Bildungsprozesse im und am explizit normierten Raum Über die emotional entlastende Funktion explizit normierter Räume und den Bildungswert von Raumtrennung Seminararbeiten zu: Dr. Henning Schluss: 190204 SE Standards-Kompetenzen-Evaluation - Neue Begriffe der Erziehungswissenschaft in bildungstheoretischer Perspektive Mag.a. Sabrina Schrammel: 190074 SE Bildung, Medien und gesellschaftliche Transformation - Pädagogik und Raum WS 2008 Institut für Bildungswissenschaft und Philosophie Universität Wien Mario Spassov a0309830 1
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Seminararbeit 'Bildungsprozesse Im Und Am Explizit Normierten Raum' (WS2008)
Die Seminararbeit wirft die Frage auf, ob Bildungsstandards -verstanden als explizierte Handlungsaufforderungen - nicht abseits von anderen auch eine entlastende Funktion für SchülerInnen haben könnten.
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Bildungsprozesse im und am explizit normierten Raum
Über die emotional entlastende Funktion explizit normierter Räume und den Bildungswert von Raumtrennung
Seminararbeiten zu:
Dr. Henning Schluss: 190204 SE Standards-Kompetenzen-Evaluation - Neue Begriffe der
Erziehungswissenschaft in bildungstheoretischer Perspektive
Mag.a. Sabrina Schrammel: 190074 SE Bildung, Medien und gesellschaftliche Transformation -
Pädagogik und Raum
WS 2008
Institut für Bildungswissenschaft und Philosophie
Universität Wien
Mario Spassov a0309830 1
Erklärung
Ich bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich meine Matrikelnummer korrekt angegeben habe und dass ich im aktuellen Semester berechtigt bin, Prüfungen im Rahmen jener Studienrichtung abzulegen, deren Studienkennzahl ich korrekt und vollständig angegeben habe. Ich bin immatrikuliert, habe die angeführte Studienrichtung inskribiert und habe die Studiengebühr sowie den ÖH-Beitrag eingezahlt.
Überdies bestätige ich mit meiner Unterschrift, dass ich die vorliegende Arbeit eigenständig verfasst habe und dass die dabei verwendeten Quellen im Literaturverzeichnis vollständig angeführt sind. Die vorliegende Arbeit wurde zudem nicht für den Zeugniserwerb im Rahmen einer anderen Lehrveranstaltung verwendet.
Wien, im März 2009
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Table of ContentsEinleitung.........................................................................................................................................5
I. Ein Fallbeispiel........................................................................................................................5II. Die Problemstellung...............................................................................................................6III. Die Fragestellungen und Ergebnisse.....................................................................................9Fragestellung I - “Inwiefern können explizierte normative Vorgaben Hemmungsgefühle in Lernsituationen entschärfen?”.....................................................................................................9Fagestellung II - “Inwiefern hat (virtuelle) Raumtrennung eine bildungsfördernde Funktion?”...................................................................................................................................................10IV. Methode...............................................................................................................................11
Teil I. Die enthemmende Funktion expliziter Normierung................................................................121. Die Legitimation von Bildungsstandards aus Sicht der PISA-Studie........................................12
I. Wozu Bildungsstandards?......................................................................................................12II. Kritik an der Forderung nach Bildungsstandards.................................................................13III. Der Sinn der Explikation von Standards aus Sicht der beteiligten LernerInnen................15
2. Standards als zur Erfüllung aufrufende Handlungsaufforderungen...........................................16I. Standards als explizierte Normen..........................................................................................16II. Der normative Gehalt von Deskriptionen............................................................................17III. Handlungsaufforderungen existieren nur vor einem “Background” anderer Handlungsaufforderungen.........................................................................................................18
3. Institutionalisierte Räume als immer schon vornormierte Räume.............................................19I. Insitutionlisierte Räume sind immer schon durch Institutionen vornormiert........................19II. Durch den Lehrveranstaltungsleiter vorgenommene Normierungen...................................20III. Durch die StudentInnen vorgenommene Normierungen....................................................21
4. Normen bieten sich zur Identitätskonsitution an.......................................................................24I. Die Bedeutsamkeitsbeziehung von Bewusstsein...................................................................24II. Die identitätskonstitutive Funktion von Kompetenz............................................................25III. Identität als der erschlossene moralische Raum von Bedeutsamkeitsbeziehungen............26IV. Die “Garantenstellung” von Bezugspersonen für gelungene Identitätskonstruktion.........27V. Hemmungssituationen bei Nichterfüllen von interiorisierten Handlungsaufrufen...............28VI. Subjektive Bedeutsamkeitsrelationen, nicht “objektive” Leistung sind identitätskonstitutiv...................................................................................................................................................29
5. Ausdeutung des Fallbeispiels.....................................................................................................30I. Die Garantenstellung der Institution......................................................................................30II. Die Garantenstellung des Lehrveranstaltungsleiters............................................................30III. Die Garantenstellung der StudentInnen untereinander.......................................................32IV. Die Unmöglichkeit der Gerechtwerdung von Handlungsaufrufen in normativ überladenen Räumen.....................................................................................................................................32
6. Explizite Normierung als Ermöglichungsbedingung von Commitment....................................34I. Die konstruktive Freiheit von Bewusstsein: das Commitment..............................................34II. Minimalnormen als Voraussetzung für Schutzräume...........................................................35III. Differenzierung von Commitments am Beispiel der besprochenen Lehrveranstaltung.....36
7. Resumée.....................................................................................................................................39I. Die hemmende Funktion von Normen..................................................................................39II. Der normativ “überladene” Lehrveranstaltungsraum...........................................................40III. Normative “Entladung” des Lehrveranstaltungsraums durch explizite Normierung.........41
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Teil II. Bildungsfördernde Aspekte bewusster Raumtrennung..........................................................431. Räume........................................................................................................................................43
I. Drittpersonaler vs. erstpersonaler Raum................................................................................43II. Raum als (An)Ordnung von Gegenständen..........................................................................44III. Relativer vs. absoluter Raum..............................................................................................46
2. Räume als Veräußerlichung von Bewusstsein...........................................................................49I. Raumstrukturen spiegeln Bewusstsein wieder......................................................................49II. Räume werden über Normen konstituiert............................................................................51III. Das Beispiel der Lads - einander nicht begegnende Bewusstseine.....................................53IV. Räume als erschlossene Handlungsaufrufe spiegeln die Erschlossenheit von Identität.....54
3. Vom Bildungswert explizit normierter und damit differenzierter Räume.................................57I. Bildung..................................................................................................................................57II. Ausdeutung des Fallbeispiels...............................................................................................58III. Bildungsfördernde Aspekte expliziter Normierung am Beispiel bewusster Raumtrennung...................................................................................................................................................59
4. Raumtrennung anhand expliziter Normierung – eine praktische Umsetzung...........................61I. Der persönliche Artikulations-Raum - Artikulation der individuellen Identitätskonzeption61II. Der Professions-Raum - Artikulation der Identitätskonzeption der Profession...................62III. Der Diskussions-Raum - wo Identitäten einander als noch-Fremdes verstehend begegnen...................................................................................................................................................63
5. Resumée.....................................................................................................................................64I. Räume als Ausdruck von Identität.........................................................................................64II. Artikulation von Identität als Voraussetzung für Bildung....................................................65III. Umsetzung von Raumtrennung mittels explizierter Normierung im Fallbeispiel..............66
An der Universität Wien wurde im Wintersemester 2008 im Rahmen einer Vorlesung zum
Thema “Bildungsprozesse an Bildungsinstitutionen aus Sicht der psychoanalytischen Pädagogik”1
das folgende didaktische “Experiment” durchgeführt: die “orthodoxe” Rollenverteilung innerhalb
des universitären Rahmens, die vorsieht, dass Lehrpersonen LernerInnen gegenübergestellt werden,
wurde teilweise aufgehoben. Stattdessen waren alle an der Lehrveranstaltung beteiligten
StudentInnen dazu aufgerufen, den Inhalt der Lehrveranstaltung kollaborativ mitzugestalten. Sie
konnten sich dabei mit Ideen und Einwänden zum Thema, entweder während der Präsenzzeit, in der
sehr viel Raum für Diskussionen eingeräumt wurde, oder über eine virtuelle Lernplattform
einbringen. Der Lehrveranstalter ging zu Beginn jeder Vorlesung auf theoretische Grundbegriffe
und Modelle aus dem Professions-Diskurs der psychoanalytischen Pädagogik ein. Diese wurden
jedoch nicht einfach vorgetragen, sondern StudentInnen dazu aufgerufen, ihre Assoziationen zu den
genannten Begriffen und Modellen diskursiv einzubringen, sowie nach Verknüpfungen des
jeweiligen Begriffs mit dem Thema der Lehrveranstaltung zu suchen.
Im Forum war zudem mehr Freiraum, als in den Präsenzdiskussionen eingeräumt. Die
StudentInnen wurden eingeladen, sich frei zu allen Themen zu artikulieren, sofern diese in einem
herstellbaren Zusammenhang mit den in der Lehrveranstaltung aufgeworfenen Grundproblemen
standen.
Der unorthodoxe Aufbau der Lehrveranstaltung wurde durch ihr Thema, “Bildungsprozesse
an Bildungsinstitutionen”, legitimiert. Die Lehrveranstaltung selbst, als an einer Bildungsinstitution
stattfindende, sollte ihr eigener Gegenstand werden. Und die Aufforderung an StudentInnen, sich
theoretische Modelle in diskursiver Form kollaborativ zu erschließen, sollte den zweiten
Gegenstand der Lehrveranstaltung, Bildungsprozesse an Bildungsinstitutionen, anregen. Die im
Forum geführten Diskussionen wurden vom Lehrveranstaltungsleiter teilweise in der Präsenzzeit
aufgegriffen und als Beispiel für Bildungsprozesse an der Bildungsinstitution “Universität Wien”
herangezogen. Die StudentInnen generierten den Gegenstand der Lehrveranstaltung durch ihre
eigenen Reflexionsprozesse, zum zuvor abstrakt gefassten Gegenstand2. Zudem wandten sie 1 Der genaue Titel der Lehrveranstaltung lautete „Individuum und Entwicklung –
Entwicklung und Bildung 3. Schule, Familie und andere Bildungsinstitutionen als Themen der Entwicklungspädagogik“.
2 In der Lehrveranstaltung selbst wurde der kollaborative Aufbau wie geschildert legitimiert.
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zugleich die - über den Lehrveranstaltungsleiter in die gemeinsame Diskussion eingeführten -
Grundmodelle der Profession “Psychoanalytische Entwicklungspädagogik” auf ihre eigenen
Reflexionsbemühungen an.
II. Die Problemstellung
Die Lehrveranstaltung war der dritte Teil eines auf vier Semester angelegten Zyklus. Im
genannten Semester war sie kollaborativer gestaltet, als in den zwei Semestern davor, doch begann
die TeilnehmerInnenzahl nach der dritten Lehrveranstaltungseinheit rapide abzunehmen, was in den
Semestern davor nicht in diesem Maße beobachtbar war. Von ca. 120 Anmeldungen in der
Lernplattform und geschätzten 80-100 StudentInnen, die an den ersten Präsenzterminen teilnahmen,
begannen nur mehr geschätzte 40-50 regelmäßig in die Lehrveranstaltung zu kommen - und auch
diese Zahl nahm bis zum Ende des Semesters noch ab. Während in den ersten drei Wochen die
Diskurse im Forum aufblühten, nahmen auch sie nach dieser regen Aktivität signifikant ab. Gegen
Ende des Semesters gab es im letzten Monat praktisch keine Diskussionsbeiträge mehr. Lediglich
eine relativ kleine Gruppe von ca. einem Dutzend StudentInnen, beteiligte sich regelmäßig an den
Forumsdiskussionen. Sie wurde vom Lehrveranstaltungsleiter - teils provokativ, um
Diskussionsprozesse im Forum anzuregen - als “Elite” bezeichnet und im Forum ein Thread mit der
Frage eröffnet, wie die “Elitebildung” verhindert und bessere Rahmenbedingungen geschaffen
werden könnten, um mehr StudentInnen zu Kollaborationsprozessen zu motivieren.
Dieser Rückgang wurde zunächst darauf zurückgeführt, dass in diesem Semester -zum ersten
mal seit Beginn des Zyklus - regelmäßig nach jeder Sitzung Lehrveranstaltungsprotokolle auf der
Lernplattform allen zur Verfügung gestellt wurden. Zudem gab es Tonmitschnitte jeder
Lehrveranstaltung und die Ankündigung eines Skriptums, welches zu Ende der Semesters folgen
sollte. Neben diesen Hilfmitteln, die ein Absolvieren der Lehrveranstaltung ohne aktive Teilnahme
erleichterten, wurden von StudentInnen auch folgende mögliche Ursachen für die Elitebildung -
einerseits dem Verfasser dieser Arbeit, der sich als “Klassensprecher” zur Verfügung gestellt hatte,
ebenso wie im Forum - artikuliert:
- Einige KollegInnen fühlten sich von den Diskursen im Forum und der Präsenzzeit
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“eingeschüchtert” und hatten das Gefühl, sich nicht so „wortgewandt“ wie andere ausdrücken zu
können, oder Gedanken nicht so klar fassen zu können.
- Der vom Lehrveranstaltungsleiter eingeführte “Elitebegriff” wurde von vielen als “erst recht
abschreckend” empfunden. StudentInnen berichtetem von dem Gefühl, in der Lehrveranstaltung nur
willkommen zu sein, wenn sie bereit wären, sich aktiv im Forum zu beteiligen; “bloßes” Zuhören
wurde dagegen, wie der wertende Elitebegriff implizierte, als abgewertet empfunden.
- Auch die Diskurskultur im Forum wurde kritisiert. Einige fühlten sich - weil im Forum nicht
auf jeden Beitrag geantwortet wurde - nicht ernst genommen. Und auch der
Lehrveranstaltungsleiter griff jeweils bestimmte Beiträge in der Präsenzzeit auf, die meisten jedoch
blieben unberücksichtigt und unbeantwortet.
- Viele berichteten, dass die anfängliche Flut an Beiträgen im Forum für sie nicht zu
bewältigen war. Fehlte man an einer oder zwei Sitzungen, war die Anzahl von Diskursen, die v.a. in
den ersten Wochen entstanden, nicht mehr zu bewältigen.
- Andere äußerten das Bedenken, die Lehrveranstaltung sei wie eine therapeutische Situation
gestaltet, in der der Therapeut (in diesem Fall der Lehrveranstaltungsleiter) von sich aus wenig
einbringt sondern primär Fragen stellt und Antworten kommentiert. Sie empfanden diese
Interaktionsform als für den Rahmen einer Vorlesung inadäquat.
- Auch die “doppelte Nähe” wurde als dem Setting einer Vorlesung nicht angebracht
empfunden. Die Diskurse sollten eine “Begeisterung” und “Nähe” zu den besprochenen
Grundthemen eröffnen, ebenso wie die persönliche Stellungnahme im Forum - mit eigenem Foto
und echtem Namen im Profil - eine “Nähe” zwischen den StudentInnen generieren sollte. Diese
doppelte Nähe empfanden einige als “hemmend”. Und zudem auch das Gefühl schlechtes Gewissen
zu haben, wenn man sich nicht so sehr für die Sache engagiert, wie der Lehrveranstaltungsleiter es
sich wünscht3.
Ausgehend von den im Forum artikulierten Bedenken, wurde zu Semesterende nach den
Prüfungen vom Autor dieser Arbeit eine Evaluation durchgeführt, die erheben sollte, inwiefern
diese Bedenken von den StudentInnen geteilt wurden. Dabei gab es zwei positive Überraschungen.
Einerseits wurde bei der Prüfung der beste Notendurchschnitt erreicht, seit Bestehen des Zyklus.
Andererseits war trotz der Abnahme der “aktiven” und “kollaborativen” TeilnehmerInnenzahl, das
3 Die Diskussionen um die möglichen Ursachen für den sich leerenden Hörsaal fanden in einem geschlossenen Forum statt und sind nicht öffentlich zugänglich.
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allgemeine Feedback sehr positiv. Die meisten StudentInnen (42 von 54)4 gaben an, in der
Lehrveranstaltung viel mitgenommen zu haben. Herausstechende Kritikpunkte jedoch waren, dass
die Grundthemen zu wenig vom Lehrveranstatlungsleiter in der Präsenzzeit erklärt wurden
(stattdessen gab es einen Background-Bereich im Forum, in dem StudenInnen selbständig
Grundthemen nachlesen mussten), und andererseits, dass zu wenig Struktur für kooperative
Teilnahme vorgegeben wurde. Der Großteil der StudentInnen war generell zu Kooperation bereit
(35 von 54), jedoch unter geklärten Aufgabenstellungen sowie unter der Bedingung, dass die
kooperativen Bemühungen auch positiven Einfluss auf die Note haben sollten.
Ein Bedenken wurde von den StudentInnen besonders häufig bestätigt und soll in dieser
Arbeit aufgegriffen werden. Die meisten der befragten gaben an (23 von 54), sich nicht am Forum
beteiligt zu haben, weil sie sich eingeschüchtert fühlten. Und dies, obwohl der
Lehrveranstaltungsleiter - wann immer die Teilnahme im Forum Thema in der Präsenzzeit war -
betonte, dass jeder Beitrag, sei er auch noch so rhapsodisch, sei es eine bloße Frage, willkommen
sei. Kein einziger Beitrag im Forum wurde vom Lehrveranstaltungsleiter oder von den
StudentInnen als “falsch” oder “undurchdacht” beurteilt. Weder bestand die Gefahr, über
“unqualifizierte” Beiträge die eigene Note herabzusetzen, noch wurde die Formulierung
“unqualifiziert” vom Lehrveranstaltungsleiter überhaupt toleriert. Jeder Beitrag, so wurde von ihm
betont, sofern er Artikulationsbemühung des eigenen Problembewusstseins darstellt, war
willkommen und nach dem die Lehrveranstaltung begleitenden Bildungsbegriff5 Ausdruck von
Bildungsprozessen, unabhängig von seinem propositionalen Gehalt.
Trotz allem gab es in der Lehrveranstaltung scheinbar nichtsdestotrotz Hemmungsgefühle,
sich im Forum zu beteiligen. Von diesem Problem geht diese Arbeit aus, und nicht von der
Tatsache, dass die StudentInnenanzahl im Laufe des Semesters abnahm. Dies, wie die Evaluation
und die guten Notenergebnisse nahe legen, war aus Sicht der StudentInnen nicht notwendiger Weise
ein Problem. Im Gegenteil, ein Großteil der StudentInnen gab an, sich an der Lehrveranstaltung
“passiv” beteiligen zu wollen und wollte diesen Modus auch offiziell “anerkannt” sehen (29 von
54).
4 Der Fragebogen ist dieser Arbeit beigelegt. 5 Bildung wurde hierbei verstanden als “In Sprache heben des Gewahrseins”.
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III. Die Fragestellungen und Ergebnisse
Fragestellung I - “Inwiefern können explizierte normative Vorgaben Hemmungsgefühle in
Lernsituationen entschärfen?”
Ausgehend vom Problem der Hemmungen in der oben geschilderten Lernsituation, soll die
Frage aufgegriffen werden, wie diese Hemmungsgefühle vor dem Hintergrund des relativ
schwachen normativen Rahmens der Lehrveranstaltung verstanden werden können. “Schwache
Normierung” meint hierbei, dass die Teilnahme am Forum an fast keine normativen Vorgaben - wie
Stil, Reflexionsniveau, zu Rate gezogene Primärliteratur, gelernter Unterrichtsstoff etc. - gebunden
war. Es wurden m.a.W. keine Minimalnormen oder Standards formuliert, an welche die Teilnahme
im Forum gebunden war - die einzige Minimalnorm schien Fragebereitschaft.
Und Dennoch gab es scheinbar Hemmungsgefühle. Teil I dieser Arbeit soll
bildungsphilosophisch zu klären versuchen, wie es zu Hemmungssituationen trotz mangelnder
Normierungen kommen kann und ob nicht gerade klarere normative Vorgaben - anhand von
Minimalnormen als Bedingung der Teilnahme im Forum - „enthemmend“ sein könnten. Dafür wird
zunächst ein Blick in die Debatte um die Sinnhaftigkeit der Einführung von Bildungsstandards
geworfen. Diese geht nicht von Hemmungsproblemen, sondern schlechtem Abschneiden der Länder
im PISA-Vergleich aus. Dennoch könnte sich der Lösungsvorschlag der PISA-Studie,
Mindeststandards einzuführen, auch von Hemmung entlastende Funktion für LernerInnen haben -
unabhängig davon, ob hiermit tatsächlich auch die Erwartungshaltung gegenüber gesteigerter
Kernkompetenzen erfüllt werden kann oder nicht. Quasi unbeabsichtigte Folge der Einführung von
Bildungsstandards könnte sein, so die Argumentation in Teil I der vorliegenden Arbeit, dass
Hemmungen in Lernsituationen über die Artikulation von Erwartungshaltungen anhand von
Standards entschärft werden könnten.
Die Begründung der Empfehlung, Normen zu explizieren um Hemmungssituationen zu
mildern, soll über den Umweg der Identitätsbildungsphilosophie Eriksons gesucht werden. Normen,
verstanden als Handlungsaufforderungen, die neben der Handlungsaufforderung zugleich auch das
Interesse der Auffordernden, dass diesen entsprochen werden solle vermitteln, haben teils
identitätskonstitutive Funktion. Bewusstseine nehmen Normen m.a.W. nicht nur zur Kenntnis,
sondern wo diese “verinnerlicht” wurden, werden sie zu einem integrativen Bestandteil des eigenen
Selbstempfindens, werden “bedeutsam”. Sobald eine Norm jedoch auf diesen Weg zum Wert wird,
entstehen potenzielle Hemmungssituationen. In der genannten Lehrveranstaltung gibt es mindestens
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drei Quellen für Normierungen: die Bildungsinstitution, der Lehrveranstaltungsleiter sowie die
StudenInnen selbst. Diese Normierungen aber haben, wie gezeigt werden soll, nicht die Gestalt
expliziter Handlungsvorgaben, sondern vielmehr implizierter Handlungserwartungen. Gerade diese
implizite Normativität der oben geschilderten Unterrichtssituation, könnte zur einer normativen
Überladung des Unterrichtsraums geführt haben, der man prinzipiell als endliches Bewusstsein
nicht gerecht werden kann. Eine Explizierung bestimmter Normen als offizielle
Teilnahmebedingungen an den Foren, könnte dagegen von vereinnahmenden Hemmungen
entlastende und zu Commitment anleitende Funktion haben.
Fagestellung II - “Inwiefern hat (virtuelle) Raumtrennung eine bildungsfördernde
Funktion?”
Ob explizite Normierung auch zudem eine bildungsfördernde Funktion haben könnte, soll in
Teil II der Arbeit untersucht werden. Hierfür wird der Frage nachgegangen, inwiefern
Raumtrennung im genannten Fallbeispiel bildungsfördernde Funktion haben könnte. Raumtrennung
kann jedoch gerade anhand explizierter Normen vollzogen werden. Normierungen, das wird zu
zeigen sein, schaffen Räume. Raum wird dabei in Anlehnung an Löw über Syntheseleistung und
Spacing verstanden, d.h. (An)Ordung von Symbolen an einem Ort. Wie in Anlehnung an Bollnow,
Gebser und Foucault gezeigt werden soll, sind Räume wiederum Wiederspiegelungen von Identität.
Nimmt m.a.W. der oben genannte Lehrveranstaltungsleiter eine explizite Normierung der
Teilnahmebedingungen am Forum vor, schafft er einen Raum, ordnet er Handlungen, Güter und
Symbole auf bestimmte Weise vor. Diese Anordnung jedoch ist zugleich eine Artikulation seiner
eigenen Identität sowie der Professions-Identität, welche er als Lehrperson vertritt. Um Identität
jedoch in ihrer Erschlossenheit für andere verstehbar zu machen, sind erschlossene
Handlungsaufforderungen notwendig. Und gerade diesem Moment der Erschlossenheit von
Handlungsaufforderungen kann über (virtuelle) Raumtrennung Rechnung getragen werden. Fallen
dagegen mehrere Räume aufgrund mangelnder Explizierung von Normierungen an einem Ort
zusammen, werden die Normierungen - indem sie aus ihrer Erschlossenheit gerissen werden - miss-
oder gar unverständlich.
Wenn eine Identität sich m.a.W. verstehbar machen will, so kann sie es nur über die
Erschlossenheit eines von ihr normierten Raumes, der von anderen Räumen klar differenziert wird.
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Raumtrennung und Normierung sind hierbei Voraussetzung für Verstehensprozesse. Dieses Prinzip
der Raumtrennung über explizierte Normierung fördert jedoch nicht nur Verstehensprozesse,
sondern bildet zugleich Bewusstseinsstruktur oder Prinzipien der Weltaufordnung ab, wie etwa die
Erschlossenheit von Identität. Sofern diese explizierten Normierungen selbst zum Gegenstand von
Reflexion gemacht werden, d.h. die Weltaufordnung abbildende Raumstruktur selbst zum
Gegenstand von Reflexionsprozessen wird, können Bildungsprozesse - im Sinne der
Bewusstwerdung eigener Weltaufordnung - angeregt werden. Die Differenzierung des im
Fallbeispiel geschilderten Lehrveranstaltungsraumes in mindestens drei Artikulationsräume, durch
innerhalb dieser Räume geltende explizite Normierungen, soll als notwendige - wenn auch nicht
hinreichende - Bedingung für Bildungsprozesse, auf Seiten der Lehrperson als auch der
LernerInnen, plausibilisiert werden.
Derartige Raumtrennung lässt sich z.B. anhand eines Artikulationsbereiches für die
Profession, den Lehrveranstaltungsleiter sowie der beteiligten StudentInnen, virtuell realisieren.
Damit soll ein möglicher medienpädagogischer Bezug von Teil II der Arbeit zumindest angedeutet
und eine Möglichkeit praktischer Umsetzung des bildungsphilosophisch Diskutierten vorgeschlagen
werden.
IV. Methode
Beide Teile der Arbeit versuchen eine heuristische Kontextualisierung bisher etablierter
Identitätskonzeptionen mit der geschilderten Problemsituation. Die im jeweiligen letzten Kapitel
jedes Teiles ausgeführten praktischen Differenzierungsvorschläge könnten erprobt und
Hemmungsgefühl empirisch erhoben werden. Eine empirische “Plausiblisierung”, wie sie für die
Annahme von Hemmungsgefühlen anhand eines Fragebogens erbracht wurde, konnte für die
Differenzierungsvorschläge selbst nicht geleistet werden, weil diese im Rahmen der genannten
Lehrveranstaltung nicht durchgeführt werden konnten, ohne zu gravierende Einschnitte in den
didaktischen Aufbau der Lehrveranstaltung zu fordern.
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Teil I. Die enthemmende Funktion expliziter Normierung
1. Die Legitimation von Bildungsstandards aus Sicht der PISA-Studie
I. Wozu Bildungsstandards?
Die Ergebnisse von PISA 2000 deuteten den Autoren der Studie zufolge auf gravierende
Mängel im deutschen Bildungssystem. Die Studie wurde von der OECD in Auftrag gegeben und
hatte zum Ziel, den Regierungen der getesteten Länder Indikatoren für die Erleichterung politischer
Entscheidungen, zur Verbesserung des Bildungssystems zur Verfügung zu stellen6. Dabei wurde von
einem funktionalistisch orientierten Grundbildungsverständnis ausgegangen und vier
2. Standards als zur Erfüllung aufrufende Handlungsaufforderungen
I. Standards als explizierte Normen
Standards gelten in dieser Arbeit als mit Normen34. Jeder Standard ist eine Norm, nicht jedoch
jede Norm ist ein Standard. Standards meinen hierbei explizierte Normen und weniger
vereinheitlichte Normen. Normen sind Handlungsaufforderungen – etwa der Form “tue dies” -, die
mittels Symbolen an andere Bewusstseine gerichtet werden35. Eine Handlungsaufforderung kann
hierbei anhand eines Satzes, ebenso aber auch anhand eines singulären Zeichens vermittelt werden.
Normen können auch durch ein Kollektiv formuliert werden und Handlungsaufforderungen für die
Erfüllung bestimmter sozialer Rollen oder Praktiken artikulieren. Solange die innerhalb des
Rahmens einer sozialen Praxis geltenden Normen oder Handlungsaufforderungen befolgt werden,
gewinnt das handelnde Individuum innerhalb dieser Praxis geltende Rechte. Die geltenden Normen
sind hierbei für die handelnden Individuen kein kategorisches “Muss”, im Sinne eines
kategorischen Imperativs, sondern hypothetisch: sofern ein Individuum anerkanntes Mitglied einer
sozialen Praxis bleiben, sowie bestimmte Rechte haben will, “muss” es die geltenden Normen
befolgen. Sofern StudentInnen z.B. ein Zeugnis wollen, welches ihnen bestimmte Rechte verleiht,
“müssen” sie bestimmte Lerninhalte wiedergeben können. Sofern man das Recht will, ein Auto zu
fahren zu dürfen, “muss” man die Straßenverkehrsordnung befolgen.
Die Befolgung von Handlungsaufforderungen entspringt somit bestimmten Interessen.
Straßenschilder sind Handlungsaufforderungen, die innerhalb der sozialen Praxis “Autofahren”
Geltung haben. Sich hinter ein Lenkrad zu setzen und loszufahren, wird erst dann zur Praxis des
“Autofahrens”, wenn man sich der Einzuhaltenden Straßenverkehrsordnung bewusst ist, diese
befolgt und zudem ein Interesse damit abdeckt. Ein bewusstloses Bewusstsein am Steuer “fährt”
nicht Auto, sondern vielmehr “fährt” das Auto mit ihm. Dem Bewusstlosen fehlt das Interesse am
Autofahren - wie etwa irgendwo besonders schnell ankommen zu wollen. Damit fehlt ihm das
Interesse am Erfüllen der die Straßenverkehrsordnung definierenden Handlungsaufforderungen.
Ebenso jedoch fehlt dem Bewusstlosen die Fähigkeit die geltenden Normen anzuerkennen und
bewusst einzuhalten. Wo dieses Bewusstsein fehlt, kann nicht von Regelbefolgung die Rede sein36.
Würde dessen Körper aus Zufall die Bremse aktivieren und das Fahrzeug vor einem Stoppschild
zum Halten bringen, wäre dies nicht ein Akt der bewussten Anerkennung und Einhaltung einer
34 Klieme 2003, 3135 Dux 2000, 31336 Searle 1995, 146
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Norm aus Interesse.
II. Der normative Gehalt von Deskriptionen
Hierbei wird Handlungsaufforderung sehr weit gefasst und umfasst neben offensichtlichen
Präskriptionen, die Sanktionen androhen, auch deskriptive Äußerungen - sofern diese auch an
andere Bewusstseine gerichtet sind. Selbst eine bloß deskriptive Äußerung wie “heute regnet es den
ganzen Tag.” hat normativen oder handlungsauffordernden Charakter in mindestens zweierlei
Sinne. Sie beschreibt nicht nur das Wetter, sondern - sofern sie an ein anderes Bewusstsein gerichtet
ist - artikuliert auch die implizite Aufforderung über das Wetter, und nicht über etwas anderes zu
sprechen. Zudem jedoch stellt sie den Anspruch, und dies ist ihr zweiter normativer Gehalt, dass so
über das Wetter nachzudenken sei, wie vorgemacht wurde. M.a.W. wird impliziert, dass dies eine
richtige und legitime Form des Nachdenkens über das Wetter sei. Die Deskription lässt sich in
folgende Präskriptionen aufbrechen: “denke mit mir gemeinsam über das Wetter nach!” sowie
“denke auf die von mir vorgemachte Weise über das Wetter nach!”.
Auch in diesem deskriptiven Beispiel werden Interessen ausgedrückt. Die bloße Deskription
des Wetters drückt das Interesse über das Wetter zu sprechen aus, ebenso wie das Interesse, das
Wetter richtig beschrieben zu haben. Diese Verbindung von Handlungsaufforderung und
Erwartungshaltung, dass dieser entsprochen werden solle, um bestimmte Interessen zu decken,
interessiert am Begriff der Norm in dieser Arbeit. Die Deskription selbst drückt das Interesse aus,
dass das angesprochene Bewusstsein die vermittelte Information und das Thema für sich relevant
oder bedeutsam werden lassen solle37. Wie Dux treffend feststellt, wird nicht nur gesagt, was getan
werden solle - über das Wetter nachzudenken - sondern zudem auch, dass es getan werden solle38.
In dieser impliziten Aufforderung, dass die eigenen Interessen respektiert werden, liegt das Sollen
der bisher behandelten Normen39.
Wenn das mit dieser - zum Mithandeln auffordernden - Deskription angesprochene
Bewusstsein nicht auf die Aufforderung eingeht - indem es weder widerspricht, noch bejaht oder in
irgend einem Sinne zum Ausdruckt bringt, verstanden zu haben, was gesagt wurde -, droht ihm
zwar im Gegensatz zu einer institutionalisierten sozialen Praxis keine Sanktionsmaßnahme, ist
37 Dux 2000, 31338 Dux 2004, 23539 Dux 2004, 85
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jedoch auf Seiten des sprechenden Bewusstseins ein Zeichen dafür, nicht verstanden oder mit
Absicht ignoriert worden zu sein. Dieses Nichtnachkommen der Handlungsaufforderung wird
jedoch nicht bloß faktisch zur Kenntnis genommen, sondern hat - wie im nächsten Kapitel zu zeigen
sein wird - auch Konsequenzen für das Selbstgefühl der Handlungsaufforderungen missachtenden
Personen.
III. Handlungsaufforderungen existieren nur vor einem “Background” anderer
Handlungsaufforderungen
Die Zeichen, welche die innerhalb der sozialen Praxis gültigen Normen repräsentieren,
können von ihrer normativen Funktion auch aufgehoben werden: zu Großereignissen gelten an
bestimmten Stellen Stoppschilder nicht mehr, weil innerhalb eines bestimmten Bereichs die soziale
Praxis des Autofahrens “aufgehoben” wurde. Diese Beobachtung plausibilisiert, dass Normen nicht
unabhängig von einer sozialen Praxis Geltung haben. Ebenso ist die Aussage, dass es regne, nur vor
dem “Background”40 anderer, gemeinsam geteilter Fähigkeiten, Wissensbestände, Interessen und
Praktiken verständlich.
Umgekehrt gilt aber, und hier liegt die Relevanz des Gesagten für die weitere Diskussion,
dass es keine soziale Praxis ohne Normen - im Sinne der Handlungsaufforderung - geben kann.
Handlungsaufforderungen definieren soziale Praxis. Sie drücken einerseits Interessen aus;
andererseits, wie etwas “richtig” getan wird, sodass diesen Interessen entsprochen wird. Auch die
im Fallbeispiel thematisierte institutionalisierte soziale Praxis des Studierens wird m.a.W. über
Normen - in dem hier verwendeten Sinne - konstituiert. Normen drücken dabei einerseits aus, was
bedeutsame Themen der inneruniversitären Auseinandersetzung sind, andererseits aber auch, wie
diese Themen im universitären Rahmen methodisch richtig erforscht werden sollten. Daneben
werden diese Normen – sofern es sich um offizielle Normierungen der sozialen Praxis des
Studierens handelt - von Sanktionsmaßnahmen als auch Statusfunktionen41 begleitet.
40 Searle 1992, 17941 Searle 2004a, 74
Mario Spassov a0309830 18
3. Institutionalisierte Räume als immer schon vornormierte Räume
I. Insitutionlisierte Räume sind immer schon durch Institutionen vornormiert
Für jede soziale Praxis gilt, dass sie durch Normierungen oder zu erfüllende
Handlungsauffoderungen erst konstituiert wird. Das sind all jene “Aufforderungen”, die den an der
sozialen Praxis teilnehmen wollenden Individuen nahe legen, was innerhalb der Praxis tunswert ist,
sowie, wie es getan werden “soll”. Das “Soll” ist hierbei, wie bereits dargelegt wurde, ein
hypothetischer Imperativ. Erst über derartige Handlungsaufforderungen entsteht soziale Praxis und
ein gemeinsamer Gegenstand, an den aus einer gemeinsamen methodischen Perspektive heraus
Annäherung stattfindet. Die Annäherung an den gemeinsamen Gegenstand gilt als innerhalb der
Paxis “Sinnvolles”. Werden diese Normen zudem versprachlicht sowie deren Erfüllung zur
offiziellen Bedingung der Teilnahme an dieser Praxis gemacht, wird die Praxis institutionalisiert.
Ein Bruch gegen das “Was” und “Wie” hätte Sanktionen zur Folge.
Im Falle institutionalisierter Räume, wie dem universitären Unterrichtsraum, der im
Fallbeispiel der Einführung skizziert wurde, müsste es sich nach dem Dargelegten um einen durch
die Institution immer schon vornormierten Raum handeln, obwohl betont wurde, dass in der
Lehrveranstaltung sehr schwache offizielle normative Vorgaben gemacht wurden. Im Folgenden
sollen einige implizit geltende durch die Institution eingesetzte Normen expliziert werden.
Eine derartige Norm war etwa die Rollenverteilung im Unterrichtsraum - dass Lehrpersonen
unterrichten und StudentInnen währenddessen zuhören “sollten”. Hierbei gab es Normen, die an die
Lehrpersonen selbst gerichtet waren, und andererseits auch Normen, die - vermittelt über die
Lehrperson - an die StudentInnen gerichtet waren. Hätten sowohl Lehrperson als auch StudentInnen
gegen diese in jeder Lehrveranstaltung implizit geltenden, dennoch offensichtlichen Grundnormen
verstoßen, hätten sie mit Sanktionsmaßnahmen rechnen müssen. Auch wenn dies nicht in jeder
Lehrveranstaltung ausdrücklich explizit gemacht wird, ist der Hörsaal nicht der soziale Ort, an dem
gemeinsam musiziert wird. Hätten StudentInnen oder der Lehrveranstaltungsleiter gegen diese
unausgesprochene Norm verstoßen, wäre den Beteiligten ohne lange Legitimation aufgefallen, dass
hier von den jeweiligen - gegen die Normen verstoßenden - Personen etwas grundsätzlich nicht
verstanden wurde und “falsch” gemacht wird.
Neben dieser Norm der Rollenverteilung gab es auch subtilere, von der Institution
vorgegebene, Handlungsaufforderungen. Im Vorlesungssaal z.B. war die höchste implizite und
Mario Spassov a0309830 19
zudem u.U. auch unbewusste42 Norm das Wissen. Während der unterrichtete Inhalt selbst, wie beim
obigen Beispiel der bloßen Deskription des Wetters, normfrei scheinen und bloße physikalische
Abläufe zum Thema haben kann, ist er dennoch normierend. Der Inhalt beschreibt nicht nur
sondern macht zugleich vor, wie etwas “Bedeutsames” auch “richtig” erschlossen wird. Im
“bloßen” Unterricht findet die Handlungsaufforderung statt, was in den Blick genommen werden
und wie dies geschehen “soll”, sodass hierbei Wissen produziert wird. Wissen ist an der
Bildungsinstitution Universität unhintergehbares “Soll” oder Interesse, welches über das Erfüllen
bestimmter Handlungsaufforderungen realisiert wird. Wenn die Normen dabei von StudentInnen
eingehalten werden, ist dies Indikator dafür, dass sie “verstanden” haben und selbst in der Lage
sind, Wissensinhalte zu generieren. Der Vorgang des Wissenschaftens selbst unterliegt - ebenso wie
die Lehre des Wissenschaftens - bestimmten Normen oder Handlungsaufforderungen, wie etwas
getan werden soll, sodass Wissen dabei entsteht oder Wissenschaft betrieben wird.
II. Durch den Lehrveranstaltungsleiter vorgenommene Normierungen
Die in der Einführung geschilderte Lehrveranstaltung unterlag einerseits der
institutionalisierten Norm, dass Wissen über einen bestimmten Gegenstand auf bestimmte Weise zu
generieren sei und zugleich der Vorgang des Wissenschaftens vermittelt werden solle. Neben dieser
institutionellen Normierung, fanden aber noch weitere Normierungsprozesse statt. Eine derartige
Norm wurde vom Lehrveranstaltungsleiter in den Raum gebracht. Lehrpersonen, welche einerseits
die Einhaltung der von der Profession vorgegebenen Minimalnormen zu überprüfen haben, haben
gegenüber den StudentInnen - dank ihrer Statusfunktion - den Freiraum, eine offizielle normative
Ausgestaltung ihres Unterrichts vornehmen zu dürfen, sofern diese nicht gegen die von der
Institution vorgegebenen Normen verstoßen. Sie können Normen formulieren, welche nicht im
Studienplan unmittelbar vorzufinden sind. Eine derartige Norm war in der genannten
Lehrveranstaltung die Handlungsaufforderung, sich Wissensbestände selbst zu erschließen.
Norm war diese Handlungsaufforderung insofern, als sie als implizit sinnvolle und
befolgenswerte oder bedeutsame galt, wenn auch keine offiziellen Sanktionsmaßnahmen bei deren
Nichtbefolgung angekündigt waren. Diese Sinnhaftigkeit der Handlugsaufforderung fand im
“Elitebegriff” Ausdruck. Nicht umsonst - diese Vermutung wurde auch im Forum geäußert - wurde
42 Die Unterscheidung unbewusst/implizit wurde in der genannten Lehrveranstlatung vom Lehrveranstaltungsleiter eingeführt.
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der explizit wertende Begriff “Elite” auf diejenigen StudentInnen angewandt, welche der
Handlungsaufforderung der aktiven Teilnahme über Diskursbeteiligung im Forum Folge leisteten.
Es stand zumindest im Interesse des Lehrveranstaltungsleiters, dass sich StudentInnen
Wissensbestände selbst erschlossen. Diese Norm wurde als Handlungsanweisung expliziert, nicht
jedoch als Norm gekennzeichnet und stand gleichzeitig in Konflikt mit der von der
Bildungsinstitution vorgeschriebenen Minimalnorm der Vermittlung von Wissensbeständen. In
diesem gegenseitigen Ausschluss von institutionalisierter und vom Lehrveranstaltungsleiter
eingeführter Norm, könnten bereits Hemmungsgefühle keimen, wie im nächsten Kapitel gezeigt
werden soll.
III. Durch die StudentInnen vorgenommene Normierungen
Dies waren aber nicht die einzigen einander ausschließendem Normen im Unterrichtsraum.
Neben dieser vom Lehrveranstaltungsleiter eingeführten Norm des selbsterschlossenen Wissens,
entstanden innerhalb des sozialen Handlungsraums der Vorlesung eigendynamisch Normierungen
aus den Interaktionsprozessen der StudentInnen selbst. Im Forum entstanden relativ schnell
“Diskursnormen”. Ohne dass hierbei etwas bewusst als Norm ausgegeben wurde, entstanden durch
bloßes Vormachen einer möglichen Denkbewegung im Forum “Vorgaben” und Aufrufe, wie über
welche Themen nachgedacht werden kann - und soll. Indem alle diese Handlungsaufforderungen,
d.h. Aufforderungen über etwas Bestimmtes auf eine bestimmte vorgegebene Weise nachzudenken,
jedoch zugleich auch den impliziten Anspruch erhoben, etwas richtig zu tun, und dieses Tun von
anderen auch ernst genommen werden solle, wurden sie zugleich auch zu Normen. In Parallele zum
Beispiel der Deskription des Wetters, die zugleich eine Präskription ist, weil die über das Wetter
nachdenkende Person ein Interesse daran hat, dass das Gegenüber ihre Meinungsäußerung
nachvollzieht und für sich bedeutsam werden lasse, fanden im Forum nicht nur deskriptive, sondern
zugleich auch präskriptive Prozesse statt. Jede Äußerung im Forum beschrieb nicht nur
Sachverhalte, sondern war zugleich auch Ausdruck eines Interesses, dass diese Beschreibung von
anderen StudentInnen zur Kenntnis genommen werden sollte. Stellungnahmen in einem Forum
ereignen sich nicht einfach, vergleichbar einem Naturereignis, sondern werden bestimmten
Interessen folgend getan.
Indem im Forum bloß deskriptiv Stellung genommen wurde, dies war der Kerngehalt des
bisherigen Überlegungen, wurde bereits präskriptiv vorgemacht, was von anderen zur Kenntnis
Mario Spassov a0309830 21
genommen werden und wie über einen Gegenstand “richtig” nachgedacht werden solle. Dieses
doppelte “Soll” - das “du sollst mich ernst nehmen” sowie das “du sollst zeigen, dass du so über den
Gegenstand nachdenken kannst, wie ich es vorgemacht habe, auch wenn du letztlich anders über
den Gegenstand denkst” - wurde zwar nie offiziell als Soll deklariert und schon gar nicht dessen
Nichtbefolgung sanktioniert - niemand im Forum wurde ausgeschlossen, weil er/sie einer KollegIn
nicht geantwortet oder einen Beitrag nicht gelesen hatte. Dennoch, so die Vermutung, waren die
Stellungnahmen als Präskriptionen wirksam und ihr Nichtbefolgen ging - wie im nächsten Kapitel
zu zeigen ist - vielleicht teilweise mit Unbehagen und gar Hemmungsgefühlen Hand in Hand.
Obwohl vom Lehrveranstaltungsleiter immer wieder betont wurde, dass keine
Stellungnahmen im Forum bewertet würden und jedes Posting eine Prüfungsvorbereitung darstelle,
ja sogar damit zu rechnen sei, dass in Postings aufgegriffene Themen letztlich auch zur Prüfung
kommen könnten und damit die PosterInnen die eigentliche Prüfungssituation selbst mitgestalten
könnten, nahmen die Beiträge ab und viele StudentInnen berichteten, wie in der Einführung
festgealten wurde, sich nicht zu trauen im Forum zu posten, aus Angst, “Unsinn” zu schreiben oder
nicht so gute Artikel verfassen zu können, wie andere KollegInnen. Dies mag vor dem offiziellen
präskriptiven Hintergrund, dass immer wieder betont wurde, dass jedes Reflexionsniveau und
Sprachniveau willkommen sei solle, schwer verständlich scheinen. Vor dem inoffiziellen
präskriptiven Hintergrund aber, dass jede Stellungnahme zugleich einen Anspruch auf Wahrheit
stellt, als auch darauf, ernst genommen zu werden, könnte sich das Gefühl von StudentInnen, dass
tatsächlich von ihnen - entgegen aller offiziellen Versicherungen - doch relativ hohe Reflexions-
und Artikulationsniveaus erwartet wurden, als keine bloße Projektion erweisen.
Kompetenzvorsprünge zwischen StudentInnen alleine, so die bisherige Argumentation, boten
sich in der Lehrveranstaltung als implizite Präskriptionen an, wie etwas richtig getan werden soll.
Alle Beteiligten im Forum hatten einander gegenüber Kompetenzvorsprünge verschiedener Art.
Einige StudentInnen waren besonders wortgewandt, andere besser in der ad hoc Interpretation von
Piktogrammen, andere darin, Diskurse auf den Punkt zu bringen, andere wiederum hatten besonders
intensiv über einen Begriff nachgedacht etc. Ohne Lernprozesse und Reflexionsbemühungen
konnten die im Forum artikulierten Handlungsaufforderungen nicht unmittelbar von allen erfüllt
werden, ebenso wie auch nicht alle StudentInnen ohne Vorbereitung die Abschlussprüfung positiv
abschließen konnten. Und all diese Handlungsaufforderungen, gemeinsam jenen durch die
Institution sowie den Lehrveranstaltungsleiter eingesetzten - so die Vermutung - standen in
Zusammenhang mit den geäußerten Hemmungsgefühlen.
An dieser Stelle ist nur festzuhalten, dass der Lehrveranstaltungsraum normativ “überladen”
Mario Spassov a0309830 22
war. Warum diese Präskriptionen jedoch als “hemmend” erfahren worden sein könnten und nicht
bloß zur Kenntnis genommen wurden, wie etwa Naturereignisse wie Steinrutsche - sofern diese das
eigene Ich oder jenes anderer Personen nicht betreffen - bloß zur Kenntnis genommen werden, soll
im nächsten Kapitel diskutiert werden.
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4. Normen bieten sich zur Identitätskonsitution an
I. Die Bedeutsamkeitsbeziehung von Bewusstsein
Werte sind “interiorisierte” Normen. Dann, wenn eine Norm als Handlungsanweisung nicht
nur verstanden wird, sondern es dem handelnden Individuum ein Bedürfnis wird, diese Norm auch
zu erfüllen, d.h. dem Aufruf der Erfüllung Folge zu leisten, wird sie zu einem Wert43. Betritt man
z.B. ein fremdes Land, begegnet man einer fremden Wertewelt noch als bloßer Norm, d.h. als
Aufruf zum Handeln, welches im Interesse anderer Individuen ist. Man lernt mit der Zeit, welche
Normen oder Aufrufe es wann zu befolgen gilt, um Sanktionsmaßnahmen zu vermeiden. Doch sind
diese Normen so lange nicht zu Werten interiorisiert worden, zu einem Bestandteil des eigenen Ich
geworden, als sie aus Angst vor Sanktionsmaßnahmen befolgt werden und es für die Handelnden
eigentlich “keinen Unterschied macht”, ob sie der Norm entsprechen oder sie verfehlen. Normen
sind also ein bloßer Ruf, der verstanden werden kann, jedoch mit dem Verstehen nicht notwendig
ein Bedürfnis einhergeht, dem Ruf auch - unabhängig von Sanktionsmaßnahmen - folgen zu wollen.
Sobald man jedoch beginnt sich zu schämen oder Schuld empfindet, eine Norm verfehlt zu
haben, ist sie interiorisiert worden. Und es scheint beobachtbare Tatsache, dass Bewusstseine
gegenüber dem Nichtbefolgen bestimmter Handlungsaufrufe Schuld und Scham empfinden können,
auch unabhängig davon, ob sie bei der Nichtbefolgung öffentlich beobachtet werden oder mit
Sanktionen zu rechnen haben. In Eriksons Modell der Identitätsentwicklung sind Scham und
Selbstzweifel in der Kindesentwicklung die ersten Anzeichen interiorisierter Normen44 und über
diese Bedeutsamkeitsbeziehung zu diesen Normen konstitutierter Identität. Sobald ein Kind
beginnt, ein Schamgefühl ohne Androhung von Sanktionsmaßnahmen zu entwickeln, hat es die
Normen in sein Selbstbild interiorisiert, dem es gerade nicht entspricht. Das Identitätsgefühl des
Kindes ist weiter geworden und umfasst neben seinem Vertrauen in bestimmte Bezugspersonen45
zudem auch das Gefühl, jemand bestimmer zu sein, der bestimmten Handlungserwartungen gerecht
werden kann - oder eben nicht.
Jene Normen oder Handlungsaufrufe, die zu einem Wert interiorisiert wurden, werden vom
handelnden Bewusstsein nicht bloß zur Kenntnis genommen - wie ein Bewussstsein z.B. zur
Kenntnis nimmt, dass in einem bestimmten Land andere Kleidungsvorschriften gelten -, sondern
43 Zum Begriff der Interiorisierung siehe Dux 2004, 174f.44 Erikson 1973, 87ff.45 Erikson 1973, 62ff.
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üben auf dieses eine identitätskonstitutive Funktion aus. Sofern eine Norm zum Wert interiorisiert
wurde, braucht niemand die Verfehlung der Handlungsaufforderung zu beobachten, und dennoch
wird Scham oder Schuldgefühl empfunden46.
Warum es eine derartige Beziehung zwischen Erfüllung eines Aufrufes zur Handlung, sowie
dem eigenen Selbstempfinden gibt, ist damit keineswegs geklärt. In dieser Arbeit wird lediglich als
Ausgangspunkt darauf verwiesen, dass - aus welchen Gründen auch immer - Bewusstsein immer
eine “Bedeutsamkeitsstruktur” hat, d.h. es für Bewusstseine “einen Unterschied macht”, was sie
erfahren - Bedeutsames oder Profanes - ebenso, wie es für sie “einen Unterschied macht”, ob sie
dem Handlungsaufruf des einem Bewusstsein Bedeutsamen gerecht werden können oder nicht.
M.a.W. scheint es beobachtbare Tatsache - auch wenn diese u.U. nicht näher erklärt werden könnte
-, dass Bewusstseine, sofern sie den Erwartungen eines bedeutsamen Gegenübers nicht gerecht
werden, Scham oder Hemmung empfinden.
II. Die identitätskonstitutive Funktion von Kompetenz
Nach dem bisher Dargelegten haben Individuen nicht nur Kompetenzen, sondern zugleich
auch eine Bedeutsamkeitsbeziehung zu diesen Kompetenzen47. Diese Aussage kann am je eigenen
Bewusstsein erprobt werden: sofern es für das eigene Bewusstsein “einen Unterschied macht”, ob
man hinsichtlich einer bedeutsamen Fähigkeit kompetent ist oder nicht, nimmt man Kompetenz
nicht bloß zur Kenntnis, sondern ist davon betroffen. Kompetenz, ebenso wie andere Personen,
können Bewusstsein zu einem Anliegen werden.
Eine Norm erfüllen zu können erfordert Kompetenz. Bewusstseine jedoch verfügen nicht
einfach über Kompetenzen - oder eben nicht - sondern definieren sich, sofern Eriksons Modell der
Identitätsentwicklung stimmig ist, über ihre Kompetenzen als Iche48. Subjekten ist wichtig oder
bedeutsam, über bestimmte Kompetenzen zu verfügen - nämlich jenen, die in einem
Interiorisierungsprozess zu einem Wert geworden sind. Kann das Ich diese Kompetenzen erfüllen,
erfährt es Selbstachtung49, wird es ihnen dagegen nicht gerecht, empfindet es Scham.
46 Erikson 1973, 9447 In Anlehnung an Dux’ Ausführungen über den bedeutsamen Anderen ist hier die Rede von einer Bedeutsamkeitsbeziehung zu Kompetenzen. Dux 2004, 17848 Spätestens ab dem Lebensthema des Werksinns oder der Leistung wird Kompetenz bei Erikson als identitätskonstitutiv erfahren. Erikson 1973, 98ff.49 Erikson 1973, 17ff.
Mario Spassov a0309830 25
Vertritt das Bewusstsein dagegen gegen eine bloße Norm, erfährt es sein Ich als nicht davon
berührt. “Es macht für ein Ich keinen Unterschied”, ob es einer Norm gerecht werden kann oder
nicht, sie bleibt bloße Handlungsaufforderung, bloßer Aufruf. Höchstens die Konsequenzen des
Verstoßes gegen eine bloße Norm, könnten für das Ich einen Unterschied machen, nicht aber der
Verstoß selbst. Man denke z.B. an Erwachsene, die unter Kindern geltende Normen manchmal
durchaus nicht erfüllen können. Dennoch wird das Scheitern der Erwachsenen z.B. beim
Kartenspiel mit Kindern nicht notwendig von ihnen als Identitätsverlust erfahren. Im Gegenteil,
Erwachsene müssen oft sogar Betroffenheit und Anliegen “vorspielen”, die sie nicht erleben, um
den Kindern das Spiel nicht zu verderben. Spiel ist gerade dort ein wirkliches Spiel und kein “so-
tun-als-ob”, wenn jemand wirklich davon persönlich betroffen ist, ob er gewinnt oder verliert. Dass
m.a.W. Bewusstseine nicht nur über Kompetenz verfügen, sondern diese Kompetenz ihnen
bedeutsam ist, zeigt sich bereits im Spiel von Kindern, welche Niederlage und Sieg nicht bloß zur
Kenntnis nehmen.
III. Identität als der erschlossene moralische Raum von Bedeutsamkeitsbeziehungen
Oben war die Rede von identitätskonstitutiver Funktion von Werten. Identität meint in diesem
Zusammenhang ein zeitlich ausgedehntes Selbstgefühl50, welches über kohärente
Bedeutsamkeitsbeziehungungen konstitutiert wird. In Anlehnung an Erikson definiert Taylor
Identität als jenen moralischen Raum, innerhalb dessen einem Bewusstsein bestimmte Personen,
Probleme, Bewusstseinsinhalte oder Kompetenzen bedeutsam, wichtig sind51. Keine Identität, in
dem von hier gebrauchten Sinne, hätten Bewusstseine dann und nur dann, wenn ihnen alles ihnen
Begegnende völlig gleich-gültig wäre, d.h. einerlei wäre, ob sie wüssten oder nicht, ob sie sich
entwickelten oder nicht, kompetent wären oder nicht, Schmerz erführen oder nicht, stürben oder
nicht. Sobald es “für jemanden einen Unterschied macht”, ob er sehen kann oder plötzlich
erblindete, existiert dieser “jemand” auch schon als Identität, d.h. ein sich mit dem “sehen Wollen”
identifizierendes Bewusstsein. In diesem Sinne haben auch Tiere Identität, sofern es für sie auch
tatsächlich “einen Unterschied macht”, ob sie sich in einem Schmerzzustand befinden oder nicht.
Auf Maschinen und bloße Gegenstände dagegen, lässt sich die Formulierung des “für jemanden
einen Unterschied machen” nicht anwenden. Für eine Maschine “macht es keinen Unterschied”, ob
50 Erikson 1973, 17ff.51 Taylor 1996, 60; 67f.
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sie in ihre Einzelteile zerlegt wird. Es macht höchstens für jemanden in der Welt einen Unterschied,
ob diese Maschine zerlegt würde, oder - im übertragenen Sinne - für den Aufbau der Welt, doch
gibt es keinen “jemand als Maschine”, für den die Ganzheit der Mschine einen Unterschied machte.
Die Bedeutsamkeitsbeziehung zu ihren Bewusstseinsinhalten können sich Tiere nicht
aussuchen. Menschliche Identität dagegen ist teilweise eine aktive Konstruktionsleistung. Was
einem Bewusstsein bedeutsam ist, muss dieses Bewusstsein im Laufe seiner Geschichte erst
differenzieren. Ausgehend von bestimmten vorgegebenen Bedeutsamkeitsbeziehungen, wie jener
zur Nahrungsaufnahme oder Vermeidung von Schmerz, müssen menschliche Bewusstseine jenes
das ihnen bedeutsam ist erst finden. Deshalb fasst Taylor Identität als etwas auf, das aktiv gesucht
werden muss52. Und Bewusstseine können ihre Identität gerade auch über Wissensbestände und
Könnensbestände konstituieren, dies kann aus der Beobachtung geschlossen werden, dass
Bewusstseine nicht nur wissen, sondern ihnen auch wichtig ist, zu wissen.
Bevor dem Zusammenhang zwischen Identitätsbildung und Hemmung näher nachgegangen
wird, soll jedoch ein kurzer Blick darauf geworfen werden, wie die Interiorisierung von Normen zu
Werten verlaufen könnte.
IV. Die “Garantenstellung” von Bezugspersonen für gelungene Identitätskonstruktion
Günter Dux legt in Anlehnung an Stern ein Modell von Interiorisierung vor. Bereits Erikson
sieht das soziale Umfeld des Kindes als unter bestimmten Bedingungen Selbstgefühl fördernd an.
Im Gegensatz zu Freud fasst er das Über-Ich nicht als eine reine Beschränkung der eigenen
Bedürfnisse auf, der sich das Ich unterwerfen muss, sondern als potenzielle Anregung für die
Entfaltung eines Selbstgefühls und Selbstachtung53. Dux spricht im Falle der nächsten
Bezugspersonen des Kindes, zu denen das Kind stark emotional unterlegte Bindungen aufbaut, von
“bedeutsamen Anderen”. Über diese Personen lernt das Kind sich selbst als bedeutsamer Anderer
zu verstehen54. Zudem übernehmen die bedeutsamen Anderen jedoch auch die Rolle der “Garanten”
gelungener Identitätskonstruktion ein. Sie vermitteln dem Kind nicht nur Kompetenzen, sondern
garantieren diesem zugleich, dass diese Kompetenzen einem gelungenen Lebensführung, einem
52 Taylor 1996, 10353 Erikson 1973, 1354 Dux 2004, 173
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gelungenen Sinnentwurf dienen55.
Was bei Erikson vorgedacht, bei Dux jedoch explizit ausgesprochen wird, ist, dass
Identitätsentwicklung auf bedeutsame Andere angewiesen ist. Kinder konstruieren sich ihre
Identität oder Bedeutsamkeitsbeziehungen nicht aus reiner Abwägung nach einem
Rationalitätskriterium heraus, sondern durch Anlehnung an für sie bedeutsame Andere. Sie
übernehmen dabei nicht nur Kompetenz sondern zugleich auch die Bedeutsamkeitsbeziehung zu
Kompetenz. Kinder lernen nicht nur etwas zu tun sowie zu wissen, sondern zugleich, dass es
wichtig ist etwas zu wissen und zu können. Im bloßen Vormachen von Kompetenz bieten die
Bezugspersonen dem Kind einen sinnhaften Identitätsentwurf an. Die Bezugspersonen übernehmen,
um es nochmal in Dux’ gelungener Fomulierung zu sagen, eine “Garantenstellung” für die
Sinnhaftigkeit dessen, was Kinder von ihnen lernen.
V. Hemmungssituationen bei Nichterfüllen von interiorisierten Handlungsaufrufen
In einem inneruniversitären Forschungsprojekt gelang eine StudentInnengruppe zu dem
kontraintuitiven Ergebnis, dass selbst eine “gute” Mathematikschülerin die Interaktionen mit ihrer
Lieblingslehrerin in ihrem Lieblingsfach Mathematik als “hemmend” erfahren kann56. Sowohl die
Lehrerin als auch die Schülerin bezeichneten ihre Beziehung als positiv. Die Schülerin wurde von
ihren MitschülerInnen als Klassenbeste anerkannt und kam - zumindest während der Beobachtung -
nie in die Situation, geltenden Normen nicht gerecht geworden zu sein. Die StudentInnen
analysierten die Beobachtungen und kamen zu dem Schluss, dass die genannte Schülerin im
Mathematikunterricht Nervosität, Angespanntsein zeigte, sowie versuchte die Klasse und selbst die
Lehrerin mit ihren guten Mathematik-Kentnissen zu dominieren sowie beeindrucken.
Nach dem bisher Dargelegten könnte das zunächst kontraintuitive Ergebnis, dass gute
Schulleistungen nicht notwendig zu hohem Selbstvertrauen führen57, verständlich werden.
Angenommen, dass die genannte Schülerin die im Mathematikunterricht geltenden Normen nicht
nur gerecht werden kann, sondern diese zudem als bedeutsame interiorisiert hat, hat sie eine
identitätskonstitutive Bedeutsamkeitsbeziehung zu ihren Mathematikkentnissen und nimmt diese
nicht bloß zur Kenntnis. Nach Erikson würde sie Stolz gegenüber ihren eigenen Kompetenzen
55 Dux 2004, 17456 Datler 2003, 4857 Löw 2003, 74
Mario Spassov a0309830 28
Empfinden, wenn sie dagegen versagt, Scham. Gerade darauf scheinen die Beobachtungen der
StudentInnen hinzuweisen. Im Gegensatz zu einigen ihrer MitschülerInnen, welche die geltenden
Normen nicht interiorisiert haben, scheint die Schülerin nicht nur Kompetent sondern zugleich
auch von ihrer Kompetenz sowie der Bestätigung durch die Lehrerin sowie ihre MitschülerInnen
auf “schmerzlicher Weise abhängig”58 zu sein.
VI. Subjektive Bedeutsamkeitsrelationen, nicht “objektive” Leistung sind
identitätskonstitutiv
Das obige Beispiel veranschaulicht, dass Selbstgefühl nicht von “objektiver Leistung”
abhängt, sondern den subjektiv konstituierten Bedeutsamkeitsbeziehungen. Während für einige der
SchülerInnen in der genannten Klasse die Hausübung nicht gemacht zu haben, u.U. ein Gefühl des
Stolzes bergen kann, ist dies im Falle der Klassenbesten nicht der Fall. Ihr Selbstgefühl scheint -
zumindest teilweise - über ihre Bedeutsamkeitsbeziehung zu bestimmten Normen definiert, die
nicht einmal offiziell während der Mathematikstunde gelten müssen. So ist im Klassenraum keine
offizielle Norm, die Klassenlehrerin mittels eigener Kenntnisse zu übertreffen oder vor der Klasse
stets Kompetenz beweisen zu müssen. Offizielle Norm in der Klasse könnte dagegen sein, dem
Mathematikunterricht mit Bemühen zu begegnen, sowie die aufgetragenen
Handlungsaufforderungen zu erfüllen. Am Beispiel der Klassenbesten wird jedoch deutlich, dass
diese Normierungen auch überzeichnet werden können sowie identitätskonstitutive Funktion haben.
Das Dilemma der Klassenbesten ist hierbei, dass sie selbst sich Normierungen setzt, denen sie
kaum gerecht werden kann. M.a.W. ist denkbar, dass sie in ihrem Lieblingsfach, der Mathematik,
mit mehr Hemmung konfrontiert ist, als MitschülerInnen, die an nicht mehr als einer positven Note
interessiert sind, weil sie selbst sich Handlungsaufrufe stellen kann, welche uneinlösbar sind. Was
für ihr Selbstgefühl zählt, scheint nicht die objektive Leistung der Schülerin, sondern ihren je
eigenen bedeutsamen Handlungsaufrufen gerecht zu werden.
58 Datler 2003, 54
Mario Spassov a0309830 29
5. Ausdeutung des Fallbeispiels
I. Die Garantenstellung der Institution
Nach dem bisher Gesagten kann an dieser Stelle die Problemsituation des Fallbeispiels neu
interpretiert werden. Es wurde argumentiert, dass Identitäten nicht nur wahrheitsfähige Sätze
produzieren und über Kompetenzen verfügen, sondern - sofern sie ihre Identität über Kompetenzen
definieren - es “macht für sie auch einen Unterschied”, ob sie mit dem Gesagten richtig liegen und
kompetent sind. Einem Wert wie Kompetenz gegenüber nicht gerecht zu werden, wird dabei von
den Identitäten als persönliches Versagen empfunden und von Hemmungsgefühlen begleitet.
Identitäten nehmen nicht bloß zur Kenntnis, etwas nicht verstanden zu haben, oder das richtige
Ergebnis nicht erfolgreich im Gehirn “abgespeichert” zu haben, sondern sind auch persönlich davon
betroffen, ob sie das “Gespeicherte” wiederfinden können.
Die im Forum geäußerten Hemmungen könnten einerseits mit der Interiorisierung dieser über
die Institution geforderten und als sinnvoll “garantierten” impliziten Norm des Wissen-Sollens
zusammenhängen. Stellungnahmen im Internet werden “verewigt” und bleiben - im unterschied zur
mündlichen Kommunikation - auch über längere Zeit hinweg gespeichert und damit potenziell
kritisierbar. Die implizite Forderung nach Wissensproduktion seitens der Institution, kann zwar
einerseits neue Identitätskonzeptionen anregen, ein neues Seinsgefühl. Umgekehrt jedoch, wie in
jedem potenziell verwirklichbaren Lebensthema bei Erikson, steht dem positiven Potenzial auch das
Negative des möglichen oder reelen Scheiterns gegenüber. Gerade dann, wenn StudentInnen die an
der Bildungsinstitution geltenden Normen interiorisiert haben, werden sie Hemmungen verspüren,
wann immer sie vor der Möglichkeit diesen Normen nicht gerecht zu werden stehen. Und dies
scheint unabhängig von ihren “objektiven” Leistungen.
II. Die Garantenstellung des Lehrveranstaltungsleiters
Zudem jedoch bot sich neben dieser institutionell vorgegebenen und für die eigene Profession
als sinnvoll garantierten Handlungsaufforderung, sich bestimmte Wissensbestände anzueignen, auch
jene - durch den Lehrveranstaltungsleiter eingeführte - des selbsterschlossenen Wissens zur
Interiorisierung an. Hierbei war nicht mehr Wissen höchster Endzweck, sondern der Weg, auf dem
Mario Spassov a0309830 30
Wissensbestände erschlossen werden. Auch der Lehrveranstaltungsleiter übernahm eine
Garantenstellung sinnvoller Lebensführung, denn der Aufruf, sich Wissensbestände selbstständig zu
erschließen, ging implizit mit einem Sinnanspruch einher. Für diejenigen StudentInnen, die dem
Aufruf Folge leisten konnten, wurde der Begriff “Elite” ins Spiel gebracht. Im Forum wurde eine
Diskussion eröffnet, welche Interventionen gesetzt werden könnten, um alle beteiligten
StudentInnen möglichst rasch zu dieser “Elite” “aufschließen” zu lassen. Die Diskussion drehte sich
aber bald nicht mehr um mögliche Interventionen, sondern den Elitebegriff selbst. Denn einige
bisher unbeteiligte StudentInnen nahmen im Forum Stellung und “enttarnten” die Bezeichnung
“Elite” als “bewertend” und “trennend”. Dass die Forderung, andere zur Elite aufschließen zu
lassen, überaupt aufkam, wurde von diesen als das eigentliche, d.h. Hemmung auslösende Problem
angesehen. Und weniger, dass die meisten StudentInnen - aus welchen Gründen auch immer - nicht
zur Kollaboration bereit waren. Der Elitebegriff implizierte, dass allen StudentInnen eine aktive
Beteiligung im Forum bedeutsam werden solle und sie sich aus ihrer Position “bloßen” Zuhörens
herausbewegen sollten.
Auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen kann dies so verstanden werden, dass der
offensichtlich wertende Begriff “Elite” einen Handlungsaufruf expliziert, der zugleich vermittelt,
dass man den Ruf interiorisieren, bedeutsam werden lassen solle. Obwohl keine offiziellen
Sanktionsmaßnahmen für “nichtelitäre” Beteiligung angedroht wurden, drückt der Begriff implizit
schon aus, dass die Handlungsaufforderung “elitär” zu werden, nicht nur im Interesse des
Lehrveranstaltungsleiters lag, sondern dies auch das Interesse der beteiligten StudentInnen werden
solle.
Wie in der Einführung erwähnt, war die Absicht der Einführung dieses wertenden Begriffes
wohl eine andere. Diese Wertung und Garantenstellung, dass es sinnvoller sei, sich kollaborativ zu
beteiligen, als “passiv” zuzuhören, wurde von StudentInnen dennoch nicht bloß zur Kenntnis
genommen, sondern bot sich zur Interiorisierung an. All jene, die von Beginn nicht zu
Kollaboration bereit waren, fanden sich plötzlich auf der Seite eines nicht als sinnvoll garantierten
Entwurfs und nicht mehr willkommen. Und all diejenigen, welche das Interesse hinter dem Aufruf
interiorisierten, standen wiederum vor der hemmenden Möglichkeit, dem Aufruf nicht gerecht zu
werden. Ähnlich dem Beispiel der klassenbesten Schülerin, kann die bloße Möglichkeit des
Scheiterns schon hemmend erfahren werden.
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III. Die Garantenstellung der StudentInnen untereinander
Auch untereinander nahmen StudentInnen Garantenstellungen ein. Kompetenzvorstrünge
wurden demnach ebenso nicht bloß zur Kenntnis genommen. Sofern KollegInnen einander als
GarantInnen anerkannten, hatten sie auch das Bedürfnis, gegenseitigen Handlungsaufrufen Folge zu
Leisten. Dies könnte erklären, wieso einige StudentInnen Hemmung äußerten, Probleme nicht
gleichermaßen differenziert andere analysieren zu können. An keiner Stelle wurde dies als offizielle
Beteiligungsvoraussetzung der Lehrveranstaltung expliziert, an keiner Stelle wurde
Wettbewerbsdenken forciert. Dennoch wurde dieser Artikulationsraum zumindest von einigen
scheinbar als Gefahr erfahren. Wenn nicht als Gefahr für die eigene Note, so dennoch als Gefahr für
die eigene Identität. Wären die StudentInnen einander völlig gleichgültig gewesen, wären derartige
Hemmungen wohl nicht aufgekommen. Umgekehrt hätten sie dann jedoch kein Interesse an einer
Beteiligung im Forum haben können.
IV. Die Unmöglichkeit der Gerechtwerdung von Handlungsaufrufen in normativ überladenen
Räumen
Sofern die Bildungsinstitution, die Lehrperson sowie die KollegInnen als GarantInnen für
gelungene Ausübung der Profession sowie gelungener Lebensführung akzeptiert werden, wird ein
Scheitern gegenüber ihren - ob impliziten oder expliziten - Handlungsaufrufen als hemmend
erfahren. Wenn Wissen zu einem Wert interiorisiert wurde, wird das nach Wissen strebende
Bewusstsein Angst vor dem Nichtwissen haben. Wenn Kollaboration zu einem Wert interiorisiert
wurde, wird das kollaborieren wollende Bewusstsein Angst vor musslungenen
Kollaborationsprozessen haben etc.
Doch waren die bisher dargestellten impliziten Handlungsaufrufe nicht nur potenziell
verfehlbar, sondern prinzipiell praktisch nicht einlösbar. Einerseits schlossen sich Handlungsaufrufe
der Institution und jene des Lehrveranstaltungsleiters teilweise gegenseitig aus. Man konnte nicht
zugleich beiden gerecht werden, sich sorgsam Wissen selbst erschließen und zugleich die
Wissensbestände der eigenen Profession abdecken. Dem kamen noch die Artikulationen der
StudentInnen hinzu, welche alle implizit den Anspruch stellten, ernst genommen und verstanden zu
werden. Bei ca. je 40 neuen Beiträgen in jeder der ersten Wochen, war dies alleine schon
uneinlösbar. Der “normativen Überladenheit” des Unterrichtsraumes, in dem verschiedene
Mario Spassov a0309830 32
Handlungsaufrufe zusammenkamen, konnte kein einziges Bewusstsein gerecht werden; selbst jene,
die viel Zeit in die kollaborative Beteiligung investierten.
Nach dem bisher Diskutierten müssen Normen als nur Hemmungen weckende und Gefahr
bedeutende unüberwindbare Hindernisse erscheinen. Dennoch beteiligten sich an der
Lehrveranstaltung einige StudentInnen kollaborativ und wurden nicht durch überstarke
Hemmungen daran gehindert am Forum teilzunehmen. Umgekehrt ist auch anzunehmen, dass
StudentInnen die geltenden Normen tatsächlich auch gleich-gültig waren und sie sich nicht am
Forum beteiligten, weil ihnen die Lehrveranstaltung als solche nicht bedeutsam erschien. Im
nächsten und letzten Kapitel, soll jedoch die Frage aufgeworfen werden - und damit wieder an der
Forschungsfrage dieses ersten Teils angeschlossen werden -, ob nicht artikulierte Mindeststandards
eine “enthemmende” Funktion haben könnten.
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6. Explizite Normierung als Ermöglichungsbedingung von Commitment
I. Die konstruktive Freiheit von Bewusstsein: das Commitment
Das Bewusstsein ist den eigenen Identifikationen nicht völlig hilflos ausgeliefert. Es kann
zwar nicht aus reinem Willensakt heraus Bedeutsamkeitsstrukturen generieren. Dennoch kann
Bewusstsein seinen Lebensraum so einrichten, dass darin auch Orte sind, an denen es bewusst
bestimmte Bedeutsamkeitsbeziehungen “pflegt”. Diese Orte, um die Brücke zur Ausgangsfrage
nach der entlastenden Funktion von Mindeststandards aufzugreifen, sind gekennzeichnet über
eindeutige Normierungen. Es sind Orte wie der Musikraum oder das Arbeitszimmer. Betritt man
diese, gelten bestimmte höchste Normen, welche zugleich von der normativen Überladenheit der
Alltagssituation entlasten. Bewusstsein kann sich entscheiden, eindeutig normierte derartige Räume
zu betreten und den dort geltenden Handlungsaufrufen Folge leisten. Das Befolgen der
Normierungen kann Erfahrung sowie Bedeutsamkeitsstukturen - welche vor Betreten des jeweiligen
Raumes nicht unmittelbar vorhersehbar waren - generieren. Ein konstanter Übungsprozess eines
Musikinstruments z.B., kann Bedeutsamkeitsstrukturen generieren, welche dem Bewusstsein völlig
neu sind; etwa die Bedeutsamkeit des Gewahrens eines bloßen Tonintervalls.
Diese Entscheidung eines Bewusstseins, bestimmen Handlungsaufforderungen - unter
temporärem Ausschluss anderer - Folge zu leisten, soll als “Commitment” bezeichnet werden.
Institutionalisierte Räume, in denen derartig fokussierte und von anderen Handlungsaufforderungen
“entlastete”59 Praxis stattfinden kann, sind z.B. Unterrichtsräume. In diesen gelten zumindest
offiziell nicht mehr die Handlungsaufforderungen, die im Alltag Relevanz haben. Betritt eine
Lehrperson den Lehrraum, kann über kurz oder lang Stille einkehren, als Ausdruck dafür, dass die
beteiligten Bewusstseine sich auf das jeweilig gemeinsame Thema, die gemeinsame Praxis
ausrichten.
59 Schulräume als entlastende “Schutzräume” aufzufassen, wurde in in Prof. Alfred Schirlbauers Vorlesung “Didaktische Theorien” im Sommersemester 2006 angeregt. “Schutzräume” befreien der Konzeption dieser Arbeit zufolge nicht von Praxis schlechthin, sondern nur von der normativen Überladenheit der Alltagsräume. Die Begründung und nähere Definition der Begriffes „Schutzraum“ blieb dabei in der genannten Vorlesung aus.
Mario Spassov a0309830 34
II. Minimalnormen als Voraussetzung für Schutzräume
Um sich für ein Commitment entscheiden zu können, braucht Bewusstsein eindeutige
Handlungsaufrufe. Wer sich dem Klavierspiel “commiten” will, braucht klare, erfüllbare
Handlungsanweisungen, die nicht in einer Gleichzeitigkeit mit anderen, diesen widersprechenden,
formuliert werden. Was bisher in dieser Arbeit als “Handlungsaufruf” galt, deckt sich mit den
Autoren der PISA-Studie geforderten Bildungsstandards im Sinne explizierter erfüllbarer
Erwartungshaltungen oder Minimalnormen. Maximalnormen, wie etwa, sich selbst
Wissensbestände zu erschließen, oder gar der Aufruf, sich zu “bilden”, so die bisherige
Argumentation, können Hemmungen auslösen, die handlungsunfähig machen. Damit sollen die
Gehalte der Maximalnormen nicht in Frage gestellt werden, sondern die Frage aufgeworfen werden,
ob diese an ein endliches menschliches Bewusstsein gerichtet werden können und zugleich erwartet
werden kann, dass es diese ungehemmt bloß zur Kenntnis nimmt und auf deren Erfüllung
hinarbeitet. Wenn menschliches Bewusstsein immer schon Bedeutsamkeitsbeziehungen hat und es
“für dieses einen Unterschied macht”, ob es bestimmten interiorisierten Handlungsaufrufen Folge
leisten kann, wird es interiorisierte Maximalnormen nicht bloß zur Kenntnis nehmen sondern ihnen
gegenüber überall dort Hemmungen erfahren, wo es ihnen potenziell nicht gerecht wird.
Bisher wurde nur die entlastende Funktion von Minimalnormen diskutiert, jedoch nicht
geklärt, ob es sich hierbei um Input- oder Output-Minimalnormen handeln solle. Auch wurde offen
gelassen, ob in Unterrichtsräumen geltende Minimalnormierungen in allgemeine
“Bildungsstandards” übergeführt, d.h. in allgemein gültige und zu vermittelnde Kernkompetenzen
transformiert werden sollten. Diese Fragen bleiben in dieser Arbeit unbeantwortet, auch die im
ersten Kapitel gegen Bildungsstandards in diesem Sinne formulierten Einwände. In dieser Arbeit
wurde nicht das Ziel verfolgt, den komplexen Begriff “Bildungsstandard” zu legitimieren, sondern
jenen der Minimalnorm. Es wurde gezeigt, dass soziale Räume wie Unterrichtsräume zwar nicht
notwendig schon standardisierte, dennoch immer schon normierte Räume sind. Sofern diese
Normierungen expliziert werden, kann normative Überladung vermieden werden, die Hemmung
und Handlungsunfähigkeit auslösen kann. Wie derartige explizite Normierungen in Zusammenhang
der genannten Lehrveranstaltung aussehen könnten, soll im nächsten Kapitel skizziert werden.
Mario Spassov a0309830 35
III. Differenzierung von Commitments am Beispiel der besprochenen Lehrveranstaltung
Der normativen Überladenheit des in der Einführung geschilderten Fallbeispiels, könnte über
diverse Commitment-Modi oder Teilnahme-Modi begegnet werden. Jeder Modus würde hierbei
einerseits bestimmte Interessen artikulieren und zugleich Minimalnormen formulieren, wie diesen
Interessen begegnet werden könnte. StudentInnen hätten vor der Entscheidungssituation gestellt
werden können, in welchem Commiment-Modus sie bereit wären, die Lehrveranstaltung zu
absolvieren. Folgende - an der Unterrichtssituation beteiligte - Interessen und diese artikulierende
Modi, hätten differenziert werden können:
A. Nicht-kollaborative Modi
1. Minimalmodus
Interessen: das Grundinteresse der Bildungsinstitution, bestimmte minimale Wissensbestände
zu vermitteln. Das Grundinteresse von StudentInnen, eine Lehrveranstaltung mit “Genügend”
abzuschließen, ohne kollaborative Beteiligung.
Commitment: ein sehr kurzes allgemeines Skript lernen, in welchem die
professionsbezogenen Kernmodelle bündig dargestellt werden. Diese Beteiligungsform sollte
zumindest ein “Genügend” bei der Abschlussprüfung garantieren.
Wenn StudentInnen mit den hier genannten Interessen in die Lehrveranstaltung gingen,
konnten sie diese nur mit Mühe meistern, denn die Kerntheorien kennenzulernen setzte voraus, sich
mit langen - über die Kernmodelle hinausführenden - Diskursen auseinandergesetzt zu haben. Es
gab keine offizielle Anerkennung dieses “nichtelitären” und “passiven” Commitments.
2. Maximalmodus
Interessen: das Interesse von StudentInnen, die Lehrveranstaltung mit “Sehr Gut”
abzuschließen, auch ohne kollaborative Beteiligung.
Commitment: das Skriptum lernen und zudem einen blog lernen, in dem die (unten
dargelegten) kollaborativen Prozesse anhand von Threadzusammenfassungen und
Zusammenfassungen von Artikeln aufgearbeitet werden.
Nachdem in der genannten Lehrveranstaltungen die Diskussionen im Forum bald
Mario Spassov a0309830 36
unüberschaubar geworden waren, schlug der Lehrveranstaltungsleiter gegen Ende des Semesters
vor, dass StudentInnen die Rolle von Thread-ModeratorInnen übernehmen und in kurzen Artikeln
Threaddiskussionen zusammenfassen sollten. Diese Artikel sollten gegen Ende des Semesters vom
Lehrveranstaltungsleiter in einem blog zusammengestellt und öffentlich gemacht werden. Das
Projekt konnte nicht umgesetzt werden, hätte jedoch bestimmte Grundinteressen öffentlich
anerkannt.
B. Kollaborative Modi
1. Minimalmodi
Interessen: eigene kollaborative Beiträge, ohne dabei alle Kollaborationsprozesse
nachvollzogen zu haben. Die Lehrveranstaltung garantiert positiv abschließen.
Commitment: das Skriptum lernen und zudem einen Artikel anhand von Kernthesen und
einer Kontextualisierung mit den in der Vorlesung besprochenen Kernmodellen kontextualisieren.
Oder: das Skriptum lernen und eine Sammlung der besten eigenen Beiträge im Forum zur
Benotung abgeben60.
Oder: das Skriptum lernen und einen oder mehrere Forum—Threads moderieren und anhand
eines kurzen Artikels zusammenfassen61.
Das Exzerpt und die Kontextualisierung, sowie die Forumsbeiträge als auch die
Threadmoderation, könnten bei der Schlussprüfung eine Prüfungsfrage ersetzen und damit
garantieren, dass die Lehrveranstaltung zumindest positiv abgeschlossen wird.
2. Maximalmodi
Interessen: eigene kollaborative Beiträge und zudem Verantwortung gegenüber den
Kollaborationsprozessen im Forum übernehmen. Die Lehrveranstaltung garantiert positiv
abschließen und keine schriftliche Prüfung ablegen.
Commitment: das Skript lernen, einen Artikel zusammenfassen/kontextualisieruen sowie
60 Dies war Vorschlag des Lehrveranstaltungsleiters.61 Dies war Vorschlag einer Kollegin, welcher vom Lehrveranstaltungsleiter aufgegriffen wurde.
Mario Spassov a0309830 37
einen oder einige Threads im Forum moderieren und anhand eines Artikels zusammenfassen.
Oder: das Skript lernen, die besten eigenen Forumsdiskussionen zur Benotung abgeben und
einen Artikel zusammenfassen/kontextualisieren62.
Oder: das Skript lernen, die besten eigenen Forumsdiskussionen zur Benotung abgeben und
zudem einen oder mehrere Threads moderieren und zusammenfassen.
Diese Form des Commitments könnte die schriftliche Prüfung zur Gänze ersetzen.
Allen diesen Beteiligungsmodi, ob Minimal- oder Maximalmodi, ist gemeinsam, dass sie erst
über klare Minimalnormen konstituiert werden. Sofern ein Commitment zu einem bestimmten
Modus eingegangen wird, findet eine offizielle Entlastung von den anderen, möglichen
Handlungsaufforderungen statt. Diese Modi stellen eine minimale Differenzierung der an der
genannten Lehrveranstaltung beteiligten Interessen, sowohl auf Seiten des
Lehrveranstaltungsleiters, der Institution als auch der StudentInnen dar, und könnten weiter
verfeinert werden. Wie eingangs erwähnt, wurden die Interessen heuristisch, anhand der im Forum
geäußerten Bedenken und persönlicher Rücksprachen mit dem Autor dieser Arbeit gesammelt und
erhoben. Dies kann nicht mehr, als eine erste Annäherung an mögliche beteiligte Interessen sein.
Es müssten zudem klare Bedingungen formuliert werden, wie die Exzerpte, Kontextualisierungen
und Moderationen aufgebaut sein müssten, sodass ein Mindestaufwand garantiert wäre. Und
inwiefern diese Modi tatsächlich eine relativ “ungehemmte” Form der Beteiligung ermöglichen
würden, müsste erst empirisch erhoben werden.
62 Der Vorschlag Forumsbeiträge eine Prüfungsfrage ersetzen zu lassen kam vom Lehrveranstaltungsleiter.
Mario Spassov a0309830 38
7. Resumée
I. Die hemmende Funktion von Normen
Das bisher Gesagte sollte eine Perspektive auf die Sinnhaftigkeit von Standards in Hinsicht
auf die Milderung von Hemmungen, unabhängig von etwaiger Steigerung oder Minderung von
Leistung, darlegen. Unter Standards wurden gesollte Handlungsaufforderungen oder Normen
verstanden, die eingeteilt werden können in Minimal- Regel- und Maximalstandards. Zudem konnte
auch differenziert werden, an wen sich die Standards richten, z.B. - im Rahmen einer
Lehrveranstaltung - an StudentInnen oder Lehrpersonen. Standards wurden in dieser Arbeit nicht
gleichgesetzt mit allgemeingültigen Unterrichtsnormen, seien dies Input- oder Outputerwartungen,
sondern als Standard galten die im Lehrveranstaltungsraum expliziterten geltenden Normen, mögen
diese von Normierungen anderer Lehrveranstaltungen abweichen oder nicht. Zumindest für die
Gruppe der StudentInnen, so die Argumentation, kann die Explikation von Normen in Form
artikulierter Standards Befreiung enthemmend, wenn auch nicht notwendig leistungssteigernd sein.
Der Lehrveranstaltungsraum vor aller expliziten Formulierung von Standards, ist als
institutionalisierter sozialer Praxisraum immer schon implizit vornormiert, d.h. in ihm wurden
immer schon Handlungsaufrufe an die teilnehmenden Bewusstseine gerichtet. Impliziten Normen
haben potenziell hemmende Funktion.
Am Modell der Identitätsentwicklung von Erikson sowie am Modell der Interiorisierung von
Dux wurde gezeigt, dass Handlungsaufrufe oder Normen von Bewusstseinen zu verinnerlicht
werden können. Die Erfüllung bestimmter Handlungsaufrufe kann einem Bewusstsein bedeutsam
und damit identitätskonstitutiv werden. Sobald jedoch eine Norm interiorisiert wurde, hat sie
potenziell hemmende Funktion, da mit dem Scheitern oder der bloßen Möglichkeit des Scheiterns
gegenüber der Handlungsaufforderung auch persönliche Versagensgefühle, Scham und Zweifel
(scheinbar) notwendig einhergehen. Jede Identitätsstufe des Eriksonschen Modells weist einen
negativen, von Hemmung beladenen Pol des Versagens gegenüber der möglichen positiven
Identitätskonstitution auf. Ob dies notwendig so sein muss, wird von Erikson nicht diskutiert und
wurde auch in dieser Arbeit nicht aufgegriffen. Scham und Zweifel werden von Erikson als über
Beobachtung gestützte Prämisse eingeführt, welche in dieser Arbeit übernommen wurde. Diese
Prämisse würde jedoch erklären, wie es selbst in der Interaktion zwischen einer “guten” Schülerin
und ihrer Lieblingslehrerin, wie es am Beispiel der Klassenbesten im Mathematikunterricht
dargelegt wurde, zu Hemmungssituationen kommen kann: Hemmung ist demnach nicht unmittelbar
Mario Spassov a0309830 39
von der objektiv erbrachten Leistung abhängig, sondern vom interiorisierten und damit
identitätskonstitutiven Handlungsaufruf. Am Beispiel der genannten Schülerin ist der
Handlungsaufruf, die Klasse und selbst die Lehrerin durch Wissen zu dominieren, an keiner Stelle
durch die Lehrerin oder den Lehrplan offizieller Standard. Wo immer die Klassenbeste jedoch
gegen diese Norm verstößt, nimmt sie dies nicht bloß zur Kenntnis, sondern erfährt ihr eigenes
Identitätsgefühl als davon berührt.
II. Der normativ “überladene” Lehrveranstaltungsraum
Dieses Beispiel einer implizit geltenden, wenn auch nicht bewusst in den Klassenraum
eingeführten Norm, diente als Überleitung zum Versuch, das Eingangsbeispiel auf implizite
Normierungen hin zu untersuchen. Es wurde die Vermutung aufgestellt, dass in diesen gerade
aufgrund loser Normierung leicht Normierungen hineingetragen werden konnten und ihn normativ
überladen haben. Nicht nur gelten in diesem Unterrichtsraum implizit die von der Institution - wie
etwa Wissensproduktion - sowie die durch den Lehrveranstaltungsleiter in diesen Raum
hineingetragenen - wie etwa das selbsterschlossene Wissen. Auch die einzelnen StudentInnen
durften dank der losen Normierung im Forum eigene Normierungen in den Unterrichtsraum
einbringen. Bereits bloß deskriptive Stellungnahmen im Forum wurden als derartige Normierungen
gedeutet. Die Deskriptionen im Forum hatten einen mindestens zweifachen normativen
Sollensgehalt: hinter allen Artikulationen stand das Interesse (und damit das Soll), ernst genommen
zu werden, sowie das Interesse (und damit das Soll), die vermittelte Information für sich relevant
werden zu lassen.
Wo diese diversen Normierungen interiorisiert und zu Werten wurden, entstanden potenziell
Hemmungen am Ort des realen oder auch nur möglichen Versagens gegenüber der jeweiligen
Norm. Wo StudentInnen der Profession, dem Lehrveranstaltungsleiter sowie ihren KollegInnen
nicht mit distanzierter Gleichgültigkeit begegneten, gab es auch schon Hemmungspotenziale. Je
mehr und unausgewiesener die Normierungen sind, desto mehr Hemmungpotenzial hat ein
Unterrichtsraum, denn desto schwieriger wird es, den einander teilweise widersprechenden
Normierungen gerecht zu werden.
Mario Spassov a0309830 40
III. Normative “Entladung” des Lehrveranstaltungsraums durch explizite Normierung
Explizite Normierung des Lehrveranstaltungsraums jedoch, d.h. das Überführen von Normen
in offizielle (Teilnahme-)Standards, wurde als normativ entladend verstanden. Hierfür muss nicht
ein notwendiger Ausschluss der bisher in den Lehrveranstaltungsraum herangetragenen
Normierungen stattfinden, sondern es können unterschiedliche Teilnahme-Modi differenziert
werden. Über derartige explizit vornormierte oder standardisierte Räume, die bestimmte Formen
sozialer Praxis konstitutieren, kann Bewusstsein über Commitment Einfluss auf die ihm eigentlich -
zumindest direkt - unverfügbaren Bedeutsamkeitsstrukturen nehmen. Ein Bewusstsein kann sich
nicht entscheiden, was ihm bedeutsam und damit potenziell hemmend ist, es kann sich jedoch einer
sozialen Praxis, welche Bedeutsamkeitsstrukturen generieren kann, unter gleichzeitigem Ausschluss
und Entlastung von anderen Praktiken, “commiten”.
Diese Modi greifen zwar einerseits eine Pluralität an Normierungen auf, gleichzeitig aber
findet im Rahmen jedes einzelnen dieser Modi eine normative Entladung von den in den anderen
Modi geltenden Handlungsaufrufen statt. Jeder Modus wird dabei über bestimmte Minimalnormen
konstituiert. Werden diese nicht eingehalten, kann die Lehrveranstaltung nicht in diesem Modus
abgeschlossen werden. Erst über das offizielle Commitment an einen dieser Teilnahmemodi, ob nun
kollaborativ oder nicht, ob im Minimal- oder Maximalmodus, ob über Aufarbeitung von Artikeln
oder der Moderation von Threads, findet eine Verpflichtung gegenüber den im Modus herrschenden
Standards statt. Wird diesen entsprochen, kann nicht nur die Lehrveranstaltung positiv
abgeschlossen werden, sondern zugleich eine Entlastung von anderen im Lehrveranstaltungsraum
möglichen Normierungen.
Die Arbeit setzte mit dem Ergebnis der Diskussion um die Einführung von Bildungsstandards
ein und gelangte über einen anderen Argumentationsweg an ein ähnliches Resultat.
Bildungsstandards als explizierte Handlungsaufforderungen können demnach enthemmend wirken.
Sofern die Autoren der PISA-Studie für nach Außen hin explizierte und erfüllbare
Erwartungshaltungen plädieren, scheint diese Forderung durch diese Arbeit gestützt. Doch muss
nicht jede explizierte Norm zugleich auch standardisiert sein. Der Schritt hin zur Standardisierung
dieser Erwartungshaltungen kann aus dem Rahmen dieser Arbeit heraus weder legitimiert noch
kritisiert werden. Wie eine Explizierung von Handlungsaufforderungen im Zusammenhang mit dem
eingangs besprochenen Fallbeispiel aussehen könnte, wurde anhand der Differenzierung mehrerer
Teilnahmemodi vorgemacht. Die Teilnahmemodi stellen dabei explizierte Normen, jedoch
Mario Spassov a0309830 41
keinesfalls standardisierte Teilnahmebedingungen für Lehrveranstaltungen, dar. Sofern Eriksons
Modell der Identitätsenticklung haltbar ist, müsste eine derartige Differenzierung von
Teilnahmemodi Hemmungen minimieren. Diese Vermutung müsste empirisch untersucht werden.
Im zweiten Teil der Arbeit soll diskutiert werden, ob derartige explizite Normierung nicht
neben der entlastenden, auch eine bildungsfördernde Funktion haben könnte. Um diese These zu
stützen, soll gezeigt werden, dass explizite Normierung sich zur Raumdifferenzierung anbietet und
diese wiederum bildungsfördernd sein kann. Teil II beginnt mit Ausführungen zum in dieser Arbeit
verwendeten Raumbegriff.
Mario Spassov a0309830 42
Teil II. Bildungsfördernde Aspekte bewusster Raumtrennung
1. Räume
I. Drittpersonaler vs. erstpersonaler Raum
In seiner phänomenologischen Annäherung an den Raumbegriff, unterscheidet Bollnow den
mathematischen vom erlebten Raum. Mathematischer Raum ist ihm zufolge homogen. Alle darin
vorfindbaren Objekte stehen in konstanten Abständen zueinander, in diesem Raum gibt es keine
unerschlossenen Bereiche, unausgefüllte Koordinatenpunkte oder dunkle Stellen. Jeder beliebige
Koordinatenpunkt im mathematischen Raum kann zum Achsenmittelpunkt des Koordinatensystems
gemacht werden, es gibt keinen absoluten Mittelpunkt des mathematischen Raums63. Man könnte
diesen mathematischen Raum als einen - von den Koordinatenachsen aufgespannten - Behälter,
oder als eine Schachtel denken, in der Objekte mittels klarer Koordinatenangaben positioniert
werden64.
Diesem homogenen Raum stellt Bollnow den erlebten Wahrnehmungsraum entgegen, welcher
einen erlebten Achsenmittelpunkt hat. Der Achsenmittelpunkt ist der Sitz des Ichs und wurde oft
von der Psychologie zwischen den Augen, direkt hinter der Nasenwurzel verortet65. Im
Wahrnehmungsraum gibt es somit ein absolutes Zentrum, einen absoluten Schnittpunkt der
Raumachsen, aus dem Heraus der wahrgenommene Raum erfahren wird. Dieser Raum wird dabei
nicht anhand von Abständen und Koordinatenpunkten aufgespannt, sondern anhand subjektiver
Abstände zwischen Begegnendem und beobachtendem Ich. Es gibt hierbei zwar Nähe und Ferne,
doch nicht im Sinne diskreter Abstände. Ebenso wie beim mathematischen Raum gibt es ein
Achsensystem, dessen vertikale Achse jedoch fällt mit der Körperachse zusammen und ist damit an
die Position des Körpers gebunden. Die anderen zwei Achsen spannen die Horizontalebene des
Erdraums auf, auf der sich das Leben der Menschen abspielt66. Der Wahrnehmungsraum lässt sich
somit in Kategorien wie “oben”, “unten”, “vertraut”, “nahe”, “fern” fassen, nicht jedoch in
absoluten Raumabständen. Eine vertraute Stelle ist in Begriffen des erlebten Raumes “näher”, als
eine unbetretene - sei diese dem Körper des beobachtenden Bewusstseins auch in objektiven
63 Bollnow 1960, 39864 Diese Raumkonzeption, so Löw, scheint Piagets Untersuchungen zur Entwicklung räumlichen Vorstellungsvermögens bei Kindern zugrundezuliegen. Löw 2001, 7865 Bollnow 1960, 39966 Bollnow 1960, 399
Mario Spassov a0309830 43
Maßeinheiten “ferner”67.
Bollnow interpretierend könnte gesagt werden, dass die Unterscheidung dieser beiden
“Räume” mit der Cartesianischen Differenzierung von “res cogitans” und “res extensa“
zusammenfällt. Ebenso wie bei Descartes die res extensa, zeichnet sich der mathematische oder
drittpersonale Raum68 durch Größenangaben sowie Teilbarkeit von Strecken aus. Der erstpersonale
oder Wahrnehmungsraum dagegen, ist bestimmt über Erfahrungsqualitäten.
II. Raum als (An)Ordnung von Gegenständen
Die Unterscheidung von mathematischem und erlebten Wahrnehmungsraum könnte - in
Analogie zur Unterscheidung zwischen res cogitans und res extensa als zwei Substanzarten - den
Eindruck erwecken, dass es zwei unterschiedliche Räumarten gibt. In Anschluss an Martina Löw
soll jedoch hierbei nicht von zwei Räumen, sondern zwei Aspekten ein und des selben Raumes die
Rede sein. Löws Raumbegriff - ein zweiseitiges Gebilde, bestehend aus einer sozialen oder in
Terminologie dieser Arbeit erstpersonalen, sowie einer objektiven oder drittpersonalen Dimension -
wird als Grundlage für die anschließenden bildungsphilosophischen Überlegungen über den
Der drittpersonale Aspekt von Raum wird von Löw69 als “Ort” thematisiert, welcher eine
einmalige geographische Position hat und unabhängig von beobachtenden Bewusstseinen ist70.
Ähnlich wie Koordinatenpunkte in Bollnows mathematischem Raum, lassen sich Positionen von
Orten über Längen- und Breitengrade präzisieren. Das Positionieren von Gegenständen oder
Personen an Orten nennt Löw “Spacing”71. Der Ort ist m.a.W. das Ziel einer Platzierung oder eines
Spacings72. Die platzierten Gegenstände sind jedoch - im Unterschied zu jenen im mathematischen
Raum - keine “reinen” Objekte, d.h. von allem Bewusstsein gereinigt. Wenn Löw von
Gegenständen spricht, die an Orten positioniert werden, meint sie damit generell sinnbeladene
Objekte, d.h. bedeutsame Personen, Gegenstände oder Handlungen. Diese platzierten Objekte sind
67 Bollnow 1960, 40968 Zur Untercheidung erst- und drittpersonaler Ontologie siehe Searle 2004, 6869 Löw verwendet hierbei nicht die terminologische Unterscheidung erst- und drittpersonaler Perspektive.70 Löw 2003, 121; Löw 2001, 22471 Löw 2001, 15872 Löw 2001, 224
Mario Spassov a0309830 44
somit nie drittpersonal, bloß ausgedehnt und bewegte Gegenstände, definiert über
Raumkoordinaten73. Die jeweils positionierten Objekte haben stets auch subjektive Kategorien der
Bedeutsamkeit, d.h. symbolischem Charakter74. Die Verknüpfungen dieser sinnbeladenen Objekte
zu Sinninseln nennt Löw “Syntheseleistung”75.
Damit will Löw jedoch nicht einen “objektiven” Raum einem “subjektiven”, erfahrenen Raum
gegenüberstellen, wie etwa Bollnow unterstellt werden könnte. “Orte” sind für Löw der objektive
Aspekt von Räumen76. Diese Konzeption von Räumen als zweidimensionale Gebilde, bestehend aus
objektivem Ort sowie subjektiver Syntheseleistung von sinnbeladenen Gütern, lässt sich in der
Terminologie erst- sowie drittpersonaler Perspektive auf Raum rekonstruieren, und durch den
Nachdruck auf “Perspektive” schon in der Terminologie eine Vergegenständlichung von Aspekten
vermeiden. Indem Löw von “Orten” sowie platzierten “Objekten” spricht, bietet sie die ontologisch
dualisierende Sprache des Descartes an, die sie zu vermeiden sucht77. An einer ontologisch
dualisierenden Sprache ist nicht einzuwenden, dass sie Differenzierungen vornimmt, wie jene, dass
Gegenstände hinsichtlich der Extension (reine Gegenstände der Naturwissenschaft) gedacht werden
können und andere hinsichtlich ihrer unmittelbaren Erfahrbarkeit (Gegenstände des Bewusstseins).
Auch Löw differenziert Spacing und Syntheseleistung, trennt aber deren Bezugsobjekte nicht
ontologisch. Der Schritt zur Ontologisierung der Gegebenheitsweise von Objekten zu Objekten
jedoch, der Schritt hin zur These, dass es Objekte gäbe, die “nichts anderes als bloß ausgedehnt”
wären, und andere, die “nichts anderes als bloß unmittelbar erfahren” seien, übersieht die
Möglichkeit, dass es sich hierbei nicht um zwei Objekte handeln könnte, sondern um dasselbe
Objekt, betrachtet aus erst- oder drittpersonaler Perspektive. Mit Kant gesprochen, könnte es sich
um zwei verschiedene Objekte der Anschauung78 handeln, die auf ein “Objekt an sich” bezogen
sind.
Räume sind nie bloß drittpersonale homogene Objektanordnungen, wie der mathematische
Raum. Dieser stellt eine Idealisierung der Anschauung dar79. Ebensowenig jedoch sind Räume bloß
erstpersonal, über reine subjektive Nähe und Distanzerfahrungen und Sinninseln definiert80, sondern
anhand (An)Ordnung von (sinnbeladenen) Objekten und Handlungen an bestimmten Orten.
73 Löw 2001, 4674 Löw 2001, 15375 Löw 2001, 15976 Löw 2001, 1577 Zu Löws Ablehnung des Substanz-Dualismus siehe ihre Ausführungen über die Entstehung des Dualismus von Geist und Körper. Löw 2001, 11878 Kant KdrV, B 3379 Löw 2001, 265; 2003, 12480 Löw 2001, 113
Mario Spassov a0309830 45
(An)Ordnung soll Löw zufolge betonen, dass die Syntheseleistung, die Verknüpfung der Objekte,
nicht völlig willkürlich geschieht, sondern diese dem Bewusstsein als immer schon vor- oder bereits
angeordnete begegnen. Die Handlungsdimension des Anordnens von Objekten durch das
individuelle Bewusstsein, sowie die Tatsache, dass Bewusstsein Objekte schon sozial vorgeordnet
an Orten vorfindet, fallen hierbei zusammen81. Ein Beispiel derartiger Anordnung von Objekten, die
vor dem individuellen Bewusstsein geleistet wurde, sind Institutionen82. Diese geben
Syntheseleistung und Spacing teilweise vor, wie etwa der Richtersaal, in dem Bundesweit praktisch
identisches Spacing und Syntheseleistung vorliegt und RichterInnen und Angeklagte die selbe Rolle
zueinander einnehmen83.
Bewusstsein muss Syntheseleistung nicht selbst aus dem Nichts hervorbringen, sondern baut
seine eigenen Ordnungen immer schon auf Anordnungen von symbolischen Objekten auf, die ihm
gesellschaftlich vorgegeben werden. Hierin liegt nach Löw die soziologische Relevanz dieses
Raumbegriffs, der ihr zufolge bei anderen Soziologen wie Giddens, Luhmann, Schütz oder
Bourdieu nicht zur Geltung kommt84. Dennoch übernimmt Bewusstsein - oder, wie Löw formuliert,
das “Subjekt” - diese Anordnungen nicht einfach, sondern ordnet die Objekte auch nach eigenen
Reflexionsprozessen um85. Diese Doppelstruktur von bereits angeordneten Objekten sowie der
Ordnungsleistung, welche durch das individuelle Bewusstsein geschieht, erlaubt die Vorstellung,
dass an einem Ort zugleich mehrere Räume - durch individuelle Anordnungsleistungen der
singulären Bewusstseine - entstehen86.
III. Relativer vs. absoluter Raum
In ihrer historischen Herleitung des Raumbegriffs unterscheidet Löw absolute von
relationalen Raumvorstellungen87. Sie sieht im Newtonschen oder auch Cartesischen Raumbegriff,
welche beide über diskrete Abstände in einem Koordinatensystem definiert sind, absolute
Raumbegriffe, die Raum als Art unveränderbaren, schuhschachtelförmigen Hintergrund, Behälter
oder “Container” fassen, innerhalb dessen Objekte eindeutig in Relation gestellt werden können,
und nicht von ihm beeinflusst sind88. Ähnlich spannt das Koordinatensystem, welches
Veranschaulichung dieses absoluten Raumes ist, mittels dreier Raumachsen einen kubischen
“leeren” Luftraum auf, in dem Objekte anhand von Koordinatenpunkten eindeutig positioniert
werden. Dieser Raum selbst wird als unabhängig von den darin positionierten Objekten gedacht.
Löw sieht diese Raumvorstellung als von einer relativistischen abgelöst, in der Raum nicht als
Behälter gedacht wird, sondern durch die Objektrelationen selbst konstituiert wird89. Das Verhältnis
von Objekten spannt den relationalen Raumbegriff auf, der im Gegensatz zum absoluten Raum auch
“Krümmungen” aufweisen kann. Je nach der Bewegungsgeschwindigkeit der Objekte zueinander,
variiert auch deren absolute Ausdehnung90. Dies lässt sich im Koordinatensystem, welches einem
Cartesischen, die Anschauung idealisierenden Denken entsprungen ist, nicht abbilden. Die
relativistische Raumvorstellung dagegen, so Löw, eignet sich, um ihre Raumkonzeption darauf
aufzubauen, in der Objekte nicht in klaren Abständen zueinander stehen, sondern vielmehr vom
Subjekt, dem Beobachtungsstandpunkt, abhängen.
Während Löws Raumbegriff für diese Arbeit praktisch unverändert übernommen wurde, gilt
dies nicht für ihre Herleitung des Begriffes. Löw differenziert nicht klar genug zwischen dem
Begriff eines Beobachters in phänomenologischem sowie physikalischem Sinne. Während der
phänomenologische Beobachter jene Stelle hinter der Nasenwurzel einnimt und stets ein
beobachtendes Bewusstsein oder Subjekt ist91, meint Beobachter in physikalischem Kontext ein
“reines” Objekt, welches in Messrelation zu einem anderen “reinen” Objekt steht. Durch die
Äquivokation von “Beobachter” entsteht bei Löw die Vieldeutigkeit, dass Relativität von Raum -
auf die sie besteht92 - bei ihr einerseits bedeuten kann, dass die raumkonstituierenden Objekte
zueinander in Relation stehen, oder, dass die Objekte immer schon durch ein Bewusstsein oder
Subjekt in eine Relation gebracht werden. Für diese Arbeit interessiert lediglich die letztere These,
die konsistent aus einem Cartesischen Anfangsstandpunkt entwickelt werden kann, auch ohne
Rekurs auf Relativitätstheorie.
Durch ihren Rekurs auf Relativitätstheorie, scheint Löw Objekt-Objekt und Subjekt-Objekt
Beziehungen nicht zu differenzieren. Sie argumentiert, dass sich die Wandlung der klassisch
“absolutistisch” Newtonschen Objekt-Objekt-Relation93 hin zu einer “realtivistischen”, wie in der
88 Löw 2001, 18ff.89 Löw 2001, 3290 Löw 2001, 3291 Für diese Arbeit reicht eine Gleichsetzung von Subjekt und Bewusstsein.92 Löw 2001, 13193 Löw 2001, 14
Mario Spassov a0309830 47
Relativitätstheorie94, dafür anbiete, Raum nicht mehr als über ein Koordinatensystem absolut und
vom Beobachtungsstandpunkt unabhängig geordnet zu verstehen, sondern vielmehr in Graden der
Entfernung vom eigenen Beobachtungsstandpunkt. Dieser Rekurs auf die Relativitätstheorie ist
jedoch für den Raumbegriff dieser Arbeit nicht nötig, weil diese Beobachter im Sinne eines
Beobachtungssystems versteht, in dieser Arbeit dagegen vom phänomenologischen oder
erstpersonalen Beobachter die Rede sein wird.
Diese kurze Anmerkung sollte plausibilisieren, dass Löws Raumbegriff konsistenter über die
Cartesische Raumkonzeption hergeleitet werden kann, als über die Relativitätstheorie, denn bei
Descartes ist die Subjekt-Dimension zumindest mitgedacht - auch wenn er an keiner Stelle die res
cogitans versucht mittels Theorie zu erschließen. Descartes ontologisiert zwar drittpersonale
Perspektive zu “Raum als ausgedehnten”, ebenso wie das ego cogito - indem er von “res” cogitans
sowie “res” extensa spricht, d.h. von “Sachen”, die erfahren und “Sachen”, die bloß ausgedehnt
sind. Im Unterschied zur Relativitätstheorie, wird bei Descartes jedoch der phänomenologische
Beobachter, der Standpunkt des Bewusstseins hinter der Nasenwurzel, nicht auf ein reines Objekt
reduziert. Über Bewusstsein sagt Relativitätstheorie nichts aus, das Bewusstsein soll jedoch in den
folgenden Kapiteln Gegenstand der Untersuchung dieser Arbeit sein.
94 Löw 2001, 23
Mario Spassov a0309830 48
2. Räume als Veräußerlichung von Bewusstsein
I. Raumstrukturen spiegeln Bewusstsein wieder
Bollnow fasst Räume als Spiegelungen der Strukturen von Bewusstsein. In den Anordnungen
von Gegenständen spiegeln sich die Strukturen des die Gegenstände anordnenden Bewusstseins
wieder. Ein derartiges Strukturmerkmal von Bewusstsein ist die bestimmende Mitte, ein innerer
“Ort”, an dem der Mensch “zuhause” ist95. Das ist ein weit verbreitetes theologisches Motiv, das
Motiv des gefallenen Menschen, welcher dieses “Zuhause” erst finden muss. Erst in seiner
bestimmenden Mitte, im “Zuhause”, findet das Bewusstsein einen Ruhepunkt und Geborgenheit96.
Bollnow charakterisiert diese innere Mitte des Menschen nicht näher. Das im Raum verortete Haus
jedoch, ist für Bollnow verräumlichtes Symbol dieser inneren Mitte. Der Innenraum des Hauses ist
dem ihn bewohnenden Bewusstsein Heiligtum oder Tempel und repräsentiert die bestimmende
Mitte des Menschen97. Durch etymologische Anspielung auf das lateinische “templum”, weist
Bollnow darauf hin, dass hiermit das “Herausgeschnittene” gemeint ist98. Das Haus “schneidet”
einen vertrauten Innenraum von einem unvertrauten Außenraum mittels Wände ab. Alles
Bewusstsein bewegt sich zwischen vertrautem Innenraum und fremdem Außenraum. Die innere
Struktur von Bewusstsein wird m.a.W. an der äußeren Struktur des Hausbaus ersichtlich. An der
Ausdeutung des Hausbaus, kann sich Bewusstsein selbst zum Thema machen.
Das Fremde wiederum, so Bollnow, erschließt sich das Bewusstsein über vereinzelte Wege
oder Pfade. Straßen, welche am vertrauten Innenraum des Hauses anschließen, führen das
Bewusstsein nicht unmittelbar in das Fremde, sondern in ein noch teils Vertrautes der unmittelbaren
Nachbarschaft. Und wo auch diese auf Wegen verlassen wurde, bewegt sich das Bewusstsein noch
in der teils vertrauten “Heimat” und nicht einem völlig Fremden99. Über das Vorvertraute, erschließt
sich Bewusstsein das Fremde. Dabei ist das Bewusstsein auf Ordnungen angewiesen. Es schafft
sich Raum, Weite, indem es - hier verweist Bollnow auf Heidegger - Auftauchendes “einräumt”100,
ihm einen Platz zuweist. Die menschliche Zwecksetzung objektiviert sich an räumlichen
Strukturen101. Nicht nur diese, nicht nur die bewussten Absichten schlagen sich in der
Raumgestaltung nieder, sondern, so würde auch Löw zustimmen, auch unbewusste Motive. Die
Bollnow, Gebser, Marotzki und Foucault vor, so unterschiedlich diese sein mögen, und bringen
damit ihre eigenen Bildungsprozesse zum Ausdruck.
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Nachwort
1. Die Ursprungsfragestellung dieser Arbeit lautete, ob Bildungsstandards eine enthemmende
Funktion haben könnten. Wie mir jetzt klarer geworden ist, verstand ich den Standardbegriff sehr
einseitig als “explizierte Erwartungshaltungen”. Zwar sind Standards tatsächlich explizierte
Erwartungshaltungen, doch nicht jede explizierte Norm zugleich ein Standard. Und gerade der in
der PISA-Studie verwendete Standardbegriff scheint mehr als bloße Explikation von Normen zu
implizieren, nämlich “Eichung” von Erwartungshaltungen.
In dieser Arbeit ging es mir aber ausschließlich um das Explizieren von Normen. Das könnte
durch den Standardbegriff, denn ich an einigen Stellen als synonym für explizierte Normen
verwende, verzerrt werden. Hätte ich den Standardbegriff jedoch vollständig aus meiner Arbeit
gestrichen, hätte mir die Verbindung zu dem im Seminar Besprochenen gefehlt. Und diese scheint
mir durchaus gegeben, auch wenn ich wohl in einer eigenen Arbeit die Differenzen zwischen
Normen und Standards herausarbeiten müsste.
Es sollte hoffentlich zumindest an meinen Beispielen deutlich geworden sein, dass die von
mir verteidigte Konzeption von Normen Pluralität an Erwartungen nicht nur zulässt, sondern erst
richtig zur Geltung kommen lässt. Diese Arbeit sagt dagegen nichts über die Legitimität von
Standards im Sinne allgemeiner Kernkompetenzen.
2. Ein weiterer problematischer Aspekt am hier verwendeten Begriff der Norm scheint mir,
dass er - im Unterschied zu dem in der PISA-Studie verwendeten - in keinerlei unmittelbarer
Relation zu Sanktionsmaßnahmen steht. Eine Norm ist in dieser Arbeit auch dann eine Norm, wenn
sie außerhalb eines Systems institutionalisierter Handlungsaufforderungen und
Sanktionmaßnahmen steht. Womöglich ist dies – etymologisch gesehen - eine illegitime
Verwendung des Normbegriffs, die ebenso unnötig Missverständnisse provoziert.
Wenn von Norm die Rede war, wollte ich in Anschluss an Dux den Aspekt des Aufrufs
betonen, dessen Befolgung in jemandes Interesse steht. Wird einer Norm nicht entsprochen, hat dies
einerseits zur Folge, dass ein aufrufendes Bewusstsein in seiner Erwartungshaltung enttäuscht
wurde, andererseits aber, dass das die Norm nicht befolgende Bewusstsein bestimmte (Verstehens-)
Erfahrungen nicht macht. Sanktion ist hier nicht mitimpliziert sondern erst Zusatzmoment von
Normen, die zugleich kollektive Formen von Praxis konstituieren.
Mario Spassov a0309830 67
Während somit nicht alle Normen mit Sanktionen in Verbindung stehen - und das war die
wichtige Voraussetzung dieser Arbeit - bieten sie sich dennoch alle – unabhängig davon, ob sie
Sanktionen androhen - zur Interiorisierung an. Diese Prämisse müsste eigens diskutiert werden.
3. Ich habe nicht problematisiert, dass Hemmungen zu minimieren letztlich zum Gegenteil
kritischer pädagogischer Haltung führen kann. Gerade eindeutig normierte Räume bieten sich auch
für Indoktrination an. Implizite Voraussetzung dieser Arbeit, die eigens legitimiert werden müsste,
war jedoch, dass Bewusstseine ohne Befolgung normativer Vorgaben keine Erfahrungsstrukturen
aus sich heraus generieren können und auch eine Position “reiner Vernunft”, aus der heraus vor aller
Erfahrung die Legitimität bestimmter Erfahrung versprechender Normen bestimmt werden könnte,
nicht denkbar ist.
Der Unterschied zwischen rein indoktrinierenden und bildungsfördernden normierten
Räumen, scheint mir einerseits in der Explikation der Normen zu liegen sowie andererseits darin, ob
innerhalb eines Raumes auch zusätzliche Raumbildung zugelassen wird (siehe Teil II). Auch das
müsste eigens in einer Arbeit diskutiert werden. Die in Teil I und Teil II diskutierten
Gestaltungsvorschläge jedoch liefen alle darauf hinaus - und das schien mir auch ohne eigene
Begründung offensichtlich genug - Normierungen als solche zum Gegenstand von
Reflexionsprozessen zu machen. Das scheint mir einerseits gegen Prinzipien von
Indoktrinationsversuchen zu verstoßen, ebenso wie die Forderung, im expliziert normierten
singulären normativen Rahmen zugleich auch Raum zu schaffen für Normierungen durch die
beteiligten Identitäten, sofern diese der Norm entsprechen, expliziert zu werden.
4. Gerade aus pädagogischer Perspektive könnte überlegt werden, ob Hemmungen nicht auch
anders minimiert werden könnten, als über Normierung. Umgekehrt könnte auch gefragt werden, ob
Hemmungen nicht auch bildungsförderlich sein könnten. Dazu habe ich nur vage Vermutungen.
5. Neben dem praktischen gegenseitigen Ausschluss der Handlungsaufrufe untereinander,
könnte noch das Moment der “Überzeichnung”, wie sie im Fall der Klassenbesten
Mathematikschülerin angedeutet wurde, hemmende Wirkung gehabt haben. Dieser These müsste
ich eigens nachgehen und untersuchen, inwiefern manche Normen nicht auf grundlage von
Projektionen interiorisiert werden.
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6. Ich muss auch darauf hinzuweisen, dass jeder normativ erschlossene Schutzraum zugleich
auch ein Risikoraum ist. Denn es scheint keine über ihn stehende Instanz zu geben, welche über die
Legitimität der darin erfolgenden Handlungsaufrufe entscheiden könnte. Dieses Problem steht m.E.
unmittelbar mit jenem der möglichen Indoktrination. Die Fokussierung auf den Hemmungsaspekt
normativ überladener Räume ließ dieses Problem aus dem Blickfeld rücken. Umgekehrt jedoch, und
das sollte in dieser Arbeit gezeigt werden, kann in normativ überladenen Räumen Hemmung die
Auseinandersetzung mit potenziell legitimer Praxis gerade verhindern.
Mario Spassov a0309830 69
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13. Ich wünsche mir die offizilelle Anerkennung folgender Rollen:
die Rolle jener, die nur zuhören wollen: 29 die Rolle jener, die Exzerpte verfassen: 17 die Rolle jener, die Threads moderieren: 16 die Rolle jener, die ein Lehrveranstaltungstagebuch führen: 11
Zusatz: Anerkennung in Form des Lob durch den LV-Leiter findet statt;
14. Ich will für Kollaboration auch bei der Prüfung z.B. eine Frage streichen können: ja 34 nein 6
15. Ich kann mir vorstellen, kollaborativ mitzuarbeiten, wenn es klare Handlungsanweisungen dafür gibt: ja 35 nein 2
16. Ich wünsche mir mehr praxisnahe Beispiele in der Präsenzzeit: ja 40 nein 4
17. Ich bin gerade bei Bewusstsein: ja 40 nein 1 vielleicht 11 ;-)
18. Ich habe im Verlauf der Vorlesung den roten Faden oft verloren: ja 12 nein 35
19. Ich finde, dass Inhalte aus dem „Background“ intensiver in der Vorlesungszeit besprochen werden sollten: ja 27 nein 13
20. Ich erwarte mir in der Präsenzzeit primär (nur eines ankreuzen):
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Fakten, die mich Fachdiskurse besser verstehen lassen 32 Raum für Diskussionen mit KollegInnen 18
Anderes: in der LV zu wenig Input; Reflexionen eher ins moodle verlegen;
21. Ich finde Raum für Diskussion wichtig, würde dafür aber primär (nur eines ankreuzen):
die Präsenzzeit nutzen 20 das moodle nutzen 29
22. Ich habe die Diskussionen im moodle interessant gefunden und teils darin geschmökert, aber nicht gepostet: ja 40 nein 2 ich habe gepostet 9
23. Ich war zu Beginn der Vorlesung regelmäßig zu den Präsenzzeiten anwesend, bin dann aber abgesprungen wegen:
dem versprochenen Skriptum 3 weil ich wenig gelernt habe 1 mir der Vortragsstil nicht liegt 2 ich Besseres zu tun hatte 2 weil ich den roten Faden verloren habe 3 weil zu viel diskutiert wird 4 weil der Lehrveranstaltungsleiter selbst zu wenig Stellung bezieht 0 weil mir die Nähe, welche in der Vorlesung gefordert wird, nicht zusagt 1 weil ich mich eingeschüchtert fühlte 2
andere Gründe mangelnde Zeit; Kind; Arbeit; andere LV; Uhrzeit; langer Weg zur Uni;
24. Ich habe schlechtes Gewissen, mich nicht kollaborativ beteiligt zu haben: ja 12 nein 29
25. Ich ging nach der Vorlesung oft mit dem Gefühl nach hause, „[...] nichts verstanden zu haben, [mich] nicht zu trauen, etwas zu sagen [...]“: ja 5 nein 31
26. Ich habe mich bisher am Forum nicht beteiligt weil (mehrfaches Ankreuzen möglich):
ich mich eingeschüchtert fühle 10 weil ich den Eindruck habe, dass was ich poste ohnehin niemanden interessiert 6 weil was ich zu sagen habe schwer in einem kurzen Posting festgehalten werden kann 6 weil das Festhalten eigener Gedanken so mühsam ist 7 weil ich einige der sich am Forumsdiskurs beteiligenden Personen nicht mag 2 weil ich Angst habe, dass der Lehrveranstaltungsleiter meine Postings bewertet 3 weil ich Angst habe Unqualifiziertes zu posten 23
andere Gründe mangelnde Zeit; weil meine Gedanken oft schon vorher aufgegriffen werden; keine zeit, weil es mir mehr bringt persönlich zu diskutieren; mag Foren nicht da mir grundsätzlich nicht gut tut lange vor dem PC zu sitzen; so viele andere Dinge zu tun; weil man nicht zur Elite gehört; zu wenig Zeit; weil ich die elektronische Form des Austausches nicht mag und persönliche Gespräche vorziehe.
27. Ich wünsche mir, dass der Lehrveranstaltungsleiter sich im Forum aktiver beteiligt: ja 10 nein 16
28. Ich fühle mich von der Quantität der Beiträge im Forum erschlagen: ja 29 nein 17
29. Ich hatte schon mal schlechtes Gewissen, nicht alle Beiträge im Forum gelesen zu haben: ja 20 nein 35
30. Ich fand einige Beiträge im Forum sehr hilfreich: ja 34
31. Mich spricht das an: „Ich habe schon länger daran gedacht, mich auch im Forum zu „verwirklichen“. Und um ehrlich zu sein, ich scheue mich
immer noch ein wenig davor, weil das Niveau der Diskussionen hier dermaßen hoch geworden, bzw. angesetzt worden ist. Damit meine ich inhaltlich höchst intelligent und auch stilistisch sehr ausgefeilt, also eigentlich spreche ich meine Bewunderung hier ebenso aus, wie meine Scheu.“ ja 26 nein 12
32. Mich spricht das an: „Es wird meiner Meinung nach [im Forum] stets mehr die Eigenperspektive dargelegt und diese auch ausführlich und in
Verwendung von Fremdwörtern argumentiert, allerdings zu wenig auf Einzelaspekte anderer Kollegen eingegangen.“ ja 8 nein 19
33. Mich spricht das an: „In der Vorlesung [...] hatte ich durch das ständige erwähnen der "Elite" [...] teilweise das Gefühl unerwünscht zu sein,
bloß weil ich an der Diskussion nicht teilnehme sondern lieber zuhöre...“ ja 21 nein 20 Elite? 1
34. „[I]ch wollte auch immer wieder mal etwas ins Forum schreiben, allerdings ist es [...] bei mir so, dass ich durch die anderen Beträge
eingeschüchtert bin. Genauso ist es in der Vorlesung selbst [, ... dort] habe mich bisher kein einziges Mal getraut etwas zu sagen, auch wenn es mir auf der Zunge lag. Noch dazu bin ich ganz generell nicht so, dass ich unbedingt vor zig anderen Studenten reden möchte...“ ja 18 nein 16
35. Ich finde die Idee mit dem Backgorund-Bereich sinnvoll.: ja 41
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36. Ich finde die Idee mit den podcasts sinnvoll.: ja 30 nein 1
37. Die Vorlesungsprotokolle waren sehr hilfreich fürs Lernen : ja 37
38. Das LV-Tagebuch des Lehrveranstaltungsleiters war hilfreich: ja 18 nein 14
39. Das Tutorium gab wichtige Hilfestellungen : ja 11 nein 0 Tutorium? 5 ich war bei keinem Tutorium 27
40. Ich schätze an der Vorlesung: den Inhalt; die Verknüfungen; den Stil; den Versuch des LV-Leiters immer an sich selbst zu arbeiten; die
Kockerheit/Entspanntheit; den Vortragenden; die Offentheit; die psychoanalytischen Aspekte; die Möglichkeit des offenen Diskurses; Vernetztes Denken; ihren unglaublich anregenden und lebendigen Charakter; dass sie einen anderen Zugang zu Lernen schafft; Kooperation und Dynmaik; das Neue; dass jeder wichtig ist; dass StudentInnen einbezogen werden und nicht über deren Kopf hinweg referiert wird; dass man sich barrierenfrei einbringen kann; Offenheit des LV-Leiters; welches Ausmaß das moodle erreicht hat; Fallbesipiele; Lebensnähe; Hilfe von Mario; unterschiedliche Ebenen des Kollaboratioven; die Zus.arbeit und Hilfbereitschaft unter StudentInnen; dass sich Prof. Stephenson viel Zeit für die StudentInnen nimmt; Respekt; offener Vortragsstil; das Miteinander; die Art wie sie gehalten wird; gutes Klima; kompetenter und menschlicher Prof.; Verinnerlichung des Stoffes wird leicht gemacht; neue Art des Abhaltens der LV; die Anregung selbst zu denken/vernetzen; Diskussionen während der LV; Offenheit für eigene Meinungen; innovative Zugangsweise.
41. ADDENDUM: Verbesserungsvorschläge: Inhalte zu oft durchgekaut -> mehr Fakten; klare Trennung von kollaborativem Raum & Darstellung
von Inhalten und Modellen; ohne Inhalte fehlt mir die Grundlage für Diskussion.