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Verbands-Management (VM) Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management VM 1/06 Hugi, Andreas Turnaround in Verbänden – Der Spagat aus der Krise Verbands-Mangement, 32. Jahrgang, Ausgabe 1 (2006), S. 6-11. Herausgeber: Verbandsmanagement Institut (VMI) www.vmi.ch, Universität Freiburg/CH Redaktion: Beat Hunziker Layout: Beat Hunziker/Maxomedia, Bern Fotomaterial: Peter Leuenberger, Bern ISBN: 3-909437-13-3 ISSN: 1424-9189 Kontakt: [email protected] Die Zeitschrift VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April, August und November. Abdruck und Vervielfältigung von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Abschnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers.
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Verbands-Management (VM)… · Layout: Beat Hunziker/Maxomedia, Bern Fotomaterial: Peter Leuenberger, Bern ISBN: 3-909437-13-3 ISSN: 1424-9189 Kontakt: [email protected] Die Zeitschrift

Nov 07, 2020

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Verbands-Management (VM) Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management

VM 1/06 Hugi, Andreas Turnaround in Verbänden – Der Spagat aus der Krise Verbands-Mangement, 32. Jahrgang, Ausgabe 1 (2006), S. 6-11. Herausgeber: Verbandsmanagement Institut (VMI) www.vmi.ch,

Universität Freiburg/CH Redaktion: Beat Hunziker Layout: Beat Hunziker/Maxomedia, Bern Fotomaterial: Peter Leuenberger, Bern ISBN: 3-909437-13-3 ISSN: 1424-9189 Kontakt: [email protected] Die Zeitschrift VM erscheint dreimal jährlich in den Monaten April, August und November. Abdruck und Vervielfältigung von Artikeln und Bildern, auch auszugsweise oder in Abschnitten, nur mit Genehmigung des Herausgebers.

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und, daraus resultierend, Betriebsverlusten bemerk-bar macht. Ungenügende Cashflows verhindern inder Folge eine nachhaltige Entwicklung; das Radbeginnt sich im Sinne einer positiven Rückkoppe-lung immer stärker in die falsche Richtung zudrehen. Das Schrumpfen des Eigenkapitals ist einerstes Krisensignal. Wird es beachtet, kann dieNeuausrichtung des Verbandes in Angriff genom-men werden, bevor die dritte Phase des «Weges indie Krise» anbricht: Je nach den in der Vergangen-heit geschaffenen finanziellen Reserven führt dieErtragskrise letztlich in die dritte Phase, eine Liqui-ditätskrise mit der Gefahr von Insolvenz und Über-schuldung. Oft wird die strategische Verbands-

führung erst in der Phase der Liquiditätskrise aktiv,um durch eine Sanierung und durch eine Restruk-turierung den Konkurs oder Nachlass zu verhindern.Die Entwicklung von der strategischen hin zurLiquiditätskrise dauert in den meisten Fällen meh-rere Jahre, wobei die Dynamik zwischen Ertrags- undLiquiditätskrise stark zunimmt. Das Erkennen derKrisensituation erst in der dritten Phase ist zwar fatal– weil der Handlungsspielraum der Führung mit zu-nehmender Krisenentwicklung abnimmt – scheintaber gerade im Nonprofit Bereich die Regel zu sein.

Der Schweizerische Technische Verband (STV) war in den Jahren 2000 und 2001 mit einer sich immerstärker zuspitzenden Ertragskrise konfrontiert.

Erfahrungsbericht

Turnaround in Verbänden –Der Spagat aus der Krise

Verbands-Management, 32. Jg., 1/2006

Der Weg aus einer strategischen und finanziel-len Krise zurück zum Erfolg wird im Profitbe-reich als «Turnaround» bezeichnet. Die Abläufeund Prozesse dieses «Herumreissens» des Steuerssind im NPO-Bereich prinzipiell gleich, dennochgibt es entscheidende Unterschiede. Der folgen-de Erfahrungsbericht vergleicht die in der Lite-ratur empfohlene Vorgehensweise mit dem kon-kreten Ablauf einer Verbandssanierung.

Strategische Krisen in Verbänden entwickeln sich –wie bei Profit-Unternehmen auch – im Verbor-genen. Frühwarnsignale werden in der Regel nichterkannt oder beachtet und meist wird erst beim Auftreten von Liquiditätsengpässen auf die Krise reagiert. Gerade Berufsverbände, die als mehrstufigeMitgliederverbände eine grosse Zahl von Einzel-mitgliedern vertreten, sind anfällig auf «schleich-ende Krisen»: Ihre demokratischen Strukturen ver-hindern oft radikale und rasche Strategiewechsel,auch wenn diese noch so nötig wären. In denfolgenden Ausführungen soll im Sinne eines Erfah-rungsberichtes über den Turnaround eines schwei-zerischen Berufsverbandes für Ingenieure undArchitekten gesprochen werden, der 15000 Einzel-mitglieder vereinigt. Der Schweizerische TechnischeVerband (STV) wurde 1905 von Ehemaligenorgani-sationen der damaligen Technika (später HöhereTechnische Lehranstalten HTL, heute Fachhoch-schulen) gegründet und hat sich in der Folge alsMischung von Alumni und Berufsstandesorganisa-tion etabliert. Die Mitglieder rekrutierten sich gross-mehrheitlich aus den HTL-Absolventen. Ingenieur-und Architekturabsolventen der universitären Hoch-schulen (vor allem der Eidgenössischen TechnischenHochschule ETH) organisierten sich in einemanderen Verband. Als sich an den damaligen HTL dieEhemaligenorganisationen immer stärker als eigen-

ständige Kraft positionierten und sich sogar aufnationaler Ebene zusammenschlossen, musste sichder damalige STV immer drängender mit der Frageauseinandersetzen, welche Strategie er einschlagenwolle: Ehemaligenorganisation oder berufsständi-sche Organisation mit dem Anspruch, alle Ingeni-eure und Architekten zu vertreten? Welchen Grundhatten die 15000 HTL- und FH-Ingenieure, imBerufsverband STV Mitglied zu werden und nicht inihrer Ehemaligenorganisation? Die Notwendigkeiteiner Strategieanpassung wurde jedoch erst Mitte derNeunzigerjahre erkannt, als mit dem neuen Kran-kenversicherungsgesetz (KVG) die attraktive, denVerbandsmitgliedern vorbehaltene, Krankenkassezwangsweise für alle Interessenten geöffnet werdenmusste: Die «unique selling proposition» (USP) fürdie Mitgliedschaft war von einem Tag auf den ande-ren verschwunden, ein Ersatz nirgends in Sicht.

Der Weg in die Krise

Strategische Missstände sind in der Regel nur dererste Schritt in eine Krise. Viele Verbände (undFirmen), welche ein solches Krisen-Tal durchschrit-ten haben, mussten zuerst in eine Ertrags- undLiquiditätskrise stürzen, bevor der notwendigeHandlungsbedarf («sense für urge») erkannt wurde:Gerade bei mitgliedschaftlich und mehrstufig orga-nisierten Verbänden ist eine Strategieanpassungohne genügend starken wirtschaftlichen Druck einlangwieriges und bisweilen aussichtsloses Unterfan-gen. Hier kann eine finanzielle und organisatorischeKrise auch eine Chance sein. Verbände, die mangelsklarer Ausrichtung und Positionierung Mitgliederverlieren, schöpfen (zu) lange Erträge aus Erfolgs-potenzialen der Vergangenheit ab. Daraus erwächstin einer zweiten Phase zwangsläufig eine Ertrags-krise, die sich in Umsatzstagnation bzw. -rückgängen

Andreas Hugi

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Verschiedene Aktivitäten zur Gewinnung neuerMitglieder zeigten nicht den gewünschten Erfolg,zudem belasteten zu hohe Infrastruktur- und Perso-nalkosten das Verbandsbudget. Einzelne Projekteund Ereignisse führten schliesslich zu einer weiterenZuspitzung der finanziellen Situation. In dieserPhase nahm der Vorstand zusammen mit den Präsi-denten der Unterorganisationen (Sektionen undFachgruppen) den «Turnaround» in Angriff – ohnejedoch die beschlossenen Massnahmen so zu nen-nen. Die Tatsache, dass ein loser Zusammenschlusseiniger Sektions- und Fachgruppenpräsidenten (Milizer) zur treibenden Kraft dieses Turnaroundwurde und den Vorstand in seinen Bemühungentatkräftig unterstützte, wirkte Wunder undbeschleunigte den demokratischen Prozess der Ent-scheidfindung im Verband.

Der Weg aus der Krise und zurück zumErfolg: TurnaroundIm NPO-Umfeld dürfte der Begriff «Turnaround»sehr unbeliebt sein, weckt er doch unangenehmeAssoziationen (Turnaround-Manager, welche zurSanierung eines Unternehmens «über Leichen»gehen, Sharholder Value-Denken, Gewinnmaximie-rung etc.). Nüchtern betrachtet, geht es beimTurnaround, um dennoch bei diesem Begriff zu blei-ben, um Sofortmassnahmen zur Sicherung des Über-lebens des Verbandes, um Massnahmen zur Liqui-ditätssicherung, um eine Verstärkung der Führungund um eine optimale strategische Neupositionie-rung des Verbandes. Es geht also darum, den Weg ausder Krise und zurück zum Erfolg zu beschreiten. ImFolgenden soll dargelegt werden, wie die betriebs-wirtschaftliche Literatur einen Turnaround be-schreibt und wie dieser im konkreten Fall des dama-ligen Schweizerischen Technischen Verbandes (STV)beschritten worden ist.

Turnaround-AnalyseAusgangspunkt jedes Turnaround bildet eine kriti-sche Standortbestimmung mit der «Gretchenfrage»,ob der Verband als eigenständige Organisationgerettet werden kann und soll. Varianten wären dieFusion mit einer anderen NPO oder die Liquidierungdes Verbandes. Wenn das angestrebte Ziel eine

Rettung des Verbandes ist, muss eine umfassendeAnalyse vorgenommen werden bezüglich Führungund Organisation, der strategischen Positionierung,der «Markt-» resp. Mitgliederentwicklung sowie derfinanziellen Situation des Verbandes (Ertragslage/Li-quidität). Von Anfang an muss zudem klar sein, wieein Turnaround gegenüber den Mitarbeitern (Profis),den Milizern, den Mitgliedern und allenfalls der Öffentlichkeit kommuniziert werden soll. Die Kom-munikation eines solchen Turnaround-Prozesses istim NPO-Bereich von grösster Wichtigkeit. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird diesemGesichtspunkt zu wenig Beachtung geschenkt.

Der Schweizerische Technische Verband (STV) hatdiese Analyse in zwei Phasen vollzogen: Der Vor-stand alleine hat unter der Leitung des Präsidentendie finanzielle Situation durch einen externen Profianalysieren lassen und die Defizite bei Führung undOrganisation analysiert. Zusammen mit der obenerwähnten Gruppe der Sektions- und Fachgruppen-präsidenten wurde danach die strategische Positio-nierung des Verbandes analysiert und die künftigeAusrichtung andiskutiert. In dieser Analysephasewurde rasch klar, dass die finanzielle und organisa-torische Reorganisation unverzüglich an die Handgenommen werden musste: Hier musste der Vor-stand unter Ausschöpfung seiner Kompetenzenrasch und ohne Einbezug der Unterorganisationenhandeln. Bei der Frage der strategischen Neuaus-richtung hingegen war ebenso klar, dass diese nurunter ausführlichem Einbezug der Unterorgani-sationen und aller statutarischen Organe geschehenkonnte, um die notwendige breite Unterstützung imVerband zu bekommen.

Turnaround-KonzeptLiteratur und Berater verlangen nach der Analyse-phase jeweils – wahrscheinlich zu Recht – ein strin-gentes Turnaround-Konzept. In der Hitze der Sofort-massnahmen und der anlaufenden Restrukturierungbleiben solche ausgearbeiteten schriftlichen Kon-zepte meist auf der Strecke, auch wenn sie in denKöpfen der Führungscrew klar vorhanden sind. Diesum so mehr, wenn ein Turnaround – wie im Fall deshier besprochenen Verbandes – ohne externen«Turnaround-Manager» durchgeführt wird. Auf

jeden Fall muss nach der Analyse Einigkeit über dasVorgehen bei den folgenden Punkten gelten: Wiekönnen Optimierungen bei Ertrag, Kapital undLiquidität vorgenommen werden? Wie kann Eigen-kapital generiert werden? Hat ein Turnaround dievolle Unterstützung der Milizer (Vorstand, Präsiden-ten der Unterorganisationen und Delegierte)? Ist derWille zu Transparenz und Offenheit da?

Das Konzept der Verantwortlichen des Schweizeri-schen Technischen Verbandes (STV) lässt sich wiefolgt zusammenfassen: Zuallererst musste im BereichFinanzen die Ertragslage verbessert werden. Dazumussten kurzfristig Personal und Leistungen redu-ziert werden. Im Weiteren wurden Anstrengungenunternommen, den Liquiditätsabfluss zu reduzieren.Mit Hilfe externer Unterstützung begann der Vor-stand, gegenüber den Präsidenten der Sektionen undFachgruppen und der statutarischen Organe maxi-male finanzielle Transparenz zu schaffen: JederQuartalsabschluss wurde im Intranet des Verbandesden Präsidenten zur Verfügung gestellt sowie Fragendazu beantwortet. Diese Massnahme wurde bis zumheutigen Tag beibehalten und hat viel dazu bei-getragen, das angeschlagene Vertrauen in die Ver-bandsführung wieder herzustellen. BetreffendFührung und Organisation des Verbandes entschiedsich die Verbandsleitung zu einem konsequentenOutsourcingkonzept: Wichtige Leistungen derGeschäftsstelle, wie die Buchhaltung oder die Mit-gliederadministration, wurden an externe Stellenvergeben. Diese Entscheide wurden nicht primär ausKostengründen gefällt. Vielmehr ging es darum,auch in einer turbulenten Reorganisationszeit einehohe Qualität dieser für den Verband vitalen Lei-stungen garantieren zu können. Neben den finan-ziellen und organisatorischen Teilen des Turn-around-Konzeptes war der Wille zur strategischenNeupositionierung des Verbandes der entscheiden-de Punkt, der über die Sanierungsfähigkeit und -wür-digkeit entschied: Nur wenn sich die Milizer aufallen Stufen einig sind, wohin die neue Reise gehensoll, kann ein Turnaround eines Verbandes gelingen.Im Falle des STV hiess dies, dass der Vorstand inverschiedenen Teilschritten zusammen mit denPräsidenten der Sektionen und Fachgruppen imVerlaufe der Jahre 2001 und 2002 eine «Vision 2005»

Verbands-Management, 32. Jg., 1/2006

Haltung in jeder Position.

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erarbeitete, welche die Positionierung des Verbandesals berufsständische Organisation aller Ingenieureund Architekten festhielt: Der Abschied von der«Ehemaligenorganisation» war beschlossen.

Turnaround-UmsetzungFür die Umsetzung dieser Sanierungsschritte sowiefür die strategische Neuausrichtung des Verbandesgab der Vorstand zu Beginn des Jahres 2002 denMeilenstein des Hundertjahr-Jubiläums des Verban-des im Jahr 2005 vor, also einen Zeitraum von vierJahren. Angesicht der in der Literatur erwähnten 6bis 12 Monate für die Durchführung eines Turn-around im Profit-Bereich erscheint dies als eine sehrlange Zeit. Doch NPO-Uhren ticken langsamer undrückblickend war diese Zeitvorgabe realistisch. Daserste Jahr des Turnaround war neben der Ertrags-und Liquiditätsoptimierung ganz der Wiederher-stellung des Vertrauens der Unterorganisationengewidmet. Kann im Profit-Bereich eine Reorgani-sation von oben nach unten befohlen werden, somüssen im NPO-Bereich Vorstand und Geschäfts-führung die vereinsrechtlich selbständigen Unter-organisationen auf demokratischem Weg und invielen persönlichen Gesprächen von der Richtigkeitder getroffenen Massnahmen und der Redlichkeitder Absichten überzeugen. Im Falle des hier bespro-chenen Verbandes hiess dies, im ersten Jahr desTurnaround an vielen Generalversammlungen undVorstandssitzungen der über 60 Unterorganisatio-

nen zwischen Bodensee und Genf aufzutreten undRede und Antwort zu stehen – eine Aufgabe, dienicht von externen Beratern wahrgenommen wer-den kann.

Äusseres Signal der neuen Strategie des Schweizeri-schen Technischen Verbandes (STV) war ein Na-menswechsel: Gleich zu Beginn des Turnaroundwurde beschlossen, im Sinne einer sanften Marken-migration bis 2005 zum neuen Verbandsnamen«Swiss Engineering STV» zu wechseln. Dieser Mar-kenwechsel schuf zwar neue Herausforderungen,erwies sich jedoch rückblickend als richtiger Ent-scheid, konnte doch so die neue Zielsetzung, dieneue Positionierung und das Gefühl des «Auf-bruchs» unter dem neuen Namen zusammengefasstwerden. Nach der finanziellen und organisato-rischen Reorganisation im ersten Jahr ging es in derFolge darum, neue Dienstleistungen und Mitglie-derangebote aufzubauen sowie die politische Lobby-Arbeit neu auszurichten. Erst danach konnte miteinem neu aufgebauten Mitglieder-Marketingbegonnen werden, neue Mitglieder für den Verbandzu werben und so eine stabile Zukunft zu schaffen.

Bilanz

Nach vier Jahren – der Meilenstein des hundert-jährigen Verbandsjubiläums ist inzwischen vorbei –kann die folgende vorsichtige Bilanz gezogenwerden: Finanziell und organisatorisch ist der

Turnaround gelungen. Der Verband ist stabil und dasVertrauen der Milizer und der Mitglieder in die Ver-bandsführung ist wieder hergestellt. Anstehende«Garantiearbeiten» bezüglich des System- undRessourcen-Management sowie des Marketing desVerbandes werden im Verlauf dieses Jahres mit Hilfeder Checkliste des VMI für das «NPO-Label fürManagement-Excellence» angegangen. Allenfallsstrebt der Verband anschliessend die Erlangung die-ses Labels an. Betreffend strategischer Neupositio-nierung fällt die Bilanz etwas nüchterner aus: Der«neue» Verband «Swiss Engineering STV» wird zwarin weiten Kreisen als «der Verband aller Ingenieureund Architekten» (so das mission statement) wahr-genommen, vielerorts - innerhalb wie ausserhalb desVerbandes - wurde dieser Schritt vom Ehemaligen-verein zur berufsständischen Organisation nochnicht vollzogen. Es zeigt sich hier sehr deutlich, dasssolche strategischen Neupositionierungen im NPO-Umfeld eher Jahrzehnte denn Jahre benötigen.

NPO-spezifische Lehren aus einemvollzogenen Turnaround

Die wichtigste Erkenntnis aus dem oben beschrie-benen Turnaround ist, dass eine strategischeNeupositionierung eines Verbandes wohl einfacherund schneller zu realisieren wäre, wenn sie nicht imschwierigen Umfeld einer finanziellen und organi-satorischen Reorganisation vollzogen werden müss-te. Ob die dazu notwendigen Entscheide derVerbsandsorgane auch ohne finanziellen Druck innützlicher Frist vorliegen würden, ist hingegen eine

offene Frage: Viele mehrstufige (Mitglieder-)Verbän-de kennen die leidvolle Erfahrung gescheiterterNeuausrichtungen. Eine weitere Erkenntnis ist, dassTurnaround-Entscheide in Verbänden nicht basis-demokratisch gefällt werden können, dazu fehltmeist die Zeit und oft auch die notwendige Ent-schlossenheit der statutarischen Organe. Trotzdemmüssen jedoch die Milizer der Basisorganisationeneingebunden werden, um Vertrauen für denTurnaround zu schaffen. Dieser NPO-typischeSpagat muss erreicht werden, ganz nach dem VMI-Motto «non profit but management».

Verbands-Management, 32. Jg., 1/2006

Andreas Hugi/[email protected]

Der Autor

Lic.phil. I Andreas Hugi; Studium der Germanistik und Politologie an der UniversitätZürich, danach Sekretär einer politischen Partei, Journalist und persönlicher Mitarbeiter eines Regierungsmitglieds (Kanton Zürich), seit 2002 Generalsekretär des gesamtschweizerischen Ingenieurverbandes «Swiss Engineering STV».