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50 Rückenmark Rückenmark und Rückenmarksnerven Rückenmark Aufbau (A, B) Die graue Substanz, Substantia grisea (Ner- venzellen), erscheint auf dem Rücken- marksquerschnitt als Schmetterlingsfigur, umgeben von der weißen Substanz, Substan- tia alba (Faserbahnen). Wir unterscheiden beiderseits ein Hinterhorn (Cornu posterius) (AB1) und ein Vorderhorn (Cornu anterius) (AB2). Beide bilden in der Längsausdehnung des Rückenmarks Säulen, Columna anterior und Columna posterior. Dazwischen liegt die Substantia intermedia centralis (A3) mit dem obliterierten Zentralkanal (A4). Im Thorakalmark schiebt sich zwischen Vor- der- und Hinterhorn das Seitenhorn, Cornu laterale (AB5). Im Sulcus posterolateralis (A6) treten die Fasern der Hinterwurzel (AB7) ein. Die Fasern der Vorderwurzel (AB8) ge- hen als dünne Bündel an der Vorderseite des Rückenmarks ab. Das Hinterhorn ist Flügelplattenabkömmling (sensibel) und enthält Neurone afferenter Systeme (B). Das Vorderhorn ist Grundplat- tenabkömmling (motorisch) und enthält die motorischen Vorderhornzellen, deren effe- rente Fasern zur Muskulatur ziehen. Im Sei- tenhorn liegen vegetative Nervenzellen des Sympathicus (S. 294). Die weiße Substanz wird gegliedert in den Hinterstrang, Funiculus posterior (A9) (vom Septum dorsale [A10] bis zum Hinterhorn), den Seitenstrang, Funiculus lateralis (A11) (vom Hinterhorn bis zur Vorderwurzel) und in den Vorderstrang, Funiculus anterior (A12) (von der Vorderwurzel bis zur Fissura ven- tralis [A13]). Die beiden letzteren werden als Vorderseitenstrang zusammengefasst. Bei- de Rückenmarkshälften verbindet die Com- missura alba (A14). Reflexbogen (C – G) Über die afferenten Fasern der Hinterwur- zel, die von den Nervenzellen des Spinal- ganglions ihren Ursprung nehmen, wird die sensible Erregung den Hinterhornzellen des Rückenmarks übermittelt und von diesen zum Gehirn weitergeleitet (C). Die Um- schaltung kann auch in der Medulla oblon- gata erfolgen. Die afferenten Fasern können aber auch zu den Vorderhornzellen verlau- fen und die Erregung direkt auf diese über- tragen. Die so ausgelöste Muskelreaktion bezeichnet man als Reflex, die zugrunde lie- gende Neuronenschaltung als Reflexbogen (D). Im Allgemeinen laufen die afferenten Fasern nicht bis zum motorischen Neuron (monosynaptischer Reflexbogen), sondern es sind Zwischenneurone eingeschaltet (multi- synaptischer Reflexbogen)(E). Klinisch wichtig sind der Eigenreflex (Deh- nungsreflex) und der Fremdreflex (Fluchtre- flex). Beim Eigenreflex (F) wird ein Muskel durch einen Schlag auf seine Sehne kurz ge- dehnt. Durch die Reizung der Muskelrezep- toren (S.318) kommt es als Gegenreaktion zu einer momentanen Kontraktion des Muskels. Der Reflex läuft in einer Rücken- markshöhe über nur wenige Neurone ab. Beim Fremdreflex (G) werden Hautrezepto- ren gereizt (Schmerz); durch die koordi- nierte Aktion mehrerer Muskelgruppen kommt es zu einer Fluchtbewegung. Dabei breitet sich die Erregung über verschiedene Höhen des Rückenmarks unter Einschal- tung zahlreicher Zwischenneurone aus. aus: Kahle u.a., Taschenatlas Anatomie, Band 3 (ISBN 978313492 10 ) 2009 Georg Thieme Verlag KG 2 3
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Thieme: Taschenatlas Anatomie, Band 3 · PDF filediesen gehen die Fasern des Traktus ab, kreuzeninderCommissuraalbazurGegen-seiteundsteigenimSeitenstrangzumTha- ... – Tractus...

Feb 01, 2018

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Rückenmark und Rückenmarksnerven

Rückenmark

Aufbau (A, B)

Die graue Substanz, Substantia grisea (Ner-venzellen), erscheint auf dem Rücken-marksquerschnitt als Schmetterlingsfigur,umgeben von der weißen Substanz, Substan-tia alba (Faserbahnen). Wir unterscheidenbeiderseits ein Hinterhorn (Cornu posterius)(AB1) und ein Vorderhorn (Cornu anterius)(AB2). Beide bilden in der Längsausdehnungdes Rückenmarks Säulen, Columna anteriorund Columna posterior. Dazwischen liegt dieSubstantia intermedia centralis (A3) mitdem obliterierten Zentralkanal (A4). ImThorakalmark schiebt sich zwischen Vor-der- und Hinterhorn das Seitenhorn, Cornulaterale (AB5). Im Sulcus posterolateralis (A6)treten die Fasern der Hinterwurzel (AB7)ein. Die Fasern der Vorderwurzel (AB8) ge-hen als dünne Bündel an der Vorderseite desRückenmarks ab.

Das Hinterhorn ist Flügelplattenabkömmling(sensibel) und enthält Neurone afferenterSysteme (B). Das Vorderhorn ist Grundplat-tenabkömmling (motorisch) und enthält diemotorischen Vorderhornzellen, deren effe-rente Fasern zur Muskulatur ziehen. Im Sei-tenhorn liegen vegetative Nervenzellen desSympathicus (S. 294).

Die weiße Substanz wird gegliedert in denHinterstrang, Funiculus posterior (A9) (vomSeptum dorsale [A10] bis zum Hinterhorn),den Seitenstrang, Funiculus lateralis (A11)(vom Hinterhorn bis zur Vorderwurzel) undin den Vorderstrang, Funiculus anterior (A12)(von der Vorderwurzel bis zur Fissura ven-tralis [A13]). Die beiden letzteren werdenals Vorderseitenstrang zusammengefasst. Bei-de Rückenmarkshälften verbindet die Com-missura alba (A14).

Reflexbogen (C – G)

Über die afferenten Fasern der Hinterwur-zel, die von den Nervenzellen des Spinal-ganglions ihren Ursprung nehmen, wird diesensible Erregung den Hinterhornzellen desRückenmarks übermittelt und von diesenzum Gehirn weitergeleitet (C). Die Um-

schaltung kann auch in der Medulla oblon-gata erfolgen. Die afferenten Fasern könnenaber auch zu den Vorderhornzellen verlau-fen und die Erregung direkt auf diese über-tragen. Die so ausgelöste Muskelreaktionbezeichnet man als Reflex, die zugrunde lie-gende Neuronenschaltung als Reflexbogen(D). Im Allgemeinen laufen die afferentenFasern nicht bis zum motorischen Neuron(monosynaptischer Reflexbogen), sondern essind Zwischenneurone eingeschaltet (multi-synaptischer Reflexbogen) (E).

Klinisch wichtig sind der Eigenreflex (Deh-nungsreflex) und der Fremdreflex (Fluchtre-flex). Beim Eigenreflex (F) wird ein Muskeldurch einen Schlag auf seine Sehne kurz ge-dehnt. Durch die Reizung der Muskelrezep-toren (S. 318) kommt es als Gegenreaktionzu einer momentanen Kontraktion desMuskels. Der Reflex läuft in einer Rücken-markshöhe über nur wenige Neurone ab.Beim Fremdreflex (G) werden Hautrezepto-ren gereizt (Schmerz); durch die koordi-nierte Aktion mehrerer Muskelgruppenkommt es zu einer Fluchtbewegung. Dabeibreitet sich die Erregung über verschiedeneHöhen des Rückenmarks unter Einschal-tung zahlreicher Zwischenneurone aus.

aus: Kahle u. a., Taschenatlas Anatomie, Band 3 (ISBN 978313492 10 ) � 2009 Georg Thieme Verlag KG2 3

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Graue und weiße Substanz, Reflexbogen

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A Rückenmarksquerschnitt B Längszonen im Rückenmark

D Einfacher Reflexbogen

G FremdreflexF Eigenreflex

C Afferente Fasern (aufsteigende Bahnen)

E Zusammengesetzter Reflexbogen

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Rückenmark und Rückenmarksnerven: Rückenmark

Graue Substanz und Eigenapparat(A – E)

Das Hinterhorn wird vom Nucleus proprius(A1), dem Hauptanteil des Hinterhorns, ge-bildet, von dem sich der Nucleus dorsalis(Clarke) (A2) abhebt. Dem Nucleus propriusliegt dorsal die Substantia gelatinosa (Rolandi)(A3) an. Ihr sitzt als Abschluss des Hinter-horns kappenartig die Substantia spongiosa(A4) auf. Von der Oberfläche des Rücken-marks wird das Hinterhorn durch den Trac-tus dorsolateralis (Lissauer) (A5) getrennt.Zwischen Hinterhorn und Vorderhorn liegtdie Substantia intermedia (A6) und lateralvon ihr das Seitenhorn (Cornu laterale) (A7).Zwischen Hinterhorn und Seitenhorn ist dieGrenze zur weißen Substanz aufgelockert(Formatio reticularis) (A8).

Im Vorderhorn sind die motorischen Neu-rone in Kerngruppen angeordnet.

Mediale Kerngruppe:– Nucleus ventromedialis (A9),– Nucleus dorsomedialis (A10).

Laterale Kerngruppe:– Nucleus ventrolateralis (A11),– Nucleus dorsolateralis (A12),– Nucleus retrodorsolateralis (A13).

Zentrale Kerngruppe im Halsmark:– Nucleus phrenicus,– Nucleus accessorius.

Das Vorderhorn, z.B. im Zervikalmark (B),besitzt eine somatotopische Gliederung, nachder die Zellen der medialen Kerngruppendie Nacken- und Rückenmuskulatur, die In-terkostal- und die Abdominalmuskulatur(B14) versorgen. Die Zellen des Nucleusventrolateralis versorgen die Muskeln vonSchultergürtel und Oberarm (B15), die Zel-len des Nucleus dorsolateralis die Muskula-tur von Unterarm und Hand (B16). Der Nu-cleus retrodorsolateralis schließlich enthältbesonders große motorische Zellen, welchedie kleinen Fingermuskeln (B17) versorgen.

Im ventralen Feld des Vorderhorns liegendie Zellen für die Streckmuskulatur (B18),dorsal davon die Zellen für die Beugemus-kulatur (B20). Die somatotopische Gliede-rung nimmt nicht die gleiche Ebene des

Vorderhornes ein, sondern verteilt sich übereine gewisse Höhe derart, dass die Zellen fürden Schultergürtel in einer höheren Ebeneliegen, darunter die für den Oberarm undauf tieferer Ebene die für Unterarm undHand. Auf die gesamte Körpermuskulaturbezogen ergibt sich das nebenstehendeSchema (C).

Für das Zustandekommen einer geordnetenBewegung müssen bei der Kontraktion ei-ner Muskelgruppe gleichzeitig die zugehö-rigen Antagonisten erschlaffen. Das wirddurch die Hemmung der entsprechendenVorderhornzellen erreicht (D). Gibt z.B. einNeuron für die Streckmuskulatur (D18) ei-nen Impuls weiter, so wird dieser über eineAxonkollaterale gleichzeitig auf hemmendeZwischenneurone, die Renshaw-Zellen (D19),übertragen, welche die Neurone der Beuge-muskulatur (D20) hemmen.

Eigenapparat des Rückenmarks (E). Ande-re Zwischenneurone vermitteln die Aus-breitung der Erregung über mehrere Etagen,gleichseitig oder auf der Gegenseite. Ihreauf- und absteigenden Fasern verlaufen inden Grundbündeln, Fasciculi proprii (E21), diedirekt der grauen Substanz anliegen. Im All-gemeinen reichen die auf- und absteigen-den Fasern nur über ein oder zwei Wurzel-höhen. Die Fasciculi proprii enthalten aberauch lange Fasern, die Zervikalmark undLumbalmark verbinden (Katze, Affe). DieseFasern übermitteln erregende und hem-mende Impulse an motorische Vorderhorn-zellen, was für die Bewegungskoordinationder vorderen und hinteren Extremitätenbeim Laufen von Bedeutung sein soll. DerTractus dorsolateralis (Lissauer-Trakt) (E5)enthält zur Hälfte Fasern des Eigenappara-tes.

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Graue Substanz und Eigenapparat

–+A Graue Substanz

und Spinalwurzeln D Neuronenschaltung im Rückenmark

B Somatotopik der grauen Substanz im Zervikalmark

C Somatotopik der grauen Substanz, Übersicht (nach Bossy)

E Grundbündel

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Rückenmark und Rückenmarksnerven: Rückenmark

Rückenmarksquerschnitte (A – D)

Die Querschnitte (links Markscheidenfär-bung, rechts Zellfärbung) variieren in ver-schiedenen Höhen erheblich. Im Bereich derzervikalen und lumbalen Intumeszenz istder Querschnitt größer als im übrigen Rük-kenmark, am größten in der Höhe von C4–C5 und L4–L5. In beiden Anschwellungenführen die zahlreichen Neurone zur Versor-gung der Extremitäten zu einer Vergröße-rung der grauen Substanz.

Die weiße Substanz ist zervikal am umfang-reichsten und nimmt kaudalwärts immermehr ab: die aufsteigenden sensiblen Bah-nen nehmen durch hinzukommende Fasernvon sakral nach zervikal zu, die absteigen-den motorischen Bahnen nehmen durch dieEndigung der Fasern in verschiedenen Eta-gen von zervikal nach sakral ab.

Die Schmetterlingsfigur der grauen Substanzverändert in den verschiedenen Höhen ihreGestalt, ebenso der Tractus dorsolateralis (Lis-sauer) (A– D1).

Das Hinterhorn ist im Zervikalmarkschlank und endet mit einer kappenförmi-gen Zona spongiosa (Nucleus dorsomarginalis)(A2). Der seitliche Winkel zwischen Hinter-und Vorderhorn wird von der Formatio reti-cularis (AD3) eingenommen. Die Substantiagelatinosa (Rolandi) (A– D4) enthält kleine,überwiegend peptiderge Nervenzellen, andenen Hinterwurzelfasern verschiedenenKalibers enden, außerdem absteigende Fa-sern aus dem Hirnstamm (Nuclei raphes,S. 108 B28; Formatio reticularis, S. 146).Die marklosen Fortsätze der Neurone stei-gen im Lissauer-Trakt (Tractus dorsolatera-lis) ein bis vier Wurzelhöhen auf- oder ab-wärts und treten wieder in die Substantiagelatinosa ein. Ein Teil der Fortsätze verläuftim Tractus spinothalamicus lateralis zumThalamus (S. 328). Im Nucleus dorsalis(Clarke) (AB5) enden die Fasern der proprio-zeptiven Sensibilität aus der Muskulatur(Muskelspindeln) und es beginnen zumKleinhirn führende Bahnen. Die reduziertegraue Substanz des Thorakalmarks besitztein schmächtiges Hinterhorn mit einemmarkanten Nucleus dorsalis. Im plumpen

Hinterhorn des Lumbal- und Sakralmarksist die Substantia gelatinosa (CD4) stark ver-größert und wird dorsal vom schmalenBand der Zona spongiosa begrenzt (CD2).

Das Seitenhorn bildet im Thorakalmark dieSubstantia intermediolateralis (B6). Es enthältsympathische Nervenzellen vorwiegend fürdie Vasomotorik, deren efferente Fasernüber die Vorderwurzel austreten. Medialliegen sympathische Nervenzellen im Nu-cleus intermediomedialis (B7). Im Sakralmarkbilden parasympathische Nervenzellen ei-nen Nucleus intermediolateralis und inter-mediomedialis (D8).

Das Vorderhorn lädt im Zervikalmark weitaus und enthält mehrere Kerne mit großenmotorischen Zellen, die alle cholinerg sind.

Mediale Kerngruppe:– Nucleus ventromedialis (A9),– Nucleus dorsomedialis (A10).

Laterale Kerngruppe:– Nucleus ventrolateralis (A11),– Nucleus dorsolateralis (A12),– Nucleus retrodorsolateralis (A13).

Im Versorgungsbereich der oberen Extremi-täten ist das Vorderhorn weitaus differen-zierter als im Thorakalmark, in dem sich nurwenige Zellgruppen identifizieren lassen.Das ausgedehnte plumpe Vorderhorn desLumbal- und Sakralmarks, von dem aus dieunteren Extremitäten versorgt werden, ent-hält wiederum mehrere Kerngruppen.

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Rückenmarksquerschnitte

A Zervikalmark

B Thorakalmark

C Lumbalmark

D Sakralmark

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Rückenmark und Rückenmarksnerven: Rückenmark

Aufsteigende Bahnen (A – D)

Vorderseitenstrangbahnen (A)

Tractus spinothalamicus lateralis (A1).Die zuführenden markarmen Hinterwurzel-fasern (A2) (1. Neuron der sensiblen Bahn)gabeln sich im Tractus dorsolateralis (Lissau-er-Trakt) auf und enden an Zellen der Sub-stantia gelatinosa und des Hinterhorns. Vondiesen gehen die Fasern des Traktus ab,kreuzen in der Commissura alba zur Gegen-seite und steigen im Seitenstrang zum Tha-lamus auf (2. Neuron). Diese Bahn leitetSchmerz- und Temperaturempfindung, exte-ro- und propriozeptive Impulse. Sie ist soma-totopisch gegliedert: sakrale (S) und lumba-le (L) Fasern liegen dorsolateral, thorakale(Th) und zervikale (C) Fasern ventromedial.Die Fasern für die Schmerzempfindung lie-gen wahrscheinlich oberflächlich, die fürdie Temperaturempfindung tiefer.

Tractus spinothalamicus anterior (A3).Die zuleitenden Fasern (A4) (1. Neuron) ga-beln sich in auf- und absteigende Zweigeund enden an Hinterhornzellen, deren Fa-sern zur Gegenseite kreuzen und im Vorder-strang zum Thalamus aufsteigen (2. Neu-ron). Sie leiten grobe Druck- und Tastempfin-dungen und werden mit dem lateralen Traktals Bahn der protopathischen Sensibilität zu-sammengefasst (S. 328).

Der Tractus spinotectalis (A5) führtSchmerzfasern zum Mittelhirndach (Pupil-lenverengung bei Schmerzen).

Hinterstrangbahnen (C, D)

Fasciculus gracilis (Goll) (C6) und Fascicu-lus cuneatus (Burdach) (C7). Die dicken,stark bemarkten Fasern steigen ohne Um-schaltung in den gleichseitgen Hintersträn-gen nach oben. Sie gehören zum 1. Neuronder sensiblen Bahn und enden an den Ner-venzellen (2. Neuron) der Hinterstrangker-ne (S. 140 B5 u. B6). Sie leiten exterozeptiveund propriozeptive Impulse der epikriti-schen Sensibilität (exterozeptiv: Informatio-nen über Lokalisation und Qualität der Tast-empfindung; propriozeptiv: Informationenüber Stellung der Extremitäten und der Kör-perhaltung). Die Hinterstränge besitzen ei-

ne somatotopische Gliederung: die sakralenFasern liegen medial; es folgen nach lateraldie lumbalen und die thorakalen Fasern(Fasciculus gracilis). Die Fasern von Th3 bisC2 liegen lateral und bilden den Fasciculuscuneatus.

Von den aufsteigenden Fasern gehen kurzeabsteigende Kollateralen (C8) ab. Sie endenan Hinterhornzellen und bilden geschlosse-ne Bündel, im Zervikalmark das Schultze-Komma (D9), im Thorakalmark das Flechsig-sche ovale Feld (D10), im Sakralmark diePhillippe-Gombault-Triangel (D11).

Kleinhirnseitenstrangbahnen (B)

Tractus spinocerebellaris posterior (Flech-sig) (B12). Die zuführenden Hinterwurzelfa-sern (1. Neuron) enden an den Zellen desNucleus dorsalis (Clarke) (B13), von denender Tractus (2. Neuron) seinen Ursprungnimmt. Er zieht am Rande des gleichseiti-gen Seitenstranges zum Kleinhirn und leitetvorwiegend propriozeptive Impulse (von Ge-lenken, Sehnen, Muskelspindeln).

Tractus spinocerebrellaris anterior (Go-wers) (B14). Die Ursprungszellen liegen imHinterhorn. Ihre Fasern (2. Neuron) steigengleichseitig und gekreuzt am ventrolatera-len Rand des Rückenmarks zum Kleinhirn,dem sie extero- und propriozeptive Impulsezuführen. Beide Kleinhirnbahnen sind so-matotopisch gegliedert: die sakralen Fasernliegen dorsal, die lumbalen und thorakalenliegen ventral davon.

Der Tractus spinoolivaris (B15) und derTractus spinovestibularis (B16) entsprin-gen den Hinterhornzellen des Zervikal-marks und leiten vorwiegend propriozeptiveImpulse zur unteren Olive der Gegenseiteund zu den Vestibulariskernen.

A–C17 Nervenzellen im Spinalganglion(1. Neuron) (S. 70 A7).

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Aufsteigende Bahnen

C Fasciculus gracilis, Fasciculus cuneatus

D Absteigende Fasern der Hinterstränge

A Tractus spinothalamicus lateralis et ventralis

B Tractus spinocerebellaris ventralis et dorsalis

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Rückenmark und Rückenmarksnerven: Rückenmark

Absteigende Bahnen (A – C)

Tractus corticospinalis, Pyramidenbahn(A)

Die Fasern der Pyramidenbahn haben zumüberwiegenden Teil ihren Ursprung in dervorderen Zentralwindung und dem davorliegenden Cortex, Area 4 und 6 (S. 310 A1,A2). Ein Teil der Fasern soll auch von Rin-denbezirken des Parietallappens stammen.80% aller Fasern kreuzen in der unteren Me-dulla oblongata auf die Gegenseite, Decussa-tio pyramidum (A1), und verlaufen als Tractuscorticospinalis lateralis (A2) im Seitenstrang.Der Rest verläuft ungekreuzt als Tractus cor-ticospinalis anterior (A3) im Vorderstrang undkreuzt erst in Höhe seiner Endigung. Überdie Hälfte der Pyramidenbahnfasern endetim Zervikalmark zur Versorgung der oberenExtremität, ein Viertel endet im Lumbosa-kralmark zur Versorgung der unteren Extre-mität. Im Seitenstrang ist eine somatotopi-sche Gliederung erkennbar, nach der die Fa-sern für die untere Extremität außen, die Fa-sern für Rumpf und obere Extremität weiterinnen liegen. Die Fasern enden zum größtenTeil an Zwischenneuronen, die die Impulsefür die willkürliche Motorik an die Vorder-hornzellen weitergeben. Die Fasern leitenjedoch nicht nur Erregungen zu den Vorder-hornzellen, sondern übermitteln auch überZwischenneurone kortikale Hemmungen(S. 310 u. S. 320).

Extrapyramidale Bahnen (B)

Als extrapyramidale Bahnen werden abstei-gende Systeme aus dem Hirnstamm zusam-mengefasst, welche die Motorik beeinflus-sen (S. 312):

– Tractus vestibulospinalis (B4) (Gleichge-wicht, Muskeltonus),

– Tractus reticulospinalis ventralis (B5) ausder Brücke,

– Tractus reticulospinalis lateralis (B6) ausder Medulla oblongata und

– Tractus tegmentospinalis (B7) aus demMittelhirn.

Der Tractus rubrospinalis (B8) (beim Men-schen weitgehend durch den Tractus teg-mentospinalis ersetzt) und der Tractus tecto-

spinalis (B9) enden im Zervikalmark und be-einflussen nur die differenzierte Motorik vonKopf und oberer Extremität. Der Fasciculuslongitudinalis medialis (B10) enthält ver-schiedene Fasersysteme des Hirnstammes(S. 142).

Vegetative Bahnen (C)

Die vegetativen Bahnen bestehen aus mark-armen oder marklosen Fasern und bildennur selten geschlossene Bündel. Der Tractusparependymalis (C11) verläuft beiderseits desZentralkanals. Seine auf- und absteigendenFasern sind bis in das Zwischenhirn (Hypo-thalamus) zu verfolgen und sollen Impulsefür die Genitalfunktion, die Miktion und De-fäkation leiten. Ventral vom Pyramidensei-tenstrang verläuft die absteigende Bahnfür Vasokonstriktion und Schweißsekretion(Foerster) (C12) mit einer der Pyramidensei-tenstrangbahn entsprechenden somatoto-pischen Gliederung.

Darstellung der Bahnen (D, E)

Die verschiedenen Bahnensysteme sind aufdem normalen Rückenmarksquerschnittnicht zu erkennen. Nur unter besonderenBedingungen, bei experimentellen Durch-schneidungen, bei Rückenmarksverletzun-gen oder während der Entwicklung, wenndie Bahnen zu verschiedener Zeit markreifwerden, heben sie sich voneinander ab, wiez.B. die spät markreife Pyramidenbahn(D2). Bei Verletzungen degenerieren die di-stalen, vom Perikaryon abgetrennten Fa-sern, wodurch ihr Areal im Rückenmarksichtbar wird, wie z.B. der Fasciculus graci-lis (E13).

Klinischer Hinweis: Mit der Entwicklung dermotorischen Bahnen kommt es zur Ausbil-dung von kindlichen Refexen, die später nichtmehr nachweisbar sind. Bei einer Schädigungdes ZNS (Pyramidenbahn) können sie jedochwieder auslösbar werden. Ein Beispiel ist derBabinski-Reflex: Bestreichen des lateralenFußsohlenrandes führt zur Dorsalflexion derGroßzehe. Die Auslösbarkeit dieses Reflexesist damit ein diagnostisches Hilfsmittel beimErwachsenen.

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Absteigende Bahnen, Darstellung der Bahnen

A Tractus corticospinalis anterior et lateralis (Pyramidenbahn)

D Marklose Pyramidenbahn beim Säugling

B Absteigende Bahnen

C Vegetative Bahnen

E Degeneration des Fasciculus gracilis bei Rückenmarksverletzung

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Rückenmark und Rückenmarksnerven: Rückenmark

Gefäße des Rückenmarks (A – E)

Das Rückenmark wird von zwei Quellen mitBlut versorgt: von den Aa. vertebrales undden Segmentarterien (Aa. intercostales undAa. lumbales).

Die Aa. vertebrales (A1) geben vor ihrerVereinigung zwei dünne Aa. spinales poste-riores ab, die an der Dorsalfläche des Rük-kenmarks einen Plexus kleiner Arterien bil-den. In Höhe der Pyramidenkreuzung gehenzwei weitere Äste von den Aa. vertebralesab, die sich zur A. spinalis ventralis (AD2)vereinigen. Sie verläuft an der Vorderflächedes Rückenmarks, am Eingang des Sulcusventralis.

Segmentarterien (C3). Von ihren dorsalenÄsten (C4) und von den Aa. vertebraleszweigen die Rami spinales (C5) ab, die zurVersorgung der Spinalwurzeln und der Rük-kenmarkshäute in die Foramina interverte-bralia eintreten und sich mit den Spinal-wurzeln in dorsale und ventrale Äste teilen.Von den 31 Spinalarterien dringen nur 8 bis10 bis zum Rückenmark vor und tragen zuseiner Blutversorgung bei. Die Höhen, in de-nen die Radikulararterien an das Rücken-mark herantreten, variieren wie auch dieGröße der Gefäße. Das größte tritt in Höheder Intumescentia lumbalis zwischen Th12und L3 an das Rückenmark heran (A. radicu-laris magna) (A6).

Die A. spinalis ventralis hat ihre größte Weitein Höhe der zervikalen und lumbalen An-schwellung. Im mittleren Brustmark ist ihrUmfang stark reduziert. Da es sich zugleichum ein Grenzgebiet zwischen zwei versor-genden Radikulararterien handelt, ist dieserRückenmarksabschnitt bei Störungen derDurchblutung besonders gefährdet (A,Pfeil). Je nach Variation der Radikulararte-rien kann das auch für andere Rücken-marksabschnitte zutreffen.

Von der A. spinalis ventralis gehen zahlrei-che kleine Arterien in den Sulcus ventralisab, Aa. sulcocommissurales (D7). Im Zervikal-und Thorakalmark biegen sie an der Com-missura alba alternierend zur rechten oderlinken Rückenmarkshälfte ab; im Lumbal-und Sakralmark teilen sie sich in zwei Äste.

Außerdem gehen von der vorderen Spinal-arterie Anastomosen zu den hinteren Spi-nalarterien ab, sodass das Rückenmark voneinem Gefäßring umgeben ist (Vasocorona)(D8), von dem aus Gefäße in die weiße Sub-stanz einstrahlen. Injektionspräparate zei-gen, dass die graue Substanz viel stärkervaskularisiert ist als die weiße (D).

Versorgungsgebiete (E). Die A. spinalis ventra-lis versorgt die Vorderhörner, die Basis derHinterhörner und den größten Teil des Vor-derseitenstranges (E9). Die Hintersträngeund den Rest der Hinterhörner versorgendie Aa. spinales dorsales (E10). Die Randzonedes Vorderseitenstranges wird vom Plexusder Vasocorona versorgt (E11).

Die spinalen Venen (B) bilden ein Netz-werk, an dem eine V. spinalis anterior undzwei Vv. spinales posteriores hervortreten.Die abführenden Venen verlaufen mit denSpinalwurzeln und münden in den epidura-len Venenplexus (s. Bd. 2). Die spinalen Ve-nen sind bis zum Durchtritt durch die Duraklappenlos.

C12 Aorta

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Rückenmarksgefäße

C Zuführende Blutwege

C 1

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C 5

Th 1

Th 3

Th 5

Th 8

Th10

L 2

L 5

D Vaskularisation des Rückenmarks

Arterien und Venen des Rückenmarks

A B

6

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E Versorgungsgebiete der Rückenmarksarterien (nach Gillilan)

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Rückenmark und Rückenmarksnerven: Rückenmark

Spinalganglion und Hinterwurzel(A – H)

Die hintere Spinalwurzel enthält als spin-delförmige Auftreibung das Spinalganglion(A), eine Anhäufung der Zellkörper sensi-bler Neurone, deren zweigeteilte Fortsätzeden einen Ast in die Peripherie und den an-deren in das Rückenmark entsenden (S. 70A7). Sie liegen als Zellnester oder als Zellrei-hen zwischen den Bündeln der Nervenfa-sern.

Entwicklung der Ganglien (C). Die Zellen stam-men aus dem lateralen Bezirk der Neural-platte (C1), beteiligen sich jedoch nicht ander Bildung des Neuralrohres, sondern blei-ben zu beiden Seiten als Neuralleiste (C2) lie-gen. Man kann daher die Spinalganglien alsin die Peripherie verlagerte graue Substanzdes Rückenmarks bezeichnen. Weitere Ab-kömmlinge der Neuralleiste sind die Zellender vegetativen Ganglien, der Paraganglienund des Nebennierenmarks.

Von der Kapsel (A3) des Spinalganglions, diein das Perineurium des Spinalnervs über-geht, strahlt Bindegewebe in das Innere undbildet für jedes Neuron eine Hülle (endo-ganglionäres Bindegewebe) (B4). Die inner-ste Hülle bilden jedoch ektodermale Satelli-tenzellen (BE5), die von einer Basalmem-bran umgeben sind, vergleichbar denSchwann-Zellen der peripheren Nerven. Diegroßen Nervenzellen (B6, E) mit bemark-tem und zu einem Glomerulus zusammen-geknäuelten Fortsatz machen nur ein Drittelder Zellen aus. Sie leiten Impulse der epikri-tischen Sensibilität (S. 326). Der Rest bestehtaus mittelgroßen und kleinen Ganglienzel-len mit markarmen oder marklosen Ner-venfasern, die Schmerzreize und Sensatio-nen aus dem Intestinum leiten sollen. Auchmultipolare Nervenzellen kommen vor.

Entwicklung der Ganglienzellen (D). Die Spi-nalganglienzellen sind ursprünglich bipola-re Zellen. Da sich während der Entwicklungbeide Fortsätze zu einem Stamm vereini-gen, der sich dann T-förmig aufgabelt,spricht man von pseudounipolaren Nerven-zellen.

Die Hinterwurzel ist dicker als die Vorder-wurzel. Sie enthält Fasern von verschiede-nem Kaliber, zu zwei Dritteln markarmeund marklose Fasern. Die dünnen markar-men und marklosen Fasern, die Impulse derprotopathischen Sensibilität (S. 328) leiten,treten durch den lateralen Teil der Wurzel indas Rückenmark (F7). Die dicken markhalti-gen Fasern vermitteln Impulse der epikriti-schen Sensibilität und treten durch den me-dialen Teil der Wurzel in das Rückenmarkein (F8).

Am Eintritt in das Rückenmark sind in ei-nem schmalen Streifen die Markscheidenverdünnt, sodass die Fasern marklos er-scheinen. Diese Stelle wird als Grenze zwi-schen zentralem und peripherem Nervensy-stem angesehen (Redlich-Obersteiner-Zone)(G). Im elektronenmikroskopischen Bild (H)deckt sich die Grenze jedoch nicht genaumit der Redlich-Obersteiner-Zone. DieGrenze ist für jedes Axon der letzte Ranvier-Knoten vor dem Eintritt in das Rückenmark.Bis zu diesem ist die periphere Markscheidevon einer Basalmembran (in H blau darge-stellt) umgeben. Das folgende Internodiumbesitzt keine Basalmembran mehr. Auch fürdie marklosen Fasern wird die Grenze durchdie Basalmembran der umhüllendenSchwann-Zelle markiert. Die Basalmem-bran bildet eine Grenze, durch die nur Axo-ne hindurchtreten.

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Spinalganglion und Hinterwurzel

A Spinalganglion

C Spinalganglion, Entwicklung

D Entwicklung der pseudounipolaren Ganglienzelle

F Hinterwurzel

G Redlich-Obersteiner-Zone H Hinterwurzel, elektronenmikros- kopisches Schema (nach Andres)

E Spinalganglienzelle

B Vergrößerung aus A

5

5

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3

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Rückenmark und Rückenmarksnerven: Rückenmark

Rückenmarkshäute (A – D)

Das Rückenmark ist im Wirbelkanal vondrei bindegewebigen Hüllen umgeben: derharten Rückenmarkshaut (Pachymeninx)oder Dura mater spinalis (A1), und der wei-chen Rückenmarkshaut (Leptomeninx) oderArachnoidea spinalis (A2) und Pia mater spina-lis (A3).

Die Dura mater spinalis bildet die äußereHülle, die von der periostartigen Ausklei-dung des Wirbelkanals, der Endorhachis(A4), durch einen Zwischenraum, Cavum epi-durale (Epiduralraum) (A5), getrennt ist. DerRaum ist mit Fettgewebe ausgefüllt undenthält einen starken Venenplexus, Plexusvenosus vertebralis internus (s. Bd. 2). DieDura bildet kaudal den Duralsack (B6), derdie Cauda equina (B7) umhüllt und ziehtschließlich als dünner Strang mit dem Filumterminale bis zum Periost des Steißbeins(Filum terminale durae matris spinalis) (B8).Nur am oralen Ende, am Foramen magnum(Os occipitale), ist der Duralsack am Kno-chen angehefet. Der Epiduralraum bildet einverschiebbares Polster für den Duralsack,der bei Bewegungen der Wirbelsäule unddes Kopfes mitbewegt wird. Bei einer Beu-gung des Kopfes wird der Duralsack nachoben gezogen, wobei auch das Zervikalmarkmechanisch beansprucht wird: bei derKopfbeugung werden Wurzeln und Gefäßegestreckt (D9), bei Rückwärtsneigung desKopfes werden sie gestaucht (D10).

Der Innenfläche der Dura liegt die Arach-noidea dicht an. Sie begrenzt den mit Liquorcerebrospinalis gefüllten Subarachnoidal-raum, Cavum subarachnoideale (AC11). Zwi-schen Durainnenfläche und Arachnoidealiegt ein kapillarer Spalt, der Subduralraum,Spatium subdurale, der nur unter pathologi-schen Bedingungen (Subduralblutung) zueinem wirklichen Raum erweitert wird. Du-ra und Arachnoidea begleiten die Spinal-wurzeln (AC12), treten mit ihnen in die Fora-mina intervertebralia ein und umhüllenauch die Spinalganglien (AC13). Die trichter-förmigen Wurzeltaschen enthalten in ihremproximalen Teil noch Liquor. Die Dura gehtdann in das Epineurium (A14), die Arachno-idea in das Perineurium (A15) der Spinalner-

ven über. Der aus dem Wirbelkanal austre-tende Teil der Wurzel, der Radikularnerv(AC16), nimmt im Zervikal- und Lumbosa-kralmark einen schräg abwärts gerichtetenVerlauf, im mittleren Thorakalmark hinge-gen einen schräg nach oben gerichteten Ver-lauf (C).

Die Pia mater spinalis grenzt direkt an diemarginale Gliaschicht des Rückenmarks.Hier liegt die Grenze zwischen mesoderma-len Hüllen und ektodermalem Nervengewe-be. Die Pia enthält eine Vielzahl kleiner Ge-fäße, die von der Oberfläche aus in das Rük-kenmark eindringen. Zu beiden Seiten desRückenmarks zieht von der Pia eine Binde-gewebsplatte, das Lig. denticulatum (A17),zur Dura und setzt an ihr mit einzelnen Zak-ken an. Das Ligament reicht vom Zervikal-mark bis in das mittlere Lumbalmark undhält das im Liquor schwimmende Rücken-mark in seiner Position fest.

Klinischer Hinweis: Aus dem unteren Ab-schnitt des Duralsackes, der nur die Fasernder Cauda equina enthält, kann unter sterilenBedingungen gefahrlos Liquor zur Untersu-chung entnommen werden. Zu diesem Zweckgeht man beim nach vorn gebeugten Patien-ten mit der Nadel zwischen den Fortsätzendes zweiten bis fünften Lendenwirbels in dieTiefe, bis Liquor abtropft (Lumbalpunktion)(E).

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Rückenmarkshäute

A Lage des Rückenmarks imWirbelkanal, Querschnitt(nach Rauber-Kopsch)

B Cauda equina

C Wurzel, Radikularnerv und Spinalganglion von dorsal

D Zervikalmark bei Beugung undStreckung des Halses (nach Breig) E Lumbalpunktion

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