Aus der Klinik mit Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Direktor: Prof. Dr. J. Kornhuber Veränderungen im Geruchssinn von Morbus- Crohn-Patienten Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr.med. vorgelegt von Cornelia Elm aus Erlangen
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Veränderungen im Geruchssinn von Morbus- Crohn-PatientenArbeit+M.+Crohn+Abgabe... · 6 Statistik und Ergebnisse 37 6.1 Ergebnisse der Schwellentestung 37 . 6.2 Ergebnisse der Diskriminationsleistung
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Aus der Klinik mit Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Direktor: Prof. Dr. J. Kornhuber
Veränderungen im Geruchssinn von Morbus-
Crohn-Patienten
Der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
zur
Erlangung des Doktorgrades Dr.med.
vorgelegt von
Cornelia Elm
aus Erlangen
Als Dissertation genehmigt
von der Medizinischen Fakultät
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Tag der mündlichen Prüfung: 01. August 2014 Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. med. Dr. h.c. J. Schüttler Gutachter: Prof. Dr. med. N. Thürauf Priv. Doz. Dr. med. habil M. Maler
Gewidmet
Meinem Vater
Gliederung
1 Zusammenfassung in deutscher Sprache 8
1.1 Hintergrund und Ziele 8
1.2 Methoden 8
1.3 Ergebnisse und Beobachtungen 8
1.4 Praktische Schlussfolgerungen 9
2 Zusammenfassung in englischer Sprache 9
2.1 Backgrounds and aims 9
2.2 Methods 9
2.3 Results and observations 10
2.4 Practical conclusions 10
3 Einleitung 11
3.1 Der Geruchssinn 11
3.1.1 Allgemeine Informationen 11
3.1.2 Anatomie des Geruchssystems 11
3.1.3 Die Riechrezeptoren 12
3.1.4 Verarbeitung von Gerüchen: Vom chemosensorischen
Rezeptor zum ZNS 12
3.1.5 Olfaktorische Dysfunktionen 14
3.2 Der Morbus Crohn 15
3.2.1 Definition 15
3.2.2 Pathologie 15
3.2.3 Epidemiologie 16
3.2.4 Klinik 17
3.2.5 Ätiologie 18
4 Allgemeiner Teil: Verdacht auf einen veränderten
Geruchssinn bei Morbus-Crohn-Patienten 19
4.1 TNF-α 19
4.1.1 Allgemeine Informationen zu TNF-α 19
4.1.1.1 Was ist TNF-α? 19
4.1.1.2 Welche Zellen bilden TNF-α? 19
4.1.1.3 Wann wird TNF-α freigesetzt? 19
4.1.1.4 Welche Ereignisse bewirkt TNF-α auf zellulärer Ebene? 20
4.1.1.5 Welche Ereignisse bewirkt TNF-α auf organischer Ebene? 20
4.1.2 TNF-α und Morbus Crohn 20
4.1.2.1 Erhöhtes TNF-α bei Morbus Crohn 20
4.1.2.2 Wie kommt es zu dem erhöhten TNF-α beim Morbus Crohn? 21
4.1.2.3 Welche pathologischen Ereignisse bewirkt TNF-α beim
Morbus Crohn 21
4.1.3 TNF-α beeinflusst Geschmacks- und Geruchssinn 22
4.1.3.1 Anorexie-Kachexie-Syndrom durch erhöhte TNF-α-
Blutspiegel 22
4.1.3.2 TNF-α beeinflusst den Appetit: Hinweise durch
experimentelle Studien 23
4.1.3.3 Kommunikation von peripherem TNF-α mit dem ZNS 24
4.1.3.4 Direkter Einfluss von erhöhtem TNF-α auf den
Bulbus olfactorius 24
4.2 Zink 25
4.2.1 Allgemeine Informationen zu Zink 25
4.2.2 Erniedrigtes Zink bei Morbus Crohn 25
4.2.3 Einfluss von erniedrigtem Zink auf Geruchs- und
Geschmackssinn 25
4.3 Ernährungsbesonderheiten bei Crohn-Patienten 27
4.4 Geruch, Geschmack, Appetit und der Morbus Crohn 29
4.5 Enterale Ernährungstherapie bei Morbus Crohn 30
5 Material und Methoden 31
5.1 Ziel und Hypothesen 31
5.2 Probanden 32
5.3 Material: Der Sniffin’ Sticks-Test 32
5.4 Versuchsdesign 33
5.4.1 Bestimmung der Wahrnehmungsschwelle 33
5.4.1.1 Versuchsaufbau 33
5.4.1.2 Ziel 34
5.4.1.3 Versuchsdurchführung 34
5.4.2 Bestimmung der Diskriminationsleistung 35
5.4.2.1 Versuchsaufbau 35
5.4.2.2 Ziel 35
5.4.2.3 Versuchsdurchführung 35
5.4.3 Bestimmung der Identifikationsleistung mit hedonischer
Bewertung und Intensitätsschätzung 36
5.4.3.1 Versuchsaufbau 36
5.4.3.2 Ziel 36
5.4.3.3 Versuchsdurchführung 36
5.5 Normwerte für den Sniffin’ Sticks-Test 37
6 Statistik und Ergebnisse 37
6.1 Ergebnisse der Schwellentestung 37
6.2 Ergebnisse der Diskriminationsleistung 38
6.3 Ergebnisse der Identifikationsleistung 38
6.4 Ergebnisse der Intensitätsschätzung 39
6.5 Ergebnisse der Hedonikbewertung 40
7 Diskussion 44
7.1 Vorstellung der Ergebnisse 44
7.2 Interpretation der Ergebnisse 45
7.2.1 Diskussion der ersten Hypothese 45
7.2.2 Diskussion der zweiten Hypothese 46
7.2.3 Diskussion der dritten Hypothese 47
7.2.4 Diskussion der vierten Hypothese 48
7.2.5 Diskussion der fünften Hypothese 49
7.3 Vorschlag für weitere Studien 51
7.4 Schlußfolgerungen 53
8 Literatur- und Abbildungsverzeichnis 54
9 Abkürzungsverzeichnis 64
10 Anhang 65
11 Danksagung 75
8
1 Zusammenfassung in deutscher Sprache
1.1 Hintergrund und Ziele
Ziel der Studie war es, die Hypothese zu untersuchen, es gäbe Veränderungen im
Geruchssinn von Morbus-Crohn-Patienten im Vergleich zu einer gesunden
Kontrollgruppe. Anlaß zu der Hypothese gaben zum einen erhöhte TNF-α- sowie
erniedrigte Zinkspiegel bei Morbus-Crohn-Patienten, zum anderen auffällige
Ernährungsbesonderheiten von Patienten, wie die vermehrte Aufnahme von Zucker und
raffinierten Kohlenhydraten bzw. die verminderte Aufnahme von Ballaststoffen.
1.2 Methoden
An der Studie nahmen 91 Personen teil. 29 Probanden waren an Morbus Crohn
Erkrankte in Remission im Alter von 20 bis 69 Jahren (Durchschnitt 39,66 Jahre), 16
davon männlich, 13 weiblich. An Morbus Crohn im akuten Schub litten 27 Probanden
im Alter von 20 bis 65 Jahren (Durchschnitt 45,44 Jahre), davon waren 13 männlich
und 14 weiblich. Die gesunde Kontrollgruppe umfasste 35 Personen im Alter von 18 bis
67 Jahren (Durchschnitt 38,29 Jahre), 16 davon männlich, 19 weiblich. Die
Untersuchungen des Geruchssinns erfolgten mit dem Sniffin’ Sticks-Test. Getestet
wurden die Probanden im Hinblick auf ihre Geruchsschwelle, auf ihre Diskriminations-
und Identifikationsleistung sowie auf Intensitätseinschätzung und hedonische
Bewertung von Gerüchen. Die Ergebnisse der Morbus-Crohn-Patienten wurden auf
signifikante Unterschiede im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe untersucht.
Hierfür wurde der nonparametrische Mann-Whitney-U-Test/Wilcoxon-W-Test
verwendet. Das Signifikanzniveau α wurde bei 0,05 festgesetzt, p≤0,01 galt als
hochsignifikant und bei p≤0,10 wurde eine Tendenz zur signifikanten Unterscheidung
angenommen.
1.3 Ergebnisse und Beobachtungen
Die Geruchsschwelle von Morbus-Crohn-Patienten war hochsignifikant niedriger als
bei den gesunden Kontrollpersonen (p=0,004). In der Diskriminationsleistung gab es
keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Die gesunden
Kontrollpersonen zeigten tendenziell eine bessere Leistung in der Geruchsidentifikation
als die Morbus-Crohn-Patienten (p=0,074). Die Intensitätseinschätzungen aller Gerüche
9 unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen, dies galt auch für einzelne
Gerüche mit der Ausnahme des Geruchs Pfefferminz, der von Morbus-Crohn-Patienten
tendenziell intensiver eingeschätzt wurde (p=0,065). Die hedonische Bewertung aller
Gerüche fiel bei Morbus-Crohn-Patienten tendenziell besser aus als bei der gesunden
Kontrollgruppe (p=0,087), dies galt auch isoliert für das linke Nasenloch (p=0,078).
Auch einige ausgewählte Gerüche wurden von Morbus-Crohn-Patienten in ihrer
Hedonik höher eingeschätzt als von den gesunden Kontrollpersonen, dies galt
hochsignifikant für den Geruch Ananas (p=0,006), signifikant für Anis (p=0,030) sowie
tendenziell für Pfefferminz (p=0,53), Zitrone (p=0,065) und Lakritz (p=0,064).
1.4 Praktische Schlussfolgerungen
Bis auf ein leichtes Defizit bei der Geruchsidentifikation leiden Morbus-Crohn-
Patienten nicht an einer olfaktorischen Dysfunktion. Im Gegenteil, die Geruchsschwelle
von Morbus-Crohn-Patienten ist im Vergleich zu Gesunden erniedrigt. Morbus-Crohn-
Patienten scheinen allgemein Gerüche in ihrer Hedonik besser zu bewerten als gesunde
Personen, dies trifft auch für einige ausgewählte Essensgerüche wie Ananas, Anis sowie
tendentiell für Pfefferminz, Zitrone und Lakritz zu. Bei der Entwicklung einer neuen
enteralen Ernährungstherapie können die Ergebnisse dieser Studie helfen die Akzeptanz
der Therapie zu verbessern. Die Testung des retronasalen Geruchssinns sollte das Ziel
weiterer Studien sein.
2 Zusammenfassung in englischer Sprache
2.1 Background and aims
The aim of the study was to investigate the hypothesis, that there exists a difference of
the sense of smell between patients with Crohn’s disease and a healthy control. The
reasons for this hypothesis were on the one hand the elevated level of TNF-α and the
depressed level of zinc in the blood of patients and on the other hand the characteristics
in nutrition of patients like more intake of sugar and carbohydrates and less intake of
dietary fiber.
2.2 Methods
91 persons took part of the study. β9 subjects were patients with Crohn’s disease in state
10 of remission with the age between 20 and 69 years (average 39.66 years). 16 of them
were male and 1γ female. β7 subjects were patients with Crohn’s disease in the acute
state with the age between 20 and 65 (average 45.44 years). 13 of them were male and
14 female. The healthy control was composed of 35 subjects with the age between 18
and 67 (average 38.29 years). 16 of them were male and 19 female. The examination of
the sense of smell was done with the Sniffin’ Sticks-Test. The odor treshold, the
discrimination, the identification, the intensity ratings and the hedonic ratings have been
tested. We looked for significant differences of the results of the groups. The non
parametric test of Mann-Whitney-U/Wilcoxon-W was used. The level of significance α
was assessed, it should be 0.05. P≤0.01 should be significant in a high level and p≤0.10
should show a trend for significant differences.
2.3 Results and observations
The odor treshold of patients with Crohn’s disease was significant depressed in
comparison with the healthy control (p=0.004). There were no significant differences in
the results of the odor discrimination test. The healthy control showed a trend for a
better outcome in odor identification (p=0.074). There was no significant difference in
the intensity ratings for all odors as well as not for single odors with the exception of
peppermint, which was rated more intensive by patients (p=0.065). There was a trend of
a better rating of the hedonic impressions of all odors by patients (p=0.087). The same
result existed for the left nostril (p=0.078). Also some special odors were evaluated
more pleassant by the patients than by the control group. This result was significant in a
high level for pineapple (p=0.006) and significant for anise (p=0.030) and at last there
was seen a trend for peppermint (p=0.53), lemon (p=0.065) and liquorice (p=0,064).
2.4 Practical conclusions
Patients with Crohn’s disease do not have olfactory dysfunctions except a minimal
deficit in odor identification. In contrast patients have a lower odor treshold than
healthy people. Patients with Crohn‘s disease seem to evaluate hedonic impressions of
odors more pleasant than healthy subjects. This is also the case for some special food
odors like pineapple, anise and seems to be the case for peppermint, lemon and
liquorice. When a new enteral dietetic treatement is developed the results of this study
can help to increase the acceptance of the therapy. To test the retronasal sense of smell
should be the aim of further studies.
11
3 Einleitung
3.1 Der Geruchssinn
3.1.1 Allgemeine Informationen
Der Geruchs- wie auch der Geschmackssinn werden chemische Sinne genannt, weil die
Geruchs- und Geschmacksrezeptoren mit chemischen Stimuli, die mit der Luft inhaliert
bzw. geschluckt werden, interagieren und so aktiviert werden. Diese Stimuli sind kleine,
flüchtige und meist lipophile Moleküle (Spielman et al, 1998), die auf Grund
unterschiedlicher Struktureigenschaften als unterschiedlich duftend bzw. schmeckend
wahrgenommen werden (Buck, 2005). Schmerzhafte, taktile und thermale Reize
dagegen werden nicht über den Geruchs- bzw. Geschmackssinn weitergeleitet, sondern
über das trigeminale System. Durch Geruchs- und Geschmackssinn werden
aufgenommene Substanzen überprüft. Das Ergebnis beeinflusst die Wahl der Nahrung.
Vor potentiell toxischen Substanzen kann so gewarnt werden. Einschränkungen der
beiden Sinne haben Auswirkungen auf die Art und Weise wie Nahrungsmittel
eingeschätzt werden. Der menschliche Geruchssinn kann etwa eintausend verschiedene
flüchtige Gemische unterscheiden (Spielman et al, 1998).
3.1.2 Anatomie des Geruchssystems
Die Riechschleimhaut, ein mehrreihiges Sinnesepithel, kleidet die obere Nasenmuschel
und die gegenüberliegende Nasenscheidewand aus. Sie besteht aus den zum Lumen hin
gelegenen Stützzellen, einer mittleren Schicht aus dem Zellkörper der Sinneszellen und
einer basal gelegenen Schicht, deren Zellkörper sich zu neuen Sinneszellen entwickeln
können. Die olfaktorischen Sinneszellen werden ein Leben lang aus den Basalzellen
rekrutiert. Die etwa 10 Millionen Sinneszellen besitzen jeweils einen Fortsatz, der sich
in Richtung Nasenlumen vorstreckt und dessen feine Riechhärchen (Kinozilien) das
Epithel überragen. An den Kinozilien sitzen die Chemorezeptoren, an die sich die
verschiedensten Moleküle aus der Atemluft binden und so die Sinneszellen reizen.
Proximal entsenden die Zellkörper der Sinneszellen jeweils einen zentral gerichteten
axonalen Fortsatz (Fila olfactoria), der das Siebbein durchtritt und in der vorderen
Schädelgrube im Bulbus olfactorius (BO) endet. Alle Filae olfactoriae bilden den
Nervus (N.) olfactorius, der erster Hirnnerv. Im BO findet die erste Verschaltung statt.
12 Daraufhin werden die olfaktorischen Impulse weitergeleitet über den Tractus olfactorius
(Trepel, 1999) zum primären olfaktorischen Kortex (POK), der zusammengesetzt ist aus
dem anterioren olfaktorischen Nukleus, dem olfaktorischen Tuberkulum, dem
piriformen Kortex , der Amygdala, der periamygdalen Region und dem entorhinalen
Kortex. Der POK projiziert zu sekundär olfaktorischen Regionen. Dazu zählt der
Hippokampus, das ventrale Striatum und Pallidum, der Hypothalamus, der Thalamus,
der orbitofrontale Kortex (OFK), die Insel und der Gyrus cingularis (Weismann et al,
2001).
3.1.3 Die Riechrezeptoren
Beim Menschen existieren etwa 350 verschiedene Riechrezeptoren (Malnic et al, 2004).
Dreidimensional betrachtet setzt sich jeder dieser Chemorezeptoren aus sieben α-
helikalen transmembranen Domänen zusammen, die durch intra- und extrazelluläre
Schleifen variabler Länge verbunden sind (Firestein, 2001). Je drei α- Helices bilden
eine Tasche, die bis in die Membran hineinreicht (Pilpel et al, 1999). Diese Tasche
scheint die Bindestelle der volatilen molekularen Liganden zu sein (Firestein, 2001).
Die Aminosäuresequenzen dieser Region sind von Rezeptor zu Rezeptor verschieden,
so dass bei der Vielfältigkeit und der beträchtlichen Zahl der olfaktorischen Liganden
jeder von ihnen eine oder mehrere mögliche Bindungsstellen findet (Firestein, 2001).
Bindet ein volatiler Ligand an seinen Rezeptor, erfolgt eine Kaskade intrazellulärer
Ereignisse, die zur Entstehung eines neuronalen Signals in Form eines
Aktionspotentials, d.h. einer elektrischen Erregung, führen, die wie oben beschrieben
von der Sinneszelle auf Zellen des BO über das Riechhirn bis in das Großhirn
weitergeleitet wird (Firestein, 2001).
3.1.4 Verarbeitung von Gerüchen: Vom chemosensorischen Rezeptor
zum ZNS
Wie durch Moleküle der Atemluft die Wahrnehmung eines Duftes entsteht, erforschten
die Neurophysiologin Dr. Linda Buck und ihr Team. 2004 erhielt die Professorin dafür
den Nobelpreis für Medizin. In ihrer Nobelpreisrede (Buck, 2005) fasste sie ihre
Forschungsergebnisse zusammen: Das olfaktorische Epithel besteht aus räumlich
separierten Zonen, die sich in der Nasenhöhle in Form von Streifen entlang der anterior-
posterioren Achse ausdehnen. In diesen befinden sich nicht überlappende Gruppen von
olfaktorischen Rezeptoren (OR). Dabei wird jedes Rezeptorgen in mehreren Neuronen
13 exprimiert, die innerhalb einer Zone zufällig verstreut liegen (Ressler et al, 1993). Einen
Rezeptortyp findet man somit nicht nur an einem Ort der Nasenhöhle, sondern er
kommt weit verstreut in ihr vor (Buck, 2005). Jedes Neuron exprimiert aber nur einen
einzigen OR (Malnic et al, 1999). Somit wird der Input verschiedener OR auch von
verschiedenen Neuronen zum BO weitergeleitet. Anders ausgedrückt: Die Information,
die jedes Neuron liefert, wird von nur einem einzigen Rezeptortyp abgeleitet (Buck,
2005). Weiterhin fanden Buck und ihr Forschungsteam heraus, dass jeder OR nicht nur
von einem sondern von einer Vielzahl von Duftstoffen erregt wird und dass ein
Duftstoff nicht nur an einen sondern an verschiedene OR binden kann (Malnic et al,
1999). Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, einen Duft in Form eines Codes an das
Gehirn weiterzuleiten. Verschiedene Codes bestehen aus unterschiedlichen
Kombinationen von erregten OR. Somit dient jeder Rezeptor als eine Komponente von
verschiedenen Codes. Kurz gesagt, unterschiedliche Düfte werden als unterschiedliche
„Rezeptorcodes“ an das Gehirn weitergeleitet (Buck, 2005). Auch eine Änderung der
Duftstoffkonzentration beeinflusst den Rezeptorcode. Bei höheren Konzentrationen
werden zusätzliche OR rekrutiert (Buck, 2005).
Jedes olfaktorische Neuron sendet sein Axon in den BO. In einem Glomerulus, einer
kugeligen Struktur des BO, entsteht eine Synapse zwischen dem Axon und einem
Dendrit eines BO-Neurons, welches Mitralzelle genannt wird. Der BO besitzt eine
große Anzahl von Glomeruli. Die Axone der sensorischen Neuronen, die denselben
Rezeptortyp exprimieren, laufen nur in zwei bis vier verschiedene Glomeruli. Diese
Glomeruli scheinen wiederum nur Input von Neuronen dieses einen Rezeptortyps zu
erhalten. Die Information eines Glomerulus wird nur von wenigen Mitralzellen
weitergeleitet, wobei eine Mitralzelle im BO nur Informationen eines Glomerulus
enthält. Man spricht von einer stereotypen sensorischen Karte im BO, da die Glomeruli
eines Rezeptortyps in verschiedenen Individuen an gleicher Stelle im BO lokalisiert
sind (Ressler et al, 1994). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass jedes
sensorische Neuron im olfaktorischen Epithel und jeder Glomerulus mit Mitralzellen
nur einem einzigen Rezeptortyp zugeordnet ist. So wird die Rezeptorkombination eines
Duftes im BO durch die Kombination von bestimmten Glomeruli mit den zugehörigen
Mitralzellen weitergeleitet (Buck, 2005).
Vom BO gelangt die Information eines Rezeptortyps zu mehreren Arealen des
olfaktorischen Kortex. Dabei werden unpräzise Gruppen kortikaler Neurone erregt.
Während die Information verschiedener Rezeptortypen auch im BO in verschiedene
Glomeruli gelangt und dadurch räumlich getrennt bleibt, können Neurone des
14 olfaktorischen Kortex überlappend von einer Vielzahl verschiedener Rezeptortypen
aktiviert werden (Zou et al, 2001). Um nun einen bestimmten Duft als solchen
wahrzunehmen, nehmen Buck et al an, dass das Gehirn wie folgt agiert. Die Signale der
einzelnen OR, die in ihrer Kombination einen bestimmten Duft kodieren, erregen
teilweise überlappende Neuronengruppen. Aktiviert werden aber nur solche Neurone,
die Signale von mehr als einem OR erhalten (Buck, 2005). Im olfaktorischen Kortex
existiert eine stereotype Karte: Bei verschiedenen Individuen erregen die Signale eines
bestimmten Rezeptors Neuronengruppen, die im Gehirn der Individuen an gleicher
Stelle lokalisiert sind (Zou et al, 2001).
3.1.5 Olfaktorische Dysfunktionen
Ätiologisch lassen sich Beschwerden des Geruchssinns einteilen in Transport-,
sensorische und neuronale Störungen. Dies bedeutet, die Ursache der
Geruchsbeeinträchtigung liegt entweder an einer Behinderung der Interaktion
olfaktorischer Stimuli mit den Chemorezeptoren oder an einer Beeinträchtigung der
Rezeptoren selber oder aber an einem neuronalen Schaden, angefangen bei den
Sinneszellen im Riechepithel bis hin zu Störungen in Kortexarealen (Spielman et al,
1998). Die Interaktion der Moleküle mit den Chemorezeptoren wird von dem mukösen
Milieu, das die Kinozilien umgibt, beeinflusst. Auch adenoide Vegetationen, chronische
Entzündungen der Nasenhöhle und der Nasennebenhöhlen,
Nasenscheidewandverkrümmungen oder Polypen behindern den Zugang von flüchtigen
Stimuli zu den Rezeptoren. Weitere Gründe, die zu Transportstörungen führen können,
sind Neoplasien und Traumata der Nasenhöhle sowie Erkrankungen des oberen
Respirationstraktes (Spielman et al, 1998).
Zur Beeinträchtigung der Chemorezeptoren kann es aus verschiedenen Gründen
kommen. Die Rate der Zellfluktuationen kann verändert sein. Normalerweise werden
die Sinneszellen, die die Rezeptoren tragen, alle vier bis acht Wochen erneuert. Auch
Störungen der Signaltransduktion im Rezeptor oder bei Prozessierungsvorgängen des
Rezeptorproteins führen zu dessen Beeinträchtigung. Sensorische Dysfunktionen
können Folge von Radiotherapie, Medikamenteneinnahme, endokrinologischen
Krankheiten, viralen Infekten, chirurgischen Eingriffen, Luftverschmutzung und
toxischen Chemikalien sein (Spielman et al, 1998).
Neuronale Schäden, die zu Geruchsstörungen führen können, sind Entzündungen,
Graphik: Y-Achse in Visual Analog Rating Units (VARU). Mittelwerte (X) der
hedonischen Einschätzung mit Standardfehler des Mittelwertes σ(θ) (beides auf zwei
Dezimalstellen gerundet) für Kontrollgruppe X=1,15; σ(θ)=0,γ1; Crohn inaktiv X=1,63;
σ(θ)=0,γβ; Crohn aktiv X=2,30; σ(θ)=0,43.
Patienten empfanden den Geruch Ananas hochsignifikant (grüner Hintergrund)
angenehmer als die gesunde Kontrollgruppe (U=643,0; W=1273,0; Z=-2,749; p=0,006).
Graphik: Y-Achse in Visual Analog Rating Units (VARU). Mittelwerte (X) der
hedonischen Einschätzung mit Standardfehler des Mittelwertes σ(θ) (beides auf zwei
Hedonik links gesamt
Versuchsgruppen
Be
we
rtu
ng
sp
un
kte
de
s h
ed
on
isch
en
Ge
ruch
se
mp
fin
de
ns
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
Kontrolle Crohn inaktiv Crohn aktiviert
Hedonik Ananas
Versuchsgruppen
Be
we
rtu
ngsp
un
kte
de
s h
ed
on
isch
en
Ge
ruch
se
mp
fin
de
ns
0
1
2
3
4
5
6
7
Kontrolle Crohn inaktiv Crohn aktiviert
42 Dezimalstellen gerundet) für Kontrollgruppe X=3,08; σ(θ)=0,6β; Crohn inaktiv X=4,66;
σ(θ)=0,5γ; Crohn aktiv X=5,76; σ(θ)=0,52.
Auch Anis bewerteten die Patienten signifikant (blauer Hintergrund) besser im
Vergleich zur Kontrolle (U=714,0; W=1344,0; Z=-2,170; p=0,030).
Graphik: Y-Achse in Visual Analog Rating Units (VARU). Mittelwerte (X) der
hedonischen Einschätzung mit Standardfehler des Mittelwertes σ(θ) (beides auf zwei
Dezimalstellen gerundet) für Kontrollgruppe X=1,25; σ(θ)=0,53; Crohn inaktiv X=3,17;
σ(θ)=0,50; Crohn aktiv X=2,78; σ(θ)=0,86.
Eine Tendenz (grauer Hintergrund) zur positiveren Einschätzung durch M.C.-Patienten
ergab sich für Pfefferminz (U=742,5; W=1372,5; Z=-1,938; p=0,053).
Hedonik Anis
Versuchsgruppen
Be
we
rtu
ngsp
un
kte
de
s h
ed
on
isch
en
Ge
ruch
se
mp
fin
de
ns
0
1
2
3
4
Kontrolle Crohn inaktiv Crohn aktiviert
43
Graphik: Y-Achse in Visual Analog Rating Units (VARU). Mittelwerte (X) der
hedonischen Einschätzung mit Standardfehler des Mittelwertes σ(θ) (beides auf zwei
Dezimalstellen gerundet) für Kontrollgruppe X=4,14; σ(θ)=0,37; Crohn inaktiv X=5,28;
σ(θ)=0,62; Crohn aktiv X=4,83; σ(θ)=0,58.
Eine Tendenz (grauer Hintergrund) zur positiveren Einschätzung durch M.C.-Patienten
ergab sich auch für Zitrone (U=753,5; W=1383,5; Z=-1,848; p=0,065).
Graphik: Y-Achse in Visual Analog Rating Units (VARU). Mittelwerte (X) der
hedonischen Einschätzung mit Standardfehler des Mittelwertes σ(θ) (beides auf zwei
Hedonik Pfefferminz
Versuchsgruppen
Bew
ert
ungspunkte
de
s h
edonis
chen G
eru
chsem
pfindens
0
1
2
3
4
5
6
7
Kontrolle Crohn inaktiv Crohn aktiviert
Hedonik Zitrone
Versuchsgruppen
Be
we
rtu
ngsp
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on
isch
en
Ge
ruch
se
mp
fin
de
ns
0
1
2
3
4
5
Kontrolle Crohn inaktiv Crohn aktiviert
44 Dezimalstellen gerundet) für Kontrollgruppe X=1,98; σ(θ)=0,47; Crohn inaktiv X=3,51;
σ(θ)=0,55; Crohn aktiv X=1,60; σ(θ)=0,83.
Eine Tendenz (grauer Hintergrund) zur positiveren Einschätzung durch M.C.-Patienten
zeigte sich auch noch für Lakritz (U=753,0; W=1383,0; Z=-1,852; p=0,064).
Graphik: Y-Achse in Visual Analog Rating Units (VARU). Mittelwerte (X) der
hedonischen Einschätzung mit Standardfehler des Mittelwertes σ(θ) (beides auf zwei
Dezimalstellen gerundet) für Kontrollgruppe X=-0,70; σ(θ)=0,67; Crohn inaktiv
X=1,16; σ(θ)=0,56; Crohn aktiv X=1,60; σ(θ)=0,83.
Alle übrigen Gerüche wurden hedonisch nicht signifikant unterschiedlich eingeschätzt.
7 Diskussion
7.1 Vorstellung der Ergebnisse
Es gibt Studien, die Geschmacksveränderungen bei M.C.-Patienten im Hinblick auf die
Geschmacksschwellen einzelner Geschmacksrichtungen untersuchten. Die Ergebnisse
der Schwellentestungen unterschieden sich in den verschiedenen Studien. Kasper et al
fanden keinen signifikanten Unterschied bei den Geschmacksschwellentestungen
(Kasper et al, 1980). In einigen Studien war die Geschmacksschwelle für „süß“ bei den
Patienten erhöht (McClain et al, 1980; Schutz et al, 2003). Andere Studien zeigten
erhöhte Schwellenwerte bei Patienten für „salzigen“ Geschmack (Tiomny et al, 1982),
Hedonik Lakritz
Versuchsgruppen
Be
we
rtu
ng
sp
un
kte
de
s h
ed
on
isch
en
Ge
ruch
se
mp
fin
de
ns
-2
-1
0
1
2
3
Kontrolle Crohn inaktiv Crohn aktiviert
45 „sauren“ Geschmack (Penny et al, 1983) bzw. signifikante Defizite in allen vier
Geschmacksmodalitäten (Solomons et al, 1977; Zopf et al, 2009).
In dieser Studie wurde erstmalig untersucht, ob es auch im Hinblick auf die
Geruchsperzeption signifikante Unterschiede zwischen M.C.-Patienten und einer
gesunden Kontrollgruppe gibt. Das Ergebnis der Studie zeigte, dass sich Patienten und
Kontrollgruppe hochsignifikant in der Höhe ihrer Geruchsschwelle unterschieden. Die
Schwelle von M.C.-Kranken ist hochsignifikant niedriger als bei Gesunden. Bei der
Diskriminationsleistung von verschiedenen Gerüchen wurden keine signifikanten
Unterschiede zwischen M.C.-Patienten und der gesunden Kontrollgruppe festgestellt.
Bei der Testung der Identifikationsleistung konnten Gesunde tendentiell mehr Gerüche
richtig identifizieren als die M.C.-Kranken. 16 verschiedene Gerüche wurden in
Hinblick auf ihre Intensität durch Gesunde und M.C.-Kranke bewertet. Bei den
Summen aller Intensitätseinschätzungen gab es zwischen der Kontroll- und der
Patientengruppe keine signifikanten Unterschiede. Lediglich die Intensität des Geruchs
Pfefferminz empfanden M.C.-Patienten tendenziell stärker im Vergleich zu der
gesunden Kontrollgruppe. Menschen mit M.C. zeigten bei der hedonischen Bewertung
aller 16 Gerüche tendenziell eine positivere Einschätzung als Gesunde, dies galt auch
isoliert für das linke, nicht aber für das rechte Nasenloch, bei dem es keine Unterschiede
gab. Bei der hedonischen Beurteilung einzelner Gerüche empfanden Patienten im
Vergleich zu Gesunden Ananas hochsignifikant und Anis signifikant als angenehmer
riechend. Auch Pfefferminz, Zitrone und Lakritz wurden von M.C.-Kranken im
Gegensatz zur Kontrollgruppe tendenziell als besser riechend eingestuft. Die übrigen
Gerüche wurden hedonisch ohne signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen
bewertet.
7.2 Interpretation der Ergebnisse
7.2.1 Diskussion der ersten Hypothese
Die erste Hypothese, es gäbe Unterschiede zwischen M.C.-Patienten (im aktivem und
im inaktiven Erkrankungszustand) und den gesunden Kontrollpersonen im Bezug auf
die Wahrnehmungsschwelle eines Geruchs, ließ sich bestätigen. Allerdings überraschte
das Ergebnis einer niedrigeren Geruchsschwelle bei M.C.-Patienten, da vorherige
Studien, die auch in der Einleitung erwähnt wurden, eher eine olfaktorische
Dysfunktion bei M.C.-Patienten annehmen ließen. Da man bei M.C.- Patienten erhöhte
46 Werte für TNF-α bzw. TNF-α-mRNA im Blut (Komatsu et al, 2001), in der intestinalen
Mukosa (Autschbach et al, 1995; Murch et al, 1993), im Stuhl (Braegger et al, 1992)
und in angezüchteten intestinalen Biopsien (Reimund et al, 1996) findet und die TNF-α-
Produktion in mononukleären Zellen von M.C.-Patienten erhöht ist (Schreiber et al,
1998) und es bei erhöhten TNF-α-Spiegeln im Bulbus olfactorius von Mäusen zu einem
Apoptoseanstieg kam, wodurch eine olfaktorische Dysfunktion angenommen wurde
(Mori et al, 2005), läge es nahe, bei M.C.-Patienten eher eine höhere Geruchsschwelle
im Vergleich zu Gesunden zu vermuten. Auch der Zinkmangel bei Patienten mit akutem
M.C. und in Remission (Filippi et al, 2006; Griffin et al, 2004; McClain et al, 1980;
Myung et al, 1998; Nishida et al, 1985; Penny et al, 1983; Solomons et al, 1977;
Sturniolo et al, 1980; Tiomny et al, 1982) und der Umstand, dass ein Mangel an Zink
u.a. zu Störungen im Geschmacks- und Geruchssinn führt (Couinaud, 1984; Keenan
und Morris, 1993; Russell et al, 1998; Tomita et al, 1996), ließ annehmen, dass sich bei
M.C.-Patienten eine höhere Geruchsschwelle im Vergleich zu der Kontrollgruppe zeige.
Allerdings ist auffällig, dass der Mittelwert der Schwellenberechnung der gesunden
Kontrollgruppe (X=5,02) nach den von Wolfensberger und Schnieper errechneten
Normwerten für den Sniffin’ Sticks-Test gerade noch im Hyposmiebereich liegt,
welcher von 1 bis 5,25 reicht (Wolfensberger und Schnieper, 1999). Zum einen kann es
sein, dass auf Grund äußerer Gegebenheiten wie des Alters der Testbatterie oder des
Raumluftgeruchs im Untersuchungszimmer die Ergebnisse aller drei Gruppen
insgesamt schlechter ausfielen als diejenigen der Probanden für die errechneten
Normwerte des Sniffin’ Sticks-Test. Insofern wäre unser Ergebnis, nämlich dass M.C.-
Patienten eine niedrigere Geruchsschwelle als Gesunde aufweisen, dann trotzdem
zutreffend. Aber auch die Möglichkeit, eine gesunde Kontrollgruppe erwischt zu haben,
die zufällig im Mittel im Hyposmiebereich lag, lässt sich nicht von der Hand weisen.
7.2.2 Diskussion der zweiten Hypothese
Die zweite Hypothese, es bestünden Unterschiede in der Diskriminationsleistung von
M.C.-Patienten (im aktiven und im inaktiven Erkrankungszustand) im Vergleich zur
gesunden Kontrollgruppe ließ, sich nicht bestätigen. Bei diesem Test sollte die
niedrigere Geruchsschwelle der M.C.-Patienten keine Rolle spielen, da die Gerüche zur
Diskrimination in deutlich überschwelliger Intensität dargeboten wurden. Um Gerüche
zu diskriminieren, muss ein Geruch wahrgenommen werden, das heißt, es erfolgt nach
Interaktion der Duftmoleküle mit den olfaktorischen Rezeptoren die Signaltransduktion
von den olfaktorischen Rezeptoren der Neurone über die Bulbi olfactorii bis in den
47 olfaktorischen Kortex (Buck, 2005) und desweiteren kommt es zu Aktivitäten in den an
der Geruchsdiskrimination beteiligte Hirnareale. Dies scheinen zum einen mehrere
frontale und frontotemporale Regionen der linken Hemisphäre zu sein, ggf. um das
Kurzzeitgedächtnis, das bei der Diskrimination aufeinander folgender Gerüche benötigt
wird, zu aktivieren (Plailly et al, 2007), zum anderen wohl auch der Hippokampus
(Kareken et al, 2003; Savic et al, 2000), dessen Beteiligung auch auf eine
Informationsspeicherung im Kurzzeitgedächtnis hindeuten könnte (Plailly et al, 2007).
Die linke vordere Inselregion scheint bei der Geruchsdiskrimination eine starke
Aktivierung zu zeigen. Die Insel gehört zum limbischen System und antwortet auf
Stimuli, die emotional bewertet werden (Plailly et al, 2007). Gottfried et al zeigten, dass
auch der posteriore piriforme Kortex bei der Diskrimination von Gerüchen auf Grund
ihrer Güteeigenschaften beteiligt zu sein scheint (Gottfried et al, 2006). Die
Signaltransduktionen, die über diese kortikalen Bahnen laufen, also vom olfaktorischen
Rezeptor bis in höhere kortikale Bereiche, und durch die es schließlich zur
Diskrimination von Gerüchen kommt, scheinen bei M.C.-Patienten nicht beeinträchtigt
oder verändert zu sein.
7.2.3 Diskussion der dritten Hypothese
Die dritte Hypothese, es gäbe Unterschiede bei der Identifikationsleistung von
Gerüchen durch M.C.-Patienten (im aktiven und im inaktiven Erkrankungszustand) im
Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe, trifft zumindest tendenziell zu. M.C.-Patienten
konnten tendenziell weniger Gerüche im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe
identifizieren. Die niedrigere Geruchsschwelle der M.C.-Patienten beeinflusste diese
beim Identifikationstest nicht, da hier alle Gerüche den Probanden in deutlich
überschwelligen Konzentrationen dargeboten wurden. Bei der Geruchsidentifikation
sind verschiedene zerebrale Gebiete beteiligt. So ist der linke untere Teil des
Frontallappens bei der Geruchsidentifikation aktiviert. Dies weist womöglich auf
semantische Assoziationen hin (Kareken et al, 2003). Die Aktivierung des
Hippokampus steht vermutlich im Zusammenhang mit der Befragung des
Langzeitgedächtnisses bei Geruchsidentifikationen (Suzuki et al, 2001). Um einen
dargebotenen Geruch identifizieren und benennen zu können, müssen anscheinend
Informationen aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen werden (Qureshy et al, 2000).
Auch wurden Aktivitäten in Kerngebieten des Thalamus bei der Geruchsidentifikation
nachgewiesen (Suzuki et al, 2001). Die Beteiligung des linken orbitofrontalen Kortex
(OFK) lässt auf eine hedonische Beurteilung der Gerüche bei ihrer Identifikation
48 schließen (Suzuki et al, 2001). In einer anderen Studie war der OFK hingegen nicht an
der Geruchsidentifikation beteiligt (Qureshy et al, 2000). Auch Abschnitte des visuellen
Kortex sind bei der Geruchsidentifikation aktiv (Qureshy et al, 2000; Suzuki et a, 200l).
Dies könnte auf eine bildliche Vorstellung des Geruchsursprungs hinweisen (Qureshy et
al, 2000). Hirnareale, die zur Geschmacksempfindung benötigt werden wie die anteriore
Insel und der inferiore postzentrale Gyrus, sind auch bei der Geruchsidentifikation
aktiviert (Suzuki et al, 2001). Auch das Kleinhirn scheint bei der Geruchsidentifikation
eine Rolle zu spielen (Qureshy et al, 2000; Suzuki et al, 2001). Über ein Mitwirken
temporaler Hirnareale bei der Geruchsidentifikation gibt es widersprüchliche Ergebnisse
(Qureshy et al, 2000; Suzuki et al, 2001). Der piriforme Kortex scheint am
Langzeitgedächtnis bei der Geruchswiedererkennung beteiligt zu sein (Dade et al,
2001). Qureshy et al aber beschrieben keine Aktivitäten des piriformen Kortex in ihrer
Studie (Qureshy et al, 2000). Sie konnten über die Teilnahme des anterioren Gyrus
cingularis bei der Geruchsidentifikation und Benennung berichten und ordneten diese
Aktivität einer entsprechenden Erwartungshaltung ihrer Probanden zu (Qureshy et al,
2000). Wo genau nun bei M.C.-Patienten das Defizit bei der Geruchsidentifikation liegt
und warum es scheinbar besteht bleibt unklar.
7.2.4 Diskussion der vierten Hypothese
Die vierte Hypothese, es gäbe Unterschiede im Bezug auf die Intensitätseinschätzung
von Gerüchen durch M.C.-Patienten (im aktiven und im inaktiven Erkrankungszustand)
im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe, ließ sich für die Intensitätsbeurteilung aller
16 Gerüche nicht bestätigen. Auch die Intensitätseinschätzungen von einzelnen
Gerüchen unterschieden sich nicht signifikant, bis auf die Intensität des Geruchs
Pfefferminz, der von M.C.-Patienten tendenziell intensiver eingeschätzt wurde. An der
Beurteilung der Intensität scheinen Rezeptoren beteiligt zu sein, die eine niedrige, aber
dafür weit gefasste Affinität zu einer sehr großen Anzahl von Molekülen haben. Diese
scheinen als Intensitätsdetektoren zu fungieren, d.h. sie vermitteln dem Gehirn keine
Information über den Geruchscharakter, sondern nur über seine Stärke (Firestein, 2001).
Anderson et al fanden heraus, dass es bei der Beurteilung der Intensität zu neuronaler
Aktivität in der Amygdala kam. Das Maß der Aktivität in der Amygdala korrelierte
dabei mit der subjektiven Einschätzung der Intensität durch die Probanden. Anderson
fasste seine Forschungsergebnisse folgendermaßen zusammen: An der Beurteilung der
Intensität scheint das Riechepithel, der BO, die primäre Riechrinde und die zu ihr
gehörige Amygdala beteiligt zu sein. (Anderson et al, 2003). Ein Zinkmangel, wie er bei
49 M.C.-Patienten vorliegt (Filippi et al, 2006; Griffin et al, 2004; McClain et al, 1980;
Myung et al, 1998; Nishida et al, 1985; Penny et al, 1983; Solomons et al, 1977;
Sturniolo et al, 1980; Tiomny et al, 1982) scheint die neuronalen Aktivitäten in der
Amygdala, wie in der Einleitung schon erwähnt, zu beeinflussen: Bei einem Experiment
mit Ratten wurde Zink im extrazellulären Raum der Amygdala mit Hilfe eines
Chelatbildners abgefangen. Mit anderen Worten: Es entstand ein Zinkmangel. Dabei
stieg der Gehalt an GABA, einem inhibitorischen Transmitter, merklich an. Stimulierte
Zinkfreisetzung in den extrazellulären Raum der Amygdala korrelierte mit
Glutamatausschüttung. Die Autoren gehen auf Grund der Ergebnisse davon aus, dass in
der Amygdala präsynaptisches Zink die Freisetzung von GABA beeinflusst, gleichzeitig
mit Glutamat freigesetzt wird und mit diesem bei der exzitatorischen Neurotransmission
kooperiert (Minami et al, 2002). Vor diesem Hintergrund überraschte das Ergebnis, dass
es keine signifikanten Unterschiede in der Intensitätsbeurteilung durch die M.C.-
Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe gab. Auch hätte man auf Grund der
niedrigeren Geruchsschwelle der Erkrankten eine stärkere Einschätzung der
Geruchsintensität erwarten können.
7.2.5 Diskussion der fünften Hypothese
Die fünfte Hypothese, es gäbe Unterschiede im Bezug auf die hedonische Bewertung
von Gerüchen durch M.C.-Patienten (im aktiven und im inaktiven Erkrankungszustand)
im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe ließ sich insgesamt für die hedonische
Einschätzung aller 16 Gerüche tendenziell bestätigen. Anderson et al fanden heraus,
dass Regionen des orbitofrontalen Kortex (OFK) an der hedonischen Bewertung eines
Geruchs beteiligt seien. Je angenehmer ein Geruch empfunden wurde, desto mehr
Aktivität zeigte sich im rechten posteromedialen OFK bzw. je unangenehmer der Duft
war, desto höher war die Aktivität im linken anterioren OFK lateral und im rechten
medial (Anderson et al, 2003). Auf der anderen Seite scheint auch die Amygdala
besonders bei der Bewertung von unangenehmen Gerüchen beteiligt zu sein (Zald and
Pardo, 1997). OFK und Amygdala scheinen in enger Beziehung zueinander zu stehen,
und beide Regionen erhalten wohl direkte Projektionen vom primären olfaktorischen
Kortex (Fernandez-Valle et al, 1995; Stewart et al, 1995). Der hedonische Eindruck
eines Geruchs scheint nicht immer gleichartig zu sein, sondern hängt wohl von der
Situation ab, in der sich der Riechende befindet (Anderson et al, 2003). So kann sich die
affektive Bewertung eines mit Essen assoziierten Geruchreizes ändern, je nach dem, ob
der Riechende gegenwärtig hungrig oder satt ist (O’ Doherty et al, 2000). Der Aspekt,
50 dass M.C.-Patienten eine Tendenz zu einer angenehmeren Einschätzung der 16 Gerüche
im Vergleich zu Gesunden zeigten, ist aber überraschend. Bei den erhöhten TNF-α-
Spiegeln von M.C.-Patienten (Autschbach et al, 1995; Braegger et al, 1992; Komatsu et
al, 2001; Murch et al, 1993; Reimund et al, 1996; Schreiber et al, 1998) liegt nach in der
Einleitung erwähnten Studien eher der Schluß nahe, dass M.C.-Patienten Gerüche
aversiver als die Kontrollgruppe bewerten. So scheint Anorexie und Kachexie bei
Krebspatienten mit hohen TNF-α-Spiegel einher zu gehen (Inui et al, 2002; Richardson
und Davidson, 2003). Bei Mäusen scheint die Nahrungsaufnahme nach TNF-α-Gabe zu
sinken (Mahony et al, 1988; Moldawer et al, 1988; Plata-Salaman et al, 1988). Bei
Ratten konnte eine Geschmacksaversion wahrscheinlich durch hohe TNF-α-Spiegel
ausgelöst werden (Pacheco-Lopez et al, 2008). Bei Mäusen traten wohl durch
gesteigertes intrazerebrales TNF-α Anorexie, Gewichtsverlust und Geschmacksaversion
auf (Agnello et al, 2002). Injiziertes Indomethazin bei krebskranken Tieren erhöhte den
Appetit der Tiere, linderte die Kachexie und senkte gleichzeitig die
Serumkonzentrationen von u.a. TNF-α (Zhou et al, 2003). Allerdings untersuchten diese
Studien in erster Linie Geschmacksveränderungen, Nahrungsaufnahme, Appetit und
Körpergewicht im Zusammenhang mit hohen TNF-α-Spiegeln. Speziell auf die
hedonische Bewertung von Gerüchen bei erhöhtem TNF-α wurde nicht eingegangen.
Eine weitere in der Einleitung erwähnte Studie ließe vermuten, dass M.C.-Patienten
Gerüche aversiver bewerten als Gesunde und lässt das gegenteilige Ergebnis unserer
Studie überraschend erscheinen. Bannerman et al fanden heraus, dass der Wunsch und
die Motivation zu essen bei M.C.-Patienten im Vergleich zu Gesunden gesenkt sei
(Bannerman et al, 2001). Allerdings wurde auch hier lediglich auf den Appetit und nicht
auf das Geruchsempfinden im Speziellen eingegangen.
Bei der Beurteilung von eindeutig aversiv riechenden Stoffen des Sniffin’ Sticks-Tests
wie Schuhleder, Terpentin, Knoblauch und Fisch zeigten sich bei M.C.-Patienten und
Kontrollgruppe keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung. Da bei M.C.-
Patienten der Spiegel des körpereigenen Zinks erniedrigt ist (Filippi et al, 2006; Griffin
et al, 2004; McClain et al, 1980; Myung et al, 1998; Nishida et al, 1985; Penny et al,
1983; Solomons et al, 1977; Sturniolo et al, 1980; Tiomny et al, 1982), hätte man nach
der Studie von Takeda et al, bei der, nach Verringerung der Zinkkonzentration in der
Amygdala von Ratten, die Tiere aversive Gerüche vorübergehend geschwächt
wahrnahmen (Takeda et al, 1999), auch annehmen können, dass dies bei M.C.-Patienten
der Fall sei. Lediglich die hedonische Einschätzung insgesamt fiel bei den Patienten
besser aus.
51 Alle Geruchseinschätzungen, bei denen in der hedonischen Bewertung signifikante bzw.
tendenzielle Unterschiede zwischen Patienten und Gesunden auftraten, sind Düfte von
Nahrungsmitteln: Pfefferminz, Zitrone, Lakritz, Anis und Ananas. Diese Gerüche
wurden von Patienten im Vergleich zu Gesunden bei der hedonischen Bewertung als
besser riechend eingestuft. Aber bei den anderen Nahrungsmitteldüften (Orange, Apfel,
Banane, Zimt, Gewürznelke, Knoblauch, Kaffee und Fisch) ergaben sich keine
signifikanten Unterschiede in der hedonischen Bewertung. Hedonische Einschätzungen
von nicht-Nahrungsmitteldüften (Schuhleder, Terpentin und Rose) zeigten keine
signifikanten Unterschiede.
Die z.T. eindeutig auffälligen Ernährungsgewohnheiten von M.C.-Patienten wie
vermehrter Konsum von Zucker und Produkten mit raffinierten Kohlenhydraten
(Cashman et al, 2003; Janerot et al, 1983; Katschinski et al, 1988; Kasper et al, 1979;
Kasper et al, 1980; Mayberry et al, 1981; Miller et al, 1976; Penny et al, 1983; Persson
et al, 1992; Reif et al, 1997; Schutz et al, 2003; Silkoff et al, 1980; Thornton et al, 1979)
sowie verminderte Aufnahme von Ballaststoffen, also Früchten, Fruchtsäften und
Gemüse (Kasper et al, 1979; Russel et al, 1998; Sousa et al, 2007; Thornton et al, 1979),
lassen sich wahrscheinlich nicht durch Veränderungen im Geruchssinn erklären. Zwar
wurde der Geruch Ananas, der mit einem süßen Nahrungsmittel assoziiert werden kann,
von M.C.-Patienten als hochsignifikant besser riechend eingestuft, aber andere Düfte,
die ebenfalls mit süßem Essen einhergehen wie Banane, wurden hedonisch ohne
signifikante Unterschiede bewertet. Duftstoffe, die nach Früchten rochen, wurden
hedonisch von M.C.-Patienten nicht schlechter, im Gegenteil z.T. sogar besser riechend
(Zitrone, Ananas) im Vergleich zur Kontrolle empfunden. Lediglich die tendenziell
intensivere und angenehmere Einschätzung des Geruchs Pfefferminz durch M.C.-
Patienten könnte mit der von Russel et al angenommenen positiven Assoziation
zwischen Kaugummikonsum und der Entwicklung eines M.C. in Einklang gebracht
werden.
7.3 Vorschlag für weitere Studien
In dieser Studie wurde der Geruch orthonasal, d.h. über die Nase, dargeboten. Das ist
aber nicht der einzige Weg, auf dem Gerüche aufgenommen werden können. Ein
Geruchsstimulus kann das olfaktorische Epithel der Nasenhöhle auf zwei Wegen
erreichen: Von außen über die Nase, sprich orthonasal oder über die Mundhöhle durch
Aufsteigen der Moleküle über den Nasopharynx in die hinteren Nasenhöhlen, also
52 retronasal (Rozin, 1982). Ortho- und retronasal wahrgenommene Gerüche können sich
in ihrer hedonischen Bewertung deutlich unterscheiden. Z.B. wird der Geruch eines
starken Käses, wie der des Limburgers, als unangenehm empfunden, wenn er mit der
Nase empfangen wird, aber als gut bewertet, wenn der Geruch retronasal empfunden
wird (Rozin, 1982). Bei Essensaufnahme erfolgt, noch bevor die Nahrung die
Mundhöhle erreicht, die orthonasale Geruchswahrnehmung. Im Mund werden dann
Informationen über den Nährstoff durch den Geschmackssinn und den retronasalen
Geruchssinn an das Gehirn weitergeleitet (White und Prescott, 2007). Menschen
nehmen die retronasalen Geruchsempfindungen meistens als Geschmack und nicht als
Geruch wahr (Rozin, 1982). Ortho- und retronasale Wahrnehmungen unterscheiden
sich. Die Schwelle orthonasaler Stimuli ist niedriger als die von retronasalen. Die
Fähigkeit, Gerüche zu identifizieren, ist weniger ausgebildet bei retronasaler
Präsentation. Bei ortho- und retronasaler Darreichung ein und desselben
Nahrungsgeruchs werden im Gehirn unterschiedliche Signale erzeugt, was für eine
unterschiedliche Wahrnehmung und neuronale Antwort je nach Präsentationsart des
Geruchs sprechen könnte. Dies scheint aber nur für Nahrungsgerüche zutreffend zu
sein. ( Small et al, 2009) Dieses Phänomen lässt sich u.U. folgendermaßen erklären: Ein
orthonasal wahrgenommener Essensgeruch zeigt die Verfügbarkeit eines
Nahrungsmittels an, während ein retronasal empfundener Geruch den Erhalt der
Nahrung signalisiert. Unterschiedliche Hirngebiete sind aktiv, je nachdem ob ein
Nahrungsmittel gewünscht (d.h. orthonasal wahrgenommen) wird oder ob es bewertet
(d.h. retronasal wahrgenommen) wird (Small et al, 2005; Small et al, 2009). Hummel
erklärt, wie es zur unterschiedlichen Verarbeitung von ortho- und retronasalen Reizen
kommen könnte: Die Bewegungsrichtung chemosensorischer Moleküle entlang des
olfaktorischen Epithels hängt davon ab, ob der Stimulus durch die Nase oder durch die
Mundhöhle aufgenommen wird. Auf Grund einer zonalen Organisation der
Riechrezeptoren im Epithel könnte es je nach Flussrichtung zu unterschiedlichen
Aktivierungsmustern und somit zur unterschiedlichen Verarbeitung eines Duftes
kommen (Hummel, 2008).
Um den Geruchssinn von M.C.-Patienten weiter zu untersuchen, v.a. mit Hinblick auf
die besonderen Nahrungsvorlieben bzw. – abneigungen von Patienten sind Testungen
des retronasalen Geruchssinns erforderlich.
53
7.4 Schlußfolgerungen
Eine olfaktorische Dysfunktion bei M.C.-Patienten ließ sich in dieser Studie nicht
nachweisen. Lediglich bei der Identifikationsleistung von Gerüchen zeigten M.C.-
Patienten im Vergleich zu Gesunden tendenziell Defizite. Bei der
Geruchsschwellentestung schnitten M.C.-Patienten mit einer signifikant niedrigeren
Geruchsschwelle sogar deutlich besser ab. Die Diskriminationsleistung ist nicht
eingeschränkt. Die subjektive Einschätzung von Gerüchen in ihrer Intensität und
Hedonik war bei M.C.-Patienten zumindest z.T. verändert. Sie werteten insgesamt alle
Gerüche tendenziell als angenehmer riechend, einige ausgewählte Gerüche wurden von
ihnen sogar signifikant andere nur tendenziell als besser duftend eingestuft, bei
wiederum anderen Gerüchen zeigte sich hingegen kein signifikanter Unterschied.
Warum gerade die Düfte Ananas, Anis, Pfefferminz, Lakritz und Zitrone von M.C.-
Patienten im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe positiver eingestuft wurden bleibt
unklar. M.C.-Patienten empfanden die Gerüche nicht als intensiver riechend im
Vergleich zur Kontrollgruppe, lediglich dem Geruch Pfefferminz wurde von Patienten
ein stärkeres Aroma zugesprochen.
Bei M.C.-Patienten kommt es auf Grund ihrer Erkrankung zu Veränderungen wie u.a.
zu erhöhten TNF-α- und erniedrigten Zink-Spiegeln, welche unabhängig von der
Erkrankung Crohn mit olfaktorischen Veränderungen im Zusammenhang stehen.
Außerdem weisen M.C.-Patienten Besonderheiten in ihren Ernährungsgewohnheiten
auf, die auf Veränderungen im Geruchs- und Geschmackssinn hinweisen. Es gibt eine
erfolgreiche Behandlungsmöglichkeit der Erkrankung durch eine enterale
Ernährungstherapie, die auf Grund von Geschmacksaversion von Patienten oft schlecht
toleriert wird. Auf Grund dieser Überlegungen sind weitere Studien zur Erforschung des
Geruchssinns bei M.C.-Patienten nötig, v.a. im Hinblick auf die bisher ungeklärte
Ätiologie der Erkrankung sowie die Möglichkeit, ein sinnvolles Screening zu finden.
Die Ergebnisse dieser Studie können bei der Entwicklung einer neuen enteralen
Ernährungstherapie, die an die Besonderheiten des Geruchssinns von M.C. –Patienten
angepasst wird, helfen. Somit soll eine bessere Akzeptanz der Therapie erreicht werden.
54
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Bild Nr. 1, β und γ (Testbatterie der Sniffin’ Sticks) aus www.burghart-mt.de
Mit freundlicher Genehmigung von Burghart Messtechnik GmbH, Tinsdaler Weg 175,