C066 836 Masterstudium Musikethnologie – Musikwissenschaft Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Musikwissenschaft Innsbruck Betreuer: Prof. Dr. Raymond Ammann Masterarbeit Afrikanische Musik verstehen Zur Wahrnehmung und Auffassung der Musik im Königreich Buganda, Uganda. Autor: Erich Wechner BA Prennerweg 1 6561 Ischgl Matr.: 09417444 E-Mail: [email protected]Abgabe: Mai 2019
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Afrikanische Musik verstehen - Universität Innsbruck
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ist im District Mubende gelegen, mehr abseits von der Hauptroute in einem eher sump-
figen Gebiet. In beiden Orten befinden sich Schulen von ACFC mit je einer School-
Brass-Band. Der Flughafen befindet sich in Entebbe, welches bis1962 die Hauptstadt
war.
An dieser Stelle meiner Arbeit bedanke ich mich ganz besonders beim Obmann von KEC
Stefan Pleger, der mit seiner Frau Gabi Ziller den Verein „Kindern eine Chance“ vor ca.
zehn Jahren gegründet hat. Für mich sind beide ein großes Vorbild für gelebte Humanitas
und Menschenfreundlichkeit. Ich habe beide bei verschiedenen Benefizveranstaltungen,
die ich schon Jahre vorher für den Verein organisierte, kennengelernt. Dabei ist in mir
das Bedürfnis entstanden, auch einmal eine Freiwilligenzeit in Uganda bei ACFC zu ab-
solvieren. Beide, „Gabi und Stefan“, sind Vorbilder in Sachen Menschenrechte als ge-
lebte Alltagskultur. Ein „Dankeschön“ gilt Achhorner Bernhard MA, einem wissen-
schaftlichen Mitarbeiter an der Musikwissenschaft in Innsbruck, der mich freundschaft-
lich und fachlich beraten hat. Herrn Professor Raymond Ammann möchte ich ebenso an
dieser Stelle für die wissenschaftliche Beratung und Betreuung bei meiner Arbeit einen
aufrichtigen Dank aussprechen.
II. Einleitung – Fragestellung und Methoden
Die Ausführungen von Bruno Nettl sind für den Autor sehr hilfreich und von Relevanz
bei der Erstellung der Methoden, die zum Eindringen in die Forschungsmaterie und der
Durchführung der Forschungsarbeit von großer Bedeutung.
Er stellt in seinem Werk „The Study of Ethnomusicology“3 eine vierteilige Definition der
Musikethnologie dar4:
Die Musikethnologie erforscht und studiert die Musik in einer bestimmten Kultur und
wird somit selbst zu einem Teil der zu erforschenden Kultur. Die Musikethnologie glaubt,
dass Musik ein Teil der Kultur und ein Produkt der menschlichen Gesellschaft ist.
Musikethnologie bedeutet ein Erforschen der Musik der Welt in vergleichender und re-
lativierender Weise. Sie sucht nach typischen Merkmalen der zu erforschenden Musik-
kultur.
3 Vgl. Nettl, Bruno 2006, Thirty-one Issues and Concepts zur Ethnomusicology – New Edition, “A
Credo”, Seite 12-13. 4 Ebenda, Seite 12 - 13
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Prinzipiell muss die Musikethnologie als Feldforschung betrieben werden, d.h., dass die
Wissenschaftler nicht nur die Musik konsumieren und aufzeichnen sollten, sondern mit
der Bevölkerung leben und musizieren als ein aktiver Teil der Gesellschaft der Ethnie.
Dadurch erhält der Ethnologe einen direkten Kontakt zur Entstehung, zum Gebrauch und
Gestaltung der Musik, vor allem wenn in kleinen Gruppen gearbeitet werden kann.
Musikethnologie bedeutet auch, dass das gesamte Umfeld der Gesellschaft zu erforschen
und zu berücksichtigen ist, nicht nur elitäre Gruppen.
Von zentraler Bedeutung ist für den Autor die Musikethnologie als Feldforschung, da er
auch eine Zeit mit den Kindern und Jugendlichen in Zigoti und Nateete verbracht hat.
Natürlich ist die Zeit zu kurz, um genaue Kenntnisse zur Kultur einer Ethnie und deren
Gesellschaftsstrukturen zu erreichen. Ein Verstehen ihrer Musik ist nur bruchstückhaft
möglich. Die Arbeit als Volunteer bezieht sich hauptsächlich auf den Schulbereich und
auf die Proben mit den jugendlichen Mitgliedern der „School-Brass-Band“ vorort. Zuerst
muss der Autor sich natürlich mit den örtlichen Bräuchen, aber besonders mit der Musik-
tradition beschäftigen und einen persönlichen, freundschaftlichen Zugang zu den Schüle-
rInnen finden.
Einerseits wird die Musikethnologie5 nach Nettl meist mit dem beobachteten Material
analysiert. Die zweite Möglichkeit ist, sie nach der Art der Tätigkeit zu bezeichnen, wäh-
rend die dritte Möglichkeit darin besteht, eigene Ziele festzulegen, sie zu untersuchen und
zu erforschen. Dazu gehören nach Nettl die Suche nach universalen und regional gültigen
Faktoren verschiedener Kulturen, und sowohl die Beschreibung der sogenannten Klang-
paletten (patterns of sound) als auch die Beschreibung und Erforschung der historischen
Wissenschaft der Musikgeschichte der jeweiligen Ethnie.
Die erwähnte dritte Möglichkeit wird der Autor hauptsächlich anwenden und eigene For-
schungsziele festlegen. Somit lehnt sich der Autor in seiner Arbeit an die Definitionen
von Bruno Nettl mit ähnlichen Methoden und Fragestellungen an.
Zuerst muss herausgefunden werden, wie die Gesellschaft in Buganda sich selbst
musikalisch definiert. Dabei ist es sehr wichtig, den sozialen gesellschaftlichen Struktu-
ren, dem geschichtlichen Hintergrundwissen und den religiösen Gegebenheiten des Lan-
des, in diesem Fall von Uganda bzw. dem Königreich Buganda im Süden, nachzuspüren
und sie zu durchleuchten. Zu erforschen ist ebenfalls, wie die Musik klingen sollte, bzw
ist es wichtig, die Grundkonzepte zu ermitteln, wie Musik im Zielgebiet funktioniert,
5 Vgl. Nettl, Bruno 2006, The study of ethnomusicology-Thirty-one issues and concepts, University of Illinois
Press, Seite 5 ff.
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gestaltet und von welchen Faktoren sie beeinflusst wird. Die Art des Musizierens der
Jugendlichen in der Organisation ACFC6 zu verstehen ist von großer Bedeutung für den
Autor in seiner teilnehmenden Arbeit in den folgenden Workshops. Eine Akzentuierung
auf die Erkenntnisse daraus ist dann entscheidend, um diese in den kulturellen Kontext
des Landes einzuordnen. Respekt für andere Traditionen aufzubringen ist eine wichtige
Voraussetzung dafür und soll europäische Musik egalitär betrachten. Die sozialen Kom-
ponenten der jugendlichen Waisenkinder sind natürlich ebenso zu berücksichtigen.
Die Musikstücke, die der Autor 2013 und 2014 mit der Brass-Band einstudieren will, sind
aus dem europäischen Raum und von ebensolchen Komponisten vertont und arrangiert.
Weil es ein ausdrücklicher Wunsch der afrikanischen Teilnehmer der Workshops ist, Mu-
sik kennenzulernen, die aus der Heimat des Autors stammt, wird diesem entsprochen.
2014 werden dann die Märsche „Red-Rock-March“ und der Tiroler Marsch „Dem Land
Tirol die Treue“ einstudiert. Die Unterrichtstechnik passiert dabei ausschließlich auf dem
Vor- und Nachspielen einzelner Sequenzen der Stücke, da die Workshop-Teilnehmer aus
Uganda und deren Betreuungslehrer (Trainer) keine Notenkenntnisse im europäischen
Sinn haben. Beim zweiten Workshop 2017 wird schon mit Syllabieren der Hauptmelo-
dien gearbeitet. Diese Technik wird zu einem besonderen Stellenwert der Arbeit und er-
fordert ein pragmatisches Vorgehen bei der Forschung.
Nach jedem Workshop werden die musikalischen Ergebnisse auf einem Tondo-
kument festgehalten, wobei der Autor sein eigenes Aufnahmegerät7 verwendet. Interes-
sant werden die Tondokumente erst dann, wenn sie vergleichend nach einer zeitlichen
Distanz betrachtet, beurteilt und Abweichungen nach musikalischen Erkenntnissen defi-
niert werden. Der Autor will untersuchen, ob bei der Gegenüberstellung der Tondoku-
mente afrikanische Musik-Traditionen, also afrikanische Wurzeln, zu erkennen sind. Es
sollen Differenzen und Konsense aufgezeigt werden. Dem Prozess der Differenzen der
musikalischen Darbietungen wird näher nachgegangen und eventuell in europäischer No-
tenschrift niedergeschrieben und festgehalten. Obwohl schriftliche Aufzeichnungen
fremder Ethnien in europäischer Notenschrift nicht immer befriedigend und ausreichend
sind, wird dies trotzdem versucht. Ein Faktor ist aber auf jeden Fall zu berücksichtigen,
und zwar die autodidaktische Ausbildung der afrikanischen Jugendlichen am Instrument.
6 Organisation „Kindern eine Chance “, in Uganda „A Chance for Children” 7 Vgl. Mobiles Aufnahmegerät, Field Recorder mit zwei eingebauten Mikrophonen,
https://www.soundandrecording.de/equipment/zoom-h4n-pro-field-recorder-im-test/ Aufnahmen im
Freien beim Marschieren oder in einem offenen Schulvorbau.
beit, S. 3-5. 13 Ebenda 14 Vgl. Weichs, Raphaela von, 2013, Die Rückkehr der Könige von Uganda, Politische Kultur und Mo-
derne in Afrika, Kultur und soziale Praxis, Einleitung und Schlussteil, S. 29 – 32 und S. 329 – 342. 15 Vgl. Mwakikagile 2009, Uganda, The Land and Its People, New Africa Press, Dar es Salaam, Tanza-
nia; Part One: The Land. S. 9. 16 Baganda: So werden die Einwohner des Königreiches Buganda bezeichnet. 17 Vgl. Nettl et al. 1998-, Band 1, Afrika. S 3 – 15. 18 Vgl. https://woca.afs.org/education/m/icl-for-afs--friends/6801/download. Das Wort "interkulturell"
steht oft in Verbindung mit der Interaktion oder Verbindung zwischen Kulturen, S. 1. 19 Vgl. Face Music- History of Uganda, Geschichte, S. 1
Um 1860 folgten britische Forscher20 dem Beispiel der Araber und begaben sich auf die
Suche nach den Quellen des Nil21. Darauf begannen protestantische und katholische Mis-
sionare aus Europa sehr wirkungsvoll zu missionieren. Eine zunehmende Islamisierung
durch die arabischen Einwanderer konnte ebenfalls festgestellt werden. Konnte der Islam
eigentlich wenig Fuß fassen, hatten doch die christlichen Missionare mehr Erfolg.
Uganda wurde und blieb bis heute zum größten Teil christlich. Europäische Entdecker
brachten ebenso wie die Araber und Inder viele neue Impulse ins Land.
Die Europäer gründeten in Uganda, Kenia und auf den Inseln Sansibar und Pemba
britische Protektorate. Vorwiegend suchten Europäer im 18./19. Jahrhundert Elfenbein
und Sklaven für ihre Ländereien und Plantagen in Europa und Afrika. Die Briten überlie-
ßen den traditionellen Königreichen gewisse Autonomien22 und verwalteten das Land be-
vorzugt, wie schon erwähnt, mit Beamten aus dem Königreich der Baganda. Winston
Churchill23, Unterstaatssekretär der britischen Kolonien in dieser Zeit, bezeichnete die
Baganda als ein zivilisiertes Volk, hingegen andere Ethnien tat er als „Wilde“ ab.
Im Vertrag von Berlin24 1884/85 (Berliner Konferenz) wurden die Einflussgebiete
der europäischen Staaten in Afrika erstmals genauer definiert und festgelegt25. Die Briten
bewegten viel im Land und bemühten sich um eine Entwicklung hin zur Demokratie,
verbesserten die Lebensqualität der einheimischen Bevölkerung. Von 1948 bis 1961 re-
gelte eine überregionale Körperschaft mit dem Namen „East Africa High Commission“
mit den Staaten Tanganyika (heute Tansania), Kenya, Uganda und Zanzibar (Sansibar,
ein halbautonomer Teilstaat von Tansania) die Zusammenarbeit in Ostafrika. Das „Head-
quarter“ der Kommission, stationiert in Nairobi – Kenya, verwaltete die ostafrikanischen
Eisenbahnen, Häfen, Post und Telekom, sowie kulturelle Institutionen in Ostafrika. Spä-
ter, also um 2000/2001, gründen dann die Staaten Uganda, Kenia und Tansania die „East
African Community“ EAC, der sich 2007 auch der Südsudan, Burundi und Ruanda an-
schlossen. Die EAC setzte sich zum Ziel, wirtschaftlich und kulturell eine enge Zusam-
menarbeit der sechs Staaten zu erreichen, wobei alle Entscheidungen im Konsens zu
20 Ebenda 21 Vgl. Speke, John Hanning; Rusch, Walter 1995, Die Entdeckung der Nilquellen, Berlin, ed. Ost, Auszüge und
Übersicht aus 351 Seiten Übersicht. 22 Ebenda, Fußnote 34. 23 Ebenda 24 Vgl. Berliner Konferenz. Die Kongokonferenz fand vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885
auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Bismarck in Berlin statt und sollte die Handelsfreiheit am
Kongo und am Niger gewährleisten. Sie wird auch als Berliner Konferenz bezeichnet und regelte die Ko-
lonialherrschaften der Europäer in Afrika. Siehe: http://www.berlinpostkolonial.de/cms/index.php/com-
ponent/content/article?id=49:wilhelmstrasse-77, April 2018. 25 Vgl. Face Music- History of Uganda, http://www.face-music.ch/inform/history_uganda_de.html
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treffen sind. In der Londoner Unabhängigkeitskonferenz26 1961 entstanden erste Bestre-
bungen seitens der Königreiche in Uganda, eine Selbständigkeit gegenüber dem Briti-
schen Protektorat zu erreichen. Uganda wurde innerhalb des Commonwealth27 unabhän-
gig und 1963 zur Republik erklärt. 1966 setzte Milton Obote28 als erster einer langen
Reihe von Machtfiguren, wie z.B. Idi Amin und auch der jetzige Langzeitpräsident Mu-
sevini, die Verfassung außer Kraft, kam mit Hilfe der Militärs an die Macht und ernannte
sich zum Präsidenten. Damit wurde auch der König der Ethnie in Buganda, Edward Mu-
tesa II. entmachtet, welcher in Personalunion Präsident Ugandas war.
Idi Amin29 wurde bald der aufstrebende Stern am Politikhimmel. Unter seiner dik-
tatorischen Militärherrschaft von 1971 bis 1979 fanden mehr als 250.000 Menschen den
Tod. 1972 blieben den Asiaten30, die schon seit 1912 ins Land eingewandert waren, genau
neunzig Tage, um das Land zu verlassen, und sie durften nur das mitnehmen, was sie am
Leib tragen konnten. Wer unter Verdacht stand, seinem Regime kritisch gegenüberzu-
stehen, wurde sofort erschossen oder eingesperrt. Idi Amin brachte dem Land eine brutale
Diktatur mit blutrünstiger Herrschaft, der er dann auch selbst zum Opfer fiel. Die Tansa-
nischen Kriege, gleichfalls von Idi Amin 1978 provoziert, lieferten die Menschen erneut
einer brutalen Schreckensherrschaft aus. Amin floh 1979 zunächst nach Libyen, später in
den Irak. Im Exil in Saudi-Arabien starb er 2003. Die politischen Proteste in verschiede-
nen afrikanischen Ländern, so geschehen auch in Uganda, können in „a long history of
people’s struggle for freedom“31 eingeordnet werden.
Der sogenannte „arabische Frühling“ von 2011 lenkte erstmals den Blick der brei-
ten internationalen Öffentlichkeit auch auf die politischen Prozesse in der „Sub-Sa-
hara“32. Das Bürgertum der Neuzeit definiert sich in einer selbstständigen, politisch und
sozial engagierten Gesellschaft, im Kampf gegen Krieg und Gewalt, in der Mitgestaltung
26 Vgl. Großbritannien, Central Office of Information Services 1962, Political progress, S. 34. 27 Vgl. Uganda Geschichte. http://www.laender-lexikon.de/Uganda_Geschichte#Unabh.C3.A4ngigkeit,
April 2018. 28 Vgl. Sandner 2016, DW Akademie, “Dann eben mit Gewalt: Wie Milton Obote Uganda prägte.“, Bonn
– Berlin. S. 1-4. 29 Vgl. Idi Amin, Biography, https://www.biography.com/people/idi-amin-9183487, April 2017. 30 Vgl. Face Music- History of Uganda, http://www.face-music.ch/inform/history_uganda_de.html, S. 2. 31 Vgl. Eberlei, Walter 2014, Einleitung, Wirkungen und Erfolgsbedingungen zivilgesellschaftlicher poli-
tischer Arbeit in Subsahara Afrika. Springer Verlag. 32 Vgl. Eberlei, Walter 2014, Einleitung, Wirkungen und Erfolgsbedingungen zivilgesellschaftlicher poli-
tischer Arbeit in Subsahara Afrika. Springer Verlag.
eines Prozesses, der in Richtung einer gelebten Demokratie und der Einforderung ent-
wicklungsorientierter Politik33 geht.
Seit 1986 führt nun Yoveri Musevini das Land, unterstützt durch die katholische Kirche
und die von ihm tolerierten Monarchien34, die schon lange in Uganda installiert waren.
Einst selbst ein Kämpfer gegen die Langzeitherrschaften in Uganda herrscht er nun seit
mehr als dreißig Jahren und hat die Altersbeschränkung der Dienstzeiten von Präsidenten
mit dem Parlament abgeschafft. Jetzt kann er bis an sein Lebensende regieren. Minister-
präsident Yoweri Museveni, der seit 1986 und zuletzt 2016 sechs Mal im Amt bestätigt
wurde, begrüßt grundsätzlich alle Aktivitäten von „Nichtstaatlichen Organisationen“
(NGOs)35. Bei allen Besprechungen bezüglich des Schulsystems und der geplanten
Schulbauten, die vom Verein (hauptsächlich durch Obmann Pleger Stefan) von ACFC
mit dem Government geführt werden, kann durchaus eine positive Einstellung zu einer
fortschrittlichen Bildungspolitik bemerkt werden. Eine gesetzliche Schulpflicht in
Uganda ist vom Staat festgeschrieben, aber leider wird sie nicht kontrolliert und über-
wacht, obwohl die Gesetzgebung im Land immer radikaler und diktatorischer wird. Für
die Politik ist es von großer Akzentuierung, wenn sich z.B. die Schul-Brass-Band in der
Öffentlichkeit bei Aufmärschen mit Musik präsentiert und profane Feste mit Musik um-
rahmt, denn damit gibt man der Politik die Möglichkeit zur Selbstinszenierung. Nach der
letzten Wahl schränkt der Ministerpräsident den Aktionsradius der NGO’s gewaltig ein
und bringt diese mehr und mehr unter seine Kontrolle.36. Daher macht sich allmählich
eine Besorgnis in der Zivilgesellschaft des Landes breit. Zum Beispiel kann nur durch
einen Verfahrensfehler das Gesetz gegen Homosexualität von 2013 vom Verfassungsge-
richtshof zu Fall gebracht werden. In diesem Gesetz ist sogar die Todesstrafe37, zumindest
aber eine lebenslange Haftstrafe für Homosexuelle vorgesehen. Wahlbeobachter des
Commonwealth und der EU38 kritisieren ebenso die fehlende Transparenz und Unabhän-
gigkeit der Wahlkommissionen.
33 Ebenda 34 Vgl. Weichs, Raphaela von, 2013, Die Rückkehr der Könige von Uganda, Politische Kultur und Mo-
derne in Afrika, Kultur und soziale Praxis, Einleitung und Schlussteil, S. 29 – 32 und 329 – 342. 35 Vgl. nichtstaatliche Organisation (NGO, English: non-governmental organisation) ist die Bezeichnung
für einen zivilgesellschaftlichen zustande gekommenen Interessen-Verband,
Siehe https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/nro_ngo_560.htm, Definition und Agenda 21; April 2018. 36 Vgl. Fallon, Amy 2016, afrika.info, https://afrika.info/newsroom/uganda-harte-zeiten-fuer-die-zivilge-
Für die Menschen in Uganda hat das gesundheitliche Befinden eine besondere Bewandt-
nis, denn nur wenn sie sich wohlfühlen und keine gesundheitliche Probleme haben, kön-
nen sie losgelöst von den Alltagssorgen singen und musizieren.
Daher ist die unbefriedigende Gesundheitspolitik im Land Uganda ein großes Problem.
In den 60er Jahren wird nur ein geringer Teil des BIP39 für die medizinische Versorgung
ausgegeben, was natürlich nur einem Bruchteil des Bedarfes entspricht.
Die Regierung kämpft zwar entschlossen gegen die HIV/AIDS-Erkrankungen und deren
Folgen an, doch fehlt es immer noch an der Aufklärung der Menschen, wie man dieser
Seuche Herr werden könnte. Dieser Zustand bereitet den Einwohnern viel Kopfzerbre-
chen, sie haben Angst, irgendwelche Krankheiten zu bekommen und sind daher für
jedmöglichen Aberglauben empfänglich. Dieser Aberglaube ist auch in den emotionalen
Texten profaner und religiöser Lieder zu finden.
In einem Bericht der WKO40 – Außenwirtschaft Austria von 2017 wird das Gesundheits-
wesen in Uganda folgendermaßen beschrieben:
„Das Gesundheitswesen ist veraltet und ineffizient. Es gibt keine Krankenversicherung
für Arbeitnehmer. Nur bestimmte Behandlungen und Medikamente werden von der Re-
gierung subventioniert. Nur ausgesuchte Medikamente, wie zum Beispiel gegen Malaria
oder Verhütungsmittel, werden oft kostenlos verteilt.“
Die Musikinstrumente im Königreich Buganda werden nicht nur zur Unterhaltung,
sondern bei rituellen und mystischen Zeremonien gespielt. Die Trommel gilt für den Kö-
nig in Buganda (kabala) als ein Instrument der Macht und dafür wurden eine Reihe von
Tabus41 geschaffen, um Missbrauch zu verhindern. Ebenso gibt es immer noch Tabus für
Frauen im Umgang mit Trommeln. Grundsätzlich kann behauptet werden, und dies hat
der Autor in seiner teilnehmenden Beobachtung bei den Workshop-Teilnehmern der
Schul-Brass-Band erlebt: „Musik bringt Freude ins Leben.“
39 Vgl. Großbritannien, Central Office of Information Services 1962, Uganda: The Making of a Nation, Lon-
don, Health S. 25 ff. 40 Vgl. Außenwirtschaft der WKÖ von 2017, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/ug, S. 3-11. 41 Vgl. Traditional Instruments of the Uganda people, Die Trommel der Schwarzafrikaner, Saus, Wolf-
gang, Melatener Str. 92, D-52074 Aachen, Face Music - History of Uganda, Bericht von Alfdaniels
Mabingo - Kampala/ New York 2012. Februar 2019.
http://www.face-music.ch/instrum/uganda_drumde.html. S 2-3
Jüngste Grabungen in Kiboro,46 nahe am Albertsee, zeigen jahrhundertlange Besiedlun-
gen in verschiedenen Dörfern.
Mehr als 100 Millionen Menschen leben in dieser Region47, wobei ihre Art zu leben und
ihre Herkunft sehr variieren, wie überall in Afrika. Nomaden und Halbnomaden, Ethnien
aus Indonesien, islamische Araber und europäische Einflüsse konnten Wissenschaftler
bis zum 20. Jahrhundert erforschen und registrieren.
Für Musikforscher in Afrika ist es wichtig, sich mit dem Sprachenbild des Kontinents
und seinen historischen Veränderungen zu befassen, denn eine Liierung und Interpendenz
von Musik und Sprache bedeutet eine wichtige Konstante in der Musikgeschichte Afri-
kas48. Die afrikanischen Sprachen sind mehrheitlich sogenannte Tonsprachen, in der to-
nale Phänomene eine distinktive Funktion erfüllen49. Diese tonalen Phänomene besitzen
lexikalische wie grammatische Unterschiede und werden nach Wilhelm Möhlig50 in Re-
gistertonsprachen und Dynamischen-Tonsprachen unterteilt. Die Töne der Registerton-
sprachen sind hoch, mittel und tief, dynamische Töne sind steigend, fallend, tief-hoch
steigend und hoch-mittel fallend.
Die ursprüngliche Bevölkerung51 Ugandas ist eine Mischung zwischen Bantus,
Nilotics52 und Hamitics53. Historische Migrationen54 über große Distanzen prägen das
Sprachen-Bild, wobei intensive Prozesse der Transkulturation im Bereich der Musik und
Tanz stattfinden.. Hundertachtzehn verschiedene Sprachen (Dialekte) und in diesem Zu-
sammenhang auch ähnlich verschiedene Musikstile können registriert werden. Niloten
aus dem Süden des Sudan siedeln sich auch in Uganda an und sind eine Bantu-sprechende
Ethnie. Bantu-Sprachen beginnen sich erst später zu entwickeln. Heute ist der afrikani-
sche Subkontinent überwiegend von bantusprachigen Populationen besiedelt, wobei der
46 Vgl. Face Music- History of Uganda, Geschichte, S. 1, Kiboro liegt am Albertsee an der Grenze von
Uganda und der Demokratischen Republik Kongo. https://www.afrikarundreise.com/albertsee. 47 Vgl. Nettl et al. 1998- The Garland encyclopedia of world music, East Africa: An Introduction, Cooke,
Peter; S. 598. 48 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361, Historischer Ansatz, Quellen und Hypothesen 49 Ebenda, Musik und Sprache. 50 Vgl. Möhlig, Wilhelm J.G. (1983b). Tonsprachen. In: Jungraithmayr, Herrmann/Möhlig, Wilhelm
J.G.(Hrsg.). Lexikon der Afrikanistik. Berlin: Reimer.245-247 51 Vgl. Großbritannien, Central Office of Information Services 1962, Population, S.2ff. 52 Vgl. Nettl et al. 1998- The Garland encyclopedia of world music, East Africa: An Introduction, Cooke,
Peter; S. 599.
Unter den Nilotics versteht man jene afrikanischen Völker, die nilotische Sprachen sprechen. Die Niloten
waren ursprünglich Bauern und Viehzüchter am Nil. 53 Vgl. Sanders 1969,The Journal of African History Vol. 10, No. 4 (1969), pp. 521-532. 54 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361, Ethnien, Sprachen und allgemeine Geschichte.
ostafrikanische Raum unter starken nilotischen Einfluss steht. Ostafrika ist durch eine
unregelmäßige Sprachgrenze55 zweigeteilt. Sie verläuft quer durch Uganda. Südlich die-
ser Linie spricht man Bantu-Sprachen56. Die sogenannte „Bantu-Linie“57 geht also vom
Osten westwärts quer durch Zentral-Uganda bis in den Süden Kongos. Die bekannteste
und als Verkehrssprache die am häufigsten gesprochene Bantusprache ist Swahili (auch
Suaheli, Kiswahili oder Kisuaheli).
In der angeführten Karte über die „Verbreitung der Bantusprachen“ sind die Staaten mit
einer Bantu-Sprache dargestellt. Im Norden findet man die „Ganda“58, welches die Be-
zeichnung für die Bevölkerung des Königreichs Buganda am Viktoriasee ist.
Abb.: Die Verbreitung der Bantusprachen59, Seite 79.
55 Ebenda. 56 Ebenda. 57 Nettl et al. 1998- 599. The Garland encyclopedia of world music, East Africa: An Introduction, Cooke,
Peter; S. 599. 58 Ganda oder Baganda sin die zahlenmäßig größte ethnische Gruppe Ugandas. 59 Vgl. Heine, Bernd,1981; Die Sprachen Afrikas mit zahlreichen Karten und Tabellen, Hamburg, H.
Buske, Studienausgabe 1981, 1. Teil; S. 79
20
In Uganda wird diese Sprache auch mit Luganda bezeichnet. Dies ist die verbreitetste
Bantu-Sprache, besonders in den südlichen und zentralen Landesteilen in Uganda, welche
von fast allen Einwohnern verstanden wird. Dazu zählen vor allem die Kulturen der Ba-
ganda, Basoga und Nkore60 im südlichen Teil Ugandas. Malcolm Guthrie,61 (*1903 - †
1972 London), ein britischer Linguist, beschäftigt sich insbesondere mit den Bantuspra-
chen. Er zählt zu wichtigsten Bantuisten des 20. Jahrhunderts.
3. Uganda – Musikgeschichte
Die Musikgeschichte62 im subsaharischen Afrika ist mit der Populationsgeschichte,
der Geschichte der Diffusion, der Entlehnung und Innovation auf dem ganzen Kontinent
verbunden. In Ostafrika kamen die einwandernden bantusprachigen Populationen mit den
später dazu gekommenen Populationen der Niloten63 in Kontakt. Von den Anfängen, die
sich zeitlich nie genau präzisieren lassen, bis zum Einsetzen der kolonialen Ära im spä-
teren 19. Jahrhundert verändern sich die Musikkulturen des subsaharischen afrikanischen
Raumes ständig, vermischen sich, werden umgruppiert und rekreiert. Teilweise werden
„Fremdeinflüsse“ aus verschiedenen Teilen der Welt mit einbezogen64. Erst im 20. Jahr-
hundert finden in der Erforschung der Musikgeschichte Afrikas neue Quellentypen Ein-
gang, wie Tonaufnahmen und Filme, also auditive und visuelle Hilfsmittel aller Art wer-
den verwendet. Wie schon in der Sprachentwicklung in Punkt III/2 erwähnt, schreiten die
verschiedenen Musikkulturen immer analog mit der Veränderung und Entwicklung der
Sprachen weiter.
Es gibt keinen Gegensatz in der Musik zwischen dem „schwarzen“ und „weißen“
Afrika im Norden.
60 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361, Historischer Ansatz, Quellen und Hypothesen 61 Vgl. Malcolm Guthrie and the Reconstruction of Bantu Prehistory. History in Africa, Jahrgang 7,
doi:10.2307/3171657, September 2018, S. 81-118. 62 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361,, Migration von Populationen und Diffusionen von Kul-
turgütern 63 Vgl. Kubik, Gerhard 1988, Zum Verstehen afrikanischer Musik, Ausgewählte Aufsätze, Leipzig, Rec-
lam, Bd Nr. 1251., S. 313 - 317 64 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361, Historischer Ansatz, Quellen und Hypothesen.
Die kulturelle Heterogenität65 der nie isoliert gewesenen Ethnien kommt daher, dass Af-
rika schon seit vorgeschichtlicher Zeit ein Kontinent der Wanderungen, der Kultur- und
Handelsbeziehungen und Invasionen war. In Uganda leben, wie im Kapitel III/2 der „Ge-
schichte Ugandas“ erwähnt, bis zu vierzig verschiedene Ethnien mit unterschiedlichen
Sprachen und Kulturen. Diese Kulturen66 bilden ein Netz von unterschiedlichen, doch
sehr verwandten Traditionen mit divergierenden Stilrichtungen der Aufführungspraxis
und des Brauchtums und doch wieder mit gemeinsamen Merkmalen im Kontext.
Jede Musik besteht in einem kulturellen Kontext67. In der Vergangenheit wurde von man-
chen Musikforschern die hohe „Funktionalität“ der Musikpraxis in Afrika sogar als Dis-
kriminierung gegenüber der sogenannten europäischen Kunstmusik hervorgehoben. Af-
rikanische Musik68 zu erforschen bedeutet demnach, sich mit einem in sich geschlossenen
und doch mannigfaltigen Komplex zu beschäftigen, wobei bestimmten Zyklen69 im Jahr
und im Leben einer jeden Ethnie eine bedeutende Rolle zugewiesen wird. Jahreszyklen
sind meist von ökologischen Gegebenheiten bestimmt, welche im Dorfleben von Belang
sind, während Lebenszyklen, wie schon der Begriff aussagt, für die einzelnen Individuen
in Verbindung mit der Dorfgemeinschaft relevant sind.
Die Festlegung der territorialen Grenzen im 19. Jahrhundert (Berliner Konferenz 1884)
ignoriert die Zusammengehörigkeit der einzelnen eingeborenen Ethnien, was zu Kompli-
kationen im kulturellen Zusammenleben der Gruppen führt. Das östliche Afrika70, cha-
rakterisiert durch gemeinsame Instrumentaltypen, differiert immer von Westafrika71.
Durch Wanderungen von Ethnien mit ihren Musikinstrumenten, bestimmt durch ökolo-
gische und politische Fakten, durch Kulturkontakte72 mit dem Mittelmeerraum mit seinen
arabischen und europäischen Einflüssen, dem Islam und dem Christentum, entsteht eine
Vielfalt von Musikstilen. Sakrale Königtümer73, wie zum Beispiel Buganda im südlichen
65 Vgl. Oesch et al. (1987), Außereuropäische Musik, Afrika südlich der Sahara, Band 9, S. 401 66 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena 1979, Die Musik Afrikas, Wilhelmshaven – Heinrichshofen,
Taschenbücher zur Musikwissenschaft, Bd. Nr. 59, S. 13. 67 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361, Musik im kulturellen Kontext – Einleitung. 68 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena 1979, Die Musik Afrikas, Wilhelmshaven – Heinrichshofen,
Taschenbücher zur Musikwissenschaft, Bd. Nr. 59, S. 13. 69 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361,Musik im kulturellen Kontext – Jahreszyklus – Lebens-
zyklus. 70 Vgl. Uganda Geschichte. http://www.laender-lexikon.de/Uganda_Geschichte#Unabh.C3.A4ngigkeit,
Unabhängigkeit, April 2018, S. 1. 71 Ebenda 72 Vgl. Oesch et al. (1987), Außereuropäische Musik, Afrika südlich der Sahara, Band 9, S. 431 73 Ebenda S. 432.
Uganda, haben eine große Anzahl von Instrumenten für ihre Musik am Hof in Gebrauch:
Flötenensembles, zwölfstäbige Holmxylophone, Trommeln (mit bestimmter und unbe-
stimmter Tonhöhe) Xylophonensemble, auch „amadinda“ genannt.
Historiensänger am Hof von Buganda begleiten ihren Gesang mit der achtsaitigen Bo-
genharfe.
Abb.: https://cdn.britannica.com/700x450/13/5813-004-E075336D.jpg Ugandan musican playing ennanga
– achtsaitige Bogenharfe, G. Kubik.
Der spielende Solosänger74, abends beim Feuer sitzend, von einem Chor tanzender Mäd-
chen unterstützt, improvisiert über aktuelle Ereignisse und überbringt damit Neuigkeiten
für die Zuhörer des Dorfes.
Über historische Migrationen von Musikinstrumenten weiß die Forschung einigermaßen
Bescheid75. So gelangen die verschiedenen Harfenarten vom ägyptischen Raum durch
Niloten-Ethnien76 ins Zwischenseengebiet Ugandas. Die Verbreitung von Instrumenten-
typen mit besonderen musikalischen Merkmalen und Eigenheiten erfolgt über alle Gren-
zen und größeren Gebiete, aber nicht isoliert. Rege kulturelle Interaktionen zwischen den
Musikstilen verschiedener Kulturen Afrikas befruchten und ergänzen sich gegenseitig.
74 Vgl. Oesch et al. (1987), Außereuropäische Musik, Afrika südlich der Sahara, Band 9, S. 431 75 Ebenda 76 Vgl. http://www.ostafrika-forschung.de/1999/2Exkursionsreferate/refmargeit/refmargeit.htm#22nilot,
Es gibt nicht eine afrikanische Musik, sondern afrikanische Musikkulturen77. Denn jede
ethnische Gruppe hat ihre eigene Musik. Forscher können eine erstaunenswerte Fülle mu-
sikalischen Schaffens feststellen. Allein die Tonsysteme78, in denen sich das melodische
Geschehen abspielt, sind unzählig. Von Tonleitern im europäischen Sinne kann man in
der afrikanischen Musik nicht sprechen79. Die meisten Skalen decken sich nicht mit den
europäischen Leiter-Tönen, denn oft waren es nur Grundton, Oktave und Quarte. So er-
geben sich bei Messungen der Tonhöhen80 bei verschiedenen Aufnahmen an unterschied-
lichen Tagen mit gleichen Musikern und Instrumenten grob abweichende Aussagen. Af-
rikanische Musikkulturen81 kennen das Stimmen von Instrumenten nach einer hierarchi-
schen Ordnung der Töne, die sich in der sozialen und familiären Struktur wiederfinden.
Die einzelnen Töne werden wie Mitglieder einer Familie aufgefasst, wobei der erste Ton
der „Chef“ der Familie ist, nach dem dann nach oben und unten gestimmt wird. Die Be-
gleitung zu den Liedern und den Tänzen funktioniert nach sehr unterschiedlichen, har-
monischen und rhythmischen Vorstellungen, ist in den einzelnen ethnischen Gruppen
sehr gegensätzlich und bewirkt daher einen großen Wiedererkennungswert.
Was bedeutet interkulturelles Verstehen afrikanischer Musik, also „Verstehen“ in Rela-
tion zu Konventionen, Verhaltensnormen in der Gesellschaft?
„Verstehen“ ist kulturgebunden und daher übertragbar. Um „Verstehen“ zu erlangen,
muss ein kultureller Zusammenhang hergestellt werden. Daher wird Musik zur Projekti-
onsfläche verschiedener Emotionen82. Ethnien empfinden Gesänge anderer sehr unter-
schiedlich. Sie finden sie oft traurig oder lebhaft etc. und sind dann erstaunt, wenn in den
Texten kein Hinweis darin zu finden ist. Ein Beispiel dafür finden wir auch in der afro-
amerikanischen Musik, in der die „blue-notes“ aus europäischer Sichtweise meist als
„traurig“ empfunden werden. Beim Hören afrikanischer Musik wird von Angehörigen
anderer Musikkulturen (z.B. Europäer) im motionalen Bereich vielfach das Dargebotene
77 Vgl. Simon 1983, Musik in Afrika, Musikgestaltung in Afrika, Gerhard Kubik, Seite 27ff 78 Ebenda 79 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara,
2016-09-26, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361, Tonale Strukturen. 80 Vgl. Simon 1983, Musik in Afrika, Musikgestaltung in Afrika, Gerhard Kubik, Seite 27ff 81 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361, Tonale Strukturen. 82 Vgl. Simon 1983, Aufsatz von Gerhard Kubik „Verstehen afrikanischer Musikkulturen“, Interkulturel-
als „synkopiert“ empfunden, was für den afrikanische Musiker keineswegs so ist. In Ame-
rika hat Koetting 197083 Untersuchungen mit amerikanischen und ghanaischen Tromm-
lern durchgeführt und konnte nachweisen, dass ein unterschiedliches „Verstehen“ kom-
binierter Schlagreihen für die Instrumente kaganu84, kidi und axhatsi bewusst wird. Mu-
sikschaffende und Forscher aus westlichen Kulturkreisen empfinden Schlagkombinatio-
nen der Afrikaner oft schon als „afterbeats“85, was für Afrikaner manchmal unverständ-
lich ist. Ein Grund dafür dürfte wohl sein, dass in westlichen Musikkulturen beim Erler-
nen und Einstudieren gezählt und metrisiert wird. Diese Lernprozesse kennen die afrika-
nischen MusikerInnen nicht. In Afrika gilt es immer, das Stück als Ganzes zu verstehen,
und nur die Anfangspunkte und Einsatzpunkte sowie die Pulsationen sind determiniert.
Durch Verlagerung starker Akzente86 auf „afterbeats“ entsteht ein mächtiger Zug im
Tempo und ein Steuerungspuls auf der Musik, wobei aber die beat-tragenden Instru-
mente, wie z.B. die Rassel oder Glocke, schon vom Kindesalter antrainiert werden, um
trotz der genannten Akzentuierungen einem strikten Tempo standzuhalten, gefordert ist.
Auf diese Weise wird der innere Steuerungspuls enorm entwickelt, während Angehörige
anderer Musikkulturen oft den Beat an der falschen Stelle setzen.
Afrikanische Musik ist ein System von Bewegungsmustern87. Musikalisches Ver-
stehen vollzieht sich innerhalb eines kognitiven Systems. Afrikanische Musik88 ist immer
motional geprägt. Jede Art von Musik wird durch die Musiker und das Publikum mit
Bewegungsmustern89 ausgedrückt. Eine erfolgreiche Absorption90 verschiedener Bewe-
gungsmuster ist für die Menschen in Afrika ein wichtiges Kriterium für das Verstehen
ihrer Musik. James Koetting91 schreibt 1970, Seite 119 über westafrikanische Trom-
melmusik:
[…. „The drum ensemble players, for example, learn and even perform their music from
single sounds to patterns sequences… with speech associations. world phrases, some-
times with nonsense ones…”]
83 Vgl. Anku 1997, Principles of Rhythm Integration in African Drumming, Black Music Research Jour-
nal, Jhg 17, 1997, Heft Nr. 2, S 211. 84 Vgl. Djembe und afrikanische Percussion, https://djembe-total.at/rhythmen-noten/grundlagen/ August
2018; S. 1. 85 Vgl. Kubik 1988, Zum Verstehen afrikanischer Musik, Ausgewählte Aufsätze, Zitat von Koetting
1970; Leipzig, Reclam, S. 323. 86 Ebenda S. 324. 87 Ebenda S. 324 - 325 88 Vgl. Simon 1983, Aufsatz von Gerhard Kubik „Verstehen afrikanischer Musikkulturen“, S. 315ff 89 Ebenda, S. 315. 90 Ebenda, S 315. 91 Ebenda, S. 315
Dieselben Erfahrungen erlebt der Autor in seiner Arbeit mit den Jugendlichen in teilneh-
mender Beobachtung in Uganda. Melodien neu zu erlernenden Musikstücke werden mit
Silben oder Bewegungsmustern unterlegt, meist ohne spezifische Bedeutung, nur um sich
Melodien leichter zu merken. Nicht nur in Instrumentalphasen, sondern auch der mensch-
lichen Stimme liegen organisierte Bewegungsbilder92 zugrunde.
Musik wird selten als etwas nur „Klingendes“93 verstanden, sondern steht immer
in Verbindung mit Bewegungsbildern. Bewegungsmuster 94beeinflussen immer Akzen-
tuierung und Agogik. In der Aufführungspraxis95 afrikanischer Musik „hören“ und „se-
hen“ die Umstehenden die Musik gleichzeitig, schwingen innerlich mit und partizipieren
ebenso an den nach außen gerichteten Bewegungen. Gerhard Kubik zitiert in seinem Ar-
tikel „Verstehen in afrikanischen Musikkulturen“96:
[…. „Ntalo, ein blinder Musiker in Uganda (gest. 1967), zeigte mir1962 ein Element des
akadinda-Xylophon-Spiels: Er umfasste meine die zwei Schlegel haltenden Hände mit
seinen und lenkte meine Bewegung durch indirekte Impulse, bis ich die Bewegungsmuster
der Komposition motorisch integriert hatte“ …]
Lehren und Erlernen der Bewegungsformeln erfolgt nach verschiedenen Methoden. Bei
den sogenannten akkulturierten Musikarten wie zum Beispiel der Bläsermusik aus Eu-
ropa, die der Autor mitgebracht hat, verwenden die Afrikaner die ihnen gebräuchlichen
Lernmethoden, bekannt und tradiert mit Musik aus Afrika. Bei jeder Musikaufführung,
gesanglich oder instrumental, kann in teilnehmender Funktion folgendes beobachtet wer-
den:
Die Afrikaner vollziehen dabei immer, entweder durch innerliche oder nach außen ge-
richtete Partizipation, Bewegungen zur Musik.
Gerhard Kubik spricht in seinem Aufsatz97 „Verstehen afrikanischer Musikkulturen“ von
Identitätserlebnissen mit sprachlichen und musikalischen Mustern. Musikalische Muster
haben in afrikanischen Kulturen oft verbalen bzw. syllabischen Charakter98. Melodien
werden nie so abstrakt wie in europäischen Musikkulturen verstanden, sondern die Mu-
sikerInnen und Zuhörer lassen sich in der Vorstellung stark oder weniger intensiv von
92 Ebenda, S. 315 93 Ebenda, S 315-316 94 Vgl. Simon, Artur 1983, Afrikanische Musik, eine System von Bewegungsmustern, S.315 - 316 95 Ebenda S. 317. 96 Ebenda S. 316. 97 Vgl. Simon, Artur 1983, Musik in Afrika, Aufsatz von Gerhard Kubik „Verstehen afrikanischer Musik-
kulturen“, Identitätserlebnisse von sprachlichen und musikalischen Mustern. S. 317. 98 Ebenda.
26
Wortteilen, Silben oder Phrasen, meist aber ohne verbale Bedeutung, beeinflussen.
Gerhard Kubik beschreibt in seinen Aufsätzen zu „Beziehungen zwischen Musik und
Sprache in Afrika“ von Worterweckung durch Melodiestrukturen99 und erklärt in einem
Zitat, was ein afrikanischer Musiker, der ihm das „Amadinda-Spiel“ beibringt, dazu
meint:
[„…Du kannst spielen, ohne zu wissen was du spielst. Wenn wir spielen, müssen wir
Worte hinter der Melodie hören….. dann können wir uns die Melodie leichter mer-
ken….“]
Hauptsächlich kommt diese Einstellung daher, dass die meisten Sprachen Afrikas Ton-
sprachen sind. In Tonsprachen100 haben alle Wortsilben bestimmte Toneigenschaften.
Wird auf einem Instrument eine beliebige Melodie gespielt, so erregt sie bei einem Afri-
kaner mit Tonsprache sprachliche Assoziationen. Die Wiedergabe101 der Melodien erfolgt
durch Nachahmen des Klanges der Instrumente, manchmal auch durch Sätze, deren In-
halte meist spontan aus dem täglichen Leben in allen Absurditäten, oft unverständlich,
sind. Die Weitergabe, die Wiedererkennung und das Erlernen der Musik erfolgen auch
auf diese Weise. Verschiedene Laute geben in den Sprachregionen ähnliche Kommuni-
kationswerte102, wie zum Beispiel „u-we-u-we“ für eine Flötenmelodie. Das ‚k‘ impliziert
einen plosiven Laut, Reibelaute ‚f, l‘, oder weiche, weniger mit Energie geladene Silben
wie „y“, werden meist mit einem „Legato“ assoziiert und tragen meist weniger motionale
Akzente in sich. Die Silben cha (cha-cah-chacha…der Rassel) ergeben einen regelmäßi-
gen pulsierenden Schlag, auch Beat genannt, und klingen wie „ka, ka, kaka“ etc. Tonlän-
gen werden durch bestimmte Silbenkombinationen ausgedrückt, z.B. bedeutet „ŋ“103
nach einem Vokal eine Klangverlängerung eines ausklingenden Teiles. Diese Art des
Musizierens (Singens) ist für Europäer meist erst nach längerem Aufenthalt bei einer eth-
nischen Gruppe und dann nur in teilnehmender Beobachtung zu verstehen.
Die Beziehung zwischen Musik und Sprache auf Basis der Tonhöhen, Klangfarben, der
Phrasierung und Akzentsetzung führt zu einem Identitätserlebnis104 für Musikerinnen und
Zuhörer. Erfahrungen der Identität können durch zeitnahe Ereignisse, familiäre,
99 Vgl. gl. Simon, Artur 1983, Musik in Afrika, Aufsatz von Gerhard Kubik „Beziehungen zwischen Mu-
sik und Sprache in Afrika,. S 49ff 100 Vgl. gl. Simon, Artur 1983, Musik in Afrika, Aufsatz von Gerhard Kubik „Beziehungen zwischen
Musik und Sprache in Afrika,. S 49ff 101 Vgl. Simon, Artur 1983, Musik in Afrika, Aufsatz von Gerhard Kubik „Verstehen afrikanischer Mus-
ikkulturen“, Identitätserlebnisse von sprachlichen und musikalischen Mustern. S. 317. 102 Ebenda S. 319 103 Vgl. Simon 1983, Aufsatz von Gerhard Kubik „Verstehen afrikanischer Musikkulturen“, Identitätser-
lebnisse von sprachlichen und musikalischen Mustern. S. 317ff. 104 Ebenda S. 317ff
27
beeindruckende Begebenheiten oder durch musikalische und sprachliche Akzentuierun-
gen105 im Klangspektrum einzelner Instrumente erfolgen.
Afrikanische Musikanten merken sich so die Melodien, welche dann die Grundlage für
derartige Assoziationen106 und Identitätserlebnisse zwischen Bewegungs- und Akzentu-
ierungsmustern sind, die aus verschiedenen Wahrnehmungsbereichen stammen können,
wie etwa aus dem visuellen und auditiven. Solche Phrasen können aber auch ein Aus-
gangspunkt zur Erfindung neuer instrumentaler Melodien sein. Der Musiker imitiert mit
syllabischen Formeln Tonhöhen, Tonlängen, Klangfarben etc. Als teilhabender Beobach-
ter konnte der Autor diese Phänomene bei seiner Arbeit in den Workshops mit den Ju-
gendlichen kennen und verstehen lernen.
Orale Überlieferungsquellen kombiniert K. Wachsmann 1971107 in seinen „Essays on
Music and History in Africa“ mit ikonographischen und Gegenstandsquellen und ver-
sucht so, Musikgeschichte Afrikas zu rekonstruieren. Oraltraditionen108, also mündliche
Zeugnisse, bei denen es sich um Erlebtes und Geschehenes handelt, sind ein Gemisch aus
Erinnerungen und Interpretationen.
Der Autor befasst sich hauptsächlich mit Instrumenten aus dem ostafrikanischen
Raum. Eine umfassende Beschreibung aller Musikinstrumente kann in dieser Arbeit nicht
erfolgen, sondern nur eine Einführung und ein Abriss der wichtigsten Instrumententypen
im ostafrikanischen Raum, bzw. im Zwischenseegebiet und im Speziellen im Königreich
Buganda. Nicht selten sind die Namen von Musikinstrumenten in Afrika mit dem iden-
tisch, was sie „sprechen“109, also nach der Klangfarbe oder Spielweise. Viele Instrumen-
tentypen sind fast über den ganzen Kontinent verbreitet, ebenso deren musikalische
Merkmale. Da ethnische Gruppen nicht isoliert leben, sondern untereinander Kontakte
pflegen und miteinander kommunizieren, fühlen verschiedene dieser Gruppen eine ge-
wisse Zusammengehörigkeit, ein „Dazugehören“ zur Gruppe.
105 Vgl. Simon 1983, Aufsatz von Gerhard Kubik „Verstehen afrikanischer Musikkulturen“, Identitätser-
lebnisse von sprachlichen und musikalischen Mustern. S. 318. 106 Vgl. Simon 1983, Aufsatz von Gerhard Kubik „Verstehen afrikanischer Musikkulturen“, Identitätser-
lebnisse von sprachlichen und musikalischen Mustern. S. 318. 107 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361, Oraltraditionen, schriftliche Quellen und Hypothesen
2004. 108 Ebenda 109 Vgl. Simon, Artur 1983, Musik in Afrika, Verstehen in afrikanischen Musikkulturen, G. Kubik, S.
dis) Flöten mit verschieden angebrachten Anblaselöchern, Trompeten (auch seitlich an-
geblasene Trompeten), verschiedene Idiophone (Xylophone). Ebenso erstellte Wachs-
mann112 eine größere Liste von Trommeln, wie Einhand-Trommeln, die zylindrisch ge-
bauten in unterschiedlichen Größen bis zur Basstrommel, meist zweiköpfig, auch mit
„Uganda drum“ bezeichnet, mit zwei Fellen bespannt und mit den Händen oder Sticks
bespielt“ …]
Zwei Instrumentengruppen113 haben in Ostafrika neben den Trommeln eine besonders
dominierende und verbreitete Rolle. Es sind dies die Lamellophone und Xylophone. Die
verschieden gebauten Lamellophone, die auch Zupfzungenspiele genannt werden, beste-
hen aus Lamellen (Eisen oder Bambus), welche auf einem Brett oder Kasten befestigt
sind und im Allgemeinen mit den Daumen abwechselnd angezupft werden. Diesen In-
strumententyp114 bezeichnet Kubik als eine autochthone afrikanische Erfindung.
https://en.wikipedia.org/wiki/Lamellophone - nach Hornbostel-Sachs-Systematik.
110 Vgl. Nketia 1979, Wilhelmshaven – Heinrichshofen, Kulturelle Interaktionen, Seite 17ff 111 Vgl. Wachsmann, Klaus, 1971, Essays on music and history in Africa, Northwestern University Press,
1953. 112 Vgl. Nettl, Bruno; Stone, Ruth M.; Porter, James; Rice, Timothy, The Garland encyclopedia of world
music, East Africa: An Introduction, Peter Cooke, Garland Pub, 1988, S. 599 – 603. 113 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361 Kubik 2004, Oraltraditionen, Quellen und Hypothe-
Die Djembe119 kommt eigentlich aus dem westafrikanischen Raum und hat eine becher-
förmige Form, ist einfellig und wird aus Lenke-Holz120 hergestellt. In neuerer Zeit werden
Djemben auch im europäischen Raum gespielt und sind ein beliebtes Begleitinstrument
für Schüler und Lehrer an europäischen Schulen.
Nicht alle Trommeltypen, die in Uganda vorkommen, können hier gezeigt und beschrie-
ben werden. Typische Formen im südlichen Uganda sind:
Große Trommel - Embuutu121, Kleine Trommel – Namunjoloba,
Lange Trommel – Engalabi.
Allein in Buganda können unterschiedliche Fellbefestigungen und Fellmaterialien bei
verschiedenen Trommeltypen festgestellt werden. Das Trommelfell besteht aus unter-
schiedlichen Tierhäuten, teilweise werden sogar Eidechsenhäute verwendet. Die Trom-
melfelle sind mit Holzpflöcken angenagelt und dann mit Schnüren als Spannvorrichtung
versehen.
Abb.: Billmaier, Uschi, (1999) 2007, Mamady Keïta, Ein Leben für die
Djembé - Traditionelle Rhythmen der Malinké122
Band III. - Heft 1. S. 55. 119 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361 Kubik 2004, Musikinstrumente. 120 Vgl. https://www.djembe-art.de/djembe-trommeln-holzarten.htm, August 2018. 121 Vgl. Saus, Wolfgang, Melatener Str. 92, D-52074 Aachen, Face Music - Traditional Instruments –
Uganda. März 2013, S. 1. 122 Vgl. Billmaier, Uschi, (1999) 2007; Mamady Keïta, Ein Leben für die Djembé - Traditionelle Rhyth-
men der Malinké, Arun; Auflage: 5., veränd. Aufl. (3. Oktober 2007), 1999, S. 18
Größere und kleinere Instrumentalgruppen verschiedenartiger Instrumente werden in En-
sembles zusammengeführt und bei gesellschaftlichen Anlässen gespielt, wobei erst eine
gemeinsame Stimmung, meist in der Pentatonik, dies ermöglicht.
3.2 Tonale Strukturen, Mehrstimmigkeit, Musik und Tanz
Von Tonleitern130 im europäischen Sinne kann man in der afrikanischen Musik nicht spre-
chen. Es gibt große Kulturregionen mit äquidistanter (gleichstufiger) Pentatonik und Hep-
tatonik131, bei denen die Oktave annähernd in fünf oder sieben mehr oder weniger gleich-
stufigen Intervallen unterteilt ist. In Süduganda132 werden die Holmxylophone erst un-
mittelbar vor einer Aufführung zusammengebaut, da sie immer nach dem Spiel zerlegt
und an einem schattigen Ort aufbewahrt werden. Damit soll verhindert werden, dass das
Holz (Bananenstämme, Klangplatten) austrocknet, was für den Klang der Instrumente
129 Vgl. Saus, Wolfgang, Melatener Str. 92, D-52074 Aachen, Face Music - History of Uganda,
http://www.face-music.ch/instrum/uganda_instrumde.html., April 2018Röhrenfiedel - einsaitige Fiedel –
Saiteninstrument. http://www.face-music.ch/instrum/uganda_instrumde.html. April 2018 130 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361 Kubik 2004, Tonale Strukturen. 131 Ebenda. 132 Vgl. Simon 1983, Musik in Afrika, Verstehen in afrikanischen Musikkulturen, G. Kubik, S. 356.
von Nachteil wäre. Beim Stimmen der Klangplatten geht man meistens vom höchsten
(„kleinsten“) Ton zum tiefsten („größten“) vor. Die Musiker haben keine Stimmgabeln,
Stimmgeräte oder ein altes Xylophon, um die Stimmung abzunehmen. Nach ihren Vor-
stellungen ist ein „Pattern des Abstimmens“ mental eingeprägt und folgendermaßen de-
finiert133:
Der Musiker beginnt die Stimmung mit einem Anfangspunkt (die Eins), der das soge-
nannte Oberhaupt der Familie ist. Von hier schreitet er sechs Stufen nach abwärts, da-
nach kommt die Aufwärtsbewegung in der Stimmung, wie 6 zu 6, 5 zu 5, etc. Der 7. Ton134
ist ein fremder und wurde erst später in das hexatonische System eingeführt.
Der Ton mit der Nr. 1 (siehe Abb. S 35) wird als Chef der Klangfamilie angesehen. Er
nimmt auf dem Xylophon eine zentrale Rolle und Position ein. Es handelt es sich dabei
um einen typischen afrikanischen Stimmvorgang135, wobei die Standardintervalle zwi-
schen 160 – 180 Cents liegen. Wie die Stimmtoleranzen im äquidistanten pentatonischen
Kiganda-Tonsystem aus Uganda aussehen, beschreiben Gerhard Kubik und Klaus
Wachsmann in durchgeführten Frequenzanalysen.136
Mehrstimmigkeit im Gesang ist ein musikalisches Phänomen137, welches schon
vor der Missionierung im 19. Jahrhundert bei sakralen, mystischen Ritualen gebräuchlich
ist. Die Stimmen werden meistens in einem „Bewegungsparallelismus“138 geführt. Man
133 Ebenda. 134 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361 Kubik 2004, Tonale Strukturen. 135 Ebenda 136 Vgl. Simon 1983, Musik in Afrika, Verstehen in afrikanischen Musikkulturen, G. Kubik, S. 372. 137 Ebenda S. 85 138 Ebenda S. 85
Text der 1. Strophe mit Refrain – englische Übersetzung
Text von „Maama“ in ENGLISH/Übersetzung
1. Strophe:
Many parents have given rise to children
And cast them down into deepest pit
Others abort and dump them amidst garbage
Even you mummy and daddy, you brought us into being
But you have acted like those who throw them away no difference.
You haven’t guided me between the right and the wrong when I go wrong you just ap-
plaud me, responsibility at home, daddy when us the children look on,
Now what legacy shall we pass on to our children time to come?
CHOLAS – Refrain:
Mum and daddy just help us
You show us the right way so that we can be better people in future
You be extemporary to your children
Mum don’t let me loose truck, but guide in the right way.
Die Übersetzung erfolgt ebenfalls von den zwei singenden Lehrerinnen der Schule, na-
türlich in ihrem Englisch-Verständnis, das in Uganda als zweite Amtssprache gesprochen
wird. Nach der englischen Übersetzung ist zu schließen, dass es sich um ein Danklied an
die Eltern handelt. Es klingt eigentlich für europäische Zuhörer recht traurig, was es aber
in Wirklichkeit nicht ist.
All diese Gesänge erklingen nur in der Zweistimmigkeit und haben meist einen religiö-
sen, erzählenden oder beziehungsbezogenen Text.
Afrikanische Musik ist weitgehend „Pattern-Musik“, sowohl in der rhythmischen
als auch in der melodischen Gestaltung. Formeln und musikalische Muster (beide werden
als Pattern bezeichnet) sind in zyklische Formen eingebettet und werden in unterschied-
lichen Varianten wiederholt. Der Text ist oft nur ein Anhängsel zur dargebotenen Musik.
38
Die einheimischen Zuhörer können die Worte innerlich hören und mitsingen. Instrumente
werden in afrikanischen Kulturen nicht „gespielt“, sondern werden in der verbalen
Grundbedeutung der Sprache „geschlagen“. In Buganda schließt diese Art des Spielens
von Xylophonen auch das Musizieren zahlreicher anderer Instrumente mit ein.
Musikkulturen in Afrika definieren sich immer auch motional, wobei den Bewe-
gungen zur Musik nicht immer eine genaue Form eines Tanzes zugrunde liegen muss.
Der afrikanische Tänzer sucht ein Bewegungs-Erlebnis im Tanz, indem er den Körper in
verschiedene Bewegungszentren zerlegt. Er realisiert verschiedene simultane rhythmi-
sche Bewegungsabläufe durch simultane kinetische Bewegungsumsetzungen, die er ent-
weder über verschiedene Körperzentren motorisch zur Entladung bringt oder systema-
tisch zur Besessenheit und Ekstase steigert.140 In seiner Forschungsarbeit und Workshops
registrierte der Autor besonders die Bewegungsfreudigkeit der einheimischen Jugendli-
chen beim Singen und Musizieren, wobei die verschiedenartigen Bewegungsabläufe der
Körperteile auffallen, ihn beeindrucken und von den meisten Europäern nicht nachvoll-
ziehbar sind.
3.3 Musik-Erleben in der Dorfgemeinschaft im Jahres- und Lebenszyklus
Musik in Afrika, speziell in Uganda, hat ihre historischen Wurzeln nicht nur auf afrika-
nischem Boden. Man spürt Einflüsse aus dem arabischen, indischen, indonesischen und
europäischen Raum. Ein weitverzweigtes Netz mit verwandten Traditionen, zusammen-
hängend mit Aspekten des Stils, der Aufführungspraxis und des Brauchtums findet man
hier. Nicht immer entsprechen die territorialen Grenzen141, die im 19. Jahrhundert festge-
legt wurden, der geistigen und ethnischen Verwandtschaft einzelner Gruppen.
Musik142, die aus irgendeinem aktuellen Anlass öffentlich aufgeführt wird, hängt vom
gesellschaftlichen Ereignis, dem sozialen Bedürfnis und von den daran Beteiligten ab,
weil sie immer zu den verschiedenen Phasen des Gemeinschaftslebens in Beziehung
steht. Diese Musik kann man in zwei Kategorien einteilen:
Die erste Kategorie umfasst Musikstücke zu Riten und Zeremonien, nach Gebeten und
Prozessionen und hat nicht unbedingt eine formale Einheit.
140 Vgl. Simon 1983, Musik in Afrika, Verstehen in afrikanischen Musikkulturen, G. Kubik, S. 318. 141 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena, 1979, Die Musik Afrikas, Gliederung der Musik, Wilhelms-
haven, Heinrichshofen, Taschenbücher zur Musikwissenschaft, Band 59, S. 15ff. 142 142 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena, 1979, Die Musik Afrikas, Gliederung der Musik, Wilhelms-
haven, Heinrichshofen, Taschenbücher zur Musikwissenschaft, Band 59, S. 37ff.
39
Die zweite Kategorie bezeichnet einzelne Stücke mit gemeinsamen Merkmalen und ist in
Gruppen gegliedert, wobei jede nach den Namen der Aufführenden oder nach der Funk-
tion der Musik bezeichnet wird.
Musik wird auch von Erwachsenen zum Vergnügen für die Kinder als Wiegenlieder oder
als narrative Lieder in kindlicher Form dargebracht.
Nicht selten geben die im Musiktypus verwendeten Hauptinstrumente der Musik den
Namen, wie Trommelmusik, Trompetenmusik etc., natürlich in der Muttersprache, also
in „Luganda“.
Sorgfältig wird auch der Ort der Aufführungen gewählt, meist ein öffentlicher
Platz, für alle Dorfbewohner zugänglich. Im privaten Bereich haben dann nur die unmit-
telbar mit dem Ereignis Befassten Zutritt, so z.B. Gotteshäuser oder religiöse Kultstätten,
Altäre, geheiligte Orte und Hofplätze. Diese Stätten werden regelmäßig besucht und die
Veranstaltungen der Gegebenheit entsprechend mit Musik und Tanz umrahmt. Als teil-
nehmender Beobachter ist der Autor bei Besuchen der sonntäglichen Gottesdienste ein
aktiv mitwirkendes Mitglied und spürt, welch intensive Begeisterung und Frömmigkeit
die Afrikaner bei Tanz und Musik erleben. Auch Trommelmusik, früher durch die ersten
christlichen Missionare aus Europa als heidnische Ritualmusik abgelehnt, ist nun ein sehr
passender und wichtiger Teil der Liturgie im Gottesdienst und wird von allen mit großer
Begeisterung und eindrucksvollem Können dargeboten.
Musik ist ein wichtiges Thema im Lebens- und Jahreszyklus der Afrikaner. Genauso wie
der Kalender sämtlicher religiöser Bekenntnisse mit ihren Festen eingehalten wird, be-
deutet er auch für die Dorfgemeinschaft sehr viel und wird, ohne Unterschiede der Kon-
fessionen, begangen und gefeiert, natürlich auch mit Musik umrahmt. Besonders zu er-
wähnen ist die Tatsache, dass die kalenderbezogenen Feste mit den religionsspezifischen
Riten immer von allen Dorfbewohnern, Konfessionen und Schulen begangen werden.
Hochzeiten143 sind zentrale Höhepunkte im Leben der Ethnien und dauern oft
mehrere Tage lang, werden mit Tänzen und Gesängen musikalisch ausgestaltet. Die
ganze Dorfgemeinschaft ist zur Hochzeit geladen und erst nach dem rituellen Teil beginnt
der allgemeine Tanzabend.
143 Vgl. Lütteken, Laurenz 2016ff, Gerhard Kubik, Artur Simon, Art. Afrika südlich der Sahara, in: MGG
Online, Bärenreiter, Metzler,GbR MGG, Kassel, Stuttgart, New York: veröffentlicht 2016-09-26,
Ebenso werden Begräbnisse144 in der Dorfgemeinschaft nach den rituellen Abläu-
fen jeder Religion mit ganztägigen Feierlichkeiten, trotz der einfachen und bescheidenen
Lebensverhältnisse, begangen. Als teilnehmender Beobachter kann der Autor Totenkla-
gen oder Gesänge mit Texten zum Tod und der Verabschiedung des Familienangehörigen
miterleben.
3.4 Ausbildung und Auswahl der MusikerInnen in der Gesellschaft
In afrikanischen Gesellschaften werden Musikkulturen in oraler oder besser gesagt in
auraler (gehörsmäßiger) Tradition von einer Generation zur anderen übertragen. Afrika-
nische Musik145 bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen den einzelnen Musikern
und den Zuhörern. Bestimmten verbindlichen Verhaltensmustern der Gesellschaft kann
sich dann auch der traditionelle Musiker nicht entziehen. Die „sonische Ordnung“146 ist
nämlich für alle verbindlich und verändert sich erst dann, wenn sich prägende Vorausset-
zungen ändern, vor allem in sozialen Bereichen. Solche Veränderungen entstanden durch
die Kolonialisierung, die christliche Missionierungen und durch die später einsetzenden
Urbanisierungen.
Musiker in Afrika sind Spezialisten ihrer Gesellschaft, die wegen außergewöhnlicher mu-
sikalischer Begabungen oder rein außermusikalischer Fähigkeiten in der Gemeinschaft
bekannt und anerkannt sind.
Zur Ausbildung der MusikerInnen ist zu sagen, dass MusikerIn zu sein, eine Berufung
ist, ohne ein wirklicher Berufsmusiker in europäischem Sinne zu sein. Eine ökonomische
Definition greift hier nicht wirklich.
Ein typisches Beispiel für die Stellung der MusikerInnen in der Gesellschaft findet man
in der Vokalmusik. Man kennt in der Vokalmusik147 verschiedene Aufführungsarten:
Sologesang mit oder ohne Instrumentalbegleitung, lediglich mit Klatschen oder Stamp-
fen.
Im Zweigesang, eine Art Duett mit gemeinsamem Repertoire, teilweise in Echo-Manier.
Haupt- und Vorsänger in Verbindung mit verschiedenen Chören, wobei einzelne Spezi-
alisten eine leitende Funktion übernehmen.
144 Ebenda 145 Ebenda, Musiker und Gesellschaft. 146 Vgl. Simon, Artur, 2008; Ethnomusikologie: Aspekte, Methoden und Ziele,
https://books.google.at/books?isbn=394086207X, Oktober 2018, S 46. 147 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena 1979, Auswahl und Ausbildung der Musiker, S. 72ff
Gesangsvortrag in der „hoquetus-Technik“148, ein ineinandergreifender Gesangsvor-
trag, bei dem jeder Sänger zu einem vorherbestimmten Zeitpunkt einen bestimmten Ton
beiträgt, was natürlich gegenseitige Abhängigkeit der Aufführenden schafft.
Bei instrumentalen Aufführungen149 kann ebenfalls die „hoquetus-Technik“ angewendet
werden. Die Struktur der Musik beruht auf der Ruf-Antwort-Form, was bedeutet, dass der
Leiter der Gruppe allein zu spielen beginnt und dann die anderen Gruppenmitglieder mit
Melodien einsetzen. Mitglieder von instrumentalen Ensembles rangieren ebenfalls höher
als die eines Chores. Der Leiter von Instrumentalensembles wird als Spezialist betrachtet,
denn er trägt viel zur musikalischen Qualität der Gruppe bei. In einigen Musikkulturen,
so auch die Beobachtung in Uganda bei den Workshops, werden Trommler mit mehr
Respekt bedacht als die übrigen Mitglieder der Gruppe.
Das Ausbildungsproblem150 wird in Uganda nicht auf systematische Art gelöst, sondern
mit traditioneller Unterweisung, meist in den Familien oder im Kreis der engsten Ver-
wandten. Man glaubt, dass ein Mensch, der eine natürliche Begabung hat, auch die Fä-
higkeit besitzt, sich musikalisch weiterzuentwickeln. Schon im Kindesalter können In-
strumente und das „Singen“ durch Nachahmung der Erwachsenen gelernt werden. Junge
Musiker und Sänger durchlaufen Lernprozesse wie ein Handwerker, um dann in Ensem-
bles singen oder musizieren zu dürfen. Bei den Baganda151 ist es Usance, dass jeder Flö-
tist, der im königlichen Ensemble spielen will, als Palastdiener vom zehnten bis zum
zwölften Lebensjahr Dienst leisten muss und dabei von älteren Musikern das musikali-
sche Handwerk zu erlernen hatte. Erst wenn die Jungen von den älteren Musikern akzep-
tiert und als befähigt befunden werden, können sie in den königlichen Dienst als Hofmu-
siker aufgenommen werden.
3.5 Musik im religiösen Kontext, Berührung mit anderen Kulturen
Überall dann ist von religiösen Kontexten in der Musik zu sprechen, wenn die beteiligten
Personen eindeutig an eine transzendente Welt glauben, Kontakte zu ihr aufnehmen kön-
nen und ein höchstes Wesen als Gott verehren. Einige Kriterien definieren ziemlich ein-
deutig, welche Äußerungen und Aktivitäten unter dem Titel „Musik und Religion“ in der
148 Ebenda, S. 73. 149 Ebenda, S. 74. 150 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena 1979, Auswahl und Ausbildung der Musiker, S. 81ff 151 Ebenda, S. 85ff
42
Musikethnologie Afrikas zu beachten sind. Bereiche davon können in den teilnehmenden
Beobachtungen des Autors unterschieden werden:152
Klangerzeugung zur Stimulierung und Kontaktaufnahme mit der transzendenten Welt
durch Spielen von Instrumenten und Absingen von geheimnisvollen Gesängen.
Gebete und Gesänge mit religiösen Texten, um Einsicht und Kontrolle über transzen-
dente Wesen zu erhalten und mit verstorbenen Angehörigen in Verbindung zu treten. Mit
musikalischen Mitteln werden Fähigkeiten vorgetäuscht, die eine Kontaktaufnahme mit
Verstorbenen ermöglichen.
Musikalische Sitzungen, die der Abwendung von Katastrophen und gesundheitlichen
Gefahren dienen.
Kulturelle Veränderungen in einer Gesellschaft geschehen durch innere Einwirkung von
Faktoren genauso wie durch äußere, die eine Entwicklung lenken.
Schon allein durch die Kulturen der Immigranten in den Jahrhunderten hinterlässt der
Islam ein bleibendes Vermächtnis153 für die Musik in Uganda.
Afrika bzw. Ostafrika hat schon immer Verbindungen zum Mittelmeerraum, dem Nahen
Osten, Arabien, Indien und Südostasien. Die Länder Ostafrikas grenzen an den Indischen
Ozean und bringen immer schon Kontakte und Berührungspunkte mit der arabischen
Welt und deren Kulturen mit sich.
Viele Tänze, Lieder, Musikinstrumente und Gegenstände des täglichen Lebens
sowie verschiedene Nahrungsmittel wie z.B. die Kochbanane kommen nach Buganda.
Arabische und indische Händler ziehen dann weiter nach Westen in den Kongo und hin-
terlassen nachhaltige islamisch-kulturelle Spuren, welche immer noch bemerkbar sind.
Aus dieser Zeit stammen die islamischen Bräuche und Konventionen im ostafrikanischen
Raum. Die afro-arabische Interaktion ist so stark, dass die Entstehung und Verbreitung
des „Swaheli“ darauf zurückzuführen ist als einer „lingua-franca“154, einer Bezeichnung
für eine Sprache, die von Vertretern verschiedener Muttersprachen als gemeinsame Ver-
kehrssprache genutzt wird. Englisch ist zum Beispiel heute eine klassische lingua franca
weltweit. In Uganda155 ist „Luganda“ seit 2005 die Muttersprache der einheimischen
Ethnien, während die zweite Amtssprache Englisch ist. Die islamische Periode in der af-
rikanischen Geschichte beginnt 741 nach Christus mit der Eroberung Ägyptens und
152 Vgl. GERHARD KUBIK/ARTUR SIMON/ARTUR SIMON, Art. Afrika südlich der Sahara, in:
MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York: 2016ff., veröffentlicht 2016-09-
26, https://www.mgg-online.com/mgg/stable/13361, Musik und Religion.. 153 Ebenda. 154 Vgl. https://en.oxforddictionaries.com/definition/lingua_franca. April 2018. 155 Vgl. http://www.uganda.at/allgemeines.htm - Daten und Fakten zu Uganda, Stand 2006.
kommt im 19. Jahrhundert bis in die Subsahara156. Die afrikanischen Ethnien überneh-
men im Kontakt mit arabisch-islamischen Kulturen hauptsächlich die Musikinstru-
mente157, deren Bau- und Spielweisen. Es sind dies verschiedenartige Trommeln, Lauten,
Rohrflöten und lange Trompeten. Die arabischen Instrumentenmodelle geben nur die In-
puts für die Herstellung lokaler Äquivalente. Der Tauschhandel zwischen den Arabern
und den afrikanischen Ethnien ist nicht nur für die Afrikaner von Nutzen. Im Bereich der
Musik ist die Übernahme afrikanischer Trommeln ein bemerkenswertes Beispiel dafür.158
Curt Sachs erzählt folgendes159:
[…. „Nahezu sämtliche Musikinstrumente im mittelalterlichen Europa kamen aus Asien,
entweder aus dem südöstlichen Byzanz oder aus dem islamischen Reich über Nordaf-
rika“…]
Abgesehen von den Musikinstrumenten scheinen allgemein nur oberflächliche As-
pekte160 des arabischen Musikstils jene Völker angezogen haben, welche im Kontakt mit
Islam standen, denn die eigene traditionelle Musik haben sie nie aufgegeben. Zum Bei-
spiel werden die arabische Melodik und Rhythmik im Allgemeinen nicht übernommen,
denn das hätte den Charakter der afrikanischen Musik in ihrer Kontinuität völlig verän-
dert. Vieles in der arabischen Musikkultur untermauert die afrikanische Musikpraxis161,
denn Musik begleitet auch die Araber lebenslang, wobei die Vokalmusik immer höher
eingeschätzt wird als reine Instrumentalmusik. Instrumentalmusik kennt man meist nur
als Vor- und Zwischenspiele zum Gesang.162
Islamische Communities163 unterscheiden musikalisch genau zwischen religiös bzw. got-
tesdienstlich gebundener und Musik für soziale Anlässe. Eine teilnehmende Beobachtung
beim ersten Aufenthalt 2013 in Uganda lässt feststellen, dass sowohl islamische Musiker
und Musiker anderer religiöser Gemeinschaften (z.B. Christen) bei allen Festen gemein-
sam musizierten. Ohne Zweifel wirkt sich diese Praxis sehr positiv auf das integrative
Zusammenleben aller religiösen Gemeinwesen aus. Religiöse und weltliche Festtage wer-
den ohne Rücksicht auf die konfessionelle Angehörigkeit gemeinsam gefeiert. Die ein-
zelnen Communities kapseln sich nicht von anderen Gruppen ab, sondern versuchen eine
Integration zwischen eingeborenen und arabischen Musikrichtungen, der traditionellen
156 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena, 1979, Die Musik Afrikas, S. 21-22ff 157 Ebenda S. 125 158 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena, 1979, Die Musik Afrikas, S. 21-22ff 159 Sachs, Curt, 1940, The History of Musical Instruments, New York, S. 260. 160 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena, 1979, Die Musik Afrikas, S. 21-22ff 161 Vgl. Nketia, Joseph Hanson Kwabena, 1979, Die Musik Afrikas, S. 21-22ff 162 Ebenda 163 Ebenda S. 24ff
44
Musik. Es entsteht also keine alternative Gesellschaftsform, denn alle versuchen gemein-
sam, ihr Leben mit Musik in der Gemeinschaft zu bewältigen und Freude damit zu ver-
mitteln.
Ähnlich wie durch die Islamisierung die Ethnien beeinflusst werden, verspürt man
die europäischen164 Einflüsse in der Musik Ugandas. Buganda165 fasziniert die For-
schungsreisenden und Missionare des ausgehenden 19. Jahrhunderts und später dann die
Wissenschaftler in besonderer Weise. Weitab der innerafrikanischen Handelsströme und
unberührt von europäisch-afrikanischen Kontakten entlang der afrikanischen Küste seit
dem 15. Jahrhundert entwickelt sich hier ein Staat, der bei Ankunft der ersten Europäer
(1862) einen hohen gesellschaftlichen Differenzierungsgrad aufweist und dessen politi-
sche und ökonomische Organisation stark ausgeprägt ist. Der Kontakt mit Europa durch
Handel, Christentum und den Lebensstil der Kolonialherrschaften ist dann besonders
weitreichend und bringt neue Kräfte durch Akkulturation166 in Bewegung und große Fort-
schritte in Bezug auf die politische Entwicklung, der Bildung im Allgemeinen und der
Steigerung der Lebensqualität. Die territoriale Neugliederung als Grundlage zur Auftei-
lung Afrikas in der Berliner Konferenz 1884167 führte zur Bildung der heutigen Staaten
und deren Grenzen. Im ostafrikanischen Uganda gibt es immer noch fünfundzwanzig ver-
schiedene ethnische Gruppierungen. Aber alle behalten ihre kulturelle Identität und pfle-
gen weiterhin tradierte Musik innerhalb des Staatswesens.
Die „Organisation of Africa Unity“168 (Vorgänger der Afrikanischen Union bis 2002)
unternimmt große Anstrengungen zum politischen Einheits-Denken und zur zwischen-
staatlichen Zusammenarbeit, auch auf dem Gebiet der Kunst. Nicht nur einen politischen
Wandel bringt der Kontakt mit Europa mit sich, sondern auch einen ökonomischen169.
Mit dem wirtschaftlichen Wachstum werden auch europäische Musikinstrumente, die ur-
sprünglich für das Militär und die Religion gedacht waren, von der einheimischen Bevöl-
kerung in den Dörfern adaptiert. Der Sklavenhandel bringt zum Beispiel ebenso afrikani-
sche Musik in die westliche Welt. Einerseits predigen die christlichen Kirchen170 gegen
164 Ebenda, S. 25 - 30 165 Vgl. Füßer, Willi 1991; Vorkoloniale Gesellschaftsstrukturen und Sklaverei: Das Beispiel Uganda. Zu-
sammenhang von europäischer und interner Sklaverei und Sklavenhandel. S. 119 ff 166 Akkulturation: Übernahme von Elementen einer fremden Kultur durch den Einzelnen oder eine
Gruppe; kultureller Anpassungsprozess, https://www.duden.de/rechtschreibung/Akkulturation. April
2018. 167 Siehe Fußnote 15. 168 Vgl. Die Organisation für Afrikanische Einheit war eine von 1963 bis 2002 bestehende Organisation
fast aller afrikanischen Staaten. Sie ist die Vorgängerorganisation der Afrikanischen Union. 169 Vgl. Nketia 1979, Die Musik Afrikas, Vermächtnis Europas, S. 25 – 30. 170 Ebenda
titel Musikbogen, Bd 1, S. 17. 198 Ebenda S. 17. 199 Vgl. Wegner, Ulrich 1990, Xylophonmusik aus Buganda (Ostafrika), Wilhelmshaven, Florian Noetzel,
Reihentitel Musikbogen, Bd 1, S. 21ff.
52
3.7 Amadinda – Holm-Xylophon der Ganda
Klangbeispiel Nr. 2: Nr. 05 in U. Wegner, Stimmung eines „amadinda-Xylophons“ aus
dem Museum für Völkerkunde Berlin, Aufnahme: MfV (U. Wegner), 1983, Archiv Nr.
M 19 111.
Die Stimmung und den Stimmvorgang200 der „Amadinda“ beschreibt ausführlich Klaus
Wachsmann 1950, Seite 40. Seinen Erfahrungen verdankt man präzise Daten für den Ab-
stimmungsvorgang bei prominenten Baganda-Musikern. In der Regel wird von den hohen
Tönen zu den tieferen gestimmt, in der Vorstellung einer Leiter, die vom „kleinsten“
(höchsten) zum „größten“ (tiefsten) Ton fortschreitet. Dabei handelt es sich um eine Art
temperierte Pentatonik201, also um eine annähernd gleichstufige (äquidistante) Pentato-
nik, wobei ein Thema gleichwertig durch alle fünf Stufen transponiert werden kann. Diese
Art der Transposition bezeichnen die Musiker mit „miko“ (muko Einzahl), wobei jede
Transposition einen anderen Klang-Charakter aufweist. Die Intervalle einer Kiganda-
Stimmung202 mit ihren geringen Abweichungen erleichtern das Hören eines Grundtones.
Dieses „Grundton-Hören“ ist nur sehr subjektiv feststellbar.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Kiganda-Xylophonmusik203 aufzuschreiben:
Entweder mit europäischer Notenschrift, die am vertrautesten ist oder mit Buchstaben
und Ziffern, wobei diese die Xylophonplatten repräsentieren.
Die zweite Methode ist die einfachste und die am leichtesten und verständlichste Me-
thode, um Xylophonmusik204 zu notieren. Um die Ziffernnotation besser zu verstehen, ist
es unbedingt notwendig, die genaue Sitzordnung und die Spielbereiche der MusikerInnen
zu kennen. Dies zeigt Gerhard Kubik in einer Skizze.205. Die Musiker A und B sitzen
einander gegenüber und spielen immer in parallelen Oktaven, während der dritte, dessen
Töne nicht notiert werden, nur die zwei obersten Töne spielt,
Obwohl zur leichteren Verständlichkeit für europäische Musikethnologen die konventio-
nelle Notenschrift benützt wird, müssen wir uns im Klaren sein, dass es sich nur um eine
relative Notation handelt und die Noten eine andere Bedeutung haben als in der
200 Kubik, Gerhard 1988, Zum Verstehen afrikanischer Musik, Leipzig, Reclam, S. 141 ff 201 Ebenda 202 Lexikon Neue Musik- Seite 161 - Google Books-Ergebnisseite,
https://books.google.at/books?isbn=3476056244, verweist auf Musik im Königreich Buganda. S. 161 203 Vgl. Kubik, Gerhard 1988, Zum Verstehen afrikanischer Musik, Leipzig, Reclam, S. 143 ff 204 Ebenda S 143 205 Ebenda
europäischen Musik. Es stellt dies eine sogenannte temperierte Pentatonik206 dar, wobei
die Töne A und E bedeutend höher sind als die entsprechenden europäischen Noten. Sie
liegen zwischen A und B und E und F. In den Intervallbeziehungen zueinander spricht
man ausdrücklich von Kiganda-Intervallen207, daher steht auch kein Schlüssel am Anfang
des Notensystems. In der folgenden Skizze stehen die Bezeichnungen für die einzelnen
Spieler.
Jeder der drei Spieler hat zwei Schlegel und schlägt damit auf die Xylophonplatten an
ihren Enden.
Abb.: Skizze zum „amadinda-Xylophon-Spiel“208
Abb.: Bezeichnungen der Spieler209
206 Ebenda. S. 143 – 145. 207 Vgl. Kubik, Gerhard 2004, Zum Verstehen afrikanischer Musik, Aufsätze, Lit Verlag Wien, 2. aktuali-
sierte und erg. Aufl., S. 148.
208 Vgl. Kubik, Gerhard 1988, Zum Verstehen afrikanischer Musik, Leipzig, Reclam, S. 144 ff. 209 Ebenda. S. 144 f
54
Um die Kombination von Kern- und Kontrastreihe einer „amadinda-Komposi-
tion“ darzustellen, wird das Lied „Ssematimba ne Kikwabanga“210 (ein Lied über zwei
Prinzen) genauer betrachtet.
Eine „amadinda-Komposition“ besteht aus zwei Basisreihen, dem Kernthema (okunaga)
und dem Kontrastthema (okwawula), wobei mit dem Kernthema begonnen wird und da-
rauf später das Kontrastthema einsetzt. Kern- und Kontrastreihen sind meistens gleichbe-
rechtigte und gleichartige Parts. Nach dem Einsetzen des „omwawuzi“ (2. Spieler) ver-
schmelzen beide Basisreihen211 zu einem rasend schnell ablaufenden melodischen Ge-
samtbild.
Abb.: Kombination von Kern- und Kontrastreihe in einer „amadinda-Komposition“212, „Ssematimba ne
Kikwabanga“ – ein Lied über zwei Prinzen, ev. um 1800.
Beim oben notierten Stück setzt der zweite Spieler213 (omwawuzi) nach dem elften Ton
des Kernthemas ein und zwar zwischen den Schlägen des ersten Spielers. Scheinbar ist
die Kontrastreihe eine Kette von Synkopen. Für jeden der zwei Musiker repräsentieren
die Töne des eigenen Parts den Puls und den Beat und die des gegenüberliegenden Part-
ners sind Off-Beat. Erst wenn der zweite Musiker gelernt hat, seinen Teil des Musikstü-
ckes in den ersten Part „einzufüllen“, den Beat des anderen zu vergessen, während er
seine eigene Reihe als Beat empfindet, kann er gut „amadinda-Musik“ spielen. In der
Kiganda-Xylophon-Musik gibt es weder einen gemeinsamen Takt noch einen gemeinsa-
men Beat. Wie die Kern- und Kontrastreihen von Baganda-Musikern gedacht werden, ist
sehr schwierig zu erfragen, da diese Musiker nur ihre eigenen enkulturierten (hineinwach-
sen in die Kultur der ihn umgebenden Gesellschaft) Möglichkeiten kennen und keine Al-
ternativen dazu.
210 Ebenda. S. 146. 211 Ebenda S. 148 212 Vgl. Kubik, Gerhard 1988, Zum Verstehen afrikanischer Musik, Leipzig, Reclam, S. 146 ff 213 Ebenda
55
In der unten gezeigten Abbildung kann man ein melodisches Gesamtbild aus der
Kombination der beiden Reihen (Prinzenlied wie oben) erkennen.
Abb.: Melodisches Gesamtbild von „Ssematimba ne Kikiwanga“214
Klangbeispiel Nr. 3: Nr. 07, in U. Wegner, Ssematimba ne Kikwabanga. Albert Sempeke
und Ensemble, amadinda (Holmxylophon), Aufnahme: G. Kubik, Kampala, Uganda,
1967
Wie werden nun die beiden Parts miteinander kombiniert?
Wir hören nicht mehr die einzelnen Reihen getrennt, sondern ein gesamtes Hörbild. Beide
Tonreihen laufen exakt im gleichen Tempo ab. Die beiden Musiker A und B schlagen
nicht gleichzeitig auf die Xylophonplatten, sondern zeitversetzt, d. h. die von B ausge-
führten Schläge fallen zeitlich versetzt zwischen die des Musikers A. Für die Zuhörer
verdoppelt sich dadurch das Tempo schlagartig.
Abb.: Die Verzahnung von der Reihe A und B bei genanntem Lied. Pfeile kennzeichnen jeweils den Beginn
der Reihe.215
Beide Stimmen werden miteinander verzahnt. Die Töne der A- bzw. der B-Reihe greifen
wie die Spitzen von Zahnrädern ineinander, d.h. beide Stimmen werden miteinander ver-
zahnt und für den Zuhörer verdoppelt sich das Tempo des musikalischen Ablaufs
214 Vgl. Kubik, Gerhard 1988, Zum Verstehen afrikanischer Musik, Leipzig, Reclam, S. 148 ff 215 Vgl. Wegner, Ulrich 1990, Xylophonmusik aus Buganda (Ostafrika), Wilhelmshaven, Florian Noetzel,
Reihentitel Musikbogen, Bd 1, S. 35ff.
56
schlagartig mit dem Einsatz der Stimme B. Dabei ist nur wichtig, dass der Musiker B
exakt das Tempo einhält, er denkt sich seine Stimme um, empfindet sie als eigene Reihe
und will nicht der Stimme A synkopierend hinterherlaufen. In der „amadinda-Musik“ ist
ein absolutes Gleichmaß der Musiker in der spieltechnischen Ausführung gefordert. Da
Menschen nicht wie eine Maschine spielen können, ist auch bei guten Musikern mit be-
stimmten zeitlichen Unregelmäßigkeiten zu rechnen, was sogar, in gewissen Grenzen ge-
halten, zu einem interessanten Hörerlebnis werden kann. Jederzeit kann der musikalische
Vortrag auf Initiative eines Musikers abgebrochen werden. Dies geschieht mit einer stan-
dardisierten Schlussformel, wobei ein Stück bis zu fünf Minuten dauern kann.
Nun stellt sich die Frage: Was spielt nun der dritte Musiker C?
Der dritte Spieler C wird der „okukoonerera“216 genannt. Er spielt auf den beiden am
höchsten eingestimmten Xylophonplatten – siehe Abbildung („Anordnung der Sitzposi-
tionen der Spieler)! Er kann als einziger nicht in parallelen Oktaven spielen, doch er ok-
taviert Teile der Stimmen von Musiker A oder B.
Abb.: Musiker C – graphische Darstellung (Abb 189) der einzelnen Stimmen von A, B und C.217
Klangbeispiele Nr. 1 – 3 : siehe Anhang!
An dieser graphischen Darstellung ist genau zu sehen, wann und mit welchem Ton der
Spieler C seine musikalische Formel einspielt und welche Töne er oktavierend verdop-
pelt.
In der folgenden graphischen Darstellung ist sehr gut herauszulesen, wann, wo und in
welcher Stimme der Gesang zum genannten Lied der „Zwei Prinzen“ erklingt und zu
hören ist.
216 „Okunaga“ ist der Spieler A, der die Kernreihe spielt. „okawawula“ spielt als B Spieler die Kontrast-
reihe und „okukoonera“ C spielt die zwei hohen Xylophon-Platten 217 Vgl. Wegner, Ulrich 1990, Xylophonmusik aus Buganda (Ostafrika), Wilhelmshaven, Florian Noetzel,
Reihentitel Musikbogen, Bd 1, S. 41ff.
57
Abb.: Xylophon-Komposition „Ssematimbe ne Kikwabanga218
Auch wenn dem Zuhörer die Liedmelodie verborgen bleibt, weil er das Lied nicht kennt,
nimmt man trotzdem die „amadinda-Musik“ nicht als musikalisches Chaos wahr, denn
nach einer kurzen Phase des Einhörens kann die Wahrnehmung der Musik in verschie-
dene Höhenbereiche aufgeteilt werden. Nur noch nebenbei bemerkt:
Der Text des Liedes ist in der Sprache der Ganda, also in „Luganda“ gehalten.
Das Prinzip der miko-Transpositionen219 wird ebenso am Lied „Ssematimba ne Kik-
wabanga gezeigt.
Miko (Einzahl muko) sind die Transpositionen der „okunaga“ und „okwawula“, die fol-
gendermaßen durchgeführt werden:
Man verschiebt die ganze Melodie um eine Tonstufe nach oben oder unten. Da man aber
die Stimme nicht über oder unter eine Oktave hinausführen kann, weil man sonst den
vorgegebenen Spielbereich verlassen würde, erfolgt meist ein Oktavsprung in die jeweils
andere Richtung.
Abb.: Das Prinzip der miko-
Transpositionen – gezeigt an den achtzehn Noten von „Ssematimbe Kikwabanga“220
218 Ebenda S. 37 219 Vgl. Kubik, Gerhard 1988, Zum Verstehen afrikanischer Musik, „Amadinda-Musik“ von Buganda,
Leipzig, Reclam, S. 152. 220 Ebenda. S. 152.
58
An diesem Beispiel221 wird die Struktur der Kiganda-Melodik klar. In den fünf verschie-
denen miko dieser Liedkomposition entstehen durch kombinierte Verfahren der Transpo-
sition und Oktavversetzung jeweils fünf Erscheinungsformen der Melodie. Daraus ergibt
sich für jedes „miko“ (Transpositionen) eine inhärente Melodie, die dem Lied innewohnt.
Kubik schreibt, dass er dieses Phänomen außerhalb Ugandas noch nie kennengelernt hat.
Spielvorschrift und Hörerlebnis und was der Zuhörer aus seiner Perspektive wahrnimmt,
werden nun ebenso am Beispiel des oben erwähnten Liedes gezeigt. Dabei wird das
menschliche Gehör vor keine leichte Aufgabe gestellt. Bei der mit rasender Geschwin-
digkeit gespielten Musik droht die „Amadinda-Musik“ durch die Verzahnungen der mu-
sikalischen Themen für den Zuhörer jede musikalische Kontur222 zu verlieren. Nur durch
Blickkontakt zu den einzelnen Musikern kann man sich an den Spielbewegungen even-
tuell orientieren. Natürlich fehlt es den westlichen, den europäischen Zuhörern an Erfah-
rung, das musikalisch-akustische Gesamtbild zu erfassen.
Der Autor (Ulrich Wegner)223 zeigt nun an einem Beispiel, wie Tempo und Verzahnung
auch bei Melodien, die dem europäisch geschulten Gehör vertraut sind, das Gehörte ver-
wirren kann. Im Beispiel Seite 58, Abb. (Das Prinzip der miko-Transpositionen – gezeigt
an den achtzehn Noten von „Ssematimba ne Kikwabanga ) hört man zwei Kinderlieder,
miteinander verzahnt, im gleichmäßigen rhythmischen Ablauf gespielt. Er stellt die Auf-
gabe, jede einzelne Melodie aus der musikalischen Summe heraus zu identifizieren.
IV. Fallbeispiele: Workshops in Uganda im Königreich
Buganda – Erfahrungen und Erkenntnisse
1. Vorstellen des Projektes – Theorie und Praxis
Im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Volunteer bei ACFC in Uganda erforscht der
Autor neben seinen Aufgaben als Lehrer auch die Musik der einheimischen Ethnien in
ihrem Umfeld und im Kontext der kulturellen Praxis, besonders aber bei und mit den
221 Ebenda. S. 152 f. 222 Vgl. Wegner, Ulrich 1990, Xylophonmusik aus Buganda (Ostafrika), Wilhelmshaven, Florian Noetzel,
Reihentitel Musikbogen, Bd 1, S. 37ff. 223 Vgl. Wegner, Ulrich 1990, Xylophonmusik aus Buganda (Ostafrika), Wilhelmshaven, Florian Noetzel,
Reihentitel Musikbogen, Bd 1, S. 37ff.
59
Kindern und Jugendlichen an der St. Mary’s Primary School in Zigoti und in der Primary
School of Nateete. Neben einem Schülerchor gründet er auch eine Brass-Band. In beiden
Musikgruppen musizieren Mädchen und Burschen in Gemeinschaft, ohne geschlechts-
spezifische Unterschiede zu machen.
Schon in der Einleitung werden die Ausbildung und Weiterbildung in allen Bereichen als
große Chance erwähnt und besonders gefördert, um eine gesicherte und gute Lebensqua-
lität zu erreichen.
Es stellt sich nun die Frage:
Was kann die Musik dazu beitragen?
Für den Autor gibt es dazu nur eine Antwort:
„Musik bringt Freude ins Leben der Jugendlichen, denn mit den Auftritten der Brass-
Band können ihre Mitglieder sich in der Öffentlichkeit präsentieren und das bringt ebenso
Freude in ihr teilweise trauriges Leben. Die musikalische Entwicklung trägt auch viel zur
Selbstverwirklichung der afrikanischen Jugendlichen bei“.
Abb.: Foto Erich Wechner 2017, Workshop 2017 mit der Brass-Band Nateete bei der Schule im District
Mubende mit Workshop-Mitarbeitern und dem einheimischen Lehrer.
60
Das Interesse der afrikanischen Kinder und Jugendlichen an den Workshops ist sehr groß,
ebenso bei den Lehrpersonen. Alle wollen viele Anregungen aus dem Workshops mit-
nehmen. Das motiviert und begeistert auch die europäischen Vermittler von Brass-Musik.
Beim ersten Aufenthalt 2013 wird regelmäßig einmal pro Woche in einer Schul-
stunde mit den Blechblasinstrumenten unter Anleitung des Autors gespielt, wobei der
ortsansässige und zuständige Lehrer immer mit dabei ist und alle Inputs positiv registriert,
um sie dann in weiterer Folge in seinem Unterricht nachhaltig anzuwenden. Um der wich-
tigen Bedeutung der Trommelmusik in Uganda gerecht zu werden, musizieren alle auch
mit den originalen Uganda-Trommeln, wobei gleich die große Begeisterung beim Rhyth-
misieren europäischer Musik bemerkt werden kann, denn sofort ist ein „afrikanisierter“
europäischer Marschrhythmus zu hören und zu spüren. Dieser Effekt wird zu einem spä-
teren Zeitpunkt der Arbeit noch genauer untersucht.
Die Workshops 2014 und 2017 in Uganda, jeweils für vierzehn Tage mit Musikkollegen
der Musikkapelle Ischgl und der Musikkapelle Stanz bei Landeck, bringen dann zwei
intensive Probenwochen für die Mitglieder der Schul-Brass-Band an den Schulen in Zi-
goti und Nateete.
Die Arbeitsergebnisse aus den Workshops mit den afrikanischen MusikantInnen werden
in Live-Mitschnitten dokumentiert und festgehalten, um sie dann zu einem späteren Zeit-
punkt gegeneinander abzugleichen und dann die musikalischen Veränderungen zu doku-
mentieren.
Im folgenden Teil der Arbeit wir der afrikanische Leiter und Trainer der Brass-
Band vorgestellt. Er ist ein außergewöhnliches Bindeglied zwischen den Jugendlichen
und den europäischen Volunteers.
Der dreißig Jahre alte afrikanische Lehrer224 Kankwebaze Philipp aus Nateete und Zigoti
unterrichtet an den Schulen von ACFC Englisch und Musik und ist im letzten Jahr zum
Schulleiter einer Secondary School ernannt worden. Gleichzeitig ist er auch der Trainer
der Brass-Band an der Schule in Nateete im District Mubende in Zentral-Uganda.
Aus seinem Lebenslauf ist herauszulesen, dass er sich schon in seiner Studienzeit an der
Universität und dann auch nachher für das Genre „Brass-Band“ interessiert. Zwei Jahre
spielte er auch in der National Army Brass-Band und erhielt dabei eine Ausbildung, die
aber nicht mit der unserer Militärmusiker zu vergleichen ist.
224 Vgl. Kurzbiographie: Name: Kankwebaze Phillip, Age: 30 years old, Home of birth: Ibanda
geb. 1938 in Osttirol Schlaiten, Der musikalische Werdegang von Florian Pedarnig begann als Zwölfjäh-
riger an der Klarinette. Mit 17 Jahren wurde er Kapellmeister seiner Heimatgemeinde Schlaiten. Pedarnig
studierte Waldhorn, Kontrabass und Theorie am Tiroler Landeskonservatorium in Innsbruck und spielte 4
Jahre bei der Militärmusik Tirol unter der Leitung von Siegfried Somma. Im Jahr 1963 schloss er sein
Studium ab und trat anschließend in dem Innsbrucker Symphonieorchester ein. Ab 1964 war Pedarnig
Mitglied der Stadtmusikkapelle Wilten und deren stellvertretender Kapellmeister. Ergänzende Musikstu-
dien betrieb Florian Pedarnig bis 1965 in München. 1974 gründete er mit weiteren Musikern in Innsbruck
die Tiroler Kirchtagmusig. 1980 wurde er, als Nachfolger von Prof. Sepp Tanzer, Landeskapellmeister
des Tiroler Blasmusikverbandes. Florian Pedarnig war unter anderem auch als Dirigent der Bundesbahn-
kapelle Innsbruck sowie als freier Mitarbeiter des ORF-Landesstudio Tirol sowie als Volksmusikexperte
tätig.
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einmal mit der Trompete durchspielt und in der Musiktheorie Fortschritte macht, denn
auch der einheimische Lehrer und Leiter der Brass-Band ist sehr unsicher im Lesen von
europäischen Notationen. Er spielt doch einigermaßen gut Trompete und weiß, wie man
mündlich ausgedachte Arrangements für die Brass-Band mit seinen Schülern einsetzen
und anfertigen kann. Naturgemäß ist dann sein Bestreben, die Arrangements in einem
Notensystem festzuhalten. Bei diesem Schritt möchte der Autor dem Lehrer behilflich
sein.
In den Übungsstunden der einheimischen Lehrer mit den Jugendlichen passiert das Erler-
nen neuer Musikstücke mit Vor- und Nachspielen. Um das Einstudieren der Hauptmelo-
die in den Trompeten nachhaltig zu ermöglichen, legt der einheimische Lehrer „Philipp“
einen Text in „Luganda“ unter die Singstimme, welcher sich dann so darbietet:
Tirol/Austria – Uganda
Version in Luganda:
1. A chance for children, Jaja mu Uganda!
Ne’leeta enjawulo mu Uganda yafe
Akaana ba Uganda tunyweze emisomo!
Kulwomukisa gwe bartuade.
R.: A
Chance for Children wangala nyo
Emirembe, ne mirembe
Kulwe’bitunogi byo tukolede.
Version in English:
A Chance for Children came to Uganda
And brought many changes
We, the children of Uganda embrace education
Because of the chance we have got.
R.: A
Chance for Children live longer
Forever and ever you stay
A Chance for Children live longer
Because of the charity you have brought.
Hörbeispiel 7.: Hb. 7.: „Dem Land Tirol die Treue“, Hauptmelodie – Trompetenstimme
gesungen von Lehrer Philipp in „Luganda“, April 2018, Tonaufnahmen Erich Wechner.
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Mit diesem Text, der leicht nachsingbar ist, können sich die Jugendlichen auch die Me-
lodie der Singstimme besser und nachhaltig merken. Der deutsche Text dieses Marsches
von Florian Pedarnig eignet sich nicht für die afrikanischen Jugendlichen, einerseits ist
er für sie unverständlich und andererseits will der Autor nicht annähernd in die Nähe einer
kolonialen Gesinnung geraten.
Durch oftmaliges Üben wird das Musikstück im Gedächtnis behalten und kann jederzeit
reproduziert werden.
Werden die Kompositionen, das gilt für alle Werke, längere Zeit nicht mehr wiederholt,
so verblassen die musikalischen Erinnerungen, ein neurologischer Vorgang im Gehirn233,
und die Stücke werden mit der Zeit oft ganz vergessen oder bis zur Unkenntlichkeit ver-
ändert. Ebenso weiß die neurowissenschaftliche Forschung234, dass nur in den seltensten
Fällen eine authentische Erinnerung besteht und eine dokumentarische Reproduktion
möglich ist. Auch in der Forschungsarbeit des Autors kann in teilnehmender Beobachtung
festgestellt werden, dass mit jeder Wiederabrufung der gelernten musikalischen Inhalte
sich diese verändern und die musikalischen Wurzeln Afrikas (african roots) im Musizie-
ren durchschlagen. Der Autor verwendet nur einen kurzen Teil des Originalmarsches für
sein Arrangement und zwar den ersten Teil Trio mit Refrain. Das sehr kurz gehaltene
Arrangement ist für den ersten Workshop 2014 in der St. Mary‘s Primary School and
Senior Secondary School in Zigoti235 im District Mityana in Uganda gedacht. Die Erfah-
rung zeigt, dass sich nur ein kurzes Musikstück zum Einstudieren eignet, da die afrikani-
schen MusikantInnen die Stücke immer auswendig lernen und sich ohne Notationshilfe
die Tonfolgen merken müssen. Daher kann nur mit einer syllabischen Textunterlage in
der Muttersprache der MusikantInnen die Merkfähigkeit erleichtert und auf längere Zeit
gespeichert werden.
Der Workshop 2014 bedeutet für den Autor ein Wiedersehen und für die Abord-
nung aus Tirol ein erstes Kennenlernen mit den afrikanischen Kindern und Jugendlichen.
Die Trio-Teile unserer Tiroler Märsche sind immer als der „gesangliche Teil“ definiert,
was auch bei diesem Marsch zutrifft. Die rhythmischen Komponenten notiert der Autor
nicht und lässt sie teilweise sogar außer Acht. Die Einstudierung soll sich nach europäi-
schen Vorstellungen ereignen, also metrisch, im Tempo und in der vorgegebenen Taktart.
233 Vgl. Unseld, Melanie 2014, Biographie und Musikgeschichte, Wandlungen biographischer Konzepte in
Musikkultur und Musikhistoriographie, S. 47. 234 Ebenda S.46 235 Vgl. Zigoti liegt im Distrikt Mityana ca. 250 km westlich von der Hauptstadt Kampala, Headquarter
von ACFC (Kindern eine Chance in Uganda).
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Afrikanische MusikantInnen wollen nicht ein Musikstück mit einem „aviso“ oder mit
dem Einzählen des Leiters starten. Daher lässt der Autor die Schlagzeuggruppe mit Trom-
meln und Becken ein Vorspiel musizieren, welches frei erfunden ist und bei jeder Wie-
derholung immer neuen Veränderungen unterliegt. Dabei können die Jugendlichen ihrer
Phantasie und Erfindungsgabe freien Lauf lassen.
Hörbeispiel 8. - Hb. 8.: „Dem Land Tirol die Treue“ – Tonaufnahme Workshop 2014 in
Zigoti, Uganda, Erich Wechner.
Schon beim ersten Kennenlernen des Stückes kann festgestellt werden, dass die Rhyth-
musgruppe mit Kleiner Trommel, Großer Trommel und Becken nicht wie die ursprüng-
liche Idee des Autors, traditionell nach europäischem Muster, wie üblich in europäischer
Marschmusik, agiert. Die Beckenspielerin schlägt schon ab dem sechsten Takt einen
„Off-Beat“236, was bei afrikanischen MusikantInnen gewohnheitsmäßig Tradition ist. In
der europäischen bzw. Tiroler Marschmusik ist das nicht üblich. Schon bald, aber beson-
ders nach einer zeitlichen Distanz, kann dann aber trotzdem die „Off-Beat-Spielart“ mit
dem Becken deutlich registriert werden. Die musikalischen Wurzeln (African roots of
Jazz237) der jugendlichen afrikanischen MusikantInnen kommen damit ebenso deutlich
zum Tragen. Durch eine bewusste Veränderung der vom Komponisten vorgegebenen
Basslinie wird den Tuba-Spielern das Musizieren erleichtert, da ein sogenannter „Wech-
selbass“238 nicht in die harmonischen Vorstellungen (wie schon vorher erwähnt) der Ju-
gendlichen passt. Die Teilnehmer am Workshop haben Probleme zu hören, weil ja aus-
schließlich auswendig musiziert, wann ein harmonischer Wechsel nach europäischem
Muster und Hörempfinden stattfinden soll. Ebenso modifiziert der Autor die Tenorhorn-
/Baritonstimme aus dem Original und setzt sie als rhythmische Akzentuierung mit einem
Ton ein. Daher findet man im Arrangement des Autors in den genannten Instrumenten im
ersten Teil nur eine Betonung und Akzentuierung mit einem Ton auf dem Taktteil eins
und drei und dann im Refrain des Liedtextes Begleittöne auf zwei und vier, was wieder
mehr der europäischen musikalischen Tradition entgegenkommt. Die Begleittöne verän-
dern sich durch mehrmaliges Wiederholen ganz unbewusst. Sie sind dann meist
236 Vgl. Puls und Mehrschichtigkeit, Begriffe: „Off-Beat“, http://www.jazzseite.at/Groove/Puls-Mehr-
schichtigkeit.html, Mai 2018 237 Floyd 1997, The Power of Black Music, African roots of Jazz, Samuel A. Floyd Jr., 1997. 238 Wechselbass: ist ein einfacher und beliebter Basslauf in vielen Musikrichtungen wie Blues, Country,
Schlager, Marschmusik etc. Das Prinzip besteht darin, dass die Basstöne, je nach Harmonievorgabe, in
den Grundtönen wechseln und sich mit der Quinte alternieren. Harmoniewechsel können mit Verbin-
St. Mary’s Primary School247 - Zigoti Senior Secondary School:
Schulen mit Internat für Waisenkinder oder Kinder ohne funktionierendes Elternhaus.
Erster Aufenthalt als Volunteer für drei Monate von Autor Erich Wechner, Unterricht in
Mathematik und Musik – „Bildung ist die große Chance“ – „Musik bringt Freude ins
Leben“.
Nateete248
Nateete liegt im District Mubende, einem Nachbardistrikt von Mityana, in einem
Sumpfgebiet und ist verkehrtechnisch nicht leicht zugänglich, am leichtesten mit einem
Motorbike.
Königreich Buganda249
Buganda ist ein Königreich im Süden Ugandas – Könige → „Kabaka“, Ableitung
„Uganda“ von „Buganda“. Buganda liegt zwischen dem Victoriasee und dem Kafu in
der Mitte Afrikas und wird vom Äquator durchteilt. In Buganda entspringt eine Quelle
des Nils. Die alte Hauptstadt Entebbe und die neue Kampala liegen in Buganda. Durch
Buganda geht die Äquatorlinie, die klimatische Besonderheiten aufweist.
Baganda, Ganda250
Die Einwohner nennen sich Baganda (der Singular ist Muganda). Die Sprache wird
Luganda genannt. Bekannt ist Buganda für die Grabstätten der Buganda-Könige in Ka-
subi, die zum Weltkulturerbe der UNESCO zählen. Osthamitisch-nilotische Wanderhir-
ten, die sich Hima oder Tutsi nannten, begründeten um 1700 das Reich der Kabaka (Kö-
nige) von Buganda und gingen mit den eingesessenen Bantu, die nie versklavt wurden,
Verbindungen ein.
Kampala251
Hauptstadt von Uganda mit 1,5 Mill. Einwohnern; 1962 löst Kampala Entebbe als natio-
nale Hauptstadt ab. Große Teile der Stadt werden nach dem Sturz des Diktators Idi Amin
im Jahre 1979 und in dem nachfolgenden Bürgerkrieg zerstört, seither aber wieder auf-
gebaut.
247 Vgl. Pleger, Stefan; Bildung ist der Schlüssel zur Entwicklung, Verein "Kindern eine Chance"
Blasius-Hölzl-Weg 16, A-6176 Völs, 2018. 248 Ebenda 249 Vgl. Großbritannien, Central Office of Information Services 1962, Uganda: The Making of a Nation,