegsfrage folgt die Erzähl-und
Nachfragephase, in der der Befragte größtenteils das Gespräch dominieren
soll. In diesem Interview kann es zu Gestalterschließungs-,
Kondensierungs-und Detaillierungszwang kommen (vgl. ebd., S.71). Diese
Zwänge bringen Struktur und Erklärung in die Erzählung. Im
darauffolgenden Teil fragt der/die InterviewerIn bestimmte erwähnte Dinge
nach, wie auch Themen, die nicht zur Sprache gekommen sind. Bis dahin
ist der/die InterviewerIn aufmerksam am Zuhören und Notizen machen.
45
Im Gesprächsabschluss werden noch einmal wichtige Themen
hervorgehoben, Fragen von Seiten des/der Befragten angenommen und
weitere Schritte besprochen. Diese Form der Interviewführung nennt sich
narratives Interview. Des Weiteren werden hier auch weitere potenzielle
InterviewpartnerInnen erfragt. Das Interview wird mit einem
Aufnahmegerät aufgenommen und in weiterer Folge transkribiert.
V.7. Analysemethode
In dieser Masterarbeit haben zwei Analyseverfahren Anwendung gefunden.
Angewandt wurde die Feinstrukturanalyse und Systemanalyse, die von
Froschauer und Lueger (2003) entwickelt wurden. Sie weisen verschiedene
analytische Schwerpunkte auf. Die Feinstrukturanalyse ist das feinste
Instrument zur Erhebung von latenter Sinnstrukturen. Sie eignet sich auch
als hypothesengenerierendes Instrument und als Vorbereitung für weitere
Analyseschritte. Die Systemanalyse eignet sich für die Rekonstruktion von
Systemdynamiken und Konsequenzen für die lebensweltliche
Strukturierung. Die beiden Analysemethoden unterscheiden sich
hinsichtlich der Erkenntnisgenerierung und der Qualitätssicherung (vgl.
Froschauer/Lueger 2003, S.110).
V.7.1. Feinstrukturanalyse
In einem Gespräch zeigen sich einzigartige Erfahrungen, Werte und
Perspektiven eines Individuums. Diese haben sich durch Kommunikation
herausgebildet, die darauf basiert, dass die Interagierenden auf einen
geteilten Sinnhorizont zurückgreifen können. Grundannahme der
Feinstrukturanalyse ist,
„dass sich die objektive Struktur eines latenten
Sinnzusammenhangs relativ unabhängig von den Motiven,
Intentionen oder Dispositionen der befragten Personen
konstituiert. Die Wahl der Worte, ihre genaue Anordnung in
46
einer Sinneinheit enthält mehr Bedeutungsverweise, als eine
rein lexikalisch orientierte Analyse offerieren würde.“ (ebd.,
S.110f).
Bei beiden Analysemethoden werden Sequenzen des Textes analysiert.
Grundsätzlich sollte die Analyse in Teams stattfinden, da mehrere
Perspektiven miteinbezogen werden können, dies hat auch einen
qualitätssteigernden Effekt. Bei jeder Textpassage wird sich gefragt, was
mit dem Gesagten gemeint sein könnte und welche Anschlussmöglichkeiten
sich in weiterer Folge ergeben könnten. Der letzte Punkt schließt ein, dass
man in den Sequenzen nicht vorspringt. Würde man nicht sequenziell
vorgehen, würde man die volle Breite der Sinnauslegung einschränken.
Diese Bedingungen machen möglich, die eigenen Argumentationslinien zu
untermauern oder zu widerlegen. Es können Hypothesen im Verlauf der
Analyse verändert werden oder angepasst. Gut geeignete Textstellen für
eine Analyse stehen am Anfang und am Ende des Gesprächs, sowie stellen
besonders intensive Stellen dar (vgl. ebd., S.113).
Die Analyse untergliedert sich in 5 Phasen. Im ersten Schritt wird die
Texteinheit, die nur max. 3 bis 5 Zeilen lang sein soll, in eigenen Worten
paraphrasiert. Daraufhin werden die Intentionen der interviewten Person
versucht zu identifizieren und welche Funktion die Aussage für die
Interviewsituation haben könnte. Im zweiten Schritt versucht man den
Handlungsdruck in der spezifischen Interviewsituation zu rekonstruieren. In
der dritten Analysephase werden die latenten Momente rekonstruiert und
die Konsequenzen antizipiert. Dies stellt das Kernstück der Analyse dar. Es
soll ein breites Spektrum an Erklärungsansätzen generiert werden. Ein
besonderer Fokus soll auf Wortgebrauch und Umweltbeziehungen gelegt
werden (vgl. ebd., S.116). Im vierten Analyseschritt werden die
Rollenverteilungen genauer betrachtet. Es wird untersucht welche Personen
in der Texteinheit eine Rolle und welche Rolle spielen. Im letzten Schritt
werden Hypothesen formuliert wie der Text nun weitergehen könnte in
Form von Anschlussmöglichkeiten.
47
V.7.2. Systemanalyse
Die Systemanalyse ist für die Untersuchung der Komplexität und Dynamik
sozialer Systeme geeignet. Dabei können größere Texteinheiten in
vollständigen Gesprächen analysiert werden, die bis zu einer halben Seite
lang sind. Diese sollen extensiv ausgelegt werden. Den Fokus bei der
Analyse kann man auf die „subjektunabhängige Prozessstruktur sozialer
Systeme“, die für „intern hochdifferenziert sozialen Felder und für die
extensive Präzisierung und Prüfung von Erkenntnissen im Rahmen des
theoretischen Samplings“, legen (ebd., S.110). Ziel ist es unterschiedliche
Bereiche und Differenzen herauszuarbeiten, die sich in einem sozialen
System finden (vgl. ebd., S.154).
In der Praxis findet die Systemanalyse in drei Schritten statt (vgl. ebd.,
S.149ff). Im ersten Schritt wird die Textsequenz paraphrasiert. Dem
aufkommenden Thema wird ein Titel gegeben und die wichtigsten Inhalte
zusammengefasst. Im nächsten Schritt wird der Äußerungskontext
analysiert, darunter fällt der „Gesprächskontext und der thematische
Kontext, sowie der persönliche Kontext und seine vermittelnde Funktion
zwischen Systemstrukturen und Wirklichkeitsformation der handelnden
AkteurInnen […] der erweiterte Kontext des fokussierten sozialen Systems
und der globale Kontext der umgebenden Gesellschaftsformation.“ (ebd.,
S.149). Auf der einen Seite wird der Fokus auf das unmittelbare Umfeld in
den Äußerungen gelegt, auf der anderen Seite auf die lebensweltlichen
Strukturen, die deutlich werden. Es werden Fragen bearbeitet wie die
strukturellen Rahmenbedingungen sich auf die konkreten Handlungen
einzelner Personen niederschlagen und wie sich dies in einem abstrakteren
Systemzusammenhang zeigt.
V.8. Qualitätssicherung
Nach Froschauer und Lueger (2003) gibt es bestimmte Methoden der
Sicherstellung von Wissenschaftlichkeit in qualitativen Studien. In der
interpretativen Auswertung von qualitativen Daten steht man vor dem
48
Problem, dass der von den ForscherInnen antizipierte Sinn der Befragten
und auch nicht der zu rekonstruierende objektive Sinn zugänglich sind. Des
Weiteren muss in der Auslegung auf Vorwissen zugegriffen werden. Dieses
sollte jedoch reflektiert und dekonstruiert werden. Eine wichtige Maßnahme
der Qualitätssicherung ist die gemeinsame Textauslegung im Team, um so
viele Perspektiven wie möglich zu erfassen. In der Feinstrukturanalyse ist
die Textinterpretation im Team sogar verpflichtend. So müssen die
Annahmen im Team argumentiert und begründet werden, es können also
voreilige Schlüsse eher vermieden werden. Prinzipiell wäre es des Weiteren
förderlich, dass der Interviewer nicht seine eigen erhobenen Texte
mitinterpretiert, so dass das Vorwissen aus dem Gespräch ausgeklammert
wird (vgl. Froschauer/Lueger 2003, S.170).
Die Materialmenge im Forschungsprozess sagt über die Qualität der Studie
wenig aus, da keine quantitative Auswertung der Menge der Aussagen zu
einem bestimmten Thema vorgenommen werden, sondern im Gegenteil, es
sollen so viele verschiedene Perspektiven wie möglich gefunden werden
und bei Wiederholung von Aussagen die Forschung beendet werden.
Das Prinzip der Grounded Theory7, wie bereits im Kapitel zur Methodologie
hinter dieser Studie erläutert, stellt ebenfalls eine qualitätssichernde
Maßnahme dar, wenn man bestätigende Aussagen findet oder jene die es
widerlegen.
In der Kommunikation der Studie gegenüber Bezugsgruppen, muss auf die
Darstellung der Daten geachtet werden, sowie auf die
Kommunikationslogiken, die den Bezugsgruppen zugrunde liegen. Damit
sind spezielle Erkenntnisinteressen gemeint und auch sprachliche
Formulierungen. Dies kann bei der Kommunikation der Ergebnisse
gegenüber dem Wissenschaftssystem und dem Auftraggeber variieren, in
7 Grounded Theory ist ein sozialwissenschaftlicher methodologischer Ansatz zur systematischen Auswertung von qualitativen Daten mit dem Ziel der Generierung von Theorien. Begründet wurde die Grounded Theory von Anselm Strauss. Wichtiges Merkmal des Ansatzes ist Datenanalyse durch den stetigen Vergleich des Datenmaterials. Die Datensammlung, sowie das Kodieren und Analysieren der Daten findet parallel statt (vgl. Strauss 1991, S.150).
49
Hinblick auf Verweise, Argumentationen und Beweisführungen (vgl.
Froschauer/Lueger 2003, S.180).
VI. Forschungsdurchführung
VI.1. Ablauf der Studie
Der Zeitraum ab Kontaktierung der ersten Interviewperson bis zum letzten
Interview verlief zwischen Juni 2016 (Erstkontakt) und Juli 2016 (letztes
Interview). Es wurden insgesamt 5 Interviews geführt, die eine
Durchschnittdauer von einer Stunde hatten. Die Gespräche wurden
überwiegend in Meetingräumen geführt, ein Interview in einem Einzelbüro.
Die Hauptforschungsphase umfasste drei Zyklen. Im ersten Zyklus wurden
zwei Interviews mit Organisationsentwicklungsmitarbeitern geführt, in der
zweiten Phase wurde ein Interview mit einer externen Beraterin geführt. In
der letzten Phase wurden zwei Interviews mit MitarbeiterInnen geführt. Die
Auswahl der InterviewpartnerInnen hatte den Hintergrund, dass verschiedene
Perspektiven auf die Verlaufsebene der Konflikte während einer
Umstrukturierung berichtet werden, wie auch die individuelle Sicht der
Organisationsentwickler aus Change Management Perspektive.
Über den ganzen Zeitraum hinweg wurden die Interviews, theoriegetreu nach
der zyklischen Vorgangsweise der Grounded Theory, zeitnah transkribiert,
analysiert und die vorläufigen Ergebnisse als Grundlage für die
darauffolgenden Interviews verwendet. So wurde aus den bisherigen
Ergebnisse erste Annahmen formuliert und Themen identifiziert zu denen
noch mehr Inhalte erfragt wurden.
Die Themensetzung wurde so breit wie möglich gehalten, sodass eine offene
Vorgangsweise gewährleistet werden konnte um so viele Perspektiven wie
möglich zu erfassen. Die Findung der InterviewpartnerInnen verlief
schrittweise über die Empfehlung des/der jeweils letzte/n InterviewpartnerIn
im Schneeballverfahren. Die Bestimmung der Zyklen der Interviewten verlief
sich auf die Perspektive aus der sie auf den thematisch interessanten Bereich
50
blicken konnten. Dabei lag der Fokus auf der Erfassung verschiedener
Perspektiven auf den gleichen Sachverhalt.
VI.2. Analyse
Begonnen wurde die Analyse mit der Feinstrukturanalyse, die eine erste
Abtastung des Feldes möglich machte. Es wurden die
Interpretationsmöglichkeiten identifiziert, um Hypothesen zu generieren und
die ersten differenzierten Perspektiven einzunehmen. Die Textauslegungen
wurden in einem Interpretationsteam vorgenommen. Darauffolgend wurde
mit der Systemanalyse interpretiert, die von der Forscherin alleine
durchgeführt wurde.
VI.3. Interviewführung
Die durchgeführten Interviews waren ausschließlich Einzelinterviews. Eine
Gruppendiskussion wäre für die MitarbeiterInnen ein zu großer Aufwand
gewesen, auch wenn diese als Idee mit der Masterarbeitsbetreuerin im
Gespräch war. Alle Fragen wurden offen und erzählgenerierend gestellt, mit
einer thematischen Rahmung, nämlich der gerade verlaufenden
Umstrukturierung in der Organisation. Zum Einstieg wurde zur Position des
Interviewten eine Frage gestellt, dem Eintrittsjahr, dem innerbetrieblichen
beruflichen Werdegang, bevor eine erste einleitende Einstiegsfrage gestellt
wurde. Als abschließende Frage, wurden die Interviewten gebeten noch
Themen zur Sprache zu bringen, über die bisher noch nicht gesprochen
wurde. Im Anschluss wurden weitere Kontakte für Interviews weitergegeben.
VI.3.1. Kontaktaufnahme
Der Erstkontakt zum Unternehmen verlief über eine Studienkollegin, die in
diesem Unternehmen selbst arbeitet und Kontakt hat zu der Change
Management Abteilung. Es wurde großes Interesse an der Thematik
bekundet, allein aufgrund der Brisanz und Aktualität. Es gab hinsichtlich des
51
Zugangs keine Hindernisse, alle Interviewten waren sehr offen und
interessiert. Der erste Kontakt verlief über Mail, der Kontakt zu folgenden
InterviewpartnerInnen verlief auch direkt über Mail. In der Mail wurde ein
einseitiger Ausschnitt des Exposés mitgeschickt, damit die Interviewten eine
Idee über das Erkenntnisinteresse erlangen konnten. Von zwei Interviewten
wurden datenschutzrechtliche Sorgen geäußert. Es wurde daraufhin eine
Einverständniserklärung für die Anonymisierung der Daten unterschrieben
und auch darauf hingewiesen, dass keine wörtlichen Zitate genutzt werden
würden.
VI.3.2. Weiteres Vorgehen im Feld
Die verschiedenen Perspektiven der Interviewten wurden von der Forscherin
erfasst und nach gesprächsinteressierten Personen beim Erstkontakt
nachgefragt, da dieser organisationsintern sehr gut vernetzt ist. Die erste
Interviewperson fungierte als weiterer Gatekeeper, da er alle nachfolgenden
Personen fragte und mir eine Bestätigung über Interesse weiterleitete und die
Forscherin darauffolgend die Personen persönlich kontaktierte.
VII. Empirischer Teil
In dieser Studie konnten insbesondere Erkenntnisse über die
unterschiedlichen Perspektiven der befragten AkteurInnen erlangt werden
und wie diese Personen die Organisation wahrnehmen und mitkonstruieren.
Wenn bestimmte Sachverhalte als negativ oder positiv dargestellt wurden,
dann bedeutet dies nicht automatisch, dass sie dies auch sind. Für den oder
die Betroffenen stellen sie eine Realität dar, die ihr Denken und Handeln
beeinflussen. Gerade die unterschiedlichen Wahrnehmungen der
Bezugsgruppen innerhalb der Belegschaft erlaubt wertvolle Rückschlüsse
über die in der Organisation wirkende Systemdynamik.
Aufgrund des qualitativen Settings dieser Studie, ist es nicht möglich eine
Aussage über die Häufigkeit von Aussagen zu machen oder den Anspruch
52
von Repräsentativität zu erheben. Es werden Einzelfälle eingehend betrachtet
und deren Lebenswelt, Orientierungen und Interessen. Dabei ist es das Ziel
dies zu rekonstruieren. Der qualitative Zugang zeichnet Zusammenhänge für
soziale Dynamiken nach, wobei die Ergebnisse nur für die vorliegende
Einzelfallstudie gelten. Daraus lässt sich nicht schließen, dass die Reaktionen
auch in anderen Unternehmen in dieser Form auftreten.
Gliederung des empirischen Teils
Zunächst folgt die Geschichte des Unternehmens und der aktuelle Stand im
Vorgang mit der Umstrukturierung. Im Anschluss daran wird sehr detailliert
auf die Transformations-Maßnahmen eingegangen, die durch die
Organisationsentwicklung geplant und durchgeführt werden. Es ist von
besonderer Wichtigkeit auf diese einzugehen, da sie verständlich machen,
welche Veränderungen auf die MitarbeiterInnen zukommen und wie diese
Veränderungen mit den aktuellen Trends am Markt zusammenhängen.
Darauffolgend wird genauer auf die Konflikte in Zusammenhang mit der
Umstrukturierung eingegangen und wie sich diese äußern. Dabei wird auf
jene Umwelteinflüsse Bezug genommen, die relevant sind dafür wie das
Unternehmen damit umgeht und welche Dynamiken dadurch losgestoßen
werden. Eingegangen wird auch auf die Merkmale der MitarbeiterInnen und
ihre Orientierungsweisen und Einstellungen zur Umstrukturierung. In
weiterer Folge wird auf die verschiedenen Perspektiven der Personen, die
interviewt wurden, eingegangen und Unterschiede aufgezeigt. Zuerst werden
die Unterschiede zwischen den Organisationsentwicklern und den
MitarbeiterInnen dargestellt. Im darauffolgenden Kapitel wird auf den
Stellenwert der externen Beratung eingegangen. Danach wird auf die
Bedeutung der Konflikte für die Organisation eingegangen. Zuletzt wird auf
die Entwicklungsmöglichkeiten eingegangen, die durch die Perspektiven
ersichtlich wurden.
VII.1. Das Unternehmen
53
Es handelt sich in dieser Fallstudie um eine der größten Banken und
kapitalstärksten in Europa. Zu ihr gehören weitere unabhängige
Töchtergesellschaften, unter anderem Finanzservices,
Immobilienunternehmen, Wohnbaufinanzierungen und Versicherungen.
Seit 20108 ist bekannt, dass die Bank hohe Kosteneinsparungen in Höhe von
300 Millionen Euro plant. Dabei müssen ca. 2000 MitarbeiterInnen bis 20199
abgebaut werden und bis zu 70 Filialen von 190 geschlossen. Die Filialen
sollen an zentralen Stellen zusammengelegt werden. Der Abbau betrifft
insbesondere MitarbeiterInnen, die in den zentralen Einheiten arbeiten. Allein
700 MitarbeiterInnen fallen durch Pensionierungen weg. Bei solchen
erheblichen Sparmaßnahmen müssen auch die Lohnkosten sinken. Es sollen
jedoch Kündigungen durch einvernehmliche Auflösungen, wie bezahlte
Freistellungen bis zu acht Jahren und Golden Handshakes in einer Höhe von
bis zu fünf Jahresgehältern bei jenen MitarbeiterInnen die einen
Arbeitsvertrag haben, der sie unkündbar macht, vermieden werden (vgl.
Standard, September 2014; 8. Oktober 2014). Die MitarbeiterInnen können
sich im Intranet über die Austrittskonditionen informieren und ein Angebot
für eine Vertragsauflösung machen, ob sie jedoch gehen „dürfen“ legt die
Führungskraft fest. Es entscheiden dabei Kriterien wie Länge der
Betriebszugehörigkeit, Arbeit, Alter, Vertrag, Position und Leistung (vgl. Der
Standard, Juni 2014).
National arbeiten für die Bank 7000 MitarbeiterInnen, weitere 2000 in
Tochtergesellschaften (vgl. Der Standard, Mai 2014).
Gesamtbankumstrukturierung
Eines der größten Projekte der Umstrukturierungen der Bank ist ein neuer
Campus, der seit 201010 im Bau und ab 201911 einzugsbereit ist. Geplant ist,
die Arbeitsplätze der MitarbeiterInnen aus drei Zentralgebäuden an einem
8 Die Jahreszahl wurde aufgrund der Wahrung der Anonymität geändert. 9 Die Jahreszahl wurde aufgrund der Wahrung der Anonymität geändert. 10 Die Jahreszahl wurde aufgrund der Wahrung der Anonymität geändert. 11 Die Jahreszahl wurde aufgrund der Wahrung der Anonymität geändert.
54
Campus zu bündeln. Im Rahmen der Kosteneinsparungen läuft seit 201012
auch eine interne Arbeitsplatzumstrukturierung zur Vorbereitung auf eine
neue Form des Arbeitens im neuen Campus. Die Gesellschaft und Wirtschaft
verändern sich immer schneller mit entscheidenden Auswirkungen auf die
Arbeitswelt: Es entstehen neue Beschäftigungsmodelle und neue Formen der
Zusammenarbeit. Dabei sind immer flexiblere, offenere Strukturen gefordert.
Innovationsprozesse werden geöffnet.
Aus diesem Grund läuft seit 201013 eine Pilotphase in einer der Zentralen, um
erste Erkenntnisse über das Funktionieren der neuen Arbeitsumgebung zu
erlangen und die MitarbeiterInnen in die neue Arbeitswelt zu begleiten. Die
Bank verfügt über eine Abteilung für Organisationsentwicklung, die sich mit
Change Management Maßnahmen auseinandersetzt und durchführt. In der
Pilotphase wird das neue Arbeiten bei 120 MitarbeiterInnen getestet und
umfassend Feedback eingeholt, um Vorbereitungen für den Einzug im
Campus 201914 optimal zu gestalten. Dabei ist es Aufgabe des Change
Managements, die MitarbeiterInnen über die neue Arbeitsweise zu
informieren und ihnen diese zu vermitteln. 5000 MitarbeiterInnen müssen
insgesamt für den Campus umzugs-und arbeitsbereit sein. Berücksichtigt
werden müssen dabei allerdings verschiedene Zielgruppen, die spezielle
Arbeitsanforderungen haben. Zielgruppen wie Führungskräfte, Teams und
MultiplikatorInnen.
MultiplikatorInnen werden in Projekten häufig eingesetzt, um in großen
Unternehmen mit vielen verschiedenen Abteilungen, als Sprachrohr und
AnsprechpartnerIn für die MitarbeiterInnen zu fungieren. Aufgrund der
großen MitarbeiterInnenanzahl im Unternehmen, ist es nicht möglich, dass
alle MitarbeiterInnen der Organisationsentwicklung persönlich mit jedem
und jeder MitarbeiterIn reden können. Außerdem haben MultiplikatorInnen
den Vorzug ihre KollegInnen gut zu kennen, über Informationen über die
neue Arbeitsweise zu verfügen und dies weiterzuvermitteln und
vorzubereiten. Dabei berichten sie als Schnittstelle kontinuierlich an ihre
12 Die Jahreszahl wurde aufgrund der Wahrung der Anonymität geändert. 13 Die Jahreszahl wurde aufgrund der Wahrung der Anonymität geändert. 14 Die Jahreszahl wurde aufgrund der Wahrung der Anonymität geändert.
55
Führungskräfte und an die Organisationsentwicklung in Bezug auf
Informationen, Maßnahmen und Konflikte.
VII.2.Die Transformations-Maßnahmen
In der Bank werden die Transformationsmaßnahmen im Rahmen einer
RoadMap anhand von Arbeitspaketen definiert. Im Folgenden werden diese
genauer erläutert.
Die Arbeitspakete der Transformation
Eines der Arbeitspakete ist die Office Fitness, welche die MitarbeiterInnen
dahingehend vorbereitet, papierlos und digital zu arbeiten. Das bedeutet, dass
sie alle Unterlagen, die sie angesammelt haben auf zwei Laufmeter reduzieren
müssen, da sie nicht mehr in den neuen Campus mitnehmen dürfen. Des
Weiteren müssen sie ihre Arbeitsprozesse papierlos, also ohne Ausdrucke,
umgestalten und mehr zur Digitalisierung übergehen. Dies umfasst das
Einscannen von Unterlagen, die nicht in Papierform vorliegen müssen und
das Vermeiden von Ausdrucken, wenn es nicht notwendig ist. Ein Vorteil
davon ist es mobil auf digitalisierte Dokumente schneller zugreifen zu
können. Unterlagen, die in Papierform vorliegen müssen, dürfen mit ins
Zentralarchiv genommen werden, welches sich im neuen Campus befinden
wird. Zur Office Fitness gehört es auch mit der neuen technischen
Ausstattung umgehen zu können, wie Lync, eine Form der Online
Kommunikation, welche die Zusammenarbeit über Videochat ermöglicht.
Des Weiteren können Meetings auch mit digital anwesenden
MitarbeiterInnen stattfinden, indem diese sich über Lync einloggen und sich
von überall zuschalten können. Anhand einer 360 Grad Kamera kann diese
Person alle anwesenden KollegInnen sehen und umgekehrt auf einem
Bildschirm. Das Festnetz-Telefon wird auf ein Softphone umgestellt, welches
es ermöglicht über das Internet, Lync und einem Headset zu telefonieren. Des
Weiteren werden Drucker in ihrer Anzahl reduziert, da Platz an Papier und
technischen Geräten eingespart werden soll.
56
Im Sinne der Kostenersparnis an Raum, müssen die MitarbeiterInnen zu 20%
remote arbeiten. Remote bedeutet, dass sie von jedem Ort an dem sie Wlan
Zugang haben mit ihrem Dienstlaptop arbeiten können. Dass sie remote
arbeiten ist erforderlich, damit weniger Raum für Arbeitsplätze verfügbar sein
muss. Für jene MitarbeiterInnen, die vor Ort sind, gilt, dass sie ab sofort
keinen eigenen Büroschreibtisch mehr haben werden, da durch die Remote-
Arbeitszeit nun keine „eigenen“ Bürotische mehr erforderlich sind. Die
MitarbeiterInnen werden nun angehalten im Büro immer einen anderen,
freien Bürotisch zu finden und diesen auch ohne persönliche und
Arbeitsgegenstände „clean“ zu verlassen, so dass auch andere
MitarbeiterInnen dort arbeiten können. Dies nennt man intern Desk-Sharing.
Dieses Arbeitspaket nennt sich „Clean Desk“.
Die Gesamt-Bürolandschaft bezeichnet man als „Open Space“. Open Space
umfasst einen Raum in dem Arbeitsplätze eingerichtet sind, in der Anzahl
ausgerichtet für 80% Präsenz der MitarbeiterInnen. Die Bürotische sind
abgetrennt durch Trennwände und es befinden sich verschiedene
Arbeitsmodule dort, in denen man sich, je nach Arbeitsprozess, zuordnen
sollte. Wichtig für diese Form des Arbeitens ist es, seine Arbeitsprozesse zu
strukturieren und darauf zu achten, die Module auch sinnvoll zu nutzen und
keine zu blockieren, wie bspw. die Konferenzräume. Das Konzept soll, neben
der Kostenersparnis, auch effizienteres Arbeiten möglich machen, wobei die
nicht sinngemäße Nutzung oder Nichteinhaltung der Regeln dem
entgegenwirken könnte. Damit ist gemeint, dass in der neuen
„Bürolandschaft“ bestimmte „Regeln der Zusammenarbeit“ gelten werden.
An Modulen gibt es den Meetingraum, in dem Konferenzen stattfinden, es
gibt einen Raum und auch Nischen, in denen telefoniert werden sollte, auch
genannt Multibox, eine Focus Box in der Stillarbeit vollzogen werden kann,
Co-Working-Stations für Team-und Projektarbeit und verschiedene mehr.
Diese Module sollen gewährleisten, dass die MitarbeiterInnen sich beim
konzentrierten Arbeiten nicht gestört fühlen, jedoch genug da Raum ist, um
auch in Teams zu arbeiten oder längere Telefongespräche zu führen.
57
Ein wichtiger Bestandteil des sogenannten „Smart Working“ ist Remote
Work. Remote Work bedeutet eine Erweiterung von Home Office, in dem
ermöglicht wird nach dem Gleitzeitprinzip, an jedem Ort, an dem ein Wlan
Zugang besteht, arbeiten zu können und über Lync auch mit seinen
KollegInnen zu kommunizieren. Remote Work sollte von den
MitarbeiterInnen in Anspruch genommen werden, weil nicht mehr genug
Arbeitsplätze für alle da sind. Strategisch ist es wichtig für das Unternehmen
damit als attraktiver Arbeitgeber aufzutreten und sich zu positionieren, aber
auch eine Work-Life-Balance für die MitarbeiterInnen zu ermöglichen, durch
Mobilität und Flexibilität.
Um einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen, wurden von den Change
miteinander, Erfüllung von Datenschutzbestimmungen und Compliance, auf
Sauberkeit achten, keine unangenehmen Gerüche, effiziente
Meetingraumkoordination, technische Angelegenheiten werden von den
MitarbeiterInnen eigenhändig gelöst und das papierlose Arbeiten. Geachtet
wird dabei auf flache Hierarchien und einer Kommunikation mit Feedback.
Das Ziel dieser Arbeitspakete ist es, erreicht zu haben, dass alle 4500-5000
MitarbeiterInnen, die in den neuen Campus 2016 ziehen werden, ohne
Beeinträchtigungen arbeitsfähig sind.
VII.3.Die Makroebene hinter der Umstrukturierung
Um die Hintergründe und Ursachen der Planung einer Umstrukturierung zu
verstehen, wird im Folgenden der Strategiewechsel und die
Arbeitsplatzumstrukturierung in den Gesamtkontext eingebettet und
analysiert.
VII.3.1.Aktuelle Trends am Markt
Das Aufstreben der Fin-Techs
58
Die Konkurrenz von Bankeninstituten stellt einen wichtigen äußeren
Risikofaktor dar und ist mit auch ein Grund, warum viele Banken ihre
strategischen Konzepte umdenken müssen. Aus einer allgemeineren äußeren
Perspektive wird diese Problematik kurz erläutert.
Kleine Start-Ups wie Fintechs (Finanztechnologien), sowie neue Formen von
Zahlungstransaktionen wie Online Banking machen einer Bank Konkurrenz.
Unter Fintechs versteht man Marktakteure, die in einem kaum regulierten
digitalen Ökosystem ausgefeilte Strategien entwickeln, um KonsumentInnen
mit attraktiven Produkten und Diensten bequem und global zu umwerben und
zu bedienen (vgl. Dapp 2015, S.1). Unter den Angeboten sind Möglichkeiten
der webbasierten Überweisung auf Apps und Internetportalen, die keiner
Bank im herkömmlichen Sinne oder eines Online Bankings bedürfen. Als
Folge der zunehmenden Digitalisierung und der Möglichkeit, Bankgeschäfte
online abzuwickeln, wurden 380 Filialen geschlossen. Zentral verortete
Filialen und solche mit erhöhtem KundInnenzulauf verbleiben an ihren
Standorten. Dies bedeutet, dass der Druck auf traditionelle Banken wächst.
Im Zuge des Markteintritts und der Marktkonsolidierung von Fin-Techs,
müssen die Banken eigene Strategien entwickeln, um dieser Konkurrenz zu
begegnen und einen Anschluss an einen internetaffinen KundInnen zu finden
(vgl. ebd., S.13).
Banken stehen vor der Herausforderung, ihre Tätigkeitsbereiche anzupassen
und Spezialprodukte, wie unter anderem Kredite, Veranlagungen, größere
Firmenkredite, Versicherungen und Vermögensplanung, anzubieten.
Im Zuge der Digitalisierung haben sich die Gewohnheiten und Bedürfnisse
der Kunden zu mehr Mobilität und einer Beschleunigung der Arbeitsprozesse
gewandelt. Deswegen setzen immer mehr Unternehmen auf papierloses
Arbeiten, da Dokumente in digitalen Ordnern auch schneller auffindbar sind
und eine Nachhaltigkeit durch weniger Müll gegeben ist. Dies sind unter
anderem Ziele, die im Rahmen der Umstrukturierung forciert werden.
Konsequenzen auf die Erhaltung der Attraktivität der Organisation
59
Aus einer fallspezifischeren Perspektive wird nun wieder auf den inneren
Kontext des Falls eingegangen. Demzufolge ist es das Ziel des Vorstandes,
die Bank zur modernsten des 21. Jahrhunderts zu machen. Der Hintergrund
der Umstrukturierung und der Kostensenkungen ist es, auch das
Unternehmen als Marke für KundInnen, MitarbeiterInnen, den Kapitalmarkt
(Aktionäre, Analysten) und potenzielle BewerberInnen attraktiver zu
machen. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird dies als Employer
Branding bezeichnet. Das Ziel dessen ist es, Unternehmen am Markt durch
spezielle Marketingmaßnahmen für bestimmte Zielgruppen zu positionieren
(vgl. Stolz 2013, S.5). Die Entwicklung, Implementierung und operative
Umsetzung des Employer Brandings zielt darauf ab, das Unternehmen
nachhaltig als Marke für die MitarbeiterInnengewinnung und –bindung, der
Unternehmenskultur und Leistungskultur auszurichten. Wichtig ist es
insbesondere nach innen, für die MitarbeiterInnen, als auch nach außen, für
die BewerberInnen und Kunden die gelebten Werte und Normen zu
kommunizieren und ein konsistentes Bild vom Unternehmen als Ganzes zu
vermitteln (vgl. ebd., S.7f).
Banken im Umschwung
Die Bank verdient unter anderem daran, Geld von Privatleuten über niedrig
verzinste Spar-und Girokonten zu verdienen, um es dann an Unternehmen
und Konsumenten in Form von Krediten, Darlehen und Finanzierungen
weiterzugeben. Mit stetig niedrigen Zinsen ist dies kein erträgliches Geschäft
und wird als mittel-und langfristiges Problem erkannt. Besonders Banken mit
einem dichten Filialnetz und vielen MitarbeiterInnen stehen stark unter
ökonomischem Druck. Ein weiteres Problem ist die gering vorhandene
Spezialisierung der Bank, was sich jetzt durch den Strategiewechsel auch
ändern soll (vgl. Zeitonline, September 2014).
60
Die Notwendigkeit der Kosteneinsparungen
Einige lukrative Geschäftsbereiche der Bank werden ausgebaut, einige
weniger lukrative gestrichen. Zu einem gewinnbringenden Bereich zählt
unter anderem das Ostgeschäft15 und die Betreuung von Geschäftskunden.
Welche Bereiche dies sind, wird maßgeblich von den Kunden beeinflusst.
Dies bedeutet, dass einige Personen andere Aufgaben bekommen werden und
einige gar nicht mehr werden arbeiten können, weil es ihre Position oder
Abteilung nicht mehr gibt, oder nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form. Die
Bank konzentriert sich auf Kunden mit viel Kapital, also jene die ihr
Vermögen anlegen und Firmenkunden.
Clash of cultures
Derzeit gibt es noch drei zentrale Gebäude der Bank, aus denen die
MitarbeiterInnen in ein zentrales Gebäude umgesiedelt werden sollen. Dabei
ist zu bedenken, dass diese MitarbeiterInnen aus verschiedenen Büroformen
stammen. So gibt es eines in dem die MitarbeiterInnen in einem
Großraumbüro der 80er Jahre16 arbeiten und eines in dem ein bis drei
Personen in einem Raum sitzen, welcher durch eine Tür von einem langen
Gang abgetrennt wird - das klassische Büro. Die Türen sind dabei zu. Im
dritten Gebäude befinden sich der Campino, das Pilotprojekt und die Change
Lounge, die als erstes das Open-Space Bürokonzept getestet hat. Wenn man
die Unterschiede zwischen diesen Büroformen genauer betrachtet, fällt das
Thema Kommunikation, Privatsphäre und Ästhetik sehr stark auf. Während
im neuen Konzept ein offener Raum vorhanden ist, ohne Türen und Wände,
sondern mit abgetrennten „Ruhezonen“, gibt es im Großraumbüro Schränke,
die eine Abtrennung zwischen Gang und Bürobereich simulieren, und sonst
aneinandergereihte Tische mit Schränken, die eine Abtrennung zwischen den
Personen herstellen. Im ältesten Bürokonzept, gibt es einen Raum mit bis zu
15 In Zentral-und Osteuropa betreibt die Bank Austria das größte internationale Bankennetzwerk mit über 2.240 Geschäftsstellen (vgl. bankaustria.at/ueber-uns-zentral—und-osteuropa-unicredit-in-cee.jsp). 16 Von einem Großraumbüro spricht man ab einer Fläche von 400 Quadratmetern und ab 20 MitarbeiterInnen (vgl. http://www.business-netz.com/Personal-Praxis/Buerogestaltung-Bueroformen-im-Vergleich).
61
drei Personen, hinter einer geschlossenen Tür. Während man im Open Space
Bereich sehr viel mehr in Kontakt mit KollegInnen kommt, befindet man sich
nach dem alten Konzept entweder allein, oder immer mit den gleichen
Personen im Büro. Gerade in Arbeitsfeldern, in denen Teamarbeit und
Ideengenerierung sehr wichtig ist, stellt Open Space eine sehr gute
Möglichkeit des Arbeitens dar. Einen großen Abschlag im Großraumbüro-
Konzept ist die Lautstärke, bei Besprechungen oder Telefonaten, da es dort,
im Gegensatz zum Open Space, keinen Rückzugsraum gibt und man schnell
aus seiner Arbeit rauskommen könnte.
Privatsphäre wird in Form von Möbeln, auf fast natürliche Art und Weise
hergestellt. Die Großraumbüros wurden etwa angeordnet wie Schrebergärten,
wo die Schränke als Eingänge baulich positioniert wurden. Nach dem alten
Konzept des Zellen- oder Gruppenbüros, sind diese meistens verschlossen
und die Menschen oder die Einzelperson allein oder untereinander. Mit der
jahrenlangen Erfahrung des Arbeitens in einem Zellen-oder Gruppenbüro und
den dabei entstandenen Bedürfnissen wird nun mit einem neuen Bürogebäude
eine Vereinheitlichung vollzogen, in der viele verschiedene Abteilungen und
Menschen aufeinandertreffen und bestmöglich vorbereitet sein müssen. Die
Abteilungen werden im Campus 2016, in Home Base Einheiten eingeteilt und
werden dann in einem fixen Bereich arbeiten, die Vorstände werden ein
eigenes Stockwerk haben, jedoch Abteilungs-, Divisions-und
ProjektleiterInnen werden im Open Space mit den anderen MitarbeiterInnen
arbeiten.
Der Kampf ums Leiberl
Dadurch, dass viele Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren und so drastisch
über deren Alltag entschieden wird, muss damit gerechnet werden, dass
psychisch Dinge nicht einfach wie bisher weiterlaufen, sondern dass
MitarbeiterInnen einige Zeit auch nicht leistungsfähig sein werden. Die
MitarbeiterInnen müssen damit rechnen, dass ihnen ganz neue Rollen
zugewiesen werden, über die sie nicht selbst entscheiden können und auf die
sie warten müssen, da bestimmte Stellen und Arbeitsplätze noch in
62
Entscheidungsprozessen festgelegt werden müssen. Dadurch, dass die Arbeit
einen Großteil der Zeit der Menschen ausmacht, hat es maßgeblich Einfluss
auf ihren Alltag, deswegen müssen sie bestimmte Informationen erst
verarbeiten und sind für den Moment nicht mehr ein leistungsfähiger Teil des
Unternehmens. Aus diesem Grund liegt ihr Fokus nicht auf der
Arbeitsplatzumstrukturierung, sondern auf der Existenzangst. Im Jargon der
Organisationsentwicklern „der Kampf ums Leiberl“.
Es gibt einige, welche sich dagegen stellen gekündigt zu werden und zum Teil
auch nicht gekündigt werden können, da durch ältere Dienstverträge eine
Kündigung durch den Arbeitgeber erschwert ist. In solchen Fällen handelt es
sich für das Management und Personalmanagement um eine Frage der Höhe
der Abfindung. Teilweise handelt es sich um sehr hohe Abfindungen, die die
MitarbeiterInnen auch dazu verleiten einer einvernehmlichen Kündigung
zuzustimmen. Eine Abfindung ist die einzige Möglichkeit jene aus der
Organisation dazu zu verleiten, diese zu verlassen. Dabei muss das Alter der
MitarbeiterInnen bedacht werden, denn junge MitarbeiterInnen, die
potenziell noch lange im Unternehmen bleiben werden, haben die Aussicht,
die Organisation mitzugestalten und Einfluss auf Prozesse zu nehmen, im
Gegensatz zu Personen, die keine Zukunftsperspektive sehen oder nur noch
wenige Jahre bis zur Pension haben. Des Weiteren bedeuten Neubesetzungen
auch einen Mehraufwand und somit Kosten für die Organisation. Außerdem
kann man bei Personen, die noch nicht lange im Unternehmen sind, darauf
schließen, dass sie auch nicht so hohe Gehälter wie die anderen beziehen. Je
älter der oder die MitarbeiterInnen sind, desto eher hat sich ein höheres Gehalt
akkumuliert. Dadurch, dass die Bank es der gesamten Belegschaft offen
gelegt hat eine Abfindung anzunehmen und dafür die Firma zu verlassen,
können die MitarbeiterInnen online ein Angebot machen und der/die
Vorgesetzte entscheidet, ob dieser oder diese MitarbeiterIn gehen darf oder
kann. Ob er oder sie gehen darf ist abhängig von der Position, wenn er oder
sie zum Beispiel ein oder eine FirmenkundenbetreuerIn oder Multinational
BetreuerIn ist, ist der Stellenwert recht hoch und es kann zur Ablehnung
63
kommen. Wenn in diesem Fall der oder die MitarbeiterIn trotzdem gehen
will17, muss er oder sie mit hohen Einbußen der Abfindung rechnen.
Über die Wertigkeit und die Jobaussichten der MitarbeiterInnen innerhalb der
Bank, entscheidet somit das Management. Dabei werden „Keyplayer“
identifiziert, die eine überaus wichtige Rolle für die Entwicklung des
Unternehmens spielen.
Jene, die den Status haben unkündbar zu sein, haben eine Vorrechtstellung,
sind aber trotzdem eher davon bedroht gekündigt werden, meist aufgrund
ihres Alters. MitarbeiterInnen haben aufgrund ihrer Dienstlänge sehr hohe
Gehälter akkumuliert, und stellen aus diesem Grund einen hohen
Kostenfaktor für das Unternehmen dar. Teuer wird es für das Unternehmen
auch, wenn junge MitarbeiterInnen gekündigt werden, die potenziell noch
sehr lang fürs Unternehmen arbeiten könnten. Ihre Nachbesetzung kostet
Arbeitszeit und Kosten für Einarbeitung unter anderem.
Durch die Gesamtbankumstrukturierung und dem daraus resultierenden
Personalabbau, haben die Menschen Angst um ihre Arbeitsplätze und ihre
Zukunft. Zum Großteil warten die Personen auf eine Entscheidung über ihren
Arbeitsplatz in Hinblick darauf, ob sie bleiben können oder nicht. Ein Thema
wie die Arbeitsplatzumstrukturierung erscheint dann nicht als prioritär, wenn
nicht sogar als etwas Lästiges, wie die Organisationsentwickler anmerken.
Die Organisationsentwickler bezeichnen ihre Arbeit als eine undankbare
Aufgabe, jene Menschen ins Boot zu holen. Dabei argumentieren sie mit einer
nachhaltigen Zukunftsvision und vermitteln das „Big Picture“. Im Endeffekt
wird die Umstrukturierung, ob „groß18“ oder „klein19“ jeden und jede (der
oder die bleiben wird) betreffen und man muss vorbereitet sein. In Folge
17 Der Begriff „gehen“ als Synonym für „die Organisation verlassen wollen“, wird von den Interviewten häufig statt kündigen genutzt. 18 Der Strategiewechsel und Personalabbau. 19 Die Arbeitsplatzumstrukturierung und der Umzug in den Campus.
64
dessen müssen die MitarbeiterInnen der Organisationsentwicklung um die
Aufmerksamkeit, sowohl der MitarbeiterInnen als auch der ManagerInnen
ringen, da sie teilweise in ihrer Dringlichkeit nicht ernst genommen werden.
Sie müssen also Druck ausüben, auch unangenehme Maßnahmen treffen, in
dem sie „um zu schocken“ bestimmte Arbeitsutensilien, wie Drucker und
Scanner reduzieren oder „Ausmistaktionen“ („less paper“) durchführen.
Damit wollen sie die erforderliche Aufmerksamkeit erlangen und auf die
Wichtigkeit des Projektes hinweisen.
Prinzipiell müssten Entscheidungen über die wirtschaftliche Zukunft der
MitarbeiterInnen zuerst feststehen, damit die Ungewissheit wegfällt. Die
Tatsache, dass die Menschen zum Zeitpunkt des Interviews noch unsicher
über die Ausgangslage ihrer Zukunft waren, stellt ein lernförderliches
Hemmnis dar. Wenn die Sicherheit wieder zurückerlangt werden kann, wird
nach einer Phase der „Beruhigung des Systems“, die Aufmerksamkeit auf das
„weniger prioritäre“ Thema gelegt.
Die wichtigste Arbeit der OE ist jene mit den MitarbeiterInnen,
MultiplikatorInnen und ManagerInnen. Wenn diese ins Stocken gerät,
stagniert auch das Projekt. Denn gerade die MultiplikatorInnen und
Führungskräfte fungieren als Schnittstelle und AnsprechpartnerInnen sowohl
für die MitarbeiterInnen als auch für die ProjektmitarbeiterInnen.
Organisationales Lernen
Die MitarbeiterInnen der Bank haben mit 48 Jahren einen sehr hohen
Altersdurchschnitt. Dabei arbeiten viele der MitarbeiterInnen schon sehr
lange bei der Bank und kennen Arbeitsprozesse noch aus ganz anderen
Zeiten. Viele haben eine Lehre bei der Bank begonnen und haben die
Organisation bis zum heutigen Tag nicht gewechselt. Es haben sich dabei
bestimmte Denkstrukturen gefestigt, aus denen es für diese Personen sehr
schwer ist wieder herauszukommen. Als ein Problem wird hier auch die
Veränderungsresistenz gesehen und die mangelnde Motivation sich auf
komplett neue Arbeitsstrukturen einzulassen. Im Zusammenhang damit steht
auch eine geringe Technikaffinität. In diesem Fall haben Personen, die ein
65
fortgeschrittenes Alter haben, eine Abfindung angenommen und beschlossen
zu einem bestimmten Zeitpunkt die Bank zu verlassen, weil sie für sich keine
weitere Perspektive gesehen haben.
Testprojekt Campino
Das Pilotprojekt Campino dient als Testfläche, um die ersten Erfahrungen zu
sammeln, die im Rahmen der Arbeitsplatzumstrukturierung von 120
teilnehmenden MitarbeiterInnen gemacht werden. Dabei ist zu bemerken,
dass die Stimmung der Testpersonen sehr ablehnend ist, was teilweise auch
damit zusammenhängt, dass sie sich mit den Sachverhalten nicht
auseinandersetzen wollen. Bei bestimmten Personen und da tritt wieder das
Problem der Einstellung auf, kann man das Verhalten nicht beeinflussen, weil
diese Denkstrukturen zu fest verankert sind.
Kritik wird von den MultiplikatorInnen, die sich ja auch in der Testfläche
befinden, aufgenommen, wenn sie konstruktiver Natur sind und in der
Privatwirtschaft angemessen. Damit ist gemeint, dass einige Forderungen der
MitarbeiterInnen verwöhnt und überzogen sind, wie die MultiplikatorIn und
die Organisationsentwickler schildern. Es werden zum Teil Dinge von der
Bank als Arbeitgeber verlangt, bei denen es nicht selbstverständlich ist diese
zu verlangen. Damit werden Dinge gemeint, die bei anderen Arbeitgebern,
oder auch bei der Bank geboten wurden, aber nun reduziert oder abgeschafft
werden. Die MitarbeiterInnen sehen diese Extras dann als ihre
„wohlerworbenen Rechte“ an.
Im Rahmen des Projektes ist es aus ressourcentechnischen Gründen nicht
möglich, sich auf 1/3 bestehend aus den „NörglerInnen“ zu konzentrieren,
wenn es genügend Personen (2/3) gibt, die zumindest offen sind. Die
Organisationsentwickler vermerken, dass sie keine Energie in Menschen
aufwenden möchten, die von Grund auf nicht gewillt sind sich auf Neues
einzulassen. Die Kritik, die diese Menschen üben, wird zum Teil als
übertrieben und unangemessen, gesehen. Dabei sieht man es als anmaßend,
so hochgegriffene Wünsche seinem Arbeitgeber gegenüber zu äußern, denn
Extras könnten nicht als Selbstverständlichkeit gesehen werden, sondern sind
66
zusätzliche Benefits um die Arbeitsmotivation der MitarbeiterInnen zu
steigern.
Wie bereits erwähnt, stammen die Personen, die diese Wünsche äußern aus
anderen Arbeitswelten, sie haben diese zusätzlichen Benefits schon sehr lange
bekommen und müssen nun darauf verzichten, nachdem sie sich dran
gewöhnt haben. Die Denkstrukturen dieser MitarbeiterInnen sind geprägt von
Beharrlichkeit und Widerwille und man hat wenig Aussicht auf Kooperation,
wie es die Aussagen der Organisationsentwickler vermuten lässt. Nach einer
langen Zeit der „wohlerworbenen Rechte“ will man keinen Schritt zurück
machen, ohne größten Widerstand in einer sowieso schon sehr angespannten
Situation. Die Organisationsentwickler beschreiben das Verhalten der
MitarbeiterInnen im Vergleich mit kleinen Kindern, denen etwas
weggenommen wird, das sie sehr lange in Anspruch nehmen konnten. Mit
einer Trotzreaktion, wie sie von den Organisationsentwicklern beobachtet
wurde, bewirkt dies keine Kooperation und Stimmung bzw. Motivation, um
leistungsfähig zu arbeiten, was aber das Hauptziel ist. Deswegen muss ein
adäquater Weg gefunden werden mit MitarbeiterInnen umzugehen, die
festgefahren auf einer Meinung beharren. Mit ihrer Trotzreaktion bewirken
sie allenfalls eine Kündigung oder ein Drängen auf Frühpensionierung, aber
eine „Veränderung der Veränderung“ werden sie nicht bewirken. Eine lange
Verwöhnung durch das Unternehmen, gibt ihnen die Rechtfertigung, es als
ein Anrecht zu sehen.
Auch Innovation spielt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung ob ein oder
eine MitarbeiterIn im Unternehmen bleiben kann. Innovation wird verbunden
mit Kreativität und produktivem Gedankengut. Dies stellt potenziell eine
Arbeitskraft dar, die dem Unternehmen etwas Gutes einbringt. Jene, die
bereits wissen, dass sie nicht zu jenen gehören die kreativ und innovativ sind,
bangen bereits um ihren Arbeitsplatz. Womöglich sind es auch die, die schon
näher an der Pension sind und im Falle einer Kündigung keinen Arbeitsplatz
mehr finden werden.
Die Bank grenzt sich gegenüber der Konkurrenz durch höhere Gehälter ab
und macht sich dadurch für BewerberInnen attraktiver und fördert die
67
Bindung bei bestehenden MitarbeiterInnen. Jedoch wird jedes Gehalt nach
einer Weile zu etwas Selbstverständlichem, für das man nicht mehr die
Energie und Leistung aufbringt, die man am Anfang aufgebracht hat. Man
richtet auch seinen Lebensstandard nach dem verfügbaren Gehalt aus und
möchte bestmöglich verhindern, weniger davon zu haben. Davon betroffen
sind viele, die schon sehr lange im Unternehmen sind und auch ein
fortgeschrittenes Alter haben.
MitarbeiterInnenbindung und die Wertschätzung werden durch jährliche
Boni nach Priorität, vom Vorstand ausgesucht, ausgezahlt. Das Change
Management scheint in dieser Prioritätenliste nicht unbedingt an erster Stelle
zu stehen. Für die MitarbeiterInnen der Organisationsentwicklung hat es den
Effekt nicht als wichtig angesehen zu werden und im Rahmen der
Umstrukturierung zu einer der ersten Abteilungen zu gehören, die
geschlossen werden. Dabei wird die Arbeit des Change Managements
banalisiert und nicht an die Folgen gedacht, die auftreten könnten, wenn es
keine Change-Begleitung gäbe.
In der Bank gab es schon viele Umstrukturierungen, die für die
MitarbeiterInnen nicht so schlimme Folgen hatten. Deswegen denken viele
es wird sowieso nicht so viel passieren, vermutet eine der interviewten
MitarbeiterInnen. Oder sie denken, es macht keinen Sinn sich große Sorgen
zu machen, denn entweder man behält seinen Job, oder man bekommt eine
Abfindung und geht in Frühpension, oder nutzt die 5-Jahres-Abfindung um
sich neu zu orientieren. Man nimmt die Umstrukturierungen und die
Unsicherheit, die dahintersteht, nicht mehr ernst, macht sich lustig und
spekuliert im Scherz über die mögliche Höhe der Abfindung. Der Ernst der
Situation wird marginalisiert, da man, ob mit Abfindung oder Job, eine
Absicherung erhält. Als junger Mensch hat man auch die Option noch einen
anderen Job zu finden. Das Unternehmen macht sich und seine Drohungen
unglaubwürdig, so dass sich die MitarbeiterInnen in eine passive Haltung
begeben und einfach abwarten. Das geht so weit, dass sie den Ernst der Lage
mit Scherzen über die Abfindung überspielen. Wobei das Überspielen auch
ein Zeichen von Nervosität, Unsicherheit und vor allem Angst sein kann. Man
wägt sich trotz allen Möglichkeiten einer gewissen Sicherheit nicht allzu
68
schlecht abzuschneiden, da das Unternehmen mit der Abfindung polstert. Die
MitarbeiterInnen verlassen sich darauf.
Die trotzdem auftretende Angst, geht bei vielen häufig mit der Selbstreflexion
über die eigene Leistung einher: Wie viel Leistung habe ich gebracht? Was
hat man von dieser Leistung gesehen? Bin ich wichtig für das Unternehmen?
Wenn diese Selbstzweifel bestehen ist die Angst größer gekündigt zu werden.
MitarbeiterInnenbindung geschieht auch viel über das sehr hohe Gehalt und
ist auch ein Grund, warum eine Kündigung gefürchtet ist, weil es den
Lebensstandard drastisch senken wird, da nicht das volle Gehalt ausbezahlt
wird, sondern ein pro MitarbeiterIn variierender Prozentsatz vom Gehalt.
Auf Basis der Human Resource-Analyse entscheiden die Führungskräfte wer
„gehen“20 muss. Die Kündigungen vieler älterer MitarbeiterInnen können das
„Problem“ der Überalterung, wie es die MitarbeiterInnen und die
Organisationsentwickler bezeichnen, des Unternehmens lösen, indem es
Raum schafft und intern legitimiert wird mit unternehmensinternen Gründen,
neue junge MitarbeiterInnen ins Unternehmen zu holen, sobald wieder
Arbeitskräfte eingestellt werden können. Jene, die bleiben wollen, werden
sich umso mehr Mühe geben zu zeigen, dass sie es wert sind, weiter im
Unternehmen zu bleiben. Dabei lernen sie, sich der sich wandelnden Welt
anzupassen und zu öffnen, was bisher nicht nötig war. Unternehmen mit
hohem Einkommensniveau kann seine MitarbeiterInnen eher halten, wenn
sich die Konditionen stark von den KonkurrentInnen abheben.
Was bedeutet Smart Working?
Das neue Bürokonzept sieht einen eigenen Bürotisch pro MitarbeiterIn nicht
mehr vor, stattdessen suchen sich die MitarbeiterInnen jeden Tag neu einen
freien Bürotisch und räumen diesen nach dem Arbeitstag auch wieder auf.
Dies scheint eines der größten Anliegen zu sein. MitarbeiterInnen fühlen sich
ohne ein eigenes Büro nicht mehr genügend wertgeschätzt und sehen es als
20 Aufgrund der Authenzität werden die genutzten Begriffe der MitarbeiterInnen und Organisationsentwickler in Anführungszeichen übernommen. Das Wort „Kündigung“ wird, laut Aussage einer der Organisationsentwickler, bewusst nicht gerne ausgesprochen.
69
ihr Recht an ein eigenes Büro zu haben, das sie personalisieren können, so
sind sie es zum Teil seit mehreren Jahrzehnten gewohnt.
Wie bereits erwähnt werden die Büros, im Sinne des Open Space-Konzeptes,
offen sein und aus verschiedenen Modulen bestehen. Es wird keine
abgetrennten Räume mehr geben. MitarbeiterInnen nehmen es als eine
Umstellung wahr, da sie einen Raum für sich hatten, oder für sich und ein bis
drei andere KollegInnen mit einer Tür, die sie schließen konnten. Ein Teil der
Privatsphäre wird somit wegfallen und ein Kontrollgefühl aufkommen, da
freie Sicht auf den Bildschirm möglich ist.
Dabei wird auch als Sorge empfunden, dass MitarbeiterInnen, insbesondere
in einer Bank, häufig vertrauliche KundInnengespräche führen oder mit
geheimen Dokumenten arbeiten, auf diese somit auch freie Sicht wäre21. Das
eigene Büro symbolisiert Privatsphäre und eine Abgrenzungsmöglichkeit
gegenüber anderen MitarbeiterInnen. Nun ist diese Privatsphäre und
Abgrenzung nicht mehr vorhanden und man muss sich den Raum und Platz
teilen. Die Angestellten, die bereits mehrere Jahre oder Jahrzehnte in einem
eigenen Büro verbracht haben, fühlen sich in ihren Rechten beschnitten und
eingeschränkt in ihrem Raum.
Remote Work, also das Arbeiten von jedem Ort an dem ein Wlan-Zugang
möglich ist, scheint die unproblematischste Neuigkeit für die
MitarbeiterInnen zu sein, weil viele Homeoffice bereits kennen. Remote
Work macht es zusätzlich mit einer firmeninternen Software möglich,
Meetings abzuhalten, auch ohne dass alle Personen anwesend sind. Durch die
Software ist auch für jeden und jede MitarbeiterIn ersichtlich, wer online ist
und wer abwesend ist. Durch ein Diensthandy soll Erreichbarkeit
gewährleistet sein.
Jedoch kommt hier wieder der Kontrollaspekt ins Spiel, da durch das Online-
sein auch zum Teil nachvollziehbar ist für andere, was die MitarbeiterInnen
gerade machen, wie etwa, wann sie zu arbeiten begonnen haben oder wann
21 Die Arbeitsplätze im Open Space Büro sind separiert durch Abtrennwände, jedoch ist es trotzdem möglich auf die Bürotische des/der nebenan Sitzenden zu sehen. Die Vertraulichkeit bestimmter KundInnendaten wären insofern gefährdet.
70
sie aufgehört haben. Dieses Thema ist bereits bis zum Betriebsrat
vorgedrungen und befindet sich mit der Personalabteilung in Verhandlung für
eine Betriebsvereinbarung. Für Gleitzeit-/Remote-Arbeitsverhältnisse ist
gesetzlich vorgeschrieben eine Betriebsvereinbarung kundzutun. Wie
schlussendlich die Regelungen der Arbeitszeit, auch bezüglich der
rechtlichen Zugänge, sein werden, wird sich also noch herausstellen.
Mit Remote Work wird die verpflichtende Anwesenheit allerdings obsolet,
da mit der reduziert verfügbaren Bürofläche, eine 20-prozentige Auslastung
von Remote Work notwendig sein wird. Die Nutzung von Remote Arbeiten
ist nicht verpflichtend, wird aber aufgrund der Sharing Rate nahegelegt. Es
wird auch nicht für alle möglich sein remote zu arbeiten, einerseits wegen
sensibler Daten und auch nicht verfügbarer Erlaubnis aus diesem Grund,
andererseits, weil die Gefahr besteht, dass manche MitarbeiterInnen es als
neuen „Urlaubstag“ missbrauchen könnten. Hier ist insbesondere die
Kommunikation und Beziehung zwischen MitarbeiterInnen und
MitarbeiterInnen und ihrer Führungskraft sehr essentiell. Die Performance
des/der MitarbeiterIn muss zum Remote-Modell passen. Insbesondere für
Führungskräfte, die eine ausgeprägte Kontrollkultur haben und misstrauisch
sind, werden Herausforderungen damit haben. Es muss also an einer
Vertrauensbasis gearbeitet werden, wenn diese nicht oder nicht genügend
vorhanden ist.
Bei Remote Work, aber auch dem Prinzip Paperless arbeiten, ist es schwierig,
wenn man bestimmte Dokumente gesetzlich vorgeschrieben in Papierform
aufheben muss. Viele Arbeitsbereiche der Bank arbeiten mit vertraulichen
Kundenverträgen, bei denen spezielle Bestimmungen der Lagerung von
Dokumenten vorgeschrieben sind. Des Weiteren sind Abteilungen, die mit
Gesetzen arbeiten auf die unmittelbar nahe Lagerung von Kodizes
angewiesen. Eine Vereinheitlichung der Arbeitsprozesse ist also nicht für alle
Geschäftsbereiche der Bank möglich. Es gibt jedoch für Abteilungen, die jene
Themen betreffen, Sonderbestimmungen in Bezug auf die Ausstattung des
Arbeitsplatzes.
71
Einige der MitarbeiterInnen brauchen für Remote Work eine Gewöhnungs-
und Praxiszeit bis sie dies nutzen können. Über das Diensthandy hinaus,
bekommen die MitarbeiterInnen einen Dienstlaptop, der nun nicht mehr die
Größe zweier Monitore hat, außer man hat aufgrund seiner Tätigkeit den
dringenden Bedarf. Jeder bekommt einen kleinen handlichen Laptop, den er
überall hin mitnehmen kann. Für Remote Work wäre dieser Laptop auch das
einzige was man von der Firma gestellt bekommen würde, vor Ort ist an
jedem Arbeitsplatz ein Monitor, an den man seinen Laptop andocken kann.
Hier stellt insbesondere die Tatsache, dass die Firma keinen zusätzlichen
Monitor für zu Hause zahlt, ein Problem für die MitarbeiterInnen dar. Zum
Teil ist dies auch ein Grund warum sie nicht remote arbeiten wollen.
Die MitarbeiterInnen nehmen Beschneidungen ihrer Rechte wahr. Das
Unternehmen, das bisher alles zur Verfügung stellt, nimmt diese Dinge
zurück. Viele MitarbeiterInnen, die seit mehreren Jahrzehnten ihre
„wohlerworbenen Rechte“ abgeben, sehen darin eine persönliche Verletzung
und sehen die Kostenersparnisse auf ihrem Rücken ausgetragen. Gerade in
der Finanzbranche haben materielle Dinge eine große Symbolik für
Wertschätzung. Es wird zu viel verlangt vom Unternehmen, was eigentlich
gar nicht zu den notwendigen Dingen für MitarbeiterInnen gehört. Dabei wird
das Suchen eines Bürotisches, Lärm, das Scannen von Dokumenten, als
Mehrarbeit gesehen, die nun aufgebürdet wird.
Lärm ist bei den MitarbeiterInnen ein wichtiges Thema, denn es sorgt sie,
dass sie aus ihren Arbeitsprozessen herauskommen, wenn zum Beispiel laut
gesprochen oder telefoniert wird und sie wieder eine Weile brauchen, um in
ihre Arbeit reinzukommen. Das raubt Zeit, Energie und bedeutet Leerlauf, in
dem qualitativ nichts oder nur sehr langsam etwas vorangeht. Dies sollte nicht
im Interesse des Arbeitgebers sein.
Das Problem der Wertschätzung
Es bestehen die Befürchtungen, dass die Einsparungen auf Kosten des
Wohlergehens der MitarbeiterInnen gehen und einhergehen mit erheblichem
Mehraufwand, durch das Suchen von einem Arbeitsplatz, Scannen von
72
Unterlagen, digitalisieren, Herumtragen eines Laptops, das Wegräumen des
Laptops, Wartezeiten am Drucker und Scanner. Die MitarbeiterInnen,
nehmen wahr, dass sie mehr als die Hälfte ihrer Zeit am Arbeitsplatz
verbringen und in dieser nun ihren Bürotisch nicht mehr personalisieren
können. Dies führt zu Frust und innerer Emigration.
Es ist ein Bedürfnis des Menschen seinen Arbeitsplatz gestalten zu können,
deswegen empfinden die MitarbeiterInenn es so, als werde ihnen die
Individualität genommen. Die Privatsphäre schwindet auch, man kann sich
nicht zurückziehen und auch das konzentrierte Arbeiten werde einem
erschwert.
Teamarbeit wird schwieriger, da den Teams bzw. Abteilungen keine fixen
Plätze zugeordnet werden, so kann es passieren, dass die Teams sich völlig
verstreut voneinander hinsetzen müssen.
VII.3.2.Rolle der Führungskräfte
Schwierigkeit der Kooperation zwischen Projektverantwortlichen und den
Führungskräften
Die Führungskräfte sind, wie die MultiplikatorInnen, essentiell für das
Funktionieren des Projektes, da sie an die MitarbeiterInnen die Dringlichkeit
und Wichtigkeit der Projekt-Maßnahmen vermitteln müssen, dabei müssen
sie komplett hinter dem Thema und Projekt stehen und das auf einer
authentischen Art und Weise.
Die Zusammenarbeit zwischen den Projektverantwortlichen und den
Führungskräften stellt sich des häufigeren als schwierig dar, da diese begrenzt
Zeit haben, möglichst wenig Mehrarbeit haben wollen und aus diesem Grund
dementsprechend abgeneigt sind vor Arbeitspaketen, die vom Projekt
weitergeleitet werden. Wichtig ist ihnen, dass alles funktioniert, nur ist es zu
einem Teil auch wichtig, dass sie als Führungskräfte etwas dafür tun müssen.
Deswegen müssen aus Perspektive des Projektes, Aufträge, Pläne und Daten
klar und präzise formuliert und die Vorteile dessen in den Vordergrund
gestellt werden.
73
Von allen Organisationsentwicklern wurde der Vergleich der Führungskräfte
mit kleinen Kindern gebracht: Klare Anleitung, ein Ziel vor Augen, das eine
Belohnung ausmacht und auch eine klare Vermittlung über negative
Konsequenzen, wenn die Aufträge nicht eingehalten werden. Dabei sollten
sie Führungskräfte wissen: Warum muss ich das machen? Was habe ich
davon?
Führungskräfte achten auf ihr Aufgabengebiet, auf ihre MitarbeiterInnen und
auf ihre KPIs (Key Performance Indicators, objektiv messbare Kennzahlen)
es werden also klare Prioritäten gesetzt. Was ist gerade wichtig, brauche ich
das notwendigerweise? Liegt das überhaupt in meinem Aufgabenbereich?
Dinge müssen messbar und objektiv nachweisbar sein.
Aus der Erfahrung, die andere Banken mit dem Open Space Konzept gemacht
haben, lernt diese Bank auch im ständigen Austausch mit MitarbeiterInnen
von dort. Und auch dort wurde die Erfahrung gemacht, dass Führungkräfte
eine essentielle Rolle spielen in der Vorbereitung der MitarbeiterInnen, wenn
sie mitziehen und Verantwortung übernehmen.
Jedoch darf man nicht vergessen, dass Führungskräfte in erster Linie
ManagerInnen sind, deren Zeit sehr knapp ist und wo die Einstellung
vorherrscht, dass Zeit Geld ist, aus diesem Grund muss jedwede Form der
Arbeit begründet sein und Priorität haben. Das Denken ist sehr ökonomisch
geprägt. Aus Sicht der ProjektmitarbeiterInnen kommt man schnell in eine
Bittstell-Rolle, da man nur in Abhängigkeit der Kooperation dieser
Führungskräfte voran kommt mit dem Projekt.
In Hinblick auf den Verlust eines eigenen Büros wird eine
Machtdemonstration deutlich, durch die sich Menschen identifizieren, vor
allem die Führungskräfte. Durch das Open Space Konzept geht ein
Statussymbol bzw. eine Außendarstellung für andere, verloren, was
kompensiert werden muss. Das Büro macht auch die Wertschätzung aus, die
ein/eine MitarbeiterIn durch das Unternehmen empfindet.
Hinzu kommt, dass sich durch Remote Work, das Büro in die Privaträume
verlagert ohne dass die Kosten (außer für Laptop und Diensthandy) von der
Firma übernommen werden (Heizkosten, Wasserkosten, Büroutensilien
74
werden nicht erstattet, können aber steuerlich nachträglich abgesetzt werden),
dies kann sich als negativ herausstellen für Leute, die keine so große
Wohnung haben, bzw. diese nicht wie ein Büro einrichten können.
Glaubenssätze
Die Bank ist eine sehr hierarchisch angeordnete Organisation, in der eine
Fehlerkultur nur mangelhaft vorhanden ist. Vorwiegend werden
konfliktbehaftete Themen von jeglicher Verantwortung auf die nächsthöhere
Instanz verwiesen, die die Entscheidung treffen soll. Dabei stagnieren
Entscheidungsprozesse geradezu, wenn auf einer höheren Instanz keine
Entscheidung getroffen wird oder der Prozess lange andauert. Die
Organisationsentwickler stellen fest, dass wenn bottom-up (aus der unteren
Hierarchieebene heraus) Entscheidungen forciert werden, dies negative
Konsequenzen haben kann, bis hin zur Kündigung, da selbst denkende
MitarbeiterInnen, die womöglich sogar Kritik ausüben, nicht gerne gesehen
sind. Es ist also sehr wichtig was man wie formuliert, wenn man mit
Führungsebenen zusammenarbeitet.
Im Zuge des Projektes sollen Führungskräfte, auch in einer Doppelrolle, zu
Führungskräfte-Netzwerken zusammengeschlossen werden, damit die
Vermittlung der Informationen über das Projekt und die Vorbereitung auf den
Umzug engagiert getragen werden kann. Eine Doppelrolle nehmen sie somit
ein, da sie neben der Tätigkeit im Netzwerk auch ihrer Haupttätigkeit
nachgehen, Dabei soll das Netzwerk dazu dienen, dass sich
abteilungsübergreifend Führungskräfte austauschen können. Dabei wird von
Seiten der externen Beratung erwähnt, dass die mangelhafte Fehlerkultur
auch hier zu beobachten ist, da durch ein Konkurrenzdenken der
Führungskräfte untereinander Fehler nicht gerne zugegeben werden, was
allerdings einen kontraproduktiven Effekt hat und keinen genuinen
Erfahrungsaustausch möglich macht.
75
Die Grundannahmen und Glaubenssätze der Führungskräfte müssen neu
überdacht werden, insbesondere wenn es um die Umstellung auf Remote
Work geht. Das Führen auf Distanz muss von vielen Führungskräften, die nur
das face-to-face Führen seit Jahrzehnten gewohnt sind, erst gelernt werden.
Viele sehen „richtiges“ Arbeiten, als Präsenzzeit ihrer MitarbeiterInnen an -
nach der Prämisse: „Nur wer anwesend ist, der leistet auch etwas“. Diese
Denkweisen werden in Führungskräfteentwicklungs-Workshops durch die
Change-MitarbeiterInnen reflektiert und es wird adäquat auf eine angepasste
Führungsform vorbereitet. Führungskräfte werden in die Pflicht genommen,
denn mit modernen Arbeitsprozessen, werden alte Führungskonzepte obsolet,
Hierarchien flachen bereits ab und werden auch zu einer Arbeitgebermarke.
„Das böse Wort Kontrolle“: Daran hängt sich das Führungsverständnis der
Führungskräfte auf. Führung = Kontrolle. Es muss die Performance
eines/einer MitarbeiterIn anders gemessen werden.
VII.4. Unterschiede zwischen den Perspektiven der
Organisationsentwickler und den MitarbeiterInnen
Die Mitarbeiter der OE sehen sich selbst als Betroffene. Change Management
als Teil des Unternehmens wird als in Gefahr schwebend wahrgenommen, da
es nicht prioritär für das Unternehmen ist. Bei der mangelnden
Wertschätzung, werden die drastischen Folgen eines nicht funktionierenden
oder nicht vorhandenen Change Managements außer Acht gelassen. Sie
empfinden Machtlosigkeit, weil sie zum einen die MitarbeiterInnen dazu
bringen müssen zu kooperieren, zum anderen den Auftrag vom Vorstand
bekommen haben, aber trotzdem nicht geschätzt wird, welchen nachhaltigen
Wert diese Arbeit hat. Aus diesem Grund fragen sie sich, warum sie bei solch
mangelnder Wertschätzung so viel Mühe in den Zusammenhalt und die
Förderung der Zusammenarbeit stecken sollen. Denn schließlich, können
bzw. sind sie genauso betroffen vom Personalabbau, wie alle anderen auch.
Einige der Change MitarbeiterInnen haben das Angebot angenommen und
werden im Laufe dieses Jahres das Unternehmen verlassen, weil sie keine
76
weitere Perspektive mehr sehen für sich. Dabei haben sie im Hinterkopf, dass
nur, weil man in einem Change Projekt arbeitet, das nicht heißt, dass sie nicht
gekündigt werden können, sie haben keinen Sonderstatus. Change
Management könnte komplett gestrichen werden. Manche Firmen haben
nicht mal ein Change Management, bei denen würden die MitarbeiterInnen
ins kalte Wasser gestoßen werden und müssten mit der Neuerung
klarkommen und auch ohne in die Thematik eingeführt zu werden. Wenn
jedoch das Arbeiten in der neuen Umgebung nicht funktioniert, weil etwa die
Leistung nachlässt, hat dies negative Konsequenzen für die MitarbeiterInnen.
In der amerikanischen Kultur sei man da ganz strikt. Change wird immer als
wichtig angepriesen, jedoch wird als eine der ersten Stellen dort gespart,
wenn gespart werden muss.
Eine Umstrukturierung ohne Change Begleitung kann für die
MitarbeiterInnen fatale Folgen haben, denn es ist ihre Schuld, wenn sie nicht
richtig arbeiten können und dementsprechend die Leistung ausfällt. Change
Management steht nicht an erster Stelle. Wertschätzung von Seiten des
Unternehmens zeigt sich auch über die Ausschüttung der Boni, die nach der
Priorität und im Ermessen des Vorstands ausgeschüttet werden. Dabei
spielen, unter anderem, Abteilungen wie Risk Management oder Controlling
eine größere Rolle und bekommen dementsprechend einen höheren Bonus,
als die Change Management Abteilung.
Die OE muss im Rahmen der generellen Kosteneinsparungen auch in ihren
Budget Kürzungen vollziehen. Sie müssen auf ihre externe Beratung
verzichten, mit denen sie eigentlich noch weitere zwei Jahre eine
Zusammenarbeit geplant haben. Bei den großen Projekten hat das
Unternehmen nach wie vor Beratung eingeplant, aber bei der OE als
„kleinem“ Projekt müssen sie auf Unterstützung verzichten. Das hat zur
Folge, dass bestimmte Maßnahmen nicht mehr mit dem Know-how wie
bisher durchgeführt werden können. Die ProjektmitarbeiterInnen verfügen
über ein internes Know-how, aber die Neutralität und das Erfahrungswissen
eines externen Beraters fehlt nun. Wenn ein Workshop mit dem Vorstand
stattfindet, dann verläuft dieser anders mit den Change Managern, als mit
einer externen Beratung. Der oder die BeraterIn kann berichten, wie er/sie
77
ähnliche Projekte bei einer anderen Firma erfolgreich abgeschlossen hat und
verfügt über viel Erfahrung in diesem Bereich. Bei ihnen als interne Berater
besteht noch das Dilemma, dass die Personen ihre ehemaligen Vorgesetzten
waren oder es vielleicht durch die Personalumschichtung werden. Das wissen
sie vorher nicht unbedingt. Sie müssen aufpassen, wie sie bestimmte Dinge
vermitteln, die unangenehm sind. Die externe Beratung hat den Vorteil
irgendwann wieder das Unternehmen zu verlassen, die Change-
MitarbeiterInnen müssen mit möglichen Konsequenzen weiterleben und
arbeiten.
In der Kommunikation zwischen der OE und den Führungskräften und
Schnittstellen zu den Vorständen, müssen die Organisationsentwickler
vorsichtig sein, wenn man seine Meinung vermitteln möchte, denn man weiß
im Rahmen der Personalumschichtung nicht, wer konkret welche Rolle haben
wird, also welche Führungskraft in Zukunft jene des Change Manager sein
wird. Es bestehen also implizite Abhängigkeitsverhältnisse. Dazu kommt,
dass sehr strategisch gedacht werden muss, zum Beispiel wer eine gute
Schnittstelle zum Vorstand darstellt und Informationen vermitteln kann,
wenn die OE mit den Vorständen kooperieren muss, da die Zeit derer recht
begrenzt ist und man recht schwer einen Termin bekommt. Aus der Erfahrung
der Change Manager sind sie auch hier benachteiligt.
Die Kommunikation zwischen Führungskraft und den
Organisationsentwicklern ist auch insofern schwierig, berichten die
Organisationsentwickler, weil die Führungskräfte in ihrem zahlenbasierten,
„engen“ Denken, wenig Freiraum für Kreativität lassen. Die
Organisationsentwickler selbst sehen sich als Freigeister und brauchen einen
Raum in dem ihre Ideen auch Platz haben. Jedoch müssen sämtliche Konzepte
nach den vorgegebenen Strukturen der Führungskraft geformt sein und neben
einem klaren Ziel, auch eine messbare, objektive Komponente ersichtlich
sein. Sobald Marketingkonzepte, die einen Anstoß für die MitarbeiterInnen
bieten, aber keine objektive Perspektive zulassen, stellt dies „Blödsinn“ dar.
In der Zusammenarbeit mit den MitarbeiterInnen, die auch die
MultiplikatorInnen verkörpern, überlagert der geplante Personalabbau die
78
erforderliche Aufmerksamkeit für die Arbeitsplatzumstrukturierung, was es
für die Change Verantwortlichen schwer macht zu den Menschen
durchzudringen, da sie sich zurückziehen, Angst haben und oft Desinteresse
zeigen. Das Problem ist, dass die OE abhängig ist von der Kooperation der
MitarbeiterInnen, da sie die Rolle des/der AnsprechpartnerIn für die anderen
MitarbeiterInnen darstellt und somit einen wichtigen Einfluss haben.
Die Entscheidungsstrukturen des Unternehmens sind hierarchisch gestaltet.
Entscheidungen fallen top-down, von bottom-up passiert insofern nichts, und
es ist auch nicht gewünscht. Die Folge ist, dass bestimmte Arbeitsprozesse
stagnieren, wenn Entscheidungen lange offen bleiben.
Die MitarbeiterInnen haben zum Teil Desinteresse an der Change-Thematik
und wollen ihre Rechte einfordern. Dabei wird von jenen MitarbeiterInnen,
die der Umstrukturierung wohl gesinnt sind und die sogar eine
MultiplikatorInnenrolle haben, eher kritisiert, dass diese Wünsche
übertrieben sind und sich einige dieser Menschen auch nicht mit rationaler
Argumentation umstimmen lassen. Das Festhalten an alten (Denk-)
Strukturen, zeigt sich durch Sturheit und Trotz, was man auch als infantil
bezeichnen kann. Dabei ist langfristig keine Kooperation möglich und dies ist
demzufolge eine fatale Folge für die Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit.
Remote Work, als ein wichtiges Arbeitspaket, soll zu 80% im neuen Gebäude
eingeführt werden, momentan wird ebenfalls eine Remote Auslastung von
20% getestet. Dabei sind im Rahmen der Informationsvermittlung durch das
Change Projekt die Fragen im Vordergrund: Kann man alle Dokumente
digitalisieren? Welche kann man digitalisieren und wie sieht das rechtlich
aus? (Teilweise stammen die Gesetze zum Datenschutz und Ablage von
Bankendokumenten aus einer Zeit, in der es Computer und Scanner nicht gab,
diese müssten angepasst werden). In der Nutzung der Remote Work und
Paperless Work kritisieren die MitarbeiterInnen, dass von Seiten des
Projektes nicht genügend in Arbeitsanforderungen differenziert wird. Nicht
auf jede Tätigkeit passen vereinheitlichte Arbeitsprozesse. Es treten des
Weiteren die Sorgen der Kontrolle auf. Durch das Programm Lync, können
die MitarbeiterInnen in Kontakt bleiben, wenn sie nicht alle im Büro
79
anwesend sind. Es wird ein Status angezeigt, teilweise sogar mit dem
Aufenthaltsort. Viele fühlen sich dadurch kontrolliert. Der Betriebsrat setzt
sich intensiv für die MitarbeiterInnen ein und macht auch einen präsenten
Eindruck, allerdings scheint die Rollenfunktion und -definition zwischen
Human Resources und Betriebsrat zum Teil nicht klar zu sein. So sieht sich
der Betriebsrat für Dinge nicht zuständig und verweist auf Human Resources
oder die Führungskräfte, während das gleiche Spiel beim Human Resources
zu beobachten ist. Die OE steht in diesem Rollenkonflikt in der Mitte. Dabei
spielt das Remote „Paket“ eine sehr wichtige Rolle, denn Dinge wie
Datenschutz, Versicherung wenn man auswärts arbeitet, Kontrolle durch
Lync und das Führen und Arbeiten aus der Distanz sind wichtige Themen,
bei denen noch sehr viele Fragen offen sind, die zwischen den
ExpertInnengruppen geklärt sein müssen, bevor die OE Informationen an die
MitarbeiterInnen, MultiplikatorInnen und Führungskräfte vermittelt werden.
Datenschutz insofern, dass Verträge und Daten von Kunden nicht außerhalb
des Bürogebäudes genutzt werden können, da das Wlan-Netz nicht sicher ist.
Des Weiteren spielt die Rolle wie man krankenversichert ist, ob privat oder
über den Arbeitgeber. Viele MitarbeiterInnen können auch nicht remote
arbeiten, da sie im Vertrieb tätig sind oder Kundengespräche vor Ort führen
müssen. Ein weiteres Thema ist auch die Ausstattung des Arbeitsplatzes
remote, wenn man zwei Bildschirme braucht und viele Unterlagen, auch in
diesem Fall kann Remote Work womöglich nicht in Anspruch genommen
werden.
All das sind Themen, die nicht von der OE festgelegt werden können, da dies
Entscheidungen sind die zwischen der Triade Betriebsrat, HR und Führung
ausgehandelt werden muss.
Die Führungskraft als Vorbild?
Die MitarbeiterInnen scheinen sich in der Aneignung der neuen
Arbeitsprozesse sehr an ihren Führungskräften zu orientieren, dabei haben
diese eine Vorbildfunktion. Das ist ein wichtiger Punkt, denn die
Orientierung oder Nicht-Orientierung an einer Führungskraft beeinflusst, wie
80
hoch das Engagement an der Partizipation des Change-Projektes ist und dem
daraus resultierendem Erfolg. Schwierig wird es dann, wenn die
Führungskraft ein Konzept gut reden und vermitteln soll, an dass sie selbst
nicht glaubt.
Darüber hinaus fühlen die MitarbeiterInnen sich nicht mehr so wohl an ihrem
Arbeitsplatz, da alles steril erscheint. Sie können bzw. dürfen ihren Büroplatz
nicht mehr personalisieren, wodurch auch kein Gefühl der „Heimat“ mehr
möglich ist. Man ist austauschbar, individueller Besitz ist weg, bzw. kann von
einer anderen Person in „Besitz“ genommen und genauso genutzt werden. Es
kommt in Bezug auf den Kontrollaspekt hinzu, dass die Führungskraft mit
ihren MitarbeiterInnen in einem Raum sitzt und das von beiden Seiten als
störend wahrgenommen wird.
Es verändert sich dadurch auch die Kommunikation zwischen Führungskraft
und den MitarbeiterInnen untereinander, da man sich seltener sieht und eher
absprechen muss, insbesondere durch Meetings. Gespräche werden
zielorientierter, da man die wenige Zeit effizient nutzen muss. Wann ist wer
da und wo? Die Zusammenarbeit verändert sich und die Kommunikation
muss im Vorhinein geplant werden. Generell wird es Dienstpläne geben
müssen, damit nicht ein Mangel an Bürotischen vorhanden ist, weil die
MitarbeiterInnen alle an den gleichen Tagen da sind, dies wäre nicht das Ziel
von Desk Sharing.
Es bleibt fraglich wie transparent Remote Work wirklich ist und was es mit
der Arbeitsleistung macht. Wird es nicht vielleicht doch als neuer
„Urlaubstag“ genutzt?
Wie bereits erwähnt stellt das hohe Alter der MitarbeiterInnen ein Problem
dar, welches sich durch viele Themenbereiche des Changes ziehen, aus
diesem Grund werden relevante Aspekte davon aus Perspektive der
MitarbeiterInnen und der OE angesprochen.
Es hat sich bei diesem spezifischen Fall gezeigt, dass je älter die Personen,
desto weniger technikaffin sind sie und haben Probleme sich neue Inhalte
anzueignen. Je näher sie an der Pension ist, desto eher nimmt der
Umstellungswille auf Neuerungen ab. Dies führt zu einer Blockade, macht
81
wenig flexibel und macht Probleme bei der Umgewöhnung. Diese Personen
sehen sich nicht als verantwortlich an, da sie bald „weg“ sind.
Auch trotz einer neuen Bürostruktur lassen sich alte Gewohnheiten wieder
beobachten und das über alle Generationen hinweg. Führungskräfte suchen
sich, um sich abzugrenzen, einen Platz im hintersten Eck. Eine Konsequenz:
Alte Arbeitsstrukturen werden durch die Gewohnheiten und der Sorge seine
Privatsphäre zu verlieren versucht aufrechtzuerhalten. In „meins“ und „deins“
-Strukturen, wie es die Organisationsentwickler nennen kann bei Open Space
nicht mehr gedacht werden.
Wer sich nicht an die Regeln hält muss gehen. Mangelnde Anpassung und das
Beharren auf wohlerworbenen Rechten kann zur Folge haben, dass man
gehen muss.
Das MultiplikatorInnen-Konzept
Wer einen größeren Wandel im Unternehmen umsetzen möchte, kommt ab
einer gewissen Unternehmensgröße nicht mehr am Einsatz von
MultiplikatorInnen vorbei. Solch ein großer Change erfordert stetigen
Informationsfluss, Schulungen und Workshops, die die MitarbeiterInnen mit
Maßnahmen der Veränderung vertraut machen. MultiplikatorInnen haben
auch die Aufgabe Transparenz zu schaffen. Dies sind wichtige Funktionen,
die ein soziales und fachliches Geschick verlangen. MultiplikatorInnen
haben, im Gegensatz zu externen BeraterInnen, den Vorteil das
Tagesgeschäft der KollegInnen genau zu kennen und nicht nur
FachexpertInnen zu sein. Deswegen genießen sie tendenziell eine höhere
Glaubwürdigkeit. Voraussetzungen eines/r MultiplikatorIn ist es von seiner
Führungskraft ausgewählt worden zu sein, innerhalb des Betriebes bekannt
zu sein und die Bereitschaft zeigen, mit dem Change Projekt zu kooperieren.
Für die Qualifikation der MultiplikatorInnen ist es notwendig die Message
des Projektes zu kennen und diese weiterzuvermitteln, aber auch Fragen der
MitarbeiterInnen entgegenzunehmen. Um diese Inhalte weitergeben zu
können, bedarf es speziellen MultiplikatorInnenschulungen. Als
82
Transfermaterialien werden, wie bereits erläutert, Roadmaps mit
Arbeitspaketen und Checklisten für die MitarbeiterInnen und die
Führungskräfte vom Change Management-Team erarbeitet. Diese werden mit
vielen visuellen Methoden, einfach, prägnant und greifbar dargestellt.
Zwischendurch und am Ende des messbaren Arbeitspaketes werden
Evaluationen durchgeführt anhand von Fragebögen, in denen gemessen wird,
ob die Lernziele erreicht wurden. Sollte diese nicht erreicht worden sein,
können Ergänzungsmaßnahmen und Follow-Up Erhebungen folgen.
Die Rolle der MultiplikatorInnen liegt sehr eng an der der Führungskräfte,
denn ein/e MultiplikatorIn muss führen, überzeugen, motivieren und
Anweisungen geben können und zwar so, dass er oder sie von
MitarbeiterInnen auch verstanden wird. MultiplikatorInnen sind wegen ihrer
wichtigen Vermittlerrolle ausgewählt worden, weil sie sozial kompetent sind,
charismatisch und beliebt bei KollegInnen. Sie haben als MultiplikatorInnen
eine Doppelrolle, dabei dürfen sie ihr laufendes Tagesgeschäft nicht
vernachlässigen, aus diesem Grund ist die Auslastung sehr hoch und eine
effektive Prioritätensetzung sehr wichtig.
VII.5. Der Stellenwert und die Perspektive der
externen Beratung
Die MitarbeiterInnen der Bank brauchen viel Unterstützung in der Begleitung
des Change aus Sicht der externen Beratung. Gerade, damit sie überzeugt
werden können, dass die neue Arbeitswelt als Innovation eine gute ist. Dafür
muss aber Offenheit herrschen und ein gewisser Wille, dass man sich Neuem
widmet. Dabei ist von Seiten der MitarbeiterInnen und der Verantwortlichen
nicht immer Einsicht da.
Die Rolle der externen Beratung ist die Unterstützung bei der Konzeption von
Change-Maßnahmen und Hilfe bei der richtigen Kommunikation,
Koordination, und dem Vermitteln von Informationen an die Menschen. So
gehört dazu, dass Workshops für die Führungskräfte und MultiplikatorInnen
initiiert wurden. Unter anderem auch Workshops in denen die Befürworter
83
der neuen Arbeitswelt, aber auch jene die dagegen sind, zusammen
diskutieren sollten.
Dabei zeigt sich von Seiten der Führungskräfte ein Delegieren der
Verantwortung und ein Verweisen auf die Change-Manager und die
Workshops, die innerhalb des Unternehmens angeboten werden. Es wird
dabei erwartet, dass ihnen damit ein Großteil der Arbeit abgenommen wird.
Die externe Beratung kritisiert, dass sie nicht die notwendige Empathie
aufbringen und das Verständnis gegenüber ihren MitarbeiterInnen. Sie
müssten sich um einiges mehr auch selbst und aktiv kümmern. Die
Führungskräfte werden als zu passiv gesehen und zu sehr bedacht auf Zahlen,
die eingehalten werden müssten. Sobald die Zahlen stimmen, wird auch kein
Problem gesehen, auch wenn auf der subjektiven Ebene sehr wohl Probleme
vorhanden sind.
Die Gespräche mit den Führungskräften müssen sehr gut vorbereitet werden,
um sich deren Kooperation zu sichern. Neben dem Change Projekt läuft das
normale Tagesgeschäft und Aufträge vom Change Projekt sind ein
Mehraufwand, der dazu führt, dass eine gewisse Abneigung entsteht und die
externe Beratung und die ProjektmitarbeiterInnen sich häufig in einer
benachrangten Position befinden.
Dadurch, dass eine angespannte Stimmung im Unternehmen von der externen
Beratung wahrgenommen wird, fällt es auch schwer zielführende
Weiterbildungen anzubieten. Innerhalb des Projektes versuchen sie aber die
Rahmenbedingungen so gut wie möglich herzustellen, so dass die
MitarbeiterInnen Neues aufnehmen und lernen können.
Die Kosteneinsparungen machen nicht halt vor der Inanspruchnahme der
externen Beratung. Obwohl der Vertrag auf 2 Jahre datiert war, wurde dieser
früher abgebrochen, und das Projekt muss frühzeitig auf Unterstützung
verzichten. Damit geht wichtige Neutralität durch Außenstehende verloren
und das Problem des Spannungsfeldes zwischen interner
Organisationsentwicklung, die Rolle als MitarbeiterIn und Führungskraft tritt
auf. Ein Organisationsentwickler kann, im Gegensatz zu einem oder einer
84
externen BeraterIn keine Autoritätsfigur einnehmen und dementsprechend
nicht den gleichen Einfluss nehmen.
Hinzu kommt, dass wertvolles Experten- und Erfahrungswissen von Seiten
der Externen nun nicht mehr vorhanden ist und damit eine wichtige
Argumentationsbasis gegenüber Führungskräften und Vorständen verloren
geht und auch eine andere Beziehungsbasis aufgebaut werden muss. Aus
langjähriger Erfahrung können bestimmte Projektprozesse antizipiert werden,
die von projektinternen MitarbeiterInnen nicht mitgebracht werden.
Die Beratung sieht Bedarf an Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit
im Arbeiten, Handeln und Denken. Die Ablehnung von Technologisierung
kommt häufig durch Unsicherheit und der Angst vor dem Unbekannten. Die
MitarbeiterInnen wollen zu wenig neu erkunden, sind zu zögerlich und nicht
bereit eigeninitiativ einen Schritt vorwärts zu machen. Es muss immer von
außen ein Stimulus kommen der etwas in Bewegung setzt, sonst würde nichts
passieren. Dabei besteht durchaus Verständnis gegenüber MitarbeiterInnen,
dass die Rahmenbedingungen zum Lernen momentan schwierig sind und
dadurch auch eine Hemmung vorhanden ist.
Als eine der größten Sorgen von Seiten der MitarbeiterInnen, beobachtet die
externe Beratung, wurde das Finden eines Arbeitsplatzes gesehen, dabei
würde aber vom Projekt teilweise zu schnell reagiert, ohne dass die Menschen
Zeit hätten bestimmte Eindrücke setzen zu lassen. Vieles sei eine Sache der
Zeit und die Menschen müssten sich erstmal umgewöhnen, dabei müsste man
auch innerhalb des Projektes Geduld aufbringen, auch wenn es Prozesse eine
Zeit lang stagnieren lässt. Das Umstellen der Arbeitsprozesse damit
verbunden, dass die Personen sich gut kennen müssen.
Innerhalb des Unternehmens werden zu wenig Konflikte ausgetragen, gerade
in der neuen Bürofläche ist es wichtig, Dinge offen anzusprechen, sonst
würde sich nur Frust ausbreiten. Probleme unter den Teppich zu kehren sei
nicht förderlich und ineffizient für den Arbeitserfolg, wie die externe
Beratung anmerkt.
Der Austausch zwischen Führungskräften geschieht viel zu wenig. Dabei ist
der Umgang mit Problemen innerhalb des Projektes als problematisch
85
anzusehen, weil nicht offen geredet werde. Die Führungskräfte untereinander
gestehen sich keine Schwächen ein und stehen in einem
Konkurrenzverhältnis zueinander.
VII.6.Was bedeuten Konflikte für die Organisation?
VII.6.1.Evolutionäre Mechanismen der Organisation
Die komplette Struktur des Unternehmens verändert sich, genauso wie sich
Beziehungen zu KundInnen und anderen Gruppen verändern werden.
Dadurch, dass das Unternehmen neu positioniert wird, reagiert es auf
KundInnenwünsche, die maßgeblich die Struktur eines Unternehmens
beeinflussen. Ohne Kunde hat das Unternehmen kein weiteres Bestehen. Es
zeigt sich eine starke Abhängigkeit vom Markt und den Angeboten der
Konkurrenz. Die Organisationsentwickler sehen es als einen Fortschritt als
Unternehmen einen Angebots-Fokus zu finden, durch diesen eine
Abgrenzung gegenüber der Konkurrenz möglich wird. Durch ein im Moment
noch bestehendes breites Angebot der Bank, wird in viele Sparten Geld
investiert, die am Markt nicht mehr nachgefragt werden.
Man erhofft sich mehr Erfolg mit der Neuausrichtung. Die Neuausrichtung
und die Folgen für die MitarbeiterInnen haben zur Folge, dass das
Unternehmen in Aufruhr ist und die Stimmung kippt. Die negative Stimmung
der Menschen, die sich in Ungewissheit wähnen, die womöglich schon
mehrere Jahrzehnte treu für die Bank gearbeitet haben, drückt auf die
Arbeitsleistung und die Motivation viel und Gutes zu leisten.
Durch die Streichung der Kosten für eine externe Beratung müssen die
Change-MitarbeiterInnen neu überlegen, wie bestimmte Maßnahmen
durchgebracht werden können, und dabei auf externes Wissen verzichten.
Auch wenn sie einen klaren Arbeitsauftrag haben, müssen sie die gleiche
Arbeit, mit einem wichtigen Verzicht vollbringen. Sie haben nicht den Blick
auf die Dinge und die Erfahrungen, wie eine externe Beratung. BeraterInnen
können eine andere Beziehung zum Vorstand aufbauen, als interne
Entwickler, die schon seit Jahrzehnten im Unternehmen arbeiten. Im
86
Gegensatz zu externen BeraterInnen, haben sie auch eine persönliche
Beziehung zum Aufstand, weil dieser zu einem bestimmten Zeitpunkt mal
ihr/e Vorgesetzte/r war oder es womöglich mal wird. Wenn sie ihre Meinung
sagen, dann kann das potenziell negative Folgen haben.
Das Unternehmen muss leistungsfähige MitarbeiterInnen haben, die gut
eingeschult sind. Vielleicht wird das Unternehmen bestimmte Ziele dann
nicht mehr erreichen. Die Kosteneinsparungen haben Einfluss auf die
Ressourcen der MitarbeiterInnen und somit auch auf deren Arbeitsergebnisse.
Mit dem Verzicht auf essentielle Ressourcen kann es bestimmte Prozesse sehr
viel schwieriger machen. Konflikte für eine Firma können einen hohen
Geldverlust bedeuten, wenn die MitarbeiterInnen nicht mehr bereit sind ihre
Leistung zu erbringen, weil sie nicht die Motivation aufbringen und Angst
haben.
Festgefahrene Denkstrukturen von MitarbeiterInnen aufweichen
Auf Sorgen wie sie von den MitarbeiterInnen genannt werden, muss reagiert
werden und sie sollten angesprochen werden, sonst kann eine positive
Arbeitsatmosphäre nicht aufrechterhalten werden. Ebenfalls müssen die
Hintergründe hinter den Maßnahmen des Projekts rational erklärt werden.
Denn Missmut kann sich weiter verbreiten und schadet der Leistung im
gesamten Unternehmen, durch Unzufriedenheit.
Wenn die OE und ihre Maßnahmen nicht ernst oder Maßnahmen nicht in
Anspruch genommen werden, werden die MitarbeiterInnen über kurz oder
lang nicht arbeitsfähig sein. In Folge dessen müssen sowohl die
MitarbeiterInnen als auch die Führungskräfte geschult werden, um den neuen
Arbeits-und Führungsanforderungen gewachsen zu sein. Arbeitsrollen und
Arbeitskonstellationen werden sich verändern. Auf einmal ist ein/eine
KollegIn der Vorgesetzte/r oder man wird seiner Chefposition enthoben und
muss eine niedrigere Rolle einnehmen.
Durch die Hierarchie des Unternehmens, haben sich bestimmte Führungsstile
eingeschlichen, die es für die MitarbeiterInnen schwer macht, eigenständige
87
Entscheidungen zu treffen und dementsprechend zu handeln. Sie müssen sich
nach der nächsthöheren Instanz ausrichten.
Nutzen der Symbiose von Erfahrungen und Neuem
Für viele erscheint es banal die MitarbeiterInnen vorzubereiten, aber es ist
nicht so einfach das Personal der Bank mit hohem Arbeits-und Altersschnitt
in ein neues Konzept einzuführen. Es bestehen viele Widerstände, die
dadurch bearbeitet werden müssen, dass die Menschen durch Tun ihre
Gewohnheiten aufbrechen.
Dadurch, dass sehr lange keine neuen MitarbeiterInnen eingestellt wurden,
wurde das Unternehmen sehr alt, es konnte dadurch eine ganze Generation
nicht aufgenommen werden, was zu der heutigen Altersstruktur führte und
„frisches“ Gedankengut lange gefehlt hat. Durch diese
Generationenunterschiede verändert sich die Gesamtdynamik des
Unternehmens. Gerade in einer Sparphase werden Neueinstellungen massiv
eingeschränkt, bis zu einem „Hiring Freeze“.
Es sind gerade mal 4% unter 30-jährige im Haus, es fehlt eine ganze
Generation. Es wird als sehr nützlich gesehen, mehr junge Menschen, oder
auch digital natives, im Unternehmen zu haben, weil man von ihnen lernen
kann, da die jungen Menschen bereits in der heutigen digitalisierten Welt
aufgewachsen sind, viel versierter damit umgehen können und
dementsprechend dieses Wissen weitergeben. Dem gegenüber können die
ProjektmitarbeiterInnen weitergeben, was sie in der Bank jahrelang an
Erfahrungen gemacht haben. Dadurch kann man Anpassungen machen in
Dingen, die man nur mit dem Wissen der ProjektmitarbeiterInnen nicht
optimal ausführen könnte. Die Interviewten nennen das Reverse Mentoring.
88
Die Unternehmenskultur zwischen Mergern und Fusionen
Die Kommunikation zwischen dem Projekt und den Abteilungen spielt eine
essentielle Rolle. Wenn alle Abteilungen der Bank im Open Space sind,
werden sie mehr miteinander kommunizieren zu müssen. Dabei treffen
verschiedenste (Arbeits-) Kulturen aufeinander.
In der Bank ist die Unternehmenskultur ein wichtiges Thema, da sie aus
vielen Teilbetrieben, und aus Fusionen und Mergern, entstanden ist. Jeder
dieser Teilbetriebe bringt seine eigene Kultur mit und die gilt es zu
integrieren. Gerade bei solchen Situationen wie Umstrukturierungen kommen
dann die Facetten der Teilbereiche wieder heraus und müssen aber
funktionierend in einem Raum arbeiten. Hinzu kommen „die Italiener“, die
momentan durch den Wechsel des CEO im Haus sind und
Führungspositionen übernommen haben, und dementsprechend auch einen
Führungsstil leben, der der österreichischen Unternehmenskultur nicht
entspricht. Mitunter auch ein Grund warum manche OE Mitarbeiter das
Unternehmen verlassen wollen.
Inzwischen glauben 85% der amerikanischen Topmanager, dass Probleme im
Personalbereich einen größeren Einfluss auf den Akquisitionserfolg haben,
als Probleme des Finanzsektors (vgl. Hubbard 1999, S.16). Dies bedeutet,
dass Unternehmenszusammenschlüsse nur dann auch Erfolg haben, wenn die
MitarbeiterInnen die getroffenen Entscheidungen und die neuen KollegInnen
akzeptieren. Im Rahmen von Akquisitionen treffen nun verschiedene
Kulturen aufeinander, in denen verschiedene Netzwerke nach ihren eigenen
Regeln funktionieren. Dabei spielen Hierarchien und
Entscheidungsspielräume eine wichtige Rolle. Spannend wird es dann, wenn
ein sehr hierarchisches System auf ein System mit flachen Hierarchien trifft,
wie es jetzt etabliert werden soll. Zu beobachten ist, dass das Fremde Andere
als ein externer Störfaktor wahrgenommen wird und die eigene Kultur als
überlegen. Eine Unternehmenskultur stellt den Charakter eines
Unternehmens und stellt eine Unterscheidung zu anderen Unternehmen dar
(vgl. Picot 2005, S.450f). Als Unternehmenskultur wird in der soziologischen
Literatur bezeichnet: „[…] sämtliche, kollektiv, geteilten, impliziten oder
89
expliziten Verhaltensnormen, Verhaltensmuster, Verhaltensäußerungen und
Verhaltensresultate, die von Mitgliedern eines sozialen Systems erlernt und
mittels Symbolen von Generation zu Generation weitervermittelt werden“
(Keller 1982, S.18ff).
Eine Unternehmenskultur besteht aus sichtbaren und unsichtbaren
Elementen. Die sichtbaren Teile sind, wie bei einem Eisberg, oberhalb der
Oberfläche sichtbar, während sich unterhalb der Oberfläche, Teile des
Ganzen befinden, die jenes, das sich oberhalb befindet, maßgeblich
beeinflussen. So finden sich in einer Unternehmenskultur bestimmte Rituale,
Symbole, Sprachen und Tabus. Dieses Traditionsverhalten kann aber auch zu
einer Schwäche werden, wenn sich schnelle, technische und ökonomische
Veränderungen ergeben und neue Handlungsmuster gefragt sind. Gerade
durch eine lange Geschichte eines Unternehmens und auch gemeinsamen
erfolgreichen Handeln festigen sich bestimmte Verhaltensstrukturen, weil sie
sich bewährt haben (vgl. Picot 2005, S:451ff).
Unternehmen haben bestimmte Funktionen:
Sie haben eine Orientierungs-und Koordinierungsfunktion
Sie prägen den Führungsstil und das Zusammenarbeiten der
MitarbeiterInnen und das gegenseitige Vertrauen
Gemeinsame Wertvorstellungen prägt auch die Identifikation der
MitarbeiterInnen und stärkt ein Wir-Gefühl und die Sinngebung der
Arbeit (vgl. Picot 2005, S.451ff).
Bei der Akquisition eines Unternehmens, müssen die landesspezifischen
Besonderheiten des Neuerwerbs mitgedacht werden und auf einen Nenner
gebracht werden.
Wie bereits erwähnt, bedeutet eine Umstrukturierung Widerstand bei den
MitarbeiterInnen, in dem auch Erwartungen der MitarbeiterInnen an ihren
Arbeitgeber, gebrochen werden. Es wurde bei Antritt in das Unternehmen ein
„Sozialkontrakt“ abgeschlossen, der durch die genannten Veränderungen
gebrochen wurde. In einer inneren Verhandlung dieses Sozialkontraktes
entscheidet der und die Einzelne für sich selbst, ob sie oder er sich mit den
90
Veränderungen abfinden oder ob sie beschließen das Unternehmen zu
verlassen (vgl. ebd, S.466f).
Konsequenzen von Remote Work
Eine 20%ige Remote Work-Auslastung ist fragwürdig, da die Menschen zu
Hause oder an einem anderen Ort womöglich nicht die Motivation und
Leistung aufbringen als in einem Büro, in dem die KollegInnen genauso
arbeiten müssen. Es wird sich zeigen und kann auch noch nicht beantwortet
werden, ob und inwiefern die Leistung des Unternehmens gleich bleibt,
schlechter wird oder steigt.
Neue Arbeitsverhältnisse erfordern neue Führungs – und
Steuerungskonzeptionen
Es gibt einen Wandel der Führung. Die Hierarchien verflachen und der Status
ist nicht mehr der gleiche. Der Status einen eigenen Raum zu haben, getrennt
von den anderen, beschäftigt viele sehr. Man sitzt im gleichen Raum wie seine
MitarbeiterInnen, die Führungskraft wird sichtbar für ihre MitarbeiterInnen
und prinzipiell ansprechbar. Das Podest der Abgrenzung von seinen
MitarbeiterInnen gibt es nicht mehr.
Hinzu kommt, dass die Führungskräfte zum Teil nicht überzeugt sind von
dem neuen Konzept, dies aber an ihre MitarbeiterInnen positiv vermitteln
müssen. Das ist bei der Umsetzung hinderlich. Das Thema des Einzelbüros,
ist ein großes, da es jahrzehntelang für Führungskräfte als eine
Selbstverständlichkeit angesehen wurde. Das Büro ist Ausdruck davon wie
eine Firma sie wertschätzt und symbolisiert die Wichtigkeit für die Firma.
Das Büro ist im Gegensatz zum Gehalt sichtbar für andere und ist wichtig für
die Außendarstellung.
Im Sinne der Arbeitgeberattraktivität werden sich BewerberInnen
entscheiden sich zu bewerben, die diesen Führungsstil bevorzugen. Für die
Führungskraft kann es einen negativen Effekt haben, da sie womöglich seit
91
mehreren Jahrzehnten im Unternehmen arbeiten und sich komplett auf einen
neuen Führungsstil umgewöhnen müssen.
Darüber hinaus, müssen die MitarbeiterInnen in ihrer Arbeitsweise
selbstständiger werden selbstbestimmter, und eigenverantwortlicher. Die
Beziehung zwischen Führungskraft und MitarbeiterIn wird sich in Bezug auf
Kommunikation, Kontrolle und Vertrauen, ändern. Es besteht eine
Diskrepanz von Nähe und Distanz. Da zum einen ein Führungsstil von der
Ferne wegen Remote Work möglich sein muss, aber auch ausgehalten werden
muss, dass man im gleichen Raum arbeitet.
Die Zukunft der Bank wird als gefährdet erachtet, aus diesem Grund muss
sich das Geschäftsmodell der Banken grundlegend ändern. In Folge einer
Verschlankung der angebotenen Produkte, sollte ein Fokus auf wenige
spezialisierte Produkte vollzogen werden.
VII.7.Welche Entwicklungsmöglichkeiten lassen sich
identifizieren?
Aufprall der Generationen als Innovationskatalysator
Alte und junge MitarbeiterInnen können in der Zusammenarbeit voneinander
lernen. Man sollte die älteren MitarbeiterInnen in diesem Change-Prozess
nicht als Hindernis sehen, sondern ihr Wissen und ihre Erfahrungen nutzen
um voranzukommen und vielleicht Fehler zu vermeiden, die in der
Vergangenheit passiert sind. Erfahrene, ältere MitarbeiterInnen nehmen eine
beratende Position ein, in dem sie auf Risiken hinweisen und das Konzept
kritisch betrachten. Es muss besondere Rücksicht auf langjährige
MitarbeiterInnen genommen werden, da diese sich gerne Sonderrechte
herausnehmen. Im Vergleich zwischen alter Arbeitswelt und neuer
Arbeitswelt sollte ein Reflexionsprozess stattfinden, der eine Anpassung
zulässt.
Der „Aufprall“ zwischen Jung und Alt ist ein Innovationskatalysator. Dies ist
auch ein Ziel der Umstrukturierung im Sinne der Arbeitgeberattraktivität:
92
Offen sein für Diversität und Kommunikation. Denn das zieht junge, gut
ausgebildete Menschen an. Das Unternehmen kann in einer sich wandelnden
Welt „da draußen“ nicht stehenbleiben, ohne sich weiterzuentwickeln. Es
muss sich den Veränderungen „draußen“ stellen um überlebensfähig zu sein,
um mit dem Markt mithalten zu können. Das stellt eine Abhängigkeit vom
Markt und seinen Trendentwicklungen dar.
In einer Umstrukturierung kann man die Leute nicht allein lassen, sondern
muss ihnen zeigen, wie sie neue Dinge besser praktizieren und verstehen
können. Dabei kann es helfen seine eigenen Gewohnheiten zu reflektieren
und diese mit den KollegInnen zu vergleichen. Der soziale Austausch soll
dabei noch mehr motivieren und daraus keinen isolierten Einzelprozess
machen. Die Vertrauensperson sollte die Organisationsentwicklung und
deren Netzwerke aus Multiplikatoren und Führungskräften nutzen, um die
Instrumente an die MitarbeiterInnen persönlich weiterzugeben. Das Projekt
steht dabei helfend zur Verfügung, um den Lernprozess zu fördern, es möchte
die Leute nicht allein lassen. Um die Meinung anderer wahrzunehmen, sollte
sich ein sozialer Lernprozess entwickeln.
VII.7.1.Projektorganisation
Die Rolle der MultiplikatorInnen
Multiplikatoren spielen für das Gelingen des Projektes eine essentielle Rolle
dar. Zu Beginn des Projektes wurde unternehmensintern gefragt, welche
MitarbeiterInnen neben ihrer Tätigkeit eine Doppelrolle einnehmen wollen,
um als Schnittstelle zwischen Projekt, MitarbeiterInnen und Führungskräften
der eigenen Abteilung zu fungieren. Aus den Freiwilligen wurden von den
Führungskräften die geeignetsten Multiplikatoren ausgewählt. Mit ihnen
werden regelmäßig Vernetzungstreffen veranstaltet, um Informationen über
das Projekt zu vermitteln. Sie dienen als wichtige AnsprechpartnerInnen für
ihre KollegInnen. Dabei sollten Führungskräfte-Netzwerke früher und
intensiver initiiert werden und häufiger stattfinden.
93
Dadurch, dass die ProjektmitarbeiterInnen den MitarbeiterInnen räumlich
und persönlich nicht nah sein können aufgrund der Größe des Unternehmens,
gibt es die Netzwerke, die in persönlichen Kontakt zu den MitarbeiterInnen
stehen und diese einweisen.
Es ist auch wichtig für MitarbeiterInnen, dass sich ihrer jemand annimmt,
dass diese Rolle jemand innehat, den sie gut kennen und der oder die sich die
Mühe macht, sich deren Gedanken und Sorgen lösungsorientiert zu
bearbeiten.
Bei der Auswahl der Multiplikatoren wurde darauf geachtet, dass diese sozial
kompetent sind, gut vernetzt und eine gute Beziehung zu KollegInnen aus der
eigenen Abteilung haben. Dabei ist es wichtig, dass sie motivierend wirken,
eine positive und charismatische Ausstrahlung haben und hinter dem Projekt
stehen. Zu ihren Eigenschaften zählt auch, Menschen anzuleiten, zu führen
und Dinge gut vermitteln zu können. Der Hintergrund von den Multiplikator-
Netzwerken ist es, dass es für Change-Projekt-MitarbeiterInnen nicht
möglich ist, alle 5000 Personen in der Organisation zu erreichen. So kann
doch ein persönlicherer Zugang zu MitarbeiterInnen gefunden werden und
eine engere Begleitung. Zum Teil haben auch Führungskräfte eine
Doppelrolle als MultiplikatorIn inne.
Die bereits erläuterte Roadmap dient zur Strukturierung, Anleitung, aber auch
Vereinfachung der Kommunikation für alle Beteiligten.
Die Wichtigkeit der internen Kommunikation
Es werden regelmäßig Führungen durch den Campino, das Pilotprojekt,
gegeben, so dass die MitarbeiterInnen sich einen Eindruck verschaffen
können. Dabei wird auch spielerisch vorgegangen um die technischen Mittel
und die Module kennenzulernen. Durch den direkten Kontakt und der
Wissensvermittlung über die Bürolandschaft, werden auch sofort Emotionen,
Sorgen und Fragen von den MitarbeiterInnen aufgenommen, die vom
Change-Team beantwortet werden können. Dadurch entsteht auch für die
Organisationsentwicklung ein erstes Stimmungsbild und wichtige
Erfahrungswerte, auf die man in der weiteren Vorlaufszeit des Projektes
weiter eingehen sollte, sofern dies der Rahmen zulässt. Mit Rahmen ist
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gemeint, dass nicht auf alle Bedürfnisse der MitarbeiterInnen eingegangen
werden kann, weil bestimmte Richtlinien eingehalten werden müssen, die mit
den Kosten und dem Konzept zusammenhängen.
Die MitarbeiterInnen im Testbüro schreiben regelmäßig im Intranet einen
Blog über ihre Erfahrungen im Pilotbetrieb, und Tipps zur Nutzung der
Bürofläche, welche zur Zielgruppe vorrangig die MitarbeiterInnen aus der
„alten“ Arbeitswelt hat.
Als eine weitere Form der Kommunikation gibt es Workshops und Trainings
für MitarbeiterInnen, die man eher zu den AblehnerInnen und jene, die den
ZusagerInnen zuzuordnen sind. Dieses Zusammenkommen soll begünstigend
wirken, da es eine Möglichkeit darstellt, über den individuellen Horizont
hinaus, andere Perspektiven zu hören und diese auszudiskutieren. Die
ZusagerInnen sollen die AblehnerInnen positiv beeinflussen. Das Projekt
wird somit sichtbar und es werden Informationen vermittelt, um der Thematik
die Mystik zu nehmen. Bei den Führungen durch den Pilotbetrieb, werden
auch Tatsachen klar angesprochen, die Menschen wissen was auf sie
zukommen wird und dass sie sich anpassen müssen. Dabei steht es ihnen frei
die Hilfe, die zur Verfügung gestellt wird, anzunehmen. Wenn nicht, dann
müssen sie auf einem anderen Wege versuchen, sich die neuen Dinge
anzueignen oder das Unternehmen verlassen. Durch persönliche Kontakte
soll jedoch größtmöglich Einfluss darauf genommen werden. Sämtliche
Illusionen, wie großflächige Änderungen auf Wunsch der MitarbeiterInnen
werden gleich ausgeräumt. Der Umgang mit jenen die zweifeln ist recht direkt
und konfrontativ. Es wird die Chance ermöglicht teilzuhaben und Ideen