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Deutsche Literatur. Exemplarisches aus Lyrik und Prosa In den drei Tagen zur Einführung in das Studium der Literatur wollen wir uns an konkreten Textbeispielen ein wenig in den Umgang mit Literatur einüben. Dazu beginnen wir mit einigen grundsätzlichen Überlegungen, auch um einen literaturwissenschaftlichen von einem ‚naiven‘ Umgang mit Literatur zu unterscheiden lernen. Auch einige Grundbegrifflichkeiten wollen wir uns erarbeiten. Im weiteren Verlauf der Tage sollen dann vor allem lyrische und prosaische Texte verschiedener Gattungen und Epochen im gemeinsamen Gespräch erörtert werden. Dabei soll auch diskutiert werden, ob die Literatur denn heute überhaupt noch für sich in Anspruch nehmen darf, ein Leitmedium unserer Kultur zu sein oder ob sie in dieser Funktion nicht längst von anderen Medien abgelöst wurde. Für die Diskussion der Textbeispiele wäre es sehr hilfreich, wenn sich ein wenig mit den begrifflichen Kategorien vertraut machten und die Sekundärtexte zur Kenntnis nehmen könnten 13.3.2015 Aufbau der Veranstaltung: 1. Block 10-11.30: Was ist Literatur? Terry Eagleton: Was ist Literatur? 2. Block 11.45-13.00: Die Erzählung Jürgen H. Petersen: Elemente der Erzählanalyse Text: Johann Peter Hebbel: Kannitverstan 3. Block: 14:00-15.30: Die Novelle Ferdinand von Saar: Die Troglodytin 4. Block: 15.45-17.00: Lyrikanalyse Jürgen H. Petersen: Formanalyse des Gedichts Text: Andreas Gryphius: Abend
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Deutsche Literatur. Exemplarisches aus Lyrik und Prosa · Puskins Evgenij Onegin, bemerkte Osip Brik einmal leichthin, wäre auch geschrieben worden, wenn Puskin nie gelebt hätte.

Sep 17, 2019

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Deutsche Literatur. Exemplarisches aus Lyrik und Prosa

In den drei Tagen zur Einführung in das Studium der Literatur wollen wir uns an konkreten Textbeispielen ein wenig in den Umgang mit Literatur einüben. Dazu beginnen wir mit einigen grundsätzlichen Überlegungen, auch um einen literaturwissenschaftlichen von einem ‚naiven‘ Umgang mit Literatur zu unterscheiden lernen. Auch einige Grundbegrifflichkeiten wollen wir uns erarbeiten. Im weiteren Verlauf der Tage sollen dann vor allem lyrische und prosaische Texte verschiedener Gattungen und Epochen im gemeinsamen Gespräch erörtert werden. Dabei soll auch diskutiert werden, ob die Literatur denn heute überhaupt noch für sich in Anspruch nehmen darf, ein Leitmedium unserer Kultur zu sein oder ob sie in dieser Funktion nicht längst von anderen Medien abgelöst wurde. Für die Diskussion der Textbeispiele wäre es sehr hilfreich, wenn sich ein wenig mit den begrifflichen Kategorien vertraut machten und die Sekundärtexte zur Kenntnis nehmen könnten

13.3.2015

Aufbau der Veranstaltung:

1. Block 10-11.30: Was ist Literatur? • Terry Eagleton: Was ist Literatur?

2. Block 11.45-13.00: Die Erzählung

• Jürgen H. Petersen: Elemente der Erzählanalyse

Text: Johann Peter Hebbel: Kannitverstan

3. Block: 14:00-15.30: Die Novelle

• Ferdinand von Saar: Die Troglodytin

4. Block: 15.45-17.00: Lyrikanalyse • Jürgen H. Petersen: Formanalyse des Gedichts • Text: Andreas Gryphius: Abend

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3. Auflage

Terry Eagleton

Einführung in dieLiteraturtheorie

Aus dem Englischenvon

Elfi Bettinger undElke Hentschel

Verlag]. B. MetzlerStuttgart . Weimar

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1. Einleitung: Was ist Literatur?

Wenn es so etwas wie Literaturtheorie gibt, dann muß es offen-sichtlich wohl auch etwas namens Literatur geben, womit sichdiese Theorie beschäftigt. Wir können also zuerst einmal dieFrage stellen: Was ist Literatur?

Es gibt die unterschiedlichsten Versuche zur Definition von .1

Literatur. Man kann sie beispielsweise als >imaginatives< Schrei- 'F ' i

ben im Sinne von >Fiktion< definieren - als ein Schreiben, das . ' \ .", ,nicht im wörtlichen Sinne >wahr<ist. Aber schon bei flüchtigster " lBetrachtung dessen, was normalerweise unter der Überschrift>Literatur< zusammengefaßt wird, zeigt sich, daß diese Defini-tion nicht ausreicht. Die englische Literatur des 17. J ahrhun-derts umfaßt die Dramen Shakespeares und Websters, die Ge-dichte Marvells und die Epen Miltons; aber sie erstreckt sichauch auf die Essays von Francis Bacon, die Predigten von JohnDonne, John Bunyans religiös-allegorische Autobiographieund das, was Sir Thomas Browne geschrieben hat, was immer esauch sein mag. Mit einem kleinen Zugeständnis kann man sogarHobbes Leviathan oder Clarendons History of the Rebellionmiteinbeziehen. Die französische Literatur des 17. Jahrhun-derts umfaßt neben Corneille und Racine die Maximen von Ro-chefoucauld, die Beerdigungspredigten von Bossuet, BoileausAbhandlungen über Poetik, Madame de Sevignes Briefe an ihreTochter und die philosophischen Schriften von Descartes undPascal. Im 19. Jahrhundert umfaßt die englische Literatur Lamb .(nicht aber Bentham), Macaulay (aber nicht Marx), Mill (aberweder Darwin noch Herbert Spencer).

Die Unterscheidung zwischen >Fakten< und >Fiktion< scheintuns also nicht sehr weit zu bringen, nicht zuletzt, weil die Un-terscheidung selbst häufig fragwürdig ist. So wird beispiels-weise argumentiert, daß unsere moderne Opposition von >hi-storischer< und >künstlerischer< Wahrheit auf die frühen isländi-schen Sagen gar nicht anwendbar sei (Steblin- Kamenkij). Imspäten 16. und frühen 17. Jahrhundert wurde das englischeWort für Roman, >novel<, anscheinend sowohl für wahre alsauch für fiktive Ereignisse verwendet, selbst Zeitungsberichte

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wurden kaum als faktisch betrachtet. Romane und Zeitungs be-richte waren weder eindeutig faktisch noch eindeutig fiktiv: un-sere eigene scharfe Trennung zwischen den beiden Kategorientraf einfach nicht zu (s. Davis). Edward Gibbon war zweifellosüberzeugt, daß er die historische Wahrheit aufschrieb, und dasglaubten vielleicht auch die Verfasser der Genesis, aber heutewerden sie von einigen als Tatsache, von anderen als Fiktion ge-lesen; auch John Henry Newman dachte sicherlich, daß seinetheologischen Meditationen wahr seien, aber heute sind sie fürviele Leser >Literatur<. Darüber hinaus schließt >Literatur< zwarviele >faktischen< Schriften mit ein, sondert aber auch viel Fikti-ves aus. Der Comic Strip Superman und Silviaromane sind fik-tionale Werke, werden aber im allgemeinen nicht als Literaturbetrachtet, und bestimmt nicht zu >der Literatur< gezählt. WennLiteratur >kreatives< oder >imaginatives< Schreiben bedeutet,heißt das dann, daß Geschichte, Philosophie und Naturwissen-schaften unkreativ und unimaginativ sind?

Vielleicht braucht man überhaupt einen ganz anderen An-satz. Vielleicht ist Literatur nicht darüber definierbar, ob siefiktional oder >imaginativ< ist, sondern weil sie eine spezifischeArt der Sprachverwendung darstellt. Mit dieser Theorie wirdLiteratur zu einer Art des Schreibens, die mit den Worten des

F~. t-.,,,,, ,)', russischen Kritikers Roman Jakobson »eine organisierte Ge-walt, begangen an der einfachen Sprache« darstellt. Literaturverändert und iqtensiviert die Alltagssprache, weicht systema-tisch von ihr ab.IWenn Sie sich mir an der Bushal~estelle ~läher.nund murmeln: »bu noch unberührte Braut der Stille«, WIrd mIrsofort bewußt, daß ich mich in der Gegenwart des Literarischenbefinde. Das weiß ich, weil die Dichte, der Rhythmus und derKlang der Worte ihre erkennbare Bedeutung bei weitem über-wiegen - oder, wie die Linguisten es technischer ausdrückenkönnten, es besteht hier ein Ungleich gewicht zwischen Be-zeichnendem und Bezeichnetem. Die Sprache lenkt die Auf-merksamkeit auf sich selbst und prunkt auf eine Weise mit ihrermateriellen Substanz, wie es Außerungen wie »Wissen Sienicht, daß die Busfahrer streiken?« nicht tun. '(

Tatsächlich war dies die Definition des >Literarischen<, die inder Folge von den russischen Formalisten entwickelt wurde,unter ihnen Viktor Sklovskij, Roman Jakobson, Osip Brik, Ju-rij Tynjanov, Boris Ejchenbaum und Boris Tomasevkij. DieFormalisten traten in Rußland in den Jahren vor der Oktoberre-volution des Jahres 1917 hervor und erlebten ihre Blütezeit inden 20er Jahren, ehe sie vom Stalinismus völlig zum Schweigen

gebracht wurden. Als eine Gruppe militanter, polemischer Kri-tiker verwarfen sie die quasi-mystischen Doktrinen des Symbo-lismus, von denen die Literaturkritik vor ihnen beeinflußt war,und lenkten mit praktischem, wissenschaftlichem Geist dieAufmerksamkeit auf die materielle Seite des literarischen Tex-tes. Literaturwissenschaft und Kritik sollten die Kunst vom Ge-heimnisvollen, Mysteriösen trennen und sich damit befassen,wie der literarische Text wirklich funktioniert: Literatur seikeine Pseudo-Religion, Psychologie oder Soziologie, sonderneine spezifische sprachliche Struktur. Sie hat ihre eigenen, spe-ziellen Gesetze, Strukturen und Verfahren, die als solche unter-sucht und nicht auf etwas anderes reduziert werden sollten. Dasliterarische Werk ist weder ein Transportmittel für Ideen nochdie Widerspiegelung der sozialen Realität oder die Verkörpe-rung einer transzendentalen Wahrheit: es ist ein materiellesFaktum, dessen Funktionen analysiert werden können, so ähn-lich, wie wenn man eine Maschine untersucht. Es besteht ausWörtern, nicht aus Objekten oder Gefühlen, und es ist ein Feh-ler; den Ausdruck des Denkens eines Autors oder einer Autorindarin zu sehen. Puskins Evgenij Onegin, bemerkte Osip Brikeinmal leichthin, wäre auch geschrieben worden, wenn Puskinnie gelebt hätte.

Der Formalismus stellte im Grunde die Anwendung der Lin-guistik auf das Literaturstudium dar; und da die in Frage kom-mende Linguistik eine formale war, die sich mehr mit denStrukturen der Sprache beschäftigte als mit dem, was vielleichtgerade gesagt wurde, übergingen die Formalisten die Analysedes literarischen .Inhalts< (wo man immer der Psychologie oderSoziologie anheimfallen konnte) zugunsten des Studiums derliterarischen Form. Weit davon entfernt, die Form als Aus-druck des Inhalts zu sehen, stellten sie dieses Verhältnis auf denKopf: der Inhalt war nur die >Motivation< für die Form, Anlaßoder Gelegenheit für eine bestimmte Art von formaler Übung.Don Quixote handelt nicht >von<der gleichnamigen Figur: DieFigur ist nur ein Verfahren, um die verschiedenen Erzähltechni-ken zusammenzuhalten. Und Orwells Animal Farm (Die Farmder Tiere) wäre für die Formalisten keine Allegorie auf den Sta-linismus; ganz im Gegenteil, der Stalinismus bildete einfacheine günstige Gelegenheit für die Konstruktion einer Allegorie.Dieses starrsinnige Beharren war es auch, das den Formalistenseitens ihrer Gegner ihren Schimpfnamen eingebracht hat; undobwohl sie nicht bestritten, daß Kunst in Beziehung zur sozialenRealität steht - tatsächlich hatten einige von ihnen enge Verbin-

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dungen zu den Bolschewiki - erklärten sie provokativ, daß dieseBeziehung den Kritikter nichts anginge.

Der Ausgangspunkt der Formalisten lag darin, das literari-rr. sche Werk als eine mehr oder weniger willkürliche Ansamm-

lung von, Verfahren< zu sehen, und erst später verstanden siediese als zueinander in Beziehung stehende Elemente oder als>Funktionen< innerhalb des Gesamtsystems eines Textes. ,ver-fahren< schlossen Klang, Bildlichkeit, Rhythmus, Syntax, Me-trum, Reim, Erzähltechniken, ja wirklich den ganzen Vorrat anformalen literarischen Elementen ein; und was allen diesen Ele-

." menten gemeinsam war, war ihr ,verfremdungseffekt<. Es warfür die literarische Sprache spezifisch und unterschied sie vonanderen Diskursarten, daß sie die Sprache auf verschiedeneWeisen verformte oder ,deformierte<. Unter dem Druck litera-rischer Verfahren wurde die normale Sprache intensiviert, ver-dichtet, verschlungen, zusammengeschoben, auseinandergezo-gen, auf den Kopf gestellt. Es war ,fremd-gemachte< Sprache,und aufgrund dieser Verfremdung wurde auch die alltäglicheWelt plötzlich fremd und nicht-vertraut. In der Routine derAlltagssprache würden unsere Wahrnehmungen von und un-sere Reaktionen auf die Wirklichkeit schal, abgestumpft, oderwie die Formalisten sagen würden, >automatisiert<. Indem Lite-ratur uns ein dramatisches Sprachbewußtsein aufzwingt, erneu-ert sie diese gewohnheitsmäßigen Reaktionen und macht dieGegenstände >wahrnehmbarer<. Wenn man mit der Sprache aufeine anstrengendere, bewußte re Art als sonst ringen muß, wirddie Welt, die von dieser Sprache enthalten wird, lebendig erneu-ert. Die Lyrik von Gerard Manley Hopkins (1844-1889) könntehierfür als besonders anschauliches Beispiel dienen. Der litera-rische Diskurs entfremdet uns von der Alltagssprache und ver-fremdet diese, ermöglicht uns aber paradoxerweise zugleichreichere, innigere Erfahrungen. Die meiste Zeit atmen wir Luft,ohne uns dessen bewußt zu sein: wie die Sprache ist Luft dasMedium, in dem wir uns bewegen. Aber wenn die Luft plötz-lich dick oder verpestet ist, werden wir gezwungen, mit neuerWachsamkeit auf unser Atmen zu achten, und dies kann sichvielleicht in einer verstärkten Wahrnehmung unserer Körper-funktionen auswirken. Wir lesen die hingekritzelte Notiz einesFreundes, ohne uns groß Gedanken über ihre narrative Strukturzu machen; aber wenn eine Geschicht abbricht und neu ein-setzt, ständig von einer Erzählebene zur anderen wechselt undden Höhepunkt hinauszögert, um uns in Spannung zu halten,wird uns aufs neue bewußt, wie sie konstruiert ist, während

vielleicht gleichzeitig unser Erlebnis sich intensivieren kann.~ie Fabel, würden die Formalisten argumentieren, benutzt >be-hmdernde< oder >retardierende< Verfahren, um unsere Auf-merk~amkeit zu erhalten, und in der literarischen Sprache wer-den diese Verfahren >offengelegt<. Das bewegt Viktor Sklovkijzu der hinterhältigen Bemerkung über Laurence Sternes Tri-stram Shandy> einen Roman, der seinen eigenen Verlauf so sehrbehindert, daß es ihm kaum gelingt, anzufangen, daß dies >dertypischste Roman der Weltliteratur< sei.

Die Formalisten sahen also die literarische Sprache als eineReihe von Abweichungen von einer Norm, eine Art sprachli-cher Gewalt: Literatur ist eine >besondere< Art von Sprache, imGegensatz zu der >normalen Sprache<, die wir gewöhnlich be-nutzen. A~er das Erkennen einer Abweichung schließt mit ein,daß man die Norm, von der sie abweicht, identifizieren kann.C?b.wohl die >norm~le Sprache< eine heißgeliebte Vorstellung beieimgen Oxford- Philosophen ist, hat die >normale Sprache< die-se~ Philosophen wenig mit der >normalen Sprache< der Hafenar-beiter ~on Glasgow zu tun. Und die Sprache, die beide gesell-schaftlIchen Gruppen benutzen, wenn sie Liebesbriefe schrei-ben, unterscheidet sich normalerweise von der Art, wie sie sichmit .ihref!l ~emeindepfarrer unterhalten. Die Vorstellung, daßes eme emzige >normale< Sprache gibt, eine gemeinsame Wäh-rung, an der alle Mitglieder der Gesellschaft teilhaben, ist eineIllusion. Jed: wirkliche Sprache besteht aus einer hochkomple-xen Bandbreite von Diskursen, die sich entsprechend der Klas-sen-, R~gional-, G~schlec~ts- und Statuszugehörigkeit etc. un-terscheiden, und die auf kemen Fall problemlos zu einer homo-genen Sprachgemeinschaft vereinheitlicht werden können. Ei-nes Menschen Norm kann des anderen Abweichung sein: >Wei-her< für >kleiner See<mag in einer Gegend poetisch, in einer an-deren >normale< Sprache sein. Selbst der >prosaischste< Text des15. Jahrhunderts kann aufgrund seiner Archaismen für unsheute >poetisch< klingen. Wenn wir über einen einzelnen iso-lierte~ ~:tte~ mit Schriftzeichen aus einer lange entschw~nde-nen ZiVilIsation stolpern sollten, könnten wir vom bloßen An-schein nicht sagen, ob es sich um >Poesie<handelt, da wir keinenZugang mehr zu den >normalen< Diskursen jener Gesellschafthätten; und sel~st wenn weitere Nachforschungen ergäben, daßder Text >abweichend< ist, würde dies noch immer nicht bewei-sen, ?aß e~ sich um Poesie handelt, da nicht alle Abweichungenpoetisch smd. Slang, beispielsweise. Wir könnten aufgrund blo-ßer Betrachtung nicht feststellen, ob nicht ein Stück >realisti-

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scher< Literatur vorliegt, ohne weitere Informationen darüberzu haben, welche Funktion das Textstück innerhalb der fragli-chen Gesellschaft hatte.

Nicht etwa, daß die Formalisten dies nicht bemerkt hätten.\., .l'" t .. Sie ~rkannten, ~aß I':Jormen und Abweichungen sich von einem1\1" t • SOZialen oder historischen Kontext zum anderen veränderten -".::" • \', '"daß>Poesie<in diesem Sinne davon abhängt, wo man sich zufäl-·u; >. lig gerade befindet. Die Tatsache, daß ein Stück Sprache eine

>verfremdende< Wirkung hatte, war keine Garantie dafür, daßdies immer und überall der Fall sein würde: es >verfremdete< nurvor einem bestimmten normativen sprachlichen Hintergrund,und wenn dieser sich änderte, wäre der Text möglicherweisenicht mehr als literarisch wahrnehmbar. Wenn jeder Ausdrückewie >unberührte Braut der Stille< in gewöhnlichen Kneipenge-sprächen verwenden würde, so würde diese Art der Sprachevielleicht aufhören, >poetisch< zu sein. Für die Formalisten warLiterarizität mit anderen Worten eine Funktion der differentiel-len Beziehungen zwischen einer Art von Diskurs und einer an-deren; sie war nicht ein ewig gegebenes Gut. Sie waren nichtdarauf aus, >Literatuf<, sondern >Literarizität< zu definieren -besondere Verwendungen von Sprache, die in >literarischen<Texten, aber auch vielerorts außerhalb derselben gefunden wer-den konnten. Jeder, der glaubt, daß >Literatur< durch solchespeziellen Verwendungsarten von Sprache definiert werdenkann, muß der Tatsache ins Gesicht sehen, daß es in der Sprachedes Ruhrpotts vielleicht mehr Metaphern gibt als bei Rilke. Esgi.bt keine >literarischen< Verfahren - Metonymie, Synekdoche,Litotes, Chiasmus etc. -, die nicht auch häufig im alltäglichenDiskurs verwendet würden.

Nichtsdestotrotz gingen die Formalisten weiter davon aus,daß das Wesen der Literatur in der ,yerfremdung< besteht. Sierelativierten diesen Gebrauch von Sprache einfach nur und sa-hen ihn als ein Kontrastmoment zwischen einer Redeweise undeiner anderen. Aber was passiert, wenn ich von jemand am Ne-bentisch in der Kneipe die Bemerkung höre: »Das ist aber einekrakelige Handschrift!« Ist das >literarische oder >nicht-literari-sche< Sprache? Tatsächlich ist es >literarische< Sprache, denn esstammt aus Knut Hamsuns Roman Hunger. Aber wie kann ichwissen, daß es >literarisch< ist? Als sprachliche Äußerung ziehtes schließlich keine besondere Aufmerksamkeit auf sich. EineAntwort auf die Frage, wie ich herausfinden kann, daß das lite-rarisch ist, lautet, daß es aus Knut Hamsuns Roman Hungerstammt. Es ist Teil eines Textes, den ich als ,fiktional< gelesen

habe, der sich als >Roman< ankündigt, den man auf universitäreLiteraturleselisten setzen kann etc. Der Kontext sagt mir, daß esliterarisch ist; aber die Sprache selbst hat keine inhärenten Fä-higkeiten oder Eigenschaften, die sie von anderen Diskursartenunterscheiden könnten, und man könnte es sehr wohl in einerKneipe äußern, ohne für seine literarische Gewandtheit Bewun-derung zu ernten. Eine formalistische Literaturauffassung be-deutet in Wirklichkeit, daß man sämtliche Literatur als Poesiebegreift. Auffälligerweise haben die Formalisten, wenn es umdie Betrachtung eines Prosatextes ging, häufig einfach die Tech-niken, die sie bei der Lyrikuntersuchung anwandten, übertra-gen. Aber Literatur wird meistens als etwas begriffen, was mehrals nur die Lyrik umfaßt - etwas, was beispielsweise realistischeoder naturalistische Werke einschließt, die nicht in irgend einera~ffallenden Weis~ vo~ sprachlicher Selbstdarstellung geprägtsmd. Manchmal WIrd em Text gerade deshalb als >gut<bezeich-net, weil er nicht ungebührlich Aufmerksamkeit auf sich zieht:er wird für seine lakonische Schlichtheit oder seine unterkühlteNüchternheit bewundert. Und was ist mit Witzen, Fußball-Schlachtrufen und Slogans, Zeitungsüberschriften und Rekla-mesprüchen, die sprachlich oft brilliant sind, im allgemeinen je-doch nicht als Literatur eingeordnet werden?

Ein anderes Problem in Sachen ,yerfremdung< besteht darin,daß es keine Schreibweise gibt, die mit genügend Scharfsinnnicht als verfremdend gelesen werden könnte. Nehmen Sie eineprosaische, ziemlich unzweideutige Aussage, wie man siemanchmal in U-Bahnhöfen findet: »Hunde müssen auf derRolltreppe getragen werden.« Dies ist vielleicht nicht so un-zweideutig, wie es auf den ersten Blick scheint: heißt das, manmuß auf der Rolltreppe einen Hund tragen? Wird man von derBenutzung der Rolltreppe ausgeschlossen, wenn man nicht ir-gen deinen herumstreunenden Köter findet, den man auf demWeg nach oben umklammern kann? Viele anscheinend einfa-chen Mitteilungen enthalten solche Zweideutigkeiten. Aberselbst wenn man solche beunruhigenden Zweideutigkeiten bei-seite läßt, ist es sicher offensichtlich, daß das Hinweisschild inder U- Bahn als Literatur gelesen werden könnte. Man könntesich vom weichen Klang der ersten beiden Zweisilber mit ihrenNasalen gefangennehmen lassen, würde in Gedanken weit ab-schweifen, wenn man bei dem anspielungsreichen »getragen«angelangt wäre, und dem suggestiven Widerhall der Würde,lahmen Hunden durchs Leben zu helfen, erliegen; und viel-leicht könnten Sie im Wort >Rolltreppe< schließlich genau den

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Rhythmus und die Modulation entdecken, die das Rollen, dieAuf- und Abwärtsbewegung des Gegenstandes selbst imitier-ten. Das mag ja alles ein sinnloses Unterfangen sein, aber auchnicht bedeutend sinnloser als die Behauptung, aus der poeti-schen Beschreibung eines Duells das Klirren der Degen heraus-zuhören, und es hat wenigstens den Vorteil, nahezulegen, daß,Literatur< vielleicht zumindest ebensosehr davon abhängt, wasMenschen mit Texten machen, wie davon, was die Texte mit ih-nen machen.

Selbst wenn wir das Hinweisschild auf diese Art lesen, hättenwir es immer noch als Poesie gelesen, die nur einen Teil dessendarstellt, was die Literatur beinhaltet. Wir wollen deshalb eineandere Möglichkeit der Fehlinterpretation des Schildes in Be-tracht ziehen, die uns vielleicht ein bißehen weiter bringt. Manstelle sich einen Betrunkenen vor, der spät nachts am Handlaufder Rolltreppe hängt, den Hinweis minutenlang mühselig ent-ziffert und dann vor sich hin murmelt: "Wie wahr!« Was füreine Art von Fehler liegt hier vor? Was der Betrunkene wirklichmacht, ist die Mitteilung als eine Art Aussage von allgemeiner,vielleicht sogar kosmischer Bedeutung zu verstehen. Indem erbestimmte Lesekonventionen auf diese Wörter anwendet, löster sie aus ihrem unmittelbaren Kontext heraus und verallgemei-nert sie über ihre pragmatische Absicht hinaus zu etwas mit ei-ner breiteren und vermutlich auch größeren Bedeutung. DieseVorgehensweise ist wohl sicherlich auch bei dem, was man Lite-ratur nennt, beteiligt. Wenn ein Dichter uns sagt, daß seineLiebe wie eine rote Rose ist, schließen wir aus der Tatsache, daßer diese Aussage in einem bestimmten Metrum macht, daß nunnicht die Frage von uns erwartet wird, ob er wirklich eine Ge-liebte hatte, die für ihn aus irgendeinem bizarren Grund wirk-lich einer Rose ähnlich zu sehen schien. Er sagt uns etwas überFrauen und Liebe im allgemeinen. >Literatur<, könnten wir alsosagen, ist ,nicht-pragmatischer< Diskurs: Ungleich Biologie-lehrbüchern und Zetteln für den Zeitungsboten erfüllt sie kei-nen unmittelbaren praktischen Zweck, sondern soll als etwasaufgefaßt werden, was auf den allgemeinen Zustand der Weltverweist. Manchmal, aber nicht immer, benutzt sie eine beson-dere Sprache, so als wolle sie diesen Sachverhalt besonders deut-lich machen - um zu signalisieren, daß es nicht wirklich um einebestimmte, reale Frau geht, sondern mehr um die Art des Spre-chens über eine Frau. Diese Konzentration auf die Art des Spre-chens und nicht so sehr auf die Realität, über die gesprochenwird, wird manchmal als Hinweis darauf gesehen, daß wir mit

>Literatur< eine Art selbst-referentielle Sprache mewen, eweSprache, die über sich selbst spricht.

Auch diese Art der Definition von Literatur wirft indesseneinige Probleme auf. Zum einen wäre Orwell wahrscheinlichrecht überrascht gewesen zu hören, daß seine Essays so gelesenw.erden sollten, als seien die von ihm behandelten Themen we-niger wichtig als die Art, wie er sie darstellt. Bei vielem, wasman als Literatur klassifiziert, wird der Wahrheitsgehalt und diepraktische Relevanz dessen, was gesagt wird, sehr wohl alswichtig für die Gesamtwirkung angesehen. Aber selbst wennder >unpragmatische< Umgang mit dem Diskurs einen Teil des-sen ausmacht, was man als >Literatur< bezeichnet, so folgt ausdieser ,Definition<, daß Literatur nicht wirklich >objektiv< defi-niert werden kann. Die Definition von Literatur hängt dannvon eier Entscheidung des einzelnen ab, wie er etwas liest, undnicb! iöii- der Natur cl~~Geschriebenen. Es gibt bestimmte Ar-ten zu schreiben - Gedichte, Dramen, Romane -, die recht of-fensichtlich als nicht-pragmatisch im angeführten Sinne konzi-piert sind, aber das garantiert noch nicht, daß sie auch tatsäch-lich so gelesen werden. Ich könnte ohne weiteres Gibbons Dar- (stellung des Römischen Weltreichs lesen, nicht weil ich irrtüm-lich annehme, daß sie zuverlässige Informationen über das alteRom bietet, sondern weil ich Gibbons Prosastil genieße oderunabhängig von ihrer historischen Quelle gern in Bildernmenschlicher Korruption schwelge. Aber ich könnte das Ge-dicht von Robert Burns lesen, weil mir als japanischem Garten-baukünstler unklar ist, ob die rote Rose im England des 18.jahrhunderts gedieh. Man wird einwenden, daß es damit nichtals >Literatur< gelesen wird; aber lese ich Orwells Essays als Li-teratur nur, wenn ich seine Aussagen über den Spanischen Bür-gerkrieg zu einer kosmischen Äußerung über das menschlicheLeben verallgemeinere? Zwar werden viele Werke, die man inden akademischen Institutionen als Literatur studiert, >konstru-iert<, um als Literatur gelesen zu werden, aber für einige von ih-nen trifft das eben nicht zu. Ein Text kann als Geschichte oderPhilosophie auf die Welt kommen, um später als Literatur ein-gestuft zu werden; oder er kann seine Existenz als Literatur be-ginnen, um in späteren Zeiten wegen seiner archäologischen Be-deutung geschätzt zu werden. Einige Texte werden literarischgeboren, andere erreichen Literarizität, und wieder anderenwird diese aufgedrängt. In dieser Hinsicht kann Erziehung viel \mehr gelten als Abstammung durch Geburt. Nicht woher man ~kommt, ist hier entscheidend, sondern wie einen die Leute be-

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handeln. Wenn sie beschließen, daß man Literatur ist, dannscheint man das auch zu sein, unabhängig davon, was manselbst zu sein glaubte.

In diesem Sinne kann Literatur weniger als eine inhärente, . Eigenschaft oder eine Reihe von Eigenschaften aufg~faß~ ~e~-J:.~,;kil, den die sICh in bestimmten Texten von BeowulfblS VirgInia

'V V ,'o",J \ W ~~lf entfalten, als vielmehr ais eine ~~~~e ~on Ei.n.stellungen, "T lkh der Menschen gegenüber Texten. Es ware mcht leicht,. aus ~ll

~. dern, was zu verschiedenen Zeiten >Literatur< genannt wird, eInü:' ":"\~.~;~Qnst~.ntes .Muster in~är~nter .Merkmale zu isolieren. Tat~ä.ch-~ hch ware dies so unmoghch Wie der Versuch, das allen anVisier-

tef).Objekten gemeinsame, einmalige Unterschei~ungsmer.kmalzu identifizieren. So etwas wie ein >Wesen<der Literatur gibt esschlicht;~g nicht. Jedes beliebige Stück Text kann >nicht-prag-~atisch< gelesen werden, wenn es das ist, was Literatur aus-macht, genauso wie jeder Text >poetisch< gelesen werden kann.Wenn ich über dem Fahrplan brüte, nicht um irgendeine Zug-verbindung ausfindig zu machen, sondern um mich zu allge-meinen Überlegungen über die Geschwindigkeit und Komple-xität des modernen Lebens anzuregen, könnte man sagen, daßich ihn als Literatur lese. Nach John M. Ellis funktioniert derTerminus >Literatur< etwa so wie das Wort >Unkraut<: Unkrautist keine besondere Pflanzenart, sondern jede beliebige Pflanze,die der Gärtner aus irgendeinem Grund hier nicht haben will.Vielleicht bedeutet >Literatur< so etwas wie das Gegenteil da-von: jede beliebige Art von Text, den jemand aus irger:deine~Grund besonders schätzt. >Literatur< und >Unkraut< SInd, WieI die Philosophen sagen würden, eher funktionale a.ls ontologi-

, sehe Begriffe: sie sagen etwas darüber aus, was Wir tun, abernichts über das Wesen der Dinge. Sie machen eine Aussage überdie Rolle eines Textes oder einer Distel im sozialen Kontext,ihre Beziehungen zu und Unterschiede von ihrer Umgebung,ihr Verhalten darin, die Zwecke, denen sie dienen können, unddie menschlichen Praxisfelder , die sie umgeben. >Literatur< ist indiesem Sinne eine rein formale, leere Art der Definition. Selbstwenn wir daran festhalten, daß sie eine nicht-pragmatische Be-handlung von Sprache darstellt, sind wir immer noch nicht beieinem >Wesen<der Literatur angelangt, weil dies auch für anderesprachliche Äußerungen wie z, B. Witze gil~. In jede~ Fall sindwir weit davon entfernt, >praktische< und >mcht-praktIsche< Be-ziehungen zwischen uns und der Sprache fein säuberlich unter-scheiden zu können. Einen Roman zum Vergnügen zu lesen un-terscheidet sich offensichtlich vom Lesen eines Verkehrschildes

zur Information aber wie steht es mit dem Lesen eines Biolo-gielehrbuchs, u~ sich weiterzubilden? .Ist das ei~e >pragmati-sche< Behandlung von Sprache oder mcht? In viel~n Gesel~-schaften erfüllt die Literatur höchst praktische Funktionen, bei-spielsweise religiöse; sc?arf ~wis~he~ >praktis,ch< ,und >nicht-praktisch< zu untersche~den .iSt viell,eich.t nur In eIner ,~esell-schaft wie unserer möghch, In der die Literatur aufgehort hat,überhaupt noch eine praktische Funktion zu haben. Viellei,chtlegen wir so als allgemeine Definition eine Bed~utun~ von >lite-rarisch< vor, die in Wirklichkeit historisch bestimmt iSt.

Wir haben also immer noch nicht das Geheimnis gelüftet,warum Lamb, Macaulay und Mill Literatur sind, aber ~en-tham, Marx und Darwin im großen und ganzen gesehen mcht.Eine einfache Antwort hierauf wäre vielleicht, daß die erstendrei Beispiele für >gutes Schreiben< darstell~n, die anderen dr~iaber nicht. Diese Antwort hat den Nachteil, zum großen Teilnicht zu stimmen, zumindest meiner Ansicht nach, aber sie bie-tet den Vorteil, darauf hinzuweisen, daß im allgemeinen d~s mitdem Begriff Literatur belegt wird, was man für gut hält. Em o~-fensichtlicher Einwand hingegen lautet, daß es so etwas Wieschlechte Literatur nicht geben könnte, wenn dies die ganzeWahrheit wäre. Ich kann zwar Lamb und Macaulay für über-schätzt halten, das heißt aber noch lange nicht, daß ich sie nichtmehr als Literatur ansehe. Man mag Raymond Chandler für>auf seine Art< gut halten, aber nicht gerade für Literatu~. WennMacaulay andererseits wirklich ein schlechter Schnftstel.lerwäre - wenn er überhaupt keinerlei Sprachgefühl hätte und Sichanscheinend für nichts anderes als weiße Mäuse interessierenwürde -, dann würden die Leute seine Werke wohl überhauptnicht Literatur nennen, auch nicht schlechte Literatur. Wertur-teile haben allem Anschein nach eine Menge damit zu tun, wasals Literatur eingeschätzt wird und was nicht -: nic~t unbedi~gtin dem Sinn, daß ein Text >gut<sein muß, um hteran,sch zu sem,aber er muß von der Art sein, die für gut gehalten Wird: er kannein minderwertiges Beispiel für eine allgemein anerkannteSchreibweise sein. Niemand würde sich die Mühe machen, zusagen, daß ein Busfahrschein ein Beisl?iel minderwertiger Lite-ratur darstelle, aber jemand könnte dies sehr wohl von ErnestDowsons Lyrik sagen. Der Begriff >gutes Schreiben< oder beileslettres ist in diesem Sinne doppeldeutig: er bezeichnet eine Artzu schreiben, die: im'allgemeinen hohes Ansehen genießt, wäh-rend sie einen nicht notwendigerweise zu der Auffassung ver-pflichtet, daß ein einzelnes Exemplar der Gattung >gut<ist.

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Mit dieser Einschränkung macht der Ansatz, in Literatur ein-fach eine angesehene Schreibweise zu sehen, einiges klar. Aberer führt zu einer ziemlich vernichtenden Schlußfolgerung. Erbedeutet· daß wir ein für alle Mal die Illusion fallenlassen kö~-nen, daß' die Kategorie >Literatur< >~bjektiv< i~ Sinne von eWigund unveränderbar ist. Alles kann LIteratur sem, und alles, ~asals unwandelbar und unbestreitbar als Literatur an~eseh~n wIrd_ Shakespeare, zum Beispiel- kann ei.nes Tages. keme LIteraturmehr sein. Jeder Glaube, daß das Studmm d~r Llte.ratur da.sSn~-dium einer stabilen, wohldefinierten Entität seI, so WIe dIeEntomologie das Studium d.er .Inse~ten .ist, kann als Schi~äreabgetan werden. Manche. F~ktion I~t LI.tera~ur, andere m~ht;teilweise ist die Literatur fiktional, teilweise mcht; manche LIte-ratur nimmt sprachlich auf sich selbst Bez~g, ~ährer:d ander.er-seits manch höchstverschlungene Rhetonk keme LIteratur 1St.Literatur im Sinne einer Liste von Werken mit gesichertem undunveränderlichem Wert, die sich durch gemeinsame inhär.enteMerkmale auszeichnen, gibt es nicht. W~nI.l il11Il1~rich von Jetztan die WÖrter>literarisch< und >Litn<1tur<im vorliegenden Buchver-~~;d~~;erd~, l~~b~ich sie gleichzeitig stets m~t unsicht~a~re-~Ti~tt:-c:l~r~hg~grich~n, llm. anzuz~ig~~, daß dIes~ Termminic-ht ~ir~lich ausreicherh wir im Augenblrck aper keme besse-ren zurVert\igllng haben. . . . .

Der G~und weshalb aus der Defmltlon von LIteratur alshochangesehe~er Schreibweise fol~t, daß ~ie ke.ine s.tabileGröße darstellt, liegt in der berüchtigten VeranderlIc.hkeit vonWerturteilen. »Die Zeiten ändern sich, die Werte mcht<~ ~er-kündet die Werbung einer englischen Zeitung, so als o~ wir Im-mer noch das Töten kranker Säuglinge oder das öffentilche.Zu~-schaustellen geistig Kranker für richtig hielten. <?enaus,? wie dIeMenschen ein Werk in einem Jahrhundert als phIlosophIsch undim nächsten als literarisch behandeln mögen oder umgekehrt, sokönnen sie auch ihre Meinung darüber ändern, was sie als wert-volle Texte betrachten. Sie können sogar ihre Auffassung überdie Gründe ändern, weshalb sie etwas für wertvoll ode: wertloshalten. Wie bereits angedeutet, heißt das nicht unb~dmgt, ?aßeinem nun als minderwertig betrachteten Wer~ dl~ Be.zeIch-nung Literatur verweigert wird:. man nennt es VIelleiCht Immernoch Literatur und drückt damlt vage aus, daß das Werk zumTypus angesehener Texte gehört: A?er ~s bedeutet, daß der so-genannte >literarisc~e Ka~on<, die mcht 10 Frage gestellte >großeTradition< der >Nationalliteratur<, als Konstrukt erkannt werd~nmuß, das von bestimmten Leuten aus bestimmten Gründen 10

einer bestimmten Zeit gebildet wurde. Ein literarisches Werkoder eine Tradition, die unabhängig davon, was irgendjemanddarüber gesagt hat oder sagen wird, an sich wertvoll ist, gibt esnicht. >Wert<ist ein transitiver Begriff: er bezeichnet immer das,was von bestimmten Leuten in spezifischen Situationen nachgewissen Kriterien und im Lichte bestimmter Absichten hochbewertet wird. Wenn man eine ausreichend tiefgreifende Um-wandlung unserer Geschichte voraussetzt, ist es also durchausmöglich, daß wir in der Zukunft eine Gesellschaft hervorbrin-gen könnten, die mit Shakespeare überhaupt nichts anzufangenwüßte. Seine Werke würden einfach schrecklich fremd erschei-nen, voller Gedanken und Gefühlsweisen, die solch eine Gesell-schaft beschränkt und irrelevant fände. Shakespeare wäre in ei-ner solchen Lage nicht wertvoller als die meisten modernenGraffiti. Und obwohl viele Leute solche gesellschaftlichen Be-dingungen als tragisch verarmt empfinden würden, scheint esmir dogmatisch, nicht die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, obsie nicht vielleicht aus einer allgemeinen menschlichen Be-reicherung entstehen könnten. Karl Marx beunruhigte dieFrage, weshalb die griechische Kunst einen >ewigen Reiz< behal-ten konnte, obwohl die sozialen Bedingungen, die sie hervorge-bracht haben, längst vergangen waren; aber wie können wirwissen, was >auf ewig< seinen Reiz behalten wird, wenn die Ge-schichte noch nicht beendet ist? Wir können uns vorstellen, daßwir dank einer findigen archäologischen Forschung eine Mengemehr darüber erfahren, was die antike griechische Tragödie fürihre zeitgenössischen Zuschauer wirklich bedeutete, ihre Inter-essen als unseren eigenen zutiefst fremd erkennen, und dann dieDramen im Lichte unserer vertieften Kenntnisse wieder lesen.Ein Ergebnis könnte sein, daß wir keine Freude mehr an ihnenhätten. Wir kämen vielleicht zu der Erkenntnis, daß wir sie zu-vor nur genießen konnten, weil wir sie unwissentlich im Lichteunserer eigenen Voraussetzungen gelesen haben; wenn diesnicht mehr so ohne weiteres möglich ist, könnte es sein, daß unsdas Drama überhaupt nichts Bedeutungsvolles mehr sagt.

Die Tatsache, daß wir literarische Werke immer bis zu einemgewissen Grad im Lichte unserer eigenen Interessen interpretie-ren - tatsächlich sind wir in einem Sinn von >inunserem eigenenInteresse< gar nicht in der Lage, etwas anderes zu tun - könnteeiner der Gründeseirt, weshalb bestimmte literarische Werkeihren Wert über Jahrhunderte hinweg behalten haben. Natür-lich ist es auch möglich, daß wir noch viele Vorlieben des Wer-

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Kindheit, für die Beziehungen zu meinen Eltern und Gesch~i-stern und für eine ganze Menge anderer kultureller Fa~toren Ist,die ebenso sozial und >nicht-subjektiv< wie Bahnhöfe smd. Nochmehr gilt dies für die grundlegend~ St;ukt,:r von ~berzeugun-gen und Interessen> in die ich als ~ItglIed e~n~.rbestimmten Ge-sellschaft hineingeboren werde, wie etwa dlC Uberzeug~ng, daßich meine Gesundheit zu erhalten versuchen soll" daß dle.unte~-schiedlichen Geschlechterrollen in der menschlIchen BIOlogiebenründet sind oder daß Menschen wichtiger sind als Kroko-dil~, Über das eine oder andere mögen wir uns streiten, aber daskönnen wir nur, weil wir tiefverankerte Sicht- und Bewertungs-weisen teilen die mit unserem sozialen Leben eng verbundensind und nicl;t verändert werden können, ohne dieses, Leb,en zuverändern. Niemand wird mich hart bestrafen, wenn Ich em be-stimmtes Gedicht von Donne nicht mag, aber, wenn i~h .be-haupte, daß Donne überhaupt keine Literatur sei, ?ann nskl,ereich unter bestimmten Umständen den Verlust memes ArbeIt~-platzes. Es steht mir frei, die Labour- Pa~ty oder die Konservati-ven zu wählen aber wenn ich aus der Uberzeugung heraus zuhandeln versu:he, daß diese Wahl selbst bloß ein tieferlie~endesVorurteil verschleiert - daß die Bedeutung von Demokratle dar-auf beschränkt ist, alle paar] ahre ein Kreuzchef) auf dem Wahl-schein zu machen - dann könnte ich unter bestimmten unge-wöhnlichen Umständen im Gefängnis landen.

",,_ Die größtenteils verborgene Werts~ruktu~, die u?sere~ Tat-l sachenaussagen zugrundeliegt und sie bestlmmt, l~t Ted der

.>Ideolonie<. Mit >Ideologie< meine ich grobgesagt dIe Art und""Weise bwiedas,was~wir sagen und gl~~ben, ll1itder ~acht-

str~kt~~r--~-~d den Machtbeziehungen der Gesellschaft, m derwir J~\;>t,:n_L~,!o!.~~rll,!!l~riEangt.Aus einer so weiten Definition v<:>nIdeologie folgt, daß nicht alle ,:nserer ,grundl:genden l!rtelleund Kategorien praktischerwelse als Ideologisch bez~lc~netwerden können. Es ist tief in uns verwurzelt, uns selbst m emerBewegung vorwärts in Richtun~ auf die Zukunf~ zu se~en (zu-mindest eine Gesellschaft sieht sich selbst als zu Ihr zuruckke~-rend); aber obwohl diese Sicht weise vielleicht in einer signifI-kanten Beziehung zu der Machtstruktur unserer. Gesellsch,ahsteht braucht das nicht immer und überall so zu sem. Ich mememit ,Ideologie< nicht einfach di~ tief verwurzelte~, häiif~g un?e-;~ßten Überzeugungen, die Menschen haben; Ich meme vlel-m~hr jene Art zu fühlen, zllbewerten, wahrzun~hmen und ~ugl~lJb~ll' Qi~?:ll~Si<,:herungund Erhaltung d~r SOZialen Macht mirgendeiner Beziehung steht. Daß solche Uberzeugungen auf

keinen Fall bloße private Eigenarten sind, soll durch ein Beispielaus dem Bereich der Literatur illustriert werden.

In seiner berühmten Studie Practical Criticism (1929) ver-suchte der Literaturkritiker 1. A. Richards aus Cambridge zudemonstrieren, wie launisch und subjektiv literarische Wertur-teile sein können, indem er den jüngeren Semestern eine Reihevon Gedichten gab, ihnen allerdings Titel und Verfasser vorent-hielt, und sie bat, diese zu beurteilen. Die daraus resultierendenBewertungen waren, wie allseits bekannt, höchst unterschied-lich: traditionell hochgeehrte Dichter bekamen schlechte No-ten, unbekannte Autoren wurden gefeiert. Der m. E. bei wei- '-,tem interessanteste Aspekt dieses Projekts, der offensichtlichfür Richards selbst nicht erkennbar war, ist jedoch gerade, wasfür ein enger Konsens von unbewußten Wertsetzungen diesenspeziellen Meinungsunterschieden zugrundeliegt. Wenn mandie Darstellungen der literarischen Werke von Richards' jünge-ren Semestern liest, ist man von den Wahrnehmungs- und Inter-pretationsgewohnheiten beeindruckt, die sie alle spontan teilen- was sie für Literatur halten, welche Erwartungen sie an einGedicht herantragen und welche Befriedigung sie aus der Be-schäftigung damit zu gewinnen hoffen. Nichts davon ist wirk-lich überraschend: denn alle Teilnehmer an diesem Experimentwaren wahrscheinlich junge Engländer der 20er Jahre, Weiße,Angehörige der Ober- oder oberen Mittelschicht, Absolventenvon Privatschulen, und wie sie auf ein Gedicht reagierten, hingvon einer Menge mehr Faktoren als nur den rein >literarischen<ab. Ihre kritischel~ Reaktionen waren tief in ihren allgemeinerenVorurteilen und Uberzeugungen verwurzelt. Das ist kein Vor-wurf: es gibt keine kritische Reaktion> die nicht derartig ver-wurzelt ist, und daher gibt es auch so etwas wie eine >rein<lite-rarisch kritische Bewertung oder Interpretation nicht. Wennhier jemandem ein Vorwurf gemacht werden kann, dann 1. A.Richards selbst> der als junger, weißer> aus der oberen Mittel-schicht stammender, männlicher Cambridge-Dozent nicht inder Lage war, einen Hintergrund von Interessen> die er zumgroßen Teil teilte, zu objektivieren, und somit nicht erkennenkonnte, daß örtliche, >subjektive< Bewertungsunterschiede in-nerhalb einer bestimmten, sozial strukturierten Wahrneh-mungsweise und Weltsicht fungieren.

W~l1n es nicht a.usreicht, 1:iteratur ,!l~ ~!T!~:objektive<, be-schreibende Kategorie' zu begreifeu,sQbleibt andererseits auchdie Aussage unbefri~clig~l1cl, daß Literatur ebendas ist, was dieLeute launischerweise als Literatur zubez'elchneribeschließen.

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Denn an den verschiedenen i\~ten von W erturt.eil~n ist. über-ha~pt nichts Launisches: sie habe.n ihre W~rze~n m tleferhegen-den Überzeugungsstrukturen, die offens!c~thcJ1e?enSO un~r-schiitterlich sind wie das Empire State BUlldm~. W~r haben ~IS-lallß also nicht nur entdeckt, daß Literat~r nicht m .dem .Sm.nexistiert, wie das Insekten tun, und daß die Werturteile, die siek~nstituieren, historisch veränderlich si~d, sondern auch, daßdi~se Werturteile selbst eine enge Verbmdung zu den gesell-s~haftlichen Ideologien haben. Sie verweisen uns l~tzten Endesnicht allf einen privaten Geschmac.k, sondern auf die G~undan-nahmen, mit denen bestimmte soziale Gruppen Macht uber an-d~re <l,usüben und erhalten.

2. Phänomenologie, Hermeneutik,Rezeptionstheorie

1918 lag Europa in Ruinen, verwüstet vom schlimmsten Kriegder Geschichte. Im Kielwasser dieser Katastrophe wurde derKontinent von einer Flut sozialer Revolutionen überspült: dieJahre um 1920 sollten den Spartakus-Aufstand in Berlin undden Generalstreik in Wien, die Gründung von Arbeiterräten inMünchen und Budapest und zahllose Massenbesetzungen vonFabriken in ganz Italien erleben. Alle diese Erhebungen wurdengewaltsam niedergeschlagen; aber die soziale Ordnung des eu-ropäischen Kapitalismus war durch das Blutbad des Kriegesund den darauf folgenden politischen Aufruhr bis in die Wur-zeln erschüttert worden. Die Ideologien, auf denen diese Ord-nung gewohnheitsmäßig beruht hatte, und die kulturellenWerte, von denen sie bestimmt wurde, waren ebenso zutiefst inAufruhr geraten. Die Wissenschaft schien auf einen sterilen Po-sitivismus, auf eine kurzsichtige Obsession mit der Kategorisie-rung von Fakten, zusammengeschrumpft zu sein; die Philoso-phie schien zwischen einem solchen Positivismus auf der einenund einem unhaltbaren Subjektivismus auf der anderen Seitezerrissen; Formen des Relativismus und des Irrationalismuswucherten, und dieser bestürzende Beziehungsverlust spiegeltesich auch in der Kunst wider. In diesem Kontext weitverbreite-ter ideologischer Krisen, der bis weit vor den 1. Weltkrieg zu-rückreichte, suchte der deutsche Philosoph Edmund Husserleine neue philosophische Methode zu entwickeln, die einer aus-einanderbrechenden Zivilisation absolute Gewißheit verschaf-fen konnte. Husserl hatte, wie er später in seinem Werk DieKrisis der europaischen Wissenschaften (1936) schreiben sollte,die Wahl zwischen irrationalistischer Barbarei auf der einen undder geistigen Wiedergeburt durch eine >absolut selbstgenüg-same Geisteswissenschaft< auf der anderen Seite.

Wie sein philosophischer Vorläufer Rene Descartes begannHusserl seine Suche nach Gewißheit durch eine vorläufige Zu-rück weisung dessen, i was er >natürliche Einstellung< nannte -der alltäglichen Auffassung des Mannes auf der Straße, daß dieDinge unabhängig von uns in der Außenwelt existieren und daß

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Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes.

Kannitverstan

Der Mensch hat wohl täglich Gelegenheit, in Emmendingen und Gundelfingen, so gut als in 5 Amsterdam Betrachtungen über den Unbestand aller irdischen Dinge anzustellen, wenn er will, und zufrieden zu werden mit seinem Schicksal, wenn auch nicht viel gebratene Tauben für ihn in der Luft herumfliegen. Aber auf dem seltsamsten Umweg kam ein deutscher Handwerksbursche in Amsterdam durch den Irrtum zur Wahrheit und zu ihrer Erkenntnis. Denn als er in diese große und reiche Handelsstadt, voll prächtiger Häuser, wogender Schiffe und geschäftiger Menschen, 10 gekommen war, fiel ihm sogleich ein großes und schönes Haus in die Augen, wie er auf seiner ganzen Wanderschaft von Duttlingen bis nach Amsterdam noch keines erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Verwunderung dies kostbare Gebäude, die 6 Kamine auf dem Dach, die schönen Gesimse und die hohen Fenster, größer als an des Vaters Haus daheim die Tür. Endlich konnte er sich nicht entbrechen, einen Vorübergehenden anzureden. »Guter Freund«, redete er ihn an, »könnt Ihr mir 15 nicht sagen, wie der Herr heißt, dem dieses wunderschöne Haus gehört mit den Fenstern voll Tulipanen, Sternenblumen und Levkojen?« – Der Mann aber, der vermutlich etwas Wichtigeres zu tun hatte, und zum Unglück gerade so viel von der deutschen Sprache verstand, als der Fragende von der holländischen, nämlich nichts, sagte kurz und schnauzig: »Kannitverstan«; und schnurrte vorüber. Dies war ein holländisches Wort, oder drei, wenn man's recht betrachtet, und heißt auf 20 deutsch soviel, als: Ich kann Euch nicht verstehn. Aber der gute Fremdling glaubte, es sei der Name des Mannes, nach dem er gefragt hatte. Das muß ein grundreicher Mann sein, der Herr Kannitverstan, dachte er, und ging weiter. Gaß aus Gaß ein kam er endlich an den Meerbusen, der da heißt: Het Ey, oder auf deutsch: das Ypsilon. Da stand nun Schiff an Schiff, und Mastbaum an Mastbaum; und er wußte anfänglich nicht, wie er es mit seinen zwei einzigen Augen durchfechten 25 werde, alle diese Merkwürdigkeiten genug zu sehen und zu betrachten, bis endlich ein großes Schiff seine Aufmerksamkeit an sich zog, das vor kurzem aus Ostindien angelangt war, und jetzt eben ausgeladen wurde. Schon standen ganze Reihen von Kisten und Ballen auf- und nebeneinander am Lande. Noch immer wurden mehrere herausgewälzt, und Fässer voll Zucker und Kaffee, voll Reis und Pfeffer, und salveni Mausdreck darunter. Als er aber lange zugesehn hatte, fragte er endlich einen, 30 der eben eine Kiste auf der Achsel heraustrug, wie der glückliche Mann heiße, dem das Meer alle diese Waren an das Land bringe. »Kannitverstan«, war die Antwort. Da dachte er: Haha, schaut's da heraus? Kein Wunder, wem das Meer solche Reichtümer an das Land schwemmt, der hat gut solche Häuser in die Welt stellen, und solcherlei Tulipanen vor die Fenster in vergoldeten Scherben. Jetzt ging er wieder zurück, und stellte eine recht traurige Betrachtung bei sich selbst an, was er für ein 35 armer Mensch sei unter so viel reichen Leuten in der Welt. Aber als er eben dachte: Wenn ich's doch nur auch einmal so gut bekäme, wie dieser Herr Kannitverstan es hat, kam er um eine Ecke, und erblickte einen großen Leichenzug. Vier schwarz vermummte Pferde zogen einen ebenfalls schwarz überzogenen Leichenwagen langsam und traurig, als ob sie wüßten, daß sie einen Toten in seine Ruhe führten. Ein langer Zug von Freunden und Bekannten des Verstorbenen folgte nach, Paar und 40 Paar, verhüllt in schwarze Mäntel, und stumm. In der Ferne läutete ein einsames Glöcklein. Jetzt ergriff unsern Fremdling ein wehmütiges Gefühl, das an keinem guten Menschen vorübergeht, wenn er eine Leiche sieht, und blieb mit dem Hut in den Händen andächtig stehen, bis alles vorüber war.

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Doch machte er sich an den letzten vom Zug, der eben in der Stille ausrechnete, was er an seiner Baumwolle gewinnen könnte, wenn der Zentner um 10 Gulden aufschlüge, ergriff ihn sachte am Mantel, und bat ihn treuherzig um Exküse. »Das muß wohl auch ein guter Freund von Euch gewesen sein«, sagte er, »dem das Glöcklein läutet, daß Ihr so betrübt und nachdenklich mitgeht.« »Kannitverstan!« war die Antwort. Da fielen unserm guten Duttlinger ein paar große Tränen aus den 5 Augen, und es ward ihm auf einmal schwer und wieder leicht ums Herz. »Armer Kannitverstan«, rief er aus, »was hast du nun von allem deinem Reichtum? Was ich einst von meiner Armut auch bekomme: ein Totenkleid und ein Leintuch, und von allen deinen schönen Blumen vielleicht einen Rosmarin auf die kalte Brust, oder eine Raute.« Mit diesen Gedanken begleitete er die Leiche, als wenn er dazu gehörte, bis ans Grab, sah den vermeinten Herrn Kannitverstan hinabsenken in seine 10 Ruhestätte, und ward von der holländischen Leichenpredigt, von der er kein Wort verstand, mehr gerührt, als von mancher deutschen, auf die er nicht achtgab. Endlich ging er leichten Herzens mit den andern wieder fort, verzehrte in einer Herberge, wo man Deutsch verstand, mit gutem Appetit ein Stück Limburger Käse, und, wenn es ihm wieder einmal schwerfallen wollte, daß so viele Leute in der Welt so reich seien, und er so arm, so dachte er nur an den Herrn Kannitverstan in Amsterdam, 15 an sein großes Haus, an sein reiches Schiff, und an sein enges Grab.

[1809]

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Dr. Matthias Buschmeier Literarische Texte 6.5.2010

Andreas Gryphius: Abend (1663) Der schnelle Tag ist hin / die Nacht schwingt ihre Fahn /

Vnd führt die Sternen auff. Der Menschen müde Scharen 5

Verlassen Feld und Werck / wo Thir und Vogel waren

Traurt itzt die Einsamkeit. Wie ist die Zeit verthan!

Der Port naht mehr und mehr sich zu der Glider Kahn.

Gleich wie diß Licht verfil / so wird in wenig Jahren

Ich / du / und was man hat / und was man siht / hinfahren. 10

Diß Leben kömmt mir vor als eine Renne‐Bahn.

Laß höchster Gott / mich doch nicht auff dem Lauffplatz gleiten /

Laß mich nicht Ach / nicht Pracht / nicht Lust nicht Angst verleiten!

Dein ewig‐heller Glantz sey vor und neben mir /

Laß / wenn der müde Leib entschläfft / die Seele wachen 15

Vnd wenn der letzte Tag wird mit mir Abend machen /

So reiß mich aus dem Thal der Finsternüß zu dir.