Zuwanderung als Herausforderung für Eltern- und Familienbildung Prof. Dr. Veronika Fischer FH Düsseldorf
Jan 14, 2016
Zuwanderung als Herausforderung für Eltern- und Familienbildung
Prof. Dr. Veronika Fischer
FH Düsseldorf
Gliederung
• Vielfalt der Adressaten
• Weiterbildungsbeteiligung
• Zugangsbarrieren
• Interkulturelle Öffnung
1. Herausforderung
• Eltern als Zielgruppen genau analysieren!
• Soziale Lagen, Familienkulturen, Erziehungsstile und –ziele herausfinden!
SINUS SOCIOVISION
115
© Sinus Sociovision 2008
"I st gleichermaßen Sache von Männern und Frauen"
Zuschreibung von Aufgaben Religiös-verwurzeltes Milieu
Über größere Anschaffungen entscheiden
Über den Schul- und Ausbildungsweg der Kinder entscheiden
Kontakte zu Nachbarn, Freunden und Bekannten pflegen
Hilfsbedürftige Eltern oder Schwiegereltern pflegen
Sich um Schwangerschaftsverhütung kümmern
Ein "Machtwort" sprechen in der Familie
Ein Bankkonto eröffnen
Streit schlichten in der Familie
Sich um die Kinder kümmern
Elternzeit / Erziehungsurlaub nehmen
Einkommenserwerb für die Familie
Das verfügbare Geld einteilen / zuteilen
Briefe an die Behörden schreiben, Behördengänge machen
Sich um den Haushalt kümmern,z.B. Wäschepflege, Saubermachen, Einkauf
Basis : 1.950 Fälle; Menschen mit Migrationshintergrund ab 18 J ahre
Gesamtheit der Menschen mit Migrationshintergrund
7%
SINUS SOCIOVISION
119
35%
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86%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
© Sinus Sociovision 2008
"I st gleichermaßen Sache von Männern und Frauen"
Gesamtheit der Menschen mit Migrationshintergrund
Zuschreibung von Aufgaben Adaptives Bürgerliches Milieu
Über größere Anschaffungen entscheiden
Über den Schul- und Ausbildungsweg der Kinder entscheiden
Kontakte zu Nachbarn, Freunden und Bekannten pflegen
Hilfsbedürftige Eltern oder Schwiegereltern pflegen
Sich um Schwangerschaftsverhütung kümmern
Ein "Machtwort" sprechen in der Familie
Ein Bankkonto eröffnen
Streit schlichten in der Familie
Sich um die Kinder kümmern
Elternzeit / Erziehungsurlaub nehmen
Einkommenserwerb für die Familie
Das verfügbare Geld einteilen / zuteilen
Briefe an die Behörden schreiben, Behördengänge machen
Sich um den Haushalt kümmern,z.B. Wäschepflege, Saubermachen, Einkauf
Basis : 1.950 Fälle; Menschen mit Migrationshintergrund ab 18 J ahre
16%
(Merkle 2011)
Selbstbewusstsein,Autoritativer Erziehungsstil,Vermeidung geschlechtsspezif. Erziehung
Selbstbewusstsein, Selbst-bestimmung, Freiheit, Wissbegierde, Offenheit, Toleranz, Gerechtigkeitssinn
Soziale Werte (Regeln, Respekt, gutes Benehmen, Vermeidung geschlechtsspezif. Erz.)
Ressourcen(Merkle 2011)
• Bildungsoptimismus bei 85%
• Hohe Bildungsaspirationen der Eltern (Nauck 1994/Diefenbach u. Nauck 1997/ Herwartz-Emden 2000)
• 2. und 3. Generation: häufig bi-kulturelles Selbstbewusstsein
• Mehrsprachigkeit
• Familienzusammenhalt
Fazit für die Arbeitim Hinblick auf die Zielgruppen
• Ethnisch-nationale Zuordnungen > wenig aussagekräftig• Vielfalt / Mehrfachzugehörigkeiten = Normalität• Den Migranten gibt es nicht > den einen Ansatz in der
Zielgruppenansprache auch nicht• Beratung und Bildung: differenzsensibel,
personenzentriert und lebenswelt- und ressourcenorientiert
• Multiple Anforderungsprofile• Besondere Herausforderungen durch prekäre Milieus
und soziale Exklusion
Zugangsbarrieren identifizieren
2. Herausforderung
„Wir haben große Probleme Eltern mit
Migrationshintergrund zu erreichen.“
Erzieherin in einem Familienzentrum
„Ich glaube, dass wir oft die Kanäle nicht finden, um überhaupt an Migranten heranzukommen!“Leitung einer Familienbildungsstätte (Fischer u.a. 2007)
Teilnahmequote
in %2003 2007 2010
Deutsche ohne Migrations-hintergrund
43% 46% 45%
Deutsche mit Migrations-hintergrund
29% 34% 33%
AusländerInnen 29% 32% 29%
Weiterbildungsbeteiligung nach Migrationshintergrund
Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland - Eckdaten zum BSW-AES 2007, TNS InfratestBMBF (2011): Weiterbildungsverhalten in Deutschland, Bildungsbericht 2012
„Nutze Weiterbildungsangebote in meiner Freizeit gerne bzw. sehr gerne“ :A 3: 12% AB3: 15% B3: 29% BC 3: 24% B23: 45% BC2: 58%AB 12: 70% B 12: 70%
Gütesiegelkriterien zur interkulturellen Öffnung der Familienzentren in NRW
(10 von 112 Kriterien, MGFFI 2008)
• Spezialisierung 1 Mitarbeiterin auf inter. Öffnung (58,9%)• Aufsuchende Elternarbeit (45,2%)• Interkulturelle Veranstaltungen (59,7%)• Deutschkurse (47%)
• Bildungsangebote für Eltern mit Migrationsgeschichte (26,1%)
• Kenntnisse über Tageseltern mit interkultureller Kompetenz (61,2%)• Kooperationsvereinbarungen mit anderen Einrichtungen (44,5%)• Fremdsprachige Übersetzung des Angebots (40%)• Schriftliche Konzeption zur Sprachförderung (91,3%)• Fortbildungen zum Thema „Interkulturelle Kompetenz“ (45,1%)
Evaluation der Eltern- und Familienbildung in NRW
(Fischer u.a. 2007)
Fragebögen an Alle 151 Einrichtungen der Eltern- und Familienbildung
Rücklauf 70 Einrichtungen
(46,35%)
Interkulturelle und migrationsspezifischeAusrichtung
36 von 70 Einrichtungen
Zugangsprobleme zu Bildungsinstitutionen Quelle: Gaitanides 2004/ Fischer u.a. 2007/Harris, Goodall 2001, zit. in Sacher 2012
Zahlen Stat. Bundesamt 2012
• Belastende Lebenslagen
• Subjektive Faktoren
• Institutionelle Zugangsbarrieren
Hohe Arbeitsbelastungen durch
schwere körperliche Arbeit (38,8% Arbeiterberufe mit MH /21,2% ohne MH)
Schichtarbeit
Hoher Zeitaufwand durch mehrere Minijobs
Familiäre Belastungen (größere Haushalte: 2,5 versus 2,1 Personen)
Geringes Einkommen, Transfereinkommen (9,3% arbeitslos mit MH/ 4,9% ohne MH)
Niedrige/fehlendeBildungsabschlüsse (14,1% ohne Schulabschluss mit MH/ 1,8% ohne MH,40,6% ohne Berufsabschluss mit MH/ 15,9% ohne MH)
lese- und schreib-ungewohntInformationsdefizit bzgl.
Familienbildungs-angebote
Fehlende Einsicht in den Nutzen von Familienbildung
Angst vor VorurteilenStigmatisierung
Keine Willkommenskultur
Überwiegend schriftsprachliche Werbung
Keine muttersprachlichen AnsprechpartnerInnen
Fehlender Lebensweltbezug
Fehlende interkulturelle Kompetenz beim Personal
Dominanz Distanz der Fachkräfte
3. Herausforderung
Zugänge erleichtern
Zugänge erleichtern Fischer u.a. 2007
Mund- zu –Mund-Propaganda
Migranten als Mittler/Multiplikatoren
Kooperationspartneraus den Migrations-fachdiensten
Niedrigschwellige AngeboteWillkommenskultur
Sozialraumorientierung
Verlagerung der ElternbildungIn die Bildungswelten der Kinder
Niedrige Gebühren
Kooperation mit Migrantenorga-nisationen
Ansprache der Eltern im vertrauten Milieu, Kitas, GS
Höhere Wahrscheinlichkeit, bildungsferne Eltern zu erreichen
Vernetzungsmöglichkeiten mitethnischer Infrastruktur im Stadtteil (Moscheen, Vereine…)
Vernetzung mit Migrationsfachdiensten im Stadtteil
Arbeit mit Multiplikatoren im Stadtteil
Sozialraumorientierung
4. Herausforderung
Vielfalt der Familienkulturen pflegenThematische Interessen identifizieren
Eltern und Kinder erhalten Gelegenheit ihre Familienkulturen in den Alltag der Kita einzubringen
Kulturelle Identität und Stolz darauf stärkenNeugier und Einfühlungsvermögen fördern
Respekt für die anderen und das Andere vermitteln, unangemessene Reaktionen überwinden lernen
Ich möchte Informationen über das Schulsystem bekommen. 27 (62,8%)
Ich möchte mich mit anderen Eltern austauschen. 26 (60,5%)
Ich will künftig selber Fortbildungen für Eltern durchführen und erhoffe mir hiervon Anregungen.
25 (58,1%)
Ich möchte mich einmischen/mitbestimmen. 23 (53,5%)
Ich möchte in Erziehungsfragen sicherer werden. 18 (41,9%)
Der Verein hat mich darum gebeten. 14 (32,6%)
Sonstiges 13 (30,2%)
Motivation zur Seminarteilnahme (N=43)Evaluation des Elternnetzwerk NRW (Fischer u.a. 2007)
Themen, bewertet mit 0=nicht interessant 1= interessant 2=sehr interessant N=43 Mittelwert
Standard-Abwei-chung
2. Oktober 2004 in Bochum "Elternorganisationen in NRW" 8 1,50 ,535
11. Dezember 2004 in Bochum "Situation der Gesamtschulen in NRW"7 1,57 ,535
19. März 2005 in Köln Chorweiler "Mehrsprachigkeit - Chance oder Risiko"14 1,43 ,514
25. Juni 2005 in Düsseldorf Garath "Offene Ganztagsschule"5 1,20 ,447
17. September 2005 in Wuppertal "Geplante Änderungen des neuen Schulgesetzes, Netzwerkidee der Elternvereine" 8 1,88 ,354
12. November 2005 in Bochum "Zweisprachigkeit in der frühkindlichen Erziehung" 4 1,25 ,500
10. Dezember 2005 in Solingen "Zukünftige Zusammenarbeit der Elternvereine auf NRW Ebene"
6 1,50 ,548
4. März 2006 in Neuss "Das neue Schulgesetz in NRW und Aufbau des Netzwerkes der Elternvereine"
8 1,50 ,535
6. Mai 2006 in Köln "Gewalt an Schulen, Zuwanderung und Integration/Praxisbericht aus dem Dortmunder Norden/Vorstellung der Seminarreihe der türkischen "Elternakademie" und der spanischen Elternvereine"
10 1,70 ,483
9. September 2006 in Düsseldorf "Neues Schulgesetz/Aktionsplan Integration" 20 1,65 ,489
4. November 2006 in Hilden "Netzwerkarbeit auf Bundes- und kommunaler Ebene/Sprachstandsfeststellung der Vierjährigen" 3 1,33 ,577
Quelle: Fischer u.a. 2007
5. Herausforderung
PartizipationBrückenpersonen einbeziehen
Projekt Brücke - GelsenkirchenZweisprachige Elternbegleiterinnen
als Multiplikatorinnen in Bildungsinstitutionen
RAA Bildungsinstitution
Name des ProjektesHäufigkeit
Ausbildungsorientierte Elternarbeit 4
Bündnis für Familie 3
Elternarbeit/Elternnetzwerk 7
FemmesTische 2
HIPPY 6
Integrations-/Bildungs-/Elternlotsen 4
LOS-Lokales Kapital für soziale Zwecke
2
Rucksack 6
Einzelnennungen 21
(Michalek/Laros 2008)
Voraussetzungen Häufigkeiten
Eigener Migrationshintergrund 57
weiblich 32
Gleicher kultureller Hintergrund wie die Zielgruppe
38
Formaler Abschluss nötig 24
Welche Voraussetzungen muss eine MultiplikatorIn erfüllen? (N=81 mit Mehrfachnennungen)
(Michalek/Laros 2008)
Bilingualität, Kenntnis der Lebenssituation der Eltern,Bewusstsein der Heterogenität der Zielgruppen,Kenntnisse des Bildungssystems und der Institutionenim Sozialbereich, Vertrauensperson, Empathie, Verschiegenheit, Kenntnisse des Stadtteils (Blickenstorfer 2009)
Arbeit der Multiplikatorinnen(Michalek/Laros 2008)
• Übersetzung der Kursangebote• Hausbesuche• Durchführung von Elternabenden• Planung und Leitung von
Gesprächsgruppen• Dokumentation der Arbeit• Ansprechpartner für
Teiln./Fachkräfte• Netzwerkbildung• Materialerstellung
EvaluationsergebnisseMichalek/Laros 2008
• Zielgruppenansprache (aufsuchend) bzw. Mischformen
• Hauptsächlich bildungsferne Milieus (85%) wurden erreicht
• In 87% der Maßnahmen sind überwiegend Frauen
Effekte bei den Multiplikatorinnen(Michalek/Laros 2008)
• Persönliche Weiterentwicklung
• Gestiegenes Selbstbewusstsein
• Gestiegenes Problembewusstsein
• Anerkennung durch andere
• Gestiegene Weiterbildungsbereit-schaft
6. Herausforderung
Kooperation auf Augenhöhe mit Migrantenorganisationen
Hinderliche Faktoren für Kooperationaus Sicht der MigrantenorganisationenQuelle: Hunger u.a. (2011)
Gefühl, instrumentalisiertzu werden (Informations-u. Klientelbeschaffer)
Gefühl der Überforderung im EhrenamtGeringe Ressourcenausstattung
Hierarchie, Machtgefälle, Top-down-Mobilisierung
In der Opferrollegesehen zu werden
Mangelnde KommunikationMangelnder Info-FlussMangelnde Transparenz
Förderliche Faktoren für KooperationQuelle: Hunger u.a. (2011)
Interessenlagendecken sich,gemeinsam erarbeitete Ziele Bottom-up-Mobilisierung
Win-win-Situation
Partnerschaft auf Augenhöhe
Gegenseitiges Vertrauen,Wertschätzung
Initiative kommt von der Migrantenorganisation
Klare und transparente Kooperationsverträge
Capacity-Building bei Organisationsentwicklung, Projektmanagement
Interkulturelle Handlungskompetenz
„Fähigkeit, angemessen mit Situationen in der Migrationsgesellschaft umzugehen, so dass Migranten und Migrantinnen – neben allen
anderen KlientInnen – unter Anerkennung und Förderung ihrer individuellen Ressourcen eine
gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird“
NormativeKompetenzen
Fach-kompetenzen
Sozial- und Subjekt-kompetenzen
Methoden-kompetenzen
InterkulturelleHandlungs-kompetenz
OrganisationsentwicklungLeitbild
ZielentwicklungControlling
Personal-entwicklung
Zielgruppen-ansprache
Entwicklung interkultureller Kompetenzen ist eingebettet in Organisationsentwicklung
InstitutionInstitution TeamTeam ZielgruppenZielgruppenanspracheansprache
AngebotAngebot
OE-Konzept Gemischt Aufsuchend Lebenswelt-orientierung
Diversity als Leitbild
Multipro-fessionell
Mund-zu-Mund Propaganda
Sozialraum-
orientierung
Willkommens-kultur
Interkul-turelle Kompetenz
Brücken-personen
Niedrig-schwellig
Flexible Gebühren
Eltern-partizipation
Diversitäts-
gerecht
Vernetzung/
Entgrenzung
Kooperation MSO
Organisationsentwicklung