3FH News | April 2009
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BaNkwirtscHaFt der ZukuNFt durcH NacHHaltigkeit?Interview mit Dr. Fred Luks, Bank Austria – UniCredit Group, Nachhaltigkeitsmanagement, und Dr. Richard Pircher, Studiengangsleiter Bank- und Finanzwirtschaft an der FH des bfi Wien
FH News: „Der Finanzsektor gilt als Auslöser für eine Wirtschaftskrise, deren Umfang noch nicht gänzlich abgeschätzt werden kann. Was wa-ren die Ursachen der Finanzkrise?“
Pircher: „In der Diskussion kristallisieren sich drei Punkte als entscheidend heraus: Es wurde angesichts der hohen Renditezahlen das große Ganze und in gewissem Sinne der Hausverstand aus den Augen verloren. Das von der Realwirtschaft losgelöste Geschäft des Handels mit synthe tischen oder deri vativen Papieren hat einerseits eine wichtige Funk tion, weil damit Risiken abgesichert werden können. Allerdings können sie auch für eine reine Gewinnerzielungsabsicht eingesetzt werden. Hier handelt es sich im Wesentlichen um Wetten auf Entwicklungen in der Zukunft. Dieses Geschäft hat sich verselbständigt und fast niemand wollte darauf mehr verzichten. Wenn man sich fragt, wie viel an Rendite pro Jahr tatsächlich langfristig realistisch ist, kommt man zum zweiten Punkt. Die Orientierung auf kurzfristige Gewinne hat die Frage weitgehend verdrängt, wann das System kollabieren muss. Das war vorhersehbar und mehrere ExpertInnen haben schon seit einigen Jahren vor dieser Krise gewarnt. Allerdings hat die kurzfristige Orientierung der Märkte diese Gefahr verschleiert. Wenn sie auch jetzt noch die Kurzfristigkeit der Börsenreaktionen betrachten, geht das weiter. Hier kommen Ethik und Nachhaltigkeit in Spiel, weil die Handlungen von heute auch eine Wirkung auf morgen haben. Den tatsächlichen Profit kann man nur berechnen, wenn man diese Wirkungen mit einberechnet. Der dritte Grund ist aus meiner Sicht mangelndes Wissen auf mehreren Seiten. Das schließt sowohl die in
vielen Fällen nicht wirklich rational handelnden Akteure auf der Seite der Banken, als auch auf jener der Regulierungsbehörden ein.“
FH News: „Welche Schlüsse ziehen die Banken daraus?“
Pircher: „Kurzfristig gibt es bei den Banken eine starke Rückbesinnung auf das Kerngeschäft, das auf realwirtschaftlicher Grundlage besteht. Damit beobachten wir eine Abkehr von einer Gewinnerzielungsabsicht, die nicht mehr an eine tatsächliche Wertschöpfung anknüpft. Für mich wird das sehr schön durch die Aussage zusammen gefasst, dass Erträge langfristig nur durch Arbeit erwirtschaftet werden können. Banken ermöglichen diese Wertschöpfung, indem einerseits Kredite für Unternehmen und Private bereit gestellt werden und andererseits Geld ,auf die Seite‘ gelegt werden kann.“
FH News: „Herr Luks, wie können zukünftige Krisen langfristig vermieden werden?“
Luks: „Der Glaube an die Selbststeuerung eines weitgehend unregulierten Marktes, der die letzten zwanzig Jahre dominiert hat – Stichwort Neoliberalismus – ist in dieser Form vorbei. Der Markt hat eine ganz wichtige Funktion, aber er muss gewisse Bedingungen und Grenzen vorfinden. Das gilt sowohl in ökonomischer, ökologischer als auch sozialer Hinsicht. Ein Gemeinwesen, das gut funktionieren soll, kann es sich nicht leisten, den Markt frei sein Werk tun zu lassen. Der Markt muss der Gesellschaft dienen, nicht umgekehrt.“
FH News: „Was bedeutet das konkret für Banken?“
Luks: „Das bedeutet aus meiner Sicht zweierlei: Einerseits muss grund sätzlich über Nachhaltigkeit im Bank
wesen nachgedacht werden. Die Bank Austria hat schon vor der Krise über Nachhaltigkeit nachgedacht, ich wurde beispielsweise vorher eingestellt. Wer wirtschaftlich erfolgreich sein will, muss ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit zusammenbringen. Das ist nichts Additives, sondern etwas Integratives. Nachhaltigkeit kann also nicht nach dem Gewinn dazu geklebt werden, sondern muss in dem Geschäfts modell integriert sein. Ökonomische Nachhaltigkeit sollte eine Selbstverständlichkeit sein, man darf sein Kapital nicht aufzehren. Aber diese Selbstverständlichkeit muss verbunden werden mit ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit. Andererseits erkennt man jetzt in der Krise gerade im Finanzbereich, dass das auch eine wesentliche Reputationsfrage ist. Heute ist es offensichtlich, dass die Banken einen Reputationsverlust erlitten haben. In diesem Um feld bekommt Nachhaltigkeit eine zusätz liche Dimension. Wer am Markt dauer haft erfolgreich sein will, der muss auf seinen guten Ruf achten und kontinuierlich daran arbeiten. Die immer besser informierten KundInnen nehmen das heute sehr ernst. Außerdem ist ein nachhaltiger Arbeitgeber auch ein attraktiver Arbeitgeber.“
FH News: „Was ist Ihre Zielsetzung als Nachhaltigkeitsmanager für Banken?“
Luks: „Meine Zielsetzung ist es, Nachhaltigkeit als Wert und als Strategie in allen Bereichen der Bank zu festigen. Eine Basis dafür ist das Leitbild, das in der Bank Austria Integrity Charter heißt. Darin sind sechs Werte enthalten, die das Leitbild für alle Handlungen darstellen, z.B. Fairness und Transparenz. Das sind auch nachhaltige Werte. Für mich, der ich aus einem wissenschaftlichen Umfeld
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komme, ist es sehr interessant, in ei nem Unternehmen konkret mit der Umsetzung befasst zu sein.“
FH News: „Wie sieht das konkret in der Umsetzung aus?“
Luks: „Ein erstes Anliegen ist es, eine übergreifende Strategie zu entwickeln, die alle drei Bereiche der ökonomischen, ökologischen und so zialen Nachhaltigkeit beinhaltet. Bei den Umsetzungsprojekten unterschei den wir auf ökologischer Ebene zwischen Prozessökologie und Produkt ökologie. So ist ein konkretes Pro jekt in diesem Jahr dem Thema Klima gewidmet. Hier geht es um Ressour cen effizienz in Bereichen wie Transport, Gebäudemanagement und Informationstechnologie. In mitt lerem bis längerem Zeithorizont streben wir Nachhaltigkeit in den Pro dukten an. Die Bank bietet beispiels weise schon derzeit einen Kredit für Wohn raumschaffung an, wo die KreditnehmerInnen einen finanziel len Vorteil haben, wenn sie das energieeffi zient machen. Weiters ist es möglich,
bei unserem Tochterunternehmen Pioneer Investments sein Geld nach ethischen Kriterien zu investieren.“
FH News: „Herr Dr. Pircher, finden derartige Ansätze auch in der Aus-bildung im Studiengang Bank- und Finanzwirtschaft ihren Nieder-schlag?“
Pircher: „Ja, und zwar auf mehreren Ebenen. Der Unterricht erfolgt im Studiengang zu rund 75% durch Personen, die hauptberuflich in Unter nehmen tätig sind, die potenziell zukünftig Arbeitergeber der StudentInnen sind. Dazu zählen neben Banken auch Versicherungen, Wirtschaftsprüfer und Regulierungsbehörden. Dadurch hat ein Großteil der Lehrenden direkten Kontakt mit den Auswirkungen der aktuellen wirtschaft lichen Situation und thematisiert diese unter dem Ge sichtspunkt der jeweiligen Lehrver anstaltung. Weiters wird die konkrete Umsetzung von Nach haltigkeitsansätzen oder Konsequenzen psycho logischer Faktoren in Märkten be handelt in Lehrveranstaltungen wie
Wirtschafts ethik und Selbstmanagement. Darüber hinaus schreiben StudentInnen vermehrt Ar beiten in Gebieten wie ethisches Investment oder Corporate Social Responsibility.“
FH News: „Besteht nicht die Gefahr, dass die AbsolventInnen sich für einen Bereich ausbilden, in dem aufgrund der Krise – auch mit diesen Kenntnissen – kein Bedarf nach Arbeitskräften besteht?“
Pircher: „Die Signale aus der Wirtschaft zeigen mir schon jetzt, dass das nicht der Fall sein dürfte. Einer seits können wir davon ausgehen, dass die Finanzkrise in ein bis zwei Jahren überwunden sein wird. Anderer seits entsteht gerade durch die Fi nanzkrise vermehrt Bedarf an ExpertInnen beispielsweise in Be reichen wie Risk Management sowie in den Regulierungsbehörden und Wirtschaftsprüfungen.“
FH News: „Vielen Dank für das Interview!“
symposium „die iNterNatioNale FiNaNZkrise“ von Dr. Christian Cech, Researcher
und Prof. (FH) Dr. Rudolf Stickler, Rektor der FH des bfi Wien
Am 19. November 2008 fand an der FH des bfi Wien das Symposium „Die internationale Finanzkrise“ statt. VertreterInnen der Bankwirtschaft, der Bankenaufsicht und von Hochschulen stellten zunächst in vier Fachvorträgen die Ursachen der aktuellen
Finanzkrise, deren Auswirkungen und die damit verbundenen Heraus forde rungen für österreichische Ban ken dar. Weiters wurde die aktuelle Finanz krise im Vergleich zu bisherigen Krisen analysiert. Im Anschluss fand eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion statt, bei der auch auf die unsichere Lage in Osteuropa eingegangen wurde.
Mag. Andreas Ittner von der OeNB betonte, dass eine extreme Regulierung nicht zielführend sei. Vielmehr müssten geeignete Anreizstrukturen geschaffen und aufrecht erhalten werden. „RatingAgenturen, BankenManager und Händler müssen Verantwortung übernehmen. Dies ist idealerweise durch eine durchgängige, notfalls persönliche, Haftung zu erreichen. Gewinne dürfen nicht über Jahre privatisiert werden, während
Verluste sozialisiert werden“, meinte auch Prof. Albrecht Michler von der Universität Düsseldorf. Es mache jedoch keinen Sinn, „ausgetrocknete Märkte“ überhastet zu regulieren, wie etwa den Markt für strukturierte Produkte, die zwar zum Ausbruch der Finanzkrise geführt haben, momentan jedoch kaum mehr gehandelt oder gar neu am Markt platziert werden. Die meisten der DiskussionsteilnehmerInnen waren sich einig, dass eine Verstaatlichung des Bankenwesens nicht sinnvoll wäre. „Nur die Banken haben die entsprechenden Ressourcen und Erfahrung in der Bewertung und Gestionierung von Krediten“, meinte Mag. Ittner. Einen konträren Standpunkt nahm Dr.in Özlem Önaran von der WU Wien ein. Sie sprach sich für einen großen öffentlichen Finanzsektor aus, der ein stabiles Wachstum fördern solle.
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Neuer masterstudieNgaNg arima
Ich freue mich, dass ich als designierte Studiengangsleiterin die Gelegenheit bekomme, mich selbst und den neuen, akkreditierten Masterstudiengang ARIMA (Quantitative Asset and Risk Management) in den FH News vorzustellen.
Nach meinem Studium der Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Bibliothek der WU Wien gearbeitet. Anschließend war ich Survey Managerin bei mobilkom austria und bin danach durch die Tätigkeit bei zwei Unternehmensberatungen in den Bereich „Risikomanagement für Banken“ eingestiegen. Bei Raiffeisen International habe ich meine Karriere als Basel II Projektmanagerin im Risikobereich weiterverfolgt. Seit zwei Jahren arbeite ich nun an der FH des bfi Wien als Researcherin im Forschungszweig „Risikomanagement/Basel II“. Um den Anschluss an die Privatwirtschaft nicht zu verlieren, bin ich auch freiberuflich bei SmartStream Technologies, einem Softwareanbieter für das behördliche Meldewesen für Banken und Ver sicherungen, tätig.
Diese starke Praxisorientierung ist auch in ARIMA erwünscht: Neben wissenschaftlichem Basiswissen spielt die Vermittlung von anwendungsorientierten Kenntnissen und Fähigkeiten eine wichtige Rolle.
Im Anschluss an ein sozial, wirtschafts, natur oder rechtswissenschaftliches oder technisches Stu dium einer Universität oder Fachhochschule kann der vier Semester umfassende und berufsbegleitend organisierte Masterstudiengang ARIMA absolviert werden. Ab dem Winter semester 2009/10 werden insgesamt 20 Studienplätze angeboten. Die Unterrichtssprache ist Englisch, da im 3. Semester ein verpflichtendes Auslandssemester bei Partneruniversitäten in Prag oder Istanbul stattfindet. ARIMA schließt mit einer schriftlichen Diplomarbeit sowie einer mündlichen Diplomprüfung ab.
Das Ziel von ARIMA besteht darin, den StudentInnen ein umfassendes Verständnis über die Zusammenhänge zwischen Asset und Risikomanagement zu vermitteln. Inhaltlich beschäftigen sich die beiden Managementfunktionen mit der gleichen Materie, nur der Blickwinkel unterscheidet sich. Der/die RisikomanagerIn schaut dem/der AssetManagerIn quasi über die Schulter und soll dafür Sorge tragen, dass diese/r beim Streben nach Ertrag kein zu hohes Risiko eingeht.
Die beruflichen Tätigkeitsfelder der AbsolventInnen sind im Bereich des Bank und Versicherungs wesens, der unternehmensbezogenen Dienstleistungen, der Aufsichtsbehörden (OeNB und FMA) und der öffent
lichen Verwaltung angesiedelt. Sie werden dort Aufgaben im Risikomanagement, Asset Management, Treasury and Trading, Asset Liability Management und Risikocontrolling wahrnehmen.
Um diese Aufgaben erfüllen zu können, erhalten die AbsolventInnen eine fundierte Ausbildung im Risikomanagement (Quantifizierung von Risiken, Risikoaggregation; integrierte Gesamtbanksteuerung etc.) und Asset Management (Assetklassen, Portfolioselektion, Asset Liability Management etc.). Hinzu kommen methodischanalytische Kenntnisse, vor allem in Finanzmathematik und Statistik.
Es gibt derzeit keinen vergleichbaren Masterstudiengang mit internationaler Ausrichtung und quantitativem Schwerpunkt in Österreich. Da in Zukunft sowohl die Aufgaben des Risikomanagements als auch die Bedeutung des Vermögensmanagements steigen werden, werden die AbsolventInnen gute Berufschancen vorfinden. Die aktuelle Finanzkrise wird diesen Trend noch verstärken.
von Mag.a Silvia Helmreich, Studiengangsleiterin ARIMA
Nähere informationen unter: http://www.fh-vie.ac.at
Die schwierige Lage in Osteuropa führte zu einem deutlichen Gewinnrückgang der dort tätigen österreichischen Banken. Mag. Wolfgang Wainig von der RZB merkte hierzu an, dass die österreichischen Banken in dieser Region ein originäres Geschäft betreiben. Das heißt, in den jeweiligen Ländern werden sowohl Einlagen entgegengenommen als auch die Kre dite vergeben. Dieses Geschäftsmodell basiere somit auf realwirtschaft lichen Grundlagen, was im krassen Gegen
satz zum Geschäftsmodell der in Schwierigkeit geratenen isländischen Banken stünde. Der allgemeine Tenor der DiskussionsteilnehmerInnen war, dass das klassische Bankgeschäft, also die Hereinnahme von Einlagen und die Vergabe von Krediten, wieder im Kommen wären. Voraussetzung hierfür wären ein funktionierendes Filialnetz und der direkte Kontakt mit den KundeInnen. Mag. Peter Madritsch von zeb/rolfes.schierenbeck stellte weiters die Finanzierung
über Pfandbriefe als noch nicht ausgeschöpftes Potenzial zur weiteren Liquiditätsverbesserung dar.
Im Allgemeinen wurde das schnelle und koordinierte Eingreifen der euro päischen Staaten, das sich deutlich vom eher zögerlichen und die Märkte verunsichernden Vorgehen der USA unterschied, von den ExpertInnen positiv gesehen.