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Methoden Geografische Informationssysteme 1 © ecomed verlagsges. AG & Co. KG, D-86899 Landsberg und Ft. Worth/TX • Tokyo • Mumbai • Seoul • Victoria • Paris UWSF – Z Umweltchem Ökotox 2003 (OnlineFirst): 1 – 6 Methoden Die Lösung von Nutzungskonflikten aufgrund flächenhafter Bodenkontaminationen mit Hilfe Geografischer Informationssysteme und Mitteln der Geostatistik Kersten Roselt 1* , Christoph Scheibert 1 , Jürgen W. Einax 2 und Jörg Kraft 2 1 JENA-GEOS-Ingenieurbüro GmbH, Saalbahnhofstraße 25c, D-07743 Jena 2 Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Lehrbereich Umweltanalytik, Lessingstraße 8, D-07743 Jena * Korrespondenzautor ( [email protected]) Abstract The Solution to Use Conflicts of Large Area Soil Contaminations by Means of Geographical Information Systems and Geostatistical Methods Goal and Scope. By means of Geographical Information Systems (GIS) and other geostatistical methods, the extensive heterogene- ous data materials of large area soil contaminations are re-evalu- ated to eliminate exploitation conflicts and investment obstacles. Methods. The mapping of relevant frame criteria generates the basis to solve the conflicts, such as types of exploitation of field areas, development plans, protected areas, flooded areas, etc. as well as their geo-referencing in the Geographical Information System. The critical examination of data age and quality as well as the geostatistical evaluation by means of semivariogram analy- sis and Kriging technique are essential prerequisites for the de- termination of areas related to utility and exceeding test values. Results and Conclusions. As a result, one can modify the haz- ardous situation and can provide recommendations for an opti- mal elimination of hazards, mostly in the framework of sched- uled measures in terms of town planning. Outlook. On the basis of the results obtained, further exploita- tion or monitoring work can clearly be optimized. Keywords: Geographical Information System; geostatistics; GIS; investment obstacle; Kriging (technique); different kinds of ex- ploitation; test value; contaminant, soil; threshold value; semi- variogram DOI: http://dx.doi.org/10.1065/uwsf2003.04.056 Zusammenfassung Ziel und Absicht. Geografische Informationssysteme (GIS) wer- den in Verbindung mit geostatistischen Methoden mit Erfolg zur Beseitigung von Nutzungskonflikten und Investitions- hemmnissen bei großräumigen Kontaminationen mit heteroge- nen Datenbeständen eingesetzt. Methoden. Grundlage bildet zunächst die Kartierung relevanter Rahmenkriterien für die Konfliktlösung wie Nutzungsarten der Flurstücke, Bebauungspläne, Schutzzonen, Überflutungsgebiete u.v.m. sowie deren Georeferenzierung im GIS. Die kritische Aus- einandersetzung mit Herkunft und Qualität der Daten und die geostatistische Auswertung mit Semivariogrammanalysen und der Kriging-Schätzung schaffen die Voraussetzung für die Ab- grenzung nutzungsbezogener prüfwertüberschreitender Areale nach BBodSchV. Ergebnisse und Schlussfolgerungen. Im Ergebnis kann die Gefah- rensituation relativiert werden und es können fundierte Handlungs- empfehlungen für eine optimierte Gefahrenbeseitigung gegeben werden. Dies geschieht oft im Rahmen vorgesehener städtebauli- cher Maßnahmen. Ausblick. Weitere Untersuchungs- oder Monitoringarbeiten kön- nen auf der Grundlage der Ergebnisse deutlich optimiert werden. Schlagwörter: Geografisches Informationssystem; GIS; Geosta- tistik; Investitionshemmnis; Kriging; Nutzungsszenario; Prüf- wert; Schadstoff, Boden; Schwellenwert; Semivariogramm 1 Konfliktsituationen in Bereichen großflächiger Bodenkontaminationen Flurstücksübergreifende Kontaminationen sowohl in Stadtge- bieten als auch in konfliktbehafteten Industrielandschaften (brownfields) mit mehreren Eignern oder Schadensverursach- ern führen oft zu Hemmnissen bei gewerblichen Investitionen, aber auch zu grundsätzlichen Konflikten bei der mittel- und großräumigen Planung kommunaler städtebaulicher Vorhaben. Die Einbeziehung von Fragen der Gefahrenabwehr, der Dekontamination oder Immobilisierung, der Nutzungsbe- schränkung oder gar der Entlassung aus einem Kontamina- tionsverdacht in großräumige Planungsvorhaben sind bislang nicht ohne größeren Aufwand lösbar. Für die meisten Ge- biete fehlen komplexe Betrachtungen, welche die sich ge- genseitig beeinflussenden Bedingungen berücksichtigen. Un- tersuchungen und Gutachten zu Belastungssituationen be- ziehen sich zumeist isoliert auf Grundstücke der jeweiligen Auftraggeber, sind untereinander aufgrund verschiedener Zielstellungen, Methoden und Bewertungskriterien schwer vergleichbar, oft veraltet oder aufgrund der Sensibiliät der Ergebnisse auch nicht verfügbar. Insbesondere in Gebieten großer Spannweiten der Nutzungssensibilitäten stoßen Be- hörden, Kommunen und Planer bei dem Versuch, die Nutzungs- konflikte zu lösen, an die Grenzen der herkömmlichen Pla- nungs- und Bewertungsinstrumente.
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Die Lösung von Nutzungskonflikten aufgrund flächenhafter Bodenkontaminationen mit Hilfe Geografischer Informationssysteme und Mitteln der Geostatistik

Feb 08, 2023

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Methoden Geografische Informationssysteme

1© ecomed verlagsges. AG & Co. KG, D-86899 Landsberg und Ft. Worth/TX • Tokyo • Mumbai • Seoul • Victoria • ParisUWSF – Z Umweltchem Ökotox 2003 (OnlineFirst): 1 – 6

Methoden

Die Lösung von Nutzungskonflikten aufgrund flächenhafterBodenkontaminationen mit Hilfe Geografischer Informationssystemeund Mitteln der Geostatistik

Kersten Roselt 1*, Christoph Scheibert 1, Jürgen W. Einax 2 und Jörg Kraft 2

1 JENA-GEOS-Ingenieurbüro GmbH, Saalbahnhofstraße 25c, D-07743 Jena2 Friedrich-Schiller-Universität Jena, Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Lehrbereich Umweltanalytik,Lessingstraße 8, D-07743 Jena

* Korrespondenzautor ([email protected])

Abstract

The Solution to Use Conflicts of Large Area SoilContaminations by Means of Geographical InformationSystems and Geostatistical Methods

Goal and Scope. By means of Geographical Information Systems(GIS) and other geostatistical methods, the extensive heterogene-ous data materials of large area soil contaminations are re-evalu-ated to eliminate exploitation conflicts and investment obstacles.

Methods. The mapping of relevant frame criteria generates thebasis to solve the conflicts, such as types of exploitation of fieldareas, development plans, protected areas, flooded areas, etc. aswell as their geo-referencing in the Geographical InformationSystem. The critical examination of data age and quality as wellas the geostatistical evaluation by means of semivariogram analy-sis and Kriging technique are essential prerequisites for the de-termination of areas related to utility and exceeding test values.

Results and Conclusions. As a result, one can modify the haz-ardous situation and can provide recommendations for an opti-mal elimination of hazards, mostly in the framework of sched-uled measures in terms of town planning.

Outlook. On the basis of the results obtained, further exploita-tion or monitoring work can clearly be optimized.

Keywords: Geographical Information System; geostatistics; GIS;investment obstacle; Kriging (technique); different kinds of ex-ploitation; test value; contaminant, soil; threshold value; semi-variogram

DOI: http://dx.doi.org/10.1065/uwsf2003.04.056

Zusammenfassung

Ziel und Absicht. Geografische Informationssysteme (GIS) wer-den in Verbindung mit geostatistischen Methoden mit Erfolgzur Beseitigung von Nutzungskonflikten und Investitions-hemmnissen bei großräumigen Kontaminationen mit heteroge-nen Datenbeständen eingesetzt.

Methoden. Grundlage bildet zunächst die Kartierung relevanterRahmenkriterien für die Konfliktlösung wie Nutzungsarten derFlurstücke, Bebauungspläne, Schutzzonen, Überflutungsgebieteu.v.m. sowie deren Georeferenzierung im GIS. Die kritische Aus-einandersetzung mit Herkunft und Qualität der Daten und diegeostatistische Auswertung mit Semivariogrammanalysen undder Kriging-Schätzung schaffen die Voraussetzung für die Ab-grenzung nutzungsbezogener prüfwertüberschreitender Arealenach BBodSchV.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen. Im Ergebnis kann die Gefah-rensituation relativiert werden und es können fundierte Handlungs-empfehlungen für eine optimierte Gefahrenbeseitigung gegebenwerden. Dies geschieht oft im Rahmen vorgesehener städtebauli-cher Maßnahmen.

Ausblick. Weitere Untersuchungs- oder Monitoringarbeiten kön-nen auf der Grundlage der Ergebnisse deutlich optimiert werden.

Schlagwörter: Geografisches Informationssystem; GIS; Geosta-tistik; Investitionshemmnis; Kriging; Nutzungsszenario; Prüf-wert; Schadstoff, Boden; Schwellenwert; Semivariogramm

1 Konfliktsituationen in Bereichen großflächigerBodenkontaminationen

Flurstücksübergreifende Kontaminationen sowohl in Stadtge-bieten als auch in konfliktbehafteten Industrielandschaften(brownfields) mit mehreren Eignern oder Schadensverursach-ern führen oft zu Hemmnissen bei gewerblichen Investitionen,aber auch zu grundsätzlichen Konflikten bei der mittel- undgroßräumigen Planung kommunaler städtebaulicher Vorhaben.

Die Einbeziehung von Fragen der Gefahrenabwehr, derDekontamination oder Immobilisierung, der Nutzungsbe-schränkung oder gar der Entlassung aus einem Kontamina-tionsverdacht in großräumige Planungsvorhaben sind bislang

nicht ohne größeren Aufwand lösbar. Für die meisten Ge-biete fehlen komplexe Betrachtungen, welche die sich ge-genseitig beeinflussenden Bedingungen berücksichtigen. Un-tersuchungen und Gutachten zu Belastungssituationen be-ziehen sich zumeist isoliert auf Grundstücke der jeweiligenAuftraggeber, sind untereinander aufgrund verschiedenerZielstellungen, Methoden und Bewertungskriterien schwervergleichbar, oft veraltet oder aufgrund der Sensibiliät derErgebnisse auch nicht verfügbar. Insbesondere in Gebietengroßer Spannweiten der Nutzungssensibilitäten stoßen Be-hörden, Kommunen und Planer bei dem Versuch, die Nutzungs-konflikte zu lösen, an die Grenzen der herkömmlichen Pla-nungs- und Bewertungsinstrumente.

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Geografische Informationssysteme Methoden

2 UWSF – Z Umweltchem Ökotox 2003 (OnlineFirst)

Bei der Bearbeitung derartiger Projekte zeigt sich oft eineÜberlagerung von Kontaminationen, die verschiedenen Emis-sionsquellen (Fabriken, Ablagerungen, Kanalsysteme usw.)entstammen und auch unterschiedlichen Belastungspfadenzuzuordnen sind. So sind für großflächige Bodenkontami-nationen in Stadtgebieten beispielsweise Schwermetallan-reicherungen in der obersten Bodenschicht typisch, die überden Luftweg (Staubniederschlag, Schwebstaub) angereichertwurden. In Auebereichen können sie sich mit überflutungs-bedingten Schadstoffakkumulationen überlagern. Im Über-gang zu ländlichen Bereichen spielt wiederum die Gülle- undKlärschlammproblematik eine Rolle.

2 Prinzipieller Lösungsansatz

Mit diesem Beitrag soll eine Methode vorgestellt werden,die mit einfachen, aber modernen Mitteln bereits vorhande-ne Daten bewertet, verknüpft und in einem GeografischenInformationssystem (GIS) auswertet.

In einem solchen GIS wurden zunächst alle verfügbarenFlächendaten erfasst, die einen Teilbeitrag zur Lösung derAufgabenstellung leisten können. Dies sind:− Katasterdaten als GIS-Grundlage− Nutzungs- und Planungsdaten− Flächen besonderer Schutzwürdigkeitsprofile− Flächen mit der latenten Gefahr der Schadstoffverfrach-

tung (Erosion, Überflutung ...).

Die Punktdaten zur Belastungssituation der Böden (Analy-sen mit Koordinaten) wurden in einer Datei mit weitgehen-den Filtermöglichkeiten erfasst. Die Repräsentanz wurdenach bestimmenden Kriterien bewertet (siehe Kap. 5.1).Danach gingen die Analysenergebnisse mit oder ohne Ein-schränkung in die weitere Auswertung ein.

Im Ergebnis einer umfassenden geostatistischen Auswertungund der gewichteten räumlichen Interpolation aller verwend-baren Analysendaten wurden prüf- oder maßnahmewertüber-schreitende Areale einzelner relevanter Schadstoffe teufenbe-zogen (Probennahmeintervalle nach BBbodSchV) abgegrenzt.

Der Verschnitt dieser Areale mit den ebenfalls nutzungsbe-zogenen Flächendaten im GIS führte zur Herausfilterung derFlurstücke mit prinzipiellem Handlungsbedarf.

Die Interpretation beinhaltete neben der gutachterlichen Plau-sibilitätsprüfung die Einbeziehung der Planungsdaten der Kom-mune und weiterer Flächendaten zur komplexen Betrachtungund Ableitung flurstücksbezogener Handlungsempfehlungen.

Perspektivisch können neben Fragen des Gewässerschutzes ineinem solchem System auch Aufgaben implementiert werden,die im Rahmen der 'Agenda 21' zu lösen sind. Diese bestehenu.a. in der Entwicklung von Handlungskonzepten zur nach-haltigen Flächennutzung und –bewirtschaftung der Bodenres-sourcen inkl. des Aufbaus entsprechender Informationssysteme.

Abb. 1 zeigt in einem Schema den prinzipiellen Lösungsansatz.

Abb. 1: Aufbau des GIS

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Methoden Geografische Informationssysteme

UWSF – Z Umweltchem Ökotox 2003 (OnlineFirst) 3

3 Flächendaten und Aufbau des GIS

3.1 Katasterdaten und kommunale Planungsdaten

Da durch Bodenkontaminationen hervorgerufene Konflikteneben der Umweltproblematik i.w.S. juristische Konsequenzenfür jeweilige Flächeneigner resultieren, wurde die Flurstücksbe-zogenheit hergestellt. Die Flurstücke innerhalb des amtlichenKoordinatensystems bilden die Grundlage für das GIS.

Hinsichtlich der Nutzung verfügbarer digitaler Flächendatenist in Deutschland der digitale Anarbeitungsstand derzeitregional bzw. lokal noch sehr unterschiedlich. Digitale Lie-genschaftskataster oder ATKIS-generierte Planunterlagen derKommunen wie auch Bodeninformationssysteme der Bun-desländer sind noch nicht durchgängig vorhanden bzw. be-finden sich noch im Aufbau. Daher machte sich in einigenFällen die Digitalisierung von Flurkarten zumindest zurSchließung von Lücken erforderlich.

Für die Lösung der aus flächenhaften Bodenkontaminationenresultierenden Konflikte ist von Interesse, welche Vorhabendie jeweilige Kommune bauplanerisch verfolgt. Ziel ist, pers-pektivische Bauvorhaben bereits vorab konkret mit Handlungs-erfordernissen, die aus registrierten Bodenbelastungen abge-leitet werden, abzustimmen. Die Bebauungs- und Flächen-nutzungspläne wurden in das GIS übernommen. Für erweiterteAufgabenstellungen wie z.B. Wertermittlungen kontaminiert-er Grundstücke ist auch von Nutzen, Karten mit Bodenwerten,Bodenrichtwertzonen, Grundstücks- und Geschossflächen-zahlen usw. einzubeziehen.

3.2 Nutzungsdaten

Es wurden flurstücksbezogene Nutzungskartierungen des je-weiligen Untersuchungsgebietes durchgeführt. Hierbei wurdeweitestgehend der Nutzungsschlüssel der BBodSchV [3] mitdem Ziel einer ökotoxikologischen und bodenschutzrechtlichenBewertung der Belastung der Flurstücke angewendet.

Hinsichtlich des Wirkungspfades Boden – (Nutz-)Pflanze (–Tier) – Mensch wurde die Kartierung verschieden ökotoxiko-logisch wirksamer Szenarien durchgeführt. Hier sind bei-spielsweise die Kleingärten, Zierflächen, Weiden, Baumobst-plantagen gesondert zu erfassen, da für sie unterschiedlichePrüf- und Maßnahmewerte zur Anwendung kommen. Kin-derspielflächen, Bolzplätze, Reitplätze u.a. sind für direkteorale oder inhalative Aufnahmepfade von Bedeutung. In die-sem Zusammenhang wurden auch die versiegelten Flächen(z.B. Flächen des fließenden und ruhenden Verkehrs) abge-grenzt (Abb. 2).

3.3 Schutzgebiete

Trink- und Heilwasserschutzzonen, Naturschutzgebiete, -parks,Flächennaturdenkmale, Bergbauschutz- und Vorbehaltsge-biete, denkmalgeschützte Gebäude u.ä. sowie besondersschützenswerte Biotope wurden im GIS erfasst.

3.4 Altlastenverdachtsflächen

Altlasten bzw. Altlastenverdachtsflächen wurden in den Alt-lasteninformationssystemen der Bundesländer sowie in den

Bebauungsplänen der Kommune recherchiert. Weitere Infor-mationen wurden bei der jeweiligen Unteren Gefahrenab-wehrbehörde eingeholt.

3.5 Weitere relevante Abgrenzungen

Im GIS wurden weiterhin Flächen erfasst, die von Bedeu-tung für die Wirkpfadbetrachtung sein können. Solche sindz.B. Gebiete verstärkter Bodenerosion, Senkungsgebiete, of-fene Wasserflächen, Überflutungs- sowie Vernässungsgebiete(hoher Grundwasserstand).

4 Punktdaten: Aufbau der Analysendatenbank

In der Praxis wurden häufig Untersuchungen durchgeführt,die teilweise untereinander wenig koordiniert waren, ver-schiedenen Zielrichtungen dienten und Unterschiede in derQualität aufweisen. Die erhobenen Teildatensätze könnenin der Analysendatenbank zusammengefasst werden. Fürdetaillierte Untersuchungen ist es aber unabdingbar, mittelsfrei definierter Kriterien bestimmte Daten aus- bzw. einzu-blenden. Hierzu müssen die Datensätze der Analysendaten-bank sowohl Analysendaten als auch sogenannte Metadatenenthalten. Dies sind Daten bezüglich Inhalt, Qualität, Verfüg-barkeit und anderer Charakteristiken. Sie spielen eine funk-tionale Rolle bei der Unterstützung der Suche nach Teildaten-sätzen und können ebenso zur Bewertung der Verwendbar-keit für einen bestimmten Zweck dienen. Mit der Erhebungund Bereitstellung von Metadaten neben den eigentlichenAnalysendaten erhält der Nutzer die Möglichkeit, den Daten-bestand nach den unterschiedlichsten Kriterien zu selektie-ren und somit die Analysendaten nach verschiedenen Zwe-cken zu trennen. Zu den Metadaten können neben raumbezo-

Abb. 2: Ergebnis einer Nutzungskartierung

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Geografische Informationssysteme Methoden

4 UWSF – Z Umweltchem Ökotox 2003 (OnlineFirst)

genen Daten, wie z.B. der geographische Bezug (in Koordi-naten und/oder Namen und/oder Linienzügen/Flusskilome-trierungen), Angaben zur Probennahme, Probennahmekam-pagnen und nicht zuletzt zur Herkunft der Daten und ihrerGenauigkeit zählen.

Im konkreten Fall wurden als spezielle Metadaten zur Tren-nung der verschiedenen Datensätze die Beprobungstiefe unddie angewendeten Aufschlussverfahren aufgenommen.

5 Geostatistische Auswertung der Punktdaten

5.1 Bewertung der Repräsentanz der Daten

Die Qualität der erhobenen Daten hat einen entscheidendenEinfluss auf die Genauigkeit der mittels statistischer Verfah-ren oder auf sachlogischer Basis getroffenen Entscheidungen.

Mit Hilfe eines für den Untersuchungsfall eingeführten Ran-king-Verfahrens war es möglich, die Kriterien (Tabelle 1) zubewerten. Im Ergebnis dieses Bewertungsalgorithmus geht einTeil der Daten ohne Einschränkung und ein weiterer mit Ein-schränkungen in die Datenbank ein. Ein dritter Teil muss fürdie weitere Auswertung ausgeschlossen werden.

5.2 Datenvorbehandlung

Eine Auswertung von Messergebnissen in der Darstellungs-form 'Nachweisgrenze-Werte' ist problematisch. Viele sta-tistische Verfahren setzen eine vollständig besetzte Daten-matrix voraus. Zur Behandlung von Fehlstellen könnenentweder die Fälle/oder die Variablen, die solche Angabenenthalten, gestrichen werden, oder z.B. durch den Mittel-wert aller anderen Fälle dieser Variable ersetzt werden. Eineweitere Möglichkeit besteht in der Substituierung des 'Nach-weisgrenze-Wertes' durch einen Repräsentanten, der aus derNachweisgrenze und einem Faktor zwischen 0 als Minimal-annahme und 1 für den größtmöglichen Wert gebildet wird.Im Untersuchungsfall wurde der Faktor auf 0,9 gesetzt.

5.3 Datenauswertung

Eine wichtige Möglichkeit zur Analyse räumlich und/oderzeitlich korrelierter Daten besteht in der Anwendung geo-statistischer Methoden. Diese Methoden, ursprünglich zurExploration von Rohstofflagerstätten genutzt [1,2], werdenseit 1980 [3] auch erfolgreich zur Interpretation von Um-weltdaten eingesetzt [4]. Die räumliche und/oder zeitlicheAbhängigkeit der Einzelwerte einer Variable wird mit Hilfeder Semivarianz bestimmt und als Funktion der Entfernungzwischen den einzelnen Probenwerten im Semivariogrammdargestellt. Dadurch können mittels der Krigingschätzungdie Schadstoffgehalte an nicht beprobten Stellen geschätztwerden. Detaillierte Beschreibungen der geostatistischenMethoden sind in [5] gegeben.

In Abb. 3 ist ein experimentelles Semivariogramm darge-stellt. Die Semivarianz erreicht nach einem Anstieg in einembestimmten Abstand a (die sogenannte Reichweite) denSchwellenwert C, der gleichbedeutend mit der statistischenVarianz ist. Um diesen maximalen Schwellenwert schwan-ken alle weiter entfernten Werte.

Den Semivariogrammwerten wird eine theoretische Semivario-grammfunktion angepasst. Die Anzahl der Wertepaare, dieden Semivariogrammwerten zugrunde liegen, nehmen mitwachsendem Abstand der Punkte untereinander stark ab. Ausdiesem Grund gehen die ersten Werte mit einem höheren Ge-wicht in die Anpassung der theoretischen Funktion ein. Biszur Reichweite a korrelieren die Werte untereinander, darüberhinaus sind sie räumlich unabhängig.

Quelle / Untersuchung Nr.

Kriterien

[1] [2] [3] ... [18] [19]

Lagegenauigkeit 1 geodätisch vermessen bzw. GPS 2 örtlich vermessen / später digitalisiert 3 skizzenhaft 4 keine exakten Angaben 5 unbrauchbar

3 2 5 1 2

Beprobungsraster 1 erfasst Untersuchungsgebiet 2 lokale Untersuchung(en) 3 keine Bodenanalysen 4 außerhalb des Untersuchungsgebietes

1 2 2 2 2

Probennahme / Dokumentation 1 nach DIN 2 für Aufgabenstellung ausreichend 3 teilweise ausreichend 4 nicht ausreichend 5 keine Angaben 6 keine Bodenproben

3 2 5 1 2

Probenintervalle nach BBodSchV 1 ja 2 eingeschränkt 3 nein

2 2 3 1 2

Analytik 1 höchste Qualität ( Akkredit., DIN...) 2 verwendbar 3 eingeschränkt verwendbar 4 nicht verwendbar

3 2 4 1 1

Gesamtbewertung: Daten gehen in die Datenbank ein

1 ohne Einschränkung 2 mit Einschränkung 3 nicht

2 1 3 1 1

Tabelle 1: Beispiel einer Bewertung der vorhandenen Daten aus verschie-densten Quellen

Abb. 3: Semivariogramm

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6 Verschneidung im GIS und Interpretation

Im Ergebnis der gewichteten räumlichen Interpretation derKrigingschätzung wurden Areale abgegrenzt, innerhalb de-rer jeweilige nutzungsbezogene Schwellenwerte überschrit-ten werden. Diese wurden nun mit den Nutzungs-/bzw. Expo-sitionsszenarien im GIS verschnitten. Im Ergebnis wurdenFlurstücke markiert, für deren Nutzungstyp im Sinne einerSchwellenwertüberschreitung prinzipieller Handlungsbedarfbesteht (Abb. 5).

Der häufig bei experimentellen Semivariogrammen anzutref-fende Schnittpunkt der Funktion mit der y-Achse bei positi-ven Werten wird als Nuggeteffekt C0 bezeichnet. Die Ursa-chen dafür liegen einerseits in der Summe der Varianzen derMess-, Analysen- und Probennahmefehler (Mikroinhomo-genität) begründet. Andererseits beinhaltet der Nuggeteffektauch einen quantitativen Anteil der kleinräumigen Variabili-tät [6], der durch das angewendete Probennahmeraster nichtmehr erfasst werden kann. Durch stetige Verringerung des Pro-bennahmeabstandes kann der durch die Mikroinhomogenitätverursachte Anteil des Nuggeteffekts gegen Null gehen.

Für alle Probennahmestellen, die kleiner als die Reichweitea voneinander entfernt liegen, liegt ein räumlicher Zusam-menhang vor. Für eine repräsentative Belastungseinschätzungist eine Probennahmeentfernung kleiner als die Reichweiteerforderlich. So können z. B. im Rahmen eines weitergehen-den Umweltmonitorings die Probennahmeabstände denWerten, die aus dem Semivariogramm ermittelt wurden,angepasst werden. Damit reduziert sich der Probennahme-aufwand erheblich.

Ein großer Vorteil der Semivariogrammanalyse besteht inder nicht notwendigerweise regelmäßigen Anordnung derProbennahmestellen. Die Semivariogrammanalyse kann auchbeim Vorliegen unregelmäßig im Raum verteilter Proben-nahmestellen angewendet werden. Hierzu werden die nichtäquidistant verteilten Punkte Teilbereichen mit dem Ab-standsintervallen l ± ∆l und dem Öffnungswinkeln ψ ± ∆ψzugeordnet. Dadurch ist es möglich, nicht beprobbare Flä-chen, die z. B. durch topographische, Bebauungs- und nichtzuletzt durch Eigentumsverhältnisse nicht zur Verfügung ste-hen, mit in die Untersuchung einzubeziehen (Abb. 4).

Abb. 4: Ergebnis einer Krigingschätzung. Die rote Linie markiert einen Prüf-wert, der im Bereich der 'Berge' überschritten wird

Auf der Grundlage der aus den Semivariogrammanalysen er-mittelten theoretischen Funktionen können dann anschließendSchadstoffgehalte an nicht beprobten Stellen geschätzt werden.

Bei der Krigingschätzung, die nach dem südafrikanischenBergbauingenieur D.G. Krige benannt wurde, wird ein unbe-kannter Wert durch ein gewichtetes Mittel der bekanntenNachbarwerte geschätzt. Hierbei werden die Gewichte sooptimiert, dass der Schätzer im Mittel den wahren Wert schätztund keinen systematischen Fehler macht. Die Ergebnisse kön-nen in Form von Isolinien gut interpretierbar dargestellt wer-den. Mit Hilfe der Schätzwerte ist es dann möglich, die Höheund die Ausdehnung einer Belastung zu ermitteln.

Abb. 5: Beispiel: Verschnitt der Flurstücke mit Nutzungstyp 'Ackerbau...'mit den Prüf- und Maßnahmewerten der BBodSchV

Bei dieser Herangehensweise wurde strikt einzeln nach ver-schiedenen Probennahmetiefen gemäß BBodSchV [7], nachverschiedenen Wirkpfaden und nach der differenzierten Ana-lytik (Königswasser-, Ammoniumnitrataufschluss oder wäss-riges Eluat) vorgegangen.

Die Ableitung flurstücksbezogener Handlungsempfehlungenrichtete sich nach der Relevanz der nutzungsbezogenenSchwellenwertüberschreitungen und der Flächendaten für dasjeweilige Grundstück. Sie wurden einer gutachterlichen Be-wertung unterzogen und nach Plausibiliätsprüfung sinnvoller-weise in einer Maßnahmekarte (Karte der Handlungs-empfehlungen) dargestellt (Abb. 6). Somit konnte insgesamtein Register von Maßnahmen abgeleitet werden, die der je-weiligen speziellen Situation unter dem Verhältnismäßigkeits-aspekt gerecht werden.

Prüfwertüberschreitende Schadstoffbelastungen waren in denmeisten Fällen in der Umgebung von Emissionsquellen sowieden von ihnen ausgehenden Belastungspfaden konzentriert.

Für die Fälle, bei denen die Schwerpunktareale der Boden-kontaminationen in 'brownfields' liegen, ist die Einbindungder Konfliktlösung in städtebauliche oder Entwicklungsvor-haben angezeigt. Die Einbeziehung der Kontaminations-problematik in diese Vorhaben bedarf einer qualifiziertenPlanung und behördlichen Kontrolle.

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Geografische Informationssysteme Methoden

6 UWSF – Z Umweltchem Ökotox 2003 (OnlineFirst)

Nach den bisherigen Erkenntnissen der Autoren sind prüf-wertüberschreitenden Belastungen und schädliche Boden-veränderungen in Schutzzonen sowie in den Wohn- undErholungsbereichen in den meisten Fällen in deutlich gerin-geren Ausmaßen als in unmittelbarer Nähe von Industrie-anlagen und Altlasten zu beobachten. Für belastete Areale,die außerhalb von Planungsgebieten liegen, wurden speziel-le Empfehlungen wie beispielsweise Nutzungsbeschränkun-gen oder Aufkalkungen gegeben. Bei Vorliegen von Datenaus mehreren Untersuchungskampagnen konnten Aussagengetroffen werden, inwieweit z.B. die Schadstoffbelastung inder oberen Bodenschicht (0–20 cm ) in der zurückliegendenZeit abgenommen hat.

Die Einbeziehung der auskartierten Flurstücke mit verstärk-ten Bodenerosionen, mit Überflutungsereignissen usw. (vgl.3.5) lieferte Hinweise auf mögliche Schadstoffumlagerungenund somit zu prognostischen Gefährdungssachverhalten.

Die Auswertung führte auch zu Empfehlungen zur Schlie-ßung von Informationslücken oder für ein Monitoring. An-hand des optimalen Probennahmeabstands, der mit Hilfeder Semivariogrammanalyse ermittelt wurde, können beab-sichtigte Untersuchungen deutlich optimiert werden.

7 Ausblick

Die Digitalisierung und ganzheitliche Betrachtung allerbislang erhobenen Daten und ihre Verknüpfung mit den spe-zifischen Nutzungsszenarien und den nutzungsbezogenenSchwellenwerten in einem Geografischen Informationssystembietet die Möglichkeit, der Problematik großflächiger Boden-

kontaminationen mit ökotoxikologisch und statistisch gesi-chertem Kenntnisstand zu begegnen. Die Einbeziehung kom-munaler städtebaulicher Vorhaben in die Betrachtung führtzu dem Effekt, Fragen der Gefahrenabwehr nicht über spe-ziell dafür ausgerichtete Sanierungsmaßnahmen lösen zumüssen. Die Dekontaminationen oder Immobilisierungenkönnen auf diese Weise nach dem Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit an den Rahmen der vorgesehenen baulichenMaßnahmen der Stadtentwicklung angepasst werden.

Vorgesehene Monitoringprojekte wurden statistisch gesi-chert aufgestellt bzw. bestehende Überwachungsmaßnah-men optimiert.

Kurzfristig wurde mit derartigen Lösungen die eingeforder-te Beseitigung von kontaminationsbedingten Investitions-und Planungshemmnissen erreicht, weil flurstücksübergrei-fende Abhängigkeiten komplex gelöst werden konnten.

Mittel- und langfristig ist die Erweiterung eines solchen GISzu umweltrelevanten Aufgaben wie Stadtbodenkartierung,Ver- und Entsiegelung, Entwässerung, vor allem aber imZusammenhang mit der Verwirklichung der 'Agenda 21' vonunschätzbarem Nutzen. In diesem Sinne ist eine weitere Ver-knüpfung der Lösungen zur Verwirklichung des Bodenschut-zes mit den Aufgaben des Gewässerschutzes (Oberflächen-und Grundwasser) unabdingbar.

Die Fortschreibung des GIS eröffnet der zuständigen Um-weltbehörde und der Kommune die Möglichkeit der gezieltenaktiven Einflussnahme.

Letztendlich zeigen bislang derartig durchgeführte Untersu-chungen, dass mit relativ einfachen Mitteln in relativ kurzerZeit begründete Lösungen für die Behandlung flächenhafterBodenverunreinigungen abgeleitet werden können.

Literatur

[1 de Wijs HJ (1951): Statistics of ore distribution. I. Frequencydistribution of assay values. Tech Hogeschool, Delft, Neth. Geo-logie et Mijnbouw 13, 365–75

[2] Krige DG (1951): A Statistical Approach to some Mine Valua-tions and allied Problems at the Witwaterswand. Thesis, Uni-versity of Witwaterswand, Witwaterswand

[3] Fränzle O, Killisch W (1980): Aufschlüsselung des Informations-gehaltes umweltrelevanter, flächenbezogener Strukturdaten.Umweltforschungsplan des Bundesministers des Innern. Öko-logie-Forschungsbericht 101 04 035 Berlin. Schriftenreihe:Forschungsbericht Umweltbundesamt 80–111

[4] Einax J, Soldt U (1995): Geostatistical investigations of pol-luted soils. Fresensius J Anal Chem 351, 48–53

[5] Akin H, Siemes H (1988): Praktische Geostatistik. Springer Ver-lag, Berlin, Heidelberg, New York

[6] Einax J, Kraft J (2002): Small-scale Variability of Metals inSoil and Composite Sampling. ESPR – Environ Sci & PollutRes 9 (4) 257–261

[7] BBodSchV(1999): Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverord-nung. BGBl. I Nr. 36, vom 16.7.1999, S. 1533–1582

Eingegangen: 27. Januar 2003Akzeptiert: 16. April 2003

OnlineFirst: 17. April 2003

Abb. 6: Beispiel für eine Maßnahmekarte