4 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
6 EDITORIAL
8 EXPERTEN ZU INDUSTRIE 4.0
Digitale Topline – mehr Umsatz durch smarte Produkte und Dienstleistungen Ein Beitrag von Dr. Jochen Schlick, Senior Partner & Co-Founder, STAUFEN.DIGITAL NEONEX GmbH
12 ÜBER DIE STUDIE
Inhalt
1
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STUDIE: INDUSTRIE 4.0 5
46 FAZIT
14 Der Deutsche Industrie 4.0 Index
4.1. Digitalisierung in der betrieblichen Praxis angekommen 4.2. Anwenderbranchen treiben den Maschinenbau voran 4.3. Noch dominieren klassische Motive 4.4. Industrie4.0bleibtökonomischerHoffnungsträger 4.5 ÜberstrapazierteBegrifflichkeiten 4.6. NeueWettbewerberwerdenweiterunterschätzt 4.7. Digital erweiterte Produktpaletten 4.8. UnterschätzteInternetplattformen 4.9. Predictive Maintenance erfüllt Erwartungen bisher nicht 4.10. Losgröße 1 wird greifbarer 4.11. Agile Organisation muss konsequenter verfolgt werden 4.12. CDO und CIO – Chefsache digitale Transformation 4.13. Digitale Kenngrößen fehlen
4
5
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 7
Wissen Sie noch, was Sie am 13. Juli 2014 gemacht haben? Die
Chancen stehen nicht schlecht, dass Sie wie mehr als drei Milli-
arden Fußballfans weltweit vor dem Fernseher den Triumph der
deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Brasilien verfolgt
haben. Lahm, Schweinsteiger, Klose – es kommt einem schon
fastwieeineEwigkeitvor.GleichesgiltfürdieersteAuflagedes
„DeutschenIndustrie4.0Index“.DennwährendJogisJungsda-
mals von Sieg zu Sieg stürmten, brüteten wir in Köngen über
dem Fragebogen zur Studie, der wenige Tage nach dem Finale
an die Teilnehmer gehen sollte.
Drei Jahre später hat sich nicht nur das Gesicht der „Mann-
schaft“verändert,sondernauchderFragebogenfürdenIndus-
trie 4.0 Index. Themen wie Losgröße 1, Predictive Maintenance,
industrielleInternetplattformenundAgilitätgehörenmittlerwei-
le einfach dazu, wenn man der deutschen Industrie in Sachen
ZukunftsfähigkeitaufdenPulsfühlenmöchte.
Und auch bei der Staufen AG hat sich die „Aufstellung“ geän-
dert. Mit Staufen.Digital Neonex gibt es nun eine eigene Toch-
tergesellschaft, die Industrieunternehmen bei ihrer digitalen
Transformation berät und begleitet. Neben pragmatischen
Digitalstrategien stehen Themen rund um Smart Factory, Data
Science und Digitalisierung des Produktprogrammes sowie des
Geschäftsmodellsaufdem„Spielplan“.
Und wie sieht es in Ihrem Unternehmen aus? Haben Sie Ihre
Strategie schon den neuen Herausforderungen angepasst? Wur-
deIhrTeamaufdenSchlüsselpositionengezieltverstärkt?Gibt
es bereits einen „digitalenMannschaftskapitän“ in Formeines
CDOs?
Die Ergebnisse des „Deutschen Industrie 4.0 Index 2017“ zeigen,
dass trotz aller Fortschritte viele Unternehmen immer noch auf
Zeit spielen. Ein riskantes Spiel – denn nicht für alle Betriebe
wird es eine erfolgreiche Verlängerung geben wie damals im
Maracana-Stadion am 13. Juli 2014.
8 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
2
Experten zu Industrie 4.0
DR. JOCHEN SCHLICKSenior Partner & Co-Founder, STAUFEN.DIGITAL NEONEX GmbH
DIGITALE TOPLINE –MEHR UMSATZ DURCH
SMARTE PRODUKTE UNDDIENSTLEISTUNGEN
Die Mehrheit der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer
beschäftigt sich bereits mit den Themen Industrie 4.0 und Di-
gitalisierung. Vorrangig steht dabei die Erhöhung der Effizienz
von Produktionsprozessen im Vordergrund.
Dr. Jochen Schlick, Senior Partner und Co-Founder von
Staufen Digital Neonex, rät den Unternehmen, es nicht dabei
zu belassen. Vielmehr gilt es, Marktchancen zu ergreifen und
sich mittels neuer Technologien weitere Wertschöpfungs-
potenziale zu erschließen.
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 9
Die Anwendung der bereits beschriebenen grundlegenden in-
formationstechnischen Bausteine der Digitalisierung führen in
Konsequenz dazu, dass sich physische Unternehmensgrenzen
mehrundmehrauflösen.GeradeinBezugaufSoftwareerlaubt
dieMöglichkeiteineskomplettortsunabhängigenZugriffsüber
die Cloud neuen Anbietern, Standardlösungen ohne teure IT-In-
stallation vor Ort sofort nutzbar anzubieten. Weiterhin sind so
bereitgestellte Standardlösungen oftmals über Unternehmens-
undSystemgrenzenhinausintegriert.AuchzusätzlicheMaschi-
nenfunktionalitätenoderAnalyse-undVorhersagealgorithmen
können so zu jedem Zeitpunkt des Produktlebenszyklus und
nahezu ohne Transaktionskosten einer weltweiten Kundenba-
sis als Zusatz-Features angeboten werden. Beispiele für smar-
te, sprich datengetriebene Dienstleistungen, die auf solchen
zusätzlichen Funktionen aufbauen, finden sich etwa im Be-
triebsmittel- und Ersatzteilmanagement oder auch im Bereich
von nutzungsbezogenen Abrechnungsmodellen und Verfügbar-
keitsgarantien.
Für Anbieter solcher smarter Dienstleistungen bietet die Digi-
talisierung komplett neue Möglichkeiten, über den gesamten
Lebenszyklus von bereits verkauften Produkten zusätzliche
Umsätze zu erzielen. Diese Umsätze können darüber hinaus
mitnutzenbasiertenGeschäftsmodellenerzieltwerden,beide-
nen der Endkunde einen Teil der erzielten Optimierung an den
Anbieter der smarten Dienstleistung entrichtet. Der Hersteller
desursprünglichenProduktsistbeidiesenUmsätzenaußenvor
und wird mitunter nach und nach von der Kundenschnittstelle
verdrängt.
Die digitale Topline ist eine bislang weitestgehend ungenutzte
Chance für deutsche Unternehmen. Der zentrale Aspekt ist
hierbei das nutzenbasierte Geschäftsmodell. Dabei steht der
Nutzer des Produkts im Vordergrund, nicht nur als Organisati-
on, sondern auch als Individuum und Verbraucher.
DievolkswirtschaftlicheBedeutungunddasmarktverändernde
Potenzial der Digitalisierung sind unbestritten. Auch die Un-
ternehmen des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus sind
bereits auf den 4.0-Zug aufgesprungen. Doch ob sie mit ihrem
FokusaufdieErhöhungderEffizienzvonProduktionsprozessen
auch in die richtige Richtung fahren, ist fraglich. Vielmehr besteht
die Gefahr, dass deutsche Unternehmen mittelfristig zu reinen
Produzenten degradiert werden, die ihre Innovationskraft voll-
ständig in die Effizienzsteigerung legenmüssen, während die
eigentlichen Gewinne durch Produkt- und Geschäftsmodel-
linnovationen von denjenigen Unternehmen eingefahren wer-
den, die sich in erster Linie mit den disruptiven Potenzialen der
Digitalisierungbeschäftigen.
Die Basis dieses oftmals beschworenen „disruptiven Potenzi-
als“ der Digitalisierung sind grundlegenden informationstech-
nischen Bausteinen wie die maschinenlesbare Identifikation
von Einzelteilen, die informationstechnischen Anbindung von
Maschinen an das Internet sowie die Möglichkeit, Software
komplettortsunabhängigausderCloudzugreifbarzumachen.
Damit ergibt sich die technische Möglichkeit, heute bestehen-
de Wertschöpfungsketten mit deutlich reduzierten Transakti-
onsverlusten neu zu gestalten. Aus betriebswissenschaftlicher
Sicht geht dies natürlich mit einer kompletten Neuverteilung
von Wertschöpfungspotenzialen einher.
Der skizzierte Sachverhalt ist für eine Vielzahl von deutschen
Unternehmen von maßgeblicher Bedeutung. Dies ist der Tatsa-
che geschuldet, dass ein nicht unerheblicher Anteil des unter-
nehmenseigenenKnow-howsinSoftwarerepräsentiertist.Dies
betrifftnichtnurdieinProduktendesMaschinen-undAnlagen-
baus eingebettete Software, sondern auch unternehmenseige-
ne Software-Systeme, in denen Unternehmensprozesse durch
Eingabemasken, individuelle Workflows und Konfigurations-
dateienrepräsentiertsind.
10 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
Dasbedeutet,dasszusätzlichzumGeschäftmitProduktenwie
MaschinenundAnlageneinneuesGeschäftmitsmartenDienst-
leistungen entsteht, das das bestehende Dienstleistungsport-
folio deutlich erweitert. Hierbei stehen weniger die Maschinen
oder Anlagen sowie deren technische Verfügbarkeit im Fokus.
Im Vordergrund stehen vielmehr Prozesse sowie Tätigkeiten
derMenschen, umdieseProzesse effizient und zuverlässig zu
betreiben.BeieinerWerkzeugmaschinewärendiesz.B.Tätig-
keiten wie das Rüsten, das Verwalten, Vorbereiten und Warten
von Werkzeugen und das Einfahren von Bearbeitungsprozessen.
Ein zentraler Aspekt bei der Erbringung dieser Dienstleistungen
ist die Frage nach ihrer Skalierbarkeit. Der Schlüssel hierzu ist
die Erbringung zentraler Leistungsbestandteile per Software.
Dies ermöglicht es, smarte Dienstleistungen für eine große An-
zahl von Kunden auszuführen, ohne in gleichem Maße die Per-
sonalkapazitätenzuerhöhen.BeieinerMaschinekannmanfür
ein produzierendes Werk beispielsweise einen Mehrwert schaf-
fen,indemperSoftwareRüstaufwändenachweisbarreduziert,
große Teile des Werkzeugmanagements und der Werkzeugin-
standhaltung automatisiert oder die Ersatzteilverwaltung für
den gesamten Maschinenpark übernommen wird.
Die smarte Dienstleistung nutzt dabei Wissen sowie aktuelle
Informationen über die Anlage des Herstellers als Basis und
bietet durch Transparenz und Interpretation dem Kunden einen
direkten Mehrwert.
Derartige smarte Dienstleistungen, die auf Software aufbauen,
stellen für einen typischerweise auf technische Verfügbarkeit
fokussierten Service einen Paradigmenwechsel dar. Die System-
ebene dieser neuen Art von softwarebasierten und datengetrie-
benen Dienstleistungen geht weit über das eigene Produkt hi-
naus. Die Dienstleistungen bewegen sich auf der Ebene des Pro-
duktsystems des Kunden und beziehen sich damit auf dessen
gesamten Maschinenpark sowie auf organisatorische Aspekte
der Produktion. Im Bereich Ersatzteilmanagement erweitert
sich der Betrachtungsfokus sogar über das Wertschöpfungssy-
stem des Kunden hinaus. Die Entwicklung von nutzenbasierten
Geschäftsmodellen,dieaufsmartenDienstleistungenaufbau-
en, verlangt gerade von Anbietern erfolgreicher Produkte einen
schmerzhaften Kulturwandel.
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 11
Die selbst definierten Systemgrenzen des eigenen Produkts
müssen überwunden, die Kundenschnittstelle muss auf ein
neues Niveau gehoben und der Vertrieb der smarten Dienst-
leistungen auf Augenhöhe des Kunden und dessen Prozessver-
ständnisgeführtwerden.
Da die Änderung einer Unternehmenskultur ein sehr langwie-
riger Prozess sein kann und zudem der Aufbau neuer Kompe-
tenzen sehr aufwendig ist, bietet sich hier der Weg in die ho-
rizontale Vernetzung an. Ein Lösungsansatz, um schnell in das
neueGeschäftsfeldsmarterDienstleistungenzustarten,istder
Aufbau eines Ökosystems aus spezialisierten Partnern. Statt
selbst die notwendigen Kompetenzen aufzubauen, wird die
eigene Kundenbasis gegen Provision für andere Unternehmen
geöffnet.DieseUnternehmenbieten smarteDienstleistungen
rund um die Maschine oder Anlage des Herstellers an. Ein Rah-
menvertrag stellt die Regeln der Zusammenarbeit auf eine ein-
heitlicheBasis.EineSoftware-PlattformermöglichtdenZugriff
aller Beteiligten auf Daten der Maschinen des Herstellers. Im
KernentsprichtdiesesModelleineroffenenInternetplattform
zum Austausch von Waren und Dienstleistungen mit einer un-
begrenzten Zahl von Teilnehmern.
Im Gegensatz zu dieser muss eine solche Plattform jedoch nicht
offensein,sondernkannauchalsgeschlossenesÖkosystemmit
einemausgewähltenKreisanPartnernschnellundkostengüns-
tig realisiert werden.
Die digitale Topline stellt für Unternehmen des Maschinen- und
Anlagenbaus eine bedeutende Option dar, die auf die margen-
starke Nutzungsphase ihrer Maschinen und Anlagen fokussiert.
In der Umsetzung neuer, nutzenbasierter Geschäftsmodelle
könnendieUnternehmenaufdieNähezuihrenKundenaufbau-
en und ihre oftmals bereits vorhandene Software-Kompetenz
umfassend nutzen. Somit ist die digitale Topline das zentrale
Instrument, um die Wertschöpfungsposition deutscher Unter-
nehmenzustärkenundneuesWertschöpfungspotenzialdurch
Software zu erschließen.
12 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
HINTERGRUNDUND
Für den „Deutschen Industrie 4.0 Index 2017“ befragte die Unternehmens- beratung Staufen insgesamt 394 Unter- nehmen in Deutschland zum Thema Industrie 4.0.
Die Befragung erfolgte im Juli 2017.Mehr als 70 Prozent der befragten Unternehmen entstammen dem Maschinen- und Anlagenbau, der Elektro- und der Automobilindustrie.
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 13
SpätestensseitdiesemJahrlässtsichnichtmehrverleugnen,dass
Industrie 4.0 im Unternehmensalltag der hiesigen Wirtschaft ange-
kommen ist. Der Industrie 4.0-Index, der seit 2014 von der Staufen
AG erhoben wird, ist seit Beginn seiner Messung stetig gestiegen
und erreicht 2017 mit 41 Punkten seinen bisherigen Höchstwert.
Nur noch die wenigsten Industrieunternehmen bleiben bei der
digitalen Transformation außen vor – ihr Anteil hat sich in Jahres-
frist noch einmal halbiert. Gleichzeitig hat mittlerweile fast die
Hälfte der Firmen konkrete Erfahrungenmit Industrie 4.0 vor-
zuweisen. Zugegeben, so mancher Industrievertreter betrachtet
denBegriffnochimmeralseineArtHype,einneuesWortfüreine
fortschreitende Automatisierung.
Darüberlässtsichtrefflichstreiten,schonallein,weileszumBe-
griffIndustrie4.0keineklare,unbestritteneDefinitiongibt.Doch
das liegt auch in der Natur der Sache. Getrieben von neuen und
exponentiell wachsenden digitalen Möglichkeiten, beinhaltet die
industrielle Zeitenwende eine kaum mehr zu überblickende Viel-
faltundReichweitevonVeränderungsprozessen.Dasshiergera-
de ein umfassender Paradigmenwechsel durch die Industrie geht,
werden aber selbst ausgemachte Kritiker der Nomenklatur kaum
bestreiten können.
Genau hier liegen aber auch die Risiken der digitalen Transformati-
on. Noch sind zu viele etablierte Unternehmen mental in der „alten
Welt“ gefangen, selbst wenn sie Industrie 4.0 bereits in den eigenen
Werkhallen erleben. Ob es nun um Disruption geht oder um neue
digitale Vertriebsplattformen: Die Einsicht, wie sehr Altbekanntes
und Bewährtes schon inwenigen Jahren überholt sein könnte,
istlängstnichtinallenKöpfenangekommen.Vielfachwirdnoch
intraditionellenFünf-odergarZehnjahreszeiträumengedacht–
eine halbe Ewigkeit im Zeitalter der digitalen Transformation.
RAHMEN DER STUDIEHINTERGRUND
UND
Über die Studie
3
14 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
2016
2017
2015
2014
16
30
35
41
„Die Digitalisierung von "leanen"Unternehmensprozessen steigertdie Wettbewerbsfähigkeit.Wo immer möglich, erlaubtdie Digitalisierung veränderteGeschäftsmodelle.“Dr.-Ing. Henning Bähren, CEO, punker GmbH
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 15
Der Deutsche Industrie 4.0 Index
4
4.1 Digitalisierung in der betrieblichen Praxis angekommen
Das Thema Industrie 4.0 hat in der deutschen Wirtschaft im Ver-
gleich zum Vorjahr noch einmal deutlich an Gewicht gewonnen.
Fast alle Unternehmen haben erkannt, dass sie um die digitale
Transformation nicht mehr herumkommen. Nur 8 Prozent verwei-
gern sich noch dem Trend. Damit hat sich ihr Anteil im Verlauf nur
eines Jahres nahezu halbiert. Auch ein anderer Wert spricht dafür,
dassIndustrie4.0tatsächlichinderPraxisderBetriebeankommt.
2016 befand sich ein Drittel der Unternehmen noch in der Vor-
bereitung, man beobachtete die Entwicklungen am Markt und
analysierte. Damit begnügt sich mittlerweile nur noch ein Viertel,
die Übrigen sind bereits weiter. 14 Prozent planen oder testen
konkret und vier von zehn etablieren die Smart Factory schon in
einzelnen Projekten. Schwierigkeiten bereitet der deutschen Indus-
trie dagegen immer noch die komplette Durchdringung ihrer Un-
ternehmen mit Industrie 4.0-Konzepten. Von einem umfassenden
operativen Einsatz sprechen nach wie vor erst 7 Prozent, exakt der
Wert des Vorjahres.
16 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
Die abgefragten Branchen unterscheiden sich in der Verteilung
nur unwesentlich, es ist seit 2016 eine gewisse Harmonisierung
eingetreten. Dies spricht dafür, dass Industrie 4.0 mehr und
mehr die gesamte Wirtschaft durchdringt. Es kommt zum Aus-
tausch von Erfahrungen und zu einem Wissenstransfer über die
Branchengrenzen hinweg. Nicht verwunderlich, denn zahlreiche
Unternehmen sind in Deutschland über Kunden-/Zuliefererbe-
ziehungen eng miteinander verknüpft.
Im Reifegrad der digitalen Transformation zeigen sich zwischen
den Branchen zwar Unterschiede, sie sind allerdings für die Ge-
samtentwicklung eher unwesentlich. So liegt die Automobilindus-
trie beim praktischen Einsatz von Industrie 4.0 beispielsweise
noch erkennbar vor dem Maschinen- und Anlagenbau, dafür be-
findetsichdortdervergleichsweisegrößteAnteilinderPlanungs-
undTestphaseundwirdalsodemnächstindiePraxiseinsteigen.
DiesergeringeRückstanderklärtsichzumTeilausderStruktur
derBranchen.WährenddieAutomobilindustrie vonKonzernen
mitdenentsprechendenRessourcendominiertwird,findensich
imMaschinen-undAnlagenbauzahlreicheMittelständler,darun-
ter auch kleinere Unternehmen.
Entsprechend diesen Zahlen ist der seit 2014 von der Staufen AG
erhobene Industrie 4.0 Index ebenfalls deutlich gestiegen. Er liegt
in diesem Jahr auf einer Skala von 0 bis 100 bei 41 und damit
6 Punkte höher als noch 2016. Seit der ersten Erfassung ist er um
den Faktor 2,5 gewachsen und widerlegt damit die gelegentlich
geäußerteKritik,Industrie4.0seinurein„Hype“,derbaldwieder
abklingen werde. Im Branchenvergleich liegt die Automobilindus-
trie mit einem Wert von 46 an der Spitze.
40 4643
Industrie 4.0 / Digitalisierung ist nach wie vor das Topthema. Wie weit ist Ihr Unternehmen auf dem Weg zur Smart Factory?
Maschinen- und Anlagenbau Elektroindustrie Automobilindustrie
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 17
Industrie 4.0 / Digitalisierung ist nach wie vor das Topthema. Wie weit ist Ihr Unternehmen auf dem Weg zur Smart Factory?
0 % 10 %
1 %
20 % 50 %30 % 40 %
Wir haben uns noch nicht konkret damitbeschäftigt.
DasThemabefindetsichbeiuns in der Beobachtungs- und Analysephase.
DasThemabefindetsichbeiuns in der Planungs- und Testphase.
Wir verfolgen operative Einzelprojekte in Sachen Industrie 4.0.
Industrie 4.0 wird bei uns umfassend operativ umgesetzt.
31 %
7 %
14 %
4 %
14 %
9 %
5 %
33 %
7 %
6 %
41 %
24 %
39 %
33 %
36 %
15 %
8 %
19 %
20162017
„KeineAntwort“und„Weißnicht“wurdeninderGrafiknichterfasst
2015 2014
34 %
18 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.2 Anwenderbranchen treiben den Maschinenbau voran
Es ist wenig verwunderlich, dass der klare Fokus von Industrie
4.0 auch 2017 auf der Produktion liegt. 85 Prozent der befragten
Unternehmen,diesichbereitskonkretmitIndustrie4.0beschäf-
tigen, setzen dort bereits „smarte“ Konzepte ein oder stehen kurz
davor. Besonders weit ist hier wieder die Automobilindustrie mit
einem Wert von 97 Prozent.
In welchen Unternehmensbereichen setzen Sie bereits auf Industrie 4.0 / Digitalisierung bzw. planen dort den Einsatz?
56 %
85 %
42 %
35 %
27 %
24 %
22 %
20 %
19 %
NurTeilnehmer,diesichschonkonkretmitIndustrie4.0beschäftigen
Service
Verkauf / Kundenschnittstelle
Logistik / Lagerhaltung
Vertrieb
Produktion
Einkauf
Forschung und Entwicklung
Verwaltung (Finanzen, Personal etc.)
Instandhaltung / After Sales
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 19
Industrie 4.0 / Digitalisierung ist nach wie vor das Topthema. Wie weit ist Ihr Unternehmen auf dem Weg zur Smart Factory?
86 %
68 %
55 %
27 %
23 %
97 %
38 %
27 %
68 %
57 %
55 %
74 %
48 %
42 %
42 %
Maschinen- und Anlagenbau
Elektroindustrie
Automobilindustrie
Produktion
Produktion
Produktion
Logistik / Lagerhaltung
Instandhaltung / After Sales
Forschung und Entwicklung
Forschung und Entwicklung
Logistik / Lagerhaltung
Logistik / Lagerhaltung
Instandhaltung / After Sales
Forschung und Entwicklung
Service
Service
Vertrieb
Einkauf*
*MitgleicherHäufigkeit:VertriebundInstandhaltung/AfterSales
Für die Logistik und Lagerhaltung zeigt sich ebenfalls das ge-
wohnte Bild der Vorjahre. Als produktionsnaher Bereich belegt
dieses Feld mit 56 Prozent den zweiten Platz der Rangfolge. Auch
die Forschungs- und Entwicklungsarbeit hat sich auf dem ver-
gleichsweise hohen Wert des Vorjahres stabilisiert und wird in
vier von zehn Unternehmen von Industrie 4.0 getrieben.
Klar weicht allerdings der Maschinen- und Anlagenbau ab, wo die
ForschungundEntwicklungmit55ProzentdieLogistiküberflü-
gelt.EineplausibleErklärung:IndieserBranchebefindensichdie
Unternehmen, die mit „smarten“ Maschinen die Grundlagen für
diedigitaleTransformationinanderenBranchenschaffen.Damit
istdortdasGeschäftderzeitbesondersaufInnovationangewie-
sen: Die Industrie 4.0-Nachfrage der Anwenderbranchen treibt
den Entwicklungsprozess im Maschinenbau voran.
Als eigene Kategorie wurde im Industrie 4.0-Index 2017 der Be-
reich Instandhaltung/After Sales erstmals aus dem Service he-
rausgelöst. Bei etwa einem Drittel der Unternehmen spielt hier
Industrie 4.0 bereits eine Rolle, insgesamt belegt der Bereich den
viertenRang.UnterdiesenUmständenerstaunlichstarkerfasst
die digitale Transformation den Service. Obwohl die nun einzeln
abgefragte Instandhaltung herausgelöst ist, verzeichnet der Be-
reich den größten Zuwachs im Jahresvergleich. Seit 2016 hat er
um 7 Prozentpunkte zugelegt: Also arbeiten die Firmen auch ab-
seits von Predictive Maintenance und ähnlichen Konzepten an
Serviceangeboten im Umfeld von Industrie 4.0, was für die Kon-
kretisierungvonneuenGeschäftsmodellensprechenkönnte.
20 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.3 Noch dominieren klassische Motive
Bei allen digital getriebenen Fortschritten, die Argumente für
Industrie 4.0 bleiben in deutschen Unternehmen die Klassiker:
interneEffizienzsteigern(82Prozent),Abläufetransparentma-
chen(75Prozent),Kostensenken(60Prozent).Dochallmählich
setzt sich die Erkenntnis durch, dass hier wirklich eine vierte in-
dustrielle Revolution vor der Tür steht, die weit größere Mög-
lichkeiten bietet. So folgen die Schnittstelle zum Kunden, der
Wettbewerbsvorteil durch Innovation und die individualisierte
Fertigung – in ihrer extremsten Ausprägung die Losgröße 1 –
gleichwertig auf dem vierten Rang. Immerhin schon 42 Prozent
halten diese Aspekte für schlagkräftige Argumente, wenn es
darum geht, die digitale Transformation voranzutreiben.
Fast gleichwertig wird zudem die Chance gesehen, über In-
dustrie 4.0 zusätzliche Serviceleistungen anzubieten. Auch die
VerheißungdurchneueGeschäftsmodelleerscheintendlichat-
traktiver, nachdem der deutschen Industrie eine ganze Zeit lang
vorgeworfen wurde, gerade diese Dimension von Industrie 4.0
zu verschlafen.
Das geringste Gewicht haben noch verkürzte Entwicklungszeiten
unddieAnforderungenvonGeschäftspartnern.Geradeletzterer
Aspekt liegt mit 20 Prozent überraschend niedrig, bedenkt man
die vergleichsweise hohe Bedeutung, die der Kundenschnitt-
stelle zugemessen wird. Hier könnte so manches Unternehmen
bald auf dem falschen Fuß erwischt werden. Derzeit wird der
digitale Wandel noch vornehmlich allein im eigenen Haus voran-
getrieben. Klar ist aber auch, dass diese Transformation nicht an
der Unternehmensgrenze enden wird. Wer beispielsweise als
Zulieferer darauf nicht ausreichend vorbereitet ist, könnte bei der
Kundenbindung ganz erhebliche Nachteile zu spüren bekommen.
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 21
Nur Teilnehmer, die sich schon konkret mit Industrie 4.0 beschäftigen
Was sind die Motive für Industrie 4.0 undDigitalisierungsmaßnahmen in Ihrem Unternehmen?
82 %
42 %Möglichkeit zur wirtschaftlichen
individualisierten Fertigung (Stichwort Losgröße 1)
SteigerungderinternenEffizienz
39 %Umsatzsteigerung durch neueGeschäftsmodelle
60 %Kostensenkungen
41 %Umsatzsteigerungdurchzusätzliche
Services, z. B. Predictive Maintenance
75 %TransparenzindenAbläufen, z. B. in der Produktion
24 %Verkürzung der Entwicklungszeiten,
z. B. durch digitale Zwillinge
42 %StärkungderSchnittstelle
zum Kunden
20 %AnforderungenvonGeschäftspartnern,
z. B. OEM
42 %Wettbewerbsvorsprung durch
moderne Produkte
22 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
Zwischen den abgefragten Branchen zeichnen sich durchaus
unterschiedliche Motive für Industrie 4.0 ab. Überall dominie-
rendieklassischenkaufmännischenTreiber.ImMaschinenbau
allerdings folgt bereits an dritter Stelle der Wettbewerbsvor-
sprung durch moderne Produkte. Hier zeigt sich vermutlich
wieder der bereits angesprochene Innovationsdruck durch die
Abnehmerindustrien: Wer jetzt nicht die Maschinen liefern kann,
Nur Teilnehmer, die sich schon konkret mit Industrie 4.0 beschäftigen
die den Industrie-4.0-Vorhaben der Kundschaft genügen, hat es
am Markt schwer. Die wirtschaftliche individuelle Fertigung ist
dagegen in der Elektroindustrie das dritthäufigste Argument.
WomöglichlässtsichdiesüberdieKunden-undProduktstruktur
erklären.ImGegensatzzumMaschinenbauexistierteinumfang-
reichesB2C-Geschäft,indemsichdieMargenüberIndividuali-
sierung erheblich steigern lassen könnten.
Was sind die Motive für Industrie 4.0 und Digitalisierungs- maßnahmen in Ihrem Unternehmen?
71 %
72%
62 %
Maschinen- und Anlagenbau
TransparenzindenAbläufen,z.B.inderProduktion
Wettbewerbsvorsprung durch moderne Produkte
SteigerungderinternenEffizienz
95 %
89 %
86 %
Automobilindustrie
SteigerungderinternenEffizienz
TransparenzindenAbläufen,z.B.inderProduktion
Kostensenkungen
82 %
68 %
68 %
Elektroindustrie
SteigerungderinternenEffizienz
Möglichkeit zur wirtschaftlichen individualisierten Fertigung
TransparenzindenAbläufen,z.B.inderProduktion
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 23
„Lean bleibt aus meiner Sichtdas führende Konzept – Industrie 4.0 wird die bestehenden Lean Prinzipien verstärken.“Oliver Guehl, BMW AG
24 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
Was die Chancen für wirtschaftlichen Erfolg angeht, bleiben
die Erwartungen an Industrie 4.0 hoch. Mit 78 Prozent der Be-
fragten sind noch einmal 4 Prozentpunkte mehr als 2016 der
Überzeugung, in den kommenden fünf Jahren mit der digitalen
Transformation den Erfolg zu steigern. Vor allem die Automo-
bilindustrie ist hier positiv gestimmt, aber auch Maschinenbau
und Elektroindustrie erreichen Zustimmungswerte von deutlich
über 70 Prozent.
4.4 Industrie 4.0 bleibt ökonomischer Hoffnungsträger
Was sind die Motive für Industrie 4.0 und Digitalisierungs- maßnahmen in Ihrem Unternehmen?
stimme zu stimme eher zu stimme eher nicht zu stimme nicht zu
Maschinen- und Anlagenbau ElektroindustrieAutomobilindustrie
4%
25%17% 14%23%
40%62%54%
20%
34%
4% 3%
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 25
Befragt nach den konkreten Auswirkungen, erwartet die deut-
sche IndustrievorallemimVerhältniszudenKundenspürbare
Veränderungen. 83 Prozent gehendavon aus, dass sich in den
kommenden fünf Jahren hier neue Entwicklungen zeigen werden.
Knapp ebenso viele sehen dies auch auf der Lieferantenseite –
immerhin 5 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Im eigenen Haus wird sich der Wandel ebenfalls bemerkbar
machen, beispielsweise im Bereich Forschung und Entwicklung.
Fast sieben von zehn Unternehmen erwarten dort Auswirkungen
der digitalen Transformation. Ein klares Bild über die Richtung
derEntwicklungsaktivitätengibtesderzeitallerdingsnochnicht.
Knapp dieHälfte der Unternehmen erwartet, dass sich ihr Ge-
schäftsmodellverändernwird–wasallerdingsmitBlickaufden
abgefragten Zeitraum von fünf Jahren und die bisherigen bran-
chenüblichen Innovationszyklen durchaus für eine Aufbruch-
stimmung spricht. Dabei ist die Erwartung im Maschinenbau mit
63 Prozent besonders hoch. Etwas geringere Auswirkungen
sehen die Unternehmen mit einer Zustimmung von 46 Prozent
bei der Produktpalette. Vermutlich geht man hier von einer evolu-
tionärendigitalenWeiterentwicklungbestehenderAngeboteaus,
dieneueGeschäftsmodelleerschließensoll.
Was wird Industrie 4.0 / Digitalisierung in den kommenden fünf Jahren in Ihrem Unternehmen konkret bewirken?
83 %
46 %
Das Verhältnis zu und die Zusammenarbeit mit unseren Kundenwirdsichspürbarverändern.
Unsere Zusammenarbeit mit Lieferanten wirdsichspürbarverändern.
Unser Unternehmen wird durch Industrie 4.0 wirtschaftlich erfolgreicher.
Unsere F+E-Aktivitäten werden sich durch Industrie 4.0 spürbarverändern.
Unser Geschäftsmodell wird sich durch Industrie 4.0 spürbarverändern.
Unsere Produktpalette wird sich durch Industrie 4.0 spürbarverändern.
78 %
82 %
69 %
51 %
„stimme zu“ und „stimme eher zu“*
* abgefragt auf einer 4-Punkte-Skala von „stimme zu“ bis „stimme nicht zu
26 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.5 Überstrapazierte Begrifflichkeiten
Industrie 4.0 ist seit einigen Jahren in der Welt der Produktions-
technik in allerMunde,dennoch lässt sichdieKritik andiesem
Konzept nicht verschweigen: Es handle sich lediglich um einen
„Hype“, der nichts weiter darstelle als eine weitere Stufe der
Automatisierung. Immerhin vier von zehn Befragte teilen diese
Meinung. Ein erstaunlich hoher Wert, bedenkt man doch die
großen Chancen, die der digitalen Transformation in den bishe-
rigen abgefragten Kategorien zugemessen werden.
Es gibt Kritiker, die Industrie 4.0 als Hype bezeichnen. Sie sehen sie lediglich als Fortschreibung und Ausweitung der Automatisierung. Inwieweit stimmen Sie dieser Aussage zu?
stimme zu stimme nicht zu
VermutlichäußertsichhiereinegewisseErmüdungserscheinung
inBezugaufdieBegrifflichkeit.Zuhäufigwirddasohnehinnicht
sehrklardefinierteSchlagwort„Industrie4.0“fürjedeArtvondi-
gital getriebenerProduktentwicklungeingesetzt.Hierwärealso
bei allem Marktinteresse eine gewisse Wahrhaftigkeit und eine
ausreichende Portion Realismus gefragt, will man keine weitere
Abwehrhaltung erzeugen. Die ist derzeit vor allem in der Elektro-
industrie verbreitet,wo fastdieHälftederBefragten „Industrie
4.0“alsreinenModebegriffbetrachten.
Maschinen- und Anlagenbau ElektroindustrieAutomobilindustrie
64%58% 51%
36%42%
49%
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 27
„Industrie 4.0 und Digitalisierung werden die Baubranche revolutionieren. Nach Jahrzehnten der Stagnation, kann dies aber auch der notwendigeKatalysator für Prozessverbesserungen undInnovation sein!“Dr. Alexander Kappes, Unternehmensentwicklung, WOLFF & MÜLLER Holding GmbH & Co. KG
WirwerdenunserGeschäftsmodelldurch disruptive Digitalisierungs-
ansätzeselbstangreifen.
28 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.6 Neue Wettbewerber werden weiter unterschätzt
Die Erkenntnis, dass große technologische Umwälzungen nicht
nur Chancen bieten, sondern auch zur Gefahr für etablierte
Unternehmen und Geschäftsmodelle werden können, kommt
langsam in der deutschen Industrie an. Konnte sich noch 2016
nur jederZehnteeinenAngriffdisruptiverWettbewerber inner-
halb der kommenden zwei Jahre vorstellen, sind es 2017 bereits
16 Prozent. Für den mittelfristigen Zeitraum von fünf Jahren se-
hen bereits 42 Prozent dieses Risiko, ein Anstieg von 10 Prozent-
punkten im Vergleich zum Vorjahr. Langfristig gesehen halten so-
gar58ProzenteinendisruptivenAngrifffürwahrscheinlich.
Damit ist das Bewusstsein für die Geschwindigkeit digital getrie-
bener Marktveränderungen klar gewachsen, doch vermutlich
immer noch viel zu gering. Das Denken in Fünf- oder Zehnjahres-
zeiträumenberücksichtigtbeiWeitemnichtdieDynamik,dieder-
zeitige technologische Paradigmenwechsel entfalten könnten.
DasamhöchstenausgeprägteRisikobewusstseinfindetsichnoch
im Maschinen- und Anlagenbau, wo 21 Prozent bereits in den
kommendenzweiJahreneinenentsprechendenAngrifferwarten
– fast doppelt so viele wie in der Automobilindustrie. Erstaunlich,
haben doch gerade die Autohersteller in der jüngsten Ver-
gangenheit bereits mit den zahlreichen digitalen Mitfahrerplatt-
formen und Carsharing-Modellen einen Vorgeschmack darauf
bekommen,wieschnelldisruptiveGeschäftsmodellemittler-
weile Marktreife erlangen.
Stichwort Disruption: Wie groß sehen Sie die Wahrscheinlichkeit, dass neue Wettbewerber mit Industrie 4.0 / Digitalisierungs-innovationen Ihr Geschäft angreifen werden?
2016 2017 „groß“ und „eher groß“ abgefragt auf einer 4-Punkte-Skala von „groß“ bis „gering“
10%16%
32%
42%
53%58%
Kurzfristig innerhalb dernächsten zwei Jahre
Mittelfristig innerhalb dernächstenfünf Jahre
Langfristig innerhalb dernächstenzehn Jahre
59 %Von direkten Marktbegleitern
Von komplett Branchenfremden
Von Teilnehmern unserer Wertschöpfungskette
WirwerdenunserGeschäftsmodelldurch disruptive Digitalisierungs-
ansätzeselbstangreifen.
30%
32 %
29 %
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 29
DendisruptivenAngrifferwartendieBefragtenvorallemaus
der eigenen Branche, rund sechs von zehn Unternehmen teilen
diese Meinung. 30 Prozent gehen davon aus, dass Angreifer
zumindest noch aus der eigenen Wertschöpfungskette stam-
men, also beispielsweise Zulieferer, die ihr Geschäftsmodell
ausdehnen werden.
Ein Drittel der Befragten sieht sich von komplett Branchenfrem-
den in die Zange genommen. Auch hier gibt sich gerade die Auto-
mobilbranche angesichts ihrer Erfahrung mit der bereits genann-
ten rein digital agierenden Konkurrenz erstaunlich gelassen: Nur
18ProzentglaubenaneinenAngriffkomplettBranchenfremder.
Offensichtlich wird der Begriff der Disruption in der Automo-
bilbranche recht eng betrachtet. Dabei müssten Geschäftsmo-
delle, die den Erwerb eines eigenen Kraftfahrzeugs ersetzen,
angesichts gesellschaftlicher Werteveränderungen und eines
anhaltendenTrendszumurbanenLebensstildeutlichstärkerals
Bedrohung wahrgenommen werden.
Aber immerhin, dem steigenden Innovationsdruck stellen sich
29 Prozent der Unternehmen insgesamt mit Optimismus. Statt
neuen oder alten Konkurrenten das Feld zu überlassen, plant
manstattdessen,daseigeneGeschäftsmodellselbstmitdisrup-
tivenDigitalisierungsansätzenzuverändern.
Von wem erwarten Sie disruptive Angriffe auf Ihr Geschäftsmodell?
Nur Teilnehmer, die in der Vorfrage mit „groß“ und „eher groß“ geantwortet haben
30 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.7 Digital erweiterte Produktpaletten
Während der Schwerpunkt für viele digitalaffine Unternehmen
vorerst noch in der Anpassung der eigenen Fertigung liegt, ver-
folgt eine ebenfalls erkleckliche Anzahl bereits weitere strate-
gische Ziele. Vor allem liegt das Augenmerk mit 56 Prozent auf
digitalen Produktmerkmalen (beispielsweise eindeutige digitale
ID, Connectivity-Module oder Remote-Services). Damit rüstet sich
die Industrie nicht zuletzt für die Vernetzung über die Unterneh-
mensgrenzen hinaus. Eine etwas geringere Rolle spielen dagegen
rein digitale Produkte, die jedoch immer noch von 47 Prozent der
Befragten mit Industrie-4.0-Erfahrung genannt werden. Unter-
nehmen setzten also tendenziell auf die digitale Erweiterung im
bereits vorliegenden Portfolio, sind aber auch Neuentwicklungen
im Software-Bereich nicht abgeneigt. Predictive Analytics, ein
Prinzip, das als Schnittstelle von physischer und digitaler Welt ver-
standen werden kann, hat entsprechend ebenfalls für 45 Prozent
der Unternehmen schon Bedeutung.
Smart Data nimmt unter den abgefragten Themen den zweiten
Rang ein. Bedenkt man, dass zahlreiche Aspekte von Industrie 4.0
von diesem Prinzip gestützt werden beziehungsweise viele Ver-
besserungen und Lösungen erst auf dieser Grundlage möglich
werden, ist der vergleichsweise hohe Wert sicher gerechtfertigt.
Internetplattformen, die beispielsweise als Vertriebskanal für di-
gitale Services, aber auch für physische Produkte genutzt werden
können, wollen drei von zehn Unternehmen selbst entwickeln.
20 Prozent setzen dagegen auf die Nutzung bereits existierender
Angebote, zumindest, wenn es um Software-Services geht.
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 31
Mit 30 Prozent erscheint die strategische Aktivität im Bereich
Künstliche Intelligenz beziehungsweise Machine Learning sehr
hoch. Da entsprechende Anwendungen bisher noch nicht im
größeren Maße in der Praxis des produzierenden Gewerbes zur
Verfügung stehen, dürfte sich dieser Bereich vor allem im Feld
vorindustrieller Forschung und Entwicklung abspielen. Das aller-
dings zeigt, dass die deutsche Industrie die Bedeutung des The-
mas ernst nimmt und entsprechend vorausschauend agiert.
Kaum Bedeutung messen die befragten Unternehmen bisher
der Blockchain zu, nur 2 Prozent beschäftigen sich damit auf
strategischer Ebene. Keine große Überraschung, wenn man be-
denkt, dass die Umsatzgeschwindigkeit im industriellen Vertrieb
in keinem Vergleich zum vorwiegend digitalen Gewerbe etwa der
Finanzwirtschaft steht. Doch je mehr reine Software-Produkte
und Dienstleistungen in den Fokus der produzierenden Industrie
rücken, desto größere Bedeutung dürfte auch die Blockchain
gewinnen.
Nur Teilnehmer, die sich schon konkret mit Industrie 4.0 beschäftigen
Über die Digitalisierung der Produktion hinausgehende Themen, mit denen sich Unternehmen bereits strategisch beschäftigen
*z. B. elektronisches Typenschild, eindeutige Produkt-ID, Connectivity-Modul, Remote-Service, ...
**z. B. Software-Dienste, Software-Plattformen, „As-a-Service“-Produkte
56 %
30 %Künstliche Intelligenz oder Machine Learning
Digitale Produktmerkmale*
Blockchain
47 %Digitale Produkte**
20 %Platzierung eigener Software-Services
auf bereits existierenden Internetplattformen
52%Smart Data
45 %Predictive Analytics
30 %Entwicklung einer eigenen
Internetplattform
2%
32 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.8 Unterschätzte Internetplattformen
Die bereits erfolgten Veränderungen in den Geschäftsbezie-
hungen zwischen Unternehmen und Privatpersonen zeigen,
welche Dynamik und Kraft Internetplattformen für den Vertrieb
und die Kundenbindung entwickeln können. Vieles deutet darauf
hin, dass der B2B-Bereich dieser Entwicklung weiter folgen wird,
auch im Bereich der Produktionstechnik und Investitionsgüter.
Umso erstaunlicher ist die Haltung, die selbst ein Viertel der Un-
ternehmenmiteinschlägigerIndustrie-4.0-ErfahrungandenTag
legt: Die Nutzung entsprechender Plattformen steht für sie nicht
Nutzen Sie im Rahmen Ihrer 4.0-Aktivitäten industrielle Internetplattformen?
Z. B. zum Verkauf von Hardware, von softwarebasierten Dienstleistungen oder zur digitalen Unterstützung einer Wertschöpfungskette
30%
14%25%
31%
einmalzurDiskussion.KnappeinweiteresDrittelbeschäftigtsich
zumindest theoretisch mit dem Thema. Das bedeutet, nicht ein-
maldieHälftedereigentlichdigitalaffinenIndustriebetriebesetzt
bereits in der Praxis auf industrielle Internetplattformen für den
Vertrieb oder die Unterstützung der Wertschöpfungskette. Bleibt
zuhoffen,dassdieÜbrigennichtdasSchicksaldesEinzelhandels
ereilt: von der digitalen Revolution der Vertriebskanäle eiskalt
vomMarktverdrängtzuwerden.
Nur Teilnehmer, die sich schon konkret mit Industrie 4.0 beschäftigen
Ja, wir nutzen eine fremde Plattform.
Ja, wir nutzen unsere eigene Plattform.
Noch nicht, aber wir denken aktuell darüber nach.
Nein, und es steht auch aktuell nicht zur Diskussion.
44 % Ja
56 % Nein
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 33
Welche Bedeutung werden solche industriellen Internetplattformen für Ihre Branche künftig haben?
„sehr große“ und „große“ abgefragt auf einer 6-Punkte-Skala von „sehr große“ bis „gar keine“
19%
53%
77%
Die Bewertung der generellen Relevanz von Internetplattformen
passt zum eben gezeigten Bild. 44 Prozent aller befragten Unter-
nehmen messen ihnen eine hohe oder sehr hohe Bedeutung zu.
38 Prozent erkennen zumindest das Potenzial, sehen aber noch
Verbesserungsbedarf.
Insgesamt dominiert hier der Blick in die fernere Zukunft. In den
kommenden zwei Jahren sehen nur 19 Prozent eine große Be-
deutungvonindustriellenInternetplattformen.MehralsdieHälf-
te der Befragten ist überzeugt, dass in fünf Jahren damit zu rech-
nen ist. Auf zehn Jahre gesehen ist es die überwiegende Mehrheit
von 77 Prozent. Auch hier zeigt sich deutlich, wie sehr digitale
Umwälzungen in ihrer Geschwindigkeit unterschätzt werden.
Bereits ein Zeitraum von fünf Jahren ist bei diesen exponenti-
ellen Entwicklungen kaum noch zu fassen. Besonders überrascht
hierdieEinschätzungderAutomobilindustrie,dieInternetplatt-
formenüberalleZeiträumeeinedeutlichgeringereBedeutung
zumisst als der Durchschnitt.
In zwei Jahren In fünf Jahren In zehn Jahren
34 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.9 Predictive Maintenance erfüllt Erwartungen bisher nicht
Eine der meistgenannten bereits konkreten Anwendungen von
Industrie 4.0 ist Predictive Maintenance, also eine vorausschau-
ende Instandhaltung, basierend auf der Beobachtung von
Prozess- und Maschinendaten. Bereits zwei Drittel der Unter-
nehmen setzen auf dieses Prinzip, entweder im eigenen Haus
oderalsangeboteneLeistung.Hiermussallerdingseinschrän-
kend angeführt werden, dass der Übergang vom klassischen
Condition Monitoring hin zu Predictive Maintenance durchaus
fließendist,sodassdieserhoheWertwenigAufschlussdarüber
gibt, welchen technologischen Reifegrad die eingesetzten
Systeme aufweisen.
Wie beurteilen Sie allgemein das Leistungsvermögen der aktuell am Markt verfügbaren Predictive-Maintenance-Angebote?
sehr hoch
hoch
nochausbaufähig
eher gering
gering
trauemireineEinschätzungnichtzu
6 % Hoch
74 % Gering
DieseRelativierungwirdauchgestütztvonderLeistungsfähig-
keit, die am Markt verfügbaren Angeboten zugestanden wird.
Nur 6 Prozent sprechen hier von einem hohen oder sehr hohen
Leistungsvermögen.
Die Mehrheit von 74 Prozent hält die verfügbaren Anwen-
dungen für ausbaufähig oder schätzt ihren Nutzen noch
gering ein. Vergleichsweise hoch ist die Zahl der Befragten, die
sichkeinerleiEinschätzungzutrauen.Diesbetriffteinganzes
Fünftel und unterstreicht die Annahme, wie wenig definiert
das Prinzip Predictive Maintenance derzeit noch gefasst ist.
53%
4%
20%
2% 4%
17%
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 35
Welche Bedeutung wird Predictive Maintenance für Ihre Branche in 2 bis 5 Jahren haben?
„sehr große“ und „große“ abgefragt auf einer 6-Punkte-Skala von „sehr große“ bis „gar keine“
64 %
45 %
Maschinen- und Anlagenbau
49 %
73 %
Automobilindustrie
46 %
49 %
Elektroindustrie
für die Fertigung in Ihrer Branche für die in Ihrer Branche gefertigten Produkte
Allerdings setzt die Industrie große Hoffnungen auf die vo-
rausschauende Wartung. In zwei bis fünf Jahren soll Predictive
Maintenance eine große oder sogar sehr große Bedeutung für
die Fertigung in der eigenen Branche haben, glauben 51 Pro-
zent der Befragten. Der gleiche Anteil sieht dies auch für die in
der Branche gefertigten Produkte. Dabei zeigen die verschie-
denen Branchen ein heterogenes Bild.
Während die Automobilindustrie vor allem die eigene Ferti-
gungbeeinflusstsieht,überwiegtfürdenMaschinen-undAn-
lagenbau Predictive Maintenance auf der Produktseite – keine
große Überraschung bei den Maschinenbauern, die diesen
Service in ihr Maschinenportfolio aufnehmen.
Weitgehend ausgeglichen sind die Erwartungen in der Elektro-
industrie, sowohl was den Anteil von Predictive Maintenance
insgesamt betrifft, als auch die Verteilung nach Fertigungs-
und Produktseite.
36 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
Ist bereits der Fall 20 %
Bei unseren derzeitigen Produkten/Leistungen ist das Thema Losgröße 1
nicht relevant.20 %
In 2 bis 5 Jahren 28 %
In 5 bis 10 Jahren 14 %
17 %Nie
Noch in diesem Jahr 1%
4.10 Losgröße 1 wird greifbarerMit Industrie 4.0 könnte ein lang gehegter Traum der produ-
zierenden Industrie Wirklichkeit werden: individualisierte Pro-
dukte zu den Konditionen der Serienfertigung herzustellen.
DieextremsteAusprägungdiesesAnsatzesistdieLosgröße1.
DassdiesesZielnichtfürjedesProduktrelevantist,erklärtsich
von selbst, entsprechend messen 20 Prozent der Befragten
diesem Thema keine Bedeutung bei. Diejenigen, deren Pro-
dukteesbetrifft, zeichneneinausgesprochenoptimistisches
Bild. Einem Fünftel gelingt es demnach bereits, die Losgröße 1
zu den Kosten der Serienfertigung herzustellen. Zu bedenken
ist dabei: Gerade im Investitionsgüterbereich hat die individu-
elle Anpassung von Maschinen und Anlagen eine lange Tradi-
tion,dieStückzahlensindsachgemäßvergleichsweiseniedrig.
Den ersten Unternehmen gelingt es bereits, Produkte mit derLosgröße 1 zu den Kosten einer Serienfertigung herzustellen.Wann wird Ihr Unternehmen dazu in der Lage sein?
Die nächsten zwei bis fünf Jahre betrachtet, gehen weitere
28 Prozent davon aus, die kostenneutrale Losgröße 1 zu er-
reichen, für den Zeitraum bis zu zehn Jahren sind es weitere
14 Prozent. Pessimistisch geben sich derzeit nur 17 Prozent,
die glauben, dieses Ziel nie zu erreichen. Das ist gegebenen-
falls zu pessimistisch gedacht, denn die individualisierte Fer-
tigung wird durch Industrie 4.0 sicher in einem ungeahnten
Maße kostengünstiger zu realisieren sein. Gleichzeitig nehmen
neue Fertigungsverfahren im Umfeld der Digitalisierung Fahrt
auf, beispielsweise die additive Fertigung. Ihr sprach man zu-
nächstnurdieökonomischeAnwendbarkeitimBereichindus-
trieller Speziallösungen zu, doch mittlerweile zeichnet sich für
die Zukunft eine durchaus größere Relevanz ab.
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 37
Den ersten Unternehmen gelingt es bereits, Produkte mit derLosgröße 1 zu den Kosten einer Serienfertigung herzustellen.Wann wird Ihr Unternehmen dazu in der Lage sein?
Besonders zurückhaltend bei der Losgröße 1 ist die Automo-
bilindustrie. Mehr als ein Drittel hält das Thema bei derzei-
tigen Produkten und Leistungen für irrelevant. Ein Viertel geht
davon aus, dass die Losgröße 1 nie realisierbar sein wird. Dabei
istbereitsheutedie individuelleKonfigurationvonFahrzeug-
modellen durch den Endkunden keine Seltenheit, was sich ge-
gebenenfalls auch bei den Zulieferern auswirkt. Die vermeint-
liche Skepsis ist möglicherweise dem Branchen-, Marken- und
Produktverständnisgeschuldet.AuchstarkeAnpassungenvon
Fahrzeugmodellen werden als ein Produkt wahrgenommen,
im Verkauf setzt man auf eine starke Marken- und Modelliden-
tifikationdurchdenKäufer.
Es ist also durchaus diskutierbar, ob nicht gerade die Auto-
mobilbranchevonderLosgröße1profitiert.
Maschinen- und Anlagenbau ElektroindustrieAutomobilindustrie
1%
15%
40%
21%14%
9%
14%
0%
15%
35%
11%
25%
20%37%
14%11%
9%9%
Ist bereits der Fall
Noch in diesem Jahr
In 2 bis 5 Jahren
In 5 bis 10 Jahren
Nie
Bei unseren derzeitigen Produkten/Leistungen ist das Thema Losgröße 1 nicht relevant.
38 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
„ja“ und „eher ja" abgefragt auf einer 4-Punkte-Skala von „ja“ bis „nein“
Maschinen- und Anlagenbau
Automobilindustrie
70 %
77 %
47 %
40 %
66 %
77 %
Elektroindustrie
Für das eigene Unternehmen Für die eigene Branche
Entsprechend den bereits realisierten oder angestrebten Ent-
wicklungen betrachtet die Mehrheit der Unternehmen die Los-
größe 1 als wichtiges strategisches Thema: 61 Prozent im Be-
reich des eigenen Unternehmens, 59 Prozent bezogen auf die
eigene Branche. Besonders große Bedeutung hat die individu-
alisierte Fertigung für den Maschinen- und Anlagenbau, wo,
wiebereitserwähnt,dasPrinzipaufeinelängereVorgeschichte
zurückblicken kann. Für 77 Prozent hat die Losgröße 1 strate-
gische Relevanz im eigenen Unternehmen, 70 Prozent stimmen
dem auch für die Branche zu. Ähnliche Werte zeigt die Elektro-
industrie.
Übereinstimmend mit der Skepsis in Sachen Realisierbarkeit
zeigt die Automobilindustrie auch in dieser Frage die geringste
Zustimmung.WenigeralsdieHälftebewertetdasThemaals
wichtig, sei es im eigenen Haus oder branchenbezogen.
Ist das Thema Losgröße 1 für Ihr Unternehmen bzw. in IhrerBranche bereits ein wichtiges strategisches Thema?
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 39
Die Digitalisierung ermöglicht die Fertigung mit der Losgröße 1zu marktfähigen Kosten. Welche Bedeutung hat das in demZusammenhang, Hochlohnstandorte wie Deutschland attraktiv zu halten bzw. sogar Fertigung dorthin zurückzuholen?
Ob die kostengünstige Fertigung der Losgröße 1 auch Arbeits-
plätze zurücknachDeutschlandundandereHochlohnstand-
orte holen kann, bleibt abzuwarten – die Befragung zeigt hier
kein stimmiges Ergebnis.
Auf volkswirtschaftlicher Ebene herrscht große Zustimmung,
73 Prozent der Befragten sehen eine Chance für die Rückver-
lagerung von Arbeitsplätzen. Für das eigene Unternehmen
gibt man sich zwar deutlich pessimistischer, allerdings glaubt
noch mehr als jedes zweite Unternehmen (54 Prozent) daran.
Auf der Ebene der eigenen Branche liegt dieser Wert bei
46 Prozent.
In der Gesamtbetrachtung stellt sich durchaus die Frage, wo
Arbeitsplätze entstehen sollen,wennnicht inden konkreten
Unternehmen. Vor allem die Automobilindustrie bezweifelt
denpositivenEffektindeneigenenReihen.
„sehr wichtige“ und „wichtige Rolle“ abgefragt auf einer 6-Punkte-Skala von „sehr wichtige Rolle“ bis „gar keine Rolle“
54%
Für IhrUnternehmen
46%
Für IhreBranche
73%
Für diedeutsche Wirtschaft
40 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.11 Agile Organisation muss konsequenter verfolgt werden
Wer Industrie 4.0 als rein technisches Thema begreift, denkt
zu kurz. Oder salopp formuliert: Es genügt nicht, sich ein paar
neue Maschinen zu kaufen. Vielmehr müssen auch Arbeits-
organisation und Unternehmenskultur eine begleitende Evolu-
tion erfahren.
Mentale Flexibilität und Innovationsförderung in denReihen
der Belegschaft sind gefragt, um im Wettbewerb immer ra-
santer verlaufende Innovationszyklen zu bestehen. Um die
interne Agilität zu erhöhen, setzen die meisten Unterneh-
men auf einen klassischen Lean Ansatz: auf das Shopfloor
Management, also die mitarbeiternahe Führung am Ort der
Wertschöpfung, die für 74 Prozent ein Mittel der Wahl ist. Das
Prinzip der Projektorganisation verfolgen rund zwei Drittel
der Unternehmen.
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 41
EinführungvonShopfloorManagement
Situative statt hierarchischer Führung
Delegation von Verantwortungnach unten
Reduzierung der Hierarchiestufen
Einsatz agiler Methoden wie z. B. SCRUM oder Design Thinking
Projektorganisation
74 %
27 %
58 %
34 %
34 %
67 %
Welche organisatorischen Veränderungen/Neuerungenhat Ihr Unternehmen bereits durch- bzw. eingeführt,um die Agilität zu erhöhen?
Etwas schwerer tut man sich in der Industrie noch damit,
Verantwortung nach unten zu delegieren, aber immerhin
58 Prozent geben so Mitarbeitern die Möglichkeit, sich selbst-
ständigereinzubringen.Dasallerdingsscheintweitgehendauf
Einzelfallbasis zu geschehen, weniger auf organisatorischer
Ebene:NureinDrittelderUnternehmen reduziert tatsächlich
die Hierarchiestufen im Haus und nur in 27 Prozent der Betriebe
hat man sich von der hierarchischen Führung zugunsten der
situativen verabschiedet. Hier wäre ein klares Bekenntnis zu
einer neuen Unternehmenskultur gefragt, um Mitarbeiter lang-
fristig und generell in den Innovationsprozess einzubinden.
Bei der Methodik zeigt sich ebenfalls Nachholbedarf. Es gilt,
vereinzelt verfolgte Agilität zu institutionalisieren und auf
ein professionelleres Niveau zu heben. Agile Methoden wie
SCRUM oder Design Thinking kommen bisher nur bei einem
Drittel der Unternehmen zum Einsatz.
42 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.12 CDO und CIO – Chefsache digitale Transformation
Das Potenzial der Mitarbeiter einzubinden und gleichzeitig
digitale Innovation als Führungsaufgabe voranzutreiben, ist
selbstverständlichkeinWiderspruch.NachhaltigwerdenVer-
änderungeninderUnternehmenskulturnurangestoßen,wenn
entsprechende Führung vorgelebt wird. Eine Möglichkeit, sich
zur digitalen Transformation als Chefsache zu bekennen, ist
dieBerufungeinesChiefDigitalOfficers(CDO)odereinesChief
InnovationOfficers(CIO)indieUnternehmensführung.
Diesen Weg haben bisher drei von zehn Unternehmen in
Deutschland beschritten: Jedes zehnte verfügt über einen
CDO, 13 Prozent über einen CIO, 7 Prozent haben beide Funk-
tionen eingerichtet. In weiteren 9 Prozent wird man in Kürze
eine der beiden Positionen besetzen. Auf der anderen Seite
stehen also 61 Prozent der Firmen, die auf einen CDO oder CIO
verzichten. In der Elektroindustrie sind es sogar 71 Prozent.
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 43
Selbstverständlich sind solche konkretenC-Level-Funktionen
nur einige der Optionen, um sich zur digitalen Innovation zu
bekennen.
Kritischwäreesallerdings,diesesThemaüberhauptnichtauf
höchster Leitungsebene in den Fokus zu rücken. Genauso ist
es nicht damit getan, solche Chefposten formal zu besetzen –
wenngleichzeitigdieInnovationsfähigkeitderMitarbeiteraller
Hierarchiestufen darunter unentwickelt bleibt.
Hat Ihr Unternehmen einen Chief Digital Officer oder einen Chief Innovation Officer?
Maschinen- und Anlagenbau ElektroindustrieAutomobilindustrie
54%8%
13%
14%
11%
5%66% 71%
11%
11%
7%
3%
6%
6%
14%
Ja,einenChiefDigitalOfficer
Ja,einenChiefInnovationOfficer
Ja,sowohleinenChiefDigitalOfficeralsaucheinenChiefInnovationOfficer
Nein, die Position/en wird/werden aber demnächstgeschaffen/besetzt.
Nein
44 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
4.13 Digitale Kenngrößen fehlen
Um unternehmerischen Erfolg zu bewerten, sind belastbare
Kenngrößen nötig. Die Digitalisierung steckt hier noch ganz
klar in den Kinderschuhen. Nur 7 Prozent der befragten Un-
ternehmen verfügen über KPIs, die ihre Fortschritte in der
digitalen Transformation belegen können. Das liegt einerseits
sicheranderenormenVielfältigkeitdesThemas,andererseits
handeltessichumeinvergleichsweisejungesBetätigungsfeld.
WährendkaufmännischeKPIsbereits seit vielen Jahrzehnten
zum Standard ökonomischer Bewertung gehören, wird die
digitale Transformation als umfassender Paradigmenwech-
sel der Arbeits- und Wirtschaftswelt erst seit wenigen Jahren
wahrgenommen. Vermutlich wird es noch einige Jahre in An-
spruch nehmen, allgemein akzeptierte und belastbare KPIs zu
entwickeln.
Kann man aus Ihrer Sicht mit den in Ihrem Unternehmen derzeit gültigen KPIs messen, wie weit Ihr Unternehmen auf dem Weg der digitalen Transformation bereits vorangekommen ist?
Ja
Nein
Weiß nicht7%
16%
77%
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 45
„Digitalisierung ist Chance und Motivation zur Lösung existierender Probleme mit neuen Mitteln. Lean bleibt weiterhin die Grundlage, wer hier seine Hausaufgabe nicht gemacht hat, wird höchstwahrscheinlich zu viel für die Digitalisierung ausgeben.“Marcus Göhl, Siemens AG
46 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
Industrie 4.0 bleibt nicht nur einer der bestimmenden Megatrends für deutsche Unternehmen, die digitale Zukunft wird auch zunehmendgreifbarer.Die praktischen Erfahrungenwachsen in der Breite sowie in der Tiefe und mit ihnen auch dieHoffnung auf daraus resultierende ökonomische Erfolge.
STUDIE: INDUSTRIE 4.0 47
Fazit
Noch stärker als in früheren Jahren unterstreicht die Studie
allerdings auch, dass die große Herausforderung von Industrie
4.0 nicht die technologische Seite ist. Hier kommen die Unter-
nehmen spürbar voran. Umso deutlicher zeigt sich die Schere
zwischen neuem Technikverständnis und altem Denken. Die
Geschwindigkeit der digitalen Transformation wird zudem ganz
erheblichunterschätzt.
Nachholbedarf besteht in Deutschland vor allem in den Organi-
sationsstrukturenundderUnternehmenskultur.Esfehltoffenbar
noch an der Erkenntnis, dass ein agiles, innovatives Unterneh-
men auch eine entsprechende Organisation benötigt. Vereinzelt
haben Unternehmen diese Notwendigkeit erkannt, doch von der
Implementierung agiler Methoden als Kern eines neuen Selbst-
verständnissesistmanvielerortsnocherheblichentfernt.
Der Mut und die Bereitschaft zum generellen Umdenken werden
am Ende darüber entscheiden, ob ein Unternehmen langfristig
das Tempo der digitalen Transformation mitgehen kann.
5
48 STUDIE: INDUSTRIE 4.0
BESTEBERATER
2016
bran
d ei
ns T
hem
a
BESTEBERATER
2015
bran
d ei
ns T
hem
aÜber uns
Die Staufen AG ist eine Lean Management- Beratung und -Akademie. Seit über 20 Jahren beraten und qualifi-zieren wir Unternehmen und Mitarbeiter. Weltweit.
Unsere Auszeichnungen
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STUDIE: INDUSTRIE 4.0 49
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