Thünen-Strategie 2014
Herausgeber: Johann Heinrich von Thünen-Institut – Der Präsident – Bundesallee 50, 38116 Braunschweig Telefon: (0531) 596 0, Telefax: (0531) 596 1099, E-Mail: [email protected]
Redaktion: Thünen-Institut, © 2014
Satz und Gestaltung: Heidrun Fornahl, Ulrike Hochgesand, Thünen-Institut
Fotos: Sofern nicht anders angegeben: Thünen-Institut. Außer: Seite 11, links (Deutscher Bundestag/Marc-Steffen Unger); Seite 11, rechts (Fotolia); Seite 15, links (Fotolia); Seite 100 (Jan Knauss).
Thünen-Strategie 2014
Inhalt1 Ausgangspunkt und Leitgedanken 1
2 Aufgaben, Ressourcen und Struktur 5
3 Selbstverständnis und Programmatik 93.1 Verknüpfung von Forschung und wissenschaftlicher Politikberatung 113.2 Nutzung des breiten Aufgaben- und Fachprofils 133.3 Nationale und internationale Zusammenarbeit 153.4 Qualitätssicherung und Leistungsbewertung 193.5 Kommunikation mit der Öffentlichkeit 24
4 Die Thünen-Themenfelder 27 Natürliche Ressourcen und Schutzgüter Boden 30 Wasser 32 Klima und Luft 34 Biologische Vielfalt 36 Wälder 38 Meere 40 Produktions- und Nutzungssysteme Pflanzenproduktion 42 Nachwachsende Rohstoffe 44 Waldmanagement und Holzverwendung 46 Ökologischer Landbau 48 Nutztierhaltung und Aquakultur 50 Fischerei 52 Landnutzungs- und Wildtiermanagement 54 Wirtschaft, Gesellschaft, Politik Wettbewerbsfähigkeit und Strukturwandel 56 Einkommen und Beschäftigung 58 Ländliche Lebensverhältnisse 60 Märkte, Handel, Zertifizierung 62 Globale Ernährungssicherung 64 Verbraucher und Gesellschaft 66 Langfristige Politikkonzepte 68
5 Unsere Basis: Die Thünen-Fachinstitute 71 Ländliche Räume 74 Betriebswirtschaft 76 Marktanalyse 78 Agrartechnologie 80 Biodiversität 82 Agrarklimaschutz 84 Ökologischer Landbau 86 Holzforschung 88 Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie 90 Waldökosysteme 92 Forstgenetik 94 Seefischerei 96 Fischereiökologie 98 Ostseefischerei 100
6 Forschung mit Weitblick: Institutsübergreifende Arbeitsgruppen 103
Mit der vorliegenden Strategie zeigt das Thünen-Institut, wie es seine Aufgaben gegenwärtig erfüllt, welche Ziele es sich in den kommenden Jahren setzt und was es unternehmen wird, um diese Ziele zu erreichen.
Hierzu wird im Kapitel 2 zunächst ein kurzer Über-blick über Aufgaben, Ressourcen und Struktur gege-ben. Anschließend gliedert sich die Strategie in drei Hauptteile:
• Selbstverständnis und Programmatik (Kapitel 3). Hier wird zunächst themenübergreifend darge-legt, welcher Programmatik das Thünen-Institut folgt, welche Erfolgsfaktoren für wichtig gehalten werden und wie diese Faktoren (und damit die Leistung des Thünen-Instituts) optimiert werden sollen.
• Die Thünen-Themenfelder (Kapitel 4). Hier wird das inhaltliche Profil des Thünen-Instituts in Gestalt von 20 Themenfeldern vorgestellt. Für jedes The-menfeld wird dargelegt, (a) unter welchem Blick-winkel das Themenfeld insgesamt bearbeitet wird und (b) wie ausgewählte Einzelthemen weiterent-wickelt werden sollen.
• Institute und institutsübergreifende Arbeitsgruppen (Kapitel 5 und 6). Hier stellen sich zunächst die 14 Fachinstitute mit Kernkompetenzen, Entwick-lungsperspektiven und exemplarischen Highlights
vor. Anschließend wird ein kurzer Überblick über die derzeit 25 institutsübergreifenden Arbeits-gruppen des Thünen-Instituts gegeben.
Um die vorliegende Strategie übersichtlich und lesbar zu halten, werden die inhaltlichen Darle-gungen zu den einzelnen Themenfeldern und Instituten jeweils nur sehr knapp gefasst. Die zur Veranschaulichung ausgewählten Beispiele haben exemplarischen Charakter und werden jeweils nur mit wenigen Sätzen skizziert.
Für die komplette, mehrdimensionale Verlinkung von Themenfeldern, Instituten, institutsübergreifen-den Arbeitsgruppen, Projekten, Verantwortlichen und Publikationen sei auf den neuen Webauftritt des Thünen-Instituts verwiesen (Freischaltung: Sommer 2014).
Die vorliegende Strategie ist als „rollierende Stra-tegie“ konzipiert. Eine erste Überarbeitung ist für Mitte 2015 vorgesehen. Dabei sollen insbesondere (a) die Hinweise des Wissenschaftsrates, (b) die Ergebnisse aus den Strategiegesprächen mit dem BMEL sowie (c) die Ergebnisse der Thünen-internen Diskussionen zu den Themenfeldern berücksichtigt werden. Danach soll die Strategie in Zeitabständen von zwei oder drei Jahren an die jeweiligen Anfor-derungen angepasst und fortgeschrieben werden.
1 Ausgangspunkt und Leitgedanken
2 AUSGANGSPUNKT UND LEITGEDANKEN
1 Ausgangspunkt und Leitgedanken
Felder, Wälder, Meere – die nachhaltige Nutzung dieser natürlichen Lebensgrundlagen ist von ele-mentarer Bedeutung für Existenz und Wohlergehen der Menschheit. Sie wird künftig noch bedeutsamer, weil die Weltbevölkerung weiter anwächst und die fossilen Rohstoffe zur Neige gehen.
Die nachhaltige Nutzung der natürlichen Lebens-grundlagen stellt sich in einer globalisierten Markt-wirtschaft nicht von selbst ein. Sie erfordert ein umfassendes Regelwerk, welches von der Politik auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene festzulegen ist.
Dieses Regelwerk festzulegen, ist keine triviale Auf-gabe. Folgende Fragen verdeutlichen dies exempla-risch: In welcher Höhe sollen die Fischfangquoten für verschiedene Fanggebiete festgesetzt werden? Was ist zu tun, um die Wälder bestmöglich auf den Klimawandel vorzubereiten? Wie kann unsere Land-wirtschaft den wirksamsten Beitrag zum Klima-schutz leisten? Gefährden deutsche Fleischexporte die Agrarentwicklung in Afrika? Wie kann Deutsch-land seine ländlichen Problemregionen optimal unterstützen? Welche Bioenergie-Linien sollte die Bundesregierung im Rahmen der Energiewende för-dern und welche nicht?
Um vernünftige Politikmaßnahmen zu treffen, sollten Ministerien und Parlamente solche Fragen zumindest ungefähr beantworten können. Das erfordert eine solide wissenschaftliche Grundlage. Hierzu kann auf zigtausende von Publikationen zurückgegriffen werden, die das nationale und inter-nationale Wissenschaftssystem beisteuert. Jedoch
zeigt die Erfahrung, dass diese Informationsquelle den Entscheidungshilfebedarf der Politik nur teil-weise abzudecken vermag.
Deshalb hat das Thünen-Institut, als Ressortfor-schungseinrichtung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), die beson-dere Aufgabe, sich an der Schnittstelle von Politik und Wissenschaft zu platzieren und wissenschaftliche Grundlagen für die Politikberatung bereitzustellen. Zum einen geht es dabei um kurzfristige Unterstüt-zung bei aktuellen Gesetzesvorhaben, zum anderen um langfristig ausgerichtete Vorlaufforschung mit dem Ziel, tragfähige Lösungen für das Management unserer Lebensgrundlagen zu erarbeiten.
Um diese besondere Aufgabe erfüllen zu können, weist das Thünen-Institut ein interdisziplinäres Kompetenzprofil auf wie kaum eine andere Groß-forschungseinrichtung in Deutschland. Die simul-tane Beachtung der Aspekte Mensch, Natur, Technik (Sozioökonomie, Ökologie, Technologie) soll Gewähr dafür bieten, dass die entwickelten Lösungskon-zepte relevant, effektiv und effizient sind.
Immer wichtiger wird dabei die internationale Ver-netzung der Forschungsarbeit. Viele Herausforde-rungen der Menschheit lassen sich nur bewältigen, wenn es gelingt, ein wirksames und effizientes Regelwerk auf internationaler Ebene festzulegen. Zudem entspricht es der globalen Verantwortung Deutschlands, dass wir auch bei der Festlegung nationaler Gesetze mögliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Menschen in anderen Teilen der Welt berücksichtigen.
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer
STRATEGIE 2014 AUSGANGSPUNKT UND LEITGEDANKEN 3
Mit der vorliegenden Strategie zeigt das Thünen-Institut, wie es seine Aufgaben gegenwärtig erfüllt, welche Ziele es sich in den kommenden Jahren setzt und was es unternehmen wird, um diese Ziele zu erreichen.
Hierzu wird im Kapitel 2 zunächst ein kurzer Über-blick über Aufgaben, Ressourcen und Struktur gege-ben. Anschließend gliedert sich die Strategie in drei Hauptteile:
• Selbstverständnis und Programmatik (Kapitel 3). Hier wird zunächst themenübergreifend darge-legt, welcher Programmatik das Thünen-Institut folgt, welche Erfolgsfaktoren für wichtig gehalten werden und wie diese Faktoren (und damit die Leistung des Thünen-Instituts) optimiert werden sollen.
• Die Thünen-Themenfelder (Kapitel 4). Hier wird das inhaltliche Profil des Thünen-Instituts in Gestalt von 20 Themenfeldern vorgestellt. Für jedes The-menfeld wird dargelegt, (a) unter welchem Blick-winkel das Themenfeld insgesamt bearbeitet wird und (b) wie ausgewählte Einzelthemen weiterent-wickelt werden sollen.
• Institute und institutsübergreifende Arbeitsgruppen (Kapitel 5 und 6). Hier stellen sich zunächst die 14 Fachinstitute mit Kernkompetenzen, Entwick-lungsperspektiven und exemplarischen Highlights
vor. Anschließend wird ein kurzer Überblick über die derzeit 25 institutsübergreifenden Arbeits-gruppen des Thünen-Instituts gegeben.
Um die vorliegende Strategie übersichtlich und lesbar zu halten, werden die inhaltlichen Darle-gungen zu den einzelnen Themenfeldern und Instituten jeweils nur sehr knapp gefasst. Die zur Veranschaulichung ausgewählten Beispiele haben exemplarischen Charakter und werden jeweils nur mit wenigen Sätzen skizziert.
Für die komplette, mehrdimensionale Verlinkung von Themenfeldern, Instituten, institutsübergreifen-den Arbeitsgruppen, Projekten, Verantwortlichen und Publikationen sei auf den neuen Webauftritt des Thünen-Instituts verwiesen (Freischaltung: Sommer 2014).
Die vorliegende Strategie ist als „rollierende Stra-tegie“ konzipiert. Eine erste Überarbeitung ist für Mitte 2015 vorgesehen. Dabei sollen insbesondere (a) die Hinweise des Wissenschaftsrates, (b) die Ergebnisse aus den Strategiegesprächen mit dem BMEL sowie (c) die Ergebnisse der Thünen-internen Diskussionen zu den Themenfeldern berücksichtigt werden. Danach soll die Strategie in Zeitabständen von zwei oder drei Jahren an die jeweiligen Anfor-derungen angepasst und fortgeschrieben werden.
Das Institut für Ökologischen Landbau ist in Trenthorst angesiedelt, die vier Institute des Thü-nen-Teilbereichs Wald in Hamburg-Bergedorf (Holzforschung; Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie), Großhansdorf (Forstgenetik) sowie Eberswalde (Waldökosysteme). Von den drei Insti-tuten des Thünen-Teilbereichs Fisch liegen zwei in Hamburg-Altona (Seefischerei; Fischereiökologie) und eines in Rostock (Ostseefischerei).
Bis 2016/17, so die derzeitige Planung, sollen zwei Thünen-Institute des Bereichs Fisch (Seefischerei, Fischereiökologie) von Hamburg nach Bremerha-ven umziehen; die Außenstellen in Ahrensburg und Cuxhaven (Thünen-Institut für Fischereiökologie) sowie Waldsieversdorf (Thünen-Institut für Forst-genetik) sollen aufgelöst werden.
Hamburg
Bremen
Hannover
DüsseldorfKöln
Mainz
Saarbrücken
Stuttgart
München
Leipzig
Magdeburg
Erfurt
Berlin
Dresden
Frankfurt am Main
Cuxhaven Ahrensburg
Großhansdorf
Eberswalde
Waldsieversdorf
Rostock
Trenthorst
Braunschweig
Abbildung 2 Standorte des Thünen-Instituts
Präsident
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer
Präsidialbüro: Margit Fink
Forschungsskoordinator: Stefan Lange
Pressesprecher: Dr. Michael Welling
Stab Klimaschutz: Bernhard Osterburg
Stab Boden: Dr. Michaela Busch
Vertreter
Prof. Dr. Cornelius Hammer
Verwaltung: Hilke Heeren
Informationstechnik: Beate Oerder
Fachinformationszentrum: Dr. Matthias Rütze
Vertrauensperson „gute wissenschaft-liche Praxis“: Prof. Dr. Christoph Tebbe
Gleichstellungsbeauftragte: Birgit Rönnpagel
Datenschutzbeauftragte: Karin Bazan
Ansprechperson für Korruptions-prävention: Margit Fink
Thünen-Kollegium
Mitglieder: Institutsleitungen und zugewählte Wissenschaftler
Wissenschaftlicher Beirat des Thünen-Instituts
Vorsitzender: Prof. Dr. Dieter Kirschke
Stand: Januar 2014
Teilbereich Fisch
Sprecher: PD Dr. Reinhold Hanel
See�scherei
Dr. Gerd Kraus
Fischereiökologie
PD Dr. Reinhold Hanel
Ostsee�scherei
Dr. Christopher Zimmermann
Holzforschung
Dr. Uwe Schmitt
Forstgenetik
PD Dr. Bernd Degen
Waldökosysteme
Prof. Dr. Andreas Bolte
Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie
PD Dr. Matthias Dieter
Teilbereich Wald
Sprecher: PD Dr. Matthias Dieter
Fachinstitute
GesamtschwerbehindertenvertretungVertrauensmann: Frank Brandes
Detlef TimpeDr. Cornelia Scholz-Seidel
Andreas DrahottaThomas TepperiesKarsten DungerVivian KuhlenkampHeike MüllerChristina WaitkusMarion NickelHeiko GeorgElke Ewald
Jugend- und AuszubildenenvertretungVorsitzende: Ariane Meinke
GesamtpersonalratPersonalrat
AhrensburgCuxhavenEberswaldeGroßhansdorfHamburg-AltonaHamburg-BergedorfRostockTrenthorstWaldsieversdorf
Sprecher: Prof. Dr. Hans-Joachim Weigel
Betriebswirtschaft
Dr. Hiltrud Nieberg
Agrartechnologie
Prof. Dr. Klaus-Dieter VorlopProf. Dr.-Ing. Axel Munack
Marktanalyse
PD Dr. Martin Banse
Biodiversität
Prof. Dr. Hans-Joachim Weigel
Ökologischer Landbau
Prof. Dr. Gerold Rahmann
Agrarklimaschutz
Prof. Dr. Heinz Flessa
Ländliche Räume
Prof. Dr. Peter Weingarten
Teilbereich Agrar
Örtliche Personalräte
Abbildung 1 Organisationsstruktur des Thünen-Instituts
2 Aufgaben, Ressourcen und Struktur
6 AUFGABEN, RESSOURCEN UND STRUKTUR
2 Aufgaben, Ressourcen und Struktur
Das Thünen-Institut wurde im Januar 2008 als eines von vier Bundesforschungsinstituten1 im Geschäfts-bereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL, vormals BMELV) gegründet2. Alle vier Institute haben die Aufgabe, wissenschaft-liche Entscheidungshilfen für die Politik zu erar-beiten und damit zugleich die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Nutzen des Gemeinwohls zu erweitern.
Für die Themen „Ländliche Räume“, „Forst- und Holzwirtschaft“ sowie „Fischerei“ ist das Thünen-Institut innerhalb der Ressortforschung des BMEL hauptverantwortlich. Die fachliche Verantwortung für die Land- und Ernährungswirtschaft teilt es sich mit den drei Schwesterinstituten FLI, JKI und MRI.
Unter dem Dach des Thünen-Instituts wurden ins-gesamt 15 Fachinstitute zusammengefasst, die sich den Forschungsdisziplinen Ökonomie, Ökologie und Technologie zuordnen lassen. Durch die Fusion zweier Institute im Bereich Wald im Jahr 2013 verrin-gerte sich die Zahl der Fachinstitute auf 14.
Die Organisationsstruktur des Thünen-Instituts ist in der Abbildung 1 dargestellt. Im Unterschied zu seinen Vorgänger-Einrichtungen, in denen die Leitung der Bundesforschungsanstalten von einem für jeweils zwei Jahre gewählten Anstaltsleiter (beziehungsweise Präsidenten) ausgeübt wurde, wird das Thünen-Institut von einem unbefristet berufenen Präsidenten geleitet.
1 Neben dem Thünen-Institut sind dies das Max Rubner-Institut – Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (MRI), das Julius Kühn-Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI) und das Friedrich Loeffler-Institut – Bundes-forschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI).
2 Das Thünen-Institut ist dabei aus drei Vorgängerinstitutionen hervorgegangen: der Bundesforschungsanstalt für Fischerei (BFAFi), der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirt-schaft (BFH) sowie großen Teilen der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (FAL).
Die wissenschaftliche Arbeit vollzieht sich vorwie-gend in den 14 Fachinstituten, außerdem in instituts- übergreifenden Arbeitsgruppen. Institutsleiter/innen und Präsident/in sind Wissenschaftler/innen, die vom BMEL berufen werden; Grundlage ist ein Berufungsvorschlag einer mit internen und exter-nen Wissenschaftler/innen besetzten Berufungs-kommission.
Einen Überblick über die Ausstattung des Thünen-Instituts vermittelt die Tabelle. Das Institut wirbt Drittmittel aus verschiedenen Quellen ein, erhält Sondermittel des BMEL für besondere Aufgaben, verfügt über einen Etat für zeitlich befristete Pro-jekte und beherbergt darüber hinaus zahlreiche Gastwissenschaftler (vor allem Doktoranden und Stipendiaten).
Ausstattung des Thünen-Instituts 2013
Jahresetat davon: eingeworbene Drittmittel
87 15
Mio. € Mio. €
Personalstellen (Zielstruktur) davon: für Wissenschaftler
582 177
Personen (inkl. Drittmittel- und Gastwiss.) davon: Wissenschaftler davon: unbefristet beschäftigt
1.038 457 185
Forschungsschiffe Landwirtschaftliche Versuchsfläche Forstwirtschaftliche Versuchsfläche
3 600 410
ha ha
Der Hauptsitz des Thünen-Instituts ist Braun-schweig. Hier sind sechs Fachinstitute des Thü-nen-Teilbereichs Agrar tätig (Ländliche Räume; Betriebswirtschaft; Marktanalyse; Agrarklimaschutz; Biodiversität; Agrartechnologie), außerdem die Lei-tung des Thünen-Instituts sowie der Großteil der Verwaltung und der Gemeinschaftseinrichtungen.
Die anderen acht Fachinstitute verteilen sich über den gesamten norddeutschen Raum (Abbildung 2).
STRATEGIE 2014 AUGABEN, RESSOURCEN UND STRUKTUR 7
Das Institut für Ökologischen Landbau ist in Trenthorst angesiedelt, die vier Institute des Thü-nen-Teilbereichs Wald in Hamburg-Bergedorf (Holzforschung; Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie), Großhansdorf (Forstgenetik) sowie Eberswalde (Waldökosysteme). Von den drei Insti-tuten des Thünen-Teilbereichs Fisch liegen zwei in Hamburg-Altona (Seefischerei; Fischereiökologie) und eines in Rostock (Ostseefischerei).
Bis 2016/17, so die derzeitige Planung, sollen zwei Thünen-Institute des Bereichs Fisch (Seefischerei, Fischereiökologie) von Hamburg nach Bremerha-ven umziehen; die Außenstellen in Ahrensburg und Cuxhaven (Thünen-Institut für Fischereiökologie) sowie Waldsieversdorf (Thünen-Institut für Forst-genetik) sollen aufgelöst werden.
Hamburg
Bremen
Hannover
DüsseldorfKöln
Mainz
Saarbrücken
Stuttgart
München
Leipzig
Magdeburg
Erfurt
Berlin
Dresden
Frankfurt am Main
Cuxhaven Ahrensburg
Großhansdorf
Eberswalde
Waldsieversdorf
Rostock
Trenthorst
Braunschweig
Abbildung 2 Standorte des Thünen-Instituts
Präsident
Prof. Dr. Folkhard Isermeyer
Präsidialbüro: Margit Fink
Forschungsskoordinator: Stefan Lange
Pressesprecher: Dr. Michael Welling
Stab Klimaschutz: Bernhard Osterburg
Stab Boden: Dr. Michaela Busch
Vertreter
Prof. Dr. Cornelius Hammer
Verwaltung: Hilke Heeren
Informationstechnik: Beate Oerder
Fachinformationszentrum: Dr. Matthias Rütze
Vertrauensperson „gute wissenschaft-liche Praxis“: Prof. Dr. Christoph Tebbe
Gleichstellungsbeauftragte: Birgit Rönnpagel
Datenschutzbeauftragte: Karin Bazan
Ansprechperson für Korruptions-prävention: Margit Fink
Thünen-Kollegium
Mitglieder: Institutsleitungen und zugewählte Wissenschaftler
Wissenschaftlicher Beirat des Thünen-Instituts
Vorsitzender: Prof. Dr. Dieter Kirschke
Stand: Januar 2014
Teilbereich Fisch
Sprecher: PD Dr. Reinhold Hanel
See�scherei
Dr. Gerd Kraus
Fischereiökologie
PD Dr. Reinhold Hanel
Ostsee�scherei
Dr. Christopher Zimmermann
Holzforschung
Dr. Uwe Schmitt
Forstgenetik
PD Dr. Bernd Degen
Waldökosysteme
Prof. Dr. Andreas Bolte
Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie
PD Dr. Matthias Dieter
Teilbereich Wald
Sprecher: PD Dr. Matthias Dieter
Fachinstitute
GesamtschwerbehindertenvertretungVertrauensmann: Frank Brandes
Detlef TimpeDr. Cornelia Scholz-Seidel
Andreas DrahottaThomas TepperiesKarsten DungerVivian KuhlenkampHeike MüllerChristina WaitkusMarion NickelHeiko GeorgElke Ewald
Jugend- und AuszubildenenvertretungVorsitzende: Ariane Meinke
GesamtpersonalratPersonalrat
AhrensburgCuxhavenEberswaldeGroßhansdorfHamburg-AltonaHamburg-BergedorfRostockTrenthorstWaldsieversdorf
Sprecher: Prof. Dr. Hans-Joachim Weigel
Betriebswirtschaft
Dr. Hiltrud Nieberg
Agrartechnologie
Prof. Dr. Klaus-Dieter VorlopProf. Dr.-Ing. Axel Munack
Marktanalyse
PD Dr. Martin Banse
Biodiversität
Prof. Dr. Hans-Joachim Weigel
Ökologischer Landbau
Prof. Dr. Gerold Rahmann
Agrarklimaschutz
Prof. Dr. Heinz Flessa
Ländliche Räume
Prof. Dr. Peter Weingarten
Teilbereich Agrar
Örtliche Personalräte
Abbildung 1 Organisationsstruktur des Thünen-Instituts
8 AUFGABEN, RESSOURCEN UND STRUKTUR
Abbildung 4 Kompetenzprofil des Thünen-Instituts
Auftraggeber, 2011-2013
AL 1
Zentralabteilung
AL 2
Verbraucher-politik
Leitung des BMEL
AL 3Ernährung, Lebens-mittelsicherheit,Tiergesundheit
AL 4LändlicheEntwicklung,Agrarmärkte
AL 5Biobasierte WirtschaftNachhaltige Land-und Forstwirtschaft
AL 6EU-Politik, Internatio-nale Zusammenarbeit,Fischerei
122
123
124
125
121 211
212
213
214
215
216
221
222
223
224
225
312
311
314
315
313
321
322
323
324
325
331
332
333
334
335 415
416
411
412
414
413
422
425
423
424
426
421
427
512
511
513
514
515
521
522
523
524
525
531
532
533
534
535
611
612
613
614
616
615
617
623
621
622
625
624
* Arbeiten für die Unterabteilung 11 und ihre Referate zählen zu den allgemeinen Verwaltungsaufgaben des Thünen-Instituts und werden hier nicht berücksichtigt.Quelle: AIS
UAL 12
111
112
113
114
115
116
UAL 11*
UnterabteilungsleitungUAL =
AbteilungsleitungAL =
UAL 41 UAL 61 UAL 62UAL 22UAL 21 UAL 42 UAL 51 UAL 52 UAL 53UAL 31 UAL 32 UAL 33
Abbildung 3 Adressaten von Beratungsleistungen im BMEL 2011-2013 (Organisationsstruktur zum 31.12.2013)
Die 14 Fachinstitute des Thünen-Instituts verfügen über ökonomische, ökologische und technolo-gische Expertise (Abbildung 4). Diese Konstellation versetzt das Thünen-Institut in die Lage, durch inter-disziplinäre Zusammenarbeit die drei Dimensionen Mensch – Natur – Technik im Systemzusammen-hang zu betrachten.
Infolge seines sehr breiten fachlichen Zuschnitts wird das Thünen-Institut von einer Vielzahl von Abteilungen und Referaten des BMEL in Anspruch genommen. Abbildung 3 zeigt, für welche Einheiten des BMEL (beziehungsweise zuvor BMELV) das Thü-nen-Institut in den vergangenen drei Jahren tätig geworden ist. In dieser fachlichen Breite nehmen Wissenschaftle-rinnen und Wissenschaftler außerdem Beratungs-leistungen im weiteren Bund-Länder-Kontext wahr und vertreten Deutschland in vielen Fachgremien der EU und auf internationaler Ebene.
Die Aufgabenbereiche „wissenschaftliche Politikbe-ratung“ und „Forschung“ sind für das Thünen-Institut gleich wichtig. Beide Bereiche müssen zum gegensei-tigen Vorteil miteinander verzahnt werden. Auf diese Weise kann (a) die Politikberatung auf hohem wissen-schaftlichem Niveau erfolgen und (b) die Forschung von der Projektierung bis zur Ergebnisdarstellung eine hohe gesellschaftliche Relevanz aufweisen.
PolitikberatungIn der Politikberatung besteht die Kernaufgabe darin, qualitativ hochwertig und fristgerecht wissen-schaftlich basierte Dienstleistungen für das BMEL sowie weitere Adressaten zu erbringen. Es umfasst insbesondere
• die direkte und unverzügliche Beantwortung kurz-fristiger Anfragen,
• die kurzfristige Erarbeitung von Stellungnahmen,• die kurz- und mittelfristige Anfertigung von Studien,• die Mitwirkung in nationalen und internationalen
Arbeitsgruppen,• die Vertretung Deutschlands in internationalen
Gremien.
ForschungIn der Forschung bearbeitet das Thünen-Institut Themen, die von hoher gesellschaftlicher Relevanz sind und von denen erwartet werden kann, dass in der Zukunft politischer Beratungsbedarf entsteht (vgl. Kapitel 4). Von der Möglichkeit, mithilfe von Drittmitteln vorhandene Kompetenzen ausbauen beziehungsweise neue Themen erschließen zu können, wird ausgiebig Gebrauch gemacht.
VerknüpfungAufgrund seiner Aufgaben- und Stellenstruktur sieht sich das Thünen-Institut in der Verantwor-
tung, mit seiner Forschung die Brücke von der Wis-senschaft zur Politik wesentlich weiter zu schlagen als dies zum Beispiel von Universitäten geleistet werden kann:
• Zum einen betreibt das Institut viel Aufwand für flächendeckendes Monitoring und deutschland-weite, aber auch international vernetzte Modellie-rung. Diese langfristig ausgerichteten Projekte lie-fern wertvolle Datenreihen für die Arbeit des Thünen-Instituts, aber auch für viele andere Institute.
• Zum anderen wird Zeit investiert, um aktuelle Poli-tiken zu evaluieren, in der Diskussion befindliche Vorschläge auf ihre Auswirkungen hin zu untersu-chen und alternative Politikoptionen zu entwi-ckeln. Hierzu gehören auch modellgestütze Politik-folgenabschätzungen.
Diese Aufgaben binden bereits gegenwärtig erheb-liche Kapazitäten. In den Strategiegesprächen mit dem BMEL hat sich gezeigt, dass das Thünen-Institut immer stärker aufgefordert wird, aus seiner wissen-schaftlichen Tätigkeit konkrete Anregungen für Poli-tikmaßnahmen abzuleiten. In diesem Punkt hat sich ein Wandel vollzogen, denn noch vor wenigen Jahren standen einige Abteilungen des Ministeriums Politik-vorschlägen aus der Forschung sehr reserviert gegen-über.
Vorschläge für neue Arbeitsgebiete und Forschungs-themen werden zum einen durch das Thünen-Insti-tut selbst entwickelt, zum anderen von außen an das Thünen-Institut herangetragen (BMEL, Wissen-schaftlicher Beirat, Interessenverbände). Von zunehmender Bedeutung sind die forschungsstra-tegischen Beratungen, die in der 2010 gegründeten Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) stattfin-den (vgl. Kapitel 3.3).
3 Selbstverständnis und Programmatik
10 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK
3 Selbstverständnis und Programmatik
Der Wissenschaftsrat hat mit dem Gutachten „Emp-fehlungen zur Rolle und künftigen Entwicklung der Bun-deseinrichtungen mit FuE-Aufgaben“ im Januar 2007 wesentliche Hinweise zur künftigen Ausrichtung der Ressortforschung gegeben. Er identifizierte dabei vier Typen von Ressortforschungseinrichtungen. Den anzustrebenden „Modellfall für die Verknüpfung von staatlicher Aufgabenerfüllung mit Forschung und Entwicklung“ beschrieb er wie folgt:
„…die Einrichtung [erbringt] zu einem hohen Anteil notwendige Dienstleistungen für die staatliche Auf-gabenerfüllung … und es [gelingt] ihr gleichzeitig …, den für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Anteil
an Forschung und Entwicklung auf hohem wissen-schaftlichem Niveau bereitzustellen.“ (Wissenschafts-rat 2007, Seite 151) Diesem anspruchsvollen Profil sieht sich das Thünen-Institut verpflichtet. Das vorliegende strategische Konzept soll zeigen, wie dieses programmatische, gleichwohl allgemein formulierte Ideal konkret aus-zugestalten ist.
Im Folgenden werden wesentliche Erfolgsfaktoren angesprochen, die für das Thünen-Institut bedeutsam sind und die es optimieren will, um sein Leistungs-potenzial bestmöglich ausschöpfen zu können.
Lösungen für das Management unserer LebensgrundlagenWissenschaftlich. Politiknah. Unabhängig
STRATEGIE 2014 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK 11
Die Aufgabenbereiche „wissenschaftliche Politikbe-ratung“ und „Forschung“ sind für das Thünen-Institut gleich wichtig. Beide Bereiche müssen zum gegensei-tigen Vorteil miteinander verzahnt werden. Auf diese Weise kann (a) die Politikberatung auf hohem wissen-schaftlichem Niveau erfolgen und (b) die Forschung von der Projektierung bis zur Ergebnisdarstellung eine hohe gesellschaftliche Relevanz aufweisen.
PolitikberatungIn der Politikberatung besteht die Kernaufgabe darin, qualitativ hochwertig und fristgerecht wissen-schaftlich basierte Dienstleistungen für das BMEL sowie weitere Adressaten zu erbringen. Es umfasst insbesondere
• die direkte und unverzügliche Beantwortung kurz-fristiger Anfragen,
• die kurzfristige Erarbeitung von Stellungnahmen,• die kurz- und mittelfristige Anfertigung von Studien,• die Mitwirkung in nationalen und internationalen
Arbeitsgruppen,• die Vertretung Deutschlands in internationalen
Gremien.
ForschungIn der Forschung bearbeitet das Thünen-Institut Themen, die von hoher gesellschaftlicher Relevanz sind und von denen erwartet werden kann, dass in der Zukunft politischer Beratungsbedarf entsteht (vgl. Kapitel 4). Von der Möglichkeit, mithilfe von Drittmitteln vorhandene Kompetenzen ausbauen beziehungsweise neue Themen erschließen zu können, wird ausgiebig Gebrauch gemacht.
VerknüpfungAufgrund seiner Aufgaben- und Stellenstruktur sieht sich das Thünen-Institut in der Verantwor-
tung, mit seiner Forschung die Brücke von der Wis-senschaft zur Politik wesentlich weiter zu schlagen als dies zum Beispiel von Universitäten geleistet werden kann:
• Zum einen betreibt das Institut viel Aufwand für flächendeckendes Monitoring und deutschland-weite, aber auch international vernetzte Modellie-rung. Diese langfristig ausgerichteten Projekte lie-fern wertvolle Datenreihen für die Arbeit des Thünen-Instituts, aber auch für viele andere Institute.
• Zum anderen wird Zeit investiert, um aktuelle Poli-tiken zu evaluieren, in der Diskussion befindliche Vorschläge auf ihre Auswirkungen hin zu untersu-chen und alternative Politikoptionen zu entwi-ckeln. Hierzu gehören auch modellgestütze Politik-folgenabschätzungen.
Diese Aufgaben binden bereits gegenwärtig erheb-liche Kapazitäten. In den Strategiegesprächen mit dem BMEL hat sich gezeigt, dass das Thünen-Institut immer stärker aufgefordert wird, aus seiner wissen-schaftlichen Tätigkeit konkrete Anregungen für Poli-tikmaßnahmen abzuleiten. In diesem Punkt hat sich ein Wandel vollzogen, denn noch vor wenigen Jahren standen einige Abteilungen des Ministeriums Politik-vorschlägen aus der Forschung sehr reserviert gegen-über.
Vorschläge für neue Arbeitsgebiete und Forschungs-themen werden zum einen durch das Thünen-Insti-tut selbst entwickelt, zum anderen von außen an das Thünen-Institut herangetragen (BMEL, Wissen-schaftlicher Beirat, Interessenverbände). Von zunehmender Bedeutung sind die forschungsstra-tegischen Beratungen, die in der 2010 gegründeten Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) stattfin-den (vgl. Kapitel 3.3).
3.1 Verknüpfung von Forschung und wissenschaftlicher Politikberatung
12 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK
DrittmittelDas Thünen-Institut verfügt über die uneinge-schränkte Möglichkeit, mithilfe von Drittmitteln erfolgreiche Forschungsrichtungen auszubauen oder neue aufzubauen. Das ist in der Ressortfor-schung besonders wichtig, denn einer Verlagerung des Planstellen-Personals in die Erfolgsfelder sind enge Grenzen gesetzt, weil die Beratungskompetenz in der ganzen Breite des Thünen-Instituts aufrecht-erhalten werden soll. Mit Drittmitteln können neue Forschungsthemen schnell und kraftvoll bearbeitet werden – auch in solchen Fällen, in denen der poten-zielle Nutzen vom Ministerium noch nicht gesehen wird. Inzwischen wird fast die Hälfte des wissenschaft-lichen Personals aus Drittmitteln finanziert.
Ein weiterer Vorteil der Drittmittelforschung besteht darin, dass die Teilnahme am wissenschaftlichen Wettbewerb Leistungsbereitschaft, Innovations-kraft und die Suche nach leistungsstarken Ver-bundpartnern fördert. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen neue Kenntnisse und Ideen mit. Drittmitteleinwerbung ist allerdings kein Selbst-zweck. Die Leitung des Thünen-Instituts achtet darauf, dass Arbeitsgruppen sich nicht durch üppig ausgestattete Drittmittelangebote auf thematische Nebengleise ziehen lassen und ihre inhaltliche Kern-aufgabe aus dem Auge verlieren.
Wissenschaftliche Unabhängigkeit, gute PolitikberatungSowohl für die Forschung als auch für die wissen-schaftliche Politikberatung gilt, dass wissenschaft-liche Unabhängigkeit und politische Neutralität im Thünen-Institut höchste Priorität haben.
Der Dachverband Agrarforschung hat im Jahr 2004 ein Positionspapier zur Wissenschaftlichen Unabhän-gigkeit verabschiedet (www.agrarforschung.de). Darin werden fünf Merkmale wissenschaftlicher Unabhän-gigkeit definiert: Ergebnisoffenheit, freie Methoden-wahl, freie Wahl des Forschungsthemas, Publikation von Methoden und Ergebnissen, Berufungen auf der Grundlage des Votums wissenschaftlicher Gremien.
Diesen Grundsätzen sieht sich das Thünen-Institut verpflichtet. Bei der Auswahl der Themen werden die Bedürfnisse des BMEL berücksichtigt, doch bestehen darüber hinaus hinreichende Freiräume, um als wichtig erkannte Themen gegebenenfalls eigenständig aufzugreifen. Bei der Auswahl der For-schungsmethoden und bei der Formulierung der Forschungsergebnisse gibt es keine Einflussnahme durch das BMEL oder andere Institutionen.
Um auch bei der Politikberatung hohe Qualität und wissenschaftliche Unabhängigkeit sicherzustellen, hat das Thünen-Institut Leitlinien guter wissen-schaftlicher Politikberatung verabschiedet (siehe Infobox)3.
3 Die Leitlinien lehnen sich eng an die Leitlinien guter wis-senschaftlicher Politikberatung an, die sich das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Dezember 2010 gegeben hat, sowie an den Ethikkodex des Vereins für Socialpolitik in der Fassung vom 21.07.2012.
Info: Thünen-Leitlinien guter wissenschaftlicher Politikberatung 1. Die Thünen-Politikberatung beruht auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft
und Technik.2. Beratungsaufträge werden zu Beginn sorgfältig geklärt, um eine bedarfsge-
rechte Zeitplanung und einen effizienten Ressourceneinsatz zu gewährleisten.3. Wenn die Beratung aus fachlichen Gründen nicht machbar erscheint oder
beim Empfänger keine Ergebnisoffenheit vorliegt, sollten Beratungsaufträge modifiziert oder abgelehnt werden.
4. Das Thünen-Institut wählt die Person, die das Projekt verantwortlich bearbei-tet, sowie die unterstützenden Personen aufgrund sachlich nachvollziehbarer Erwägungen aus.
5. Die Projektbearbeiter/innen nutzen neben eigenen auch externe Forschungs-ergebnisse, wenn dies inhaltlich geboten ist. Externe Ergebnisse werden als solche gekennzeichnet.
6. Untersuchungen sind unvoreingenommen und ergebnisoffen durchzuführen. Methoden und Ergebnisse werden dokumentiert, auch wenn sie den Erwar-tungen und Interessen der Auftraggeber nicht entsprechen.
7. Soweit möglich und sinnvoll werden jeweils mehrere Lösungswege beschritten, mehrere Hypothesen getestet und/oder mehrere Politikoptionen analysiert.
8. Bei der Darstellung der Ergebnisse wird dargelegt, wie belastbar sie sind und wo die Grenzen der Interpretierbarkeit liegen. Die Grundlagen von Bewertun-gen werden transparent dargelegt, und normative Aussagen werden als sol-che kenntlich gemacht.
9. Wichtige Stellungnahmen werden veröffentlicht. Dabei werden die Autoren namentlich aufgeführt, und die Auftraggeber sowie alle gegebenenfalls in An-spruch genommenen Finanzierungsquellen werden benannt. Falls die Veröffentlichung unter einem expliziten Zustimmungsvorbehalt stand, wird dies bei der Veröffentlichung kenntlich gemacht.
10. Alle schriftlichen Beratungsleistungen werden digital abgelegt.
STRATEGIE 2014 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK 13
Das Thünen-Institut ist durch ein weit gefächertes Aufgabenspektrum, ein breites fachliches Profil und einen politiknahen Forschungs- und Beratungs-auftrag charakterisiert. Das Kompetenzprofil des Thünen-Instituts erstreckt sich
• räumlich auf ländliche Räume, Agrarflächen, Wald- flächen und Meere,
• fachlich auf sozioökonomische, ökologische und technologische Fragestellungen,
• stufenübergreifend auf verschiedene Abschnitte der Wertschöpfungsketten.
Mit seinen sozioökonomisch, ökologisch und techno-logisch ausgerichteten Instituten verfügt das Thünen-Institut über besonders günstige Voraussetzungen, um die drei Dimensionen Mensch – Natur – Technik im Systemzusammenhang zu betrachten.
Aus seiner fachlichen Breite, seiner Politiknähe und seinem anwendungsorientierten Auftrag leitet das Thünen-Institut eine besondere Verantwortung ab, nämlich
• für gesellschaftlich relevante, komplexe Fragestel-lungen
• durch interdisziplinäre Zusammenarbeit• umsetzbare Lösungsvorschläge
zu erarbeiten. Die Lösungsvorschläge sollen dem Stand der Wissenschaft entsprechen (ökonomisch, ökologisch, technologisch) und unter Praxisbedin-gungen eine Realisierungschance haben.
Inhaltlich steht das gesellschaftspolitische Ziel im Vordergrund, die natürlichen Ressourcen möglichst nachhaltig und effizient zu nutzen. Eine Strategie „Ressourcenschutz durch Nicht-Nutzung“ kann für Felder, Wälder und Meere zwar in Ausnahmefällen sinnvoll sein. Die wesentlichen Lebensbedürfnisse der Menschheit (Nahrung, Energie, Industriegrund-stoffe) lassen sich aber nur dann befriedigen, wenn die dazu notwendigen Ressourcen genutzt werden können. Deshalb besteht die Herausforderung darin, Wege zu einer nachhaltigen Ressourcennutzung zu finden und dabei einen bestmöglichen Ausgleich konkurrierender Nutzungsansprüche zu erreichen.
In einer Welt mit begrenzten Ressourcen haben poli-tische und privatwirtschaftliche Entscheidungen indirekte Wirkungen an anderen Orten (auch im Ausland), die es zu beachten gilt. Werden beispiels-weise an einem Ort Flächen stillgelegt, so führen marktwirtschaftliche Anpassungen dazu, dass andernorts Flächen in Kultur genommen werden oder die bereits bestehende Nutzung von Agrar-, Wald- oder Meeresgebieten intensiviert wird – mit entsprechenden Auswirkungen auf die dortige Wirt-schaft und die dortigen Ökosysteme. Daraus ergeben sich wichtige Konsequenzen für die Forschung des Thünen-Instituts:
• Wenn es darum geht, Flächennutzung für gesell-schaftliche Ziele (zum Beispiel Klimaschutz, biolo-gische Vielfalt, ländliche Entwicklung) zu optimie-ren, sollte sich die Forschung nicht auf einzelne
3.2 Nutzung des breiten Aufgaben- und Fachprofils
14 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK
Flächenkompartimente beschränken (zum Beispiel nur Agrar- oder nur Waldflächen), sondern übergrei-fend ansetzen.
• Es sollte untersucht werden, an welchen Standor-ten sich gesellschaftliche Ziele (zum Beispiel Aus-bau regenerativer Energien) am effizientesten er-reichen lassen. Hierbei sollten auch ausländische Standorte einbezogen werden.
• Bei der Abschätzung von Politikfolgen (zum Bei-spiel Freihandelsabkommen) sollten nicht nur die inländischen Folgen untersucht werden, sondern auch die Folgen in anderen Teilen der Welt (zum Beispiel Entwicklungsländer).
Interdisziplinäre und institutsübergreifende Zusammenarbeit ist ein schnell hingeschriebener
Anspruch, doch diesem Anspruch in der praktischen Forschungsarbeit gerecht zu werden, ist eine große Herausforderung.
Um diese Zusammenarbeit systematischer struk-turieren und fördern zu können, hat das Thünen- Institut 2013 ein neues Konzept entwickelt. Im ersten Schritt wurden jene 20 Themenfelder iden-tifiziert, die in ihrer Gesamtheit das inhaltliche Zuständigkeitsprofil des Thünen-Instituts ausma-chen (vgl. Kapitel 4). Im zweiten Schritt wurden die Fachinstitute gebeten, ihre Arbeitsgebiete bezie-hungsweise Projekte den Themenfeldern zuzu-ordnen. Dabei zeigte sich (wie erwartet), dass der Großteil der Thünen-Themenfelder die Arbeit meh-rerer Fachinstitute berührt. Im dritten Schritt wurde dann festgelegt, wie sich künftig institutsübergrei-fende Arbeitsgruppen bilden sollen (siehe Infobox). Jene institutsübergreifende Arbeitsgruppen, die vor 2013 nach einem anderen Verfahren etabliert wurden, bleiben bestehen.
Bei der Bildung institutsübergreifender Arbeits-gruppen setzt das Thünen-Institut ganz bewusst darauf, „Gelegenheit“ zur Zusammenarbeit zu geben (Abbildung 5). Es wäre wenig gewonnen, in einem „top down“-Ansatz Strategien für insti-tutsübergreifende Arbeitsgruppen zu fixieren und anschließend Personen aus den beteiligten Instituten zur Mitwirkung in diesen Gruppen zu verpflichten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich institutsübergreifende Arbeitsgruppen für die Vor-laufforschung besser in einem „bottom-up“-Ansatz entwickeln.
Wenn es allerdings darum geht, kurzfristige Anfra-gen des BMEL zu bearbeiten, dann ist es durchaus sinnvoll, in einem „top down“-Ansatz die inhaltlich am besten geeignete Autorengruppe zusammenzu-stellen und mit der Bearbeitung zu beauftragen.
Info: Vom Thünen-Themenfeld zur institutsübergreifenden ArbeitsgruppeFür jedes Themenfeld wurden Betreuer benannt. Diese fungieren intern und extern als Ansprechpartner, laden die im Themenfeld tätigen Arbeitsgruppen zu Besprechungen ein und präsentieren die Entwicklung des Themen-feldes im Webauftritt des Thünen-Instituts (Freischaltung im Sommer 2014).
Die Zusammenkünfte der in einem Themenfeld tätigen Arbeitsgruppen dienen dazu, (a) gemeinsam die relevan-testen Fragestellungen zu identifizieren, (b) die Problemlösungskompetenzen aller Institute kennenzulernen und (c) Anknüpfungspunkte für konkrete Projekte zu finden.
Kleinere und/oder kurzfristig ausgelegte Projekte entstehen informell. Demgegenüber ist für größere und/oder längerfristig ausgelegte Projektgruppen die förmliche Etablierung als „institutsübergreifende Arbeitsgruppe“ vorgesehen.
Hierfür skizzieren die Gruppen ein konkretes Gemeinschaftsprojekt und stimmen den Ressourcenbedarf mit ihren Institutsleitungen ab. Anschließend wird die Projektskizze mit dem Kollegium diskutiert. Bei einem positiven Votum wird die institutsübergreifende Arbeitsgruppe förmlich etabliert. Im weiteren Verlauf berichtet sie dem Kollegium jährlich über ihren Arbeitsfortschritt.
.
.
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IÜAG 1
IÜAG 2
Themenfeld I
Themenfeld II
AGN1
AGN2
AGN3
AGC1
AGC2
AGC3
AGC4
AGB1
AGB2
AGA1
AGA2
AGA3
AG = Arbeitsgruppe, IÜAG = Institutsübergreifende Arbeitsgruppe
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Institut N
Institut C
Institut B
Institut A
Themenfeld XX
Themenfeld III
Abbildung 5 Bearbeitung der Thünen-Themenfelder durch Instituts-Arbeitsgruppen und institutsübergreifende Arbeitsgruppen
STRATEGIE 2014 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK 15
Angesichts der Breite des Aufgabenspektrums und der Vielzahl der einschlägig tätigen Forschungs-einrichtungen ist es unabdingbar, dass sich das Thünen-Institut sehr eng in die nationale und inter-nationale Forschungslandschaft einbindet. Das ist bereits gegenwärtig der Fall (siehe Tabelle).
Angesichts dieser bereits jetzt sehr ausgeprägten Vernetzung erscheint ein pauschales Bekenntnis für eine weitere Verstärkung der externen Zusam-menarbeit überflüssig. Stattdessen werden im Folgenden verschiedene Kooperationsformen ein-zeln angesprochen, und es wird jeweils dargelegt, welchen Stellenwert sie für das Thünen-Institut haben und welche Zukunftsstrategie mit ihnen ver-folgt werden soll.
Nationale ZusammenarbeitDa es viele Anliegen des BMEL gibt, die in den Kom-petenzbereich mehrerer Bundesforschungsinstitute fallen, kommt der Zusammenarbeit zwischen den Bundesinstituten besondere Bedeutung zu. Diese Zusammenarbeit vollzieht sich auf zwei Ebenen, zum einen in den Senatsarbeitsgruppen und zum anderen in Kooperationsprojekten zu konkreten Forschungsfragen.
Die Senatsarbeitsgruppen, in denen auch die vom BMEL finanzierten Leibniz-Institute mit-wirken, sind eher darauf ausgerichtet, gemein-same Bestandsaufnahmen und Diskussionen des jeweiligen Forschungsstandes zu ermög-lichen. Die ursprünglich verfolgte Idee, in der ganzen Breite einer Senatsarbeitsgruppe kon-krete institutsübergreifende Forschungsstrate-gien zu entwickeln und umzusetzen, hat sich jedoch nicht durchgesetzt. Die konkrete Pro-jektzusammenarbeit zwischen dem Thünen-Institut und den anderen Bundesinstituten
findet deshalb eher außerhalb der Senatsarbeits- gruppen statt. Sie soll weiter ausgebaut werden.
Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat jedoch gezeigt, dass der Kreis der Projektbeteiligten in solchen Projekten nicht auf die vom BMEL finan-zierten Bundes- beziehungsweise Leibniz-Institute beschränkt bleibt. Je nach Fachkompetenz und Koo-perationsneigung bilden sich Verbünde heraus, in denen auch Helmholtz- und Max-Planck-Institute, Uni-versitätsinstitute oder Einrichtungen einzelner Bun-desländer als Partner mitwirken. Das Thünen-Institut wird die Partnerwahl für Verbundprojekte auch künf-tig offen betreiben, das heißt ohne Vorfestlegungen zugunsten oder zulasten bestimmter Institute.
Das gilt auch für die Zusammenarbeit bei nationalen Monitoring-Aufgaben, die das Thünen-Institut gemeinsam mit anderen Institutionen des Bundes und der Länder durchführt (zum Beipiel bei der Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenricht-linie oder bei der Koordination der Bundeswaldin-ventur).
Um kraftvolle institutionen-übergreifende For-schungsstrategien entwickeln zu können, hat sich das Thünen-Institut seit 2009 beim Aufbau der Deut-schen Agrarforschungsallianz (DAFA) engagiert. In den Strategiedebatten der DAFA-Fachforen kann das Thünen-Institut besser erkennen, mit welchen Aktivitäten es sich so in die Forschungslandschaft einpassen kann, dass die Erkenntnislücken für die Politikberatung bestmöglich geschlossen werden.
Forschungskooperationen 2013 In Deutschland International
Universitäten/Hochschulen 62 180
Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen 109 229
Privatwirtschaftliche Partner 54 78
3.3 Nationale und internationale Zusammenarbeit
16 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK
Daher begrüßt das Thünen-Institut die im Koaliti-onsvertrag bekundete Absicht der Regierungspar-teien, die Arbeit der DAFA zu unterstützen und zu verstetigen. Das Thünen-Institut wird (a) sein Enga-gement zum Auf- und Ausbau der DAFA fortsetzen, (b) die eigene Forschungsplanung noch stärker in den DAFA-Kontext einbetten und (c) für eine stär-kere Internationalisierung der DAFA-Aktivitäten (EU-Forschungsstrategien) werben.
Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts engagieren sich in der aka-demischen Lehre. Dieses Engagement wird zwar formal dem Nebenamt zugeordnet, ist aber für die Leistungsfähigkeit der Bundesforschung von großer Bedeutung. Begabte Nachwuchskräfte werden frühzeitig für eine Mitarbeit gewonnen, und gemeinsam betreute Bachelor-, Master- und Dok-torarbeiten liefern wichtige Forschungsbeiträge. Aus Sicht des Thünen-Instituts ist es deshalb sehr zu begrüßen, dass das BMELV im Jahr 2008 verbesserte Bedingungen geschaffen hat, um die Beschäftigten seiner Ressortforschung in begrenztem Umfang für externe Lehrtätigkeiten freizustellen.
Eine besonders intensive Zusammenarbeit besteht zwischen dem Thünen-Institut und dem Zentrum Holzwirtschaft der Universität Hamburg. Sie wurde bereits 1958 durch eine Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesregierung und der Freien und Hansestadt Hamburg auf eine vertragliche Grund-lage gestellt. Die Zusammenarbeit erstreckt sich auf Forschung, Lehre und Politikberatung. Die Profes-suren des Zentrums Holzwirtschaft der Universität Hamburg sind auf dem Thünen-Campus Bergedorf
Info: Deutsche Agrarforschungsallianz (DAFA) Die DAFA ist formal ein Projekt des Thünen-Instituts, und sie wird bisher auch überwiegend vom BMEL und vom Thünen-Institut finanziert.
Um die engagierte Mitwirkung aller Forschungseinrichtungen zu erreichen, hat sich die DAFA wie ein Verein konstituiert. Die mittlerweile mehr als 60 Mitgliedseinrichtungen bilden die Mitgliederversammlung, die den Vorstand wählt und gemeinsam mit dem Vorstand die Entwicklung der DAFA steuert.
Im Rahmen von Fachforen entwickelt die DAFA Forschungsstrategien zu gesellschaftlich relevanten Themenfeldern; hierbei gibt sie auch Hinweise zur Forschungsförderung oder zur Weiterentwicklung der Forschungsstrukturen.Bisher wurden sechs Fachforen etabliert: Nutztierhaltung, Leguminosen, Grünland, Aquakultur, Ökolandbau, Gartenbau.
Außerdem organisiert die DAFA Konferenzen, auf denen übergreifende forschungsstrategische Fragen erörtert werden (zum Beispiel Anreizsysteme; Infrastrukturen), und sie führt einen Expertenatlas, in dem sich alle Wissenschaft-ler/innen der Mitgliedseinrichtungen mit ihren Kompetenzfeldern präsentieren können.
angesiedelt, wo auch die universitäre Lehre stattfin-det. Gebäude, Einrichtungen und Personal werden gemeinsam genutzt. Die enge Zusammenarbeit ist in mehreren Evaluie-rungen – zuletzt 2006 – positiv gewürdigt worden. Um die Kooperation noch leistungsfähiger zu gestalten, wird das Verwaltungsabkommen derzeit überarbeitet. Der Entwurf für das neue Abkommen sieht vor, (a) die Zuständigkeiten für Baumaßnah-men zu verschlanken und (b) für beide Institutslei-tungen am Standort künftig eine echte gemeinsame Berufung nach dem „Berliner Modell“ zu etablieren. Bisher wurden die Institute entweder durch Univer-sitätsprofessoren im Nebenamt oder durch Bundes-beamte geführt.
Auch an anderen Standorten treibt das Thünen-Insti-tut den Ausbau einer vertraglich geregelten Zusam-menarbeit mit benachbarten Universitäten voran. Auf der Grundlage von Kooperationsverträgen arbeiten schon seit Längerem das Thünen-Institut für Waldökosysteme und die Hochschule für Nach-haltige Entwicklung (HNEE) in Eberswalde zusam-men, ebenso das Thünen-Institut für Ökologischen Landbau und die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Kooperationsverträge mit der TU Braun-schweig und der Universität Göttingen wurden 2013 beziehungsweise 2014 geschlossen; beide Verträge eröffnen die Möglichkeit einer gemeinsamen Beru-fung leitender Wissenschaftler. Aber auch außer-halb von offiziellen Kooperationsverträgen werden sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts weiterhin an zahlreichen anderen Universitäten und Hochschulen engagieren.
STRATEGIE 2014 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK 17
Internationale ZusammenarbeitDer Notwendigkeit, sich international zu vernetzen (vgl. Kapitel 3.2), werden bereits heute alle Thünen-Institute gerecht. Die Ausgangsbedingungen und Herausforderungen für die künftige internatio-nale Zusammenarbeit unterscheiden sich jedoch zwischen den verschiedenen Fachinstituten. Daher werden die anvisierten Zukunftslinien im Folgenden nach Thünen-Teilbereichen getrennt erörtert.
Der Thünen-Teilbereich Fisch weist traditionell ein besonders ausgeprägtes internationales Profil auf. Viele der wissenschaftlichen Aufgaben, die diese Institute wahrnehmen, sind aus internationalen Ver-einbarungen und Konventionen erwachsen, die die Bundesrepublik eingegangen ist. Dass aktuell sowohl die EFARO- als auch die ICES-Präsidentschaft auf zwei Thünen-Institutsleiter zulaufen, unterstreicht die internationale Sichtbarkeit der deutschen Ressort-forschung. Es gilt nun, diese internationale Führungs-verantwortung zu nutzen, um Leistungsfähigkeit und Gestaltungskraft dieser internationalen Organisati-onen nachhaltig weiter zu verbessern.
Das Thünen-Institut arbeitet aktuell mit 242 Universitäten/Hochschulen und 338 außeruniversitären Einrichtungen in insgesamt 78 Ländern zusammen.
Zusammenarbeitkeine Zusammenarbeit
Abbildung 6 Internationale Zusammenarbeit 2013
Der Thünen-Teilbereich Wald weist derzeit vor allem in zwei Forschungsfeldern eine hohe internationale Sichtbarkeit auf: (a) Koordination des europäischen forstlichen Monitorings, (b) Thünen-Kompetenzzen-trum Holzherkünfte. Diese Positionen sollen weiter ausgebaut werden. Mit der Neustrukturierung des Teilbereichs im Jahr 2013 wurde erreicht, dass nun alle vier Institute (mit den fachlichen Schwerpunk-ten Ökonomie, Ökologie, Technologie, Genetik) glei-chermaßen national und international ausgerichtet sind. Diese neue Struktur schafft günstigere Voraus-setzungen für internationale Kooperationsstrate-gien in der ganzen Breite des Teilbereichs Wald. Sie soll genutzt werden, um weitere Arbeitsgruppen an eine internationale Spitzenposition heranzuführen.
Im Thünen-Teilbereich Agrar gibt es in allen Fach-instituten zeitlich befristete internationale Projekt-verbünde, in einigen Instituten darüber hinaus auch längerfristig ausgerichtete internationale Netzwerk-aktivitäten. Zu nennen sind hier insbesondere (a) die im internationalen Verbund betriebenen agrar-ökonomischen Modelle (GTAP, CAPRI, AGMEMOD),
18 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK
(b) die vom Thünen-Institut koordinierten Welt-Netz-werke zur vergleichenden Analyse von Produktions-systemen (agri benchmark) und (c) die Beteiligung am Integrated Carbon Observation System (ICOS). In jenen Instituten des Bereichs Agrar, die noch keine nachhaltige internationale Vernetzung aufweisen, sollen Potenziale identifiziert und gegebenenfalls neue Aktivitäten eingeleitet werden.
Als gravierendes Hemmnis beim Auf- und Ausbau internationaler Führungsrollen erweist sich, dass das Thünen-Institut die eingewor-benen Drittmittel bisher nicht nutzen kann, um schrittweise einen Fachkräfte-Aufbau für die nach-haltige Administration der internationalen Langzeit- Verbünde zu betreiben. Bei der gegenwärtigen Rechtslage können oft nur Arbeitsverträge für eine Dauer von zwei Jahren geschlossen werden – danach muss das gerade eingearbeitete Personal wieder ausgewechselt werden. Um diese Hemm-nisse überwinden zu können, wird sich das Thü-nen-Institut verstärkt um Drittmittel-Dauerstellen bemühen. Solche Stellen belasten den Bundes-haushalt in der Regel nicht, und sie schaffen die Voraussetzung dafür, dass das Thünen-Institut in strategisch wichtigen Zukunftsfeldern seine natio-nale und internationale Vernetzung ausbauen und dabei auch Führungsaufgaben wahrnehmen kann.
STRATEGIE 2014 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK 19
Die Leistungen des gesamten Thünen-Instituts und der einzelnen Fachinstitute werden regelmä-ßig bewertet. Dies geschieht auf unterschiedlichen Ebenen:
• Externe Evaluation: Das BMELV-Konzept zur Neuord-nung seiner Ressortforschung aus dem Jahr 2007 sieht vor, dass die Bundesforschungsinstitute in re-gelmäßigen Abständen extern evaluiert werden.Die erste Evaluation des Thünen-Instituts durch den Wissenschaftsrat findet im Jahr 2014 statt.
• Begleitung durch den Wissenschaftlichen Beirat: Der Wissenschaftliche Beirat des Thünen-Instituts überprüft jährlich die Forschungs-, Beratungs- und Serviceleistungen der einzelnen Fachinstitute des Thünen-Instituts. Feststellungen und Empfehlun-gen werden in der Niederschrift festgehalten.
• Externe Bewertung durch BMEL: Bundesministeri-um und Thünen-Institut führen jährliche Fachge-spräche durch, bei denen auch die Beratungsleis-tung der einzelnen Fachinstitute besprochen wird. Ab 2014 soll vorab schriftlich erhoben werden, wie zufrieden BMEL-Referate mit den Leistungen der Thünen-Institute sind.
• Aktivitäten des Präsidenten: Der Präsident führt mit jeder Institutsleiterin beziehungsweise jedem Ins-titutsleiter mindestens ein Gespräch pro Jahr, in dem unter anderem die bisherigen Leistungen und die Zukunftsplanungen erörtert werden. Darüber hinaus führt der Präsident auch mit jedem Institutsrat ein Jahresgespräch.
• Aktivitäten der Institutsleitungen: Die Institutsleite-rinnen beziehungsweise Institutsleiter führen min-destens einmal jährlich individuelle Mitarbeiterge-spräche im Institut. Dieses geschieht in der Regel im Zuge der Gespräche, die für die leistungsorien-tierte Bezahlung (LOB) beziehungsweise für die Beamtenbeurteilung geführt werden.
Als quantitative Grundlage erhebt das Thünen-Insti-tut fortlaufend Daten zu relevanten Beurteilungs-
kriterien (Publikationen, Stellungnahmen, Vorträge, Drittmittel usw.) und hält diese Informationen für interne und externe Evaluationszwecke vor.
Das Aufgabenspektrum des Thünen-Instituts umfasst verschiedenartige Tätigkeiten, die sich hin-sichtlich der anzulegenden Qualitätskriterien stark voneinander unterscheiden (Forschung; Politikbe-ratung; Monitoring). Um in allen Tätigkeitsfeldern ein hohes Leistungsniveau abzusichern, entwickelt das Thünen-Institut spezifisch zugeschnittene Qualitätssicherungs- und Leistungsbewertungs-systeme (siehe Infobox). Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten die Möglichkeit haben, sich auf die eine oder andere Kernaufgabe (zum Beispiel Monitoring) spezialisieren zu können, ohne dadurch Nachteile für ihre individuelle Karriere zu erleiden. Aus diesem Grund hat das Thünen-Institut im Jahr 2010 seine Beurteilungsrichtlinie für beamtete Wis-senschaftlerinnen und Wissenschaftler grundle-gend überarbeitet.
3.4 Qualitätssicherung und Leistungsbewertung
Info: Angepasste Anreizsysteme Die Beurteilungsrichtlinie für beamtete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sieht vor, dass – abgesehen von Ausnahmefällen – für jede Person jeweils vier der folgenden sechs Kriterien für die Leistungsbeurteilung herangezogen werden:
• Wissenschaftliche Publikationen und Vorträge • Stellungnahmen, Gutachten und fachliche Berichte• Forschungsaufträge aus Drittmitteln• Nationale und internationale Zusammenarbeit, Gremienarbeit• Sonderaufgaben, zum Beispiel Leitung einer Organisationseinheit, Erarbeitung
von Konzepten, Mitarbeit im administrativen Bereich, Öffentlichkeitsarbeit• Mitarbeiterführung
Welche vier Kriterien im Einzelfall heranzuziehen sind, legt die Institutsleitung zu Beginn der Beurteilungsperiode nach Rücksprache mit den zu Beurteilenden individuell fest. Änderungen während der Beurteilungsperiode sind im gegensei-tigen Einvernehmen möglich, um Anpassungen an neue Herausforderungen zu ermöglichen.
20 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK
schriften platzieren zu können, bietet das Thü-nen-Institut interne Kurse zum wissenschaftlichen Schreiben an. Diese Maßnahme hat zur Verbesse-rung des Publikationserfolgs beigetragen und soll fortgesetzt werden.
Während für die Messung des „scientific impact“ etablierte Verfahren vorliegen, gibt es bezüglich der Messung von Verwertbarkeit und Nutzen ange-wandter Forschung für die Gesellschaft und die Wirt-schaft („real impact“) noch viele offene Fragen. Die DAFA hat diese Problematik in der ganzen Breite der deutschen Agrarforschung thematisiert und treibt die Suche nach Lösungen voran. Das Thünen-Institut unterstützt diese Bestrebungen und wirkt aktiv mit.
Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Thünen-Instituts haben sich zur Einhaltung der „Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“ verpflich-tet. Die Richtlinien lehnen sich eng an die entspre-chenden Regeln der DFG an.
Eine kürzlich durchgeführte Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass die Verfahrensweisen zur Dokumen-tation der Originaldaten, die den wissenschaft-lichen Arbeiten zugrunde liegen, innerhalb des Thünen-Instituts noch nicht hinreichend verein-heitlicht sind. Deshalb hat sich das Thünen-Institut zum Ziel gesetzt, bis Mitte 2015 jene Prozeduren, die sich in den Fachinstituten am besten bewährt haben, verpflichtend in allen Fachinstituten zur Anwendung zu bringen.
Qualität und Leistung in der ForschungDie allgemeinen Kriterien zur Bewertung der wissenschaftlichen Qualität sind auch für die Ressortforschung maßgebend. Deshalb ist es für das Thünen-Institut wichtig, seine Forschungsergeb-nisse wissenschaftlich zu publizieren und am Wett-bewerb um Drittmittel teilzunehmen.
Die Leistungsindikatoren in Bezug auf den wis-senschaftlichen Output haben sich seit Gründung des Thünen-Instituts positiv entwickelt (siehe Tabelle). Auch im Quervergleich mit anderen For-schungseinrichtungen kann das Thünen-Institut gute Ergebnisse vorweisen: Die Anzahl der refe-rierten Publikationen je Thünen-Wissenschaftler/in (VZÄ) und Jahr liegt inzwischen bei 0,5; die ent-sprechenden Durchschnittsergebnisse4 für die deutschen Universitäten, Leibniz- und Helmholtz-Institute liegen im Korridor zwischen 0,25 und 0,50.
Für die Zukunft strebt das Thünen-Institut an, solche Benchmarking-Analysen mit gezielt ausgewählten Partnerinstituten durchzuführen, um eine noch bessere Vergleichsgrundlage zur Bewertung der wissenschaftlichen Leistung zu schaffen (Evaluati-onspartnerschaften).
Mit dem Ziel, einen möglichst großen Teil der Forschungsergebnisse in wissenschaftlichen Zeit-
4 Vgl. Fraunhofer ISI und andere, 2. Indikatorbericht Bibliometri-sche Indikatoren für den PFI-Monitoring Bericht 2013, Berlin/Karlsruhe/Bielefeld 2012, Seite 33.
Leistungsindikatoren 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Wissenschaftliches Personal1 267 286 329 351 364 373• davon auf Planstellen 165 160 171 169 171 172
Stellungnahme BMEL2 610 699 613 493 588 514• in Personentagen 4.038 4.206 5.053 4.262 4.313 3.676
Publikationen 765 777 804 1.008 945 842
• davon referiert 141 209 207 280 297 264
Vorträge 838 823 1.030 1.051 1.070 1.102• davon international 349 385 453 457 483 467
Konferenzen 83 88 107 84 113 103• davon international 38 53 56 58 67 45
Drittmittel (in 1.000 €) 8.006 12.508 12.759 13.555 13.954 14.898
Lehrtätigkeit 3 65 56 64 58 73 76
Mitarbeit in wissenschaftlichen Gremien, Gesellschaften und Zeitschriften4 106 116 120 122 133 139
1 Vollzeitäquivalente zum 31.12. des Jahres, inkl. Leitung/Leitungsstab und Drittmittelpersonal, ohne Gastwissenschaftler. 2 Inkl. Sitzungsteilnahmen auf Wunsch des BMEL 3 Mitarbeiter/innen mit Lehraufträgen 4 Anzahl Mitarbeiter/innen
STRATEGIE 2014 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK 21
Qualität und Leistung in der PolitikberatungFür alle Thünen-Fachinstitute werden regelmäßige Strategie- beziehungsweise Fachgespräche mit dem BMEL durchgeführt. Für die meisten Institute, allerdings nicht für alle, fand bisher mindestens ein Gespräch pro Jahr statt. Bei einigen Gesprächen wurden alle Arbeitsgebiete des Instituts durchleuch-tet, andere blieben bisher auf aktuelle, ausgewählte Politikaspekte beschränkt.
Das Thünen-Institut hat sich gegenüber dem BMEL dafür eingesetzt, das Format der Jahresgespräche weiterzuentwickeln (siehe Infobox, Seite 22). Dieser Vorschlag beinhaltet auch eine regelmäßige Erfas-sung der Adressatenzufriedenheit im BMEL im Vor-feld der Jahresgespräche. Der Erfassungsbogen soll erstmals vor den Jahresgesprächen 2014 zum Ein-satz kommen.
Die Qualität der Politikberatung ausschließlich anhand der „kurzfristigen Adressatenzufrieden-heit“ im BMEL bewerten zu wollen, kann unter bestimmten Umständen zu einem Fehlurteil führen. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn die Ergebnisse und Empfehlungen des Thü-nen-Instituts nicht auf der aktuellen „politischen Linie“ des Ministeriums lägen und die befragten Ministerialbeamten sie primär aus diesem Grunde negativ bewerteten.
Um diesem Risiko entgegenzuwirken, sollten die Stellungnahmen des Instituts grundsätzlich publi-ziert werden, gegebenenfalls zeitverzögert. Durch die Publikation wird eine Qualitätskontrolle durch die wissenschaftliche und politische Öffentlichkeit
gewährleistet. Aus diesen Gründen setzt sich das Thünen-Institut seit jeher dafür ein, für wichtige Auftragsarbeiten des BMEL oder anderer Einrich-tungen eine Publikationsgenehmigung zu erwirken.
Bisher ist die Freigabe immer erteilt worden, auch in den zahlreichen Fällen, in denen die Politik den Empfehlungen der Wissenschaft nicht gefolgt ist. Bisweilen erfolgte die Veröffentlichung zeitverzögert, weil das BMEL zunächst den Abschluss laufender Ver-handlungen (zum Beispiel zu Freihandelsabkommen) abwarten möchte. Diese Praxis hat sich aus Sicht des Thünen-Instituts bewährt.
Die Strategie, auf Publikation und öffentliche Kon- trolle zu setzen, könnte durch eine (BMEL- und Thü-nen-)externe Bewertung noch systematischer gestal-tet werden. Einen Ansatzpunkt hierfür lieferte 2013 das sogenannte „FAZ“-Ökonomen-Ranking, bei dem Bundestagsabgeordnete und hochrangige Beamte aller Ministerien durch die Universität Düsseldorf und die Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschafts-wissenschaften befragt wurden, wessen Rat sie für ihre Arbeit am meisten schätzen. In der Kategorie „Deutschlands einflussreichste Ökonomen – Reso-nanz in der Politik“ rangierten vier Thünen-Wis-senschaftler/innen unter den TOP 50; keine andere deutsche Forschungseinrichtung war so häufig ver-treten.
Aus Sicht des Thünen-Instituts wäre es sinnvoll, bei solchen Analysen den Kreis der Befragten noch zu erweitern und die Ergebnisse nach Zielgruppen auf-zuschlüsseln. Dadurch könnten Hinweise für eine weiter verbesserte Ausgestaltung der Politikbera-tung abgeleitet werden.
BMEL
V
22 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK
Qualität und Leistung bei MonitoringaufgabenZahlreiche Thünen-Institute sind in langfristige Monitoring- und Prüfaufgaben eingebunden, teil-weise stehen Thünen-Institute hier in nationaler Hauptverantwortung. Wenn solche Aufgaben in der Ressortforschung angesiedelt werden, eröff-nen sich in zweifacher Hinsicht Potenziale: Zum einen kann der wissenschaftlich-methodische Fort-schritt schnell in die Monitoring- beziehungsweise Prüfprogramme einfließen (Qualitätssteigerung und/oder Kostensenkung). Zum anderen können die erhobenen Datenreihen unmittelbar für wis-senschaftliche Analysen nutzbar gemacht werden.
Die Qualitätssicherung ist in jenen Bereichen, die Überwachungsaufgaben im gesetzlichen und im Rahmen nationaler und internationaler Abkommen und Programme beinhalten, verbindlich durch Leit-, Richtlinien und Normen geregelt. Für die Qualitäts-sicherung in nicht geregelten Aufgabenbereichen sollten sie bei vergleichbaren Arbeiten ebenso beachtet werden. Wo entsprechende Regelungen nicht existieren, ist es wichtig, die Aufgaben in Netz-werken zu organisieren, deren Partner sich unter-einander kontrollieren. Gute Erfahrungen wurden in der Vergangenheit mit Begleitausschüssen gemacht, die den Monitoring- Projekten zur Seite gestellt worden sind. Das Thünen-
Institut wird prüfen, inwieweit ein temporärer Per-sonalaustausch zwischen beteiligten Einrichtungen hilfreich sein könnte. Außerdem wird angestrebt, Institutionen und Wissenschaftler außerhalb des Monitoring- und Prüfnetzwerks in die Analyse der Daten und Methoden einzubinden, beispielsweise im Rahmen von Master- und Doktorarbeiten.
In Anbetracht der Vielfalt der Monitoring- und Prüf-aufgaben, in denen das Thünen-Institut engagiert ist, wird fallweise zu entscheiden sein, wie diese unterschiedlichen Ansätze zur Qualitätssicherung im Einzelfall miteinander zu kombinieren sind.
Personalgewinnung, -entwicklung und -führungHochleistung und Qualitätssicherung beginnen bereits mit der Gewinnung des bestgeeigneten Personals. Hier steht das Thünen-Institut im Wett-bewerb mit anderen Forschungseinrichtungen des In- und Auslands, aber auch mit der Wirtschaft. In einigen Fachdisziplinen (zum Beispiel Technologie, Betriebswirtschaft, IT) ist die Konkurrenz um geeig-nete Bewerberinnen und Bewerber so groß, dass sich selbst auf Dauerstellen nur wenige qualifizierte Personen bewerben. Um seine Position im „Kampf um die besten Köpfe“ zu verbessern, hat das Thünen-Institut eine Reihe von Maßnahmen ergriffen (siehe Infobox, Seite 23):
Info: Jahresgespräche mit dem BMELDas Thünen-Institut hat dem BMEL vorgeschlagen, einmal jährlich für jedes Fachinstitut (einzeln oder gebündelt, zum Beispiel Teilbereich Fisch) ein Jahresgespräch durchzuführen, an dem neben der Institutsleitung auch Präsi-dent und Forschungskoordinator des Thünen-Instituts teilnehmen.
Zusätzliche unterjährige Fachgespräche (zwischen Fachreferaten und Instituten) sowie anlassbezogene Strategie-gespräche zwischen Thünen-Institut und BMEL sind erwünscht, können die Jahresgespräche aber nicht ersetzen.
In den Jahresgesprächen sollten zum einen aktuelle Politikfragen angesprochen werden, zum anderen sollte die Arbeit der Fachinstitute in ihrer ganzen Breite erörtert werden. Dafür ist ausreichend Zeit vorzusehen; bei Gruppen-gesprächen mit zwei oder mehr Fachinstituten sind zwei Halbtage angemessen.
Als schriftliche Besprechungsunterlage sollten die Institute vorab Übersichten (a) über die durchgeführten Arbeiten des Vorjahres, (b) über laufende Drittmittelprojekte sowie (c) einen Ausblick auf geplante Aktivitäten übermitteln. Die Referate des BMEL sollten vorab einen Erhebungsbogen ausfüllen, der eine strukturierte Erfassung der Adres-satenzufriedenheit ermöglicht.
STRATEGIE 2014 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK 23
Um das Tätigkeitsprofil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal an die sich ändernden Aufga-ben des Instituts anzupassen, ist es erforderlich, im Laufe der Zeit auch den Stellenplan verändern zu können. In der Vergangenheit waren hierfür kaum Möglichkeiten vorhanden. Im Jahr 2013 ist es erst-mals gelungen, mit dem BMEL 2013/14 eine kosten-neutrale Anpassung des Stellenplans zu vereinbaren und diesen Vorschlag in Richtung des BMF auf den Weg zu bringen. Das Thünen-Institut strebt an, bei Bedarf in den kommenden Jahren weitere Anpas-sungen des Stellenplans einzuleiten.
Die Leitung eines Forschungsinstituts mit 30, 50 oder gar 100 Beschäftigten ist eine Führungsaufgabe, für die leitende Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler normalerweise nicht ausgebildet sind. In den früheren Berufungsverfahren wurden Auswahl-entscheidungen vorwiegend nach Maßgabe der wissenschaftlichen Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber gefällt. Eignung und Befähigung für die eigentliche Führungsaufgabe wurden eher nachrangig bewertet und in den Bewerbungsver-fahren nicht systematisch geprüft.
Um diese Schwächen abzustellen und künftig bei der Berufung von Institutsleiterinnen und -leitern professioneller agieren zu können, hat das Thünen- Institut im Jahr 2013 das Berufungsverfahren
Info: Attraktiver Arbeitgeber • Gewährung größtmöglicher Freiräume bei der
Gestaltung der Forschungsarbeit (flexible Bewirt-schaftung der Haushaltsmittel; offensive Drittmittel-strategie)
• Sehr günstige Rahmenbedingungen für die Verein-barkeit von Familie und Beruf (flexible Arbeitszeiten, Telearbeit, Kinderbetreuung auf dem Gelände)
• Umfangreiches Fortbildungsangebot zur ständigen Weiterqualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter
• Erhöhte Präsenz in der universitären Lehre, verbes-serte Bedingungen für die Einstellung studentischer Hilfskräfte im Thünen-Institut
• Attraktivere, öffentlichkeitswirksame Darstellung des Thünen-Instituts (Webauftritt, allgemeine Medienpräsenz, Ausschreibungstexte)
gemeinsam mit einer externen Beratungsfirma wei-terentwickelt:
• Vor der Ausschreibung wurde das Anforderungs-profil präziser formuliert, ausgerichtet auf konkre-te Herausforderungen, die später voraussichtlich auf die Führungskraft zukommen werden.
• Vor den Bewerbungsgesprächen wurde ein Mix von Prüfverfahren zusammengestellt, um die Eig-nung und Befähigung der Bewerber/innen best-möglich einschätzen zu können.
• Während der Bewerbungsgespräche wurden jene Gesprächssequenzen, in denen es um das Füh-rungsverhalten ging, durch eine Mitarbeiterin der Beratungsfirma geführt.
Das insoweit ergänzte Berufungsverfahren wurde in zwei konkreten Fällen durchgeführt. Es hat sich bewährt und soll auch künftig beibehalten werden.
Um das Führungsverhalten von Führungskräften kontinuierlich verbessern zu können, hat das Thü-nen-Institut 2012/13 mit Unterstützung einer exter-nen Beratungsfirma Führungsleitlinien entwickelt und ein Führungsfeedback-Verfahren konzipiert. Das Feedback wurde als Pilotprojekt erstmals im Oktober 2013 getestet; hieran nahmen 49 Füh-rungskräfte teil, darunter der Präsident und alle Institutsleitungen. Die Erfahrungen werden zurzeit ausgewertet, und auf dieser Grundlage soll 2015 der Regelbetrieb eingeführt werden. Das Führungsfeedback wird voraussichtlich alle zwei bis drei Jahre durchgeführt werden. Es ist durch fol-gende Merkmale gekennzeichnet:
• Anonymes Feedback, schriftlich, für alle Führungs-kräfte mit mehr als fünf Mitarbeiter/innen.
• Beurteilt werden insgesamt 51 Führungseigen-schaften; diese sind abgeleitet aus den Führungs-leitlinien, die sich das Thünen-Institut gegeben hat.
• Die Feedbacknehmer erhalten ihre Selbstbeurtei-lung und die Fremdbeurteilung (Häufigkeitsver-teilung der Nennungen), gegebenenfalls unter-teilt nach Gruppen von Mitarbeiter/innen.
• In Rückmeldeworkshops werden die Ergebnisse erör-tert und gegebenenfalls Vereinbarungen getroffen. Die Ergebnisse werden der nächsthöheren Führungs-ebene übermittelt und dort für die Mitarbeiterge-spräche mit den Feedbacknehmern verwendet.
24 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK
Die Arbeitsergebnisse der Ressortforschung sollen nicht nur der Wissenschaftsgemeinschaft und der Bundesregierung zur Verfügung stehen, sondern der gesamten Gesellschaft.
Wenn die Ergebnisse tatsächlich Eingang in den gesellschaftlichen Diskurs und die politische Willens- bildung finden sollen, muss allerdings mehr getan werden, als sie nur „zur Verfügung“ zu stellen. Hierfür ist es erforderlich,
• die Arbeitsergebnisse zielgruppengerecht aufzu-bereiten und aktiv zu präsentieren
• und dafür zu sorgen, dass die betreffenden Wis-senschaftler/innen von interessierten Medien ge-sucht, gefunden und kontaktiert werden.
Um sich in diesem Feld professioneller aufzustellen, hat das Thünen-Institut 2010/11 mit externer Unter-stützung eine Kommunikationsstrategie erarbeitet. Die Umsetzung dieser Strategie führte zu folgenden Aktivitäten.
• Neue Namensgebung: Die Langfassung unseres Namens ist zu sperrig und nicht einheitlich kommunizierbar. Daher wurde sie 2012 für die öffentliche Kommunikation durch die Kurzbe-zeichnung „Thünen-Institut“ ersetzt. Außerdem
wurden die Namen vieler Fachinstitute gekürzt. Dadurch fällt es der Öffentlichkeit nun leichter, den Absender der inhaltlichen Botschaften zu erken-nen beziehungsweise wiederzuerkennen.
• Neuer Webauftritt: Der Webauftritt wird derzeit grundlegend überarbeitet. Künftig wird auch ein thematischer Einstieg in das Informationsangebot des Thünen-Instituts angeboten, mit gehaltvolle-ren und attraktiveren Informationen zu allen Thünen-Themen. Außerdem erfolgt eine umfas-sende Verlinkung zwischen Themenfeldern, inhaltlichen Informationen, aktuellen Projektbe-richten und verantwortlichen Personen.
• Veränderte Anreize: Die Institutsleitungen und Institutsräte wurden bezüglich der Bedeutung der Kommunikation sensibilisiert. Die Beurteilungs-richtlinien für die beamteten Wissenschaftler/innen wurden um den Bereich Kommunikation ergänzt, damit sich besonderes Engagement in diesem Tätigkeitsfeld auch für die Karriere positiv auswir-ken kann.
• Fortbildung: Um die öffentliche Kommunikation breit zu verankern, wurde ein Thünen-internes Fortbildungsangebot für öffentlichkeitswirksame Kommunikation geschaffen. Die hierzu eingestell-ten Fachkräfte unterstützen die Wissenschaftler/innen bei der Aufarbeitung ihrer Ergebnisse (training on the job).
3.5 Kommunikation mit der Öffentlichkeit
STRATEGIE 2014 SELBSTVERSTÄNDNIS UND PROGRAMMATIK 25
• Vernetzung: Die Kontakte zu Wissenschaftsjour-nalisten und zu den überregionalen Medien wur-den intensiviert. Außerdem wurde ein Monitoring der öffentlichen Berichterstattung eingeführt. Die-ses wird im Zuge des neuen Webauftritts weiter ausgebaut (Download-Statistiken).
Jene Aktivitäten, die sich schon seit Längerem bewährt haben, werden fortgeführt. Hierzu gehören insbesondere die zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträge, die auf ein breites Fachpublikum zugeschnitten sind, sowie Messeauftritte. Fortge-führt wird auch die „Wissenschaft erleben“, eine populärwissenschaftliche Zeitschrift, mit der sich das Thünen-Institut zweimal jährlich an die allge-meine Öffentlichkeit wendet.
Insgesamt wirkte sich die Umsetzung dieser Kom-munikationsstrategie positiv aus. Künftig soll noch stärker darauf geachtet werden, die vorgesehene Verwertung der Ergebnisse für die verschiedenen Zielgruppen (Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft) bereits im Planungsstadium von Forschungsprojekten zu berücksichtigen. Auf diese Weise können Fehlstellen in der Informationsge-winnung rechtzeitig erkannt und Arbeitsabläufe optimiert werden.
Manchmal eröffnet der intensivierte Dialog mit der Gesellschaft auch die Chance, Hinweise für eine noch relevantere Ausrichtung der Forschungsar-beiten zu gewinnen. Solche Chancen gilt es ver-stärkt zu nutzen.
Wirtschaft, Gesellschaft, Politik
Wettbewerbsfähigkeit und Strukturwandel
Einkommen und Beschäftigung
Ländliche Lebensverhältnisse
Märkte, Handel, Zertifizierung
Globale Ernährungssicherung
Verbraucher und Gesellschaft
Langfristige Politikkonzepte
Produktions- und Nutzungssysteme
Pflanzenproduktion
Nachwachsende Rohstoffe
Waldmanagement und Holzverwendung
Ökologischer Landbau
Nutztierhaltung und Aquakultur
Fischerei
Landnutzungs- und Wildtiermanagement
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4 Die Thünen-Themenfelder
28 THEMENFELDER
4 Die Thünen-Themenfelder
Mit seiner ökonomischen, ökologischen und tech-nologischen Expertise möchte das Thünen-Institut Lösungsvorschläge für die effiziente Ressourcennut-zung in allen Flächenkompartimenten erarbeiten: Felder, Wälder, Meere und ländliche Räume.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist hierzu unver-zichtbar. Aber wer mit wem und zu welcher Frage-stellung? Das kann nicht allein dem Zufall überlassen bleiben. Die Herausforderung besteht somit darin, die interdisziplinäre Zusammenarbeit auf die wich-tigsten Fragen und die aussichtsreichsten Verbünde auszurichten. Andererseits muss bedacht werden, dass es in der Regel nicht funktioniert, erfolgreiche Verbünde einfach „von oben“ anzuordnen. Gemein-same Begeisterung für eine Fragestellung muss von unten wachsen können.
Es gilt also, diesem Elan Freiraum zu geben und ihn zugleich in möglichst sinnvolle Kooperationen münden zu lassen. Um dafür Orientierung zu geben, haben wir die große Vielfalt unserer Themen in 20 Themenfelder gegliedert, die einigermaßen über-schaubar sind. Diese Themenfelder lassen sich in
drei Cluster einordnen, auf die wir unsere Aktivitä-ten ausrichten:
I. Natürliche Ressourcen und Schutzgüter: Wie ent-wickelt sich deren Zustand, vor allem unter dem Einfluss der biobasierten Wirtschaft?
II. Produktions- und Nutzungssysteme: Welche Po-tenziale und Risiken gehen von bestehenden be-ziehungsweise von künftigen Produktions- und Nutzungssystemen aus?
III. Wirtschaft, Gesellschaft, Politik: Wie wirken sich wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Entwicklungen aus, und wie kann die Politik ihre Ziele besser erreichen?
Die Arbeitsgruppen der Fachinstitute sowie die bereits existierenden institutsübergreifenden Arbeitsgruppen haben sich mit ihren Einzel- oder Verbundprojekten den 20 Themenfeldern zugeord-net (vgl. Kapitel 3.2, Abbildung 5). Diese themenbe-zogene Arbeitsstruktur gibt uns eine Orientierung, um gezielt Strategien und Meilensteine für unsere Forschung und Politikberatung zu entwickeln und die einzelnen Themenfelder mit Leben zu füllen.
STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 29
Natürliche Ressourcen und Schutzgüter
Boden
Wasser
Klima und Luft
Biologische Vielfalt
Wälder
Meere
Wirtschaft, Gesellschaft, Politik
Wettbewerbsfähigkeit und Strukturwandel
Einkommen und Beschäftigung
Ländliche Lebensverhältnisse
Märkte, Handel, Zertifizierung
Globale Ernährungssicherung
Verbraucher und Gesellschaft
Langfristige Politikkonzepte
Produktions- und Nutzungssysteme
Pflanzenproduktion
Nachwachsende Rohstoffe
Waldmanagement und Holzverwendung
Ökologischer Landbau
Nutztierhaltung und Aquakultur
Fischerei
Landnutzungs- und Wildtiermanagement
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30 THEMENFELDER
Boden
Unser Boden – einer trage die ganze Last?
Wir befahren den Boden, ernähren uns von ihm, er trägt unsere „grüne Lunge“, wir bebauen ihn – kurz: Er ist Grundlage unseres Lebens. Lange schien er unendlich belastbar; wir haben ihm Verdichtungen, Erosion und Verunreinigungen zugemutet. Wo sind die Grenzen der Bodennutzung? Wie erhalten und verbessern wir die Bodenfruchtbarkeit? Wie schützen wir die riesige Menge des in Böden gebundenen Kohlenstoffs?
Für manche endliche Ressourcen gibt es langfris-tig Alternativen. Zum Beispiel für Energiequellen: Kohle, Erdöl und Erdgas verlieren durch Wind- und Solarkraft, Geothermie und Bioenergie an Bedeu-tung. Der Boden hingegen ist nicht ersetzbar; wir können nicht existieren, ohne ihn zu nutzen. „Keine Nutzung“ ist also keine Option für flächen-deckenden Bodenschutz. Jede Bewirtschaftung muss zugleich die Bodenfunktionen erhalten. Des-halb arbeiten Technologen, Bodenbiologen, Geo- chemiker, Bodenkundler und Ökonomen aus sieben Thünen-Fachinstituten eng zusammen, damit jede technische Neuerung, jede praxis- oder politikorien-tierte Empfehlung zur Bodennutzung dessen ökolo-gische Funktionsfähigkeit „mitdenkt“. Dabei leiten uns folgende Kernpunkte:
• Böden sind nicht vermehrbar. Allein in Deutschland werden jeden Tag über 70 Hektar „verbraucht“ und vor allem der Landwirtschaft entzogen. Wir Thü-nen-Forscher machen die Folgen dieses Trends transparent: Die Wertschöpfung der Landwirt-schaft und die Vielfalt der Kulturlandschaft neh-men Schaden. Vor allem aber arbeiten wir an Tech-nologien, den Boden möglichst effizient und schonend zu bewirtschaften, um auch mit weniger Fläche unsere Ernährung zu sichern.
• Waldböden und Agrarflächen sind klimarelevant. Sie können eine Kohlenstoff-Senke sein, setzen bei falscher Nutzung aber immense Mengen an Treib-hausgasen frei. Deshalb analysieren wir, wie Land-nutzung und deren Änderung solche Emissionen beeinflusst und bewerten die Klimawirksamkeit verschiedener Produktionssysteme.
• Böden sind Lebensraum. Ein wahrer Kosmos an Mi-kroorganismen und Bodentieren hält den Boden fruchtbar. Nur wenn dieses Bodenleben intakt ist, lassen sich dauerhaft Erträge und Ernährung si-chern. Wir richten unsere Forschung darauf aus, die biologische Vielfalt im Boden zu verstehen und als Produktionsfaktor nutzbar zu machen.
• Böden sind gefährdet. Wind und Niederschlagswas-ser können die fruchtbare Krume abtragen. Der Bodendruck schwerer Land- und Forstmaschinen kann Bodenstruktur und -funktion schädigen. Wir analysieren, wie hoch diese Belastungen tatsäch-lich sind, und entwickeln verfahrenstechnische Lö-sungen, die das Bodengefüge auch unter Bewirt-schaftung erhalten.
Um unsere naturwissenschaftliche, technologische und ökonomische Expertise zum Thema Boden zu bündeln und gegenüber Politik und Gesellschaft noch besser auskunftsfähig zu sein, haben wir 2013 die Stabsstelle „Boden“ eingerichtet.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 31
Bodenzustandserhebung – viel mehr als Monitoring
Um Böden optimal nutzen und schützen zu können, muss man sie kennen. Deshalb untersuchen wir deutschlandweit an über 5.000 Standorten land- und forstwirtschaftlich genutzte Böden. Mit diesen einzigartigen Daten können wir relevante Forschungsfragen beantworten und entwickeln für Praxis und Poli-tik Handlungsoptionen zum Umgang mit Böden. So erarbeiten wir für Humus – wichtiger Indikator für die Bodenqualität und Lebensversicherung für stabile Erträge im Klimawandel – bis 2018 eine Karte der Vorräte in Agrarböden.
Weiteres Beispiel: Waldböden waren zu Beginn der 1990er-Jahre stark ver-sauert und wiesen teils erhöhte Schwermetallgehalte auf. Wir bewerten, wie sich Maßnahmen zur Luftreinhaltung, zu Umweltschutz, Waldkalkung und Waldumbau auswirken. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich in mehreren Regionen der Zustand der Waldböden verbessert hat.
Schutz bei der Nutzung – die „gute fachliche Praxis“
Große Maschinen erleichtern die Arbeit im Wald und auf dem Acker; sie hin-terlassen nicht nur oberflächliche Spuren. Schon 1952 haben Braunschweiger Wissenschaftler festgestellt, dass häufiges Überrollen die Bodenstruktur erheb-lich strapaziert. In den Folgejahren nahmen die Leistungsfähigkeit und damit das Gewicht der Maschinen fortwährend zu, die Schäden im Boden auch.
Inzwischen haben wir Techniken zur Minderung des Bodendrucks entwi-ckelt, an Bodenschutzkonzepten mitgearbeitet und so der „guten fachlichen Praxis“ Gestalt gegeben. Im Jahr 2002 haben Thünen-Wissenschaftler erneut den Zustand der Unterböden untersucht und konnten nachweisen: Die Anstren-gungen lohnen sich, die Bodenstruktur hat sich teilweise erholt. Unser nächs-tes Ziel ist, Fahrerassistenzsysteme für Land- und Forstwirte zu entwickeln. Sie werden helfen, das Bodengefüge beim Befahren noch weniger zu belasten.
Bodenorganismen sind Dienstleister
Bodenschutz und nachhaltige Landwirtschaft sind gefordert, Mechanismen der Selbstregulierung des Bodens zu nutzen und zu fördern. In diesem Zusammen-hang erforschen wir die ökologischen Dienstleistungen von Regenwürmern, pilzfressenden Springschwänzen und Fadenwürmern beim Umbau von Pflan-zenresten und organischen Düngern und ihren biogenen Beitrag zur Bodenge-sundheit. Mit hochmodernen Methoden entschlüsseln wir zudem die im Boden befindliche DNA des Boden-Metagenoms.
Unser Ziel ist es, dank dieses Wissens mittelfristig zu lernen, wie wir das Zusammenleben der Organismen im Boden gezielt als Unterstützung für gesün-dere Pflanzen und höhere Erträge nutzen können und gleichzeitig Dünge- und Pflanzenschutzmittel einsparen.
Beteiligte Institute: Agrarklimaschutz Waldökosysteme Biodiversität Agrartechnologie Ökologischer Landbau Betriebswirtschaft Ländliche Räume
Stabsstelle Boden
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Steuerung biologischer Vielfalt in Böden Zustandserhebung von Agrar- und Waldböden Info-Plattform „Georeferenzierte
Daten“ Klimaschutzstrategien für den Agrarbereich Klimaschutzstrategien für Wald und Holznutzung Autonome Landmaschinen – Pflanzenbausysteme der Zukunft
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32 THEMENFELDER
Wollen wir beide Herausforderungen meistern, brau-chen wir in vielen Fällen eine überbetriebliche, teils sogar überregionale Koordination. Hier ist die Poli-tik gefordert, bestehende und absehbare Konflikte zwischen Land-, Forst-, Wasserwirtschaft und Umweltschutz zu erkennen und bestmöglich auszu-gleichen. Wissenschaftler verschiedener Fachdiszi-plinen des Thünen-Instituts analysieren deshalb alle relevanten hydrologischen Prozesse und Bewirtschaf-tungsmaßnahmen, um daraus Handlungsoptionen zu entwickeln und Politik und Wirtschaft kompetent zu beraten. Dabei leiten uns folgende Fragen:
• In welchen Gebieten wird sich voraussichtlich die saisonale Verfügbarkeit von Wasser ändern, und wie wirkt sich das auf die Erträge aus?
• Welche betrieblichen (zum Beispiel Fruchtfolge, Wahl von Baumarten, Be- und Entwässerung) und überbetrieblichen Maßnahmen (zum Beispiel regionale Wasserspeicher, überregionale Wasser-transporte) sind zu ergreifen?
• Wie stark müssen Nährstoffe in Hotspot-Regionen reduziert werden, und durch welche Innovationen lassen sich Nährstoffüberschüsse verringern oder gar vermeiden?
Die zu betrachtenden Wechselwirkungen sind zu komplex, als dass sie vom Thünen-Institut allein bear-beitet werden könnten. Deshalb arbeiten wir seit Jahren erfolgreich in inter- und transdisziplinären Teams mit anderen Forschungseinrichtungen, mit der Praxis und Verbänden zusammen. In mehreren Konsortien zum Wassermanagement und Gewässer-schutz, in denen Land- und Forstwirtschaft im Vor-dergrund stehen, haben wir dabei die Federführung. Exemplarisch dafür stehen nachfolgende Arbeits-schwerpunkte:
Wasser
Wasser-3D: Dürren, Dauerregen, Düngung
Dürren oder Dauerregen, zu wenig oder zu viel Wasser – in den vergangenen Jahren haben wir das häufiger erlebt. Gibt es zukünftig für die Pflanzen ausreichend Wasser zur rechten Zeit? Wie kann sich die Land- und Forstwirtschaft anpassen? Zu viel Düngung belastet obendrein die Gewässer mit Nährstoffen. Obwohl die Politik einiges für den Gewässerschutz getan hat, werden Gewässerschutzziele nicht erreicht. Was ist zu tun?
Erste Herausforderung: Wir müssen in Zukunft schwankende Wasserquantitäten managen. In eini-gen Regionen Deutschlands wird während der Vegetationsperiode künftig weniger Wasser verfüg-bar sein; lokal wird kurzzeitiger Starkregen dagegen häufiger auftreten. Das prognostiziert die Klimafor-schung. Während Trockenheit das Wachstum von Kulturpflanzen und Bäumen gefährdet, lassen starke Niederschläge den Boden erodieren. Damit müssen Land- und Forstwirte in den betroffenen Gebieten umgehen lernen und gegebenenfalls ihre Produkti-onssysteme anpassen.
Zweite Herausforderung: Wir müssen uns noch inten-siver um die Wasserqualität kümmern. Trotz ergriffe-ner Maßnahmen belasten in vielen Regionen – vor allem jenen mit hohem Viehbesatz – Nährstoffe aus der Landwirtschaft die Gewässer nahezu unverän-dert. Internationale Gewässerschutzziele werden ver-fehlt. Ziel muss es also sein, diesen Hotspot-Regionen bedeutende Nährstoffmengen zu entziehen.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 33
Wassermangel – in Deutschland?
Schon jetzt fallen wegen Trockenheit und Dürre in einigen Regionen Deutsch-lands Erträge aus. Klimaszenarien lassen erwarten, dass dies zunimmt. Welche Regionen betrifft das, und welche Konsequenzen erwachsen daraus für Felder und Wälder? Wie könnte ein zunehmendes Wasserdefizit im Sommer ausgegli-chen werden?
Zusammen mit dem Deutschen Wetterdienst und weiteren Partnern identi-fizieren wir derzeit Regionen mit hohem Risiko für Wassermangel. Dazu nutzen wir vorliegende Daten zum Wasserverbrauch, Boden, Ertrag und Wachstum verschiedener Waldbestände und landwirtschaftlicher Kulturen zusammen mit Geodaten über klimatische und bodenhydrologische Verhältnisse und finden Modellparameter für den Wasserhaushalt der Landschaften. Im nächsten Schritt wollen wir aus den Ergebnissen regional geeignete Anpassungsmaßnahmen ableiten.
Mehr Wasser – Umdenken bei der Nutzung organischer Böden
Durch Entwässerung sind die vielfältigen Ökosystemdienstleistungen naturna-her Moore verloren gegangen. Niedrige Wasserstände machen sie heute zu einer starken Quelle von Treibhausgas-Emissionen. Je nach hydrologischer Einbettung haben sie ihre Funktion als Rückhalteräume für Nährstoffe und den Hochwasser-schutz und als Habitat für seltene Tier- und Pflanzenarten eingebüßt.
Kluges Wassermanagement und Wiedervernässung organischer Böden können die Funktionen der Moore jedoch schrittweise wiederbeleben. Mit der deutschlandweiten Zusammenstellung von Daten, eigenen Experimenten und mit Modellierungen untersuchen wir die Dynamik der biogeochemisch-hydrolo-gischen Prozesse und entwickeln Konzepte zur Quantifizierung, Hochskalierung und Abwägung dieser „am Wasser hängenden“ Funktionen der organischen Böden (www.organische-boeden.de).
Die Gülle muss weg – aber wohin?
Regionen mit intensiver Tierhaltung produzieren sehr viel Gülle, also viel mehr Nährstoffe, als die Pflanzenproduktion „verdaut“. Vor allem im viehstarken Nord-westen Deutschlands steigen die Nitratbelastungen der Gewässer. Das Problem ist mit den bisher ergriffenen Maßnahmen nicht zu lösen. Aber wie viel Gülle muss weg, damit die Gewässerschutzziele erreicht werden, und wohin damit?
In einem Pilotvorhaben haben wir zusammen mit Forschungspartnern einen agrarökonomischen und hydrologischen Modellverbund entwickelt: AGRUM-Weser. Er bildet für das gesamte Wesergebiet die Nährstoffeinträge ab – von den Ackerflächen bis zur Nordsee. Auf dieser wissenschaftlichen Grundlage können wir sagen, wie hoch regional der Bedarf ist, Nährstoffe zurückzuführen. Gemeinsam mit den zuständigen Akteuren arbeiten wir daran, die erforderli-chen Reduktionen zu erreichen.
Beteiligte Institute: Agrarklimaschutz Biodiversität Waldökosysteme Ländliche Räume
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Anpassung an Wassermangel in Risikoregionen Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten des Risikomanagements
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34 THEMENFELDER
Klima und Luft
Dicke Luft schafft heißes Klima
Luftschadstoffe greifen Biotope an, Feinstäube die menschliche Gesundheit. Lachgasemis-sionen sind wesentlich für den Abbau der stratosphärischen Ozonschicht verantwortlich. Treibhausgase beeinflussen das Klima, mit Folgen für unsere genutzten Ökosysteme: Pflan-zenerträge, Waldbrandgefahr, Fischbestände – alles verändert sich. Wir wollen die komplexe Quellen- und Senkenfunktion von Land- und Forstwirtschaft aufklären und herausfinden, wo die Politik ihren Hebel am wirksamsten ansetzen kann.
Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sind in beson-derem Maße von Klimabedingungen abhängig. Zugleich zählen manche Praktiken der globalen Land- und Forstwirtschaft auch zu den Treibern des Klimawandels: großflächige Entwaldung, ackerbau-liche Nutzung entwässerter Moore, Nassreisanbau, Teile der Nutztierhaltung und auch eine übermä-ßige Stickstoffdüngung.
Die Thematik betrifft fast alle Thünen-Fachinstitute und wird in zahlreichen Arbeitsgruppen bearbeitet, häufig institutsübergreifend. Die einzelnen Aktivi-täten lassen sich folgenden Teilaufgaben zuordnen:
• Wir klären auf, wie luftgetragene Emissionen entste-hen, verfrachtet werden und ökologisch wechselwir-ken. Wir analysieren sowohl Stoffflüsse an einzel-nen Punkten (zum Beispiel im Viehstall; beim Grünlandumbruch) als auch ökosystemare Zusam-menhänge (zum Beispiel im Integrated Carbon Observation System – ICOS).
• Wir messen und bilanzieren Emissionen flächen- deckend. Für die nationale und internationale
Berichterstattung erstellen wir Treibhausgasbilan-zen der deutschen Land- und Forstwirtschaft. Au-ßerdem verbessern wir in internationalen Gremien (zum Beispiel im Weltklimarat IPCC) Richtlinien und Normen.
• Wir entwickeln und bewerten Möglichkeiten, Emissi-onen und Schadstoffeinträge zu vermeiden oder zu mindern. Dazu untersuchen wir zum einen techno-logische Maßnahmen (zum Beispiel Abluftreini-gung; Wassermanagement auf Moorflächen), zum anderen organisatorische Maßnahmen (zum Bei-spiel Beeinflussung von Verbraucherentscheidun-gen; Welthandel).
• Wir entwerfen Strategien einer effektiven und effizienten Minderung von Schadstoffen. Für eine er-folgversprechende Politik analysieren wir Potenzial und Kosteneffizienz diverser Handlungs-optionen. Beim Konzipieren der optimalen politi-schen Steuerungsinstrumente geht es auch dar-um, dass die Maßnahmen nicht unterlaufen werden und sich in global wirksame Strategien einfügen.
• Wir schätzen Folgen des Klimawandels ab. Der Klimawandel wirkt sich auf die Land- und Forst-wirtschaft in verschiedenen Weltregionen unter-schiedlich aus. Um Wirtschaft und Politik bestmög-lich vorzubereiten, analysieren wir experimentell und mithilfe von Modellen, was voraussichtlich auf uns zukommt.
• Wir entwickeln Strategien der Anpassung an den Klimawandel. Hier stehen vor allem langfristig ausge-richtete Investitionen im Vordergrund (zum Beispiel Waldumbau und regionale Wasserversorgung).
Durch unsere 3 x 3-Matrix und die Nähe zur Politik haben wir besonders gute Voraussetzungen, diese komplexe Thematik umfassend und interdiszipli-när zu bearbeiten. Da die Agenda jedoch riesig ist, haben wir uns nicht nur intern, sondern auch extern in zahlreichen Verbünden vernetzt.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 35
Abluftreinigung in Tierställen
In der Nutztierhaltung geht es uns darum, die Haltungsverfahren unter simul-taner Beachtung mehrerer Ziele zu verbessern: Emissionsminderung, Tierwohl und Wettbewerbsfähigkeit. Wir entwickeln technische Verfahren zur Minderung von Ammoniak, Treibhausgasen, Gerüchen und Bioaerosolen durch Abluftreini-gung. Für die Schweinehaltung ist die Abluftreinigung inzwischen ein wichtiges Instrument geworden, lokale Konflikte zu minimieren und Standorte zu sichern.
Derzeit arbeiten wir daran, auch für die Geflügelhaltung praxistaugliche und wirtschaftlich vertretbare Verfahren zu entwickeln und zu bewerten. In großen Anlagen müssen allerdings gewaltige Luftvolumenströme bei extrem kurzen Kontaktzeiten gereinigt werden. Hier sind bis zum Erfolg noch einige technische Hürden zu nehmen.
Experimentelle Klimawirkungsforschung
In Freiland-CO2-Anreicherungsexperimenten (FACE) am Thünen-Institut haben wir bereits die Auswirkungen des CO2-Anstiegs in Kombination mit Dürre auf Kulturpflanzen ermittelt. Diese Resultate, ebenso wie die Resultate aus FACE-Experimenten in anderen Erdteilen, werden für Ertragsprognosen verwendet und fließen in agrarökonomische Modellanalysen ein. Im Pflanzenbau wollen wir die Auswirkungen von Hitzewellen erforschen und die Züchtung wichtiger Kulturarten durch Auswahl geeigneter Genotypen unterstützen. Dies erlaubt, die Erträge klimastabil weiter zu steigern und zum Beispiel die Backweizen-qualität trotz erhöhter atmosphärischer CO2-Konzentrationen zu erhalten. Die Wirkungen sind aber komplex. Daher sind wir manchmal (zum Beispiel in der Arbeitsgruppe Extremwetterlagen) darauf angewiesen, die belastbaren Experi-mentaldaten durch Expertenschätzungen zu ergänzen.
Wirksame Klimaschutzstrategien
Um die Klimaschutzwirkung von Land- und Forstwirtschaft zu verbessern, kann die Politik unzählige Hebel bedienen: Düngetechnik, Abluftreinigung, Öko-landbau, Abfallvermeidung, Moorschutz, Bioenergie, Holzbau, Fleischkonsum, Tropenwaldbewirtschaftung, Klimaverhandlungen und vieles andere mehr. Allerdings: Bei einigen dieser Ansatzstellen gibt es berechtigte Zweifel, ob sie – weltweit angewendet – nicht kontraproduktiv wirken würden. Und bei anderen ist zu fragen, ob sie – national angewendet – nicht so wenig für den Klimaschutz bringen, dass die Bundesregierung sich besser auf die „big points“ konzentrie-ren sollte.
Mit der Thünen-Stabsstelle Klimaschutz und unseren institutsübergreifen-den Arbeitsgruppen haben wir Voraussetzungen geschaffen, um Einzelmaß-nahmen vergleichend bewerten, koordinieren, priorisieren und zu wirksamen Strategien verdichten zu können.
Beteiligte Institute: alle 14 Fachinstitute Stabsstelle Klimaschutz
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Erfassung und Minderung klimarelevanter Emissionen Klimaschutzstrategien für den Agrarbereich Klimaschutzstrategien für Wald und Holznutzung Wechselwirkungen zwischen Agrar-, Holz- und Rohstoffmärkten Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten des Risikomanagements
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36 THEMENFELDER
Biologische Vielfalt
Unsere Natur – unermesslich reich?
Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen bevölkern Felder, Wälder, Meere in großer Vielfalt und sind ein Grundbaustein für deren Funktionieren. Wir nutzen diese Vielfalt für uns, aber gleichzeitig gefährden wir sie damit auch. Wie passt das zusammen, und wie verhindern wir weitere Verluste der biologischen Vielfalt?
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Übernutzung, verlorener Lebensraum, uner-wünschte Stoffeinträge in Ökosysteme und der Klimawandel gefährden die biologische Vielfalt. Wollen wir dem Verlust der Artenvielfalt und seinen Folgen entgegenwirken und die Biodiversität in ter-restrischen und aquatischen Ökosystemen erhalten, brauchen wir eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Agrar-, Forst- und Fischereipolitik. Wir schaffen dafür die Voraussetzung: mit wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und Optionen für politisches Handeln im Interesse der biologischen Vielfalt.
Über viele Elemente von Biodiversität – und ins-besondere, wie sie auf das Funktionieren unserer Ökosysteme wirken – wissen wir noch zu wenig. Wir arbeiten im globalen wie im nationalen Kontext daran, die Wechselwirkungen zwischen biologischer Ausstattung, Methoden der Bewirtschaftung und Umweltfaktoren in verschiedenen Ökosystemen zu erkennen, zu quantifizieren, daraus Prognosen zu erstellen und Politikempfehlungen abzuleiten.
Vor allem mit der terrestrischen Biodiversität befas-sen sich viele Forschungseinrichtungen; mit ihnen vernetzen wir uns in Einzelbereichen eng. Was uns charakterisiert: Wir sind in der Lage, Themen lang-fristig zu bearbeiten, und wir haben den Auftrag, Politikmaßnahmen vorzudenken und wissenschaft-lich zu begleiten. Deshalb konzentrieren wir uns vor allem auf die Entwicklung valider und praktikabler Indikatoren- und Monitoringsysteme. Unser Ziel ist es, damit dem Prozess „Erfassen von Biodiversität – Bewerten von Biodiversität – Politikmaßnahmen für die Biodiversität“ Führung zu geben.
Unsere Forschungsfelder:• Wir entschlüsseln die vielfach noch unbekannte
mikrobielle Vielfalt in Agrar- und Waldböden, un-tersuchen den Einfluss unterschiedlicher Bewirt-schaftung auf Bodenorganismen und auf deren Rolle für den Stoff- und Wasserhaushalt.
• Auf Landschaftsebene steht die Landnutzung und deren Intensität im Zentrum unserer Biodiversi-tätsforschung – etwa im Rahmen des Bioenergie-pflanzenanbaus, verschiedener Formen der Grün-landnutzung und der nachhaltigen Waldbewirt- schaftung. Nur so werden politische Agrar- und Umweltmaßnahmen großräumig bewertbar.
• Auf der Ebene von landwirtschaftlichen Betrieben und Regionen untersuchen wir Wirksamkeit und Effizienz einzelner angewandter und geplanter politischer Instrumente.
• Wir untersuchen Einflüsse des Klimawandels auf die Biodiversität und die Möglichkeit, genetische Ressourcen für die Anpassung von Kulturpflanzen an den Klimawandel zu nutzen.
• Im Meer erfassen und bewerten wir vor allem, wel-chen Einfluss klimatische Änderungen und direkte menschliche Einflüsse – Fischerei, Offshore-Wind-parks, Seeschutzgebiete – auf die Vielfalt aquati-scher Organismen haben.
STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 37
Monitoring: Mit Blick zurück voraus …
Angesichts des rasanten Wandels unserer Agrarlandschaften und des drohen-den Verlusts ökosystemarer Dienstleistungen sind aussagekräftige Daten zum Zustand und der Entwicklung der biologischen Vielfalt von großer Bedeutung. Nur wenn wir Trendentwicklungen bewerten können und die Ursachen des Ver-lusts an biologischer Vielfalt besser verstehen, kann es gelingen, erfolgreiche Strategien zur Trendumkehr zu entwickeln.
Bestehende Monitoringprogramme anzupassen und zu koordinieren sowie zielgerichtet Indikatoren- und Monitoringsysteme für den Agrarbereich zu ent-wickeln, ist für Deutschland dringend notwendig. In enger Zusammenarbeit mit anderen Institutionen (unter anderem BfN, NeFo, Allianz der Wissenschaftsorga-nisationen, UFZ) erarbeiten wir derzeit Konzepte zur Ausgestaltung eines natio-nalen Monitorings der biologischen Vielfalt.
Biodiversität im Meer – Vielfalt erkennen
Die Artenvielfalt von Fischen spiegelt sich auf unseren Speisekarten wider. Doch ist die Vielfalt an dieser Stelle nicht immer erwünscht. Nicht selten landen nämlich Fänge aus illegaler oder unregulierter Fischerei auf dem europäischen Markt. Verhindern lässt sich das durch sichere Arterkennung und Herkunfts-nachweise. Vor allem bei verarbeiteten Fischereiprodukten wie Filets oder gar Konserven ist dafür ein genetischer Fingerabdruck erforderlich.
Im Thünen-Institut verfügen wir über eine einzigartige Sammlung von DNA-Proben atlantischer Fischarten. Derzeit erarbeiten wir eine Vergleichsdaten-bank, mit deren Hilfe es Kontrollbehörden und Verbraucherschützern in Zukunft besser gelingen wird, illegale Importe von Fischereiprodukten aufzudecken.
Wälder divers und „bio“
Wälder gelten gemeinhin als naturnaheste aller Landnutzungen: Langlebig, in sich reich strukturiert, großflächig ausgedehnt. Der Mythos „Urwald“ trägt sein Übriges zur verklärenden Sicht auf Wälder bei. Vollerntemaschinen, Kahlschläge, Monokulturen stehen, zumindest auf den ersten Blick, diesem Ideal eines hoch-sensiblen und hochdiversen Waldes gegenüber. Eine nüchterne, naturwissen-schaftlich fundierte Bestandsaufnahme der Vielfalt in Wäldern ist angebracht; sie muss raumzeitliche Strukturen und Störungsmuster ebenso berücksichtigen wie populationsbiologische Prozesse.
Unsere Forschung zielt darauf ab, im Thünen-Institut schon existierende Monitoringverfahren (BWI, BZE, Level II, Vogelindikator, genetisches Monitoring) nicht nur untereinander, sondern auch mit Ansätzen abzugleichen, die in Offen-landökosystemen Anwendung finden, und sie gemeinsam weiterzuentwickeln.
Beteiligte Institute: Biodiversität Waldökosysteme Ökologischer Landbau Agrarklimaschutz Forstgenetik Ländliche Räume Fischereiökologie Seefischerei
Ostseefischerei
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Monitoring der Biodiversität terrestrischer Produktionssysteme Steuerung biologischer Vielfalt in Böden Zustandserhe-
bung von Agrar- und Waldböden Züchtung und Anbau schnellwachsender Baumarten Info-Plattform „Georeferenzierte Daten“ Evaluierung ländlicher Entwick-
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38 THEMENFELDER
Wälder
Der Wald, von dem wir leben
Wälder müssen viel leisten. Sie sind einzigartige Lebensräume für Pflanzen und Tiere. Sie sorgen für sauberes Trinkwasser und binden Kohlendioxid. Sie sind beliebte Naherholungs-gebiete. Sie liefern den wichtigen Rohstoff Holz. Lassen sich all diese Funktionen dauerhaft in Balance halten?
Weltweit sind Wälder in vielen Regionen bedroht und müssen Agrarflächen weichen. In Deutschland dagegen haben die Waldfläche und der Holzvorrat in den vergangenen 20 Jahren deutlich zugenom-men. Aber auch hier gibt es Risiken. Luftverun-reinigungen gefährden die Waldgesundheit, und der Klimawandel erfordert Anpassungsstrategien. Unser Ziel: Wälder so zu schützen, dass ihre Leis-tungsfähigkeit auch in Zukunft erhalten bleibt.
Um überprüfen zu können, ob Deutschland auf dem richtigen Weg ist und wo die Politik gegebe-nenfalls nachsteuern muss, benötigen wir verläss-liche, repräsentative Daten über den Zustand von
Wäldern, Baumarten und Waldböden. Hier liegt eine Kernaufgabe des Thünen-Instituts. Wichtige Datenquellen sind die von uns koordi-nierten deutschlandweiten Erhebungen in Wäl-dern. Sie erfassen den Waldaufbau, die Holzvorräte und den Bodenzustand und liefern die Grundlage zur Abschätzung, wie viel Rohholz heute verfüg-bar ist und künftig genutzt werden kann. Unsere Ergebnisse zur Kohlenstoffbindung in Wäldern leisten einen wichtigen Beitrag für den jährlichen Treibhausgasbericht der Bundesregierung. Außer-dem untersuchen wir, wie Klimawandel und Luft-verunreinigungen auf den Zustand der Wälder, der Waldböden, das Baumwachstum und die Pflanzen-vielfalt wirken. Das Forstliche Umweltmonitoring koordinieren wir im europäischen Maßstab.
Auf unserer Versuchsstation in Britz untersuchen wir, wie sich die Baumartenwahl auf die Menge und Qualität des Sickerwassers auswirkt. Daraus entwi-ckeln wir Bewirtschaftungskonzepte für Wälder im Umgang mit knappen Wasser-Ressourcen.
Auf Basis unserer Forschungen bewerten wir, welche Wälder und Baumarten gefährdet sind, welche Anpassungsoptionen es im Waldbau gibt und welche Genotypen und Herkünfte für den Waldbau der Zukunft besonders geeignet sind. Unsere Resis-tenz- und Züchtungsforschung verfolgt das Ziel, auch in Zukunft an den Klimawandel angepasstes Pflanzenmaterial zur Verfügung zu haben.
Darüber hinaus analysieren wir, wie der Erholungs-nutzen des Waldes an unterschiedlichen Standor-ten messbar gemacht werden kann und entwickeln Konzepte für eine fachübergreifende Bewertung der verschiedenen Waldfunktionen. Die Daten aus allen waldbezogenen Erhebungen bilden institutsüber-greifend eine zentrale Datenbasis, um sachgerechte politische Rahmenbedingungen für Waldbewirt-schaftung, Holzproduktion, Klimaschutz und Wald-naturschutz entwickeln zu können. Im Folgenden beispielhaft drei mittelfristige Arbeitsschwerpunkte:
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 39
Forstliches Umweltmonitoring – mehr als nur Daten
Mit mehr als 6.000 Erhebungspunkten zum Waldzustand koordiniert das Thünen-Institut das europäische Waldmonitoring unter der Genfer Luftrein-haltekonvention (ICP Forests, eines der größten zusammenhängenden Umwelt-beobachtungsnetze weltweit). Außerdem finden in diesem europaweiten Verbund auf etwa 500 Flächen intensive Untersuchungen zum Waldbestand sowie dessen Stoff- und Wasserhaushalt statt.
Auf diese Weise ist eine einzigartige Datenbasis mit zum Teil mehr als 20-jäh-rigen Zeitreihen entstanden. Wichtige Auswertungen in der näheren Zukunft betreffen den Zusammenhang von Baumgesundheit und Wachstum der Bestände. Dabei steht zunehmend im Blickpunkt, wie der erhöhte Eintrag von Stickstoff und anderen Luftschadstoffen zusammen mit Trockenheitsextremen wirkt.
Herkunftsforschung – das Rückgrat der Forstgenetik
Das Thünen-Institut betreut mehr als 500 Versuchsflächen in Deutschland und Europa, auf denen die Anbaueignung von Bäumen unterschiedlicher Herkunft und verschiedener Familien gemessen wird. Auf diesen Flächen beobachten wir zumeist über Jahrzehnte das Überleben, die Anfälligkeit gegenüber Krankhei-ten und Schädlingen sowie das Wachstum.
Die Ergebnisse haben wir bisher vor allem genutzt, um der Forstpraxis Hinweise für die standortgerechte Auswahl von Baumherkünften für den Anbau zu geben. Künftig soll der Datenbestand verstärkt genutzt werden, um die Anpassungsfähigkeit verschiedener Baumherkünfte an den Klimawandel analysieren zu können.
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Zählen – ernten – wachsen lassen
Bei der jüngst abgeschlossenen „Bundeswaldinventur 3“ (BWI3) haben unter der Leitung des Thünen-Instituts Aufnahmetrupps in allen Bundesländern den deutschen Wald in seiner Größe und Struktur erfasst. Das ist für künftige forst- und umweltpolitische Entscheidungen zur Nutzung und zum Schutz des Waldes unentbehrlich. Die BWI3 ist unsere wesentliche Basis, das zukünftige Holzauf-kommen zu modellieren: Je nach angenommenem Managementszenario wird nämlich unterschiedlich viel Holz aus unseren Wäldern zur Weiterverarbeitung verfügbar sein.
Gleichzeitig werden wir mit unseren Modellierungen zeigen, wie unter-schiedlich sich die Wälder unter verschiedenen Szenarien entwickeln. Wir liefern Informationen darüber, wie ausgeprägt wichtige Nachhaltigkeitsindikatoren jeweils sind. Welches Szenario am Ende mehr oder weniger Nachhaltigkeit ver-spricht, ist eine komplexe Bewertung, die von der Politik vorgenommen wird.
Beteiligte Institute: Waldökosysteme Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie Forstgenetik Holzforschung
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Klimaschutzstrategien für Wald und Holznutzung Holzarten- und Herkunftskontrolle Anpassung an Wassermangel in
Risikoregionen
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40 THEMENFELDER
Meere
Mehr Durchblick unter Wasser
Die Meere sind es, die unsere Erde zum „Blauen Planeten“ machen. Sie sind einzigartige Lebensräume, aus denen ein Großteil der Fische auf unsere Teller kommt. Wie können wir sicherstellen, dass es den Meeren und ihren Ökosystemen auch in Zukunft gut geht und wir sie weiter nutzen können?
Die Meere stehen unter Druck. Das sich wandelnde Klima verändert die Lebensräume. Und viele Inter-essen konkurrieren auf engem Raum: Die Fischerei liefert uns Seehecht, Kabeljau oder Scholle und schafft Arbeitsplätze für Tausende von Menschen, gleichzeitig soll im Meeresraum Off-Shore-Ener-gie gewonnen und per Schiff Ware transportiert werden. Nicht zuletzt münden die Flüsse mit ihrer Nähr- und Schadstofffracht ins Meer.
Daher fragen wir uns: Sind die Meere als Lebens-räume noch intakt? Wie kann man die vielfältigen Nutzungskonflikte so lösen, dass wir auch in Zukunft diese wertvollen Ökosysteme erhalten und ihre natürlichen Ressourcen nachhaltig nutzen können – selbst wenn sich die Umweltbedingungen verän-dern? Um diese Fragen zu beantworten, muss man den Zustand der Meere genau kennen, sie also über
längere Zeit beobachten. Dazu brauchen wir verläss-liche Daten, die über Jahre hinweg in vergleichbarer Weise erhoben werden, kurz Monitoring genannt. In Deutschland ist das Thünen-Institut zuständig für große Teile des Monitorings lebender Ressour-cen auf hoher See. Dazu untersuchen wir nicht nur die Fischbestände und wirbellosen Organismen, sondern erfassen auch den physikalischen Zustand des Wasserkörpers und des Meeresbodens. Als Indi-katoren für die Umweltbelastung bestimmen wir außerdem die Häufigkeiten von Fischkrankheiten, Schadstoffgehalte und radioaktive Stoffe im Fisch. Diese Arbeiten münden in einen Dialog unserer Wissenschaftler mit der Politik und der Wirtschaft, um das in der Europäischen Meeresstrategie-Rah-menrichtlinie (MSRL) gemeinsam formulierte Ziel zu erreichen: Bis 2020 sollen alle europäischen Meere einen „guten Umweltzustand“ aufweisen.
Da Meere nicht an Staatsgrenzen enden, ist es eine europäische Aufgabe, den Zustand der Meeresum-welt auszuloten. Das Thünen-Institut ist mit seinen Datenerhebungen, Analysen und Einschätzungen tief integriert. Unsere Experten tragen in internatio-nalen Arbeitsgruppen maßgeblich zur Entwicklung von Umweltbewertungsverfahren bei. Gleichzeitig müssen wir im Auge behalten, was vor unserer Haus-tür passiert, also in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone in Nord- und Ostsee. Das betrifft neben der Umweltbewertung besonders die Unter-suchung von Klimaeffekten auf Habitate, Lebensge-meinschaften und die Fischbestände sowie andere anthropogene Einflüsse. Diese Aktivitäten helfen, künftige Entwicklungen besser vorherzusagen und der Fischerei- und Meerespolitik frühzeitig tragfä-hige Konzepte an die Hand zu geben.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 41
Die Ostsee – ein besonderes Ökosystem
Die Ostsee ist das größte zusammenhängende Brackwassermeer der Erde. Ihr Salzgehalt ist viel niedriger als der von „echten“ Meeren wie der Nordsee. Trotz dieser für Meeresfische ungewohnten Bedingung bilden marine Fischarten wie Dorsch, Hering und Sprotte die Grundlage für eine ertragreiche Fischerei. Schwankungen im Salzgehalt, zum Beispiel durch unregelmäßige Einstrom-Ereignisse aus der Nordsee, wirken sich direkt auf den Nachwuchs wichtiger Fischbestände aus. Deren Nachwuchssituation muss aber bekannt sein, um brauchbare Bestandsvorhersagen treffen zu können.
Daher erfassen wir zum Beispiel während der Laichsaison wöchentlich die Anzahl der Heringslarven im Greifswalder Bodden bei Rügen, um die Stärke des jeweiligen Nachwuchsjahrganges abzuschätzen und die künftige Entwicklung des Heringsbe-standes besser vorhersagen zu können. Die Untersuchungen helfen uns, der Politik belastbare Empfehlungen für die jährliche Festlegung der Fangquoten zu geben.
Keine Fischereiforschung ohne Schiffe
Wichtigste und zugleich mit Abstand teuerste Werkzeuge der Thünen-Fischerei-forschung sind drei spezialisierte Fischereiforschungsschiffe: Die kleine und erst 2012 in Dienst gestellte „Clupea“ ist spezialisiert auf die Küstenforschung und fangtechnische Untersuchungen. Die mittelgroße „Solea“ ist das leiseste Schiff ihrer Klasse und daher besonders für die akustische Aufnahme kleiner Schwarm-fische in Nord- und Ostsee geeignet.
Mit dem Flagschiff „Walther Herwig III“ untersuchen wir die Fischbe-stände im ganzen Nordatlantik bis vor Grönland. Dieses älteste Schiff soll 2017 durch einen größeren Neubau ersetzt werden, der dann alle
Voraussetzungen für die multidisziplinäre Aufnahme von Daten erfüllt, wie sie für moderne, integrierte Betrachtungen des Meeresökosystems
erforderlich sind.
Beteiligte Institute: Seefischerei Ostseefischerei Fischereiökologie
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Integrierte Bewertung des Umweltzustands der Meere Alternative Konzepte für das Fischereimanagement Strategien zur Raumnutzung im marinen Bereich
Klima- und Wettergeschehen im Meer
Ähnlich wie der Luftraum über dem Land ist das Meer der „Luftraum“ für die Meerestiere mit eigenem „Klima- und Wettergeschehen“, das ihre Verteilung und ihren Entwicklungserfolg beeinflusst. So geben etwa geografische Breite und die großen Meeresströmungen die großräumige Verbreitung der Arten vor, während kleinskalige Fronten und Wirbel – ähnlich wie beim Wetter – kurzfristig die Produktivität und die Eigenschaften eines Lebensraums beeinflussen.
Dies zu verstehen ist von zentraler Bedeutung, um von klimatischen Trends auf Änderungen in der Biologie zu schließen. Im Thünen-Institut kombinieren wir großflächiges Monitoring mit feinskaligen Untersuchungen zu hochaufge-löster Information über die Physik des Meeres. Aus den Ergebnissen entwickeln wir derzeit neue, klimasensible Indikatoren und Referenzwerte für die Nutzung von Ökosystemleistungen.
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42 THEMENFELDER
Pflanzenproduktion
Schwarmintelligenz auf dem Acker
„Jedes Jahr ist anders.“ Gestandene Landwirte wissen, wie leicht Wetterkapriolen oder un-vorhergesehener Schädlingsbefall ein vermeintliches Patentrezept zum Scheitern bringen können. Entsprechend umsichtig entwickeln sie ihre Produktionssysteme weiter – auf-geschlossen gegenüber neuen Lösungen, zugleich behutsam, indem sie die langjährigen Erfahrungen auf dem eigenen Betrieb und in der Nachbarschaft berücksichtigen. Umsicht und Weitblick benötigt auch die Politik, wenn sie den Pflanzenbau der Zukunft erfolgreich beeinflussen möchte.
Aus der Vogelperspektive betrachtet ist die Pflan-zenproduktion ein gut sichtbarer, schnell ausschla-gender Seismograf für veränderte Märkte oder Politiken. Immer mehr Maisfelder? Unter anderem wegen der Biogas-Politik. Das Verschwinden einst vertrauter Futterpflanzen wie Luzerne und Lupine? Nicht zuletzt aufgrund mangelnder Investitionen in die Pflanzenzüchtung. Immer größere Schläge, bearbeitet von immer größeren Maschinen? Folge des Zusammenspiels von Technologieentwicklung und Wettbewerb zwischen den Landwirten.
In dieser dynamischen Welt brauchen Politik und Praxis Rat, den wir bereitstellen. Hierzu analysie-ren wir Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit von Pflanzenbausystemen auf betrieblicher, nationaler und internationaler Ebene, und wir entwickeln neue technologische Lösungen, zum Beispiel für Preci-sion Farming, für Bodenbearbeitung, Bodenschutz und zur Optimierung der Bewässerungstechnik. Wir
sind überzeugt, dass durchdachte Technologien sich schnell verbreiten und somit letztlich oft wirksamer sind als gesetzliche Regelungen. Zugleich versetzt uns Technologieforschung in die Lage, der Politik jene Bereiche aufzuzeigen, wo es ohne Gesetz nicht geht – und auch hierfür Lösungen vorzuschlagen, die den Besonderheiten des Wirtschaftens unter freiem Himmel gerecht werden.
Auch an das Ziel, den Ökolandbau auszudehnen, knüpfen sich für uns pflanzenbauliche Forschungs-fragen: Wie kann man den Pflugeinsatz – derzeit zur Unkrautunterdrückung fast unumgänglich, aber energieintensiv und die Bodenstruktur stö-rend – auch auf Ökofeldern einschränken? Gelingt es, Eiweißpflanzen so stabil anzubauen, dass das Ziel „100 Prozent Biofütterung“ in der Tierhaltung erreicht wird? Wie können Erträge gesteigert werden, damit die Entscheidung „pro Bio“ für Landwirte künftig weniger stark von staatlichen Prämien abhängt?
Bei unserer Forschung zu Pflanzenbausystemen arbeiten wir eng mit der Wirtschaft zusammen, zum Beispiel in der Gesellschaft für konservie-rende Bodenbearbeitung e. V., sowie mit anderen Forschungseinrichtungen, insbesondere mit dem Julius-Kühn-Institut (JKI). Gemeinsam mit JKI und TU Braunschweig richten wir aktuell einen neuen Schwerpunkt ein, der sich einer zentralen „System-frage“ des Pflanzenbaus zuwendet: Könnte nicht eines Tages ein Schwarm vieler kleiner, autonom fahrender Maschinen den Boden und die Kulturen schonender, vielgestaltiger, energiesparender und rentabler bewirtschaften als die heutigen Land-maschinen, die von Jahr zu Jahr immer größer und schwerer werden?
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 43
Was wächst nach dem Einsatz schwerer Maschinen?
Große, mehrreihige Bunkermaschinen erleichtern die termingerechte Ernte bei Kartoffeln, Silomais und Zuckerrüben. Die Interaktionen zwischen Maschine, Boden und Pflanze, insbesondere die Folgen für Bodenstruktur und Ertrag, untersuchen wir seit 15 Jahren in einer Zuckerrüben-Weizen-Fruchtfolge.
Bislang zeigt sich: Nicht nur die Bodenbearbeitung nach dem Einsatz des Rübenvollernters, auch die Bodenbearbeitung vor der Zuckerrübenbestellung ist ausschlaggebend. Durch eine geringere Lockerungstiefe lagert der Boden dichter; das stärkt seine Fähigkeit, hohe Lasten zu tragen. Eine krumentiefe Lockerung nach der Zuckerrübenernte ist im Mittel der Jahre auch rentabel; nur die häufig überrollten Vorgewende leiden unter Ertragsdepression, selbst wenn der Pflug zum Einsatz kommt.
Leguminosenanbau stärken
Für den Ökolandbau sind Leguminosen essenziell: Sie fördern die Bodenfrucht-barkeit, binden Luft-Stickstoff als wichtige N-Quelle für den Betrieb, steigern die Fruchtfolgevielfalt und sind der wichtigste Futtereiweißträger in der Ökotier-haltung. Auch im konventionellen Anbau könnten Leguminosen positiv wirken, doch ist ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Kulturen hier nochmals geringer.
Am Thünen-Institut für Ökologischen Landbau entwickeln wir daher Anbau-konzepte zum Leguminosenanbau und prüfen dabei auch bislang wenig genutzte Arten, zum Beispiel Wicken. Wir testen derzeit vor allem Mischfrucht-systeme und bauen Leguminosen zumeist gemeinsam mit einem Getreide-partner an. Erwartete Vorteile: höhere Ertragsleistung und -sicherheit, bessere Unkrautunterdrückung, geringerer Krankheits- und Schädlingsbefall.
Sensoren – Helfer auf Feldern und in Wäldern
Precision Farming ist die Lösung, um auch auf großen Schlägen kleinräumig hete-rogene Boden- und Bestandeszustände beachten beziehungsweise differenziert versorgen zu können. Wir entwickeln hochsensible Sensoren, die teilflächenspezifi-sche Bodenbearbeitung, Bestellung und Düngung ermöglichen, bedarfsorientier-ten Pflanzenschutz erlauben oder auch die standortspezifische Bodenbedeckung mit organischen Reststoffen zur Verminderung von Bodenerosion gestatten.
Ein weiterer Bereich unserer aktuellen Sensorikforschung ist die Anpassung des Bodendrucks von Land- und Forstmaschinen an die jeweilige Verdichtungs-empfindlichkeit. Hier prüfen wir die relevanten „Maschine/Boden/Pflanze/Baum“-Interaktionen im Labor, in Feld- und Waldexperimenten. Unser Ziel: Abgesicherte, breit akzeptierte Handlungsempfehlungen für Politik, Beratung und Praxis.
Beteiligte Institute: Agrartechnologie Ökologischer Landbau Agrarklimaschutz Biodiversität Marktanalyse Betriebswirtschaft Ländliche Räume
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: International vergleichende Analyse von Produktionssystemen Monitoring der Biodiversität terrestrischer Produktionssysteme Zustandserhebung von Agrar- und Waldböden Steuerung biologischer Vielfalt in Böden Erfassung und Minderung klimarelevanter Emissionen Anpassung an Wasser-mangel in Risikoregionen Autonome Landmaschinen – Pflanzenbausysteme der Zukunft Konzepte für eine Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020
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44 THEMENFELDER
• Nach welchen Kriterien sollte die Politik ihre För-derpolitik ausrichten: Kosteneffizienz, Klimanut-zen oder Versorgungspotenziale?
• Sollten gezielt solche Pflanzen gefördert werden, die (zum Beispiel in einem Biotopverbund) dazu beitragen, die biologische Vielfalt unserer Agrar-landschaften zu steigern?
• Sollten nachwachsende Rohstoffe künftig prioritär für die stoffliche Nutzung eingesetzt werden?
• Wie entwickelt sich die Biomassenutzung ohne politische Eingriffe bei steigenden Ölpreisen, und wie soll die Politik hierauf reagieren?
Dieses Themenfeld betrifft fast alle Thünen-Institute in den Bereichen Agrar und Wald, denn es sind öko-nomische, ökologische und technologische Kom-petenzen gefragt. Die strategische Ausrichtung unserer Verbundforschung verfolgt zwei unter-schiedliche Linien:
• Grundlagen für eine bessere Politik: Wir untersuchen, wie unsere Politik die Wirtschaft künftig so steuern kann, dass sich die Nutzung von Biomasse im Diens-te der Nachhaltigkeit bestmöglich entfaltet.
• Effizientere Produktionsprozesse: Wir entwickeln ver-besserte Produktions- und Konversionsverfahren, für eine stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Auf diese Weise wollen wir die Verfahren wettbe-werbsfähiger und umweltfreundlicher machen.
Die Zuständigkeit für die erste Linie liegt primär bei den ökonomischen und ökologischen Instituten, die für die zweite Linie primär bei den technologi-schen Instituten. Hier liegt der Schwerpunkt auf der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe, gegebenenfalls mit energetischer Neben- oder Nachnutzung. Die Zuständigkeit für die Biomasse-nutzung zur Energiebereitstellung wurde größten-teils an das Deutsche Biomasseforschungszentrum abgegeben.
Nachwachsende Rohstoffe
Einfach verbrennen?
Seit über zweihundert Jahren entwickelt sich die Weltwirtschaft auf Basis fossiler Rohstoffe, zweifellos keine nachhaltige Entwicklung. Die Bundesregierung rief eine „Energiewende“ aus und betreibt eine massive Förderung erneuerbarer Energien. Im Portfolio der Erneuerba-ren dominierte zunächst die Bioenergie; unter dem Eindruck der „Tank oder Teller“-Debatte mussten die ehrgeizigen Expansionspläne jedoch inzwischen revidiert werden. Wie soll es nun weitergehen?
Mehr als 20 Prozent der Ackerfläche werden in Deutschland bereits für die Bioenergie-Erzeugung eingesetzt. Diese Energie deckt aber nur circa drei Prozent des nationalen Bedarfs. Die Verbraucher kostet das jährlich zusätzlich mehrere Milliarden Euro, viele Landwirte klagen, weil sie Nahrungsmit-tel ohne produktgebundene Subventionen pro-duzieren, also im Wettbewerb benachteiligt sind, Umweltschützer prangern den Umbruch von Grün-land und einen regional überbordenden Maisanbau an. Selbst im Wald- und Holzsektor, der ein viel grö-ßeres Potenzial für die Bereitstellung von Rohstoffen hat als der Agrarbereich, führt der Bioenergie-Boom zu Verwerfungen. Die Thünen-Wissenschaftler haben frühzeitig gewarnt …
Seit die Politik nun auf die Bremse getreten hat, strei-ten Befürworter und Gegner der Bioenergie umso erbitterter über Beimischungsquoten, Einspeisetarife und Umweltauflagen. Aus wissenschaftlicher Sicht greifen diese Debatten meist zu kurz, es mangelt nach wie vor an einer überzeugenden Gesamtstrate-gie. Zentrale Fragen sind unbeantwortet:
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 45
Biobasierte Chemieprodukte
Während eine regenerative Energieversorgung ohne Biomasse vorstellbar ist (Wind, Solar), wird die chemische Industrie verstärkt auf nachwachsende Rohstof-fe als einzige erneuerbare Kohlenstoffquelle angewiesen sein.
Die Thünen-Institute für Agrartechnologie und Holzforschung analysieren, wie die von der chemischen Industrie benötigten Grundstoffe, aber auch die daraus erzeugten Zwischen- und Endprodukte effizient aus Rohstoffen der Agrar- und Forstwirtschaft hergestellt werden können. Hierfür werden verschiedene physikalische, chemische und biotechnische Bioraffinerieverfahren untersucht und verbessert. Nachhaltigkeitsbewertungen flankieren die Entwicklung dieser Prozesse, um bestmögliche Konversionsrouten identifizieren zu können.
Beteiligte Institute: Agrartechnologie Holzforschung Betriebswirtschaft Marktanalyse Forstgenetik Biodiversität Ländliche Räume Internationale Waldwirt-
schaft und Forstökonomie
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Bioraffinerieprozesse für nachwachsende Rohstoffe Wechselwirkungen zwischen Agrar-, Holz- und Rohstoffmärkten
Züchtung und Anbau schnellwachsender Baumarten Forschungsplattform "Gesellschaftliche Erwartungen"
Agrarholz mit doppelter Dividende
Unsere bisherigen Analysen ergaben, dass die Holzerzeugung in Kurzum-triebsplantagen (KUP) unter Klimaschutzaspekten effizienter ist als die meisten anderen Bioenergielinien. Zwei Forschungsansätze sollen dazu beitragen, die Stellung der KUP im Wettbewerb künftig noch weiter zu verbessern.
Zum einen wollen wir mithilfe der Forstpflanzenzüchtung das – im Ver-gleich zu landwirtschaftlichen Pflanzen – relativ große genetische Potenzial der Gehölze nutzbar machen. Zum anderen wollen wir untersuchen, wie man KUP als Strukturelemente so in Agrarlandschaften integrieren kann, dass sie einen besonders wertvollen Beitrag zur biologischen Vielfalt leisten. Auf dieser Grund-lage wollen wir Vorschläge zur Anpassung der Förderpolitik entwickeln.
Zusammenhang zwischen Agrar-, Holz- und Energiemärkten
Bei hohen Erdölpreisen ist die Bioenergienutzung auch ohne politische Förde-rungen in einigen Teilen der Welt wettbewerbsfähig. Das führt zu einer engen Verbindung von Agrar-, Holz- und Energiemärkten: Je höher die Erdölpreise, des-to höher auch das Agrar- und Holzpreisniveau. In Regionen, in denen die Bioener-gieerzeugung nicht wettbewerbsfähig ist, aber politisch gefördert wird, steigt dann der Subventionsbedarf im Vergleich zu Wind und Solarenergie weiter an.
Für eine vorausschauende Biomassepolitik ist es essenziell, diese komplexen Zusammenhänge zu verstehen und abzubilden. Wir erreichen das, indem wir unsere Marktmodelle verbessern, zusammenführen und im Rahmen von agri benchmark international vergleichende Kostenanalysen durchführen.
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46 THEMENFELDER
Waldmanagement und Holzverwendung
Das „Schlachthausparadox“der Forst- und Holzwirtschaft
Wir alle verwenden täglich Produkte auf Holzbasis – bewusst oder ohne es zu wissen. Was wäre Online-Shopping ohne Verpackung? Wer wollte ohne Toilettenpapier leben? Nicht nur Möbel bestehen ganz oder teilweise aus Holz: Sogar Funktionswäsche, Orangensaft oder Zahnpasta enthalten Holzbestandteile. Holzernte gut – alles gut? Es ist wie mit Rindern und Steaks: Jeder mag sie, nur das Schlachten ist ein Graus. Holz ist beliebt, der Wald soll in Deutschland aber nicht gefällt, sondern zunehmend geschützt werden. Was tun?
Die Ackerflächen der Welt werden vorrangig zur Produktion von Nahrungsmitteln benötigt. Daher konzentrieren sich die Überlegungen, Bioenergie zu einem Eckpfeiler der globalen Energiewende werden zu lassen, immer mehr auf die sogenannte zweite Generation. Damit landet man schnell beim Holz, zumal weltweit „nur“ eineinhalb Milliarden Hektar Ackerland vorhanden sind, aber vier Milliar-den Hektar Wald. Liegt hier tatsächlich der Schlüssel zu einer biobasierten, nachhaltigen Weltwirtschaft, oder begibt sich die Menschheit abermals auf den berühmt-berüchtigten Holzweg?
Unstrittig ist die viel zu hohe Inanspruchnahme des Waldes in einigen wichtigen Weltregionen. Daher treibt das Thünen-Institut verstärkt Strategien gegen den fortschreitenden Waldverlust vor allem in den Tropen voran. Die Stoßrichtungen:
• Anreiz- und Sanktionssysteme, die die Entwaldung stoppen,
• Konzepte einer nachhaltigen Tropenwald-Nutzung,• Aufdeckung und Bekämpfung des illegalen Holz-
handels.
Bei der Waldnutzung in Deutschland geht es um andere Themen, denn Nachhaltigkeit hat hier bereits eine lange Tradition, und die Waldfläche nimmt seit Jahren zu. Die gesellschaftliche Debatte dreht sich in erster Linie um die Frage, welcher Anteil des deutschen Waldes künftig zugunsten ande-rer Ziele – insbesondere des Naturschutzes – nicht mehr produktiv genutzt werden darf. Der Preis dafür ist allerdings hoch: Zum einen gehen Wertschöp-fung und Arbeitsplätze verloren, zum anderen kop-peln die globalen Märkte den Verzicht hierzulande an höheren Einschlag anderswo in der Welt – mit entsprechenden Folgen.
Der Forschung im Thünen-Verbund erwachsen daraus drei Aufgaben:
• Wir wollen herausfinden, mit welchen Maßnah-men und an welchen Standorten sich die Natur-schutzziele so erreichen lassen, dass die Produkti-onskapazität des Waldes möglichst wenig eingeschränkt wird.
• Wir wollen den Wald bestmöglich auf die verän-derten klimatischen und wirtschaftlichen Szenari-en der nächsten hundert Jahre vorbereiten.
• Wir wollen mithelfen, den wertvollen Rohstoff Holz so effizient wie möglich auszuschöpfen, damit die erzeugten Produkte ressourcensparend, langlebig und international wettbewerbsfähig sind.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 47
Waldanpassung – im internationalen Verbund?
Eine erfolgreiche Waldanpassung an den Klimawandel benötigt eine enge Zusammenarbeit von Forschern und Forstpraktikern auf unterschiedlichen räumlichen und politischen Ebenen. Bislang fehlt es aber an einer Strategie, wie geeignete Baumarten und Herkünfte international abgestimmt identifiziert werden können und die Ergebnisse den regionalen Entscheidungsträgern und den Waldbewirtschaftern vor Ort bekannt gemacht werden.
Das Thünen-Institut engagiert sich daher mit internationalen Partnern, um eine entsprechende globale Strategie für die Wälder der gemäßigten Breiten zu erarbeiten. Dafür wird im Internationalen Verband Forstlicher Versuchsanstalten ein Netzwerk von wissenschaftlichen Einrichtungen aufgebaut.
Anpassung MinderungEbene
International
National
Regional
Lokal
Arten/Herkunftseignung
Vorrangplanung zuAnpassungsstrategien
Umsetzung vonAnpassungsmaßnahmen
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Holz effizient und vielseitig nutzen
Weil Holz ein gefragter Rohstoff ist, arbeiten wir daran, ihn noch effizienter zu nutzen. So haben wir für die Zellstoffproduktion Hochausbeuteverfahren ent-wickelt, die den Rohstoff deutlich besser ausschöpfen. Ob die Verfahren indust-rietauglich sind, wird derzeit geprüft.
Ein weiterer innovativer Ansatz für Holzwerkstoffe sind sogenannte Leicht-bauplatten. Bei dieser am Thünen-Institut entwickelten Technologie werden „Sandwich“-Spanplatten mit einer Mittelschicht aus geschäumten Polymeren hergestellt. Obwohl nur die Hälfte an Holz eingesetzt wird, liegen die technolo-gischen Eigenschaften dieser Leichtbauplatten nahezu auf dem Niveau konven-tioneller Spanplatten. In einem nächsten Schritt wollen wir die fossilen Polymere durch Biopolymere aus Holz ersetzen.
Mehr und bessere Hölzer aus gesünderen Wäldern
Wie gut Wälder wachsen, wie widerstandsfähig sie sind und was ihr Holz taugt – darüber entscheidet auch die Auswahl des Vermehrungsgutes. Wir prüfen des-halb in umfangreichen Herkunftsversuchen, was sich für den Anbau eignet. Wir erarbeiten Vorgaben, wie Saatgut behandelt und die genetische Vielfalt im Wald erhalten wird.
Gemeinsam mit den Versuchsanstalten der Länder führen wir Züchtungs-programme durch, um Leistungsfähigkeit, Holzqualität und Resistenz gezielt zu steigern. Resistenz gegen Pilzbefall und Trockenheit steht im Vordergrund, wenn wir die Widerstandsfähigkeit verbessern wollen. Im Interesse der Holzqua-lität arbeiten wir derzeit an Formeigenschaften der Bäume, zum Beispiel zu ihrer Astigkeit, und konzentrieren uns zunehmend auf die gezielte Beeinflussung der Lignin- und Celluloseanteile, den beiden wichtigsten Grundsubstanzen im Holz.
Beteiligte Institute: Holzforschung Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie Forstgenetik Waldökosysteme
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Forschungsplattform "Gesellschaftliche Erwartungen" Wechselwirkungen zwischen Agrar-, Holz- und Rohstoffmärkten Holzarten- und Herkunftskontrolle Modellgestützte Folgenabschätzungen – der Thünen-Modellverbund
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48 THEMENFELDER
Ökologischer Landbau
Damit mehr Gold ist, was glänzt
Die Bedingungen sind gut: Deutschland ist nach den USA weltweit der zweitgrößte Markt für Bioprodukte. Etwa jeder zwölfte Betrieb wird ökologisch bewirtschaftet. Biolebensmittel fin-den sich in fast jedem Supermarkt. Die Politik unterstützt die Ausdehnung des Ökologischen Landbaus mit zahlreichen Maßnahmen. Doch mit dem Erfolg gesellen sich zu altbekannten Problemen auch neue Herausforderungen, die der Sektor meistern muss.
Einst staatsferne Alternative, später exotischer Trend, heute fast Mainstream – die Ökobranche ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das ist eine respektable Leistung jener, die ihr Ideal eines ressourcenschonenden, tiergerechten und sozial anspruchsvollen Landbaus mit Pionier- und Unter-nehmergeist bereits zu Zeiten vorantrieben, als staatliche Förderung, öffentliche Forschungsmittel und gesetzliche Standards kaum oder nur unzurei-chend verfügbar waren.
Diese Zeiten sind weitgehend vorbei. Das eine Bio-produkt neben Dutzenden konventioneller Alter-nativen im Regal ist zur Ausnahme geworden. Ein EU-Standard, unterschiedlich restriktive Verbands-richtlinien und internationale Regularien haben eine Biobranche mit weit gefächerter Produktvielfalt ent-stehen lassen; Produzenten, Verarbeiter und Handel haben sich ebenso ausdifferenziert und bedienen verschiedene Zielgruppen. Verschärfter Wettbe-
werb in einem zunehmend internationalen Markt ist die Folge. Hinzu kommt: Je erfolgreicher ein ehe-maliger „Außenseiter“ wird, desto heller leuchten die Medien seine Entwicklung aus – mit der Folge, dass auch Unzulänglichkeiten und Schwächen deut-lich zutage treten. Wenn mitunter auch unzulässig skandalisiert wird – grundsätzlich ist das gut, weil es Verbesserungspotenziale aufzeigt.
Hier anwendungsorientiert zu forschen und Praxis und Politik zu beraten, ist unsere Aufgabe. Tierpro-duzenten, Pflanzenbauer, Ökonomen, Biologen und Technologen des Thünen-Instituts widmen sich dabei vor allem folgenden Fragen:
• Wie sollten die Rahmenbedingungen für die Ent-wicklung des Ökolandbaus in Deutschland ausge-staltet werden, um die politischen Ziele zu erreichen?
• Wie könnten gesetzliche Standards und Produkti-onsverfahren aussehen, um der Vielgestaltigkeit der Branche ebenso gerecht zu werden wie den Erwartungen der Verbraucher?
• Wie können Erträge gesteigert und tierische Leis-tungen optimiert werden, ohne Abstriche bei Umwelt und Tierschutz zu machen?
• Wie können Gesundheitsprobleme in der ökologi-schen Tierhaltung überwunden werden?
• Wohin könnte sich das System Ökolandbau lang-fristig entwickeln, und was folgt daraus für die Aus-richtung der Ökolandbau-Forschung?
Wir können nicht alle Fragen aus eigener Kraft beantworten. Neben der internen Kooperation stre-ben wir deshalb an, uns mit externen Forschungs-einrichtungen stärker als bisher zu vernetzen und eventuell auch Ressourcen zu bündeln, um gemein-sam schneller Fortschritte zu erzielen.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 49
Bio-Schweine als Avantgarde
Tier- und Umweltschutz – zwei zentrale Argumente für die Bevölkerung, zu Bioprodukten zu greifen. Dabei können das widerstreitende Ziele sein: Maxi-maler Umweltschutz zum Beispiel in der Schweinehaltung hieße geschlossene, zwangsgelüftete Ställe, aus denen kein Ammoniak, Staub und Geruch dringt. Doch genau solche Haltungsformen sehen viele Menschen kritisch.
Die Richtlinien des Ökolandbaus schreiben Auslauf für die Schweine vor. Das führt zu Schwierigkeiten, Tier- und Umweltschutz gleichermaßen zu gewähr-leisten, aber auch zu einer Chance: Wenn es gelingt, mit neuen, innovativen Haltungsverfahren beide Ansprüche bestmöglich zu vereinbaren, kann die Bio-Schweinehaltung Vorreiter für Verbesserungen im gesamten Nutztiersek-tor werden. Deshalb wollen wir eine moderne Versuchsanlage bauen, in der wir diese Haltungsformen entwickeln, testen und optimieren.
Förderkonzepte auf dem Prüfstand
Trotz günstiger Marktbedingungen und staatlicher Förderung wurde das poli-tisch gesetzte Ziel von 20 Prozent Biofläche in Deutschland bisher nicht erreicht. Ob künftig eine deutlich größere Anzahl an Betrieben auf Ökolandbau umstellt als bisher und damit das gewünschte 20 Prozent-Ziel näher rückt, hängt vor allem von der Wirtschaftlichkeit des Ökolandbaus ab. Diese wird neben der Marktentwicklung vor allem von der Höhe der spezifischen Förderung und der allgemeinen Agrarpolitik beeinflusst.
Wir untersuchen die Einkommenswirkungen der aktuellen Agrarpolitik, bewerten die Effizienz der Förderpolitiken und analysieren alternative Politik-konzepte, beispielsweise solche, die auf eine stärker zielorientierte Honorierung gesellschaftlicher Leistungen des Ökolandbaus setzen.
Im Dienst der Nachhaltigkeit: Das Pilotbetriebe-Netzwerk
Soll die Landwirtschaft nachhaltiger werden, müssen ihre Protagonisten wissen, wo sie stehen. Mit Universitäts- und Beratungspartnern haben wir deshalb in vier deutschen Regionen ein Pilotbetriebe-Netz von insgesamt 40 Betriebspaaren aufgebaut, bestehend aus jeweils einem ökologischen und einem benachbart liegenden konventionellen Betrieb. Hier und auf mehreren Versuchsstationen führten wir Messungen zu Klimawirkungen, zum Bodenschutz und zur Biodiver-sität in der Milch- und Getreideproduktion durch und erarbeiteten erste Hand-lungsempfehlungen für Praxis und Politik.
Das Netzwerk könnte zu einer deutschlandweiten Forschungsinfrastruktur ausgebaut werden. Sie ließe sich dafür einsetzen, ganz unterschiedliche praxisre-levante Forschungsfragen – etwa nach Ökonomie und Tierwohl – zu beantworten.
Beteiligte Institute: Ökologischer Landbau Betriebswirtschaft Marktanalyse Agrarklimaschutz Biodiversität Agrartechnologie Fischereiökologie
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Bewertung der Tiergerechtheit Forschungsplattform "Gesellschaftliche Erwartungen" Steuerung biologischer Vielfalt in Böden International vergleichende Analyse von Produktionssystemen Modellgestützte Folgenabschätzungen – der Thünen-Modellverbund
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50 THEMENFELDER
Nutztierhaltung und Aquakultur
Großbaustelle „Massentierhaltung“
Kein Tag vergeht, an dem die derzeitige Tierhaltung nicht öffentlich angeprangert wird. Politik und Wirtschaft reagieren mit einer Vielzahl von Aktivitäten. Derweil läuft der Strukturwandel weiter, bringt immer größere Betriebe hervor. Wie also sieht die Zukunft der deutschen Nutztier-haltung aus: gesellschaftlich akzeptierte Großbetriebe, eine neue bäuerliche Vielfalt oder vor-rangig Importfleisch? Alles schwer vorstellbare Varianten, doch gibt es eine vierte Alternative?
Der Begriff „Massentierhaltung“, der heute fast schon zum deutschen Standard-Vokabular gehört, wird von Wissenschaftlern ungern verwendet. Erstens ist er nicht sauber definiert. Zweitens beschreibt er ein komplexes Phänomen, das mit einer einzelnen For-schungsrichtung nicht erfolgreich zu bearbeiten ist. Und drittens sind viele der Meinung, es gehe nicht in erster Linie um die pure Tierzahl, sondern um das Wohl des einzelnen Individuums.
Solche wissenschaftlichen Einwände sind berech-tigt, lösen aber das gesellschaftliche Problem nicht. Die Politik wird nicht umhin kommen, sich der öffentlichen Debatte um die Zukunft der Nutz-tierhaltung in ihrer ganzen Breite zu stellen – ein-schließlich der Debatte um „Massentierhaltung“. Für die politikberatende Wissenschaft bedeutet das viel
Arbeit. Viele wichtige Fragen fallen in die Kompe-tenz des Thünen-Instituts. Fünf Beispiele:
• Gesellschaftliche Erwartungen: Es hagelt Kritik in vielerlei Hinsicht, aber welche der Kritikpunkte sind unserer Bevölkerung besonders wichtig?
• Öko-Nutztierhaltung: Wie kann die Nutztierhaltung im Ökologischen Landbau so weiterentwickelt wer-den, dass sie eine Vorbildfunktion ausübt?
• Ländliche Räume: Wie ist die regionale Konzentrati-on der Nutztierhaltung zu beurteilen, und wie soll-te die Politik den weiteren Konzentrationsprozess lenken?
• Märkte: Stimmt es, dass unsere Futtermittelimporte und Fleischexporte in Überseeländern Schäden anrichten, und wie könnte die Politik hier reagieren?
• Agrarpolitik: Ließe sich die EU-Agrarpolitik so um-gestalten, dass wir uns künftig mit Anreizpolitiken die gesellschaftlich gewünschten Haltungssyste-me „einkaufen“?
Es wäre vermessen, wollte das Thünen-Institut alle diese Probleme im Alleingang in den Griff bekommen. Deshalb haben wir im Rahmen der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) feder-führend auf eine nationale Gesamtstrategie hin-gewirkt. Sowohl eine Nutztier-Strategie als auch eine Aquakultur-Strategie liegen inzwischen vor (www.dafa.de). Ziel der Nutztier-Strategie ist es, eine messbare Verbesserung der deutschen Nutz-tierhaltung in Bezug auf die gesellschaftlichen Erwartungen zu erreichen. Die Arbeitsgruppen des Thünen-Instituts speisen nun fortlaufend ihre Erkenntnisse in diese Gesamtstrategie ein. Im Folgenden eine Auswahl unserer mittelfristigen Arbeitsschwerpunkte:
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 51
Tierwohl – auch bei Fischen ein Thema
Verbraucher wünschen sich eine tiergerechte Haltung. Mit welchen Kriterien aber lässt sich beurteilen, ob Nutztiere sich artgerecht verhalten können? Wir erarbeiten dazu Bewertungssysteme, mit denen ein Betriebsleiter seine Hal-tungsbedingungen ebenso einschätzen und verbessern kann wie die Politik ihre Steuerungsinstrumente, um tiergerechte Verfahren wirksam zu fördern.
Für die Milchvieh- und Rinderhaltung liegen solche Bewertungsrahmen bereits vor, für die Aquakultur erarbeiten wir derzeit die naturwissenschaftli-chen Grundlagen. Artspezifische Faktoren spielen dabei eine große Rolle. Was für den Karpfen gut ist, kann für die Forelle suboptimal sein. Der wissenschaft-liche Erkenntnisgewinn nutzt aber nicht nur den Konsumenten, sondern auch den Fischzüchtern: Fische, denen es gut geht, wachsen besser.
Kostensteigerungen – verkraftbar?
Verschärfte Auflagen verursachen Kostensteigerungen, die längerfristig zur Verlagerung der Nutztierhaltung in andere Länder führen können. Die Politik ist darauf angewiesen, diesen Sachverhalt richtig einschätzen und bei ihrer Gesetzgebung berücksichtigen zu können. Sie benötigt deshalb objektive Infor-mationen darüber, wie die Produktionssysteme in wichtigen Erzeugerländern beschaffen sind und welche Entwicklungsperspektiven sie haben.
Das Thünen-Institut hat im Projekt agri benchmark eine weltweite Infra-struktur entwickelt, die solche Informationen liefern kann. Zunächst wurden Expertennetzwerke und Datenbanken für Milch, Rind- und Schaffleisch sowie Ackerbau aufgebaut. Nun geht es darum, den Ansatz auf die Schweine- und Geflügelhaltung sowie die Aquakultur auszudehnen.
Emissionen – mehr als nur Gestank
Schon seit vielen Jahren untersucht das Thünen-Institut, wie sich Emissionen aus der Nutztierhaltung wie Gerüche, Gase und Stäube minimieren lassen, sei es durch intelligente Luftführung in den Ställen oder durch Abluftfilter. In jüngerer Vergangenheit richtet sich der Fokus verstärkt auf die Emission von luftgetrage-nen Mikroorganismen wie Bakterien oder Schimmelpilze.
Diese sogenannten Bioaerosole stehen im Verdacht, die menschliche Gesundheit zu beeinträchtigen. Ihr Gefährdungspotenzial ist bislang kaum abzuschätzen, auch weil sie schwierig zu messen sind. Daher arbeiten wir an der Entwicklung empfindlicher Messsysteme, um zuverlässige Daten erheben zu können und für eine gesundheitliche Bewertung zur Verfügung zu stellen.
Beteiligte Institute: Agrarklimaschutz Agrartechnologie Betriebswirtschaft Marktanalyse Fischereiökologie Ländliche Räume Ökologischer Landbau
Seefischerei
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Bewertung der Tiergerechtheit Forschungsplattform "Gesellschaftliche Erwartungen" International vergleichende Analyse
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Nutzung von Fischbeständen, indem sie die kom-merzielle Fischerei beproben, aber auch durch den Einsatz dreier spezialisierter Forschungsschiffe. Durch die Anwendung mathematischer Modelle können wir die Frage beantworten, wie viel Fisch in den nächsten Jahren entnommen werden kann, ohne die Bestände und das Ökosystem in Schieflage zu bringen. Diese Analysen erfolgen vor allem im Rahmen unserer Mitarbeit im Internationalen Rat für Meeresforschung (ICES), der ältesten zwischenstaat-lichen Einrichtung der Welt. Da sich Fischbestände nicht an nationalstaatliche Grenzen halten, können sie nur im internationalen Verbund bewirtschaftet werden. Die Fischereipolitik war daher auch der erste Bereich, in dem die europäische Einigung weit vorangetrieben wurde. Primäre Empfänger unserer Fang- und Bewirtschaftungsempfehlungen sind also nicht nur Regierungen und Parlamente des Bundes und der Länder, sondern vor allem die Euro-päische Kommission.
In Deutschland verfügt nur das Thünen-Institut über die Erfahrung, die Expertise und die technische Aus-stattung, um die erforderlichen Daten zu erheben und zu analysieren. Wir erfüllen daher die interna-tionalen Verpflichtungen des Bundes auf diesem Gebiet. Darüber hinaus betreibt das Thünen-Insti-tut aber auch Vorlaufforschung zu Fragen, die aus unserer Sicht für die Fischerei auf mittelfristige Sicht wichtig werden und deren fundierte Beantwortung nicht ohne den systematischen Auf- und Ausbau eigener Kompetenzen erfolgen kann.
Fischerei
Nachhaltig, weil wissensbasiert
„Die Meere sind leergefischt, bald gibt es kaum noch wilde Fische zu essen“ – das ist die land-läufige Ansicht vieler Konsumenten zum Zustand lebender mariner Ressourcen. Tatsächlich steht es um unsere Meere und Fische viel besser: Die meisten der überfischten Bestände in EU-Gewässern erholen sich zurzeit, vor allem dank einer besseren Bewirtschaftung. Die wissen-schaftliche Grundlage dafür schafft das Thünen-Institut, gemeinsam mit europäischen Partnern.
Fischbestände sind endlich – wir können nur fangen, was natürlich nachwächst. Das Johannes-burg-Abkommen von 2002 schreibt weltweit vor, wie wir diese wertvolle Ressource maximal und dennoch nachhaltig nutzen können. Dazu müssen wir vor allem wissen, in welchem Zustand sich ein Bestand befindet und wie er sich in naher Zukunft entwickelt. Dieses Wissen ist die Grundlage der Bewirtschaftung, die vor allem als Fangmengen-begrenzung („Quoten“) erfolgt. Aber es gibt auch technische Ansätze, Fanggeräte zu gestalten oder die Fischerei auf bestimmte Gebiete oder Fangtage zu beschränken. All das hilft, eine nachhaltige Befi-schung zu sichern. Unsere Thünen-Fischereiinstitute ermitteln in enger Zusammenarbeit mit den euro-päischen Partnern die Daten zum Zustand und zur
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 53
EU-weit besser fischen – wir liefern die Daten
Die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) der EU wird alle zehn Jahre überprüft und reformiert. Die Analyse vor der aktuellen Reform ergab, dass die bisherige Fischereipolitik wenig erfolgreich war. 2015 treten daher einige wesentliche Änderungen in Kraft: So werden Bewirtschaftungsziele verbindlich festgelegt, der Rückwurf von unerwünscht gefangenen Fischen wird weitgehend verboten, und die neuen Regeln werden regional angepasst. Wir analysieren die Daten der Vergangenheit zur Zusammensetzung der Fänge, zur ökonomischen Situation der Fischerei und zum Verhalten des einzelnen Fischers.
Daraus abzuleiten, welche Elemente die neuen Regularien enthalten soll-ten, damit die Reform erfolgreich bis 2020 implementiert werden kann, wird ein Schwerpunkt der vor uns liegenden Forschungsarbeit sein.
Kleine Krabbe von großem Wert
Die „Nordseekrabbe“ genannte Garnelenart Crangon crangon ist nach Wert die wichtigste Zielart der deutschen Fischerei. Die Krabben werden küstennah mit kleinmaschigen Netzen gefangen – auch in den Nationalparks der Nordsee. Die Fischer bemühen sich nun um das Nachhaltigkeitssiegel des MSC und müssen dafür viele Anforderungen erfüllen: Die verwendeten Netze sollen selektiver werden, die starken Schwankungen des Krabbenvorkommens sollen erklärt und Bewirtschaftungsstrategien für diese bislang nicht quotierte Art entwickelt werden.
All diese Ansätze vereinen wir, gemeinsam mit Politik und anderen For-schungseinrichtungen, in naher Zukunft in einem Managementvorschlag. Der reduziert im besten Fall den Umwelteinfluss, verbessert die Profitabilität der Fischerei und stabilisiert langfristig die Krabbenfänge.
Mehr Daten für mehr Arten: Mehrarten-Modelle
Bislang hat sich die Fischereiwissenschaft darauf konzentriert, wie sich einzelne Bestände entwickeln. Je mehr sich die genutzten Ressourcen erholen, desto deutlicher wird aber, dass Fischarten in einem Ökosystem interagieren: Sie fressen sich gegenseitig oder konkurrieren um Nahrung und Platz. Dies hat zur Folge, dass sich die Zielwerte für eine maximale, nachhaltige Nutzung einzel-ner Bestände drastisch ändern können, wenn man mehrere Arten gemeinsam betrachtet.
Die hierfür nötigen Modelle müssen entwickelt und getestet werden, vor allem aber müssen viele zusätzliche Eingangsdaten – „Wer frisst wen wo?“ – erho-ben werden, die bisher entbehrlich waren. Wir werden uns bei diesen komplexen Aufgaben in den nächsten Jahren noch intensiver engagieren, denn wir wollen fundierte Empfehlungen dafür geben, wie sich Bestände optimal nutzen lassen.
Fang
Hydrogra�e
Hüpferling AHüpferling B
Klima
Dorsch östliche Ostsee Sprotte Ostsee
Pfad 2mehr Nährsto�e
Pfad 1mehr Salz
und O2
Hering zentrale Ostsee
Konk
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vor 1990 nach 1990
Fischerei
mehr/weniger Nachwuchs
mehr/wenigerNachwuchs
Fang
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Wegfraß
Dorscheier Wegfraß
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Beteiligte Institute: Seefischerei Ostseefischerei Fischereiökologie
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Forschungsplattform "Gesellschaftliche Erwartungen" Strategien zur Raumnutzung im marinen Bereich Alternative Konzepte für das Fischereimanagement Integrierte Bewertung des Umweltzustands der Meere
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54 THEMENFELDER
Landnutzungs- und Wildtiermanagement
Nur ein Land. Und viele Wünsche …
Vielfältig sind die Ansprüche der Gesellschaft an die nur begrenzt verfügbare Landfläche. Sie dient der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, Rohstoffe sollen auf ihr nachwach-sen, Menschen sich erholen, Tiere und Pflanzen sollen ebenso Platz finden wie urbane Infra-struktur und Transportwege. Daraus ergeben sich Konflikte. Wie lassen sie sich minimieren, wie muss ein an Zielen orientiertes Management für Wald und Offenland aussehen?
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Landnutzung und Landschaften wandeln sich stän-dig. Die Kulturlandschaft, die heute das Erschei-nungsbild unserer ländlichen Räume prägt, ist durch jahrhundertelange menschliche Eingriffe entstan-den. Die Eingriffe waren gravierend: Wälder wurden gerodet, Moore entwässert, Flüsse begradigt und Felder zusammengelegt.
Heute existiert ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass die Weiterentwicklung dieser Kulturlandschaft möglichst behutsam und unter Beachtung ökologi-scher Ziele erfolgen sollte. Waldgesetze, Naturschutz-recht, Wasserrecht, Baurecht, Jagdrecht, EU-Agrarpolitik und weitere Verordnungen setzen einen sehr engen Rahmen für Unternehmer und Bürger, die die belebte Natur nutzen und gestalten wollen.
Ist dieser politische Rahmen richtig gesteckt? Einer- seits werden noch schärfere Eingriffe des Gesetz-
gebers gefordert, etwa weil immer noch viel Nutz-fläche durch Baumaßnahmen versiegelt wird, viel Grünland zu Ackerland umgewandelt wird oder weil in einigen Regionen der Maisanbau dominiert.
Andererseits wird kritisiert, dass sich unsere Wirtschaft aufgrund des zu starren Rahmens kaum an veränderte Rahmenbedingungen anpassen kann. So wird zum Beispiel angesichts der weltweiten Rohstoffknapp-heit vorgeschlagen, auch hierzulande mehr Wasser für Aquakulturen und Bewässerungsmaßnahmen zu nutzen oder ertragreichere Bäume anzupflanzen.
Das Thünen-Institut widmet sich intensiv dem Pro-blem zunehmender Landnutzungskonflikte. Für die gesellschaftliche Debatte und für politische Ent-scheidungen versuchen wir bestmögliche Grundla-gen zu erarbeiten, indem wir
• abschätzen, welche ökologischen und ökonomi-schen Effekte verschiedene Landnutzungsoptio-nen an verschiedenen Standorten haben,
• analysieren, wie sich verschiedene Landnutzungs-formen so im Raum anordnen und kombinieren lassen, dass möglichst viele der gesellschaftlichen Ziele erreicht werden.
Mit diesem Ansatz sehen wir uns in der Tradition Johann Heinrich von Thünens, der schon vor 200 Jahren erkannte, dass eine Landnutzungsstrategie nach dem Motto „one size fits all“ nicht vernünftig wäre. Die Herausforderung besteht darin, eine regi-onale Differenzierung der Landnutzungssysteme zu finden, die in der Summe eine nachhaltige, best-mögliche Befriedigung der vielfältigen gesellschaft-lichen Wünsche ermöglicht.
STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 55
Grünland auf dem Rückzug – was tun?
In Deutschland gibt es immer weniger Grünland. Dadurch entgehen uns Leistungen, die das Grünland im besonderen Maße für die Umwelt erbringt: Wasser- und Bodenschutz, Kohlenstoffspeicherung, hohe Biodiversität. Die Öko-systemleistungen des Grünlands variieren jedoch erheblich, je nach Standort und Nutzungsintensität.
Auf Basis eines geografischen Informationssystems untersuchen wir detail-liert, wie sich der Grünlandanteil und die Nutzungsart des Grünlands verändern. Außerdem analysieren wir, wie wirtschaftliche Entwicklungen und politische Maßnahmen die Flächennutzung beeinflussen. Zur künftigen Nutzung und zur Erhaltung des Grünlands erarbeiten wir Empfehlungen für die Agrar- und Umweltpolitik, den Wasser- und Naturschutz und die landwirtschaftlichen Betriebe.
Wildtiermanagement – im Einklang mit der Landnutzung
Wildtiere können stören. Sie verbeißen Bäume, wühlen Äcker um, verursachen Verkehrsunfälle und übertragen Krankheiten. Andererseits sind sie ein wichti-ger Bestandteil unserer Kulturlandschaften, und die Jagd gehört zu den ältesten Traditionen der Menschheit. Fragen des Wildtiermanagements werden je nach Interessenlage kontrovers diskutiert. Wir verbessern die Faktenbasis, schätzen Folgen unterschiedlicher Strategien ab und entwickeln Konzepte für ein kon-fliktarmes Nebeneinander von Landnutzung und Wild.
So haben wir zum Beispiel mittels satellitengestützter Untersuchungen neue Maßstäbe erarbeitet, um die Ansprüche des Rotwilds an Lebensraum beurteilen zu können – Grundlage für ein Populations-Management unserer größten und sensibelsten heimischen Wildart. Mittelfristig wollen wir den Arbeitsbereich ausbauen und ihn Thünen-intern sowie extern noch stärker vernetzen.
Füllhorn statt Gießkanne – für mehr biologische Vielfalt
Maßnahmen zugunsten biologischer Vielfalt gibt es, ausgearbeitet sind sie aber meist ohne regionalen Bezug. Im Zweifel leiden sowohl Schutz- als auch Nut-zungsziele unter Pauschallösungen. Wie verteilen sich zum Beispiel Nahrungs-mittel- und Biomasseerzeugung im Raum? Was geschieht in Übergangszonen zwischen Siedlungen, Wald- und Landwirtschaft? Schutz- und Nutzungskon-zepte müssen also regional angepasst sein.
Wir entwickeln und erproben dazu Strategien: Wir untersuchen, wie inte-grative beziehungsweise segregative Strategien biologische Vielfalt regional-spezifisch erhalten, wir wollen „High Nature Value (HNV) farming“ methodisch charakterisieren, und wir analysieren Risiken und Chancen, die aus dem Anbau neuer Energiepflanzen resultieren. Daraus leiten wir Handlungsempfehlungen an die Politik ab, damit zum Beispiel ausgereichte Fördermittel auch tatsächlich das gewünschte Ergebnis bringen.
Beteiligte Institute: Biodiversität Ländliche Räume Waldökosysteme Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Monitoring der Biodiversität terrestrischer Produktionssysteme Züchtung und Anbau schnellwachsender Baumarten Forschungsplattform "Gesellschaftliche Erwartungen" Modellgestützte Folgenabschätzungen – der Thünen-Modellverbund
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56 THEMENFELDER
tionssysteme, Unternehmensstrukturen und Markt-entwicklungen. Folgende Fragen stehen dabei im Mittelpunkt:
• Welche Branchen der deutschen Agrar-, Holz- und Fischwirtschaft haben im internationalen Wettbe-werb besonders gute Aussichten? Welche Bran-chen sind gefährdet?
• Wie entwickelt sich der regionale und betriebliche Strukturwandel innerhalb Deutschlands, wie ist dieser Wandel zu beurteilen, und wer sind die wichtigsten Treiber dieser Entwicklungen?
• Welchen Einfluss haben dabei die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen auf die Wettbe-werbsfähigkeit und Produktionsstrukturen, und welche Folgen hätten verschiedene Politikoptio-nen für das Erreichen gesellschaftlicher Ziele?
Unsere Analysen basieren zum einen auf allgemein verfügbaren nationalen und internationalen Statisti-ken (Strukturdaten, Handelsdaten, EU-Testbetriebs-netz etc.), zum anderen nutzen wir quantitative und qualitative Methoden. Da es für die international vergleichende Analyse von Produktionssystemen keine zufriedenstellende Datenbasis gibt, haben wir ein Konzept für eine weltweite Infrastruktur ent-wickelt, in der Experten dauerhaft die erforderlichen Informationen generieren.
Wettbewerbsfähigkeit und Strukturwandel
Welche Strukturen passen zu uns?
Wenn in China der sprichwörtliche Sack Reis umkippt, ist das für uns durchaus von Bedeu-tung. Die Märkte sind global stark verflochten, die Agrarpreise in Deutschland weitgehend von Weltmarktpreisen bestimmt. Die hiesige Agrar-, Forst- und Fischereiwirtschaft muss sich entsprechend anpassen und weiterentwickeln. Soll unsere Regierung versuchen, diesen Strukturwandel zu gestalten?
Der Agrarstrukturwandel ist ein gesellschaftli-ches Reizthema. Viele Bürger wünschen sich eine kleinstrukturierte Landwirtschaft mit regionaler Ver-marktung. Die wirtschaftliche Realität läuft jedoch in die andere Richtung: wachsende Betriebsgrößen, zunehmende Spezialisierung, internationaler Handel.
Es gehört zu den Kernaufgaben der Politik, Ergeb-nisse der Marktwirtschaft zu korrigieren, wenn gesellschaftliche Ziele das erfordern. Andererseits: Die Versuche der Agrarpolitik, „gegen den Markt“ anzusteuern, erwiesen sich schon häufig als Flop – denken wir nur an die Milchquotenregelung, die Eiweißpflanzenförderung oder die Bioenergiepoli-tik. Unternehmen wurden zu Fehlinvestitionen ver-leitet, volkswirtschaftliche Ressourcen in großem Umfang vergeudet.
Selbstverständlich kann niemand, auch nicht das Thünen-Institut, mit absoluter Sicherheit vorher-sagen, wie sich der internationale Wettbewerb auf allen Märkten entwickeln wird, welche Politikein-griffe erfolgreich enden und welche nicht. Umso wichtiger ist deshalb, wissenschaftliche Orien-tierung zu geben, damit Politik und Wirtschaft in der globalisierten Agrarwelt möglichst gute Ent-scheidungen treffen. Das ist unsere Aufgabe, dafür analysieren wir im internationalen Verbund Produk-
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 57
agri benchmark – understanding agriculture worldwide
Unter Führung des Thünen-Instituts entsteht im Projekt agri benchmark eine welt-weite Infrastruktur, in der Wissenschaftler, Berater und Landwirte kontinuierlich zusammenarbeiten. Mit international vereinheitlichten Methoden wird für typi-sche Betriebe untersucht, (a) wie produziert wird, (b) welche Kosten und Erlöse dabei entstehen, (c) welche Rahmenbedingungen jeweils maßgeblich sind und (d) in welche Richtung sich die Produktion voraussichtlich bewegen wird.
Momentan umfasst agri benchmark über 40 Länder, vor allem in den Bran-chen Ackerbau, Rinder- und Schafhaltung. Der Aufbau der Branchen Gartenbau, Schweinehaltung und Ökolandbau wird fortgesetzt, die Sparte Aquakultur tritt ab 2014 neu hinzu.
Beteiligte Institute: Betriebswirtschaft Marktanalyse Ländliche Räume Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie Fischereiökologie Seefischerei
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: International vergleichende Analyse von Produktionssystemen Wechselwirkungen zwischen Agrar-, Holz- und Rohstoffmärk-
ten Strategien zur Raumnutzung im marinen Bereich Modellgestützte Folgenabschätzungen – der Thünen-Modellverbund
Komplexe Unternehmensstrukturen und die Agrarstatistik
Wer in einem einzelnen Unternehmen das Sagen hat, geht die Öffentlichkeit nichts an. Die Unternehmen im Agrarbereich – und damit deren Entscheidungs-strukturen – werden jedoch immer größer, komplexer, verschachtelter. Das ver-ändert zunehmend unsere gesamte Agrarstruktur, und deren Entwicklung ist durchaus von öffentlichem Interesse. Hier stellt sich das Problem, dass die offizi-elle Agrarstatistik ein Bild der Landwirtschaft vermittelt, das den tatsächlichen Eigentums-, Beteiligungs- und Einflussverhältnissen immer weniger entspricht. Umso mehr wird spekuliert.
Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, einen vertieften Einblick in die Entwicklung der Unternehmensstrukturen in der Landwirtschaft zu gewinnen, zunächst im Rahmen von Fallstudien. Auf dieser Grundlage wollen wir Vor-schläge zur Weiterentwicklung der Agrarstatistiken machen.
Welche Zukunft hat die Holzwirtschaft in Deutschland?
Die deutsche Holz- und Papierwirtschaft ist seit mehr als zehn Jahren sehr wett-bewerbsfähig. Deutschland lag in der Vergangenheit als Exporteur von Holz und Holzprodukten weltweit immer unter den ersten drei. In den letzten Jahren nahmen die Exporte jedoch ab, und Deutschland wurde wieder zu einem Nettoim-porteur. Wir analysieren die internationalen Marktbewegungen, um verstehen zu können, worin diese Veränderung in der Position Deutschlands begründet ist.
Zusätzlich analysieren wir die Kostenstruktur der holzverarbeitenden Unter-nehmen, insbesondere den Einfluss der starken Preissteigerungen für Rohholz. Durch das Zusammenspiel der Sektor- und Betriebsanalysen wollen wir abschät-zen, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Holzwirtschaft unter künftigen Rahmenbedingungen entwickeln wird.
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58 THEMENFELDER
Einkommen und Beschäftigung
Unser Blick in ihre Bücher
Böse Zungen behaupten, Bauern würden ihren Kindern einen Stein auf die Brust legen, da-mit sie frühzeitig das Jammern lernen. Fakt ist: Die durchschnittlichen Agrareinkommen sind tatsächlich relativ niedrig, aber es gibt auch viele reiche Landwirte. Das muss sorgfältig ana-lysiert werden – allein schon, weil die Einkommensstützung immer noch ein Kernanliegen der EU-Agrarpolitik ist. Es geht aber nicht nur um die Einkommenslage Einzelner, sondern auch um die Frage, wie viele Menschen insgesamt von Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei leben können.
Wer kennt sie nicht, die Berichte über junge Leute, die wegen fehlender Jobs die ländliche Heimat ver-lassen, über Bauern oder Fischer, die ihren Betrieb gerne zu attraktiveren Konditionen an den Nach-wuchs weitergeben würden? Die Politik möchte helfen, doch taumelt sie dabei in schwierige Ver-teilungsdebatten: Warum unterstützt sie auch die gut verdienenden Unternehmer? Warum benach-teiligt sie ausgerechnet die erfolgreichen Unterneh-mer, indem sie dort Subventionen kürzt? Wie viele Arbeitsplätze wären gefährdet, wenn Subventionen ganz entfielen oder Umweltauflagen verschärft würden?
Solche Debatten werden vor allem von Lobbyisten geprägt. Verständlicherweise tauchen diese Interes-
senvertreter alle Szenarien, die ihrer jeweiligen Kli-entel missfallen, in düsteres Licht. Da die Politik aber nicht einzelnen Gruppen, sondern der Gesellschaft insgesamt zu dienen hat, ist sie auf eine ergänzende, wissenschaftlich fundierte Bestandsaufnahme angewiesen. Deshalb hat das Thünen-Institut die Aufgabe, verlässliche Zahlen zur wirtschaftlichen Lage der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft bereitzustellen.
Wir nutzen die Daten der BMEL-Testbetriebsnetze in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei, um die Einkommensentwicklung zu analysieren und um vorausschauende Analysen durchzuführen. Hierbei untersuchen wir, wie die wichtigsten Einflussfaktoren (Preise, Technologien, politische Rahmenbedingungen) zusammenwirken und welche ökonomischen Folgen sich daraus vor-aussichtlich ergeben werden. So können wir mög-liche Fehlentwicklungen früh erkennen und der Politik Maßnahmen zum Gegensteuern vorschlagen.Wir schauen aber auch über den Tellerrand der land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen „Urproduktion“ hinaus, zum einen in Richtung Wertschöpfungs-kette, zum anderen in Richtung ländliche Wirtschaft. So erstellen wir zum Beispiel in der nationalen Charta für Holz regelmäßig die Clusterstatistik der Forst- und Holzwirtschaft in Deutschland. Hier erfassen wir die Wertschöpfung, aus der Arbeitneh-mer und Unternehmer entlohnt werden, sowie die Anzahl der Beschäftigten für alle Wirtschaftszweige, deren Produktion vom Rohstoff Holz abhängig ist. Um Einkommen und Beschäftigung auch außerhalb Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft zu untersu-chen, greifen wir auf eigene empirische Erhebungen und allgemeine Wirtschafts- und Arbeitsmarktsta-tistiken zurück. Vielfältige Beschäftigungsmöglich-keiten gehören zu den wichtigsten Faktoren der ländlichen Entwicklung.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 59
Einkommen in der Landwirtschaft – ein Dauerbrenner
Einkommenspolitische Ziele spielen traditionell eine wichtige Rolle in der Agrar-politik. In den Diskussionen zur jüngsten Reform der EU-Agrarpolitik ging es vor allem um die Frage der Verteilung der Direktzahlungen zwischen den Betrie-ben: Brauchen große Betriebe das gleiche Ausmaß an Stützung wie kleinere, um Einkommen und Beschäftigung zu sichern? Ist eine Staffelung der Höhe der Direktzahlungen ein wirkungsvolles Instrument, um Ziele wie Einkommensge-rechtigkeit zu verfolgen? Diese Fragen analysieren wir auf der Basis des Testbe-triebsnetzes.
Angesichts des dynamischen Strukturwandels in der deutschen Landwirt-schaft entwickeln wir momentan Vorschläge zur Weiterentwicklung des Testbe-triebsnetzes, um auch in Zukunft die Einkommens- und Beschäftigungssituation sachgerecht erfassen und abbilden zu können.
Steigende Holzpreise – Treiber von Standortverlagerungen?
Forstwirtschaft in Deutschland ist teuer. Die Unternehmen der Holz- und Papier-wirtschaft hingegen müssen ihre Produkte zu Weltmarktpreisen verkaufen. Wir analysieren die Stellung der Rohstoffkosten in der Kostenstruktur der deutschen Unternehmen. Dafür verschneiden wir große Datenmengen aus unterschiedli-chen Quellen.
Auf dieser Grundlage wollen wir abschätzen, wie sich zunehmende Holz-knappheit auf die Produktpreise der Holz- und Papierwirtschaft auswirkt und in welchem Umfang es einzelnen Branchen gelingen kann, steigende Rohstoff-kosten (a) auf die Verbraucher abzuwälzen, (b) von den Eigentümern tragen zu lassen oder (c) durch technischen Fortschritt auszugleichen. Nur wenn mindes-tens eine dieser Optionen möglich ist, können die Unternehmen in Deutschland weiter produzieren und Einkommen und Beschäftigung sichern.
Wie wirkt Fischereipolitik auf die Einkommen der Fischer?
Die ökonomische Lage der Fischereibetriebe hängt sehr stark von den Rah-menbedingungen ab, die das Fischereimanagement setzt. Werden Fangquoten erhöht oder gesenkt, wirkt sich das auf aktuelle wie auch auf künftige Fang-mengen aus, ebenso auf die Bestandsbiomasse der Fischbestände. Gleiches gilt, wenn zum Beispiel eine Schonzeit geplant oder ein Gebiet für die Fischerei geschlossen werden soll.
Mit bioökonomischen Modellen schätzen wir diese Folgen bereits ab, bevor Maßnahmen zu Verschärfungen oder Lockerungen von Bewirtschaftung geplant werden. Unser Ziel ist eine belastbare Vorhersage, unter welchen Bedin-gungen die Fischer profitabel arbeiten können und wie sich Maßnahmen auf die wirtschaftliche Zukunft der gesamten Branche auswirken.
Beteiligte Institute: Betriebswirtschaft Marktanalyse Ländliche Räume Seefischerei Fischereiökologie Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: International vergleichende Analyse von Produktionssystemen Evaluierung ländlicher Entwicklungsprogramme Modellge-stützte Folgenabschätzungen – der Thünen-Modellverbund
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unerwünschten entgegenzuwirken? Diese Fragen leiten unsere Forschungen, um besser zu verste-hen, wie sich die Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen entwickeln, welche Konsequenzen raum-wirksame Politiken haben, und welche Empfehlun-gen zur Politikgestaltung sich hieraus, insbesondere mit Blick auf Regionen mit hohem Problemdruck, ergeben. Aus den vielfältigen Ressortzuständigkei-ten auf EU-, Bundes- und Länderebene ergeben sich jedoch Schwierigkeiten, kohärente Politikstrategien zu entwickeln.
Die genannten Fragestellungen untersuchen wir aus den Blickwinkeln unterschiedlicher Wissenschafts-disziplinen und mit einer Vielzahl sozialwissenschaft-licher Erhebungs- und Auswertungsmethoden. Interdisziplinarität und Methodenvielfalt sind unab-dingbar, um dem vielschichtigen Forschungsgegen-stand „Ländliche Lebensverhältnisse“ gerecht zu werden. Dafür führen wir sowohl deutschlandweite Analysen als auch regionale Vertiefungsstudien durch. Auch die internationale Zusammenarbeit ist wichtig. Wir bauen sie weiter aus, um von Erfahrun-gen insbesondere in dünn besiedelten Regionen anderer europäischer Länder zu lernen.
Sektorübergreifender Ansatz und bundesweite Ausrichtung weisen dem Thünen-Institut eine her-ausgehobene Rolle im Themenfeld „Ländliche Lebensverhältnisse“ zu. Wir nutzen dabei den Vor-teil, sozialwissenschaftliche Forschungsansätze mit Expertise zur Nutzung natürlicher Ressourcen durch Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei – sowohl am eigenen Institut als auch an den ande-ren Thünen-Fachinstituten – verbinden zu können. Adressaten unserer Arbeiten sind die Wissenschafts-gemeinschaft, Bundes- und Länderministerien sowie regionale Akteure der ländlichen Entwicklung. Deren Interesse an Fragen zu Folgen des demografischen Wandels für ländliche Lebensverhältnisse hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen.
Ländliche Lebensverhältnisse
Weniger, älter – trotzdem attraktiv?
Die Jugend wandert ab, die Alten bleiben zurück, Schulen, Arztpraxen und Dorfläden wer-den geschlossen – zunehmend wird das Bild ländlicher Räume in der öffentlichen Diskussion vom demografischen Wandel und dessen Folgeproblemen geprägt. Entwickeln sich ländli-che Lebensverhältnisse somit ausschließlich negativ?
Alterung und Schrumpfung gehören zum Alltag zahlreicher Regionen in Deutschland und Europa, und ländliche Räume sind davon je nach Wirt-schaftsstruktur und Lage unterschiedlich stark betroffen. Zugleich ist demografischer Wandel nur einer der Trends, die ländliche Räume verändern. Der Wettbewerb von Unternehmen und Regionen, die Entwicklung zu Wissensökonomien, wachsende Ressourcenansprüche und technologischer Wandel sind ebenfalls wichtig. Durch die Überlagerung dieser gesellschaftlichen Prozesse können sich bestehende soziale und räumliche Ungleichhei-ten weiter verschärfen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Nach Jahrzehnten der Angleichung ländlicher und städtischer Lebens-verhältnisse ist deren Gleichwertigkeit heute nicht mehr gesichert.
Was sind die Ursachen und Folgen dieser Entwick-lungen? In welchen Bereichen und auf welchen Ebenen besteht staatlicher Handlungsbedarf? Welche Maßnahmen sind geeignet, um gesellschaft-lich erwünschte Entwicklungen zu befördern und
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Wie verändern sich Dörfer und Kleinstädte?
Auch im „Jahrhundert der Städte“ konzentrieren sich Menschen nicht nur in Großstädten, sondern bleiben in ländlichen Räumen verankert, ob dauerhaft oder als Pendler. Siedlungsstrukturen und Lebenssituationen haben sich inner-halb weniger Jahrzehnte grundlegend gewandelt. Stand in den 1950er-Jahren das kleinbäuerliche Dorf noch exemplarisch für ländliche Lebensverhältnisse, so sind Dörfer längst ein Abbild gesellschaftlicher Vielfalt.
Wir untersuchen Fragen der dörflichen Entwicklung im Zeitvergleich, der Dorferneuerung, des Umgangs mit Immobilienleerstand und der Gestaltung lokaler und regionaler Schrumpfung. Daneben interessieren uns Kleinstädte als Versorgungszentren in ländlichen Räumen, und wir untersuchen, ob diese mög-licherweise gerade unter Bedingungen der Schrumpfung eine neue Wertschät-zung und Funktion in ländlichen Räumen erhalten.
Wie erfolgreich sind Entwicklungsprogramme?
Aus der Vielzahl raumwirksamer Politiken untersuchen wir insbesondere die 2. Säule der EU-Agrarpolitik, die als Politik zur Entwicklung ländlicher Räume bezeichnet wird. Diese wird in Deutschland in Form von ländlichen Entwick-lungsprogrammen der Bundesländer umgesetzt und von der EU und dem Bund mitfinanziert. Die Programme sind inhaltlich breit angelegt und beinhalten auch Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität.
Das Thünen-Institut hat bei der Evaluierung der Programme der Bundeslän-der seit vielen Jahren eine führende Rolle inne. Mit diesen Arbeiten verbessern wir das Wissen über die Relevanz und Wirkungen ländlicher Entwicklungs-maßnahmen, leiten hieraus wissenschaftlich basierte Empfehlungen zur Ausgestaltung von Politikmaßnahmen ab und tragen zur methodischen Weiter-entwicklung der Evaluationsforschung bei.
Wie lässt sich Daseinsvorsorge sichern?
Daseinsvorsorge umfasst jene technischen Infrastrukturen, sozialen Einrichtun-gen und Versorgungsangebote, die für gesellschaftliche Teilhabe und funkti-onierenden Alltag in ländlichen Räumen von Bedeutung sind. Dazu gehören Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und der Hausarzt ebenso wie die Feuerwehr und der Internetanschluss. Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung sowie leere öffentliche Kassen erfordern Anpassungen bei der Daseinsvorsorge. Diese erfolgen als Umbau und Ausdünnung, aber auch als Erweiterung und Ausbau.
Neben solchen Strategien der Anbieter und dem Umgang der Bevölkerung mit Veränderungen der Daseinsvorsorge untersuchen wir die Erreichbarkeit von Einrichtungen. Vertieft befassen wir uns derzeit mit dem öffentlichen Personen-nahverkehr, der Nahversorgung, der medizinischen Versorgung, dem Brand-schutz und der Gefahrenabwehr sowie dem Hochwasser- und Küstenschutz.
Beteiligte Institute: Ländliche Räume Betriebswirtschaft
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Evaluierung ländlicher Entwicklungsprogramme Konzepte für eine Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020
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nutzen dazu partielle Marktanalyse, aber auch kom-plexe Marktmodelle, die die internationalen Wech-selwirkungen abbilden. Diese Modelle verbinden wir im Thünen-Modellverbund mit Regional- und Betriebsmodellen, um zu differenzierteren Einschät-zungen zu gelangen.
Seit einiger Zeit achten Politik, Wirtschaft und Ver-braucher verstärkt darauf, dass auf allen Stufen der Wertschöpfungskette von der Erzeugung bis zum Handel bestimmte Regeln eingehalten werden. Besondere Bedeutung haben Öko- und Sozialsiegel, in zunehmendem Maße auch Nachhaltigkeitssiegel, erlangt. Diese sollen Verbraucher befähigen, durch gezielten Einkauf die nachhaltige Nutzung natürli-cher Ressourcen zu fördern.
Standards der weltweit führenden Label in diesem Bereich – des Forest Stewardship Council (FSC) und des Marine Stewardship Council (MSC) – entwi-ckeln wir mit. Aktiv sind wir zudem beim Vergleich von Fischsiegeln im Rahmen der Global Sustain-able Seafood Initiative (GSSI), bei der Entwicklung von FAO-Mindestkriterien und Standards für Aqua-kulturen (ASC) und bei der Weiterentwicklung der EU-Standards für den Ökologischen Landbau. Aktu-ell gewinnt immer mehr die Frage an Bedeutung, wie Politik und Wirtschaft effektiv und effizient sicher-stellen können, dass die Standards auch tatsächlich eingehalten werden und Betrug vermieden wird.
Märkte, Handel, Zertifizierung
Leitplanken für den Markt
„Kreislauf des Todes: Das große Geschäft mit dem Hunger“ oder „Überhitzter Agrarmarkt sucht Abkühlung“ – solche Schlagzeilen häufen sich. Internationale Agrar- und Rohstoff-märkte sind für den Ausgleich von Mangel und Überschuss unverzichtbar. Zugleich locken sie aber auch Spekulanten an, die sich schnellen Profit erhoffen. Verbraucher suchen nach Orientierung und Schutz vor Betrug. Was sollte die Politik regeln, und was besser nicht?
Der Staat hat sich mittlerweile auf den meisten Märkten, auch im Agrarbereich, aus der direkten Marktsteuerung verabschiedet, Unternehmer und Verbraucher befinden sich dadurch im globalen Ver-bund. Die „unsichtbare Hand“ des Marktes lenkt die gesamte Weltwirtschaft: Wenn es in einer Region – beispielsweise infolge einer Dürre – zu Knappheit kommt, schafft Handel einen Ausgleich, sodass alle Erdteile flexibel mit Produktions- oder Konsuman-passungen reagieren können. So weit, so gut.
Indem der Handel alle Weltregionen verbindet, verschärft er aber auch den Wettbewerb. Politik und Wirtschaft sind daran interessiert, über verän-derte Marktkonstellationen möglichst frühzeitige und belastbare Einschätzungen zu erhalten, um Planungssicherheit zu gewinnen. Entsprechende Signale senden die Märkte zwar permanent, aber sie sind in der Regel zu verwirrend, als dass sie sich verlässlich interpretieren ließen. Aus diesem Grunde erfreut sich die klassische, wissenschaftliche, inter-national ausgerichtete Marktanalyse des Thünen-Instituts nach wie vor einer regen Nachfrage seitens Politik und Wirtschaft.
Wir kümmern uns nicht nur darum, was die welt-weite Dynamik für Europa bedeutet, sondern auch darum, wie europäische Entwicklungen in anderen Erdteilen wirken. Solche Fragen versuchen wir mit Partnern aus der ganzen Welt zu beantworten. Wir
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Freihandelsabkommen – wie ein Spaghetti-Knäuel
Die letzte WTO-Verhandlungsrunde dauerte zwölf Jahre. Daher sind viele Länder dazu übergegangen, bilaterale Freihandelsabkommen auszuhandeln. Hierdurch ist eine sogenannte Spaghetti-Schale an Verträgen mit weltweit rund 300 Han-delsabkommen entstanden. Auch die EU hat mehrere bilaterale Abkommen geschlossen oder steht mitten in den Verhandlungen, zum Beispiel mit den USA.
Wir helfen mit, das Spaghetti-Knäuel zu entwirren und Transparenz herzustel-len, indem wir zum Beispiel Informationen über den Außenschutz bereitstellen. Hierfür nutzen wir eine einzigartige Datenbasis mit 300 Millionen Zollinformatio-nen von über 200 Ländern. Gemeinsam mit internationalen Partnern harmonisie-ren wir diese Daten und entwickeln die Software zur Datenauswertung weiter, um die Auswirkungen von Handelsabkommen abschätzen zu können.
Das Thünen-Kompetenzzentrum Holzherkünfte
Holz ist begehrt. Vor allem wertvolle Tropenhölzer versprechen hohe Gewinne. Das begünstigt den illegalen Holzeinschlag – auch von CITES-geschützten Bau-marten – ebenso wie die Falschdeklaration billiger Holzarten als teures „Origi-nal“. Gegen diese Praktiken bringen wir unsere Expertise in Stellung, die wir im „Thünen-Kompetenzzentrum Holzherkünfte“ gebündelt haben. Hier bestim-men wir Holzarten anatomisch, weisen mit genetischen Methoden die geografi-sche Herkunft von Hölzern nach und prüfen die Legalität von Zertifikaten.
Auf diese Weise unterstützen wir Kontrollbehörden bei der Umsetzung der Europäischen Holzhandelsverordnung, die das Inverkehrbringen von Holz und Holzerzeugnissen aus illegalem Einschlag verbietet, aber auch Wirtschaftsun-ternehmen und Privatpersonen, die den Service unseres Kompetenzzentrums immer stärker in Anspruch nehmen.
Spekulation auf Agrarmärkten
Nahrungsmittel sind eine wichtige Lebensgrundlage und deshalb besondere Güter. Preisspitzen können zu erheblichen Problemen in der Welternährungs-situation führen. Die Nahrungsmittelpreise schwankten in den letzten zehn Jahren stärker als zuvor. Regierungen, die Welternährungsorganisation FAO sowie Nichtregierungsorganisationen debattieren intensiv über Ursachen und mögliche Gegenmaßnahmen. Die im Raum stehenden Vorschläge zielen zum einen darauf, Spekulationsgeschäfte mit Agrarrohstoffen stärker zu regulieren, und zum anderen darauf, den strategischen Aufbau von Lagerbeständen zu unterstützen. Sie werden auch in der Wissenschaft sehr kontrovers diskutiert.
In Zusammenarbeit mit dem bei der FAO eingerichteten Agrarmarktinforma-tionssystem AMIS und deutschen Universitäten untersuchen wir Paneldaten und Zeitreihen, um Entscheidungsgrundlagen für Politik und Wirtschaft zu verbessern.
Beteiligte Institute: Marktanalyse Betriebswirtschaft Ländliche Räume Holzforschung Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie Forstgenetik
Agrartechnologie Fischereiökologie Ostseefischerei
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Forschungsplattform "Gesellschaftliche Erwartungen" Wechselwirkungen zwischen Agrar-, Holz- und Rohstoffmärkten Modellgestützte Folgenabschätzungen – der Thünen-Modellverbund Holzarten- und Herkunftskontrolle
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Globale Ernährungssicherung
Wie ernähren wir die Welt?
Jedes Jahr wächst die Weltbevölkerung – und damit der weltweite Nahrungsmittelbedarf. Trotz des starken Anstiegs der Agrarproduktion können sich Menschen in vielen Ländern nicht mit genügend Nahrung versorgen. Gleichzeitig leiden inzwischen große Bevölkerungs-teile an Übergewicht, selbst in Entwicklungsländern. Wie kommt es zu dieser ungleichen Ernährungssituation? Was kann die Politik unternehmen, ohne die Lage zu verschlimmern?
Das zeitgleiche Nebeneinander von Hunger, Über-fluss und Verschwendung macht viele Menschen betroffen. Verstärkt wird ihre Irritation, wenn pro-minente Protagonisten oder Institutionen offenbar naheliegende Rezepte offerieren, die die Politik „ein-fach nicht umsetzt“. Die Ursachen ungleicher Nah-rungsversorgung sind jedoch sehr komplex, und viele gut gemeinte Lösungsvorschläge stellen sich in der Realität als untauglich heraus, bewirken mit-unter gar das Gegenteil. Deshalb ist es unsere Auf-gabe als Ressortforscher, die Politik sehr umsichtig und im Wortsinne „ganzheitlich“ zu beraten.
Denn eine gute, gesicherte Ernährung – das ist viel mehr als akuter Kampf gegen Hunger: Das bedeutet jederzeit Zugang zu qualitativ hochwertiger, ausge-wogener Nahrung. Das bedeutet, dass Farmer vor Ort unter sicheren Rahmenbedingungen produzie-ren, sich selbst und – über funktionierende Infra-strukturen und Märkte – die Bevölkerung versorgen können.
Viele private, kirchliche und öffentliche Organisa-tionen engagieren sich hier bereits seit Langem. In
der Ressortforschung des BMEL hingegen stand das Thema Welternährung in der Vergangenheit nicht im Mittelpunkt. Jedoch bekundete das BMEL im Jahr 2012 in seiner Welternährungsstrategie die Absicht, dem Thema künftig eine höhere Priorität einzuräumen. Das Thünen-Institut fungiert dabei für übergreifende Fragestellungen als „erster Ansprech-partner“ und nimmt eine besondere Verantwortung speziell im Aufgabenfeld Welternährung und Agrar-politik wahr.
Hier können wir insbesondere an unseren internatio-nalen Netzwerkerfahrungen anknüpfen:
• Global: Wir analysieren den internationalen Agrar-handel und dessen Einfluss auf die Versorgung von Defizitregionen. Globale Trends in der Agrarwirt-schaft, den Klimawandel und die vermehrte Nut-zung von Biosprit beziehen wir dabei ein.
• National: Wir untersuchen in verschiedenen Län-dern Möglichkeiten, agrarpolitische Rahmenbe-dingungen derart zu gestalten, dass sie Einkom-mens- und Ernährungssituation verbessern.
• Betrieblich: Wir erfassen die Produktivität von Land- und Fischereiwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern. Gemeinsam mit lokalen Akteuren loten wir aus, wie sie erhöht werden kann, um das Einkommen von Kleinlandwirten und die Nahrungsmittelbereitstellung zu steigern.
Wir können uns langfristig und verbindlich enga-gieren. Diesen Vorteil nutzen wir für Kooperationen mit Institutionen in Entwicklungsländern, die den Kontext vor Ort gut kennen. Damit unterstützen wir zugleich auch den Aufbau lokaler Forschungs- und Beratungsstrukturen (Capacity Building). Um keine ineffizienten Doppelstrukturen aufzubauen, verknüpfen wir unsere Aktivitäten zur Ernährungs-sicherung mit dem Engagement Dritter und haben sie in unsere kontinuierliche Zusammenarbeit mit der FAO, CGIAR-Zentren und der OECD eingebettet.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 65
AGMEMOD goes Africa
Hohe Nahrungsmittelpreise haben afrikanische Organisationen und Regie-rungen aufgeschreckt. Sie wollen Strategien entwickeln, um ihre lokale Ernährungslage zu verbessern. Dafür muss man wissen, welche Politiken die Versorgungslage und regionale und internationale Märkte wie beeinflussen.
Mit unserem Projekt „AGEMOD goes Africa“ unterstützen wir den Aufbau dieser analytischen Kompetenz in verschiedenen afrikanischen Regionen. Gemeinsam mit Kollegen in Äthiopien, Kenia, Uganda, Tansania und Ruanda entwickeln wir derzeit unser Marktmodell AGMEMOD weiter, um die künftige Versorgungssituation mit heimischen und importierten Nahrungsmitteln zu projizieren. Da die Ernährungssituation stark vom Einkommen abhängt, wollen wir zudem die Situation für Haushalte mit verschiedenen Einkommensniveaus abschätzen und Optionen für eine bessere Versorgung entwickeln.
agri benchmark goes Asia
Reis ist global gesehen eines der wichtigsten Nahrungsmittel überhaupt; ausge-hend von einem relativ zu Mais oder Weizen niedrigen Niveau nimmt auch der globale Handel mit Reis – insbesondere aus Südostasien – in den vergangenen Jahren stark zu. Gleichzeitig entscheidet die ausreichende Versorgung mit Reis insbesondere in Ländern wie Kambodscha, Laos oder Myanmar darüber, ob und wie die Ernährung gesichert werden kann.
Mit dem agri benchmark-Reis-Projekt analysieren wir daher, finanziell unter-stützt von der FAO und der GIZ, gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern vor Ort die Möglichkeiten zur Optimierung bestehender Reisproduktionssysteme und Wertschöpfungsketten. Zudem wollen wir untersuchen, wie sich die mit-telfristig zu erwartenden regionalen Reis-Überschüsse auf das Anbauprogramm von Landwirten auswirken werden.
MACSUR
Der Klimawandel wird den Druck einer wachsenden Weltbevölkerung auf die globale Ernährungssicherung künftig noch verschärfen. Forscher in Europa haben eine hohe Kompetenz in der Analyse der Zusammenhänge zwischen Klima, Lebensmittelproduktion und Kosten.
Die Kompetenz von über 250 Wissenschaftlern in knapp 70 europäischen Institutionen bündeln wir im JPI-FACCE Forschungsverbund MACSUR. Koordi-niert durch das Thünen-Institut, schätzen die MACSUR-Wissenschaftler für ver-schiedene zukünftige Bedingungen mögliche Entwicklungen ab, loten deren Folgen aus, erarbeiten Vermeidungsstrategien und präsentieren sie politischen Entscheidungsträgern. Diese einmalig enge Kooperation steigert (a) den Wis-sensstand innerhalb der beteiligten Disziplinen und (b) animiert die Beteiligten geradezu, weit über den Tellerrand der eigenen Forschungsrichtung zu schauen.
Beteiligte Institute: Marktanalyse Betriebswirtschaft Seefischerei Fischereiökologie
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: International vergleichende Analyse von Produktionssystemen Wechselwirkungen zwischen Agrar-, Holz- und Rohstoffmärkten Modellgestützte Folgenabschätzungen – der Thünen-Modellverbund
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66 THEMENFELDER
Verbraucher und Gesellschaft
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
„Die industrielle Fischerei plündert rücksichtslos die Ozeane!“ „Pestizide im Gemüse, Anti-biotika im Stall – für die moderne Landwirtschaft zählt nur der schnelle Profit!“ „Baum ab? Nein danke!“ Viele Menschen lehnen moderne Produktionssysteme rundweg ab, lassen ihren eigenen Konsum jedoch unverändert und fordern strengere Auflagen für die Erzeuger. Wie sollen Wirtschaft und Politik damit umgehen?
Große Teile der Gesellschaft haben kaum noch Kon-takt mit der praktischen Land-, Forst- und Fische-reiwirtschaft. Das Bild von Bauern, Fischern oder Förstern prägen nostalgische Vorstellungen, roman-tische Fernsehserien oder Produktverpackungen, die oft realitätsfern oder gar bewusst irreführend gestaltet sind. Viele wünschen sich eine intakte Natur und stehen dem Ergebnis heutiger Produk- tionsweisen kritisch gegenüber. Dabei unterstützen die Verbraucher mit ihrem preisorientierten Kon-sumverhalten oft genau jene Wirtschaftsformen, denen die Politik aus ihrer Sicht möglichst umge-hend Einhalt gebieten sollte.
Diese Kluft zwischen geäußerten Ansichten und tatsächlichem Verhalten ist oft genug konstatiert worden. Simple Befragungen helfen hier nicht weiter. Wir wollen das geschilderte Dilemma deshalb wissenschaftlich durchdringen: Wir analysieren die Wahrnehmung, Beurteilung und Einstellungen der Gesellschaft gegenüber der Land-, Forst- und Fisch-wirtschaft und ihren Produkten. Dabei interessiert uns, wie einzelne Bevölkerungsgruppen zu ihren Einstellungen kommen und wie sich Einstellungen
ändern, wenn sich die Informationsbasis verbes-sert. Hierbei beziehen wir die Produzenten als Teil der Gesellschaft ebenfalls ein, denn auch sie haben beruflich und individuell gefächerte Ansprüche.
Auf diesem Weg wollen wir bewusste wie unbe-wusste Werthaltungen erkennen und den Zusam-menhang zwischen individuellen Einstellungen und Verhaltensmustern besser verstehen. Wichtige Fragen für uns sind:
• Wie bewerten Bürger unterschiedliche Zustände von Feldern, Wäldern und Meeren?
• Welche Erwartungen richten die Bürger an die Fischerei, an die Land- und Ernährungswirtschaft und an die Forst- und Holzwirtschaft?
• Welche Punkte sind ihnen dabei besonders wich-tig, welche weniger wichtig, und wie gehen sie mit Zielkonflikten um?
• Welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Bewertungen für die Ausrichtung von Forschung, Wirtschaft und Politik?
• Welche Wirkungen haben die angebotenen Infor-mationen, und wie möchten sie – als Bürger und als Verbraucher – informiert werden?
• Wann, wie weit – und wann nicht – passen Ver-braucher ihren Konsum ihren Einstellungen an, und was bewegt sie jeweils dazu?
Die notwendigen Methoden wollen wir unter ande-rem in Konsortien gemeinsam entwickeln und vor-antreiben, in denen Spezialisten aus der Sozial-, Kommunikations- und Marktforschung eingebun-den sind. Die Ergebnisse sind die Basis für Lösungs-vorschläge, die wir Politik, Wirtschaft, Forschung und Gesellschaft unterbreiten. Unser Ziel ist es, dass sich Wirtschaft und Gesellschaft in einem struk-turierten Dialog aufeinander zubewegen und so die Kluft zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und wirtschaftlicher Realität schrittweise verringert werden kann.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 67
Was sind die Leistungen des Waldes wert?
Wälder erbringen vielfältige Ökosystemleistungen – sie produzieren Rohholz, schützen das Trinkwasser, binden Kohlenstoff, dienen der Erholung. All diese Leis-tungen haben einen ökonomischen Wert, selbst wenn es dafür keine Märkte gibt.
Wir ermitteln diese Werte durch Untersuchung des Verbraucherverhaltens, aber auch durch direkte Befragungen. So haben wir herausgefunden, dass der Erholungswert der deutschen Wälder fast gleich groß ist wie der Wert der Holz-produktion. Damit wird der „Wert der Natur“ besser greifbar, und wir können mit Blick auf die Bevölkerungswünsche die den Wald bewirtschaftende Praxis ebenso gezielt beraten wie die Politik in Bezug auf passgenaue staatliche Rah-menbedingungen. Ein Beispiel ist die Entwicklung finanzieller Anreizsysteme für die Produzenten, um die gesellschaftlichen Bedürfnisse an den Wald ver-stärkt zu beachten.
Was erwarten Verbraucher von nachhaltigem Fischfang?
Der Ansatz der Nachhaltigkeitszertifizierung setzt vor allem darauf, Verbraucher zu beteiligen. Wenn diese aber durch ihre Auswahlentscheidung zu mehr Nach-haltigkeit beitragen und dafür einen höheren Preis akzeptieren sollen, müssen die zugesicherten Eigenschaften des Labels ihren Erwartungen entsprechen. Die Analyse von Wahrnehmung, Einstellung und Präferenzen der Verbraucher bildet die Grundlage für Vorschläge zur erfolgversprechenden Information des Verbrauchers.
Unsere bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die derzeitige Kommunikation verbesserbar wäre, vor allem angesichts der aktuellen Zunahme verschiede-ner Label mit unterschiedlichen Versprechen. Hier wollen wir ansetzen und im Dialog mit Wirtschaft und Verbrauchern Verständlichkeit und Nachvollziehbar-keit von Zertifizierungsstandards verbessern.
Verbesserung der Nutztierhaltung – was heißt das konkret?
Die Diskrepanz zwischen den Forderungen vieler Menschen und der derzeiti-gen Praxis ist bekannt. Wir wollen die gesellschaftliche Kritik differenziert erfas-sen, um herauszufinden, welche einzelnen Kritikpunkte den Bürgern besonders wichtig sind und durch Forschung und Praxis vorrangig anzugehen wären.
So zeigte eine aktuelle Studie, dass die Befragten Platzmangel und fehlende Bewegungsmöglichkeiten in großen Schweineställen mit hohem Medikamen-teneinsatz in Zusammenhang bringen und diese beiden Aspekte als besonders relevant ansehen. Solche Analysen wollen wir intensivieren, um als Thünen-Ins-titut wie auch im Rahmen der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA) Geldge-bern wie BMEL oder BMBF zu zeigen, wie man zu einer messbaren Verbesserung der Nutztierhaltung im Hinblick auf die gesellschaftlichen Ziele kommen kann.
Beteiligte Institute: Marktanalyse Betriebswirtschaft Forstgenetik Holzforschung Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie Ökologischer Landbau
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Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Forschungsplattform "Gesellschaftliche Erwartungen" Bewertung der Tiergerechtheit
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68 THEMENFELDER
Langfristige Politikkonzepte
Über den Tag hinaus Orientierung geben
Die Politik wird oft durch das Tagesgeschäft dominiert: Die Ausrichtung an langfristigen Zielen kommt vielfach zu kurz, Pfadabhängigkeiten erschweren Änderungen. Wissenschaftliche Politikberatung hilft, rechtzeitig zu erkennen, ob bisherige Pfade mittel- oder gar langfristig ziel-führend sind oder ob sie für neue Wege verlassen werden sollten. Hierzu erarbeitet das Thünen-Institut für unterschiedliche Politikfelder alternative Konzepte und schätzt deren Folgen ab.
In allen Politikfeldern, zu denen das Thünen-Institut forscht und die Politik berät, gibt es intensive gesell-schaftliche Diskussionen: Sind grundlegende Refor-men der bisherigen Politik erforderlich oder nicht? Oder bedarf es neuer Ansätze für das Umsetzen von Reformen?
• Die Reformbeschlüsse von 2013 zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sind weit hinter dem zurückge-blieben, was aus wissenschaftlicher Sicht erforder-lich wäre, um im Politikfeld Ernährung, Landwirt-schaft und ländliche Räume Herausforderungen zielgerichtet anzugehen.
• Für die Waldpolitik gilt, dass die wesentlichen Vor-gaben bisher aus anderen, externen Politikberei-chen kommen. Das führt nicht zwangsläufig zu ei-ner kohärenten und gesellschaftlich optimalen Waldnutzung.
• Für die Fischereipolitik hat die EU jüngst mit dem Beschluss der integrierten Meerespolitik und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sowie mit der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik ab 2014 die Voraussetzungen für eine Kehrtwende in der Nutzung der europäischen Meere geschaffen. Ihr muss nun mit alternativen Fischereimanagement-Konzepten der Weg gebahnt werden.
Langfristige Politikkonzepte zu erarbeiten, fordert uns ein fundiertes theoretisches Verständnis der Wirkungs-zusammenhänge und das methodische Instrumenta-rium ab, um die Folgewirkungen solcher Konzepte soweit wie möglich zu quantifizieren. Zudem müssen wir die Erkenntnisse adressatengerecht aufbereiten und zu einem Zeitpunkt bereitstellen, an dem sie die Entscheidungsfindung tatsächlich unterstützen. Durch unsere langjährige Expertise in wissenschaftlicher Politikberatung und angewandter, oftmals inter- und transdisziplinärer Forschung sind wir gut aufgestellt, um Politik und Gesellschaft über den Tag hinaus Ori-entierung zu geben. Unser Selbstverständnis: Wir han-deln wissenschaftlich – politiknah – unabhängig.
Politikkonzepte haben in der Regel immer positive oder negative Auswirkungen auf mehrere gesellschaftliche Anliegen. Unsere wissenschaftliche Aufgabe sehen wir darin, unterschiedliche Optionen zu erstellen und diese einer Ziel-Mittel-Analyse zu unterziehen, um die politisch legitimierten Entscheidungsträger zu unter-stützen. Deren Aufgabe ist es dann, die angestrebten Ziele und die unterschiedlich hohe Zielerfüllung der vorgeschlagenen Optionen gegeneinander abzuwä-gen, zu gewichten und letztlich über die konkrete Aus-gestaltung der Politik zu entscheiden.
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STRATEGIE 2014 THEMENFELDER 69
GAP nach 2020: Ist eine grundlegende Agrarreform möglich?
Die jüngst beschlossene EU-Agrarreform ist durch den Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik des BMEL von Beginn an scharf kritisiert worden. Ins-besondere wird bemängelt, dass die Reform das Pferd von hinten aufzäumt: Sie geht nicht von klaren Zielen aus und richtet die Maßnahmen darauf aus, sondern sucht nach neuen Begründungen für die etablierten Zahlungssysteme.
In der anschließenden politischen Debatte wurde die Wissenschaft dafür kritisiert, dass ihre Vorschläge zu vage und nicht EU-weit ausgerichtet seien. Die Thünen-Agrarökonomie hat sich zum Ziel gesetzt, im Hinblick auf die Gemein-same Agrarpolitik nach 2020 einen wirkungsvollen Beitrag zu leisten und zusam-men mit europäischen Partnern Politikoptionen zu erarbeiten und zu bewerten.
Alternative Konzepte für das Fischereimanagement
Die Analyse der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU (GFP) über die letzten 20 Jahre zeigt, dass wesentliche Ziele der Politik nicht erreicht wurden. Auch wenn sich viele überfischte Bestände langsam erholen – von einem Management-system, das eine nachhaltige und profitable Fischerei garantiert, sind wir noch immer weit entfernt.
Die Reform der GFP ab 2014 soll die Wende bringen, ist aber so unspezi-fisch, dass der Erfolg weitgehend von Detailregelungen abhängt. In diesem Zusammenhang kommt es vor allem auf das Schaffen richtiger Anreize an, um die Eigenverantwortung der Fischerei zu stärken und das bisherige Mikroma-nagement zu beenden. Wir arbeiten in enger Kooperation mit allen Beteiligten (Fischer, Politik, Handel/Industrie und Umweltverbände) daran, die richtigen Anreize zu finden und zu evaluieren.
Waldpolitische Konzeption für 2020
Um die steigenden Anforderungen an den Wald und seine nachhaltige Leis-tungsfähigkeit zu balancieren, hat die Bundesregierung die Waldstrategie 2020 erarbeitet. Bei deren Umsetzung unterstützen wir die Politik, indem wir bei-spielsweise die Zusammenhänge zwischen Waldbewirtschaftung und biologi-scher Vielfalt erforschen. Unklar ist dabei bislang der Biodiversitäts-„Mehrwert“ ungenutzter gegenüber naturnah bewirtschafteter Waldfläche.
Deshalb wollen wir zusammen mit der Naturschutzseite (a) herausfinden, welchen Beitrag unterschiedlich stark genutzte Wälder zum Biodiversitäts-schutz leisten, und (b) klären, mit welchen Maßnahmen – räumliche Verteilung von Naturschutzflächen, Intensität der Holznutzung auf verschiedenen Flächen-typen, Fristigkeit und Rechtsverbindlichkeit von Nutzungsrestriktionen – sich ein gewünschtes Niveau an Biodiversität am besten erreichen lässt.
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Beteiligte Institute: alle 14 Fachinstitute Stabsstelle Klimaschutz Stabsstelle Boden
Institutsübergreifende Arbeitsgruppen: Forschungsplattform "Gesellschaftliche Erwartungen" Wechselwirkungen zwischen Agrar-, Holz- und Rohstoffmärkten Holzarten- und Herkunftskontrolle Evaluierung ländlicher Entwicklungsprogramme Klimaschutzstrategien für den Agrarbereich Klimaschutzstrategien für Wald und Holznutzung Strategien zur Raumnutzung im marinen Bereich Modellgestützte Folgenabschätzungen – der Thünen-Modellverbund Konzepte für eine Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020 Waldpolitische Konzeption für 2020 Alternative Konzepte für das Fischereimanagement
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72 INSTITUTE
5 Unsere Basis: Die Thünen-Fachinstitute
Das Thünen-Institut besteht aus insgesamt 14 Fachinstituten. Sieben Institute forschen im Thünen-Teilbereich Agrar einschließlich ländliche Räume, vier Fachinstitute decken den Teilbereich Wald ab, und drei Institute bilden den Thünen-Teilbereich Fisch (vgl. Kapitel 2).
Das nachstehende Organigramm gibt einen Gesamtüberblick über die Arbeitsbereiche aller Fachinstitute. Im Anschluss an diese schematische Darstellung geben die einzelnen Institute einen ver-tieften Einblick in ihre Aufgaben, Kompetenzen und Ziele, ergänzt um Kurzbeschreibungen ausgewähl-ter aktueller Projekte und Herausforderungen.
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74 INSTITUTE
Leitung: Prof. Dr. Peter WeingartenPersonal: 58 Mitarbeiter/innen, davon 51 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Agrarökonomie, Wirtschafts- und Sozialgeografie, Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft, Landschafts- und Raumplanung, Soziologie, Umweltwissenschaften, Geoökologie
Standort: Braunschweig
Arbeitsbereiche: Lebensverhältnisse; Wirtschaft und Arbeit; Ressourcennutzung, Umwelt- und Naturschutz; Sozialpolitik im Agrarbe-reich; Politik für ländliche Räume; Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik; Modellgestützte Politikfolgenabschätzung
Institut für Ländliche RäumeWir erarbeiten wissenschaftliche Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume. Dabei gehen wir davon aus, dass viele ländliche Regionen in Deutschland zukünftig verstärkt vor demografischen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen stehen.
Um politischen Entscheidungsträgern wissenschaft-lich basierte Entscheidungshilfen geben zu können, orientieren wir uns an folgenden Leitfragen:
• Wie verändern sich die objektiven und subjektiven Lebensverhältnisse in unterschiedlichen ländli-chen Räumen, beispielsweise durch Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung?
• Welche Faktoren sind dafür verantwortlich, dass sich einige ländliche Räume wirtschaftlich erfolg-reich entwickeln und andere nicht?
• Wie wirken sich Landwirtschaft und Landnut-zungswandel auf den Zustand der natürlichen Ressourcen in ländlichen Räumen aus?
• Wie greift die Politik in all diese Entwicklungen steuernd ein, welche anderen Handlungsoptionen bestehen und wie wirkungsvoll und effizient sind diese?
Wir betrachten ländliche Räume aus einer territo-rialen, auf die Gesamtschau ausgerichteten Per-spektive. Die wichtige Rolle, die Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft in ländlichen Räumen spie-len, schließen wir dabei ein. Die Wahl einer territo-rialen Perspektive ist sinnvoll, weil ländliche Räume Wohn- und Lebensumfeld für viele Menschen in Deutschland sind und vielfältige gesellschaftliche
Funktionen erfüllen, die weit über die land- und forstwirtschaftliche Produktion hinausgehen: Sie sind Standort vieler kleiner und mittlerer Unter-nehmen, Freizeit- und Erholungsort oder Ort ökologischer Ausgleichfunktionen für Agglomera-tionsräume.
Unsere Forschung bezieht sich überwiegend auf Deutschland und die EU. Damit können wir die regio-nale Vielfalt Deutschlands ausreichend differenziert berücksichtigen. Gleichzeitig lernen wir aus den Erfahrungen in anderen ländlichen Räumen der EU.
Wir nutzen ein breites Spektrum an Methoden und Theorien aus den Wirtschafts- und Sozialwis-senschaften, arbeiten interdisziplinär und koope-rieren mit zahlreichen agrar-, raum-, regional- und naturwissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in Deutschland und Europa. Interdisziplinär vor-zugehen ist unabdingbar, soll der vielschichtige Forschungsgegenstand „Ländliche Räume“ pro- blemadäquat behandelt werden. Unsere zahl-reichen Kontakte zu Akteuren der ländlichen Ent-wicklung bei gleichzeitiger wissenschaftlicher Unabhängigkeit erleichtern den Zugang zu Exper-ten- und Erfahrungswissen. Dies trägt sowohl zum wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt als auch zu einer adressatenorientierten Politikberatung bei.
Unsere Forschung ist vorwiegend empirisch ausge-richtet. Wir nutzen Daten der amtlichen Statistik sowie Sekundärdaten aus anderen Quellen, darüber hinaus führen wir aber auch eine Vielzahl eigener quantita-tiver und qualitativer Datenerhebungen durch.
INSTITUTE 75STRATEGIE 2014
Landwirtschaft und Gewässerschutz
Die Landwirtschaft ist der Hauptverursacher von Nitrateinträgen in Gewässer. Untersuchungen unseres Instituts zeigen, dass die Gewässerschutzziele, die laut Wasserrahmenrichtlinie der EU bis 2015 erreicht werden müssen, vielerorts verfehlt werden. Der poli-tische Handlungsbedarf steigt daher weiter an.
Unser räumlich differenziertes Agrarsektormodell RAUMIS ent-wickeln wir beständig weiter und setzen es im Verbund mit hydro-geologischen Modellen kooperierender Forschungseinrichtungen ein, um die Nitratbelastung von Grund- und Oberflächengewässern kleinräumig abzuschätzen und Maßnahmen zum Gewässerschutz zu untersuchen. Basierend auf diesen Modellergebnissen und auf Ergebnissen aus unserer Evaluation von Agrarumweltmaßnahmen ländlicher Entwicklungsprogramme leiten wir Empfehlungen ab, wie das ordnungs- und förderrechtliche Instrumentarium zum Gewässerschutz verbessert werden kann.
Dörfer von 1952 bis heute
Dörfer und Kleinstädte prägen seit Jahrhunderten das Leben der Bevölkerung in ländlichen Räumen. Wir erforschen unterschied-liche Facetten dörflicher Lebensverhältnisse und können dabei auf eine einzigartige Längsschnittstudie zurückgreifen.
Seit 1952 wurden im Abstand von 20 Jahren dieselben zehn beziehungsweise seit der Wiedervereinigung 14 Dörfer in Deutsch-land untersucht. Die von uns koordinierte Langzeitstudie, an der weitere sechs Forschungseinrichtungen beteiligt sind, erlaubt es uns, die aktuellen Veränderungen des Lebens aufzunehmen und Kontinuitäten und Brüche zu dokumentieren. Zudem wollen wir diesen reichhaltigen Datenschatz in den nächsten Jahren gezielt im Hinblick auf den gesellschaftlichen Wandel der vergangenen sechs Jahrzehnte analysieren.
Unternehmensstrategien in ländlichen Räumen
Unternehmen unterschiedlichster Branchen, Organisationsformen und Größenklassen tragen die Wirtschaft ländlicher Räume. Ihre Strategien zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit am Standort sind entscheidend für Einkommens- und Beschäftigungsmöglich-keiten und damit für die Entwicklung ländlicher Räume.
Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist es für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen beson-ders bedeutsam, qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen. Deshalb untersuchen wir Arbeitskräftestrategien, zum Beispiel die betrieb-liche oder überbetriebliche Organisation der Aus- und Weiterbil-dung. Dabei geht es auch um den Wert anderer Einrichtungen in den Regionen sowie um die Voraussetzungen eines überbetrieb-lichen Engagements von Unternehmen. Zukünftig wollen wir auch die Rolle von Non-Profit-Organisationen für die Entwicklung ländlicher Räume untersuchen.
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Frühjahrsdüngung – bodennahe Gülleausbringung mit dem Schleppschlauchverfahren.
Weinsheim – ländliche Gemeinde und regional bedeutender Industriestandort in der Westeifel.
Dorfgasthäuser – einst ein Mittelpunkt des dörflichen Lebens, heute seltenes Relikt?
76 INSTITUTE
Leitung: Dr. Hiltrud Nieberg
Personal: 43 Mitarbeiter/innen, davon 32 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Agrarökonomie, Gartenbauökonomie, Informatik
Standort: Braunschweig
Arbeitsbereiche: Sektoranalysen, Produkti-onssysteme, Umwelt- und Tierschutzpolitik, Ernährungswirtschaft, Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik, Modell-gestützte Politikfolgenab-schätzung
Infrastruktur: Testbetriebsnetz, agri benchmark, Modell FARMIS
Institut für Betriebswirtschaft
Landwirtschaft wird von Individuen gestaltet. In Deutschland entscheiden mehrere hunderttau-send Einzelpersonen auf den Bauernhöfen und in der Ernährungswirtschaft, welche Agrarprodukte wo und wie erzeugt werden – und welche Neben-wirkungen dies auslöst. Da es unserer Gesellschaft nicht gleichgültig ist, wie Nahrungsmittel produ-ziert werden und wie sich die Agrarstrukturen ent-wickeln, wird die Politik immer wieder aufgefordert, „Leitplanken“ einzuziehen und die marktwirtschaft-liche Entwicklung zu beeinflussen.
Die Unternehmen im Agrarsektor stehen in einem harten Wettbewerb, sowohl regional als auch inter-national, und sie können es sich deshalb oft nicht leisten, freiwillig auf weniger rentable Lösungen zu setzen. Deshalb gibt die Politik zuweilen finanzielle Anreize für bestimmte Produktionsweisen, häufig engt sie jedoch die Handlungsspielräume der Wirt-schaft per Verordnung ein.
Um der Politik Hinweise geben zu können, wie sie den unterschiedlichen gesellschaftlichen Anforde-rungen an den Agrarsektor gerecht werden kann, ohne gleichzeitig das Ziel einer wettbewerbsfähigen Agrarwirtschaft zu gefährden, untersuchen wir (a) wie einzelne Produktionsverfahren, Betriebs-typen und der gesamte Agrarsektor betroffen sind, wenn sich technische, wirtschaftliche und poli-tische Rahmenbedingungen ändern, (b) wie sie sich anpassen können und welche Folgen dies hat (Wett-bewerbsfähigkeit, Einkommen, Strukturwandel, Umweltwirkungen) und (c) welche Maßnahmen die Politik ergreifen kann, um agrar- und gesellschaftspo-litische Ziele zu erreichen.
Hierbei berücksichtigen wir die Vielgestaltigkeit der Agrarstrukturen und Produktionssysteme in den verschiedenen Regionen Deutschlands und die enge Einbindung der deutschen Agrar- und Ernäh-
rungswirtschaft in den internationalen Wettbewerb. Wir beachten zudem, wie sich die Anpassungs-möglichkeiten des Agrarsektors durch technische Fortschritte und politische Rahmenbedingungen fortlaufend wandeln.
Interregional und international vergleichende Analysen
Ökonomische Begleitforschung, technologiebegleitende Forschung
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Strukturanalysen
Für wichtige Branchen der deutschen Agrarwirt-schaft untersuchen wir die internationale Wett-bewerbsfähigkeit. Dies geschieht unter anderem im weltweiten Netzwerk agri benchmark, das vom Thünen-Institut wissenschaftlich geleitet wird. Im Verbund mit dem Thünen-Institut für Marktanalyse nehmen wir die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick: landwirtschaftlicher Betrieb, Verarbei-tung, Handel, Verbrauch. Wir analysieren zudem die einzelbetrieblichen Auswirkungen vielfältiger Maß-nahmen der deutschen und europäischen Agrarpo-litik wie zum Beispiel die Agrarinvestitionsförderung oder die Förderung des Ökologischen Landbaus.
Im Thünen-Modellverbund schätzen wir – gemein-sam mit den Thünen-Instituten für Ländliche Räume und für Marktanalyse – mithilfe repräsentativer Datensätze und Modelle die Folgen politischer Hand-lungsoptionen für die deutsche Landwirtschaft ab.
INSTITUTE 77STRATEGIE 2014
Politikwirkungen auf Betriebe zeigen
Mit dem Betriebsgruppenmodell FARMIS untersuchen wir im Thü-nen-Modellverbund, wie Politik auf landwirtschaftliche Betriebe wirkt. Indem wir die Daten des Testbetriebsnetzes nutzen, können wir die vielfältigen Strukturen der Betriebe in Deutschland abdecken.
Fragen des Umwelt- und Tierschutzes bauen wir schrittweise in unsere Modelle ein. Dies ermöglicht uns abzuschätzen, wie (a) politische Maßnahmen die Umweltwirkungen landwirtschaft-licher Betriebe beeinflussen und wie (b) Umwelt- und Tierschutz-politik auf landwirtschaftliche Einkommen wirkt. In den nächsten Jahren werden wir Instrumente für das ergebnisorientierte Hono-rieren von Tierschutzleistungen entwickeln. Außerdem wollen wir analysieren, wie verschiedene Optionen einer veränderten Agrar-politik nach 2020 auf landwirtschaftliche Betriebe wirken würden.
Landwirtschaft weltweit verstehen
Seit über zehn Jahren leiten wir das weltweit einmalige Netzwerk agri benchmark. In mehr als 40 Ländern analysieren wir typische Produktionssysteme, ihre Wirtschaftlichkeit, Rahmenbedin-gungen und Perspektiven für die wichtigsten Agrargüter. Die Daten hierfür erheben wir mit international einheitlichen Metho-den und in enger Zusammenarbeit mit Beratern und Produzenten. Politik, Agribusiness, Landwirte, nationale und internationale Organisationen sind Nutzer der Ergebnisse.
In der Politikberatung verwenden wir die Daten für spezifische Wirkungsanalysen, denn wir können mit unserem Ansatz betriebliche Anpassungen simulieren. Unsere Aktivitäten weiten wir 2014 auf die Aquakultur aus und beziehen künftig Fragen des Umwelt- und Tier-schutzes sowie Analysen in Schwellenländern ein.
Orientierung bieten in der Datenflut
Wir werten die Agrarstatistik detailliert aus und schaffen so einen Überblick über den deutschen und europäischen Agrarsektor. Seit 2012 hat das Institut die Aufgabe, deutsche Testbetriebsdaten für das europäische Testbetriebsnetz (INLB) umzusetzen und zu vali-dieren. Wir nutzen die Daten der Testbetriebe, um die Entwicklung der Einkommenslage zu analysieren und als Datenbasis für das Abschätzen von Politikfolgen. Sonderauswertungen der Daten fließen außerdem in die Evaluierung agrarpolitischer Maßnahmen zur Investitionsförderung ein.
Künftig werden wir verstärkt klima- und marktbedingte Risiken berücksichtigen. Außerdem konzipieren wir eigene Erhebungen zur Strukturentwicklung landwirtschaftlicher Betriebe und neuerer Unter-nehmensformen, da die Offizialstatistik diese nur begrenzt erfasst.
Die Agrarstatistik und das Testbetriebsnetz sind Grundlagen unserer Analysen.
agri benchmark ist in folgenden Bereichen tätig: Beef and Sheep, Organic, Horticulture, Cash Crop, Pig, Dairy.
Agrarpolitische Entscheidungen beeinflussen die Einkommen in der Landwirtschaft.
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78 INSTITUTE
Leitung: PD Dr. Martin BansePersonal: 30 Mitarbeiter/innen, davon 22 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Agrarwissenschaften, Volkswirtschaft, Ernährungsökonomie, MarktforschungStandort: Braunschweig
Arbeitsbereiche: Verbraucherforschung, Marktanalysen, Internationaler Agrarhandel und Welternährung, Ernährungswirtschaft, Weiterentwicklung der EU-Agrarpolitik, Modellgestützte Politik- folgenabschätzung
Institut für Marktanalyse
Der Agrarmarkt unterliegt staatlichen Eingriffen. Prinzipiell folgt er aber den gleichen Gesetzmäßig-keiten wie jeder andere Markt: Angebot und Nach-frage bestimmen den Preis und umgekehrt. Führt dies zu den gewünschten Ergebnissen?
Viele Menschen bezweifeln das und meinen: „Wenn die Agrarpreise durch die Decke schießen, wie 2007, hungern irgendwo auf unserer Erde noch mehr Menschen als sonst.“ „Wenn die Agrarpreise auf Talfahrt sind, wie in Jahrzehnten zuvor, geraten Bauern in Armut und verlassen ihre Höfe.“ Nicht zu vergessen jene Verbraucher, die gern den „Billigan-geboten“ zur Fleischtheke folgen, während andere sich darüber aufregen, das Fleisch stamme nicht von „glücklichen“ Tieren.
In diesem Meinungswirrwarr schaffen wir Klarheit. Um Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gut bera-ten zu können, beachten wir im Thünen-Institut beide Aspekte: Einerseits analysieren wir die Funk-tionalität des Marktes und schätzen künftige Wirt-schaftsdaten möglichst zutreffend ab. Das hilft allen Beteiligten, sich frühzeitig zu orientieren und gege-benenfalls anzupassen. Andererseits untersuchen wir auch die Wünsche, Bedürfnisse und das Verhal-ten der Bevölkerung, hierzulande und anderswo. Damit schaffen wir Grundlagen für das zielgerich-tete Gestalten von Politik.
Für unser Arbeitsprogramm ergeben sich daraus fol-gende Leitfragen:
• Marktbeobachtung und -analyse: Wie sehen die tat-sächlichen Marktverhältnisse aus?
• Meinungs- und Verhaltensanalyse: Was erwarten die Bürger von Lebensmitteln, Herstellungspro-zessen, Nahrungsmittelmärkten, und wie verhal-ten sie sich im Markt?
• Prognose: Wie werden sich die Agrarmärkte vor-aussichtlich entwickeln?
• Folgenabschätzungen: Wie würden sich Änderun-gen der politischen, klimatischen oder wirtschaft-lichen Rahmenbedingungen auf Agrarmärkte aus-wirken, welche Folgen hätte dies?
• Entwickeln und Bewerten von Handlungsoptionen: Welche Rahmenbedingungen sollte die Politik schaffen, damit die Märkte dem gesellschaftlichen Wohl bestmöglich dienen?
Unser Werkzeugkasten umfasst zum einen die klassische Marktanalyse: Für einzelne Branchen entlang der Wertschöpfungskette, aber auch für die Agrarwirtschaft insgesamt, analysieren wir, wie sich Organisation, Produktion, Verbrauch, Lagerhaltung, Handel und Preise entwickeln. Daraus leiten wir, oft im Verbund mit anderen Thünen-Instituten, Einschätzungen zur Wettbe-werbsfähigkeit und zur globalen Ernährungssi-cherung ab. Unser jüngstes Forschungsfeld ist die Verbraucher- und Gesellschaftsforschung. Hier verwenden wir bisher in erster Linie Grup-pendiskussionen und Befragungen. Um belast-bare, quantitative Abschätzungen für die Zukunft vornehmen zu können, benötigen wir aber auch Modelle, die die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den Märkten abbilden. Diese entwickeln wir im internationalen Verbund und vernetzen sie intern mit den Betriebs- und Regionalmodellen im Thünen-Modellverbund.
INSTITUTE 79STRATEGIE 2014
Trends auf Milchmärkten – auf zu neuen Ufern!
Der europäische Milchmarkt befindet sich im Umbruch. Die Politik zieht sich weiter aus der Marktsteuerung zurück. Die Preise ändern sich zwar häufiger als früher, aber wer profitiert davon? Für die Höhe der Erzeugerpreise spielen Exporte eine immer wichtigere Rolle. Führt die zunehmende Internationalisierung auch zu einer höheren Konzentration?
Zu diesen und weiteren Fragen forschen sowohl die Thünen-Institute für Marktanalyse und Betriebswirtschaft als auch Experten der Universität Göttingen. Auf www.milchtrends.de bündeln wir unsere Forschungskompetenz, bieten Marktinformationen an und vermitteln wissenschaftliche Ergebnisse praxisnah. Darüber hinaus soll diese Kooperation die Schlagkraft der beteiligten Forschungsein-richtungen in gemeinsamen Forschungsprojekten erhöhen.
Wie entwickeln sich Europas Agrarmärkte?
Viele Agrarmärkte wachsen – bedingt durch veränderte Nachfrage zum Beispiel nach Energiepflanzen – sehr dynamisch, während andere stagnieren. Das müssen wir in der Beratung berücksichtigen und Auswirkungen absehen können.
Deshalb erstellen wir im Rahmen des Thünen-Modellverbunds, in Abstimmung mit den Instituten für Ländliche Räume und Betriebs-wirtschaft, seit 2008 alle zwei Jahre 10-Jahres-Projektionen über die Situation des Agrarsektors, insbesondere in Deutschland. Zentrale Fragen sind hierbei, welche Höhe Preise, Angebots- und Nachfrage-mengen in zehn Jahren haben könnten, wie Handel und Betriebsein-kommen sich entwickeln, welche Verschiebungen in der regionalen Produktion auftreten und welche Wirkungen von den projizierten Veränderungen auf die Umwelt ausgehen könnten. Wir kommunizie-ren und diskutieren die Ergebnisse beispielsweise mit Bundes- und Landesministerien.
Immer weniger Cent von einem Euro
Seit mehr als 40 Jahren wird im Institut die Marktspanne, also die Dif-ferenz zwischen Verbraucherpreisen und den dazugehörigen Erzeu-gerpreisen, untersucht. Aus diesen Angaben lässt sich der Anteil der landwirtschaftlichen Erzeugererlöse an den Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel in Deutschland berechnen. Er hat sich langfristig rückläufig entwickelt.
Während in den 1970er-Jahren die Erzeugererlöse noch die Hälfte der Verbraucherausgaben ausmachten, ist es heute etwa ein Viertel. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass immer mehr Be- und Verar-beitungsschritte außerhalb der Landwirtschaft stattfinden. Unsere jährliche Berechnung der Marktspannen hat ein großes Echo in der Presse; sie liefert neben der Zustandsbeschreibung wichtige Anhalts-punkte für die Analyse der Preisbildung bei Nahrungsmitteln.
Was kommt beim Landwirt an? Wir verfügen über langjährige Datenreihen.
Es gibt bessere Möglichkeiten als ein Blick in die Kristallkugel. Wir benutzen Modelle, um nach vorn zu schauen.
... immer auf dem Laufenden bleiben!
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Leitung: Prof. Dr.-Ing. Axel Munack, Prof. Dr. Klaus-Dieter Vorlop Personal: 65 Mitarbeiter/innen, davon 34 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Agrarwissenschaften, Chemie, Biologie, Biotechnologie, Mikrobiolo-gie, Informatik, Maschinen-bau, Elektrotechnik, Umwelttechnik, Gartenbau
Standort: Braunschweig
Arbeitsbereiche: Umwelttechnologie Boden/Pflanze, Umwelttechnologie Tier, Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe
Infrastruktur: Technische, chemische und biologische Laboratorien sowie Technika; Elektronik- und Mechanik-Werkstatt
Institut für AgrartechnologieWir leben in einer technisierten Welt. Der tech-nologische Fortschritt hilft der Menschheit, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen sowie Wohlstand und Lebensqualität zu mehren. Eine neue, wettbe-werbsfähige Technologie kann in kurzer Zeit posi-tive Auswirkungen auf Ressourcen-, Umwelt- oder Tierschutz entfalten, auch über Ländergrenzen hinaus. Andererseits kann eine neue Technologie, falsch eingesetzt, die Probleme auch verschärfen. Doch welcher Technologiepfad ist richtig, welcher falsch? Letztlich muss die Politik die Rahmenbedin-gungen für den Technologieeinsatz festlegen. Sie tut dies permanent, indem sie beispielsweise ent-sprechende Gesetze ausgestaltet.
Die Politik wissenschaftlich zu beraten und im vor-gesetzlichen Rahmen beim Abfassen von Richtli-nien und Normen mitzuwirken, sind Kernaufgaben des Thünen-Instituts für Agrartechnologie. Dafür ist essenziell, dass wir selbst aktiv Forschung und Ent-wicklung betreiben, die sich wie folgt charakterisie-ren lässt:
• Angesichts der schnellen Technologieentwicklung können wir nur dann kompetent beraten sowie national und EU-weit Rechtsnormen und Stan-dards mitgestalten, wenn wir uns mit eigener For-schung an der jeweiligen technologischen Front bewegen und uns hier möglichst breit vernetzen.
• Wir entwickeln und bewerten Technologien im Systemzusammenhang eines Produktionsverfah-rens, einer Wertschöpfungskette oder eines Öko-systems. Unser Ziel ist es, durch solche „Systemlö-sungen“ nachhaltigere Produktionssysteme zu schaffen.
Die Struktur des Instituts trägt wesentlichen techno-logischen Herausforderungen Rechnung:
• Umwelttechnologie Boden/Pflanze: Ziel ist eine Prä-zisionslandwirtschaft, die die Bestands- und Bo-denbewirtschaftung bedarfsgerecht durchführt, dabei Bodenschutzanforderungen und Bereg-nungsbedürftigkeit berücksichtigt und Betriebs-mittel reduziert. Hierzu forschen wir experimentell unter Labor- und Feldbedingungen.
• Umwelttechnologie Tier: Ziel ist Tierhaltung, die nachhaltig, tiergerecht und umweltverträglich ist und eine hohe Akzeptanz in der Gesellschaft fin-det. Unser Schwerpunkt: Wir wollen Emissionen aus der Tierhaltung erfassen, bewerten und ver-mindern.
• Stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe: Ziel ist es, in einem ganzheitlichen Ansatz „vom Acker zum Produkt“ wettbewerbsfähige Nutzungspfade und Bioraffinerieprozesse für eine biobasierte Wirtschaft zu entwickeln und zu bewerten.
Politikberatung sowie Forschung und Entwicklung zu Technologiefragen sind die Hauptaufgaben des Instituts, doch auch die Ausbildung besitzt einen hohen Stellenwert. Die Ausbildung von Chemie-laboranten findet im Institut statt und mehr als ein Drittel der Planstellen-Wissenschaftler lehren im universitären Bereich.
Zahlreiche Patente, industriell umgesetzte Verfah-ren, zwei Preise für den Technologietransfer sowie eine erfolgreiche Firmenausgründung verdeutli-chen, dass das Institut in seinen Kompetenzfeldern relevant und wettbewerbsfähig tätig ist.
INSTITUTE 81STRATEGIE 2014
Chemieprodukte aus der Natur
In fast allen Gebrauchsgegenständen finden sich Produkte der chemischen Industrie. Wir forschen daran, Chemieprodukte aus natürlichen Rohstoffen wie Zuckern oder Pflanzenölen herzustel-len. Dafür sind viele Schritte notwendig, physikalische, biotech-nische oder chemisch-katalytische allein oder in Kombinationen. Um alle Glieder dieser komplexen Wertschöpfungsketten – vom Acker bis zu fertigen Produkten – gleichermaßen und unvoreinge-nommen betrachten zu können, arbeiten bei uns Agraringenieure, Chemiker und Biotechnologen Hand in Hand.
So haben wir beispielsweise ein neues Verfahren zur Zucker-oxidation an Goldkatalysatoren entwickelt, dessen Produkte von der Metallverarbeitung bis zu Wasch- und Reinigungsmitteln einsetzbar sind. In diesem wichtigen Kompetenzfeld des Thünen-Instituts wollen wir verstärkt die effiziente und nachhaltige Her-stellung biobasierter Produkte beforschen.
Nicht golden, aber aus Gold: Katalysator zur Zuckeroxidation. Die ungewöhnliche Farbe wird durch Goldnanopartikel hervorgerufen.
Bessere Landluft
Die Intensivtierhaltung in Deutschland ermöglicht eine kosten-günstige, international wettbewerbsfähige Erzeugung von Lebensmitteln, verursacht aber auch Emissionen klimaschädlicher Gase, Gerüche, Stäube und Bioaerosole. Wir forschen, auch zusam-men mit Industriepartnern, an Bioaerosolen und ihrem Verhalten in der Umwelt, an besseren Lüftungssystemen in Ställen sowie innovativen Verfahren der Abluftreinigung.
Pilotprojekte zeigen, dass die von uns entwickelten Techniken und Verfahren die Luftqualität im Stall verbessern, Emissionen verringern, das Waschwasser von Abluftreinigungsanlagen um bis zu 50 Prozent reduzieren und dadurch auch die Wirtschaftlich-keit verbessern. Entsprechende Innovationen sollen auch für die Geflügelhaltung erarbeitet werden.
Computersimulation der Luftströmungen in einem Mastschweine-stall mit optimierter Lüftung.
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„Intelligente“ Pflanzenproduktion
Der Boden ist eine knappe Ressource. Wir entwickeln bodenscho-nende Bearbeitungsverfahren und verbessern das Beregnungsma-nagement für eine nachhaltige Pflanzenproduktion. Sensorsysteme sollen bei Trockenstress den Wasserbedarf frühzeitig erkennen und zu einem nachhaltigen wirtschaftlichen Einsatz von Wasser und Energie beitragen. Bei hoher Bodenfeuchte können schwere Maschinen die Bodenstruktur schädigen. Unsere Konzepte zur guten fachlichen Praxis haben die Bodenstruktur an den unter-suchten Standorten verbessert: Wir haben Sensoren eingesetzt, die kritische, feuchte Bodenzustände erkennen, und Fahrzeugparame-ter an die Verdichtungsempfindlichkeit des Bodens angepasst.
Unser mittelfristiges Ziel ist die Entwicklung von Manage-mentsystemen, die einen nachhaltigen Einsatz von Betriebsmit-teln (Maschinen, Energie, Wasser) erlauben.
Beim Einsatz von schweren Erntemaschinen werden vor Ort Sensoren zur Beurteilung kritischer, feuchter Bodenzustände genutzt.
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Leitung: Prof. Dr. Hans-Joachim WeigelPersonal: 33 Mitarbeiter/innen, davon 21 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Mikrobiologie, Bodenzoologie, Agrar- und Landschaftsöko-logie, Pflanzenökologie und -physiologie
Standort: Braunschweig
Arbeitsbereiche: Bodenbiologie, Biodiversität im Klimawan-del, Landschaftsbezogene Agrobiodiversität
Infrastruktur: Free Air Carbon Dioxide Enrichment FACE,Free Air Temperature Enhancement FATE,Open-Top-Kammern,moderne mikroskopische Verfahren
Institut für Biodiversität
Die Vielfalt des Lebendigen ist die bedeutendste Ressource der Erde. Die Vertragsstaaten der Bio-diversitätskonvention, unter ihnen Deutschland, haben sich zur Erhaltung der biologischen Vielfalt verpflichtet. Landwirtschaft hat über Jahrhunderte hinweg eine hohe Biodiversität in unseren Land-schaften sichergestellt. In den letzten Jahrzehnten jedoch hat die Entwicklung im Agrarsektor der Bio-diversität eher geschadet. Als Reaktion auf diese Entwicklung hat die Europäische Union das Thema Biodiversität zu einem der Kernpunkte ihrer jüngs-ten Agrarreform erhoben („Greening“).
Damit rücken wichtige Fragen ins Zentrum der agrarpolitischen Agenda: Welche Zielzustände der Biodiversität sind anzustreben, welche Handlungs-optionen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Biodiversität bestehen, und wie sind diese zu beurteilen? Um naturwissenschaftlich fundierte Ant-worten auf solche Fragen zu erhalten, bauen wir den Arbeitsbereich „Landschaftbezogene Agrobiodiver-sität“ zu einem Schwerpunkt der Institutsarbeit aus. Hierbei wollen wir uns mit Aktivitäten vernetzen, die andernorts zu dieser Thematik laufen, um im Ver-bund Einschätzungen für große räumliche Skalen, möglichst für ganz Deutschland, ableiten zu können.
Neben der oberirdischen Vielfalt interessiert uns auch die im Boden verborgene Biodiversität. In
einem Kubikmeter Boden existieren mehr Lebewe-sen als Menschen auf der Welt. Die Leistungsfähigkeit der Bodenorganismen ist von zentraler Bedeutung für die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Agrarpolitik sollte daher auch beachten, wie unterschiedliche Bewirt-schaftungssysteme auf das Bodenleben wirken und wie sich eine möglichst hohe Bodenfruchtbarkeit sicherstellen lässt. Solche Fragen werden im Arbeits-bereich „Bodenbiologie“ des Instituts untersucht.
Die derzeit im Arbeitsbereich „Biodiversität im Klima-wandel“ durchgeführten experimentellen Arbeiten zur Wirkung des Klimawandels auf Agrarökosysteme und Nutzpflanzen werden schrittweise aufgegeben.
Die methodischen Kompetenzen der Arbeitsbe-reiche umfassen:
• Prozessanalysen im Labor und auf der Feldskala (unter anderem molekularbiologische Werkzeuge, experimentelle Manipulation von Ökosystemaus-schnitten),
• Freilandökologische Untersuchungen in Betrieben und Betriebsgruppen,
• Analyse der Biodiversität auf großen räumlichen Skalen,
• Einsatz von Modellen als skalenspezifische und -übergreifende Werkzeuge.
Wir untersuchen, wo, welche und wie häufig Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen in Agrarökosys-temen und in Agrarlandschaften vorkommen, welche funktionelle Rolle sie dort spielen und wie diese biologische Vielfalt (Biodiversität) auf die Art und Intensität der agrarischen Landnutzung sowie auf andere Einflussfaktoren reagiert. Wir vernetzen unsere Forschung mit anderen Disziplinen und erarbeiten umfassende Bewertungen zur Biodiversität, die für agrarpolitische Entscheidungen zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der biologischen Vielfalt notwendig sind.
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Klimawandel und Biodiversität: Wer ist Opfer, wer profitiert?
Die Vielfalt von Kultur- und Wildpflanzen ist vom Klimawandel betroffen und gleichzeitig ein Schlüssel zur Anpassung an klima-tische Veränderungen. Mit zum Teil einzigartigen Feldversuchs-anlagen untersuchen wir zurzeit, wie CO2-Anstieg in Kombination mit Dürre und Erwärmung sich auf Weizen und Gerste auswirkt. Im Freilandexperiment reichern wir CO2 an, erhöhen Temperaturen, beobachten in Freilandkammern. Wir ermitteln dabei insbeson-dere, wie unterschiedliche Sorten auf einen CO2-Anstieg reagie-ren. So erhalten wir Hinweise für künftige Fruchtfolgen oder für die Züchtung angepasster Pflanzensorten.
Unsere Resultate werden vielfach für modellgestützte Ertragsprognosen verwendet. Ob und wo die Forschungsarbeiten zu diesem zukunftsträchtigen Thema fortgeführt werden, ist der-zeit noch offen.
Biodiversität der Agrarlandschaft: Vielfalt erzeugt Vielfalt
Auf nationaler Ebene modellieren wir die räumliche Verteilung von artenreichen Landwirtschaftsflächen. Dadurch identifizieren wir Agrarlandschaften mit hoher Biodiversität und können die Folgen künftiger Landnutzungsänderungen abschätzen. Wir entwickeln Strategien, um auch in hochproduktiven Agrarräumen biologische Vielfalt zu fördern, und wir untersuchen Auswirkungen nachwach-sender Rohstoffe auf die Biodiversität.
Um für künftige Aufgaben noch besser gerüstet zu sein, bauen wir im Rahmen der Thünen-Geodaten-Infrastruktur ein Biodiversi-tätsmodul auf und treiben die externe Vernetzung mit Aktivitäten anderer Einrichtungen voran (zum Beispiel mit dem BfN). Dabei wäre ein lohnendes Gesamtziel, auf das wir konzeptionell hinarbeiten, eine deutschlandweite ökologische Begleitforschung zum „Greening“, die für künftige Politikgestaltungen nutzbar wäre.
Winzig, unsichtbar und unverzichtbar: Vielfalt im Boden
Viele Elemente biologischer Vielfalt in Böden sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen, viele gar völlig unbekannt oder in ihren Funkti-onen noch wenig charakterisiert.
Wir entwickeln und nutzen molekulare Verfahren, um Häufigkeit, Vielfalt und Aktivität der mikrobiellen Vielfalt in Böden zu bestim-men – bis hin zur genetischen Gesamtheit, dem „Metagenom“ des Bodens. Wir untersuchen auch, wie zum Beispiel Springschwänze oder Regenwürmer Böden strukturieren, Pflanzenreste oder orga-nischen Dünger umsetzen. Wir prüfen, bei welchen Getreidearten sich Bodentiere hemmend auf Schadpilzentwicklung und Toxin-bildung auswirken. Mit diesen Arbeiten zeigen wir, im Verbund mit anderen Instituten, Wege zu einem besseren Management der Bio-diversität in Böden.
3D-Illustration eines phylogenetischen Baumes zur Darstellung der Vielfalt der Bakterien, die die Wurzel von Mais besiedeln.
Biodiversitätsuntersuchungen und -bewertungen sind jeweils im Kontext der Agrarlandschaft insgesamt vorzunehmen.
Open-Top-Kammern dienen der gezielten Begasung von landwirt-schaftlichen Pflanzen mit klimarelevanten Spurengasen.
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Leitung: Prof. Dr. Heinz FlessaPersonal: 111 Mitarbeiter/innen, davon 48 Wissenschaftler/innenTeam-Profil: Agrarwissenschaften, Geografie, Geoökologie, Geologie, Chemie, Biologie, Bodenkunde, Hydrologie, Landschaftsökologie, UmwelttechnikStandort: Braunschweig
Arbeitsbereiche: Treibhausgasemissionen, Kohlenstoff in Böden, Emission von Ammoniak, Emissionsinventare, Klimawirksamkeit von Produktionssystemen, Klimaschutzmaßnahmen
Infrastruktur: Labor für Boden-, Wasser-, Luft- und Pflanzenproben; Labor für stabile Isotope; Datenbanken zur Emissionsberichterstattung und Bodenzustandserhe-bung Landwirtschaft; Bodenprobenbank Bodenzustandserhebung
Institut für Agrarklimaschutz
Die Landwirtschaft soll verlässlich hochwertige Lebensmittel und nachwachsende Rohstoffe erzeu-gen. Sie wird dabei künftig immer weniger klima- und umweltbelastende Stoffe freisetzen dürfen. Internationale Abkommen zum Klimaschutz und zur Luftreinhaltung verpflichten auch Deutschland dazu, Emissionen zu senken. Da die Landwirtschaft bei eini-gen klimawirksamen Gasen – Lachgas (N2O), Methan (CH4) und Ammoniak (NH3) – der größte Emittent ist, hat sie hier eine besondere Verpflichtung. Das glei-che gilt für die Bewirtschaftung der Agrarflächen mit Blick darauf, ob sie eine Quelle oder Senke für treib-hausgasrelevanten CO2-Kohlenstoff sind.
In diesem Spannungsfeld von Landwirtschaft und Klimaschutz forschen wir mit einem interdiszipli-nären Team von Wissenschaftlerinnen und Wis-senschaftlern. Mit unseren Arbeiten unterstützen wir die Entwicklung einer ressourceneffizienten, klima- und umweltschonenden Landwirtschaft und erarbeiten wissenschaftlich fundierte Lösungen und Entscheidungshilfen für die Politik:
• Wir bewerten, wie landwirtschaftliche Produkti-onsverfahren, Landnutzungsformen und agrarpo-litische Maßnahmen klima- und umweltbelasten-de Emissionen beeinflussen.
• Wir analysieren, wie sich Treibhausgase in der Land-wirtschaft bilden und wie sie umgesetzt werden.
• Wir führen die nationale „Bodenzustandserhe-bung Landwirtschaft“ durch, mit der wir erstmals systematisch die Vorräte organischer Bodensubs-tanz in Agrarböden Deutschlands erfassen.
• Wir erstellen jährlich das nationale Treibhausgasin-ventar für die Bereiche Landwirtschaft und Land-nutzung als deutschen Beitrag zur internationalen Klimaberichterstattung.
• Wir entwickeln Strategien zum Klimaschutz für die Landwirtschaft.
Unser Forschungsansatz übergreift Skalen der Produktion und differenziert nach Standorten. Er umfasst eigene experimentelle Arbeiten zur Quan-tifizierung und Minderung umweltbelastender Emissionen und Depositionen, die Koordination von nationalen und internationalen Forschungs-projekten, die integrierende Bewertung von For-schungsergebnissen sowie die Modellierung und Regionalisierung von Emissionen und der Wirkung von Klimaschutzmaßnahmen. Wir wollen einer-seits effiziente Klimaschutzmaßnahmen für den gesamten Agrarsektor erarbeiten und bewerten, sie andererseits differenziert auf Regionen, Verfah-ren, Betriebstypen und Standorte zuschneiden. Wir sehen uns über Disziplinen hinweg herausgefordert, schließen also auch ökonomische und technische Bewertungen ein und arbeiten hierzu eng mit meh-reren Thünen-Fachinstituten zusammen.
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Moorschutz ist Klimaschutz
Die meisten Moorböden in Deutschland werden entwässert und landwirtschaftlich genutzt. Dies führt zur raschen Mineralisation des Torfes und zu hohen klimabelastenden CO2- und N2O-Emissi-onen. Das Institut für Agrarklimaschutz analysiert die Prozesse der Treibhausgasemissionen aus landwirtschaftlich genutzten und naturnahen Mooren und Anmooren.
Wir wollen bewerten, wie klimawirksam unterschiedliche Formen der Moornutzung je nach Standort sind. Wir modellie-ren und regionalisieren Emissionen, indem wir unsere Ergebnisse zusammen mit vorhandenen Strukturinformationen zu deutschen Moorgebieten nutzen. Die Arbeiten bilden eine zentrale Grund-lage, die nationale Berichterstattung über Emissionen zu verbes-sern; aus ihr wollen wir Empfehlungen für ein klimaschonendes Moormanagement ableiten und die Planung und Bewertung von Moorschutzprojekten verbessern.
Volle Aufmerksamkeit für den Humus
Das Institut für Agrarklimaschutz erforscht die Bedeutung von Agrarböden als Quelle oder Senke für CO2-Kohlenstoff und ana-lysiert den Einfluss von Standort und Bewirtschaftung auf die Speicherung organischer Bodensubstanz. Wir erstellen eine neue nationale Datengrundlage zu den Vorräten organischer Substanz in Agrarböden – die Bodenzustandserhebung Landwirtschaft –, wir analysieren und bewerten, was unterschiedliche Landnut-zungsformen – Grünland, Acker, Kurzumtriebsplantagen – für das Speichern organischer Bodensubstanz bedeuten.
Aktuell widmen wir uns der Frage, ob und wie die organische Substanz in Agrarböden durch den Eintrag unterschiedlicher Bio-kohlen stabilisiert werden kann und welche Maßnahmen für den Erhalt organischer Substanz in Unterböden geeignet sind.
Lachgas- und Ammoniakemissionen
Die Landwirtschaft verursacht in Deutschland die meisten Emissi-onen an Lachgas und Ammoniak. Ein effizientes, emissionsarmes Stickstoffmanagement vermag sie zu mindern.
Wir analysieren und bewerten die Klimawirksamkeit unter-schiedlicher Düngeverfahren und prüfen Maßnahmen zur Emis-sionsminderung durch emissionsarme Düngetechniken, zum Beispiel indem Kleegräser angebaut, Gärreste separiert und genutzt, Injektionstechniken angewandt, Nitrifikationshemm-stoffe eingesetzt werden. Derzeit untersuchen wir, wie Lachgas beim Umbruch beziehungsweise bei der Erneuerung von Grün-land freigesetzt wird.
Messung von Treibhausgasflüssen (CO2, N2O, CH4) mit einer automatisierten Haubenanlage.
Veränderungen des Humusvorrats von Böden sind klimawirksam, da sie mit der Freisetzung des Treibhausgases CO2 beziehungsweise mit der Bindung von CO2-Kohlenstoff verbunden sind.
Moorwasserproben mit hohen Gehalten an gelösten organischen Verbindungen.
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Leitung: Prof. Dr. Gerold RahmannPersonal: 81 Mitarbeiter/innen, davon 24 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Tierhaltung, Pflanzenbau, Bodenkunde, Umweltwis-senschaften, Veterinärmedi-zin, Biologie, Chemie, Agrarökonomie
Standort: Trenthorst
Arbeitsbereiche: Interdisziplinär in den Systemen Ökologische Milcherzeugung, Ökologische Fleischerzeu-gung, Ökologischer Ackerbau, Ökologische Weidewirtschaft
Infrastruktur:Ökologischer Versuchsbe-trieb mit Schwerpunkt für Rinder- und Schweinehal-tungssysteme inklusive Ackerbau, Grünlandnutzung sowie Biotopen und Wäldern; Praxis-Forschungs-Netzwerk mit ökologischen Betrieben; Versuchsflächen, Stallanlagen; Labore
Institut für Ökologischen Landbau
Die Politik strebt ein weiteres Wachstum der ökolo-gischen Land- und Lebensmittelwirtschaft an. Bund und Länder unterstützen mit ihren Fördermaßnah-men eine Flächenausdehnung, und auch die Ver-braucher bekunden ihr steigendes Interesse mit dem Einkaufswagen. Doch deren Nachfrage kann selbst bei Produkten, die hierzulande produzierbar wären, aus deutscher Erzeugung immer weniger gedeckt werden. Die Einfuhren nehmen zu. Die Öko-systemdienstleistungen ökologischen Wirtschaf-tens werden dadurch nicht in Deutschland, sondern von Landwirten anderswo erbracht. Und die hiesige Landwirtschaft kann an einem wirtschaftlich inte-ressanten Markt nur unzureichend partizipieren.
Hilfreich für das Erreichen der politischen Ziele wären mehr wissenschaftlich bewertete Betriebs-konzepte, anhand derer Landwirte eine solide Ent-scheidung treffen können, ob ihr Ökobetrieb auch bei sich ändernden Märkten und Förderrahmen bestehen kann. Auch durch eine verstärkte Begleit-forschung für die bereits ökologisch wirtschaf-tenden Betriebe ließen sich die Voraussetzungen für einen nachhaltig erfolgreichen Ökolandbau verbessern. Die Biobauern stellen sehr konkrete Fragen: Wie kann ich meine Erträge steigern, welche Maßnahmen erhöhen die Bodenfruchtbarkeit? Wie erkenne ich frühzeitig Defizite im Management meiner Milchviehherde, um den Medikamenten-einsatz zu senken und Milchleistung und -qualität nicht zu gefährden? Mit welchem Futter erziele ich als Bio-Schweinemäster hohe Schlachtkörperquali-täten?
Auch die Politik fragt das Thünen-Institut: Wie muss die neue EU-Öko-Verordnung ausgestaltet sein, damit Landwirte unter Wahrung der Prinzipien des Ökolandbaus den gewünschten Wachstumskurs einschlagen können? Welche messbaren Leistungen erbringt der Ökologische Landbau für die Gesell-schaft? Welche agrarpolitischen Fördermaßnahmen unterstützen die Wettbewerbsfähigkeit des Öko-landbaus, welche hemmen sie eher?
Wir verstehen uns als verfahrenstechnologisch ori-entiertes Institut, das Praxis und Politik zu diesen Fragen aus der Sicht der Primärproduktion berät. Unser Forschungsgegenstand ist das gesamte Produktionssystem Ökologischer Landbau. Ent-sprechend haben wir uns aufgestellt: Unser Fokus liegt auf der experimentellen Forschung zur ökolo-gischen Milchvieh- und Schweinehaltung. Ackerbau und Grünlandwirtschaft haben wir als Grundlage der Tierernährung in unsere wissenschaftlichen Aktivitäten integriert, um ganze Prozessketten und Wechselwirkungen zu betrachten.
Wir entwickeln Technologien, um die Effizienz öko-logischen Wirtschaftens zu optimieren, nicht um nur Betriebsergebnisse zu maximieren. Das tun wir unter der Prämisse, nicht nur die geltenden Mindeststandards einzuhalten; Ökolandbau genau an der Grenze dessen zu betreiben, was gesetzliche Regelungen gerade noch erlauben, ist kein zukunftsfähiges Konzept. Mit unseren Lösungen wollen wir die übergeordneten Prinzipien des Ökolandbaus mit Leben füllen und helfen, sie aus wissenschaftlicher Sicht weiterzuentwickeln.
Unser Ziel:
Ein umweltfreundlicher, tiergerechter und effizienter Ökologischer Landbau, rentabel und vorbildhaft für die gesamte Land- und Lebensmittelwirtschaft.
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Ebermast ist tiergerecht, aber schmeckt es auch?
Ebermast wäre die konsequente Folge der laufenden Diskussion zum möglichen Verzicht auf die Kastration männlicher Ferkel. In einem Verbundprojekt mit der Fleischwirtschaft und drei Hoch-schulen untersuchen wir, wie oft Fleisch mit Ebergeruch bei der Ebermast auftritt. Das kommt vor, wenn Tiere vor der Schlachtung in die Geschlechtsreife kommen.
Wir analysieren, ob der Fleischgeruch von Fütterung und Rasse beeinflusst wird und wie Fleisch mit Ebergeruch dennoch verwertet werden kann. Zudem interessiert uns, wie die Masteber zunehmen, wie die Tiere sich vertragen und welche Schlachtkör-perqualitäten sie aufweisen. Unsere Ziele: Erfüllung der gesell-schaftlichen Erwartungen nach mehr Tierwohl, der Bedürfnisse der Konsumenten nach schmackhaftem Fleisch und der Forde-rung der Landwirte nach praktikablen Verfahren.
Kühe bei guter Gesundheit halten
Gesunde Tiere sind die Basis einer nachhaltigen ökologischen Milcherzeugung. Unsere zentralen Forschungsthemen: die Ana-lyse von Risikofaktoren für das Auftreten von Produktionskrank-heiten wie Mastitiden und Lahmheiten, die Prävention durch besseres Management, die Entwicklung geeigneter Indikatoren zur Bewertung von Gesundheit und Wohlbefinden bei Rindern, innovative Kälberaufzuchtverfahren. Unser Ziel: tiergerechte Milchkuhhaltung und Minderung des Tierarzneimitteleinsatzes.
Unsere auf der Versuchsstation gewonnenen Erkenntnisse testen wir darüber hinaus auf Praxisbetrieben: Mithilfe von „stable schools“ oder „online-tools“ (leicht handhabbare Entscheidungs-bäume) bewerten wir mit den Landwirten ihre betriebsindividu-elle Situation und entwickeln gemeinsam mit ihnen passgenaue Handlungskonzepte zur Verbesserung des Tiergesundheitsstatus.
100 Prozent Biofütterung
Hochwertiges Eiweißfutter mit hohen Gehalten essenzieller Ami-nosäuren aus ökologischer Erzeugung ist knapp und teuer. Das Schließen dieser „Eiweißlücke“ ist für die ökologische Schweine- und Hähnchenmast wichtig – und unser Forschungsthema.
Durch neue Anbauverfahren und die Verwendung anderer Arten konnten wir bei Körnerleguminosen bereits das Ertragsri-siko absenken und Produktionskosten einsparen – zum Beispiel durch Mischfruchtanbau, Anbau von Winterformen und redu-zierte Bodenbearbeitung. Analytisch erfassen wir zudem die enorme Bandbreite der Gehalte an limitierenden Aminosäuren in Körnerleguminosen-Zuchtstämmen sowie die standort-, anbau- und sortenbedingten Schwankungen in der Proteinqualität öko-logischer Eiweißfuttermittel. Unser Ziel: optimierte Rationen aus regional erzeugten Futterkomponenten für die Praxis.
In Feldversuchen werden verschiedene Anbauvarianten verglichen. Mit dem Parzellenmähdrescher werden hier Lupinen parzellenscharf beerntet.
Das Wirkungsgeflecht aus Haltung, Fütterung und Hygiene zur Erzeugung hochwertiger Milch mit gesunden Tieren ist komplex und erfordert in der Forschung einen Blick für das Ganze.
Auch die Sauen sollen es gut haben. Im Sommer weiden sie deshalb auf Kleegras. Die hochleistenden Tiere benötigen optimale Haltung und Fütterung, bevor ihre nächsten Ferkel kommen.
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Leitung (kommissarisch): Dr. Dr. h.c. Uwe Schmitt Personal: 65 Mitarbeiter/innen, davon 25 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Holzwirtschaft, Forstwissen-schaften, Chemie, Biologie, Geografie, Umwelt- und Bioressourcen-ManagementStandort: Hamburg-Bergedorf
Arbeitsbereiche: Qualität von Holz und Holzprodukten, Biobasierte Grund- und Werkstoffe, Umwelt- und Klimawirkung der Holznutzung, Gesundheit und Verbrau-cherschutz
Infrastruktur: Chemisches und physikalisches Technikum, Holzschutz-Technikum, Holzanalytik, Xylothek, Elektronenmikroskopie
Institut für Holzforschung
Ob als Brenn- oder Werkstoff: Von Anbeginn hat der Mensch Holz verwendet, es hat seine Existenz geprägt. Selbst in Zeiten billigen Erdöls blieb Holz als Rohstoff attraktiv und wird, seit fossile Ressour-cen knapper werden, zum mit Abstand wichtigsten regenerativen Rohstoff. Auf seine vielfältige stoff-liche Verwendbarkeit – für neue Bauverfahren, als Bestandteil von Verbundwerkstoffen und Ausgangs-produkt für Chemierohstoffe – werden wir auch in Zukunft buchstäblich bauen können.
Am Institut konzentrieren wir uns deshalb auf die Forschung zur stofflichen Nutzung heimischer sowie importierter Hölzer und Holzprodukte. Wir beraten die Politik, wie sie auf dem Weg in eine biobasierte Wirtschaft den Beitrag der Holznutzung zum Klima- und Umweltschutz optimieren, fossile Kohlen- stoff-Ressourcen schonen, die heimische Rohstoff-basis verbreitern und ländliche Räume stärken kann. Konkret sind wir dafür verantwortlich, dass
• Holz und Holzprodukte auch in Zukunft die techni-schen und gesetzlichen Anforderungen für moderne Bau- und Werkstoffe erfüllen,
• Nachhaltigkeitskriterien bei der Nutzung von Holz und Holzprodukten beachtet werden,
• die gute technologische Wissensbasis im Holzsek-tor in Deutschland ausgebaut wird.
Dafür arbeiten an unserem Institut Holz-Chemiker, Holz-Physiker und Holz-Biologen interdisziplinär zusammen. Gestärkt wird dieses Qualifikations-profil durch unsere langjährige Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg im Zentrum Holz-
wirtschaft. Gemeinsam schöpfen wir das techno-logische Potenzial von Holz aus, indem wir zum Beispiel Kompositmaterialien für neue Leichtbau-produkte entwickeln oder die Lebensdauer von Holzprodukten durch innovative Schutzmaßnah-men und Konstruktionen verlängern. Vorbeugung und Schutzkonzepte gegen eingeschleppte tie-rische und pilzliche Holzschädlinge werden zudem immer wichtiger, weil weltweit vernetzte Holz- märkte und der globale Handel mit Holzprodukten die Verbreitung solcher Organismen begünstigen.
Für die Herstellung von Holzprodukten wird wesent-lich weniger Energie verbraucht als für Alternativpro-dukte auf fossiler Basis. Holzerzeugnisse speichern außerdem CO2. Wir bilanzieren tatsächliche und ver-miedene Emissionen. Unser Fachwissen und unsere Forschungsergebnisse bringen wir in Gremien zur nationalen und internationalen Treibhausgas-Berichterstattung ein, zum Beispiel beim IPCC.
Deutschland gehört zu den Ländern, die über eine hoch entwickelte Holzindustrie verfügen. Während Sägewerke Schnittholz aus Rundhölzern herstellen, verwendet die Holzwerkstoffindustrie Schwach- und Resthölzer für plattenförmige Produkte. Sie sind überwiegend für den Bausektor bestimmt, werden aber auch für Möbel eingesetzt. Vor allem im Bau-bereich gelten strenge Vorschriften, damit die Funktion von Gebäuden langfristig erhalten bleibt und den Nutzern keine gesundheitlichen Risiken erwachsen. Wir arbeiten an der Entwicklung und Bewertung von Mess- und Prüfmethoden mit und unterstützen die internationale Normung.
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Laubholz kann mehr
Circa 140 Millionen Kubikmeter Holzrohstoff fallen in Deutsch-land jährlich an, etwa die Hälfte wird stofflich verwertet. Davon sind circa 90 Prozent Nadelholz, nur circa 10 Prozent Laubholz. Ein Ziel unserer Forschung ist es, neue Formen für die stoffliche Ver-wertung zu finden. Bislang wird es zu einem guten Teil nach der Ernte verfeuert.
Die spezifischen Laubholz-Eigenschaften und die meist ungünstigen Wuchsformen erschweren es, mit Massivholzpro-dukten in die von Nadelholz dominierten Bereiche vorzudringen. Die stoffliche Verwertung von Laubholz wird sich nur dann aus-weiten lassen, wenn es gelingt, gemischte Sortimente mit gerin-gen Dimensionen zu Bau- und Holzwerkstoffen zu verarbeiten. Dafür entwickeln wir Konzepte und Strategien.
Statt Petrochemie: Biopolymere aus Holz
Folien und Schäume aus Polyurethan werden heutzutage mit petrochemischen Rohstoffen erzeugt. Die hierfür erforderlichen Polyole können allerdings vollständig durch Lignin ersetzt werden, einen Grundstoff im Holz. Über Bioraffinerieprozesse lässt sich das Organosolv-Lignin herstellen. Im Gegensatz zu natürlichem Lignin eignet es sich gut für derartige Verwendungszwecke. Aus Orga-nosolv-Lignin lassen sich beispielsweise Folien für die Automobil-, Bau-, Textil-, Verpackungs- und Freizeitbranche produzieren.
Chemisch modifizierte Lignine erweitern das Produktspektrum wesentlich und erlauben es, gezielt die Produktqualität zu steu-ern. In Polyurethan-Schäumen ist der Lignin-Anteil, anders als bei Folien, aus technischen Gründen noch auf 30 Prozent begrenzt. Wir streben an, ihn durch chemisch modifizierte Lignine zu steigern.
Im Verbund gegen illegalen Holzeinschlag
Mit mehr als 37.000 Holzmustern gehört unsere Xylothek zu den weltweit größten wissenschaftlichen Holzsammlungen. Mithilfe dieser Referenzhölzer und einer selbstentwickelten Software gelingt es uns, Hölzer oder Holzprodukte zweifelsfrei zu bestim-men. Im „Thünen-Kompetenzzentrum Holzherkünfte“ kombinie-ren wir diese Expertise mit den Kompetenzen zweier weiterer Thünen-Institute, um die geografische Herkunft von Hölzern nachzuweisen und Zertifizierungssysteme weiterzuentwickeln. Damit leisten wir national einen wichtigen Beitrag, das 2013 in Kraft getretene Holzhandelssicherungsgesetz umzusetzen.
Wir sind international führend und arbeiten auf einen globa-len Verbund hin, um illegalen Holzeinschlag schon an der Quelle zu verhindern. Eine besondere Herausforderung ist die Holzarten-bestimmung in Papier; hierfür entwickeln wir einen Faseratlas.
Die Xylothek des Instituts ist ein wichtiges Arbeitsinstrument im Kampf gegen illegalen Holzeinschlag.
Ein PU-Schaum aus Lignin. Künftig eine Alternative für PU-Schäume aus Erdöl?
Früher verschmäht, heute begehrt: Die Rotkernige Buche ist ein gefragtes Holz im Möbelbereich.
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Leitung: PD Dr. Matthias DieterPersonal: 46 Mitarbeiter/innen, davon 39 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Forstwissenschaft, Holzwirtschaft, Ökonomie, Landschaftsplanung
Standort: Hamburg-Bergedorf
Arbeitsbereiche: Waldwirtschaft in Deutschland, Waldwirtschaft weltweit, Holzmärkte, Wald und Gesellschaft
Infrastruktur: Umfangreiche, teilweise exklusive wissenschaftliche Datenbestände
Institut für InternationaleWaldwirtschaft und Forstökonomie
Wälder bedecken ein Drittel der Landfläche der Erde. Sie leisten wichtige Beiträge zur Versorgung der Menschen mit Rohstoffen wie Holz, Nahrung und Wasser. Sie produzieren Sauerstoff, regeln das regionale und globale Klima und sind Erholungs-raum für viele Menschen oder Orte spiritueller Bedeutung. Sie sind naturnahe Landnutzungs-formen und beherbergen viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten.
Bei dieser Fülle an Ansprüchen an den Wald bleibt es kaum aus, dass Konflikte entstehen. Soll im Ein-zelfall der Produktionsfunktion, der Schutzfunktion oder der Erholungsfunktion der Vorrang gegeben werden? Oder ist es im Einzelfall sogar vorteilhafter, den Wald zu roden und die Fläche anderweitig zu nutzen?
Um politische Entscheidungen dazu im bestmög-lichen Sinne des Allgemeinwohles treffen zu können, müssen die Leistungen des Waldes bestimmt und bewertet werden. Für diese Aufgabe verfügen wir über umfassende Expertise
• zu Wirkungszusammenhängen in Wäldern, • zu den unterschiedlichen Bewertungsmethoden
sowohl für private als auch für öffentliche Güter sowie
• zu den politischen Instrumenten aus den verschie-denen Politikbereichen, die den Wald und die Holznutzung betreffen.
Wir nutzen das deutschlandweite Testbetriebsnetz Forstwirtschaft des BMEL, um Aussagen über die Situation der Forstwirtschaft in Deutschland insge-
samt zu treffen. Mithilfe eines Modells können wir zudem verschiedene Szenarien der Waldbewirt-schaftung simulieren und miteinander vergleichen. Bei Forschungsfragen, die einen auf Fallstudien basierten Ansatz erforderlich machen, hilft uns unsere gute Vernetzung in die Praxis der Forst- und Holzwirtschaft, geeignete Betriebe zu finden.
International sind die Forschungsfragen viel kom-plexer – andere Naturräume, Klimate, Nutzungs-traditionen, Politiken und Rechtsverhältnisse vervielfachen den Einfluss auf das Waldmanage-ment. Die Fusion der beiden Thünen-Institute für Weltforstwirtschaft und Forstökonomie nehmen wir zum Anlass, unser künftiges Forschungsprofil zu Fragen des internationalen Walderhalts und der nachhaltigen Waldbewirtschaftung neu auszurich-ten. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor wird die erfolg-reiche Vernetzung mit geeigneten Partnern aus anderen Institutionen und Ländern sein. Ein sowohl national als auch international gesehen wichtiges Gut des Waldes ist Holz. Über die Ernte und Verarbeitung von Holz entstehen vielfältigste Pro-dukte, über den Handel damit Wohlfahrtsgewinne bei den beteiligten Ländern. Diese können insbe-sondere in den Entwicklungsländern zur Armutsbe-kämpfung beitragen. Ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit ist daher die Analyse der Produktion von und des Handels mit Holz und Holzprodukten. Unseren Bestand an internationalen Handelsdaten wollen wir in Zukunft schrittweise erweitern, um die wechselseitigen Abhängigkeiten unterschiedlicher nationaler Waldpolitiken noch besser aufzeigen und die Politik noch zielführender beraten zu können.
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Für politische Abwägungen ist es hilfreich, neben den Kosten auch den Nutzen der zahlreichen Ökosystemleistungen der Wälder zu bewerten und verfügbar zu machen. Nur so können der Wald und sein Holzvorrat „richtig“ im Interesse der Gesellschaft eingesetzt werden.
Wichtig ist dabei, dass die Ansprüche an den Wald sowie seine Leistungsfähigkeit regional sehr unterschiedlich sein können. Wir wollen daher die Leistungen des Waldes soweit möglich regio-nal untergliedert bewerten. Das setzt jedoch eine umfangreiche Datenerfassung voraus, die im Rahmen von Drittmittelaktivitäten realisiert werden soll. Die Unterschiedlichkeit der Ökosystem-leistungen erfordert eine breite Methodenkompetenz, die wir in langjährigen Kooperationen mit anderen Forschungseinrich-tungen kontinuierlich weiterentwickeln.
Die Art der Waldbewirtschaftung in Deutschland wird derzeit stark durch Extensivierungsmaßnahmen beeinflusst; sie reichen von einzelbaumbezogenen Totholzprogrammen bis hin zu flä-chiger Stilllegung im Wald. Aber auch die Holzproduktion ist eine zentrale Ökosystemleistung: Sie ist die Grundlage einer vertikal tief gegliederten und horizontal eng verflochtenen Wertschöp-fungskette, die wir für Deutschland analysieren.
Dazu werten wir sektorale, nationale Statistiken aus und erhe-ben Primärdaten, zum Beispiel durch Befragungen. Für unter-schiedliche Arten der Waldbewirtschaftung wollen wir in Zukunft aufzeigen, welche Wertschöpfung und damit welche Einkommen auf den jeweiligen Verarbeitungsstufen erwirtschaftet werden.
Der immensen Waldvernichtung in den Tropen wird oft mit der Forderung nach Totalschutz begegnet. Ist das aber der richtige Weg? Ist es nicht eher notwendig, den Wald als Quelle nach-wachsender Rohstoffe und anderer gesellschaftlicher Leistungen nachhaltig zu nutzen und damit zu schützen? Davon würden ins-besondere die Menschen vor Ort profitieren.
Wie aber können die über tausende von Jahren entwickelten, höchst artenreichen Wälder der Tropen und Subtropen überhaupt nachhaltig bewirtschaftet werden? Und über welche internationa-len und nationalen Mechanismen lassen sich die notwendigen Anreize finanzieren und auf die örtliche Ebene herunterbrechen? Insbesondere diesen beiden Fragen werden wir uns im neu gegründeten Institut zuwenden.
Die laufende Tropenwaldzerstörung kann nur eingedämmt werden, wenn sich Walderhalt für die Menschen vor Ort lohnt.
Die Holzproduktion ist Grundlage von Einkommen und Beschäfti-gung für über eine Million Menschen in Deutschland.
Gute Waldpolitik braucht Informationen über den Wert der einzelnen Ökosystemleistungen.
Der Wald – Wertschöpfung und Einkommen in Deutschland
Schutz der Tropenwälder – muss es die Käseglocke sein?
Die andere Seite der Medaille – der Nutzenunterschiedlicher Maßnahmen im Wald
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92 INSTITUTE
Leitung: Prof. Dr. Andreas BoltePersonal: 58 Mitarbeiter/innen, davon 36 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Forstwissenschaften, Waldökologie, Hydrologie, Ökophysiologie, Dendro-ökologie, Landschaftsökolo-gie, Biologie, Geografie, Bodenkunde, Jagdkunde und Wildtierökologie, Statistik, Informatik
Standort: Eberswalde
Arbeitsbereiche: Waldökologie, Wildtierökologie, Waldmonitoring, Datenzentrum Wald
Infrastruktur: Lysimeterstation Britz, Grundwasserlysimeter Postluch, Freilandtrockenlabor, Waldversuchsflächen, Wildtiergatter Rädikow, Bodenphysiklabor
Institut für Waldökosysteme
Wälder sollen naturnah sein – und produktiv. Ihre Bewirtschaftung soll nutzbringend sein – und umweltgerecht. Obendrein sollen Wälder gerüstet sein für den Klimawandel. In diesem Spannungsfeld suchen unsere Wissenschaftler nach Lösungen für die Wälder und ihre Bewirtschaftung.
Wir erheben selbst umfangreiche Daten zur öko-logischen Situation von Wäldern. Zudem haben wir Zugriff auf weitere nationale und internatio-nale Datenpools. Wer also etwas zum Zustand des Waldes wissen möchte, wendet sich an uns. Bundes-waldinventur (BWI), Bodenzustandserhebung (BZE), Waldmonitoring und Treibhausgasberichterstat-tung liefern die Daten. Diese stellen wir aber nicht nur für die Wälder in Deutschland zusammen – beim Waldmonitoring tun wir das für Europa. In unserem Datenzentrum Wald führen wir unsere Daten mit jenen aus anderen Quellen zusammen – zum Bei-spiel mit Klimadaten – und machen sie für Wissen-schaft, Politik und Öffentlichkeit verfügbar.
Charakteristisch ist, dass wir zwar Spezialgebiete beforschen – Wildtierökologie, Hydrologie, Boden-kunde, Ertragskunde, Ökophysiologie, Vegeta-tionsökologie –, dies aber mit dem vorrangigen Ziel, die Daten systemisch zu vernetzen. Wir sehen uns als „Querschnittsinstitut“ sowohl im Dien-ste der übergreifenden Waldökologie als auch im wissenschaftlichen Verbund mit anderen Thü-
nen-Fachinstituten und externen nationalen und internationalen Partnern.
Wichtige Forschungsfragen:• Welche Artenvielfalt enthalten Wälder in Deutsch-
land, und welchen Einfluss hat die Waldbewirt-schaftung darauf? Wie wirken sich Wälder und Energieholzbestände auf die Artenvielfalt von genutzten Landschaften aus?
• Wie lässt sich erreichen, dass Waldböden ihre Fruchtbarkeit behalten und möglichst viel Kohlen-stoff speichern? Und wie kann die Waldbewirt-schaftung so gestaltet werden, dass eine optimale Kohlenstoffspeicherung in Wäldern und genutz-tem Holz erzielt wird?
• Der Wald beeinflusst die Menge und Qualität des Grundwassers, schützt vor Bodenerosion und führt zu gleichbleibendem Wasserabfluss. Wie las-sen sich diese Funktionen optimieren, etwa durch Ersatz von Nadel- durch Laubhölzer oder die Mischung beider? Welches Waldmanagement ist für welche Funktion sinnvoll?
• Wie können wir Rehen, Wildschweinen und Co. geeignete Lebensräume bieten, damit Wildtierbe-stände den Wäldern nicht schaden?
Mit unseren Antworten auf diese Fragen beraten wir die Politik, wie sie die Vielfalt der Wälder und ihrer Leistungen für Menschen bewahren und weiterent-wickeln kann.
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Wald und Politik – wirkt die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS)?
Für den Sektor Wald und Forstwirtschaft hat die Bundesregierung im Jahr 2008 eine umfassende Anpassungsstrategie an den Klima-wandel (DAS) beschlossen. Wie gefährdet der Wald ist, wie Maß-nahmen zu seiner Anpassung umgesetzt werden, darüber wird deutschlandweit ab 2015 nach einem politisch abgestimmten Indikatorensystem berichtet.
Unsere nationalen Waldinventur- und Monitoringdaten (BWI, BZE) sind das Rückgrat zukünftiger DAS-Berichte. Diese Daten dokumentieren, wie sich das Wachstum ändert und wie deutsch-landweit Wälder umgebaut werden, um sie fit für den Klimawan-del zu machen. Sie ermöglichen, die Waldgesundheit und die Dynamik der Bodenwasserspeicherung in Waldböden zu bewer-ten. Zukünftig werden wir verstärkt über den Fortschritt der Anpassung an die Bundesregierung berichten.
Wald und Wild – kein Gegensatz beim Miteinander
Wir können aus Angaben zum Aufenthaltsort von Rothirschen deren Ansprüche an den Lebensraum ableiten. Der Rothirsch ist unsere größte freilebende Wildart und gilt wegen der speziellen Ansprüche an den Lebensraum als Leitwildart für intakte Lebens-räume. Von nahezu einhundert mit Sendern markierten Tieren aus unterschiedlichsten Landschaftstypen erhalten wir seit über zehn Jahren diese Daten per SMS. So kennen wir bevorzugte Lebensräume und Wanderkorridore – entscheidendes Wissen für gesunde und lebensraumangepasste Wildbestände.
Wir nutzen es und erarbeiten hieraus ein zielgerichtetes Management mit Ruhezonen und Schwerpunktgebieten für die Jagd. So lassen sich Konflikte zwischen Wald- und Wildbewirt-schaftung zukünftig besser lösen.
Wald und Klimawandel – anpassen auch mit heimischen Baumarten
Unser Wetter wird extremer. Trockenheit und Hitze häufen und verstärken sich. Deshalb experimentieren wir im Gewächshaus und in unserem Freilandlabor daran, wie wir Wälder an den Klima-wandel anpassen können.
Erste Ergebnisse zeigen, dass Buchen Wassermangel deutlich besser verkraften, wenn sie vom „trockenen“ Rand ihrer natür-lichen Buchenverbreitung stammen. Herkünfte aus dem „feuch-teren“ Verbreitungszentrum sind weniger tolerant. Setzen wir also trockentolerante Herkünfte ein, können wir unserer Wälder anpassen, ohne die heimischen Baumarten ersetzen zu müssen. Allerdings müssen die eingeführten Herkünfte auch an andere Umweltbedingungen am neuen Wuchsort angepasst sein. An diesem Lösungsweg forschen wir derzeit intensiv in nationalen und internationalen Netzwerken.
Im Freilandlabor untersuchen wir die Anpassung junger Buchen an Trockenheit.
Wir nutzen GPS-Sender, um die bevorzugten Lebensräume von Wildtieren zu erfassen.
Fichtenwälder werden von Borkenkäfern geschädigt, die durch die Klimaerwärmung in höherer Dichte auftreten.
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Leitung: PD Dr. Bernd DegenPersonal: 81 Mitarbeiter/innen, davon 26 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Forstwissenschaft, Populationsgenetik, Quantitative Genetik, Modellierung, Biotechnologie, Genomik, Bioinformatik
Standorte: Großhansdorf, Waldsieversdorf
Arbeitsbereiche: Herkunfts- und Züchtungs-forschung,Resistenzforschung,Ökologische Genetik,Genomforschung
Infrastruktur: Labore (> 2.000 m²), Gewächshäuser (> 1.500m²), über 500 Versuchsflächen im Wald, DNA-Sequenzierer
Institut für Forstgenetik
Wir möchten, dass der Wald legal und nachhaltig genutzt wird. Er soll wuchskräftig und stabil gegen-über natürlichen und anthropogenen Störungen sein. Mithilfe eines über Jahrzehnte entstandenen deutschlandweiten Netzes von mehr als 500 Ver-suchsflächen testen wir in langfristig angelegten Anbauversuchen die Wüchsigkeit und Resistenz unterschiedlicher Saatgutherkünfte der für Deutsch-land wichtigsten Baumarten. Unter kontrollierten Bedingungen im Gewächshaus und in Klimakam-mern prüfen wir zusätzlich verschiedene Resistenz-eigenschaften betroffener Baumarten gegenüber neuartigen Schaderregern und Pathogenen.
Bäume haben je nach Art eine Generationsdauer von 5 bis 40 Jahren. Sie zu züchten dauert viel länger als bei den zumeist einjährigen Pflanzen in der Landwirtschaft. Daher investiert die Privatwirtschaft in diesem Bereich nicht. Gerade durch Züchten von Bäumen lassen sich jedoch Wüchsigkeit und Wider-standsfähigkeit wie auch die Holzqualität deutlich steigern. Gemeinsam mit den forstlichen Versuchs-anstalten der Länder führen wir daher staatlich geförderte Züchtungsprogramme durch. Ferner ermitteln wir Potenziale und Risiken der Biotechno-logie bei Bäumen.
Unsere Feldversuche und Züchtungsprogramme verlangen nach Kontinuität und Langfristigkeit. Daher werden wir uns auch zukünftig hier enga-gieren. Wir entwickeln Standards, die anschließend
von weiteren Versuchseinrichtungen angewen-det werden. Die Ergebnisse aus den Herkunfts-versuchen, die auch Aspekte des Klimawandels berücksichtigen, gehen in Politikempfehlungen, Förderrichtlinien und Anbauempfehlungen des Waldbaus ein. Ein Teil der Feldversuche wird direkt für die Zulassung von höherwertigem Vermeh-rungsgut der Kategorie „Geprüft“ genutzt. Das Ausgangsmaterial, mit dem wir Saat- und Pflanzgut erzeugen, geben wir an Baumschulen und In-vitro-Labore zur Vermarktung gegen Lizenzgebühren ab.
Im Bereich Genomforschung und genetische Inven-turen durchlaufen wir einen sehr schnellen tech-nischen Fortschritt. Wurden vor zehn Jahren nur einige wenige Genbereiche untersucht, können wir inzwischen hunderte von Genen gleichzeitig oder gar ganze Genome analysieren. Wir werden in den nächsten Jahren die Entwicklung und den Einsatz von Genmarkern und DNA-Sequenzdaten deutlich ausbauen, insbesondere für den Einsatz in der inter-nationalen Holzherkunftsforschung.
Dass wir heute in der internationalen Forschung einen besonderen Platz behaupten, liegt an der über viele Jahre gewachsenen, weltweiten Infra-struktur mit Versuchsflächen im Wald und Partnerla-boren. Wir vertreten Deutschland im Europäischen Netzwerk zur Erhaltung Forstlicher Genressourcen (EUFOGEN) und geben die forstgenetische Fachzeit-schrift „Silvae Genetica“ heraus.
Weltweit vorne:
Wir erarbeiten Methoden und Referenzdaten, um Art und Herkunft von Hölzern mit Gentests zu bestimmen – ein wichtiger Beitrag gegen den illegalen Einschlag von Holz und ein Beitrag zur nachhaltigen Forstwirtschaft.
INSTITUTE 95STRATEGIE 2014
Das Genom der Bäume entschlüsseln
Wenn wir Baumgenome entschlüsseln, können wir Gene identifi-zieren, die für die Holzbildung verantwortlich sind, die der Abwehr von Schädlingen und Pathogenen dienen, die schnelles Wachs-tum bedingen oder die uns erlauben, biobasierte erneuerbare Produkte und schadstoffarme Energie aus verholzter Biomasse zu gewinnen. Kleine Unterschiede in der Genomsequenz nutzen wir für die Entwicklung molekularer Marker, um gezielt Bäume zu selektieren, die besser an den bevorstehenden Klimawandel angepasst sind und somit Risiken im Waldbau mindern helfen.
In den nächsten Jahren werden wir für zehn wichtige Baumar-ten im großen Umfang Genome und deren Genprodukte sequen-zieren und aus dieser Informationsfülle hunderte von molekularen Markern für diagnostische Zwecke entwickeln.
Holzart und Herkunft bestimmen
Baumarten haben genetische Unterschiede. Mithilfe der DNA-Sequenzierung finden wir sie und entwickeln genetische Nachweis-methoden zur Artbestimmung. Gemeinsam mit Partnerinstituten bauen wir weltweit Referenzdaten auf: Sie zeigen, wie Baumarten innerhalb des Verbreitungsgebiets genetisch variieren. Im Fokus stehen dabei Sequenzunterschiede in Chloroplasten und große Sets von informativen SNP-Genmarkern des Zellkerns. Damit lässt sich die Herkunft des Holzes kontrollieren, und wir sehen, inwie-weit Gesetze zum Schutz der Wälder eingehalten werden.
Zurzeit können wir im Holz 65 Baumarten genetisch nachwei-sen und für zehn Baumarten anhand der genetischen Zusammen-setzung die geografische Herkunft überprüfen. In den nächsten fünf Jahren möchten wir in der Lage sein, für die 200 wichtigsten Baumarten die Art und für 30 Baumarten die geografische Her-kunft zu bestimmen.
Schnellwüchsige Baumarten züchten
Ähnlich wie in der Landwirtschaft ist es möglich, den Holzertrag durch Züchten zu steigern und auch die Holzqualität positiv zu beeinflussen. Dafür wählen wir geeignete Plusbäume aus, kreuzen diese untereinander, prüfen ihre Nachkommen auf Wüchsigkeit und Resistenz gegen Krankheiten und Schädlinge. Dieses hoch-wertige Vermehrungsgut wird dann für Kurzumtriebsplantagen und zur Pflanzung im Forst verwendet.
Die Intensität unserer Züchtung wird in den nächsten Jahren je nach Art unterschiedlich ausfallen. Die Spanne reicht hier von der Prüfung von Bestandesabsaaten – zum Beispiel Eiche – über die Anlage von neuen Hochleistungssamenplantagen – zum Bei-spiel Kiefer – bis hin zu gelenkten Kreuzungen und Selektion von Spitzenklonen – zum Beispiel Pappeln. Der angestrebte Volumen-mehrertrag nach 15-jähriger Züchtungsarbeit liegt dabei zwi-schen 10 und 30 Prozent. Züchtung schnellwachsender Bäume.
Arbeiten zur genetischen Holz- und Holzherkunftserkennung.
Das Genom der Bäume entschlüsseln.
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Wir erarbeiten die ökologischen und ökonomischen Grundlagen, um
• dieFischbeständeundÖkosystemeinderNordseeundimNordatlantikgesundzuerhalten, • einenachhaltigeVersorgungmithochwertigenLebensmittelnausdemMeersicherzustellen, • unterschiedlicheNutzungsformenökosystemgerechtundkonfliktarmzuintegrieren.
Die flachen Kontinentalsockel machen etwa acht Pro-zent der Gesamtfläche der Meere aus und beherber-gen einige der produktivsten Ökosysteme der Welt. 99 Prozent der Seefischereierträge stammen aus diesen schmalen Schelfgebieten. Nur wenn die Öko-systeme intakt sind, können Fischbestände dort ihre volle Produktivität entfalten und kann das Managem-entziel des maximalen Dauerertrags erreicht werden. Gleichzeitig konkurriert die Fischerei mit immer mehr Nutzern: Offshore-Windparks, Natura-2000-Mee-resschutzgebiete und andere Ansprüche erfordern einen Paradigmenwechsel in der Fischereipolitik – hin zu einem integrierten Bewirtschaftungsmodell.
Wir wollen die Politik darin unterstützen, die Fische-rei in ein umfassendes Meeresmanagement zu integrieren. Deshalb haben wir auch in der Fischerei-forschung einen Paradigmenwechsel vollzogen. Wir arbeiten systemorientiert und haben die Forschungs-einheiten unseres Instituts so zugeschnitten, dass in einem Bereich gewonnene Erkenntnisse die Basis der nächsthöheren Betrachtungsebenen bilden:
• Analysen von Fischbeständen und Prognosen zu deren Entwicklung sind eingebettet in Unter- suchungen der Ökosysteme, in denen sie leben.
• Auf der nächsten Ebene stehen ökonomische Betrachtungen: Wir analysieren Produktions- systeme und das Verhalten der Akteure unter unterschiedlichen biologischen, ökonomischen und normativen Randbedingungen entlang der Wertschöpfungskette vom Fang bis zum Teller.
• Die ökonomischen Analysen sind wiederum Teil der Gesamtbetrachtung von Meeresnutzungs-konzepten. Wir fragen, wie sich verschiedene Schutz- und Nutzungsansprüche kumulativ aus-wirken und suchen nach optimalen Lösungen.
Das Leben im Meer kennt keine Ländergrenzen; weder Schutz noch Ressourcennutzung lassen sich national organisieren. Seit jeher erarbeiten wir deshalb Bewirtschaftungs- und Fangquotenemp-fehlungen im internationalen Verbund. Die einzig-artigen Serien von Langzeitdaten, die wir mithilfe unserer drei hochspezialisierten Forschungsschiffe nationenübergreifend erheben, bilden dafür die Basis.
Wir nutzen den technologischen Fortschritt ande-rer Meeresforschungsdisziplinen und passen automatisierte Messverfahren für das Monitoring von Fischbeständen an. Im Zusammenspiel mit 3D-Simulationsmodellen der Meeresströmungen helfen uns diese Daten, Änderungen der Mee-resumwelt und die Auswirkungen auf Fischbe-stände und Ökosysteme künftig nahezu in Echtzeit zu analysieren.
Im Vergleich zum Thünen-Institut für Ostseefische-rei fokussieren wir stärker auf ökonomische Aspekte der Fischereiwirtschaft und darauf, das Fischereima-nagement in den Gesamtkontext von Meeresnut-zung zu integrieren. Außerdem unterscheiden sich unsere regionalen Schwerpunkte.
Leitung: Dr. Gerd KrausPersonal:80 Mitarbeiter/innen, davon 35 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Meeresbiologie, Fischereiökologie, Mathematik, Physik, Ökonomie
Standort: Hamburg-Altona
Arbeitsbereiche: Lebende Meeresressourcen, Meeresökosysteme, Integrierte Meeresnutzungs-konzepte, Mess- und Beobachtungs-systeme, Ökonomische Analysen der Fischerei und Aquakultur
Infrastruktur: Fischereiforschungsschiffe „Walter Herwig III“, „Solea“, „Clupea“
Institut für Seefischerei
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Meeresökosysteme im Klimawandel
Wir untersuchen, wie sich der Klimawandel auf die Zusammen-setzung von Fischartengemeinschaften auswirkt. So nehmen seit Ende der 1980er-Jahre sogenannte lusitanische Fischarten in der südlichen Nordsee stark zu. Die Häufigkeit des Auftretens solcher Fische eines eigentlich südlicheren Verbreitungsgebietes in der Nordsee wurde als Indikator für den Klimawandel in der Nordsee in die „Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ über-nommen.
Mittelfristig ist es unser Ziel, zuverlässiger zwischen Klimaeffek-ten und Auswirkungen der Fischerei auf die Ökosysteme und Fisch-bestände in der Nordsee zu unterscheiden. Daraus entwickeln wir neue, klimasensible Referenzwerte für die Fischerei.
Smarte Technik statt alter Netze
Bislang haben Fischereibiologen mit unterschiedlichsten Netzen ihre Proben und Daten sehr zeitaufwendig gewinnen müssen. Dies wollen wir ändern. In einem Großprojekt mit Thünen- und externen Partnern entwickeln wir Methoden, sowohl Fänge an Bord als auch die Fische im Meer automatisch zu identifizieren und zu registrieren.
Für das Institut für Seefischerei steht ein nicht-invasives Moni-toring-System, das Fische in der Nordsee erfasst, im Fokus. Ein sol-ches Monitoring- und Auswertungssystem ist weltweit neuartig. Da es sich auf andere Seegebiete übertragen lässt, schafft es die technische Voraussetzung, fischereibiologische Untersuchungen global auf eine neue, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Grundlage zu stellen.
Fisch vom Land her denken
Fangfischerei und Aquakultur werden in der politischen Steue-rung als voneinander weitgehend unabhängige Produktions-systeme betrachtet. Vom Verbraucher wird aber kaum zwischen Produkten aus Fischerei oder Aquakultur unterschieden, und sie konkurrieren teilweise am Markt.
Daher ist es sinnvoll, die traditionelle Fokussierung des Fische-reimanagements zu erweitern, indem ein produktorientierter Rahmen für Bewirtschaftungsentscheidungen in Fischerei und Aquakultur geschaffen wird. Dies tun wir, indem wir – gemein-sam mit dem Institut für Fischereiökologie und anderen Partnern – aquatische Produktionssysteme weltweit vergleichen. Aus den Analysen lassen sich grundsätzliche Empfehlungen ableiten, etwa in welchen Fällen Aquakultur gegenüber der Fangfischerei im Vor- beziehungsweise Nachteil ist.
90 Prozent des Gesamtaufkommens an Fisch und Fischereierzeugnis-sen in Deutschland werden importiert – häufig produziert in einer asiatischen Fischfarm.
Im geplanten Einsatzgebiet des Unterwasser-Fisch-Observatoriums (UFO) werden wichtige Begleitdaten zu Temperatur und Salzgehalt und Strömungsverhältnissen gewonnen.
Der Rote Knurrhahn breitet sich seit einigen Jahren auch zunehmend in der nördlichen Nordsee aus. 2013 wurde sogar ein einzelnes Exemplar vor Grönland gefunden.
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Leitung: PD Dr. Reinhold HanelPersonal: 51 Mitarbeiter/innen, davon 27 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Meeres- und Fischereibiolo-gie, Chemie, Physik, Agrar-, Ingenieur- und Sozialwis-senschaften
Standorte: Hamburg-Altona, Hamburg-Rothenburgsort, Ahrensburg, Cuxhaven
Arbeitsbereiche: Lebende Meeresressourcen, Meeresüberwachung, Schadstoffanalytik, Radioökologie, Pathologie, Aquakultur, Binnenfischerei, Genetische Diversität, Sozioökonomie
Infrastruktur: Fischereiforschungsschiffe „Walther Herwig III“, „Solea“, „Clupea“; Speziallabore für Schadstoffanalytik (inkl. Radiochemie), Biochemie, Pathologie und Genetik; Hälterungs- und Experimen-tiereinrichtungen für Fische und Fischnährtiere
Institut für FischereiökologieBinnengewässer und Schelfmeere sind sensible Ökosysteme. Wir nutzen sie als wichtige Wirt-schaftszonen für Aquakultur und Fischerei; gleich-zeitig gefährden übermäßiger Nährstoffeintrag und die Verschmutzung durch Schadstoffe diese Lebensräume. Aus diesem Spannungsbogen leiten wir die Kernthemen unserer Forschung und Politik-beratung ab.
Unser Auftrag ist es, die Meeresumwelt zu erforschen und zu überwachen. Wir wollen frühzeitig erkennen, was sich verändert, und bewerten können, wie sich das auf das Nutzungspotenzial lebender Ressourcen auswirkt. Immer wichtiger werden dabei – vor allem im Rahmen der Entwicklung nachhaltiger Produkti-onsverfahren in der Meeres- und Binnen-Aquakultur – alternative Nutzungskonzepte. Nutzungskonzepte werden aber auch zu Schutzkonzepten, dort, wo es um den Erhalt sensibler Wanderfischarten geht oder um die Bewahrung genetischer Diversität in aqua-tischen Beständen.
• Gesunde, nachhaltig nutzbare Meeresressourcen: Um Meeresressourcen nutzen zu können, müssen sie möglichst unbelastet von Schadstoffen und gesund sein. Mit unseren drei Forschungsschiffen und moderner Laboranalytik erheben wir einzig-artige Langzeitdaten zu Radioaktivität und Schad-stoffbelastung in Fischen und anderen aqua-tischen Organismen. Auch das Erfassen von Fischkrankheiten gehört zu unseren Aufgaben: Pro Jahr bestimmen wir den Gesundheitszustand tausender Einzelfische aus Nord- und Ostsee.
• Analyse, Bewertung und Optimierung von Aquakul-tur-Systemen: Weltweit liefert die Meeres- und Bin-nen-Aquakultur bereits mehr als die Hälfte an Fisch und Meeresfrüchten für die Humanernäh-rung. Gleichzeitig verfehlen weltweit vor allem verschiedene Intensiv-Aquakultursysteme die An-forderungen an Ressourceneffizienz und Umwelt-wirkung deutlich. Wir bewerten Ökonomie, Öko-logie und Tiergerechtheit verschiedener Verfahren, entwickeln neue Futtermittel und te-sten neue Arten auf ihre Eignung für die Aquakul-tur.
• Erhalt genetischer Diversität in Meeren und Binnen-gewässern: Um sensible Wanderfischarten zu er-halten und die Diversität aquatischer Bestände zu bewahren, entwickeln wir Schutzkonzepte. Zu-dem nutzen wir unsere Expertise im Bereich der Arterkennung und des genetischen Fingerprin-ting: Mittels einer einzigartigen DNA-Proben-Sammlung atlantischer Fischarten helfen wir, den Import verarbeiteter Fischprodukte aus illegaler oder unregulierter Fischerei zu unterbinden.
Wir leben Interdisziplinarität – an unserem Institut arbeiten Chemiker, Biologen, Fischwirte und Tech-niker eng zusammen, um gemeinsam mit interna-tionalen Partnern die Forschung auf dem Gebiet der Fischereiökologie voranzubringen. Eine hohe Beratungsqualität für die Politik sichern wir damit ebenso wie die Erfüllung der Qualitätsstandards für unsere Monitoring-Pflichten im Rahmen internatio-naler Konventionen (OSPAR, HELCOM, EU-Meeres-strategie-Rahmenrichtlinie).
INSTITUTE 99STRATEGIE 2014
Faszinierendes Sorgenkind
Kaum eine andere Fischart steht derzeit so sehr im Fokus der öffentli-chen Wahrnehmung wie der mittlerweile auf der Roten Liste geführte Europäische Aal. Selbst das EU-Parlament berät über geeignete Maß-nahmen, den Bestand wieder aufzufüllen. Doch die Ursachen für den Bestandsrückgang sind vielfältig und bedürfen einer möglichst ganz-heitlichen Betrachtung.
Als einziges europäisches Forschungsinstitut untersuchen wir alle Lebensstadien des Aals. Mit regelmäßigen Surveys zur Erfas-sung des Auftretens von Aal-Larven in der Sargassosee, der Analyse des Gesundheitszustands von Aalen in allen deutschen Flussgebie-ten, der Untersuchung des Wanderverhaltens von Blankaalen und der künstlichen Reifung und Eigewinnung schaffen wir die Grund-lagen für ein sinnvolles Management dieser einzigartigen Fischart.
Gesund wie ein Fisch im Wasser
Stimmt dieses Sprichwort eigentlich? Um das festzustellen, über-wachen wir regelmäßig den Gesundheitszustand von Fischen in Nord- und Ostsee. Aktuell konnten wir im Rahmen des EU-Projektes CHEMSEA zeigen, dass das Sprichwort für Dorsche aus einem Ostseegebiet bei Bornholm, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg auf Anordnung der Siegermächte circa 35.000 Tonnen chemische Kampfstoffmunition versenkt wurde, nicht gilt. Hier waren die Fische magerer und kränker als in Vergleichsgebieten der westlichen und östlichen Ostsee.
Zwar erhärten auch die Analysen unserer Projektpartner sowie der Nachweis von Kampfstoff in Sedimenten und teils auch im Fisch den Verdacht, dass die versenkte Munition die Ursache für den Zustand der Dorsche ist. Da wir den Einfluss anderer Schad-stoffe und Umweltstressoren jedoch nicht ausschließen können, werden wir unsere Untersuchungen fortsetzen.
Fischfutter ohne Fisch in der Aquakultur
Aquakultur ist weltweit der am schnellsten wachsende Tierpro-duktionssektor, und Fischmehl gilt hier bislang als beste Quelle von Futterprotein. Doch immer mehr Fisch fangen, um Fische zu ernähren? Das ist wenig nachhaltig. Wenn die Verfügbarkeit von Fischmehl also an ihre Grenzen stößt und dafür zudem stark stei-gende Preise zu zahlen sind, wird es unabdingbar, den Fischmehl-anteil im Fischfutter drastisch zu reduzieren. Dies gilt vor allem für das Füttern von Süßwasserfischen.
Wir untersuchen deshalb, wie verschiedene Fischarten physio-logisch reagieren, wenn das Fischmehlprotein in ihrem Futter durch pflanzliche Rohstoffe ersetzt wird. Aktuell prüfen wir dabei, ob sich auch bei der Gewinnung regenerativer Brennstoffe anfallende pflanz-liche Proteine (zum Beispiel Presskuchen tropischer Ölsaaten) eignen.
Wir arbeiten daran, den Anteil pflanzlicher Proteine im Fischfutter zu erhöhen.
Versenkte Kampfstoffmunition in der Ostsee.
Die Bestandsstärke des Europäischen Aals hat dramatisch abgenommen. Wir erforschen die Gründe.
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Leitung: Dr. Christopher Zimmer-mannPersonal: 60 Mitarbeiter/innen, davon 25 Wissenschaftler/innen
Team-Profil: Meeres- und Fischerei-biologie, Aquatische Ökologie, Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Sozialwissenschaften
Standorte: Rostock, Hamburg-Altona
Arbeitsbereiche: Lebende Meeresressourcen, Meeresökosysteme, Fischerei- und Surveytech-nik, Öffentlichkeitsarbeit, Governance
Infrastruktur: Fischereiforschungsschiffe „Walter Herwig III“, „Solea“, „Clupea“; Forschungsboot „Belone“, Micromill
Institut für OstseefischereiUnser primäres Arbeitsgebiet ist ein ganz beson-deres Meer: die Ostsee, das größte Brackwasser-gebiet der Erde. Durch den geringen Salzgehalt ist ihre marine Fauna artenarm, Wechselwirkungen zwischen den Hauptarten sind einfach. Auch die Fischerei ist zwar vielfältig, aber einfach strukturiert. Die kleine Küstenfischerei prägt die meist struktur-schwachen Küstenregionen der Anrainerstaaten. Dank dieser Charakteristika wird die Ostsee zum idealen Testgebiet für neue Ansätze zur Datenerhe-bung und zum Fischereimanagement. Wir konzen-trieren uns auf folgende Bereiche:
• Grundlagen: Wir erforschen die Ursachen für die stark schwankende Reproduktion des für die deut-sche Fischerei wichtigsten Heringsbestandes. Er laicht vor allem in den inneren Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns. Unsere Datenreihe zur Nachwuchsproduktion überschaut mehr als 35 Jahre, sie ist eine der weltweit wertvollsten in der Rekrutierungsforschung. Kern unserer Arbeit zur zweiten wichtigen Fischart, dem Dorsch, sind das Wachstum und die Trennung der beiden Bestände in der Ostsee. Wir markieren die Gehör-steinchen (Otolithen) dieser Tiere und analysieren ihre Chemie. Ziel all dieser Aktivitäten: möglichst präzise Bestandsberechnungen und -prognosen.
• Daten: Wir versuchen, die direkten menschlichen Einflüsse auf kommerziell genutzte Fischbestände ebenso zu erfassen wie die Auswirkungen der Fischerei auf die Meeresumwelt. Wir ermitteln dazu auch Rückwürfe – und die Motivation für dieses Verhalten –, die Sterblichkeit der Rückwür-
fe, und wie viel Freizeitfischer fangen, die über ihre Fangmengen nicht berichten müssen.
• Fischereimanagement: Wir entwickeln und testen Ansätze dafür, wie erwünschtes Verhalten der Fischer durch konsequent richtige Anreize be-stärkt wird. 2015 werden die Regeln der reformier-ten Gemeinsamen Fischereipolitik der EU zuerst in der Ostsee eingeführt. Sie gehen in diese Rich-tung, sind aber noch nicht implementierbar. Vor allem bei der Ausgestaltung und Kontrolle des Anlandegebots benötigen Politik und Kontrollbe-hörden wissenschaftlichen Rat.
• Fischerei- und Surveytechnik: Wir entwickeln um-weltfreundliche, energiesparende Fanggeräte, daneben auch automatisierte Methoden der Da-tenerfassung. Sie helfen uns, die im Rahmen des Ökosystemansatzes kontinuierlich steigenden Anforderungen an Datenmengen und -präzision zu erfüllen. Einige der Methoden lassen sich auch für Kontrollzwecke einsetzen oder erlau-ben dem Fischer, regelkonformes Verhalten nachzuweisen.
Direkter Empfänger: die deutsche und europä-ische Politik. Viele Ansätze lassen sich aber durch die Beteiligung von Wirtschaft, Verbrauchern und Umweltverbänden viel schneller realisieren. Indem wir auch diesen Gruppen wissenschaftliche Erkennt-nisse näherbringen, wollen wir die Diskussion sachlich qualifizieren. An der Entwicklung standar-disierter Bewertungsverfahren, zum Beispiel im Rahmen der Nachhaltigkeitszertifizierung, sind wir intensiv beteiligt.
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„Fischbestände online“: Objektive Information zählt!
Die nachhaltige Bewirtschaftung von Fischbeständen ist so kom-plex, dass auch Verarbeitung und Handel einen großen Bedarf an wissenschaftlicher Beratung haben. Speziell für diese Zielgrup-pen haben wir eine Website entwickelt, deren Informationen sie in die Lage versetzt, eigene Einkaufspolitiken zu entwickeln und so nachhaltige Fischereien zu unterstützen. Wir adressieren alle Aspekte der nachhaltigen Nutzung von Meeresfisch, der für den deutschen Markt relevant ist: unabhängig, wissenschaftlich exakt, glaubwürdig, aktuell. Wir verstehen „Fischbestände online“ dabei nicht als Konkurrenz zu den Fischführern der Umweltverbände, sondern als deren Grundlage.
Die Website ist inzwischen das wichtigste Informationsange-bot für deutsche kommerzielle Einkäufer. Das langfristig von der Wirtschaft finanzierte Tool bauen wir gemeinsam mit den Praxis-partnern in den nächsten Jahren weiter aus.
Dramatisch unterschätzt: Die Freizeitfischerei
Angler spielen an der deutschen Küste eine große Rolle, vor allem ökonomisch. Inzwischen wissen wir auch, dass sie erhebliche Mengen Fisch fangen: Aus der westlichen Ostsee werden bis zu 50 Prozent der kommerziellen Fangmenge deutscher Fischer an Dorsch zusätzlich geangelt; bei Lachsen und Meerforellen könnte der Anteil noch viel höher sein. Wir haben Methoden entwickelt, diese Fänge belastbar zu erheben und sie – erstmals in Europa – in die wissenschaftlichen Bestandsberechnungen zu integrieren.
Zudem ermitteln wir experimentell die Überlebensrate zurück-gesetzter Fische, da ein großer Teil der Fänge gar nicht angelandet wird. Aus diesen Erkenntnissen entwickeln wir Vorschläge für ein Management der Freizeitfischer, das die Datenerhebung erleich-tert, die Verteilung fair gestaltet und die Nachhaltigkeit der Angel-fischerei sichert.
Vorsprung durch Technik: Selektivere, energie- sparende und umweltfreundliche Netze
Um die Ziele der Fischereipolitik zu erreichen, sind nicht nur Management-Maßnahmen (zum Beispiel Fangquoten) nötig, son-dern auch technische Innovationen: zum Beispiel selektivere Netze, in denen nur die vom Fischer gewünschten und vermarktbaren Arten gefangen werden, oder alternative Fangmethoden, die den Einfluss auf den Meeresboden reduzieren oder den Beifang von Meeresvögeln oder Seesäugern vermeiden helfen.
Selbst vorhandene Netze lassen sich oft mit geringen Ände-rungen verbessern: So sorgen kleine Auftriebskörper im hinteren Teil des Netzes dafür, dass zu kleine Dorsche das Fluchtfenster im oberen Netzteil finden und entkommen. Solche Kooperationen mit der Fischereipraxis wollen wir in Zukunft verstärken, um für erkannte Probleme gemeinsam innovative technische Lösungen zu entwickeln. Auftriebskörper unter dem Fluchtfenster leiten Dorsche nach oben.
Deutsche Ostsee-Angler fischen bis zu 4.000 Tonnen Dorsch im Jahr.
Über 150 Bestände aus 33 Fischarten sind beschrieben.
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Dr. Ulrike Kammann
Bis 2020 sollen Europas Meere in „gutem Umweltzustand“ sein. Um dieses Ziel messbar zu machen, entwickeln wir in internationaler Kooperation Zustands- und Belastungsindikatoren und unter-setzen sie mit Bewertungskriterien. So erarbeiten wir Referenzwerte für die Biodiversität und genutzte Fisch-arten, bewerten die Integrität des Meeresbodens und definieren Schad-stoff-Schwellenwerte. Ziel: ein valider Bewertungsrahmen für den Meeres-Umweltzustand.
Integrierte Bewertung des Umweltzustands der Meere
Prof. Dr. Heinz Flessa
Die Landwirtschaft muss ihre Treibhaus-gas- und Ammoniakemissionen senken. Um die Wirksamkeit von Minderungsstra-tegien prüfen zu können, analysieren wir: Welche Effekte bringen neue Düngungs-verfahren und Stallsysteme? Wie reagie-ren Emissions-Hotspots (zum Beispiel entwässerte Moore, Grünlandumbruch) auf verschiedene Nutzung? Wie beein-flussen Standortbedingungen und Land- nutzung die C-Speicherung in Böden? Wie klimarelevant sind verschiedene Bioenergielinien?
Erfassung und Minderung klimarelevanter Emissionen
Dr. Nicole Wellbrock
Kaum jemand kennt Deutschlands Agrar- und Waldböden besser: Wir organisieren und koordinieren die Bodenzustandser-hebungen „Landwirtschaft“ und „Wald“ auf deutschlandweit circa 5.000 Standor-ten und werten gemeinsam mit Partnern die Bodenproben aus. Dieses Wissen nutzen wir, um gemeinsam mit der „Stabsstelle Boden“ (Leitung: Dr. Micha-ela Busch) am Thünen-Institut Konzepte zur optimalen Bodennutzung bei maxi-malem Bodenschutz zu entwickeln..
Zustandserhebung von Agrar- und Waldböden
Dr. Christoph Stransky
Für die Berechnung von Fangquoten und für Prognosen zur Entwicklung der Fischbestände und der Meeresöko-systeme sind Langzeitbeobachtungen unabdingbar. Aus der Kombination von biologischen und physikalischen Mess-reihen ziehen wir Rückschlüsse auf den Einfluss des Klimawandels und anthro-pogener Einwirkungen. Auf dieser Basis entwickeln wir Modelle für die zukünf-tige Entwicklung der lebenden Mee-resressourcen und der Ökosysteme, in denen sie leben.
Langzeitmonitoring von Meeresumwelt und Fischbeständen
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104 INSTITUTSÜBERGREIFENDE ARBEITSGRUPPEN
6 Forschung mit Weitblick: Instituts-übergreifende Arbeitsgruppen
Wir Ressortforscher beantworten viele Fragen, die insbesondere das BMEL im Rahmen seiner laufen-den Tätigkeit aktiv an uns heranträgt. Es gibt jedoch auch Herausforderungen, zu denen Politik, Wirt-schaft und Öffentlichkeit aus dem Tagesgeschehen heraus kaum oder noch gar keine Fragen stellen, für die mittelfristig aber absehbar ist, dass sie gesell-schaftlich relevant werden. Hier sind wir gefordert, fürs aktive Gestalten und das Lösen absehbarer Pro-bleme einen Vorlauf zu schaffen.
Diese Vorlaufforschung gehen wir möglichst syste-matisch an, dabei nutzen wir die breit gefächerte Expertise unserer Fachinstitute für eine interdis-ziplinäre Zusammenarbeit. Seit 2011 können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in insti-tutsübergreifenden Arbeitsgruppen organisieren und selbst gewählte Gemeinschaftsprojekte bear-beiten (vgl. Kapitel 3.2). Voraussetzung ist, dass die Gruppe überzeugend darstellt, (a) welches Problem gelöst werden soll, (b) mit welchem Ansatz diese Lösung angestrebt wird und (c) welcher Fortschritt in circa fünf Jahren erreicht sein soll.
Derzeit gibt es 25 institutsübergreifende Arbeits-gruppen am Thünen-Institut. Ihre Anzahl variiert: Ein spannendes neues Thema führt oft zu einer neuen Gruppe, mitunter stellt sich aber heraus, dass die anfängliche Idee nicht trägt oder die vorhandenen Kapazitäten nicht ausreichen, um gemeinsam sub-stanziell voranzukommen. In diesem Fall löst sich eine solche Arbeitsgruppe wieder auf. Ein solches „Scheitern“ ist für keinen der Beteiligten mit Nach-
teilen oder Sanktionen verbunden. Wichtig ist uns, dass die bestehenden Arbeitsgruppen tatsächlich „leben“. Reine Zählkandidaten, von denen alle Betei-ligten wissen, dass sie eher auf dem Papier existieren als zu handeln, würden demotivierend wirken und unserem Ziel echter Interdisziplinarität schaden.
Infolge der geschilderten Dynamik agieren etliche institutsübergreifende Arbeitsgruppen schon seit mehreren Jahren und konnten bereits beachtliche Fortschritte erzielen, andere hingegen stehen erst am Beginn ihrer Arbeit.
Die Projekte der institutsübergreifenden Arbeits-gruppen sind grundsätzlich im Aufgabenportfolio der teilnehmenden Institute verankert und werden mit vorhandenen Ressourcen betrieben. Nicht immer aber sind sie allein aus Institutsmitteln umzu-setzen. Deshalb werben einige Arbeitsgruppen gezielt nationale und EU-Drittmittel ein, um wich-tige Teilprojekte zu realisieren.
Mit ihrer strategischen Ausrichtung wirken die institutsübergreifenden Arbeitsgruppen auch gestaltend in die Fachinstitute hinein (Entwicklung personeller Qualifikationen, Institutsausstattungen, Institutsprofil). Das befähigt uns zunehmend, auch äußere Rahmenbedingungen günstig zu beeinflus-sen und das Agenda-Setting von Geldgebern durch gezielte Beratung im Vorfeld mitzusteuern. So errei-chen wir, dass später ausgeschriebene Themen zur eigenen Profilbildung passen beziehungsweise bei-tragen.
STRATEGIE 2014 INSTITUTSÜBERGREIFENDE ARBEITSGRUPPEN 105STRATEGIE 2014
Natürliche Ressourcen und Schutzgüter
Dr. Ulrike Kammann
Integrierte Bewertung des Umweltzustands der Meere
Prof. Dr. Heinz Flessa
Die Landwirtschaft muss ihre Treibhaus-gas- und Ammoniakemissionen senken. Um die Wirksamkeit von Minderungsstra-tegien prüfen zu können, analysieren wir: Welche Effekte bringen neue Düngungs-verfahren und Stallsysteme? Wie reagie-ren Emissions-Hotspots (zum Beispiel entwässerte Moore, Grünlandumbruch) auf verschiedene Nutzung? Wie beein-flussen Standortbedingungen und Land- nutzung die C-Speicherung in Böden? Wie klimarelevant sind verschiedene Bio-energielinien?
Erfassung und Minderung klimarelevanter Emissionen
Dr. Nicole Wellbrock
Zustandserhebung von Agrar- und Waldböden
PD Dr. Jens Dauber
Der steigende Nahrungs- und Futtermit-telbedarf und die gleichzeitige Erzeu-gung biogener Rohstoffe setzen die biologische Vielfalt im Agrar- und Forst-bereich unter Druck. Um den Einfluss ver-schiedener Produktionsformen auf die Biodiversität möglichst genau messen zu können, braucht es valide Monitoring- und Indikatorensysteme. Wir arbeiten im Verbund mit Forschungs- und Natur-schutzinstitutionen an der Entwicklung dieser Verfahren.
Monitoring der Biodiversität terrestrischer Produktionssysteme
Am Thünen-Institut werden zu Feldern, Wäldern und Meeren, oft deutschland-weit, georeferenzierte Daten erhoben, ausgewertet beziehungsweise generiert. Um diese Daten übersektoral nutzen sowie Forschungspartnern und der Öffentlichkeit bereitstellen zu können, bauen wir eine Geodateninfrastruktur (GDI) auf. Bereits integrierte Geodaten sind über ein Metadatenportal recher-chierbar. Die Thünen-GDI wird perma-nent erweitert und ist Schnittstelle unter anderem zur GDI-Deutschland.
Till Kirchner
Info-Plattform „Georeferenzierte Daten“
Dr. Christoph Stransky
Für die Berechnung von Fangquoten und für Prognosen zur Entwicklung der Fisch-bestände und der Meeresökosysteme sind Langzeitbeobachtungen unabding-bar. Aus der Kombination von biologi-schen und physikalischen Messreihen ziehen wir Rückschlüsse auf den Einfluss des Klimawandels und anthropogener Einwirkungen. Auf dieser Basis entwi-ckeln wir Modelle für die zukünftige Entwicklung der lebenden Meeresres-sourcen und der Ökosysteme, in denen sie leben.
Langzeitmonitoring von Meeresumwelt und Fischbeständen
Kaum jemand kennt Deutschlands Agrar- und Waldböden besser: Wir organisieren und koordinieren die Bodenzustandser-hebungen „Landwirtschaft“ und „Wald“ auf deutschlandweit circa 5.000 Standor-ten und werten gemeinsam mit Partnern die Bodenproben aus. Dieses Wissen nutzen wir, um gemeinsam mit der „Stabsstelle Boden“ (Leitung: Dr. Micha-ela Busch) am Thünen-Institut Konzepte zur optimalen Bodennutzung bei maxi-malem Bodenschutz zu entwickeln.
Bis 2020 sollen Europas Meere in „gutem Umweltzustand“ sein. Um dieses Ziel messbar zu machen, entwickeln wir in internationaler Kooperation Zustands- und Belastungsindikatoren und unter-setzen sie mit Bewertungskriterien. So erarbeiten wir Referenzwerte für die Biodiversität und genutzte Fisch-arten, bewerten die Integrität des Meeresbodens und definieren Schad-stoff-Schwellenwerte. Ziel: ein valider Bewertungsrahmen für den Meeres-Umweltzustand.
106 INSTITUTSÜBERGREIFENDE ARBEITSGRUPPEN
Dr. Ulf Prüße
Bioraffinerieprozesse für nachwachsende Rohstoffe
PD Dr. Bernd Degen
Die Holznachfrage zur stofflichen und energetischen Nutzung steigt weltweit. Kurzumtriebsplantagen (KUP) werden daher immer interessanter. Wir entwi-ckeln leistungsfähigeres KUP-Pflanzgut für höhere Erträge, erarbeiten Empfeh-lungen zur optimalen Standortwahl für KUP, wollen ihre Integration in Agrar-anbausysteme testen und Aussagen zu Rentabilität, effizienten Wertschöp-fungsketten und möglichen Anpassun-gen der Bioenergiepolitik treffen.
Züchtung und Anbau schnellwachsender Baumarten
Angela Bergschmidt
Bewertung der Tiergerechtheit
Dr. Claus Deblitz
Die Zukunft von Branchen hängt zuneh-mend von ihrer internationalen Wettbe-werbsfähigkeit ab. Wirtschaft und Politik brauchen für Entscheidungen fundierte Fakten. Unser Netzwerk agri benchmark mit Partnern in circa 40 Ländern lie-fert Analysen zu Produktionssystemen, deren Wirtschaftlichkeit, Treibern und Marktchancen. agri benchmark „Beef and Sheep“ und „Cash Crop“ sind etabliert, „Pig“, „Organic“, „Horticulture“, „Dairy“ im Aufbau, „Aquaculture“ am Start.
International vergleichende Analyse von Produktionssystemen
Produktions- und Nutzungssysteme
Bisherige Indikatorensysteme zur Erfas-sung der Tiergerechtheit sind wenig praktikabel, zu teuer oder nicht hin-reichend akzeptiert. Unser Ziel ist es, die Entwicklung eines validen Gesamt-bewertungssystems mit abgestimm-ten Indikatoren für Landwirtschaft und Aquakultur voranzutreiben, das gleichzeitig die Wirksamkeit von Poli-tikmaßnahmen zur Verbesserung der Tiergerechtheit nachprüfbar macht und als Basis für einen nationalen Tierschutz-bericht dienen kann.
Wir verfügen über eine außergewöhn-liche Kompetenz, um die stoffliche Nutzung von Agrarrohstoffen und Holz voranzubringen: Wir optimieren die Biomasseerzeugung, verbessern den Biomasseaufschluss und entwickeln effiziente Konversionsverfahren, um zum Beispiel Lignine in Harzen und Bin-demitteln verwenden zu können oder 2,3-Butandiol und Itaconsäure zu gewin-nen, aus denen wir biobasierte Kunst-stoffe herstellen. Alle Prozessketten flankieren wir mit Life Cycle Assessments.
STRATEGIE 2014 INSTITUTSÜBERGREIFENDE ARBEITSGRUPPEN 107STRATEGIE 2014
Dr. Thomas de Witte
Autonome Landmaschinen – Pflanzenbausysteme der Zukunft
Prof. Dr. Stefan Schrader
Die Vielfalt an Bodentieren ist eine zent-rale Stellschraube für den Erfolg im Pflan-zenbau. Um ihre Leistungen (zum Beispiel Bodenbildung, Stoffumsatz, Mykotoxi-nabbau, Pathogenunterdrückung) besser verstehen und quantifizieren zu können, experimentieren wir unter anderem mit Regenwürmern, Collembolen und Boden-nematoden auf konservierend bezie-hungsweise ökologisch bewirtschafteten Flächen. Unser Ziel: Biologische Prozesse und Bodentiergruppen steuern lernen und als Produktionsfaktor nutzen.
Steuerung biologischer Vielfalt in Böden
Dr. Jürgen Müller
Klimaszenarien prognostizieren zuneh-mende Trockenheit und Dürre in eini-gen deutschen Regionen mit negativen Folgen für Agrarkulturen und Wälder. Wir ermitteln Regionen mit künftig erhöh-tem Wassermangelrisiko, modellieren für verschiedene Frucht- und Baumarten zum Beispiel zu erwartende Ertragsän-derungen und wollen Empfehlungen zur Anpassung von Produktionssystemen (Fruchtarteneignung, Baumartenwahl, Wasserspeicherung und -transport) ableiten.
Anpassung an Wassermangel in Risikoregionen
Dr. Horst Gömann
Agrarrelevante Extremwetterlagen und Möglichkeiten des Risikomanagements
Extreme Wetterlagen wie Starkregen, Hitze, Sturm oder Frost können der Land- und Forstwirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Wir ermitteln, ob die Häufigkeit und Intensität ihres Auftre-tens zunimmt, und untersuchen, wie sie sich auf wichtige Kulturen und Baumar-ten auswirken. Für Wetterextreme mit hohem Schadenpotenzial, aber guten Möglichkeiten, dieses stark zu reduzie-ren, erarbeiten wir Lösungsstrategien und Empfehlungen für Praxis und Politik.
Die Automatisierung in anderen Berei-chen lässt erwarten, dass eines Tages auch die Feldarbeit von führerlosen (autonomen) Maschinen erledigt wird. Besonders interessant: Paralleleinsatz vieler kleiner Maschinen. Mögliche Vorteile: Mischfruchtfolgen auf einem Schlag, höhere Biodiversität, sinkender Bodendruck, E-Mobilität, Ende des Prin-zips „immer größere Maschinen in immer größeren Monokulturen“. Unser Ziel: optimierter Präzisions-Pflanzenbau.
108 INSTITUTSÜBERGREIFENDE ARBEITSGRUPPEN
Sebastian Rüter
Klimaschutzstrategien für Wald und Holznutzung
Bernhard Osterburg
Anhand der Ergebnisse der Arbeits-gruppe „Erfassung und Minderung kli-marelevanter Emissionen“ entwickeln wir verschiedene Minderungsstrate-gien, bewerten deren Einsparpotenzial an CO2-Äquivalenten, ihre Kosten und legen der Politik bewertete Handlungs-optionen vor. Dabei berücksichtigen wir indirekte Wirkungen von Klimaschutz-maßnahmen (Nutzungsänderungen, Produktionsverlagerungen, Änderun-gen im Warenaustausch), die mögliche Netto-Effekte schmälern.
Klimaschutzstrategien für den Agrarbereich
Regina Grajewski
Evaluierung ländlicher Entwicklungsprogramme
PD Dr. Gerald Koch
Das Problem: illegaler Holzeinschlag, Handel mit CITES-geschützten Holz-arten, jährlich circa 30 neue, vor allem tropische Baumarten auf den Märkten. Unsere Reaktion: Bündelung unserer Expertise zum weltweit beispielhaften „Kompetenzzentrum Holzherkünfte“. Unsere Leistung: anatomische Holzar-tenbestimmung, genetischer Art- und Herkunftsnachweis, Legalitätsprüfung von Herkunfts- und Einfuhrdokumenten. Unsere Kunden: Kontrollbehörden, Zoll, Handel, NGOs, Privatpersonen.
Holzarten- und Herkunftskontrolle
Dr. Inken Christoph-Schulz
Die gesellschaftliche Kritik an der Ent-wicklung vieler Produktionsverfahren in Land- und Ernährungswirtschaft, Forst-wirtschaft und Fischerei ist allgegen-wärtig. Wir erfassen und hinterfragen Einstellungen, priorisieren den Hand-lungsbedarf und leiten Empfehlungen für Politik, Forschung und Praxis ab. Damit wollen wir erreichen, dass sich wirtschaftliches Handeln und dessen gesellschaftliche Akzeptanz im Laufe der Jahre wieder annähern.
Forschungsplattform „Gesellschaftliche Erwartungen“
Dr. Franziska Junker
Politik und steigende Preise für fossile Energieträger machen den Einsatz von Biomasse attraktiver. Gleichzeitig stei-gen die Kosten für ihre Produktion. Wir verknüpfen die agrarökonomischen Modelle des Thünen-Modellverbunds, um die Zusammenhänge zwischen Agrar-, Holz- und Energiemärkten dar-zustellen. Unsere Analysen zeigen, wie die langfristigen Folgen hoher Energie-preise und veränderter Politiken auf die nationale und globale Land- und Forst-wirtschaft wirken.
Wechselwirkungen zwischen Agrar-, Holz- und Rohstoffmärkten
Wirtschaft, Gesellschaft, Politik
Das Ziel der EU-unterstützten ländlichen Entwicklungsprogramme: wettbewerbs-fähige Landwirtschaft, intakte Umwelt, wirtschaftliche und soziale Impulse im ländlichen Raum. Seit 2007 evaluieren wir die Programme mehrerer Bundes-länder: Werden die gewünschten Ziele erreicht? Wie relevant, effizient, nachhal-tig sind die finanzierten Maßnahmen? Was kostet ihre Umsetzung? Unsere Forschungsergebnisse münden direkt in die Politikberatung zur Programmop-timierung.
Wälder als CO2-Senke und die Nutzung des Rohstoffs Holz beeinflussen die Treibhausgasbilanz. Um sie zu opti-mieren, quantifizieren wir zum Beispiel Umsetzungsraten zwischen Totholz, Streu, Humus und Boden, kalkulieren die C-Speicherung des Waldes bei unter-schiedlicher Bewirtschaftung und ermit-teln Minderungseffekte, wenn Holz zum Beispiel fossile Ressourcen ersetzt. Unser Hauptziel: Vergleich der Klimaeffizienz verschiedener Handlungsoptionen im Forst- und Holzsektor.
STRATEGIE 2014 INSTITUTSÜBERGREIFENDE ARBEITSGRUPPEN 109STRATEGIE 2014
Dr. Christopher Zimmermann
Alternative Konzepte für das Fischereimanagement
PD Dr. Matthias Dieter
Waldpolitische Konzeption für 2020
Prof. Dr. Peter Weingarten
Konzepte für eine Gemeinsame Agrarpolitik nach 2020
Dr. Frank Offermann
Modellgestützte Folgenabschätzungen – der Thünen-Modellverbund
Fischerei, Windparks, Schifffahrt, Roh- stoffabbau, Schutzgebiete, Offshore-Aquakultur: Kollidierende Raumansprü-che führen zu Konflikten, das Ökosystem Meer kann Schaden nehmen. Wir ent-wickeln und bewerten sektorüber-greifend Managementstrategien für marine Räume, um alle Nutzungsan-sprüche bestmöglich zu integrieren und dabei das Ziel der EU-Meeresstra-tegie-Rahmenrichtlinie, bis 2020 einen „guten Umweltzustand“ der Meere zu erreichen, einzuhalten.
Dr. Vanessa Stelzenmüller
Strategien zur Raumnutzung im marinen Bereich
Die quantitative Abschätzung der Folgen, die zum Beispiel eine veränderte Agrar- oder Umweltpolitik hat, muss komplexe Zusammenhänge berücksichtigen. Des-halb setzen wir ökonomische Modelle ein, die unterschiedliche Entscheidungs-ebenen (zum Beispiel Betriebs-, Sektor- ebene) abbilden. Durch die Kopplung der Modelle wird ein umfassendes Gesamtbild möglich. Wir entwickeln die Modelle laufend weiter, um damit auch künftig relevante Fragen und Politikmaß-nahmen analysieren zu können.
Die zwei Schwerpunkte unserer Arbeit: 1. Wir analysieren die Auswirkungen der GAP 2014-2020 auf Landwirtschaft, länd-liche Räume und Umwelt. 2. Wir erarbei-ten Konzepte für eine zielgerichtetere, effizientere GAP nach 2020, schätzen deren Folgen quantitativ und qualitativ ab und leiten hieraus Politikempfehlun-gen ab. Um unseren Vorschlägen mehr Gewicht zu geben, erarbeiten wir sie gemeinsam mit Partnern im europäi-schen Ausland.
An den Wald stellen verschiedene Inte-ressengruppen vielfältige Ansprüche. Wir erarbeiten wissenschaftliche Kon-zepte für eine Waldpolitik, die zu gesell-schaftlich optimaler Waldnutzung führt. Eine offene Frage dabei: Wie ist der Zusammenhang zwischen Intensität der Waldbewirtschaftung und biologischer Vielfalt? Hier kooperieren wir mit Natur-schutzexperten, um ein gewünschtes Niveau an Biodiversität unter Beachtung aller anderen Interessen zu realisieren.
Die EU-Fischereipolitik wurde refor-miert, aber eine fundamentale Ände-rung ist auch dieses Mal nicht erfolgt. Da nach der Reform vor der Reform ist, entwickeln und analysieren wir auch grundlegend andere Strategien zur Bewirtschaftung. Elemente der Alterna-tivkonzepte sind zum Beispiel die Ein-führung einer Beweislastumkehr (der Fischer muss die Einhaltung der Regeln nachweisen) sowie ergebnisbasierte Anreiz- und Sanktionsmechanismen.
Thünen-Strategie 2014
HerausgeberJohann Heinrich von Thünen-InstitutBundesallee 5038116 BraunschweigGermany
www.ti.bund.de