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LICHT MACHEN
zukunftforschung
MAGAZIN FR WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG DER UNIVERSITT
INNSBRUCK
Ausgabe 01|15 thema: licht | wasserbau: perfekte welle | chemie:
marker blattgrn | gebirge: leben im extremen | informatik: green it
| volkswirtschaft: vertrauensgter | musik: gustav mahler |
psychologie: spiele mit handlung | biologie: plattwrmer
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zukunft forschung 01/15 3Foto: Uni Innsbruck
EDITORIAL
D ie Vereinten Nationen haben 2015 zum Internationalen Jahr des
Lichts und der lichtbasierten Technologien er-klrt. Es soll an die
Bedeutung von Licht als elemen-tare Lebensvoraussetzung fr
Menschen, Tiere und Pflanzen und daher auch als zentraler
Bestandteil von Wissenschaft und Kultur erinnern. Wissenschaftliche
Erkenntnisse ber Licht er-lauben ein besseres Verstndnis des
Kosmos, fhren zu besse-ren Behandlungsmglichkeiten in der Medizin
und zu neuen Kommunikationsmitteln. Wesentliche Beitrge dazu
leisten auch Forscherinnen und Forscher an unserer Universitt. Im
Themenschwerpunkt dieser Ausgabe stellen wir Ihnen einige von ihnen
persnlich vor. Daneben finden Sie in dieser Ausga-be wieder
zahlreiche Berichte ber aktuelle Forschungsarbeiten aus den
unterschiedlichen Fachbereichen. Der Bogen spannt sich dabei von
der perfekten Welle, die unsere Bauingenieure fr Wassersportler
planen, ber die Bedeutung von Vertrauen im wirtschaftlichen
Austausch bis hin zu Einblicken in den knstlerischen Arbeitsprozess
des Komponisten Gustav Mahler.
Als eine der forschungsstrksten Universitten sterreichs ist die
Leopold-Franzens-Universitt eine attraktive Partnerin fr
Unternehmen in der Region und darber hinaus. Auf der Ba-sis
aktueller Forschungsergebnisse entwickeln wir gemeinsam innovative
Ideen, aus denen hufig neue Produkte und Dienst-leistungen
entstehen. Dank dieses erfolgreichen Netzwerkes haben wir allein in
den vergangenen drei Jahren insgesamt 19
Stiftungsprofessuren eingerichtet und gezielt Schwerpunkte in
Forschung und Lehre gesetzt. Untersttzt werden wir dabei unter
anderem von international erfolgreichen Unternehmen wie Infineon
und MED-EL sowie Stiftungen, Sozialpartnern und den Lndern Tirol,
Vorarlberg und Sdtirol. In einer Zeit knapper werdender ffentlicher
Mittel sind wir auf diese Zu-sammenarbeit besonderes angewiesen, um
im internationa-len Wettbewerb mithalten zu knnen. Dass uns dies
gelingt, unterstreichen aktuelle Hochschulrankings. So gehrt die
Universitt Innsbruck im diesjhrigen, von der EU initiierten
U-Multirank wieder zu den sterreichischen Hochschulen mit den
meisten Hchstnoten. In 14 Bereichen wurden unsere Leistungen mit
der Bestnote A bewertet, was eine Steigerung gegenber dem Vorjahr
bedeutet.
Wir wnschen Ihnen viel Freude bei der Lektre dieser Aus-gabe und
freuen uns ber Ihre Fragen und Anregungen!
TILMANN MRK, REKTOR SABINE SCHINDLER, VIZEREKTORIN FR
FORSCHUNG
IMPRESSUMHerausgeber & Medieninhaber:
Leopold-Franzens-Universitt Innsbruck, Christoph-Probst-Platz,
Innrain 52, 6020 Innsbruck, www.uibk.ac.at Projektleitung: Bro fr
ffentlichkeitsarbeit und Kulturservice Mag. Uwe Steger (us), Dr.
Christian Flatz (cf); [email protected]: KULTIG
Corporate Publishing Koch & Partner KG, Maria-Theresien-Strae
21, 6020 Inns bruck, www.kultig.at Redaktion: Mag. Melanie Bartos
(mb), Dr. Florian Becke (fb), Mag. Eva Fessler (ef), Mag. Andreas
Hauser (ah), Mag. Stefan Hohenwarter (sh), Daniela Pmpel, MA (dp),
Mag. Susanne Rck (sr) Layout & Bildbearbeitung: Florian Koch,
Madeleine Gabl Fotos: Andreas Friedle, Universitt Innsbruck Druck:
Gutenberg, 4021 Linz
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,
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zukunft forschung 01/154
BILD DERWISSENSCHAFT
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zukunft forschung 01/15 5Fotos: Andreas Friedle (2), Paul Illmer
(1); COVERFOTO: Andreas Friedle; BILD DER WISSENSCHAFT: Benjamin W.
Partan
INHALT
Bereis oder Zackenfirn manchmal meterhohe Schnee- und
Eis-pyramiden entstehen in tropischen Hochgebirgen, wie hier in den
chi-lenischen Anden. Mit Untersttzung der National Geographic
Society haben Forscher um Lindsey Nicholson (im Bild)
Xbox-Kinect-Sensoren als gnstige Oberflchenscanner eingesetzt, um
diese Eis formationen
whrend der Schmelzperiode zu beobachten. Gemeinsam mit den
me-teorologischen Daten der Wetterstation am Tapado-Gletscher
sollen die gewonnenen Oberflchenmodelle dabei helfen, den Einfluss
von Bereis auf die Schmelzwasser-Menge eines Gletschers besser zu
ver-stehen.
TITELTHEMA PHYSIK. Gregor Weihs arbeitet an neuartigen
Lichtquellen, die Quanteninformationen effizienter bertragen knnen.
8
THEOLOGIE. Roman Siebenrock ber das Symbol Licht und die Kerze
als Metapher fr das Erhellen der menschlichen Existenz 12
ARCHITEKTUR. Der Einfluss des Lichts prgt die knstlerischen und
wissenschaftlichen Arbeiten von Gabriela Seifert. 14
TECHNIK. Bauingenieure um Rainer Pfluger arbeiten an einer
effizienten Nutzung von natrlichem Licht in Gebuden. 16
CHEMIE. Mithilfe des Sonnenlichts suchen Innsbrucker Chemiker
nach einem Weg zur Herstellung von Wasserstoff. 18
FORSCHUNGSTANDORT. Der Tiroler Lichtpionier Christian Bartenbach
ber die Bedeutung der Visualitt fr die Architektur. 22
WASSERBAU. Wissenschaftler rund um Markus Aufleger wollen
perfekte stehende Flusswelle verwirklichen. 26
MUSIKWISSENSCHAFT. Eine neu entdeckte Handschrift erffnet
Milijana Pavlovic Einblicke in Gustav Mahlers Arbeiten. 28
INFORMATIK. Leistungsfhigere Computer brauchen immer mehr
Energie. Thomas Fahringer will das in den Griff bekommen. 32
PSYCHOLOGIE. Erzhlerische Elemente wirken sich positiv auf die
Befriedigung psychologischer Grundbedrfnisse aus. 35
WIRTSCHAFT. Der experimentelle konom Loukas Balafoutas
untersucht, wen Athener Taxifahrer wie bers Ohr hauen. 36
BIOLOGIE. Bernhard Egger bringt Licht in den Stammbaum und die
Verwandtschaftsverhltnisse von Plattwrmern. 40
CHEMIE. Mit Abbauprodukten des Blattgrns will Bernhard Krutler
schdliche Mikroorganismen nachweisen. 41
EDITORIAL/IMPRESSUM 3 | BILD DER WISSENSCHAFT: BSSEREIS IN DEN
ANDEN 4 | NEUBERUFUNG: SUSANNE ZEILINGER-MIGSICH 6 | FUNDGRUBE
VERGANGEN HEIT: HLZERNE
KRISTALLMODELLE 7 | BILDGLOSSAR: ERDATMOSPHRE STUDIEREN 20 |
MELDUNGEN 24 + 34 | WISSENSTRANSFER: ZERVIXKARZINOM-FRHERKENNUNG 30
| CAST 40 | PREISE &
AUSZEICHNUNGEN 46 | ZWISCHENSTOPP: HEEOK HEO 48 | SPRUNGBRETT
INNSBRUCK: WALTER SALZBURGER 49 | ZAHLEN & FAKTEN:
RECHTSWISSENSCHAFTLICHE FAKULTT 50
RUBRIKEN
TITELTHEMA. Das Jahr 2015 wurde von der UNO zum Internationalen
Jahr des Lichts und der licht-basierten Technologien ausgerufen.
Grund genug fr ZUKUNFT FORSCHUNG, diesem leuchtenden Thema an der
Uni Innsbruck nachzugehen.
INTERVIEW. Seine leuchtenden Anfnge liegen an der Uni Innsbruck,
er arbeitete viel mit heimischen Psychologen und will mehr
Tageslicht in der Archi-tektur der Lichtpionier Christian
Bartenbach.
GEBIRGSFORSCHUNG. Im Hochgebirge herrschen extreme Bedingungen.
Was dort zu leben vermag, erforschen Innsbrucker Wissenschaftler in
einem interdisziplinren Umfeld.
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zukunft forschung 01/156 Foto: Andreas Friedle
NEUBERUFUNG
INNERE WERTESusanne Zeilinger-Migsich beschftigt sich mit
molekularen Mechanismen in mykoparasitischen
Schimmelpilzen, die als biologisches Pflanzenschutzmittel
eingesetzt werden.
S chimmelpilzen eilt ein schlechter Ruf voraus. Oft zu Unrecht,
wie die Mikrobiologin Susanne Zeilin-ger-Migsich betont: Sie sind
essenziell fr ein funktionierendes kosystem und bringen viele
hilfreiche Eigenschaften fr unser alltgliches Leben mit sich.
Bereits seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Lauf-bahn beschftigt
sich die Forscherin mit Trichoderma, einer weltweit verbreiteten
Gattung von Schimmelpilzen. Whrend einige Arten dazu in der Lage
sind, sehr effizient Holz abzubauen und zur in-dustriellen
Herstellung von Cellulasen herangezogen werden, verfgen andere ber
sogenannte mykoparasitische Ei-genschaften. Jene Trichoderma-Arten,
die mich besonders interessieren, befal-len pflanzenschdigende
Pilze und t-ten sie, erklrt Zeilinger-Migsich. Das macht sie
interessant fr einen Einsatz als biologische Pflanzenschutzmittel.
Ziel der Forscherin ist es, die Funktionswei-se des
Mykoparasitismus zu verstehen und jenen Mechanismus zu klren, der
die Trichoderma ihre bevorzugten Wirte finden lsst.
Die Auswahl der Opfer treffen Tricho-derma-Mykoparasiten nicht
willkrlich. Einige Arten werden parasitiert, andere
nicht: Hier handelt es sich um eine spe-zifische Erkennung, der
eine gewisse Art von Kommunikation zwischen den betei-ligten Pilzen
zu Grunde liegt, verdeutli-cht die Mikrobiologin.
Kommunizierende PilzeUm die Mechanismen hinter dieser
Kom-munikation und Erkennung zu erfor-schen, blickt
Zeilinger-Migsich in das In-nere der Pilze und arbeitet auf
moleku-larer Ebene. Die Schimmelpilze verfgen ber Rezeptoren in
Form von Membran-Proteinen an ihren Zelloberflchen, mit denen sie
ihre Umwelt erkennen knnen. Die Identifikation dieser Rezeptoren
und die Interpretation der zellulren Antwor-ten in den Pilzen
whrend des Angriffs auf den Wirt sind einige meiner zentralen
Forschungsfragen. Die Forscherin mch-
te die bisher kaum verstandenen intrazel-lulren Vorgnge
beleuchten, um viele bereits bekannte Eigenschaften der
Tricho-derma-Pilze berhaupt erst erklren zu knnen. Lohnend ist
dieser Blick ins De-tail nicht nur aufgrund des Einsatzes als
umweltschonendes Pflanzenschutzmittel. Schimmelpilze stellen auch
eine reichhal-tige Quelle fr Gene dar, die im Bereich der
Entwicklung von Enzymen und Anti-biotika zur Anwendung kommen. Je
bes-ser wir ein System verstehen, desto ge-zielter kann es
eingesetzt werden auch ohne gentechnische Vernderungen, ist die
Mikrobiologin berzeugt. Hier sieht Susanne Zeilinger-Migsich knftig
viele Anknpfungspunkte zu Arbeiten der neu-en Kolleginnen und
Kollegen an der Inns-brucker biologischen Fakultt und dem Institut
fr Mikrobiologie. mb
SUSANNE ZEILINGER-MIGSICH, geboren 1969, studierte an der
Universitt Wien Mikrobiologie und Genetik. Nach ihrer Promotion im
Jahre 1995 engagierte sie sich erfolgreich in der molekularen
Pilzforschung und der Etablierung einer eigenen Arbeits-gruppe auf
dem Gebiet der mykoparasitischen Pilz-Pilz-Interaktion an der
Technischen Universitt Wien. 2013 folgte die Habilitation. Als
Leiterin der Projektgruppe Molekulare Biochemie der Pilze ist sie
der TU Wien auch gegenwrtig noch verbunden. Im Mrz 2015 folgte
Zeilinger-Migsich dem Ruf an die Universitt Innsbruck, wo sie am
Institut fr Mikrobiologie den Forschungsbereich fr Mykologie
leitet.
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zukunft forschung 01/15 7Fotos: Andreas Friedle (4), Uni
Innsbruck/Forschungsinstitut Brenner-Archiv (1)
FUNDGRUBE VERGANGENHEIT
REGELMSSIGE SCHAUKLTZCHEN
Die historische Sammlung von Kristallmodellen am Institut fr
Mineralogie geht auf den Geologen und Schriftsteller Adolf Pichler
zurck.
D er gelernte Tiroler denkt bei Kris-tallen an zweierlei an den
Berg-kristall und an Swarovski. Doch natrliche und knstliche
Edelsteine sind nur ein geringer wenn auch schner Bestandteil der
kristallinen Welt: Etwa 98 Prozent der Materie auf unserer Erde
be-steht aus Kristallen. Ein kleiner Teil davon verbirgt sich in
Form von Modellen in 22 Schubladen eines alten Schranks am
Insti-tut fr Mineralogie und Petrographie der Uni Innsbruck, 908
wenige Zentimeter groe Kltzchen aus Birnen- oder Linden-holz, aus
Gips oder aus Glas, nummeriert und genau bezettelt.
Zum Angreifen im UnterrichtBegonnen wurde die Sammlung von Adolf
Pichler, dem ersten Ordinarius am damaligen Institut fr Mineralogie
und Geognosie, wei Institutsvorstand Richard Tessadri. Und Volker
Kahlenberg, Leiter der Arbeitsgruppe fr angewandte Mineralogie und
Kristallographie, er-gnzt: Die Modelle wurden alle hndisch und
uerst przise gemacht. Diese Maarbeit leistete die heute noch
exi-stierende Firma Dr. F. Krantz, Rhei-nisches Mineralien-Kontor
Ende des 19. Jahrhunderts. Pichler und seine Nachfol-ger setzten
die Modelle im Unterricht ein, sagt Tessadri. Den Studenten
konn-ten die Formen und Symmetrien der Kris-talle damit anschaulich
nahegebracht werden, was fr Kahlenberg auch heute noch wichtig ist:
Studenten sollen Kris-talle im wahrsten Sinne des Wortes be-greifen
knnen. Dass er die wertvollen Holzmodelle in den Unterricht
mitnahm, habe ich ungern gesehen, lacht Tessa-dri. Schler der HTL
Fulpmes haben des-halb acht Stze zu je 50 Aluminium-Mo-dellen neu
angefertigt, damit auch im Computerzeitalter Studenten Kristalle
zum Angreifen haben. ah
ADOLF PICHLER (* 1819 in Kufstein) studierte in Wien Me-dizin,
bettigte sich aber schon in dieser Zeit als Schriftsteller und nahm
1848 an den Stu-dentenerhebungen in Wien teil. 1851 wurde er
Gymnasiallehrer in Innsbruck, in seiner Freizeit wandte er sich der
Geologie und Mineralogie zu. Seine uni-versitre Karriere begann
1867, als er zum ersten ordentlichen Professor fr Mineralogie und
Geognosie an der Uni Inns-bruck ernannt wurde. Er betrieb als einer
der ersten Alpengeo-logen penible Grundlagenfor-schung und
untersuchte Tirol erstmals systematisch mit dem Geologenhammer.
Bekanntheit erreichte er aber vor allem durch sein heute
vergessenes schriftstellerisches Werk. Pichler emeritierte 1890, er
starb am 15. November 1900 in Innsbruck. Schon 1909 wurde ihm in
Innsbruck am heutigen Adolf-Pichler-Platz ein Denkmal
errichtet.
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zukunft forschung 01/158 Foto: Andreas Friedle8 zukunft
forschung 01/15
DER PHOTONENMACHERDer Experimentalphysiker Gregor Weihs arbeitet
mit seiner Forschungsgruppe an
neuartigen Lichtquellen, die mit einzelnen Photonen und
verschrnkten Photonenpaaren Quanteninformationen effizienter und
kontrollierter bertragen knnen.
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zukunft forschung 01/15 99zukunft forschung 01/15
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zukunft forschung 01/1510 Fotos: Andreas Friedle (2), Rolf Horn
(1), IQC (1)
TITELTHEMA
M it einem Klempner kommt Gre-gor Weihs wohl auf keinen gr-nen
Zweig, beschreibt er sein For-schungsziel doch mit dem Alptraum des
Handwerkers: Wie ein tropfender Wasser-hahn soll es sein. Doch die
Klempnerzunft muss keine Angst haben, Weihs lernt nicht das
Handwerk seines Grovaters, Onkels und Cousins, er lehrt Physik an
der Univer-sitt Innsbruck und erforscht am Institut fr
Experimentalphysik die Welt der Photonen, der Lichtteilchen.
Wir wollen neuartige Lichtquellen fr Photonen und verschrnkte
Photonenpaare konstruieren, die bei Anwendungen, die in den letzten
zehn, zwanzig Jahren in der Quantenoptik entwickelt wurden, zum
Ein-
satz kommen, sagt Weihs. Klas-sische Lichtquellen wie auch der
La-ser seien fr diese Anforderungen zu unsauber, sprich unregelmig,
so Weihs, verschicken sie doch Licht-teilchen vergleichbar mit
Regentrop-fen, die auf eine offene Hand fallen: einer hier, ein
anderer dort, einer
jetzt und ein anderer spter. Ein Horror fr Przision gewohnte
Forscher, die Quantenop-tik-Anwendungen zum Beispiel fr die
Quan-tenkryptografie oder etwa einen potenziellen Quantencomputer
einsetzen wollen.
Alice & BobDie Kryptografie, die Verschlsselung von
Informationen, ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit und
ebenso alt sind die Ver-suche, verschlsselte Botschaften zu
knacken. Kein Wunder also, dass immer wieder der perfekte Code
gesucht wird mit Hilfe der
Quantenmechanik wurde er gefunden. Alice schickt Bob die
Synonyme fr Sender und Empfnger den Schlssel, um Botschaften zu de
chiffrieren, via Photonen, die in vier mglichen, zufllig gewhlten
Polarisations-zustnden codiert sind. Bob misst die Polarisa-tion
der eintreffenden Photonen ebenfalls nach Zufalls prinzip, ber
Sende- und Empfnger-basis tauschen sich Alice und Bob aus und
er-halten via bereinstimmungen einen Schls-sel. Warum aber kann
dies nicht ausspioniert werden? Weil nach der Heisenbergschen
Unschrfere lation kein Photon gemessen werden kann, ohne gestrt zu
werden. Zudem knnen Photonen nicht ohne betrchtlichen
Informationsverlust kopiert werden. Wichtig ist daher, dass Alice
an Bob nur ein Photon und nicht zwei Photonen mit der gleichen
Po-larisation gleichzeitig schickt es braucht also eine verlssliche
Einphotonenquelle.
Ebenfalls eine verlssliche Quelle bentigt ein Quantencomputer,
zu dessen Realisierung die Verschrnkung von Teilchen als
Vorausset-zung gilt. Zur Erzeugung dieses von Albert Einstein
spukhafte Fernwirkung genannten Phnomens gibt es, berichtet Gregor
Weihs, eine herkmmliche Methode. Man schickt mit einem Laser ein
Photon mit hoher Energie in einen Kristall, wo es zu einem
verschrnkten Paar von Photonen mit niedrigerer Energie aufgespalten
wird. Doch man wei nicht, wann man ein verschrnktes Photonenpaar
erhlt, da die Lichtteilchen in nicht regel-migen Abstnden auf den
Kristall treffen. Zudem bentigt man fr diese Methoden blicherweise
groe Labortische mit kompli-zierten Aufbauten. Beiden dieser
Probleme, der Unregelmigkeit und der Gre der An-
Wir wollen neuartige Lichtquellen fr quantenoptische
Anwendungen konstruieren. Gregor Weihs
LASERLICHT produziert in dem speziell strukturierten Halbleiter
immer neue, ver-schrnkte Photonenpaare.
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zukunft forschung 01/15 11
TITELTHEMA
GREGOR WEIHS, Jahrgang 1971, studierte an seinem Geburtsort
Innsbruck von 1989 bis 1994 Physik. Ab 1995 war er Assistent in der
Arbeitsgrup-pe von Anton Zeilinger, bei dem er auch 1999
dissertierte. Zwischen 2001 und 2005 war Weihs als Post-Doc in
Tokio und Stanford, eher er 2005 als Associate Professor an die
Uni-versity of Waterloo in Kanada wechselte. 2008 wurde Weihs an
die Universitt Innsbruck berufen, wo er am Institut fr
Experimentalphysik die Arbeitsgruppe Photonik leitet. Im Jahr 2010
wurde Weihs mit dem ERC Starting Grant ausgezeichnet.
EINDRUCKSVOLL besttigte Gregor Weihs im Jahr 2014 mit Forschern
der University of Waterloo in Kanada die Richtigkeit der
Quantenmechanik. 1997 hatte Weihs im Rahmen seiner Disserta-tion in
Innsbruck verschrnkte Photonenpaare in einer Distanz von 400 Metern
gemessen und dabei die Korrelationen der Photonen statistisch
nachgewiesen. In Kanada wiederholte er das Experiment mit jeweils
drei verschrnkten Photonen zwei wurden ber Frei-strahlstrecken in
hunderte Meter entfernt stehende Messstationen bertragen, das
dritte wurde am Ort der Photonenquelle gemessen. Echte
Zufallsgeneratoren steuerten den rund eineinhalbstndigen
Messprozess, in dem die Polarisation der drei Photonen parallel
ge-messen wurden. Mit dem Experiment konnten wir die Verschrn-kung
der Photonen statistisch klar nachweisen, sagt Weihs.
lagen, widmet sich der Innsbrucker Weihs mit seiner
Forschungsgruppe sie setzen dabei auf Halbleiterchips und
Quantenpunkte.
MaulwurfshgelEin Quantenpunkt ist eine Ansammlung von Atomen auf
engstem Raum, die sich dadurch wie ein Atom verhalten, erklrt der
Physiker. Hergestellt werden Quantenpunkte, indem ein
Halbleitersubstrat bei sehr hoher Tem-peratur auf einen Wafer aus
einem anderen Halbleitermaterial aufgetragen wird. Als Re-aktion
entstehen auf dem Wafer kleine, maul-wurfshgelartige Inseln mit
einem Durchmes-ser von circa 20 Nanometer und einer Hhe von zehn
Nanometer.
Der Quantenpunkt verhlt sich wie ein Atom. Durch Zufuhr von
Energie springen die Elektronen auf eine grere, weiter auen
liegende Bahn das Elektron ist angeregt. Springt es von diesem
Zustand wieder nach innen, wird ein definierter Energiebetrag
frei-gesetzt und in Form eines Photons emittiert. Der Vorteil von
Quantenpunkten ist ihre Gre. Zudem sind sie am Wafer fest
veran-kert, halten ber Jahre und sind gegenber Atomen schnellere
Photonenemitter, be-schreibt Weihs seine Maulwurfshgel, die er mit
seinem Team in der Zwischenzeit ganz ge-zielt anregen kann. Wir
schicken von der Sei-te einen Laser rein und geben genau die
rich-tige Energie, damit die emittierten Photonen gut genug fr die
Quantenanwendung sind, so Weihs. Alle 14 Nanosekunden trifft der
An-regungslaser auf den Quantenpunkt, Welt-rekord fr eine
Einphotonenquelle mit der besten Unterdrckung von
Mehrphotonen-emissionen, lacht Weihs.
Doch die Innsbrucker Experimentalphysiker geben sich mit der
Einphotonenquelle nicht zufrieden. Wir nutzen die Quantenpunkte
auch, um verschrnkte Photonenpaare herzu-stellen, schildert Weihs.
Mit einer speziellen
Technik wird der Quantenpunkt fast gleichzei-tig zweimal,
sozusagen mit einer berlagerten Anregung, angestoen. Das
Photonenpaar ist so nicht ber die Polarisation, sondern ber die
Zeit verschrnkt, verdeutlicht der For-scher. Eine Verschrnkungsart,
die einen entscheidenden Vorteil birgt. Polarisierte Photonen knnen
nur ber eine bestimmte Dis tanz durch eine Glasfaser bertragen
wer-den. Danach beginnt sich die Polarisation ge-ringfgig zu ndern
und es kommt zu ber-tragungsfehlern. Bei zeitlich verschrnkten
Photonen ist das nicht der Fall, beschreibt Weihs einen weiteren
Vorteil seiner Quanten-punkt-Lichtquelle. Die allerdings auch einen
Nachteil hat: Wir arbeiten dabei mit Tempe-raturen um die vier
Kelvin.
Da die umgerechnet minus 269 Grad Cel-sius nicht unbedingt fr
den Praxiseinsatz tauglich sind, arbeitet Gregor Weihs mit
Kolle-gen aus Deutschland an einer anderen Pho-tonenquelle fr
Raumtemperaturen. Wir wol-len mglichst viele quantenoptische
Funkti-onen auf einen wenige Millimeter groen Chip bringen,
konkretisiert der Wissenschaftler das Vorhaben. Zum Einsatz kommt
dabei ein in Schichten aufgebauter Halbleiterwellenlei-ter, der nur
ein paar Mikrometer breit ist und in dem ein Photon in zwei
verschrnkte Pho-tonen gespalten werden kann. Wir knnen den Laser,
den es dazu braucht, zu dem Wel-lenleiter auf den Chip packen,
stellt Weihs fest. Kontakte am Chip sorgen fr den Strom-anschluss
des Lasers, am Ende des Wellenlei-ters wartet ein Glasfaserkabel
auf das ver-schrnkte Photonenpaar. Einzelne Photonen oder
Photonenpaare knnen wir damit nicht erzeugen, rumt Weihs ein, dass
der Halblei-terwellenleiter kein tropfenden Wasserhahn ist, der
konstant und regelmig Lichtteilchen emittiert: Er kann aber auch fr
Quanten-kryptografie eingesetzt werden, die Methode ist einfach
eine andere. ah
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zukunft forschung 01/1512 Fotos: Andreas Friedle (1), Fotolia
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TITELTHEMA
EIN LICHT ENTZNDEN IN DER NACHT
Die Ur-Erfahrung der Menschen zwischen Tag und Nacht, zwischen
Licht und Dunkelheit gehrt zur Selbsterfahrung des Menschen, etwas
zu verstehen, sagt der Theologe Roman Siebenrock.
ZUKUNFT: Herr Siebenrock, was assoziie-ren Sie als christlicher
Theologe mit dem Thema Licht?ROMAN SIEBENROCK: Natrlich fllt einem
sofort das erste Kapitel der Genesis ein die Welt wurde erschaffen
dadurch, dass Licht geschaffen wurde. Es heit aber auch: Und sie
wird geschaffen im Wort. Das erste ist die Naturmetapher zwischen
Tag und Nacht, zwischen Licht und Dun-kelheit. Die zweite Metapher
des Wortes sagt, dass im Geist etwas erhellt wird, dass der Mensch
etwas versteht, dass ihm ein Licht aufgeht. ZUKUNFT: Was ergibt
sich daraus fr das Christentum?SIEBENROCK: Es ergeben sich zwei
groe Traditionen, die in der Erfahrung zusam-menkommen, dass der
Glaube ein Licht bedeutet, das heit, dass der Glaube die Existenz
des Menschen erhellt und zwar nicht nur sein eigenes Leben, sondern
auch seine Stellung im Kosmos. Insofern gehrt diese Naturmetapher
gleichzeitig zur Selbsterfahrung des Menschen, etwas
zu verstehen, etwas ber sich selbst erhellt zu bekommen. Im
Christentum spielt da-her die griechische Philosophie, die ja in
der Metapher des Lichts die Wahrheit sah, eine groe Rolle. Vor
allem die frhchrist-lichen Kirchenvter, Schriftsteller und
Philosophen sahen eine tiefe Verbindung zwischen der platonischen
Lichtmetapher aus der Dunkelheit der Hhle in die Son-ne und der
Erfahrung, in Christus dem Licht begegnet zu sein. Da verbinden
sich fast unauflslich naturphilosophische, phi-losophische und
biblische Motive. ZUKUNFT: Ein Symbol des Lichts ist die Kerze, die
im Christentum eine groe Rolle spielt.SIEBENROCK: Ein Licht
entznden in der Nacht war in allen kulturellen Traditi-onen eine
Metapher fr das Erhellen der menschlichen Existenz, sie ist also
lter als das Christentum. In der Osternacht und Taufkerze ist es
als Licht Christi die Sym-bolik dafr. Entzndet wird diese Kerze
dafr, dass das Leben den Tod besiegt hat daher sind auch brennende
Lichter auf
den Grbern das Zeichen dafr, dass das Leben nicht ganz erloschen
ist, auch wenn es aus unserer Erfahrung verschwunden ist. Diese
Metaphorik findet man in allen Religionen, berall ist die Kerze ein
Sym-bol fr das Leben, das zwar zerbrechlich, sterblich ist und zu
Ende geht, aber eben nicht ganz zu Ende. Insofern ist die Ker-ze
auch bis in skulare Traditionen bei Katastrophen eine Art von
Erinnerung oder vielleicht auch ein Protest gegen die grte Macht
der Welt den Tod und das Verschwinden.ZUKUNFT: Spielt die Kerze im
Islam auch eine so groe Rolle? SIEBENROCK: Die Kerze nicht, dafr
aber der Unterschied zwischen Tag und Nacht. Der Ramadan und die
Gebetszeiten wer-den nach Tageszeiten und dem Mondjahr geordnet.
Interessant ist, dass Muslime, wenn sie nach Europa kommen, auch
Kerzen auf Grber stellen ebenso, wie ich in Vorarlberg gesehen
habe, Engel und hnliches. Es vermischen sich also Traditionen.
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zukunft forschung 01/15 13
TITELTHEMA
ZUKUNFT: Welche Kraft wohnt dem Sym-bol der Kerze
inne?SIEBENROCK: Eigentlich ist sie ein schwa-ches Symbol. In einem
vllig dunklen Raum wirkt sie ungeheuer stark, sie ndert nicht viel
und doch alles. Eine zweite Kerze erhellt um ein Vielfaches,
gegenber tausend Kerzen macht Kerze tausendundeins aber keinen
Unterschied mehr. Insofern ist das Licht der Kerze ein schwaches
Symbol. Dem gegenber ist
bei Katastrophen oder Krieg Licht eine vernichtende Gre Licht
ist ja nicht nur lebensspendend, sondern im Feuer, heute wrde man
sagen im Atompilz, eine Me-tapher der totalen Vernichtung. ZUKUNFT:
Wie wirkt sich diese schwache Bedeutung in der Praxis, z.B. in der
Oster-liturgie aus?SIEBENROCK: Das Licht ist in der christ-lichen
Tradition auch ein Symbol fr die Schwche Christi. Er hat nicht mit
dem Streitross, sondern mit dem Esel, nicht mit dem Schwert,
sondern mit dem offe-nen Herzen den Tod besiegt. Dementspre-chend
muss das Symbol, um adquat zu sein, schwach sein. Die christliche
Sym-bolik versucht nun, mit einem schwachen Zeichen die Bedeutung
Jesu zu zeigen. Daher kann man die Osternacht nicht mit totaler
Beleuchtung gestalten. Bei uns in der Jesuitenkirche beginnt sie um
fnf Uhr frh, es ist dabei ganz dunkel. Jeder geht mit seiner Kerze
in die Kirche und hrt mit ihr die Lesungen. Erst beim Gloria wird
der ganze Kirchenraum in
Licht getaucht, mit Orgel und Glocke und allem, was Fanfaren
hergeben. ZUKUNFT: Dieses Wachsen des Lichts spielt aber nicht nur
im Christentum eine Rolle?SIEBENROCK: Viele Religionen haben
Li-turgien und Riten, die durch die Nacht in die aufgehende Sonne
hinein gehen. Viele Menschen sagen auch, dass eine Liturgie in die
aufgehende Sonne von einer unbe-schreiblichen, berhrenden Intensitt
ist daher gehren Nachtwachen und durch-
wachte Nchte fast zum Repertoire jeder religisen
Initiation.ZUKUNFT: Sie haben eingangs die Be-deutung des Lichts
als Metaphorik des Geistes, des Verstehens erwhntSIEBENROCK: und
somit auch der Auf-klrung. Aufklrung heit ja illuminare,
erleuchten. Die aletheia die Wahrheit ist, wie Martin Heidegger
vielleicht nicht ganz philologisch, aber philosophisch richtig
gesagt hat, die Unverborgenheit etwas von der Dunkelheit ins Licht
brin-gen. Und das ist Wissenschaft, sie ist die Erhellung von
scheinbar unvernnftigem Durcheinander. Etwas zu verstehen heit,
etwas mit einer bestimmten Theorie, also Schau, zu deuten.
ZUKUNFT: Licht also als Symbol fr Er-kenntnis?SIEBENROCK: Gott hat
die Welt in Ma und Zahl geschaffen, das heit, die Welt, das ganze
Chaos, wie es uns erscheint, ist letztlich verstehbar. Insofern hat
unser Geist Anteil an der Vernunft, in der die Welt geschaffen ist;
Wirklichkeit ist das ist die groe philosophische Tradition des
Christentums Erkennbarkeit. Erkenn-barkeit heit schlussendlich,
dass man sich davor nicht frchten muss. Dazu ge-hrt auch der
Lehrer, der jene Wirklichkeit ist, die mich erhellt, die mir
Orientierung, mir auch ein Eigenes gibt. Wenn Licht nicht in mir
wird, hilft das Auenlicht nicht. Dieses uere Licht, welches das
innere Licht zum Erwachen anregt, kann auch eine kleine Kerze in
der Nacht sein. Es kann aber auch sein, dass ich im hells-ten Raum
vllig danebenstehe. Ohne in-nere Orientierungsmglichkeit ist also
alle uere Inszenierung ein bisschen, salopp formuliert, fr die
Katz. ah
ROMAN SIEBENROCK (*1957) studierte Theologie, Philosophie und
Erwachse-nenpdagogik in Innsbruck und Mnchen. 1981 erwarb er den
Mag. phil. an der Philosophischen Hochschule SJ, Mnchen, 1983
ebendort das Zertifikat fr Erwachse-nenbildung,1984 folgte der
Dipl. theol. an der Uni Mnchen. 1985 wurde Siebenrock
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Karl-Rahner-Archiv,
1987 Assistent am Institut fr Fundamentaltheologie der Uni
Innsbruck. 1993 promovierte er an der Uni Tbingen, 2001 erhielt er
die venia docendi fr das Fach Fundamentaltheologie. Seit 2006 ist
er Professor fr Dogmatik an der Theologischen Fakultt der Uni
Innsbruck.
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zukunft forschung 01/1514 Fotos: Andreas Friedle (1), formalhaut
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TITELTHEMA
E in besonderes Wohnhaus ist im Spannungsfeld zwischen neuer und
alter Architektur, Innovation und Tradition, ffentlichem und
pri-vatem Raum sowie dem Spiel mit Licht und Dunkelheit entstanden.
Gabriela Sei-fert kreierte gemeinsam mit ihrem Part-ner Gtz
Stckmann das living room in Gelnhausen, in der Nhe von Frank-furt
am Main. 64 Lochfenster in Fassade und Dach setzen das Licht
eindringlich in Szene und unterstreichen den von den Architekten
gewhlten Leitsatz: Das Haus ist ein Lichtgef. Mitten in der
Altstadt, einem historisch gewachsenen mittelalterlichen Stadtkern,
prsentiert sich das Architektur- und Kunstprojekt
von formalhaut, dem Unternehmen von Gabriela Seifert, das sie
gemeinsam mit ihrem Partner betreibt. Ihre Kreativi-tt und
Erfahrungen bringt die Architek-tin direkt in ihre akademische
Lehre am Institut fr Gestaltung an der Uni Inns-bruck ein. Den
Studierenden neue Sicht-weisen und Perspektiven aufzuzeigen, ist
eines der Ziele von Seifert.
Am Institut arbeiten wir zum Schwer-punkt Mensch und Raum,
Raumwahr-nehmung und Immaterielle Qualitten in der Architektur.
Dabei ist es uns ein groes Anliegen, die Bedrfnisse von Menschen
und ihren soziokulturellen Gruppen in die Gestaltung von Ru-men mit
einzubeziehen, erlutert Sei-
fert. Die Architektin veranschaulicht, dass in ihrem Fach der
Raum nicht nur als einfacher Innen- oder Auenraum verstanden werden
soll. Eher begreifen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen am
studio2 den Raum als ein gre-res Konstrukt, zu dem der Auen- und
Stadtraum ebenso zhlt wie die uns um-gebende Landschaft und
Natur.
Raum ist fr die Architektin etwas Greres, in dem wir uns
bewegen. Mir ist es wichtig, das Auen in die Archi-tektur zu
integrieren und nicht nur L-cher in die Fassade zu bauen, um das
Tageslicht in den Innenraum zu lenken, verdeutlicht die
Architektin, die ein ge-samtes Licht- und Raumkonzept ver-
DAS HAUS IST EIN LICHTGEFSS
Sichtbar und doch nicht greifbar das Licht fasziniert die
Architektin und Wissenschaftlerin Gabriela Seifert. Ihre
knstlerischen und wissenschaftlichen Arbeiten sind von diesem
Einfluss geprgt.
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zukunft forschung 01/15 15
TITELTHEMA
wirklichen will. Die Architektur um der Form Willen ist nicht
primres Ziel der Knstlerin. Vielmehr versucht sie, Licht, in den
unterschiedlichsten Formen und Zustnden, erlebbar zu machen.
Licht-RaumRaum und Licht sind zwei Gren, die, laut Gabriela
Seifert, untrennbar mitei-nander verbunden sind. Eine wesent-liche
Frage in der Architektur ist die nach der Schnheit. Was ist schn
und was macht Schnheit aus? In meinen Augen ist es das Licht, das
die Schnheit eines Raumes erst vermittelt, stellt die Archi-tektin
ihre Ansichten dar. Die Symbiose von Licht und Raum ist fr Seifert
nicht nur in der klassischen Architektur von Gebuden und Innenrumen
greifbar. Fasziniert von Effekten, Formen und neuen Mglichkeiten,
macht sich die Architektin dort auf die Suche nach dem Licht, wo
man es nicht vermutet in der Nacht.
Dazu entsteht eine dreibndige Publi-kation, das dim diary, das
in Australi-en fotografiert wird. Das Tageslicht ist eine
Selbstverstndlichkeit, die uns tg-lich umhllt und mit der wir es
gewohnt sind zu leben. Ein groer Unterschied in der Gestaltung von
Rumen und deren Beleuchtung besteht in der Verwendung von Tages-
oder Kunstlicht, so die Wis-senschaftlerin. Eine normale
Arbeitsbe-leuchtung hat eine Intensitt von etwa 1.000 Lux, wobei
ein heller Sonnentag etwa 100.000 Lux zu bieten hat.
Besonders fasziniert mich aber ein ganz anderer Licht-Raum,
abseits von dem so mchtigen Tageslicht. Es ist das schwache und
diffuse Licht, das mich beeindruckt. Die Dmmerung lsst uns
Raum ganz anders und mit allen Sinnen erfahren, so Seifert. Den
Lichtraum in der Nacht fotografisch festzuhalten, ist eines der
Projekte, an dem die Architek-tin arbeitet. Diese Arbeiten sind
Zeich-nungen mit Licht, fotografisch durch nchtliche
Langzeitbelichtungen sicht-bar gemachte Rume, erlutert Seifert.
Ausgerstet mit einfachen Taschenlam-pen werden geometrische Figuren
und Texte in die Landschaft geschrieben. Die Schwierigkeit besteht
darin, die entstehenden Lichtfiguren vorher um-gekehrt
perspektivisch in die Topogra-fie der Landschaft zu konstruieren.
Das Licht im Raum bekommt in diesem Pro-jekt der Architektin eine
neue Dimensi-on und neue Bedeutungen. Beobachtet
man das sichtbare Universum von der Erde aus, so sieht man auch
dort Muster, Formen und Figuren. Mit Studierenden zeichneten wir fr
eines der Fotos Stern-zeichen mit Licht auf der Erde nach, erlutert
Seifert, die ihren Studierenden besonders die erweiterte
Wahrnehmung fr Dimensionen, Rume und Grenzen mitgeben mchte. Die
Spannung der Beziehung zwischen Kosmos und Erde wird in diesem
Projekt deutlich.
Sternenzelt im SchlafzimmerDas Licht der Nacht auch konkret in
die Architektur miteinzubeziehen, war fr Seifert eine weitere groe
Herausforde-rung. Im living room ist es gelungen, den
Landschaftsraum in das architekto-nische Konzept zu integrieren.
Nicht ge-nug, dass das Haus rundherum mit Fens-tern umgeben ist,
die Architekten haben sich fr die Realisation ihres Konzepts etwas
ganz Ungewhnliches einfallen lassen. Wir holen den nchtlichen
Ster-nenhimmel ins Schlafzimmer, so Seifert.
Um dies zu realisieren, wurde das Schlafzimmer des Hauses als
eine Schub-lade gebaut, mit der der Innenraum nach auen gefahren
werden kann. Pltzlich findet man sich, im Bett liegend, auer-halb
des Hauses, unter dem Licht des Kosmos wieder. Das living room ist
ein Ensemble von Konzepten und Ideen, das derzeit stdtebaulich noch
erweitert wird. Das Spiel mit Auen- und Innen-raum, privatem und
ffentlichem Raum sowie Natur- und Lichtraum wird von der
ffentlichkeit interessiert und be-geistert aufgenommen. Das Haus
ist ein Lichtgef Gabriela Seifert liebt und lebt fr den besonderen
Raum in der Ar-chitektur. dp
GABRIELA SEIFERT konstruiert in langzeitbelichteten Fotos
Lichtrume in der Nacht: Diese Arbeiten sind Zeichnungen mit
Licht.
DAS LIVING ROOM in Gelnhausen vereint besondere
Lichtkonzepte.
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zukunft forschung 01/1516 Fotos: Andreas Friedle (1), Matthias
Werner (2)
TITELTHEMA
DIE INTELLIGENTE NUTZUNG DES LICHTS
Tageslicht bietet mehrere Vorteile: Zum einen wird es als
angenehmer empfunden als Kunstlicht, zum anderen kann es zur
Stromeinsparung beim Kunstlichteinsatz beitragen. An der
mglichst effizienten Nutzung von natrlichem Licht in Gebuden
arbeiten Innsbrucker Bauingenieure.
D ie Tatsache, dass wir mit knst-lichem Licht die Nacht zum Tag
machen knnen, ist eines der Hauptmerkmale menschlicher
Zivilisa-tion. In den vergangenen Jahren ist ver-strkt der
Energieverbrauch knstlichen Lichts in das Zentrum des Interesses
ge-rckt: Die EU-Kommission setzt Schritt fr Schritt auf
effizientere Leuchtmit-tel, steigende Energiekosten wecken den
Wunsch nach energieeffizienten Lsungen und die LED-Technik hat
be-reits Einzug in den Alltag gehalten. Der Arbeitsbereich
Energieeffizientes Bauen am Institut fr Konstruktion und
Mate-rialwissenschaften beschftigt sich nicht zuletzt auch mit
Lsungen, wie Sonnen-licht mglichst effizient eingesetzt wer-den
kann um die Abhngigkeit von knstlichem Licht zu vermindern und
Energiekosten zu senken.
Mit intelligenter Verschattung und Tageslichtlenkung, verbunden
mit Sen-soren, ist bereits heute vieles mglich, was noch vor
wenigen Jahren nur sehr teuer oder gar nicht umzusetzen war ich
kann ein Brogebude heute relativ problemlos so planen, dass an
einem son-nigen Tag untertags in keinem Raum des Hauses Kunstlicht
bentigt wird, erklrt der assoziierte Professor Rainer Pfluger, der
selbst an mehreren Projekten zum optimalen Einsatz von Tageslicht
in Ge-buden beteiligt ist.
Hherer KomfortZahlreiche psychologische Studien be-legen, dass
Tageslicht von Menschen als hherwertig und besser eingestuft wird
als Kunstlicht nicht nur das persnliche Wohlbefinden, sondern auch
die Produk-tivitt ist bei natrlichem Licht hher. Neben dem
Wohlbefinden spielen ganz profan auch die laufenden Kosten eine
Rolle: Wer Tageslicht lnger und effizi-enter einsetzen kann,
spart bei der Strom-rechnung, sagt Rainer Pfluger. Eine
vergleichsweise einfache Variante haben die Innsbrucker
Bauingenieure bei der Sanierung ihres eigenen Gebudes am Campus
Technik bereits mit umgesetzt: Die Beleuchtung in den Bros ist
indivi-duell regelbar Leuchtstoffrhren, die sich in der Nhe der
Fenster befinden, werden automatisch strker gedimmt als jene mitten
im Raum, so entsteht eine
gleichmige und angenehme Helligkeit und dadurch, dass nicht zu
jeder Zeit al-le knstlichen Lichtquellen gleich stark in Betrieb
sind, wird Energie gespart. Diese Helligkeitsregelung mit Sensoren
in jedem Raum ist eine vergleichsweise einfache Lsung, um
Tageslicht sehr ziel-gerichtet ausnutzen zu knnen.
Ein von der Forschungsfrderungsge-sellschaft (FFG) gefrdertes
Projekt mit dem Titel VisergyControl, an dem die Innsbrucker
Niedrigenergie-Experten gemeinsam mit den Lichtplanern von
Bartenbach und dem Osttiroler Sonnen-schutz-Spezialisten Hella
arbeiten, geht noch einen Schritt weiter: Anstelle der
individuellen Regelung per Sensor in je-dem Bro arbeiten wir hier
an einer zen-tralen Steuerung: Ein mit einem Sensor, der sich an
der Auenseite des Gebudes befindet, verbundener Computer steuert je
nach Sonnenlichteinstrahlung und Ta-geszeit einerseits die
Jalousien auf der Auenseite des Gebudes, andererseits auch die
Beleuchtung im Inneren. Alles das kann der jeweilige Nutzer auch
un-terbinden, der Gedanke wre aber, so fr ein gesamtes Brogebude
stets optima-le und energiesparende Beleuchtung zu schaffen und
dabei auch Heizung und Khlung einzubeziehen, erklrt Rainer
Pfluger.
Auch in der LehreNicht nur in der Forschung, auch in der Lehre
spielt Licht am Arbeitsbereich Ener gieeffizientes Bauen eine groe
Rol-le: Im Rahmen einer Master-Arbeit hat etwa Matthias Fritz eine
Ulbricht-Kugel gebaut ein Instrument, um Lichtrefle-xion und
Transmission von Materialien verlsslich zu messen und die Effizienz
von Leuchtmitteln quantifizieren zu knnen: Auf dieses Instrument
sind wir
IN VERSUCHSAUFBAUTEN am Campus Technik werden von den
Innsbrucker Bau-ingenieuren verschiedene Licht- und
Lamel-lenkombinationen getestet und gemessen.
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zukunft forschung 01/15 17
TITELTHEMA
sehr stolz der Innendurchmesser von einem Meter erlaubt es uns,
auch grere Lichtquellen verlsslich zu messen und zu
untersuchen.
Ein weiteres sehr vielversprechendes Werkzeug ist im Rahmen
eines For-schungsprojektes gemeinsam mit den Firmen Bartenbach und
Zumtobel Ligh-ting als Doktorarbeit am Institut entstan-den: Das
Computerprogramm DALEC erlaubt die Planung und Simulation der
Lichtverhltnisse an einem beliebigen Bauplatz und berechnet
zugleich die Energieeinsparung. Dieses Programm ist in dieser Art
einzigartig, ein Architek-turbro konnte bislang gekoppelte
ther-mische und lichttechnische Berechnung nicht mit vertretbarem
Aufwand durch-fhren. Es gengt, die Parameter des zu messenden
Gebudes oder Raums und dessen geografische Lage einzugeben, um alle
wichtigen Faktoren zu berech-nen und das, was besonders wertvoll
ist, noch vor Baubeginn im Planungssta-dium. DALEC erlaubt knftig
auch den Vergleich unterschiedlicher Varianten und Technologien und
hilft so bei der Optimierung, erlutert Rainer Pflu-
ger. In einem erst krzlich von der FFG bewilligten Projekt wird
DALEC nun weiterentwickelt. Ab dem kommenden Wintersemester wird im
Rahmen des Masters Umweltingenieurwissenschaften erstmals auch die
Vorlesung Energieeffi-ziente Beleuchtung angeboten.
Verglasung und WrmeAuch die Verglasung von Fenstern spielt beim
Tageslichteintrag eine groe Rolle: Moderne Dreischeibenverglasungen
mit entsprechender Beschichtung lassen ber 70 Prozent des
sichtbaren Lichts auch tatschlich durch, von der gesamten
So-larstrahlung knnen ber 60 Prozent als Wrmeeintrag im Gebude
genutzt wer-den eine Sdverglasung gewinnt damit mehr, als sie
verliert. Und Lsungen, die das Licht von auen an die Decke des
Innenraums reflektieren und so fr eine gleichmige Beleuchtung
sorgen, sind ebenfalls keine Zukunftsmusik: Wir haben so eine Lsung
sogar in der denk-malgeschtzten Bausubstanz der Neu-en Mittelschule
Htting exemplarisch umgesetzt: Verschattung in der unteren Hlfte
der Fenster sorgt dafr, dass sich
der Raum nicht unntig aufheizt, zu-gleich wird das Licht ber die
oberen La-mellen an die Decke reflektiert und sorgt fr angenehme
Helligkeit im gesamten Klassenraum.
In weiteren Projekten forscht der Ar-beitsbereich
Energieeffizientes Bauen mit seinen Partnern daran, die Licht- und
Wrmemessungen von Tageslichtsyste-men weiterzuentwickeln, um knftig
zu-verlssigere Simulationen zu erlauben. Bis heute ist die
Tageslichtlenkung noch ein Nischenmarkt. Wenn wir es aber schaffen,
die Vorteile in Bezug auf Kom-fort, Kosten und Energie leichter
quanti-fizierbar zu machen, wird das Tageslicht in knftigen
Bauvorhaben sicher eine bedeutendere Rolle spielen. sh
Die Ulbricht-Kugel hat einen Innendurchmesser von
einem Meter. Das erlaubt uns, auch grere Lichtquellen
verlsslich zu messen und zu untersuchen.
Rainer Pfluger, Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen
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zukunft forschung 01/1518 Fotos: Andreas Friedle
TITELTHEMA
ENERGIE FR DIE EWIGKEITMithilfe des Sonnenlichts suchen Chemiker
der Uni Innsbruck nach einem Weg zur
Herstellung von Wasserstoff. Das Element ist einer der
aussichtsreichsten Kandidaten fr einen erneuerbaren und
speicherbaren Energietrger der Zukunft.
D ie durch Solarzellen und Wind-rder produzierte Energie gilt
als einer der wichtigsten Grund-pfeiler auf dem Weg zur
Energiewen-de. Sowohl Sonne als auch Wind lei-sten wertvolle
Dienste und knnen an manchen Stellen bereits einen Teil der
erforderlichen Energieversorgung ber-nehmen. Zwei entscheidende
Nachteile bringen sie allerdings dennoch mit sich: Sie schwanken in
ihrer Verfgbarkeit und lassen sich nur schwer speichern. Die
Forschungsarbeit von Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftlern aus
aller Welt fhrte vor etwa 15 Jahren zu einer Wiederaufwertung von
Wasserstoff: Das
Element hatte sich als vielversprechende Alternative zu bereits
bekannten erneu-erbaren Energietrgern herauskristalli-siert.
Wasserstoff zeichnet sich durch eine berdurchschnittlich hohe
Energiedichte aus und lsst sich sehr gut speichern. Er kann in
Brennstoffzellen zur effizi-enten Erzeugung von Energie eingesetzt
werden und hinterlsst bei seiner Ver-brennung als einziges
Abfallprodukt Wasser, erklrt Christof Strabler die Vorteile des
klimaneutralen Brennstoffs. Der Chemiker forscht im Team von Peter
Brggeller am Institut fr Allgemeine, Anorganische und Theoretische
Chemie
bereits seit mehreren Jahren im Gebiet der Wasserstofferzeugung.
Whrend Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzellen bereits weit
entwickelt sind und einsatz-bereit wren, liegt die Herausforderung
noch in der umweltschonenden Herstel-lung von Wasserstoff. Denn
dazu wird gegenwrtig noch in erster Linie auf die
Kohlenwasserstoffe in fossilen Brenn-stoffen zurckgegriffen. Reiner
Wasser-stoff kommt in der Natur praktisch nicht vor. Wir mssen fr
eine nachhaltige Produktion Alternativen zu Erdl und Erdgas finden,
denn Wasserstoff kann nur so grn sein, wie die Rohstoffe, die fr
seine Herstellung ntig sind,
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zukunft forschung 01/15 19
TITELTHEMA
verdeutlicht Strabler. Die Chemiker be-dienen sich dazu der
unerschpflichen Energie der Sonne, Vorbild ist die Natur.
WasserspaltungPflanzen sind in der Lage, Sonnenlicht in Energie
umzuwandeln. An diesen Pro-zessen orientieren wir uns und arbeiten
mit einer Art von knstlicher Photosyn-these, sagt Strabler. Das
Sonnenlicht soll dabei helfen, ohne Zwischenschritte direkt aus
Wasser Wasserstoff und damit einen langfristig speicherbaren
Energie-trger herzustellen. Um das zu erreichen, ist eine Spaltung
des Wassers in seine Be-standteile erforderlich. Unter bestimm-ten
Bedingungen ist das Sonnenlicht da-zu in der Lage, Wasser in
Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten, so Christof Strabler. Das
mag im ersten Moment vielleicht banal klingen, aber aufgrund der
Komplexitt des Systems ist die Su-che nach diesen idealen
Bedingungen ei-ne enorm groe Herausforderung.
Damit die sogenannte photokataly-tische Wasserspaltung, also
eine durch
Licht ausgelste chemische Reaktion, einsetzen kann, wird das
Wasser mit einem Stoff versetzt, der mit Sonnen-licht interagiert.
Seit Anfang der 1970er-Jahre ist bekannt, dass diese Interaktion
durch die Beisetzung von metallischen Stoffen in Gang gesetzt
werden kann. Die ersten Experimente wurden damals wahrscheinlich
aus Prestigegrnden mit Palladium durchgefhrt, erzhlt Strabler. Die
Wasserspaltung durch Sonnenlicht in durch dieses Edelmetall
angereichertem Wasser ist bereits relativ gut erforscht und hat zu
einem besseren, grundstzlichen Verstndnis dieser Pro-zesse einen
wichtigen Beitrag geleistet.
Einziges Problem: Palladium ist teurer als Gold. Da das Ziel
eine kostengn-stige Produktion in groen Mengen ist, handelt es sich
dabei um keine gangbare Option. Wir arbeiten hauptschlich mit
Kupfer, Eisen und Nickel, verdeutlicht der Chemiker. In
Laborversuchen wer-den diese kostengnstigeren Metalle im Ausma von
wenigen Milli- oder Mikro-gramm in Lsung dem Wasser beigege-ben.
Diese Lsung wird anschlieend in speziellen Kammern mit Sonnenlicht
bestrahlt, sagt Strabler. Gelingt die Spal-tung, wird der in
gasfrmiger Form ent-stehende Wasserstoff eingefangen.
KomponentenUm Wasser auf molekularer Ebene photokatalytisch zu
spalten, setzen die Chemiker auf ein System aus mehreren
Komponenten, das an den Vorgngen in der natrlichen Photosynthese
angelehnt ist. Vergleichbar mit dem Blattgrn bei Pflanzen bernehmen
die zugesetzten,
gelsten Metallkomplexe die Funktion eines sogenannten
Chromophors, der die Energie des Lichts zunchst aufnimmt. In einem
weiteren Schritt wird diese Ener-gie an einen Katalysator
weitergegeben, der die Entstehung von Wasserstoff und Sauerstoff in
Gang setzt. In der Natur wiederholt sich dieser Zyklus alle vier
bis fnf Minuten, fr die angestrebte Produktion in groem Mastab ist
diese Dauer viel zu kurz. Wir versuchen die Reaktion mglichst lange
stabil zu halten, im Moment liegen wir bei einem bis meh-rere Tage,
so Strabler.
Die Forscher arbeiten dabei im Unter-schied zu vielen anderen
Arbeitsgruppen in einem insgesamt homogenen System: Alle
Komponenten zur Wasserspaltung liegen in einer homogenen Lsung vor.
Die Komplexitt der Forschungsarbeit der Chemiker ergibt sich aber
nicht nur aus der Suche nach der besten Lsung von Wasser, sondern
umfasst auch das Licht selbst. Wir variieren die Wellen-lngen des
Lichts und arbeiten in den Bestrahlungskammern im Moment noch mit
verschiedenen Lichtarten. Langfris-tiges Ziel ist aber die
Entwicklung von Chromophoren und Katalysatoren, die einen mglichst
groen Teil des Sonnen-spektrums ausnutzen.
Christof Strabler ist daher als Teil des Teams am Institut fr
Allgemeine, Anor-ganische und Theoretische Chemie mit vielen Fragen
konfrontiert, die sich nur Schritt fr Schritt lsen lassen. Die
end-gltige Abkehr von fossilen Energietr-gern und die Etablierung
einer Wasser-stoff-Wirtschaft ist noch ein Zukunftssze-nario. Das
Ziel einer nachhaltigen L-sung der Energieprobleme unserer
Ge-sellschaft vor Augen lohnt es sich aber diesen manchmal auch
steinigen Weg zu gehen, betont der Wissenschaftler. Un-ser Prinzip
lautet oder muss lauten: trial and error. mb
KOOPERATION Das Innsbrucker Team rund um Peter Brggeller
engagiert sich sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch
in konkreten Anwendungsgebieten. Die Zusammen-arbeit mit Kollegen
an der Johannes Kepler Universitt Linz sowie an der Universitt
Strasbourg in Frankreich zeichnet sich durch ein gegenseitiges
Profitieren und Ergnzen in der apparativen Ausstattung aus.
Gemeinsam mit dem Energieunternehmen Ver-bund AG arbeiten die
Forscher an marktfhigen Lsungen. Ziel ist die Strkung der
Energieforschung in sterreich und eine internationale
Positionierung. Die Projekte werden von der FFG, der
sterreichischen Forschungsfrderungsgesellschaft, sowie der Firma D.
Swarovski KG untersttzt..
VERSUCHSAUFBAU ZUR WASSERSTOFF-PRODUKTION: In
Bestrahlungseinheiten wird die Lsung von Wasser verschiedenen
Lichtsorten ausgesetzt.
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EIGENTLICH VERSUCHT die Astrono-mie, den Einfluss der
Erdatmosphre auf ihre Mess ergebnisse mglichst zu elimi-nieren.
Denn physikalische Vorgnge in den oberen Luftschichten beeinflussen
die Beobachtungen vom Erdboden stark. Im Umkehrschluss bedeutet
dies aber auch, dass jede Beobachtung auch Information ber den
Zustand der Erdatmosphre enthlt. In Anbetracht der groen
Datenmenge, die jede Nacht von astronomischen Einrichtungen
produziert werden, sind die archivierten Daten ein Schatz fr die
Atmosphrenwissen-schaften, betont Stefan Kimeswenger vom Institut
fr Astro- und Teilchenphysik der Uni Innsbruck. Mit seinem Team hat
er im Auftrag der Europische Sdsternwarte in den vergan-genen
Jahren Computerprogramme entwi-ckelt, mit denen der Einfluss der
Atmosphre korrigiert werden kann. Damit lassen sich Beobachtungen
wesentlich effizienter durch-fhren, weil keine zustzlichen
Messungen fr die Kalibrierung mehr notwendig sind. Ihre Erfahrung
nutzen die Tiroler Astronomen nun, um die Daten fr die
Atmosphrenforschung nutzbar zu machen. Foto: Y. Beletsky
(LCO)/ESO
20 zukunft forschung 01/15
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DIE EUROPISCHE Sdsternwarte (ESO) betreibt am Cerro Paranal in
der Atacama-wste im Norden Chiles ein Observatorium mit mehreren
Teleskopen. Innsbrucker Wissenschaftler erforschen anhand von Daten
des X-Shooter-Spektrografen am Very Large Telescope die oberen
Schichten der Atmo-sphre. Groteleskope mit leistungsstarken
Spektrographen bieten dafr eine hohe spektrale und rumliche
Auflsung, einen groen Wellenlngenbereich sowie ein hohes
Signal-zu-Rausch-Verhltnis.
AUCH WENN wir das Licht der Sonne und aller Sterne kurz
ausschalten knnten, wre der Himmel ber uns nicht restlos dunkel.
Denn die hheren Atmosphrenschichten leuchten. Ein Leuchten, das am
wenig licht-verschmutzten Standort der ESO-Teleskope im Norden von
Chile gut beobachten werden kann (im Bild: rote Schatten). Das
Nachthim-mellicht, im englischen Airglow genannt, wird durch
chemische Prozesse in den oberen Luftschichten verursacht.
UV-STRAHLUNG trifft in der Atmosphre auf verschiedene Molekle.
Diese zerbrechen, und freiwerdende Radikale reagieren mit weiteren
Teilchen. In einigen Fllen wird dabei Licht ausgesendet, das
gemeinsam mit dem Lichtteilchen aus dem Weltall auf die Erde trifft
und sich in den Messdaten der Teleskope wiederfindet. Forscher
nutzen die Informati-onen aus diesem Licht, um Eigenschaften der
oberen Atmosphre zu erkunden.
IM ZOOM
zukunft forschung 01/15 21
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zukunft forschung 01/1522 Fotos: Andreas Friedle
STANDORT
VOM STEMMER ZUM LEUCHTER
Der Tiroler Lichtpionier ber seine leuchtenden Anfnge an der
Universitt Innsbruck, die Zusammenarbeit mit heimischen Psychologen
und die Bedeutung der Visualitt fr die Architektur.
ZUKUNFT: Das Jahr 2015 wurde von der UNO zum Jahr des Lichts
ausgerufen. Was verbin-det ein Licht-Experte mit so einem
Wrdi-gungsjahr?CHRISTIAN BARTENBACH: Fr uns und unsere Ttigkeit ist
es natrlich gut, da man auf das Licht aufmerksam wird. Das ist
notwendig, weil wie es der amerikanische Psychologe James J. Gibson
formuliert hat Licht nicht sichtbar ist, aber sichtbar macht. Das
heit, wir sehen Licht nicht unmittelbar, sondern nur an seinen
Wirkungen. Das macht un-seren Beruf auch schwierig: Ich muss mir
die Wirkung von etwas, was ich nicht sehe, vor-stellen knnen, muss
ein Erscheinungsbild in meinem Kopf bilden und dann das Licht
zuordnen, dass es so wird.ZUKUNFT: Wird Licht in unserer
Gesellschaft unterschtzt?BARTENBACH: Licht hat die Bedeutung, dass
circa 80 Prozent unserer Informationsvermitt-lung visuell sind. Bei
der sensorischen, aber auch der neurologischen
Informationsverar-beitung spielt Licht eine entscheidende Rolle.
Der Mensch ist also, wie es die Psychologen sagen, ein Augentier.
Auch betont die Neuro-logie immer mehr die groe Bedeutung der
Visualitt, der visuellen Verarbeitung das hat in meinen Augen eine
groe Bedeutung fr die Zukunft und wird die Forschung be-stimmen.
Dieser Bedeutung von Licht ist man sich aber nicht bewusst.ZUKUNFT:
Knnen Sie das konkretisieren?BARTENBACH: Nur ein Beispiel, die
Ausbil-dung der Architekten. Architektur denkt ber-wiegend visuell,
das Lichtfach, die visuelle Wahrnehmung, gibt es im Unterricht aber
nicht. Gerade aufgrund des Echos auf dieses Thema und der
Begeisterung von Studenten, mit denen ich bei Lehrauftrgen und
Gastpro-fessuren an vielen Universitten zu tun hatte, habe ich die
Bartenbach Akademie gegrndet.ZUKUNFT: An der Sie unter anderem den
Uni-versittslehrgang Lichtgestaltung angebo-ten haben
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zukunft forschung 01/15 23
STANDORT
CHRISTIAN BARTENBACH stammt aus Innsbruck (* 14. Mai 1930), wo
er 1954 nach dem Abschluss der Hheren Technischen Lehranstalt im
Familienbetrieb G.A. Bartenbach, Innsbruck eine lichttechnische
Entwicklungsabteilung aufbaute. 1960 grndete er mit seinem Bruder
Adolf die Leuchtenfabrik Bartenbach Lichtsysteme GmbH, wo er
Kunstlichtsysteme u.a. die Dark-Light-Technik, die erste
blendungsfreie Beleuchtung erforschte und entwickelte. 1976
erffnete er das Ingenieurbro Christian Bartenbach (spter Bartenbach
LichtLabor, heute Bartenbach GmbH) und entwickelte hoch wirksame
und neuartige Blendschutz-, Tageslichtlenk- und
Sonnenschutzsysteme. Der Spezialist fr Beleuchtungstechnik und
Pionier der Lichtplanung wurde 1993 zum Honorarprofessor der TU
Mnchen ernannt, 1995 wurde ihm in sterreich der Professorentitel
verliehen, zudem war er Gastprofessor an diversen euro-pischen
Universitten. Im Jahr 2009 erhielt er das Ehrendoktorat der
Universitt Innsbruck.
BARTENBACH: Ja. Und ich mchte auch festhalten, dass die
Universitt Inns-bruck die Wichtigkeit von Licht sehr wohl erkannt
hat sonst htte es diesen Lehrgang nicht gegeben, der heuer leider
beendet wird. Ich habe meine Firma der Nachfolge bergeben und es
besteht hier vorbergehend kein Interesse an der Wei-terfhrung eines
solchen Unilehrgangs. Man darf nicht bersehen, dass so ein Lehrgang
trotz Studiengebhren fr ein Unternehmen auch Kosten
bedeutet.ZUKUNFT: Wann begann Sie eigentlich das Thema Licht zu
faszinieren?BARTENBACH: Mein Vater hatte ein Un-ternehmen fr
Elektroinstallationen. Nach Abschluss der HTL bin ich in den
Familien betrieb eingestiegen, stemmen wollte ich aber nicht und
begann mich deswegen fr Licht zu interessieren. In dieser Zeit sind
Leuchtstofflampen so wirklich aufgekommen, in Europa konn-ten wir
damit aber nicht richtig umge-hen. Mein HTL-Lehrer Hugo Watzlawek
hat mich mit amerikanischer Literatur zu diesem Thema versorgt und
ich habe es, naiv wie ich war, umgesetzt, ohne mich mit den Werten
genau auszukennen. ZUKUNFT: Die Universitt Innsbruck spielt in
Ihrem Werdegang eine entscheidende Rolle. Um was ging es damals
genau?BARTENBACH: An der Universitt sollte ich als
Elektroinstallationsbetrieb eine Bi-bliothek beleuchten. Ich habe
einen Vor-schlag gemacht, mit dem sollte ich zu Ivo Kohler, dem
damaligen Professor fr Psy-chologie. Ich bin bei seinem Assistenten
Anton Hajs, der spter Professor in Gieen wurde, gelandet. Er ist
auf mich losgegangen, weil ich Leuchtstofflampen statt Glhbirnen
verwenden wollte. Wir
sind uns in die Haare geraten, haben uns aber auch wieder
beruhigt und sind ge-meinsam das Problem angegangen. ZUKUNFT: Wie
verlief diese Kooperation Elektroinstallationsbetrieb und
akade-mische Psychologie?BARTENBACH: Wir haben dann, auch mit
Kohler, Experimente rund um Unter-schiedsempfindlichkeiten und
Adapti-onszusammenhnge durchgefhrt. Zah-len musste ich, mein Vater
hat mir fast den Hals umgedreht, weil ihn als Elektro-installateur
Adaptionszusammenhnge nicht interessiert haben. Adaption war
damals, aufbauend auf den Arbeiten von Kohlers Vorgn-ger Theodor
Paul Erismann, ein Schwerpunkt der Innsbrucker Psy-chologie. Das
war alles also ein Zu-fallseinstieg. Glck war auch, dass Kohler mit
dem schon erwhnten James J. Gibson nicht nur befreundet war,
sondern ihn ins Deutsche bersetzt hat. ZUKUNFT: Welche Konsequenzen
zogen Sie aus dieser Zusammenarbeit?BARTENBACH: Mit dieser
Beschftigung wurde mir klar, dass Licht und Visuali-tt ohne
Wahrnehmung nicht verstan-den werden knnen. Daher habe ich mir auch
Jahrzehnte spter, als ich es mir leisten konnte, mit Walter Witting
einen Wahrnehmungspsychologen in das Un-ternehmen geholt. In der
Zwischenzeit beschftigen wir drei Psychologen.ZUKUNFT: Warum
spielte trotz vieler neu-er Technologien und eigener Erfindungen fr
Sie Tageslicht immer eine groe Rolle?BARTENBACH: Am Anfang wollte
auch ich Kunstlicht verstehen und ergrnden. Es war aber trotzdem
immer ein Fenster da, am Tag ist es also hell, in der Nacht dunkel.
ber die Adaptionstheorie wuss-te ich, dass ein Fenster auch
blendet. Ir-gendwann wurde mir klar, dass man ein Fens ter als
Leuchte sehen kann.
ZUKUNFT: Was in der Architektur Ihrer Meinung nach nicht der
Fall ist.BARTENBACH: Der Tiroler Architekt Josef Lackner sagte
immer: Kse mit L-chern. Man baut etwas und macht ein-fach ein paar
ffnungen. Das war vor der Erfindung des elektrischen Lichts anders,
da wurde tageslichttransparent gebaut. Ohne diese Transparenz htte
man stn-dig Fackeln gebraucht. Mit dem elektri-schen Licht ist man
von Tageslicht auf Kunstlicht bergegangen, Rume wurden niedriger,
Fenster zu reinen ffnungen.
ZUKUNFT: Tagesllichtlose Architektur ist fr Sie also eine
historische Entwicklung?BARTENBACH: Ja. Ich kann mich noch an die
Zeit erinnern, in der ich mich mit Licht zu beschftigen begann.
Damals war es interessant, fensterlose Rume zu machen, weil man der
Ansicht war, konstantes Kunstlicht wre besser als Ta-geslicht,
speziell in der Industrie dachte man so. Das Tageslicht wurde
damals, wie schon gesagt, auf Lcher in der Mau-er reduziert. Seit
150, 200 Jahren denkt man nicht mehr daran, wo ein Fenster hin
soll. ZUKUNFT: Glauben Sie an einen Wandel im Denken, Bauen und
Lehren?BARTENBACH: Ich bin der berzeugung, dass man Licht und
Visualitt in die Ar-chitektur integrieren wird. Ich glaube auch,
dass es fr die Universitt Innsbruck eine Besonderheit wre, wenn
sich die Ar-chitektur stark am Thema Licht ausrichten wrde, weil es
immer noch nicht Allge-meingut und -wissen ist. ah
Der Architekt Josef Lackner sagte ber Bauen und Fenster immer:
Kse mit Lchern. Man baut etwas und macht einfach ein paar ffnungen.
Christian Bartenbach
Das gesamte Interview finden Sie auf der Homepage der Universitt
Innsbruck unter:www.uibk.ac.at/forschung/magazin/14/
-
zukunft forschung 01/1524 Fotos: pixelio.de/schneiderlein2808
(1), pixelio.de/Bernd Kasper (1), Uni Innsbruck (1)
KURZMEDLUNGEN
SOZIALSTAAT EMPIRISCH
D ie Gesundheitskosten knnten niedriger sein, wenn kranke
Menschen mehr in Kranken-stand gingen, sagt Martin Halla. Der
empirisch orientierte konom ist seit Oktober 2014 Professor am
Institut fr Finanzwissenschaft in Innsbruck und beschftigt sich
unter anderem mit der Wechselbeziehung zwischen Arbeit, Fa-milie
und Gesundheit sowie dem Ein-fluss von staatlichem Handeln auf
diese Lebensbereiche. Krzlich hat er den Einfluss von finanziellen
Leistungen der Sozialversicherung und der Be-triebe bei
Krankenstnden untersucht. Je nach Arbeitsvertrgen,
Kollektivver-trgen und Branche sind die Kosten fr den Krankenstand
unterschiedlich zwi-schen dem Arbeitnehmer selbst, dem Arbeitgeber
und der Sozialversicherung aufgeteilt. Diese Aufteilung ist auch
re-gelmig Thema in Politik und Medi-en, erklrt der konom. Wir haben
uns anhand von anonymisierten Daten des Hauptverbands der
Sozialversiche-rungstrger angesehen, welchen Ein-fluss die
Kostenaufteilung auf den Krankenstand hat. Bei Krankenstands-kosten
fr den Arbeitgeber und der Lnge des Krankenstands lsst sich ein
Effekt beobachten: Mitarbeiter, die dem Arbeitgeber im Krankenstand
ver-gleichsweise viel kosten, sind deutlich krzer in Krankenstand
als jene, bei de-nen die Sozialversicherung die Kosten bernimmt.
Die Gesundheitskosten im Nachhinein steigen brigens, wenn Kranke
nicht in Krankenstand gehen: Sie kurieren sich nicht richtig aus.
Mehr Krankenstnde wren fr das Gesund-heitssystem im Ganzen also
durchaus positiv, weil nicht so teuer.
DREI NEUE FORSCHUNGSZENTREN
D ie Universitt Innsbruck versteht sich als
For-schungsuniversitt und hat zur Schrfung und Strkung ihres
Profils neben den 16 Fakultten fnf groe Forschungsschwerpunkte
eingerichtet: Alpiner Raum Mensch und Umwelt, Kulturelle
Begegnungen Kulturelle Konflikte, Molekulare Biowissenschaften,
Physik und Scientific Computing. Daneben bestehen vier
fakulttsbergreifende Forschungsplattformen und 33
Forschungs-zentren, die die Vernetzung der Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler frdern und die internationale Sichtbarkeit des
Universittsstandortes Innsbruck untersttzen. Nun hat die Universitt
drei neue Forschungszentren eingerichtet: eines zu Nachhaltigem
Bauen, eines fr Informationssysteme und vernetztes Leben sowie ein
Forschungszentrum fr Tourismus und Freizeit. Weitere
Forschungszentren sind bereits in Vorbereitung.
L ernen von den besten: IBM, Shell oder BMW haben vorgemacht,
dass Internationalisierung zur Ge-winnmaximierung fhren kann. Julia
Hautz vom Institut fr Strategisches Ma-nagement, Marketing und
Tourismus hat gemeinsam mit ihren Kollegen un-tersucht, welche
Faktoren die Expansi-onsstrategien Produktdiversifikation und
Internationalisierung beeinflussen und wie diese voneinander
abhngen. Es hat sich gezeigt, dass sich in Unter-nehmen, die
bereits Erfahrung mit die-sen Expansionsvarianten sammeln konnten,
beide Strategien positiv beein-flussen. Diese Unternehmen knnen
also durchaus davon profitieren, gleichzeitig ihren Markt und ihre
Produktpalette zu erweitern, erklrt Hautz. Sie betont al-
lerdings, dass diese positive Wechselwir-kung eher den
europischen Markt be-trifft. Durch die relativ kleinen
Heimat-mrkte, in denen europische Unterneh-men agieren, waren diese
frh gezwun-gen, entweder in neue Produktmrkte oder geografisch zu
expandieren. Sie verfgen deshalb ber entsprechend viel Erfahrung in
Bezug auf Expansionsstra-tegien, verdeutlicht die Forscherin. In
Unternehmen mit weniger Erfahrung wie zum Beispiel vielen
US-Unterneh-men, die aufgrund des relativ groen Heimatmarktes lange
keine Expansions-strategien verfolgt haben fanden wir allerdings
einen negativen Zusammen-hang zwischen den beiden
Wachstums-strategien. Diese sollten besser eine der beiden
Strategien whlen. Auf diesen Studien aufbauend wollen die
Wissen-schaftler ihre Ergebnisse nun auch praxis orientiert an
Unternehmen weiter-geben. Internationalisierung kann eine
attraktive Option fr Wachstum und Expansion sein allerdings ist es
nicht die Standardoption fr alle Unterneh-men.
Produktdiversifizierung und Inno-vation sind andere durchaus
attraktive Optionen fr lokal agierende Unterneh-men, die auch zu
langfristigem Erfolg fhren knnen, resmiert Hautz.
ERFAHRUNG MACHT DEN UNTERSCHIEDInternationalisierung erfordert
viel Erfahrung und ist fr
Unternehmen nicht immer ein Erfolgsgarant.
Leben & Lernen Bildung fr den Beruf
http://www.uibk.ac.at/weiterbildung/
B
f 2
01
5
Aktuelles im Wintersemester 2015/16
Controlling Personal- und Organisationsentwicklung Business Law
Medizinrecht Wirtschaftskriminalitt Deutsch als Fremd- und
Zweitsprache Betriebliches Gesundheitsmanagement
Angeboten werden Universittslehrgnge- und kurse,
Weiterbildungsseminare, Customized Programs und Community
Education.
Die wissenschaftliche Weiterbildung der Universitt Innsbruck
vermittelt Zusatz- und hhere Fachquali kationen in den an der
Universitt vertretenen Studienrichtungen. Dabei werden Forschung
auf hchstem Niveau und aktueller Praxisbezug miteinander
verbunden.
Das breite Spektrum an Weiterbildungsangeboten bietet vor allem
bereits im Beruf Stehenden die Mglichkeit, fachspezifi sche
Kompetenzen zu aktualisieren, weiter zu entwickeln und neue Aspekte
kennen zu lernen.
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Leben & Lernen Bildung fr den Beruf
http://www.uibk.ac.at/weiterbildung/
B
f 2
01
5
Aktuelles im Wintersemester 2015/16
Controlling Personal- und Organisationsentwicklung Business Law
Medizinrecht Wirtschaftskriminalitt Deutsch als Fremd- und
Zweitsprache Betriebliches Gesundheitsmanagement
Angeboten werden Universittslehrgnge- und kurse,
Weiterbildungsseminare, Customized Programs und Community
Education.
Die wissenschaftliche Weiterbildung der Universitt Innsbruck
vermittelt Zusatz- und hhere Fachqualifi kationen in den an der
Universitt vertretenen Studienrichtungen. Dabei werden Forschung
auf hchstem Niveau und aktueller Praxisbezug miteinander
verbunden.
Das breite Spektrum an Weiterbildungsangeboten bietet vor allem
bereits im Beruf Stehenden die Mglichkeit, fachspezifi sche
Kompetenzen zu aktualisieren, weiter zu entwickeln und neue Aspekte
kennen zu lernen.
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zukunft forschung 01/1526 Fotos: Andreas Friedle (1), Markus
Aufleger (2)
WASSERBAU
E ine Hhe zwischen 50 und 150 Zentimeter, nicht zu flach und
nicht zu steil, eine gleichbleibend glatte Oberflche, ausreichende
Breite und mglichst bei jedem Wasserstand befahrbar: Das alles muss
eine perfekte stehende Welle haben, um sowohl An-fngern erste
Surfschritte zu ermgli-chen als auch gleichzeitig Profis Spa zu
bieten. Die Eisbachwelle im Englischen
Garten in Mnchen bringt viele die-ser Voraussetzungen mit, was
sie unter Flusssurfern weltweit bekannt gemacht hat. Die Munich
Style Wave ist Vorbild fr zahlreiche Wellenbauer, wei Pro-fessor
Markus Aufleger, der Leiter des Arbeitsbereichs Wasserbau an der
Tech-nischen Fakultt der Uni Innsbruck: Be-merkenswert daran ist,
dass diese Welle durch einen wasserbaulichen Fehler mit
kleinen Nachbesserungen durch Surfer entstanden ist.
Angehende Bauingenieure lernen b-licherweise die wasserbaulichen
Ma-nahmen so zu gestalten, dass nach einem Wehr eine Verwirbelung
entsteht, um da-hinter eine ruhige Strmung zu erzeugen. Das ist fr
den Wellenbau allerdings kontraproduktiv, beschreibt Aufleger, so
dass der wasserbauliche Fehler beim
DIE PERFEKTE WELLE Wellenreiten mitten in der Stadt: Die
Eisbachwelle im Englischen Garten in Mnchen ist das Paradebeispiel
fr eine perfekte stehende Flusswelle. Innsbrucker Wissenschaftler
rund um
Markus Aufleger untersuchen, welche wasserbaulichen Manahmen
ntig sind, um stehende Wellen auch in anderen Stdten zu
verwirklichen.
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zukunft forschung 01/15 27
WASSERBAU
Eisbach durch einen glcklichen Zufall zu einer perfekten Welle
fhrte. Gemeinsam mit der Klner Firma Dreamwave entwi-ckelten und
simulierten die Wissenschaft-ler um Markus Aufleger ein Konzept fr
den Bau einer knstlich erzeugten, ste-henden Welle. Ein
wesentlicher Faktor hierbei ist der Abfluss des Wassers: In einem
natrlichen Fluss ndert sich die-ser stndig; es hngt von
Niederschlag, Schneeschmelze und mglicherweise auch vom Betrieb
wasserbaulicher Anla-gen wie Wasserkraftwerken ab, wie-viele
Kubikmeter Wasser pro Sekunde in einem Fluss abflieen und wie hoch
der Wasserstand ist. Nur in knstlichen und vollstndig regulierten
Wasserlu-fen wie beispielsweise dem Mnchner Eisbach sind
durchgehend konstante Ablufe ber die Zeit mglich, erklrt Markus
Aufleger. Das Wellenkonzept von Dream wave kann durch
Verstellbarkeit auf wechselnde Abflsse reagieren.
PrzisionsarbeitDie Herausforderung fr die Wellenbauer liegt
darin, dass eine zum Surfen geeig-nete stehende Welle nur in einem
sehr engen Definitionsbereich entsteht. Der spezifische Abfluss
muss sehr genau zu einem bestimmten Hhenunterschied zwischen Ober-
und Unterwasser passen. Nur dann kann sich hydraulisch eine
ste-hende Welle einstellen, erlutert Aufle-ger. Eine gut nutzbare
Welle entsteht laut dem Wissenschaftler nur bei guten
An-strmbedingungen, einer gut gefhrten direkten Zustrmung und bei
einer aus-reichend groen Wassertiefe der Welle.
Diesen Zusammenhang haben wir in einer Vielzahl von
Modellversuchen, aber auch numerischen Berechnungen untersucht,
berichtet der Wissenschaft-ler. Um die stehende Welle an mglichst
vielen Tagen bei unterschiedlichen Ab-flussverhltnissen nutzen zu
knnen, ist eine verstellbare Wellenstruktur von Vor-teil. Gemeinsam
mit der Wellenbaufirma Dreamwave entwickelten Markus Aufle-
ger und sein Team eine rampenhnliche Konstruktion, die durch
Verstellbarkeit den Oberwasserstand solange variieren kann, bis
sich eine stabile stehende Welle einstellt.
Mithilfe dieser Konstruktion kann ein Aufstau erzeugt und der
Abfluss ber die Rampe beschleunigt werden, so Aufle-ger. Durch eine
Zusatzrampe am Ende der Rampe kann die Form der Welle dann noch
variiert beziehungsweise feinjustiert werden. Im Laborversuch
stellten die Wissenschaftler auch fest, dass schon ge-ringfgige
Vernderungen des Verhlt-nisses zwischen Abfluss und dem
Unter-schied zwischen Ober- und Unterwasser zu einem
lebensgefhrlichen Rcklauf fhren knnen. Diese Situation muss
unbedingt verhindert werden. Da der Rcklauf im Vergleich zu einer
stehenden Welle sehr unspektakulr aussieht, wird die Gefahr oft
unterschtzt, beschreibt der Wissenschaftler.
MachbarkeitsstudienGemeinsam mit seinem Team fhrte Mar-kus
Aufleger bereits zahlreiche Machbar-keitsstudien fr Gemeinden
durch. Die Wissenschaftler berechneten unter ande-rem mgliche
Flusswellen fr Scharnitz, Brixen in Sdtirol und Kempten im All-gu.
Auch fr die Stadt Innsbruck fhrten Aufleger und sein Team
Untersuchungen durch. Bei der Sillmndung wurde ver-sucht, eine
stehende Welle zu erzeugen, die aber nicht richtig funktioniert.
Aus diesem Grund ist die Stadt Innsbruck an uns herangetreten, um
die Ursache dafr zu finden, erklrt Aufleger. Un-sere Simulationen
ergaben, dass hier das Verhltnis zwischen Abfluss und
Hhen-unterschied zwischen Ober- und Unter-wasser nicht optimal ist,
wodurch ein zu-mindest zeitweise gefhrlicher Rcklauf entstanden
ist.
Inzwischen wurde ein Vorschlag zum Umbau der Wellenanlage
ausgearbeitet. Derzeit fhren die Wissenschaflter ver-schiedene
Untersuchungen, Machbar-keitsstudien und Vorplanungen fr
Flu-wellen-Projekte im Zillertal, in Mnchen, Wolfratshausen und Bad
Reichenhall durch. Die praktische Umsetzung wird bisher unter
anderem durch die nicht un-erheblichen Kosten, aber auch durch den
Umfang der erforderlichen Genehmi-gungsverfahren beschrnkt. Da die
Er-zeugung einer gut befahrbaren Welle aber fast garantiert werden
kann, ist die Realisierung unseres Konzeptes in einem greren
Projekt sicher nur eine Frage der Zeit, ist Markus Aufleger
ber-zeugt. sr
WELLIGE ANGELEGENHEITEN:Linkes Bild: Die stehende Welle im
Mnchner Eisbach ist unter Surfern weltweit bekannt.Rechtes Bild:
Konzept zur bedarfsgerechten Erzeugung stehender Wellen.
Eine zum Surfen geeignete Welle entsteht nur in einem sehr engen
Definitionsbereich. Markus Aufleger
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zukunft forschung 01/1528 Fotos: Andreas Friedle (1),
gallica.bnf.fr/Bibliothque nationale de France (1)
MUSIKWISSENSCHAFT
GUSTAV MAHLER Der am 7. Juli 1860 in Kalischt/Bhmen geborene
Musiker zhlt zu den bedeutendsten Komponisten der Sptroman-tik, war
aber auch bekannter Dirigent und als Operndirektor bedeutender
Reformer des Musiktheaters. Aufgewachsen im mhrischen Iglau, kam er
als 15-Jhriger nach Wien, wo er Klavier und Komposition studierte.
Nach der Ausbil-dung folgten mehrere Stati-onen in Europa als
Kapellmei-ster und Operndirektor, ehe er 1897 Hofoperndirektor in
Wien wurde. 1908 wechselte er an die Metropolitan Opera in New
York, drei Jahre spter starb er am 18. Mai 1911 in Wien.
EINE REISE IN MAHLERS KOPF
Anhand einer neu entdeckten Handschrift untersucht Milijana
Pavlovic die Entstehungsgeschichte von Gustav Mahlers Dritten
Symphonie und will sich auch der Bedeutung der Berglandschaft in
seinem Werk widmen.
D er Aufenthalt begann mit einer Katastrophe. Am 11. Juni 1896
war Gustav Mahler in Steinbach am Attersee angekommen, voller
Energie wollte er sich seiner dritten Symphonie widmen. Im Jahr
zuvor hatte er begonnen, die Stze zwei bis sechs waren schon
fertig, nun sollte es an den ersten gehen. Doch Mahler hatte zwar
Tatendrang im Gepck, nicht aber seine Skizzen fr den ersten Satz.
Die lagen daheim, in Hamburg. Verzweifelt schickte der Komponist
einen Expressbrief an Hermann Behn, der Freund weilte gerade an der
Ostsee. Er mge doch, bat Mahler, nach Hamburg fahren und die
dringend notwendigen Bltter nach sterreich schicken. Behn eilte in
die Hansestadt und sandte das Gewnschte an den Attersee.
Nur eine heute unvorstellbare Woche dauerte es, bis die hei
begehrten Skizzen in Mahlers Sommerdomizil eintrafen Zeit, die der
Knstler zu ntzen wusste. Nicht nur, dass er in diesen Tagen ein
weiteres Gedicht aus der Sammlung Des Knaben Wunderhorn vertonte,
sondern er befasste sich auch mit dem ers ten Satz der dritten
Symphonie, hatte eine Idee und verpasste dem ersten Satz eine
Einleitung.
Diese Einleitung nderte die Form des ersten Satzes, der danach
nicht mehr ein Hauptthema hatte, sondern zwei wichtige Themen, sagt
Milijana Pavlovic: In Mahlers ursprnglichem Konzept war der erste
Satz ein Marsch mit dem Namen Der Sommer marschiert ein. Mit der
nderung beginnt die Symphonie nun mit dieser Einleitung, so als ob
aus der Stille allmhlich das Leben auf der Erde entsteht. Wie der
begnadete Komponist diese Ideen in Noten zu Papier brachte,
untersucht Pavlovic unter anderem, finanziert ber ein
LiseMeitnerStipendium des FWF, am Institut fr Musikwissenschaft der
Universitt Innsbruck seit einigen Jahren genau. Und das
exklusiv.
Whrend meiner Dissertationszeit in Italien habe ich zufllig
gehrt, dass ein privater Sammler im Besitz eines MahlerManuskripts
ist, erinnert sich die Musikwissenschaftlerin. Bei Mahler komme das
immer wieder vor, sagt sie, dessen Frau, Alma MahlerWerfel, habe
nach seinem Tod immer wieder Dokumente verschenkt: Dadurch sind die
OriginalHandschriften weit verstreut die Fragmente des ersten
Satzes etwa sind im Besitz der Stanford University und teilweise,
da in Privatbesitz, auch schwer zu finden. Pavlovic jedenfalls
hatte groes Glck, der Sammler erlaubte ihr, das Dokument zu sehen.
2007 warf sie erstmals einen Blick auf das MahlerOriginal: Ich
wusste sofort, dass dieses A3Blatt eine absolute Neuigkeit ist.
Zwar fehlt der Anfang, doch die Spanne von Takt 21 bis Takt 163
findet sich auf der handgeschriebenen Skizze, vor allem aber ist
sie sozusagen das direkte VorBlatt einer anderen Skizze vom Juni
1896, die sich in der sterreichischen Nationalbibliothek
befindet.
Genaue DatierungZwischen diesem neu aufgetauchten Blatt und
jenem aus Wien fehlt kein einziger Takt. Somit konnte ich meinen
Fund datieren und zwar auf die Tage nach dem 11. Juni 1896,
beschreibt Milijana Pavlovic ihre Recherche, welche die Bedeutung
des Funds die erste Niederschrift der Ideen zur Einleitung
besttigte. So ein Dokument als erste in Hnden zu halten, ist
wahrscheinlich der grte Moment in der Karriere einer
Musikwissenschaftlerin, strahlt Pavlovic, die vom Besitzer der
Handschrift die exklusive Das ist nicht selbstverstndlich.
Erlaubnis erhielt, diese wissenschaftlich zu analysieren.
Als faszinierende Entdeckungsreise in den Kopf Mahlers
bezeichnet Pavlovic ihre Arbeit, die auch zeigt, dass die
wichtigsten Ideen fr die Einleitung sofort da waren, aber auch
schon Details, etwa fr die Klang
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zukunft forschung 01/15 29
MUSIKWISSENSCHAFT
Ich wusste sofort, dass diese Handschrift von Gustav Mahler
eine absolute Neuigkeit ist. So ein Dokument als erste in
Hnden
zu halten, ist wahrscheinlich der grte Moment in der Karriere
einer Musikwissenschaftlerin.
Milijana Pavlovic
farbe. Man kann das aus Mahlers Anmer-kungen ableiten. Natrlich
gab es immer wie-der nderungen, das Gerst war aber sofort da, ist
Pavlovic berzeugt. Ein Gerst, ber das Mahler selbst in jenen Tagen
zu seiner Freundin Natalie Bauer-Lechner sagte: Das ist schon
beinahe keine Musik mehr, das sind fast nur Naturlaute. Und
schaurig ist, wie sich aus der unbeseelten, starren Materie heraus
ich htte den Satz auch nennen knnen: Was mir das Felsgebirge erzhlt
allmhlich das Leben losringt, bis es sich von Stufe zu Stufe in
immer hhere Entwicklungsformen diffe-renziert.
Naturlaute Die Anregungen zu diesen Naturlauten holte sich der
begeisterte Wanderer und Bergstei-ger direkt aus der Natur Dass ich
mir auch noch das Hllengebirge in die Tasche stecken wrde, wer htte
das gedacht, meinte Mah-ler am 27. Juni 1896 zu Natalie
Bauer-Lechner. Tags darauf war Mahler mit der Symphonie fertig,
nachdem er mit dem Eintreffen der Skizzen am 19. Juni seine Arbeit
am ersten Satz fortgesetzt hatte.
Ihre Arbeit fortsetzen wird auch Milijana Pavlovic und sich der
Bedeutung der Berg-landschaft in Mahlers Werk widmen. Mahler nutzte
den Sommer zum Komponieren, zur Inspiration suchte er sich passende
Ferien-orte. Die Mahlerforschung sieht diese bisher als reine
Urlaubsorte, ich glaube aber, dass es kein Zufall ist, dass diese
immer im oder nahe beim Gebirge waren, sagt die Mahler-Exper-tin.
Die Berge werden vom Bergsteiger Mahler aber nicht romantisch
verklrt, sondern sind ihm mehr ein Symbol des vlligen Alleinseins,
wo von Mahler immer wieder in seine Sym-phonien eingebaute
Kuhglocken der letzte Gru lebender Wesen sind.
Was der Komponist damit meint, wei Mi-lijana Pavlovic aus
eigener Erfahrung Ich bin so oft es geht in den Bergen. ah
MILIJANA PAVLOVIC, Jahrgang 1980, stammt aus Mrkonji Grad im
Westen von Bosnien und Herzegowina. Sie studierte an der Universitt
von Banja Luka Englische Sprache und Literatur und beendete ihr
Studium im Jahr 2004. Ihre Dissertation schrieb Pavlovic ber Gustav
Mahler und schloss diese 2009 in Italien am Department fr
Musikwissenschaft der Universitt Ferrara ab. An die Universitt
Innsbruck kam Pavlovic ber ein Lise-Meitner-Stipendium des FWF
(Fonds zur Frderung der wissenschaftlichen Forschung), mit dem sie
von 2013 bis Februar 2015 ber die von ihr entdeckte Skizze von
Gustav Mahler arbeiten konnte, zwei Aufstze zum Thema sind in
Vorbereitung. Zur Zeit ist Milijana Pavlovic Lehrbeauftragte am
Institut fr Musikwissenschaft der Universitt Innsbruck.
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zukunft forschung 01/1530 Foto: Andreas FriedleFoto: Andreas
Friedle
WISSENSTRANSFER
PIDDER JANSEN-DRR, geboren 1956 in Kraiburg, studierte Biologie
an der Universitt Mnchen. Bevor er im Jahr 1998 als Leiter der
Arbeitsgruppe Mole-kular- und Zellbiologie an das
Forschungsinstitut fr Biomedizinische Alternsfor-schung wechselte,
war er unter anderem am Deutschen Krebsforschungszentrum in
Heidelberg ttig.
KOOPERATION MIT NEUEN BIOMARKERNForscher der Uni Innsbruck
arbeiten mit dem Diagnostik-Unternehmen Mikrogen an einem neuen
Test zur Frherkennung des Zervixkarzinoms.
I n Kooperation mit der deutschen Mikro-gen GmbH hat die
Arbeitsgruppe um Pid-der Jansen-Drr vom Forschungsinstitut fr
Biomedizinische Alternsforschung einen neuen diagnostischen Test
zur Frherken-nung des Zervixkarzinoms entwickelt, der nach
Abschluss der klinischen Validierung in den nchsten Jahren auf den
Markt gebracht werden soll. Ausgehend von der Beobach-tung, dass in
Biopsien von Gebrmutterhals-krebs regelmig eine hohe Expression des
E7-Onkoproteins von menschlichen Papil-lomviren (HPV) der
Hochrisikogruppe nach-weisbar ist, wurde ein Projekt geschaffen, um
gemeinsam mit Mikrogen ein neues Verfahren fr die Frherkennung des
Zervixkarzinoms zu entwickeln.
Der Kernpunkt der neuen Technologie be-steht in dem direkten
Nachweis bestimmter viraler Proteine als E7-Proteine bezeichnet in
Zervixabstrichen. Da die E7-Proteine ur-schlich zur Entstehung des
Zervixkarzinoms beitragen, wird mit diesem diagnostischen Verfahren
eine beginnende Tumorentstehung zum frhestmglichen Zeitpunkt mit
einem krankheitsrelevanten Biomarker festgestellt.
Diese Technologie grenzt sich vom Stand der Technik durch ein
berlegenes Design so-wie erhhte Sensitivitt und Spezifitt ab, da
mit derzeit bestehenden Methoden wie dem Nachweis der DNA von
menschlichen Papil-lomviren oder Surrogatmarkern nicht zwi-schen
einer vorbergehenden HPV-Infektion und dem Beginn eines von humanen
Papil-lomviren induzierten Tumors unterschieden werden kann.
Auszeichnung fr KooperationDas Forschungsteam um Jansen-Drr
wurde im Frhjahr in Wien mit dem Janssen Special Award fr
Kooperationsprojekte zwischen Wirtschaft und akademischer
Forschung, die eine besondere Relevanz fr die medizinische
Versorgung der Zukunft haben, ausgezeich-net. Der Preis ist mit
4.000 Euro dotiert. Mit dem Janssen Special Award wollen wir dazu
beitragen, Wissenschaftler zu motivieren, neue Wege zu beschreiten
und Kooperationen einzugehen, um so ihre Ideen erfolgreich
um-setzen zu knnen, erklrte Erich Eibenstei-ner, Geschftsfhrer von
Janssen sterreich, die zugrunde liegende Motivation. cf
-
zukunft forschung 01/15 31Fotos: Christian Ebner (1), Stillalive
Studios (1), Eva Fessler (1)
UNI & PRAXIS
D ie Wissenschaft in die Praxis zu integrieren, ist das Ziel von
Bio-TreaT, einem Spin-off Unterneh-men der Uni Innsbruck. Das
Knowhow von sechs Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird
direkt zur Pro-blemlsung von konkreten Fragestel-lungen des Marktes
eingesetzt. Im Be-reich Umwelttechnik engagieren sich Alexander
Knapp, Geschftsfhrer des neu gegrndeten Unternehmens, und fnf
weitere Gesellschafter. Angeboten werden Leistungen in allen
Bereichen der Umwelttechnik, denn die Kompe-tenzen der Experten
decken eine groe Bandbreite ab. Uns ist es ein Anliegen, die Leute,
die zu einem Thema arbeiten, zusammenzubringen. Aus dem engen
Kontakt zur Praxis entstehen viele Ideen fr neue Produkte und
Dienstleis-tungen, die wir zielgerichtet entwickeln knnen, erklrt
Christian Ebner, Gesell-schafter von BioTreaT. BioTreaT versteht
sich als Unternehmen, das forschungs-nahe Beratungsleistungen fr
Nischen-mrkte im Bereich der Umwelttechnik anbietet. Dazu zhlt etwa
eine entwi-ckelte Messung, die es erlaubt, das nutz-bare Volumen in
einem Faulturm zu messen, ohne auf-wndige Tauch-gnge durchfh-ren zu
mssen. BioTreaT ist vom Konzept jeden-falls berzeugt: Wir sind hier
mit Leib und Seele dabei und hoffen, dass das auch un-sere
Kundinnen und Kunden sp-ren.
SON OF NOR EINE INNOVATIVE SPIELIDEE
Ende Mrz wurde das Computerspiel Son of Nor verffentlicht. Die
Innsbrucker Stillalive Studios haben das neue Spiel mit
Untersttzung von CAST und nach einer erfolgreichen
Crowdsourcing-Kampagne in den vergan-genen vier Jahren entwickelt.
Das neue Computerspiel spielt in einer Wste und bringt eine
innovative Neuerung: Nutzerinnen und Nutzer werden in die Lage
versetzt, ihre Spielumgebung dynamisch und in Echtzeit zu verndern.
Durch Terraforming lassen sich mit dem Wstensand nicht nur neue
Wege schaffen, sondern auch Tunneleingnge blockieren oder Gegner
und Gebude vergraben. Die Stillalive Studios wurden vom Physiker
und Alumnus der Uni Innsbruck Julian Mautner in Innsbruck gegrndet
und sind heute ein internationales Unternehmen mit 16
Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern, die verstreut ber den gesamten
Globus zusammenarbeiten.
N eue Kunsteisbahnen werden selten und wenn, dann nur fr
internationale Groereignisse gebaut, weil ihre Errichtung mit
Kosten von mehr als 100 Millionen Euro verbun-den ist. Die von
Werner Nachbauer und seinem Team vom Institut fr Sportwis-senschaft
im Zuge eines K-Regio-Projekts entwickelte SledgeTubeTyrol geht von
der Idee aus, dass eine Kunsteisbahn im Grunde nur aus Kurven und
Geraden besteht, die nicht jedes Mal neu erfunden und gebaut werden
mssen. Die Kos-tenersparnis, die durch unser Baukas-tensystem
erzielt werden kann, ist enorm und erffnet dem traditionsreichen
Ro-del-, Bob und Skeletonsport in sterreich neue Mglichkeiten, sagt
Werner Nach-bauer. Aus diesem Grund hat mich die Nominierung fr den
Houska-Preis sehr gefreut. Der von der B&C Privatstif-tung
vergebene Houska-Preis ist mit ei-ner Preissumme von insgesamt
300.000 Euro sterreichs hchstdotierter privater
Forschungsfrderungspreis.
Die Sledge Tube wurde als vollstn-diges Baukastensystem
entwickelt, das einfach an die unterschiedlichsten
Ge-lndegegebenheiten angepasst werden kann. Sowohl die
vorgefertigten dnnen Spezialbeton-Schalen als auch die
um-weltvertrgliche Solekhlung mssen nur mehr montiert und nicht
mehr indi-viduell errichtet werden Innovationen, die angesichts der
strengen Normen des internationalen Rodelverbandes eine mehrjhrige
Entwicklungszeit hinter sich haben. Um nicht nur die Stabilitt,
sondern auch die Mobilitt der Teile zu gewhrleisten, wurden
spezielle, ge-krmmte Betonelemente entwickelt, die in sterreich
mittlerweile patentiert sind. An das Potenzial glaubt auch der
wichtigste Forschungspartner: Eine erste Bahn in Bludenz steht
knapp vor der Realisierung. Dieses Vorzeigeprojekt knnte viele
Folgeprojekte nach sich zie-hen, so die Einschtzung von Andreas
Kluibenschedl, Projektleiter bei RED Bernard.
FERTIGTEIL-BAHNFr die Entwicklung einer modularen Kunsteisbahn
wurden
Werner Nachbauer und sein Team beim Houska-Preis prmiert.
WISSENSTRANSFER
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zukunft forschung 01/1532 Foto: Andreas Friedle (1)
INFORMATIK
RECHNEN IM SPARBETRIEB
Computer werden immer leistungsfhiger. Mit dieser Leistung
steigt aber auch der Energieverbrauch rasant ein Problem, dem
Thomas Fahringer mit seinem Team entgegentritt.
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zukunft forschung 01/15 33
INFORMATIK
G ordon Moore ist einer der Mit-grnder des Chipherstellers Intel
und war lange Zeit in Fhrungs-positionen im Unternehmen ttig.
Be-kanntheit hat der 1929 geborene Physiker und Geschftsmann aber
durch einen wissenschaftlichen Aufsatz erlangt, der vor fnfzig
Jahren in der Zeitschrift Elec-tronics erschienen ist. Darin pos
tuliert er, was heute als Moores Law bzw. als mooresches Gesetz
bekannt ist: Die Anzahl der Komponenten auf einem inte-grierten
Schaltkreis verdoppelt sich rund alle 18 Monate, wodurch Mikrochips
im-mer leistungsfhiger werden. Moores Law trifft zumindest auf die
letzten fnf-zig Jahre zu. Ein wichtiger Aspekt wird aber
vernachlssigt: Zwar wird die Hard-ware immer kleiner und
leistungsfhiger, der Energiebedarf steigt aber ebenso, sagt
Professor Thomas Fahringer. Er ist Leiter der Forschungsgruppe
Verteilte und Parallele Systeme (Distributed and Parallel Systems,
DPS) am Institut fr In-formatik und will genau diesem
Energie-hunger von Programmen und modernen Rechnern an den Kragen.
Bemhungen in diese Richtung werden wegen ihrer umweltschonenden
Komponente unter Green IT zusammengefasst.
Steigender EnergieverbrauchThomas Fahringer arbeitetet mit
seinem Team an mehreren Projekten im Bereich der Green IT: Etwa in
Bezug auf mo-bile Systeme in einem europaweiten Grundlagenprojekt
Gemsclaim oder im erst krzlich genehmigten und noch nicht
gestarteten Horizon-2020-Projekt AllScale , das auf
Hochleistungsrech-ner abzielt. Beide Projekte teilen sich eine
Besonderheit: Wir haben eine einzig-artige Methode entwickelt, mit
der wir Programme auf mehrere Ziele hin opti-mieren knnen wir
knnen, vereinfacht ausgedrckt, ein Programm automatisch
umstrukturieren. Der Benutzer kann da-bei fr Energie und Laufzeit
eine Gewich-tung vorgeben, die von unserer Methode zur Steuerung
der Optimierung verwen-det wird, erklrt der Informatiker.
Mglich macht das der von Fahringer und seinem Team entwickelte
Compiler Insieme, mit dem die Forscher den Quellcode dieser
Programme analysie-ren und verbessern: Dadurch knnen Werte von
Programmparametern gen-dert werden, die zur Optimierung von
Lau