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Thema: Gesundheitssystem in Deutschland
Mitglieder: Tetiana Kraft, Pavlo Khomchenko, Nikola Bisevac, Anna Weronika Sokol
Gesprächspartner: Wolfram-Arnim Candidus (Bürger Initiative Gesundheit e.V.),
Raphael Doderer (Katholische Jugendfürsorge (KJF) der Diözese Augsburg), Gertrud Streit-
Doderer (Die Johanniter), Dr. Julia von Hayek (Zentrum für Interdisziplinäre
Gesundheitsforschung der Universität Augsburg (ZIG)), Florian Mair (BKK Stadt Augsburg),
Dirk Wurm (Ordnungsreferat)
Dieser Bericht ist dem Thema „Gesundheitssystem“ gewidmet und basiert auf den
Informationen, die während der Interviews mit 5 Gesprächspartnern gewonnen wurden.
Allgemeine Informationen über die Gesprächspartner und ihre
Institutionen
Wolfram-Arnim Candidus, Bürger Initiative Gesundheit e.V.
Herr Candidus ist seit 10 Jahren Präsident dieser gemeinnützigen Organisation.
Die Bürger Initiative Gesundheit e.V. kämpft für ein effektives und besseres
Gesundheitssystem in Deutschland. Sie beschäftigt sich sowohl mit der Versorgung,
Behandlung, Betreuung der Bürger als auch mit der Vergütung im Gesundheitssystem
Deutschlands. Außerdem unterstützt sie alle Aktivitäten zur Verbesserung der Versorgungs-
und Gesundheitsqualität. Sie bietet auch den Bürgern, die Versorgungsprobleme haben,
kostenlose Ratschläge von Experten aus Pflege oder Medizin an. Die kompetenten Mitglieder
oder Partner der Initiative, die hohes Fachwissen besitzen, erarbeiten viele Lösungsvorschläge.
Außerdem kommentieren sie aktuelle Themen, die mit der Entwicklung der Strukturen des
Gesundheitssystems und der bestehenden Versorgung der Bürger verbunden sind. Die Bürger
Initiative Gesundheit e.V. handelt unabhängig von Politik und Interessengruppen, aber
unterstützt Medien als Autor oder Interviewpartner rund ums Thema Gesundheitswesen. Herr
Candidus unterstreicht, dass die Interessen der Bürger im Mittelpunkt stehen würden.
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Raphael Doderer, Katholische Jugendfürsorge (KJF) der Diözese Augsburg und
Gertrud Streit-Doderer, Die Johanniter
Herr Doderer leitet seit September 2013 die Stabsstelle Marketing bei der KJF. Diese
Organisation beschäftigt sich mit den Problemen von Kindern, Jugendlichen und jungen
Erwachsenen. Unter anderem verfügt die KJF über Vertretungen in Schulen und außerdem
kümmert sie sich um Flüchtlinge. Frau Streit-Doderer ist Mitglied des Regionalvorstands der
Johanniter. Die Johanniter entstanden als ein Werk des evangelischen Johanniterordens. Die
Johanniter befassen sich auch mit Erster Hilfe, dem Sanitäts- und Rettungsdienst und
Krankentransport sowie Notfallfolgedienst, Betreuung, Pflege und Beförderung von alten und
kranken Menschen. Sie bietet den Johanniter-Hausnotruf an. Er ist an sieben Tagen die Woche
rund um die Uhr in Bereitschaft. Die KJF organisiert Kurse wie zum Beispiel: Erste Hilfe-für
Führerscheinbewerber, für Arztpraxen oder Erste Hilfe am Kind. Sie bildet auch Schulsanitäter
und Pflegehelfer aus. Außerdem hilft sie humanitär im Ausland.
Dr. Julia von Hayek, Zentrum für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung der
Universität Augsburg (ZIG)
Frau Dr. von Hayek arbeitet als wissenschaftliche Geschäftsführerin des ZIG.
Das ZIG entstand 2014, es ist ein Forschungszentrum der Geistes-, Wirtschafts-, Sozial- und
Rechtswissenschaften. Im Mittelpunkt der Untersuchungen dieser Organisation stehen sowohl
Gesundheit, Krankheit, Medizin und das Gesundheitssystem als auch Biotechnologie. Die
besonderen Schwerpunkte liegen unter anderem auf den Bereichen Sterben, Lebensende und
Gesundheitskommunikation. Frau Dr. von Hayek betrachtet in ihrer Forschungen die Fragen
von Modellregionen, Hospiz- und Palliativversorgung. Unter anderem beschäftigt sie sich mit
der Arbeit von FISnet und AHPV, das sind die Augsburger Organisationen, die als Vorbilder
des erfolgreichen Modells von städtischer und regionaler Vernetzung im Bereich des
Gesundheitswesens stehen.
Florian Mair, BKK Stadt Augsburg
Florian Mair ist Vorstandsmitglied der BKK Stadt Augsburg. Die BKK setzt sich
exklusiv mit der Gesundheit der Menschen aus allen Berufsfeldern des kommunalen
Dienstleistungsbereichs der Stadt Augsburg auseinander. Sie ergänzt den Versicherungsschutz
einer gesetzlichen Krankenkasse durch persönlichen Schutz der Mitglieder. Durch ein Paket
mit zahlreichen Exklusiv- und Zusatzleistungen in der Früherkennung, Vorsorge, Prävention
und Gesundheitsförderung wird man effektiv und nachhaltig abgesichert.
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Dirk Wurm, Ordnungsreferat
Dirk Wurm ist Stadtrat sowie der Ordnungs- und Sportreferent der Stadt Augsburg. Er
sagte, dass die Tätigkeiten seines Amtes aus Pflichtaufgaben und dem freiwilligen Handeln
bestehen würden. Zu den ersten gehören vor allem die Versorgung bei ansteckenden
Krankheiten (z.B. TBC oder Salmonellen-Erkrankung), die Vorsorge bei Kindern in der Schule
und andere Tätigkeiten, die die Gesundheit der Bevölkerung schützen sollen. Zweitens kann
man Prävention und verschiedene soziale Programme hervorheben. Herr Wurm betont, dass
nur große Städte ein eigenes Gesundheitsamt hätten. Der Augsburger Stadtrat hat die
Möglichkeit, berufsmäßige Stadträte zu wählen. Die Amtsperiode der gegenwärtig gewählten
berufsmäßigen Stadträte dauert bis zum 30. April 2020.
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Allgemeine Informationen über das Gesundheitssystem
Dem Gesundheitssystem in Deutschland liegt die Pflichtversicherung zugrunde. Dabei
unterscheidet man grundsätzlich zwei Typen der Krankenversicherung: gesetzliche (GKV) und
private Krankenversicherung (PKV). Im Großen und Ganzen funktioniert das System so: Man
bezahlt Krankenkassenbeiträge und dann erhält man die medizinischen Leistungen, die von der
Krankenkasse bezahlt werden.
Die Mehrheit der Deutschen (ca. 90 %) bevorzugt die GKV und laut der Meinung von
Herr Mair gibt es mehrere Gründe dafür. Vor allem würden die gesetzlichen Krankenkassen
viele soziale Extra-Leistungen gewähren, und zwar:
Kostenlose Versicherung für Ehepartner und Kinder mit den gleichen Leistungen, das
ist die sogenannte Familienversicherung;
Bezahlung des Krankengeldes für Eltern im Krankheitsfall der Kinder;
Übernahme der Kosten für Prävention und Vorsorge, zum Beispiel könnten sogar Joga-
kurse oder Schwimmkurse von der Krankenkasse bezahlt werden;
Kostenlose Versicherung für ein Elternteil während der Elternzeit (bis zu 3 Jahre).
Außerdem unterstreicht Herr Mair, dass die GKV nach dem Solidaritätsprinzip
funktioniere. Das heißt, dass man unabhängig vom Gehalt die gleiche medizinische Versorgung
erhalte. Er findet auch teilweise vorteilhaft, dass die Beiträge nach Einkommen berechnet
werden, weil es für Rentner besonders günstig sein könne. Aber es wurde auch erwähnt, dass
die GKV über einige Nachteile verfügt. Unter anderem wurden auch die längeren Wartezeiten
(bis zu 4 Wochen), der geringere Leistungsumfang und das höhere Niveau der eigenen
Belastung des Patienten im Vergleich zur PKV hervorgehoben. Daraus ergeben sich die
Vorteile der PKV:
Deutlich kürzere Wartezeiten;
Größerer Leistungsumfang;
Berechnung der Beiträge nicht nach Einkommen, sondern nach Gesundheitsrisiko. Für
junge und gesunde Menschen bedeutet das wesentlich niedrigere Beiträge. Im Laufe des
Lebens wird aber dieser Vorteil zu einem sehr großen Nachteil, weil der Beitrag viel
höher und dabei das Einkommen deutlich niedriger wird.
Was die Nachteile der PKV angeht, hat Herr Mair „die Überversorgung“
hervorgehoben. Damit sind die unnötigen Untersuchungen und Behandlungen gemeint, die den
Patienten unter Umständen sogar schaden könnten.
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Es gibt noch einen wichtigen Unterschied zwischen GKV und PKV, den Herr Candidus
beschrieb: Bei der GKV gebe es eine fixierte maximale Rechnungshöhe, die der Arzt
ausschreiben könne. Bei der PKV gebe es keine solche Begrenzung. Dies verursache die
Ungerechtigkeit in der Qualität, Schnelligkeit und dem Umfang der Behandlung für gesetzlich
und privat versicherte Patienten. Aus diesem Grund sei die moderne Medizin Deutschlands laut
Herrn Candidus keine Zwei-Klassen-Medizin, sondern sogar eine Drei-Klassen-Medizin.
Dieses Phänomen wird im Folgenden ausführlicher beschrieben.
Was die Finanzierung im Gesundheitswesen betrifft, würden die folgenden
Organisationstypen in diesem Bereich unterschieden: freigemeinnützige, öffentliche und
private. Wie Herr Doderer berichtet, steige die Anzahl der privaten immer weiter, was zur
Wandlung des Gesundheitswesens zur Gesundheitswirtschaft einen bedeutenden Beitrag leiste.
Rolle des Marketings im Gesundheitswesen
Laut Herrn Doderer spiele das Marketing im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle und
in der Zukunft werde es an Bedeutung noch gewinnen. Er unterstreicht aber auch, dass es im
Vergleich mit anderen Branchen um 10-15 Jahre zurückgeblieben sei. Erst vor 10 Jahren habe
man angefangen, sich mit der Erarbeitung von Marketingstrategien zu beschäftigen. Früher sei
dieser Begriff von medizinischen Organisationen ausschließlich als Produzieren von Flyern
oder Broschüren aufgenommen worden. Jetzt sieht die Situation laut Herrn Doderer anders aus,
beispielweise hätte die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg (KJF) im Laufe der
letzten 3 Jahre mehr als 100 moderne Internet-Seiten in Betrieb gesetzt und sie gäben sich mit
dem Erreichten noch nicht zufrieden.
In engem Zusammenhang mit dem Gebiet Marketing stehen die Fragen von
Digitalisierung und Entwicklung der sozialen Medien. Heutzutage sei klar: Es gebe immer mehr
Aufgaben in diesem Bereich und man müsse darin investieren, um sie erfolgreich zu lösen.
Schon jetzt könne man interessante Projekte zu diesem Thema finden, zum Beispiel
Klinikbewertungen.de, das man als medizinischen TripAdvisor bezeichnen könne. Dort würden
Reviews von Patienten über Krankenhäuser veröffentlicht. Auch auf dem Gebiet der
Digitalisierung und Erarbeitung der kommunikativen Schnittstellen sind interessante
Entwicklungen zu erkennen. Diesbezüglich erwähnte Frau Dr. von Hayek die AHPV -
Augsburger Hospiz- und Palliativversorgung e.V. – sie sei ein gut funktionierendes Beispiel für
das vernetzte Modell mit Schnittstellen zwischen Ärzten, Kliniken und anderen Teilnehmern
des Systems. Die AHPV ermögliche die hochwertige Versorgung für ältere Menschen in Stadt
und Landkreis Augsburg.
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Probleme im Gesundheitssystem
Keine Grenzen für Patienten in Europa, die Konsequenz dieser Politik
Herr Candidus teilte mit uns Informationen über die grenzübergreifende
Gesundheitsversorgung auf dem Gebiet der Europäischen Union. Durch die Broschüre, die von
Active Citizenship Network im Rahmen der EU-Kommunikations-Kampagne „Patientenrechte
haben keine Grenzen“ gefördert wird, berichtete er uns über Patientenrechte in verschiedenen
europäischen Ländern:
- wie man sich in einem anderen Mitgliedstaat der EU medizinisch behandeln lassen
könne
- ob man Anspruch darauf habe, die Behandlungskosten ganz oder teilweise in seinem
Versicherungsland erstatten zu bekommen
Herr Candidus wies auf die Probleme bezüglich Behandlungsmöglichkeiten, Qualitäts-
und Sicherheitsstandards des Gesundheitswesens in verschiedenen EU-Ländern hin und klärte
darüber auf, ob ein bestimmter Anbieter berechtigt ist, medizinische Leistungen zu erbringen.
Als Beispiel nannte er Patienten aus Deutschland, die in Frankreich behandelt werden wollen.
Wenn man in seinem Versicherungsland Anspruch auf eine bestimmte Behandlung habe, dann
habe man auch Anspruch auf Erstattung der Kosten, wenn die Behandlung in einem anderen
Land erfolge. Das Problem liege in der Tatsache, dass die Kosten nur bis zu der Höhe erstattet
würden, die auch für eine entsprechende Behandlung im Inland übernommen würden. Mit
anderen Worten, wenn die Operation im Ausland mehr als die gleiche in Deutschland kostet,
wird die Versicherungsgesellschaft in Deutschland den Mehraufwand nicht erstatten.
Komplizierte Verfahren und Dokumentation erschweren diesen Prozess weiter. Ihr
lokaler behandelnder Arzt muss Ihnen eine Kopie Ihrer Patientenakte für die Behandlung im
Ausland aushändigen. Nach Abschluss der Auslandsbehandlung muss es die gleiche
Nachbehandlung wie bei einer Behandlung im Inland gewährleisten. Obwohl Sie die gleichen
Rechte wie Bürger in einem anderen EU-Land haben und für Ihre Behandlung die dortigen
Vorschriften und Standards gelten, werfen unterschiedliche Regelungen in Staaten der
Europäischen Union in der Praxis neue Probleme für die Patienten auf. Gesetze auf der Ebene
der Europäischen Union sind noch nicht harmonisiert und eine besondere Gefahr liegt im
negativen Trend, der nach dem Brexit herrscht, was Herr Candidus besonders hervorhob.
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Gestaltung des Gesundheitswesens in Deutschland
Als Einleitung in das Thema Gesundheitssystem zeigte uns Herr Candidus die
folgende Grafik:
Grafik: MomsenEinsmann/ FrankfurterRunschau, Quelle: Zukunftkreis Gesundheit/
Premium Circle Deutschland
Er stellte das Gesundheitswesen in Deutschland als kompliziertes System vor, das ihm
zufolge mehr mit dem freien Markt als mit dem sozialen Gesundheitssystem zu tun hat. Es hat
sich bislang, soweit bekannt, noch niemand die Mühe gemacht, das Gesundheitssystem in
Deutschland in seinen Verästelungen darzustellen. Erstaunlich, handelt es sich doch um einen
zentralen Bereich der deutschen Sozialpolitik und um einen bedeutenden Wirtschaftszweig.
Alleine die 134 gesetzlichen Krankenkassen geben in diesem Jahr laut Schätzungen für ihre gut
70 Millionen Versicherten über 200 Milliarden Euro aus. Das Geld geht an über 2.000
Krankenhäuser, 150.000 niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten, etwa 21.000
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Apotheken und viele andere „Leistungserbringer“. Ein kompliziertes, kaum erfassbares System
lenkt die Geldströme.
Obwohl die Infrastruktur des Gesundheitswesens sehr stark ist, ist das Niveau der
medizinischen Versorgung nicht auf höchster Ebene. Je mehr Geld wir in den Bau von
Krankenhäusern investieren, desto schlechter wird die Versorgung der Patienten. Als die
großen Probleme im deutschen Gesundheitssystem nannte er:
- Lange Wartezeiten; Patienten mit akuten Beschwerden müssen bis zu vier Wochen auf einen
Termin beim Facharzt warten;
- Leistungen der medizinischen Versorgung in verschiedenen Bundesländern sind nicht auf der
gleichen Stufe;
- Privat Krankenversicherte werden im Krankheitsfall meist besser behandelt als gesetzlich
Versicherte;
- Die Dauer des Aufenthalts des Patienten im postoperativen Verfahren im Krankenhaus wurde
in den letzten Jahren deutlich verkürzt;
- Arme Menschen, kranke Menschen, unproduktive Menschen haben eine schlechtere
Gesundheitsversorgung.
Lage der Senioren im Gesundheitssystem
Obwohl die Ärztedichte in Deutschland demnach mehr als 40 Prozent über dem
internationalen Durchschnitt liegt, nahm die Zahl der Ärzte in den vergangenen Jahren sogar
weiter zu. In den Städten ist die Konkurrenz groß, aber auf dem Land gibt es oft nicht genügend
Praxen, vor allem in dünn besiedelten Regionen mit alternder Bevölkerung.
In vielen ländlichen Regionen wird der Bevölkerungsrückgang – begleitet von einer
stetig zunehmenden Alterung der Bevölkerung und dem Verlust wichtiger
Versorgungseinrichtungen – zu einem immer größeren Problem. Gerade auf dem Land spielt
die Mobilität eine wichtige Rolle, da sie die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sowie die
tägliche Versorgung oder die Erreichbarkeit von Ärzten sichert.
Der massive Mangel an Pflegekräften und die mangelhafte Infrastruktur sind nach Frau
Dr. Julia von Hayek vom Zentrum für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung einige der
größten Probleme in peripheren Behörden.
Zwei Arten von Krankenversicherung
Herr Florian Mayer machte einen Vergleich zwischen zwei Arten von
Krankenversicherungen, die gesetzlichen Krankenkassen und die privaten Krankenkassen, und
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wies uns auf die Vor- und Nachteile hin. Als die großen Probleme im deutschen
Krankenversicherungssystem nannte er:
- Die Krankenversicherungen übernehmen viele Kosten, aber nicht alle. Viele Leistungen
wurden gestrichen und die Patienten müssen für Medikamente eine Zuzahlung von
mindestens 5 bis 10 Euro leisten. Das hängt auch von Ihrem Vertrag mit der
Versicherung ab.
- Für die Untersuchung nähmen sich Ärzte höchstens 5 Minuten pro Patient und es fehle Zeit
für das Gespräch mit ihm. Je mehr Patienten der Arzt behandelt, desto höher ist sein
Einkommen.
-Patienten haben die freie Wahl, zu welchem Arzt Sie gehen möchten. Aber es gibt Ärzte, die
nur Privatpatienten, also Mitglieder bei privaten Krankenversicherungen, behandeln.
- Der Versichertenstatus hat Einfluss auf den Arztzugang, besser behandelt werden die
Privatversicherten.
- Der Beitrag für die PKV erhöht sich im Laufe der Jahre. Aus diesem Grund sind schwer kranke
ältere Menschen stärker belastet und haben existenzielle Probleme.
- Früher war es für ältere Menschen recht einfach, sich aus der privaten Krankenversicherung
zurückzuziehen und dann wieder recht günstig in der gesetzlichen Krankenversicherung
versichert zu sein. Doch dieses Schlupfloch wurde geschlossen. Nun ist es ab dem 55.
Lebensjahr nahezu unmöglich, wieder in die gesetzliche Krankenversicherung zu
wechseln. Man muss bis zum 55 Lebensjahr unmittelbar vor dem Eintritt mindestens 5
Jahre in einer gesetzlichen Krankenversicherung gewesen sein.
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Verbesserungsvorschläge von Interviewpartnern
Vorschläge von Herrn Candidus
Herr Candidus ist der Ansicht, wenn nichts im Gesundheitswesen verändern würde,
dann würden die Beiträge im Jahr 2040 fast doppelt so hoch wie heute. Man müsse
umfangreiche Maßnahmen ergreifen, um diese unerwünschte Erhöhung der Ausgaben zu
vermeiden.
Netzwerkmedizin. Vor allem solle das Gesundheitssystem effizienter sein, so Herr
Candidus. Das könne erreicht werden, indem man die Netzwerkmedizin einführe. Mit diesem
Begriff meint unser Gesprächspartner das System mit den weit entwickelten kommunikativen
Schnittstellen zwischen allen Seiten, die an der Behandlung teilnehmen.
Modifizierung der Krankenhausvergütung. Der Einsatz angemessener Vergütung
statt der Fallpauschale solle die Akzente in Gesundheitswesen im Interesse der Patienten
verschieben. Laut Herrn Candidus könnten sich die Ärzte dadurch auf die Bedürfnisse der
Einzelperson konzentrieren, ohne die Probleme vom Budget oder Anzahl der behandelten
Personen im Hinterkopf zu haben.
Ausbau des Wissens für alle Bürger. Es wurde von Herrn Candidus auch
unterstrichen, dass den Bürgern schon in der Schule beigebracht werden sollte, wie der
menschliche Körper funktioniert, wie das Gesundheitssystem aussieht, warum man die
medizinische Versorgung braucht. Das würde das Bewusstsein der Bevölkerung in Fragen der
Medizin erhöhen und ihre Einbindung im Bereich Gesundheitswesen ermöglichen.
Mobilität auf dem Land. Das im Interview erwähnte Problem vom Mangel an Ärzten
im ländlichen Raum könne mithilfe von sogenannten Medibussen gelöst werden. Wie Herr
Candidus berichtet, bezeichne man als Medibus einen Wagen, der über die ausreichende
medizinische Ausrüstung verfüge. Dieses Auto könne man mit einem Krankenhaus auf Rädern
vergleichen und es biete die Möglichkeit, die nötige Versorgung gerade vor Ort zu leisten.
Basisversorgung – Basisversicherung, Zusatzversorgung – Zusatzversicherung.
Herr Candidus findet, dass dieser nicht schwierige Zusammenhang als Motto für die
Krankenversicherung dienen sollte.
Vorschläge von Herrn Doderer und Frau Streit-Doderer
Die Diskussion um Probleme des Gesundheitssystems fordert die weitere Analyse von
Lösungen und Vorschlägen. Nach Meinung von Herrn Doderer und Frau Streit-Doderer braucht
das Gesundheitssystem Veränderungen und Modernisierungen. Die beiden Interviewpartner
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sind überzeugt, dass die Patienten im Vordergrund des Gesundheitssystems stehen sollten und
dass heutzutage ein Bedarf an Digitalisierung bestehe.
Digitalisierung im Gesundheitswesen. Ein „papierloses“ Krankenhaus könne helfen,
zahlreiche Risikofaktoren zu vermeiden. Bei einem Unfall sei jede Minute für die Opfer sehr
wichtig. Es sei daher unbedingt notwendig, dass der Zugang zu den Daten des Patienten
schneller verfügbar für Ärzte und Pflegekräfte sei. Die technologischen Vernetzungen könnten
die Versorgung effektiver und besser machen. Im Fokus der Veränderungen würden
Geschwindigkeit und höhere Qualität der Behandlung stehen. Der positive Einfluss der
Digitalisierung im Gesundheitswesen für Patienten könne nicht überschätzt werden. Laut Herrn
Doderer müsse alles was automatisiert werden könne, automatisiert werden.
Patienten. Das Leben jeder Person sei die erste Priorität, weshalb das
Gesundheitssystem vor allem an den Patienten orientiert werden müsse. Zuwendung,
Menschlichkeit, Beziehungen zwischen Menschen seien die wichtigsten Prioritäten für das
Gesundheitssystem. Außerdem sei die Digitalisierung eine Voraussetzung für die Verbesserung
des Pflegesystems und der Versorgung der Patienten. Das werde eine bessere Konzentration
auf die Bedürfnisse und Bedarfe der Kranken ermöglichen.
Vorschläge von Frau Dr. von Hayek
Laut Dr. Julia von Hayek sei es immer leichter zu kritisieren, aber wir hätten keine Zeit
mehr, um uns auf die Probleme zu konzentrieren. Ihre Vision des perfekten Gesundheitssystems
beinhaltet drei Aspekte.
Professionelle Mitverantwortung. Vor allem sei es nötig, die richtige Einstellung zum
Bereich des Gesundheitssystems mitzubringen. Es gibt eine beliebte Meinung, dass die
Patienten für sich selbst sorgen müssten. Die Begriffe „Schuld“ und „Verantwortung“ würden
im modernen Medizinbereich ihren Status verlieren. Sie erachtet es für wichtig, dass die
professionelle Mitverantwortung ins Gesundheitssystem integriert werden müsse. Jeder Arzt
müsse bereit sein, eine große Verantwortung gegenüber seinem Patienten zu übernehmen. Das
müsse eine der Grundbedingungen für den Arztberuf sein.
Ärzte und Pflegekräfte. Das perfekte Gesundheitssystem könne nicht ohne gut
vorbereitete und professionelle Akteure funktionieren. Es sei eine obligatorische
Voraussetzung für die gute Fürsorge, Zuwendung und Pflege.
Individueller Bedarf der Patienten. Die Interviewpartnerin ist überzeugt von der Idee,
dass das Gesundheitssystem Deutschlands mehr individuell orientiert werden müsse. Wenn
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man von einer Krankheit befallen werde, sei die einzige Behandlung von jener Person nicht
immer passend.
Interdisziplinäre Forschungen. Außerdem ist Dr. Julia von Hayek der Meinung, dass
die Behandlung von jeder Krankheit mehr als nur medizinischen Aspekt umfassen müsse.
Heutzutage existiere eine neuartige Betrachtung des Problems. Interdisziplinäre Forschungen
könne eine andere Perspektive anbieten. Medizinische Forschungen könnten nicht alle Fragen
von Patienten beantworten. Bei Krankheit brauche jeder Mensch nicht nur medizinische
Körperpflege, sondern auch Genugtuung und Erfüllung von spirituellen Bedürfnissen.
Deswegen stellt es sich heraus, dass es im Medizinbereich einen Bedarf von Kooperation
zwischen Ethik, Soziologie, Jura, Wirtschaft und Politikwissenschaft gebe.
Laut Dr. Julia von Hayek gebe es nur einen Weg, wie man neue Lösungen finden könne.
Die Experten von unterschiedlichen Bereichen müssten an einem Tisch sitzen, um zu einem
Zusammenhalt und festen Zusammenschluss von Wissen und Ideen, die in der Lage das
Gesundheitssystem zu verbessern seien, zu führen.
Vorschläge von Herrn Wurm
Nach Herrn Wurm begegne das moderne Gesundheitssystem Schwierigkeiten, aber man
könne sie überwinden. Die steigende Lebenserwartung in Verbindung mit der rückläufigen
Geburtenrate könne die Krankenversicherung in Zukunft stark belasten. Die Erfahrung zeigt,
dass die besten Lösungen dazu Förderung der Zuwanderung der Migranten und Anstieg der
Geburtszahl seien. Mit diesen Maßnahmen könne sich das System weiter um Sozialgruppen,
die dringendsten Bedarf an medizinischer Pflege haben, kümmern.
Vorschläge von Herrn Mair
Die Krankenkassen sind heute auf der Suche nach dem Ausweg aus den Problemen, die
mit der Finanzierung der Versicherungen verbunden sind. Laut Herrn Mair würden viele
Aspekte der Gesundheitsversicherung zahlreiche Veränderungen brauchen, aber ein Prinzip
solle immer gleich bleiben - Patienten müssten im Mittelpunkt des Interesses des
Gesundheitssystems stehen.
Keine Begrenzungen bei Beiträgen für Gutverdiener. Herr Mair erklärte uns, dass
der Beitrag zur Gesundheitsversicherung vom Einkommen abhänge. Aber im
Gesundheitssystem Deutschlands gebe es die Beitragsbemessungsgrenze (4.237,50 Euro).
Einkommen, die über der Beitragsbemessungsgrenze seien, würden beitragsfrei bleiben. Wenn
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man mehr als 4.237,50 Euro monatlich verdiene, habe das keine Wirkung auf die Summe des
Beitrags. Herr Mair ist strikt gegen diese Beitragsbemessungsgrenze.
Kooperation von allen Seiten, die an der Behandlung teilnehmen. Herr Mair ist
überzeugt, dass Patienten von der Kooperation von Krankenhäusern, Apotheken und Ärzten
nur profitieren könnten. Heutzutage gebe es ein notwendiges Bedürfnis nach engen
Vernetzungen und Kommunikation zwischen Ärzten und Pflegekräften. Herr Mair ist der
Meinung, dass in dieser Weise zahlreiche Operationen in den Krankenhäusern vermieden
werden könnten. Das bedeutet eine wesentliche Sparmaßnahme für das Gesundheitssystem und
bessere Pflege von Patienten.
Wettbewerb. Herr Mair meint, dass ein starker Konkurrenzkampf unter den
gesetzlichen Krankenkassen einen guten Einfluss auf das Gesundheitssystem nehmen könne.
Dieser Wettbewerb sei in der Lage, die Verbesserung der Qualität der Leistungen und Angebote
von Krankenkassen zu fördern. Deswegen sei es nötig, die Reduzierung der Kassenzahl
weiterzuführen. Laut Herrn Mair werde dieser Prozess bei 50 Krankenkassen aufhören. Die
steigende Konkurrenz setze die Krankenkassen unter Druck, der weitere Vorteile für Patienten
bringen könnte.
Prävention. Herr Mair erachtet es für nötig, dass die Vision und Strategie der
Finanzierung des Gesundheitssystems eine vollständige Veränderung brauche. Er ist der
Meinung, dass das besser werde, wenn man ins Vorbeugen Geld investiere. In den letzten
Jahrzehnten nimmt die Prävention der Krankheiten immer mehr Platz in der Strategie der
Gesundheitspolitik ein. Patienten könnten aus der Orientierung an Vorbeugen statt Heilen nur
Nutzen ziehen, weil das nur eine beträchtliche Zeit- und Geldersparnis bringen könne.
Versorgungssteuerung. Patientenkoordination brauche heutzutage wesentliche
Verbesserungen. Vor allem gehe es darum, dass dieses Programm abgestimmte Behandlungen,
zusätzliche Untersuchungen und Benutzung von unnötigen Medikamenten vermeiden könne.
Die bessere Kooperation zwischen Vertretern aus Praxisnetzen, Krankenhaus und
Pflegeforschung könne zur transdisziplinären Professionalisierung führen. In diesem Fall habe
die Versorgungssteuerung die Zunahme der Transparenz der Medikamente für Patienten
bessere Behandlung und höhere Leistungsfähigkeit zur Folge.
Fazit
Obwohl das deutsche Gesundheitssystem eine der besten Infrastrukturen der Welt hat,
lässt sich zusammenfassend sagen, dass es nicht perfekt ist.
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Die Meinungen unserer Gesprächspartner sind diesbezüglich geteilt. Die einen finden
das System ineffizient und asozial, wohingegen die anderen davon überzeugt sind, dass es das
gerechteste Gesundheitssystem auf dem Markt ist. Aber es gibt Ziele, die alle für unbestritten
halten, und zwar: Dieses System sollte auf Grundlage der Sozialrechte aufgebaut sein und das
Interesse der Bürger im Vordergrund stehen.