Reduktion der Prädominanz unter binokularer Rivalität durch Inversionseffekt und Augenwechsel Bachelorarbeit Johannes Gutenberg-Universität Mainz Fachbereich 02 – Sozialwissenschaften, Medien und Sport Psychologisches Institut, Abteilung Methodenlehre und Statistik vorgelegt von Martin Alexander Brehmen geb. am 28. Mai 1982 Matrikelnummer: 2678456 Mainz, 07. August 2014 1. Gutachter: Prof. Dr. Günter Meinhardt 2. Gutachter: Dr. Malte Persike
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Reduktion der Prädominanz unter binokularer Rivalität ... · auch beim Geruchs- (Zhou & Chen, 2009) und Tastsinn (Carter, Konkle, Wang, Hayward & Moore, 2008). Dies lässt vermuten,
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Reduktion der Prädominanz unter binokularer Rivalität
durch Inversionseffekt und Augenwechsel
Bachelorarbeit
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Fachbereich 02 – Sozialwissenschaften, Medien und Sport
Psychologisches Institut, Abteilung Methodenlehre und Statistik
vorgelegt
von
Martin Alexander Brehmen
geb. am 28. Mai 1982
Matrikelnummer: 2678456
Mainz, 07. August 2014
1. Gutachter: Prof. Dr. Günter Meinhardt
2. Gutachter: Dr. Malte Persike
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Zusammenfassung Binokulare Rivalität entsteht, wenn zwei sehr unterschiedliche Bilder jeweils einem
Auge präsentiert werden. Statt zur Verschmelzung der Bilder kommt es zur wechsel-
haften Wahrnehmung der Einzelbilder. In dieser Studie wurden diesbezüglich zwei
Experimente an zwölf Studierenden durchgeführt. Der menschlichen Bildverarbeitung
von Gesichtern wird eine besondere Rolle attestiert, insbesondere dann, wenn diese in
aufrechter Orientierung präsentiert werden. So zeigten sich in der Vergangenheit
Vorteile gegenüber invertierten Gesichtern als auch gegenüber anderen Objekten wie
Häusern. Im ersten Experiment wurde unter binokularer Rivalität der Inversionseffekt
von Gesichtern überprüft und mit dem von Häusern verglichen. Beide Stimuli erreichten
deutlich längere Dominanzzeiten in der aufrechten Orientierung mit leichten Vorteilen
für Gesichter. Im zweiten Experiment wiesen Gesichter im direkten Vergleich mit
Häusern längere Dominanzzeiten auf, sowohl in aufrechter als auch in invertierter
Orientierung, was für einen generellen Verarbeitungsvorteil von Gesichtern spricht.
Gemessen an den Verarbeitungshypothesen zu binokularer Rivalität sprechen diese
Ergebnisse für eine späte, sprich stimulusbezogene neuronale Verarbeitung. Um
diesbezüglich noch weitere Erkenntnisse zu sammeln, waren in beiden Experimenten
zwei zusätzliche Bedingungen integriert. Zum einen ein Wechsel des dominanten
Stimulus auf das kontralaterale Auge, zum anderen ein gleichzeitiges Aufblinken der
Stimuli. Beide Bedingungen offenbarten starke Einbußen der Dominanzzeiten. Mögliche
Schlussfolgerungen bezüglich der augen- oder stimulusbezogenen Verarbeitung werden
QS = Quadratesumme; df = Freiheitsgrade; MQ = erwartete mittlere Quadrate; F = F-Wert, p = Signifikanzniveau *p<.05, **p<.01
In der zweiten Hypothese wurde vermutet, dass der Inversionseffekt bei Gesichtern
größer ist im Vergleich zu Häusern. Um dies zu überprüfen schauen wir auf den Inter-
aktionseffekt von Stimulus und Orientierung. Auch hier kommt es zu einem signi-
fikanten Ergebnis (F(1,11) = 5,22, p < 0,05). Der Unterschied der Mittelwertdifferenzen
beider Inversionseffekte spricht für einen stärkeren Effekt bei Gesichtern ( Gesicht =
0,93s; Haus = 0,41s). Somit kann auch diese Hypothese angenommen werden.
Für die Berechnung der Inversionseffekte ist vor allem die normale Switchbedingung
von Interesse, da nur hier die Stimuluspaare kontinuierlich dargeboten werden und die
Daten um den Einfluss der künstlichen Veränderungen der Switchbedingungen Switch
und Aufblinken bereinigt sind (siehe Abb. 2 Experiment I, Seite 15). Auch sie weisen auf
signifikante Inversionseffekte für Gesichter (F(1,11) = 12,13, p < 0,01) und Häuser
(F(1,11) = 9,41, p = 0,1) hin.
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Experiment I Experiment II
Abbildung 2: Mittlere Dominanzzeiten (s) für aufrechte gegen invertierte Stimuli (Experiment I) und für Gesichter gegen Häuser (Experiment II) in der normalen Switchbedingung. Die Fehlerbalken zeigen das 95% Konfidenzintervall der Mittelwerte an.
Der Interaktionseffekt von Stimulus und Orientierung erreicht ebenfalls Signifikanz
(F(1,11) = 5,00, p < 0,05) und der Unterschied der Mittelwertdifferenzen spricht auch
hier für einen stärkeren Inversionseffekt bei Gesichtern ( Gesicht = 1,28s; Haus = 0,55s).
Dies deckt sich mit den berechneten Effektgrößen, die bei Gesichtern mit d = 1,050
etwas größer ausfallen im Vergleich zu Häusern mit d = 0,925 (siehe Tab. 2, Seite 16).
Beide Größen gelten nach der Einteilung von Cohen (1988) als große Effekte. In den
zwei experimentellen Switchbedingungen erreicht der Inversionseffekt für Häuser nur
kleine Effektgrößen von d = 0,413 für Switch und d = 0,470 für Aufblinken.
Der Unterschied in der normalen Switchbedingung lässt sich auch anhand der absoluten
Dominanzzeiten belegen. Hier findet sich bei Gesichtern eine Verteilung von 70:30 für
aufrechte Gesichter gegen invertierte Gesichter, während eine 61:39 Verteilung bei den
Häusern vorliegt.
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Tabelle 2: Mittlere Dominanzzeiten (s) und Effektstärken von Experiment I (Inversionseffekte)
Switch Stimulus Orient. MW SE d σd Cohen's d
Normal
Gesicht Aufrecht 3,998 0,429
1,278 1,217 1,050 Invertiert 2,720 0,254
Haus Aufrecht 3,879 0,295
0,551 0,596 0,925 Invertiert 3,327 0,308
Switch
Gesicht Aufrecht 2,003 0,337
0,697 0,623 1,118 Invertiert 1,306 0,186
Haus Aufrecht 1,699 0,305
0,307 0,742 0,413 Invertiert 1,392 0,163
Aufblinken
Gesicht Aufrecht 2,261 0,407
0,822 0,851 0,965 Invertiert 1,440 0,208
Haus Aufrecht 2,094 0,434
0,378 0,805 0,470 Invertiert 1,716 0,347
MW = Mittelwert; SE = Standardfehler; d = Mittelwert der Differenzen; σd = Standardab-weichung der Diff.; Cohen’s d= Effektgröße
3.2 Experiment II (Stimulustyp):
Im zweiten Experiment lag der Fokus auf der Fragestellung, ob Gesichter längere Domi-
nanzzeiten im Vergleich zu Häusern erzielen. Die in Tab. 3 (Seite 16) aufgeführten
Ergebnisse der Varianzanalyse zeigen, dass der Haupteffekt Stimulus ein signifikantes
Ergebnis (F(1,11) = 10,13, p < 0,01) erzeugte. Der Blick auf die Mittelwerte legt nahe,
dass Gesichter längere Dominanzzeiten erreichten im Vergleich zu Häusern ( Gesicht =
2,38s; Haus = 2,03s).
Der Haupteffekt Orientierung erreichte keine Signifikanz (F(1,11) = 3,07, p = 0,107). Die
beiden Orientierungen aufrecht und invertiert unterschieden sich im Mittel demnach
nicht entscheidend voneinander.
Der Interaktionseffekt von Stimulus und Switchbedingung wies ein signifikantes Ergeb-
nis auf (F(2,22) = 9,33, p < 0,001). Die Kontrastanalyse zeigte einen signifikanten Unter-
schied zwischen den Stimuluspaaren und der normalen Switchbedingung (F(1,11) =
19,17, p = 0,001). Der Mittelwertunterschied spricht für längere Dominanzzeiten bei
Gesichtern ( Gesicht = 3,64s; Haus = 2,72). Das bedeutet, dass in der normalen Switch-
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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bedingung Gesichter signifikant länger wahrgenommen werden als Häuser, wohingegen
in den Switchbedingungen Switch (F(1,11) = 1,07, p = 0,322) und Aufblinken (F(1,11) =
0,01, p = 0,910) dieser Effekt nicht nachgewiesen wurde.
Wie schon bei den Inversionseffekten war auch bei der Berechnung der Effekte des
Stimulustyps vor allem die normale Switchbedingung interessant (siehe Abb. 2 Exper-
iment II, Seite 15). Die um den Einfluss der Switchbedingungen Switch und Aufblinken
bereinigten Daten zeigten ebenfalls signifikante Effekte für aufrechte (F(1,11) = 14,04, p
< 0,01, Gesicht = 3,46s; Haus = 2,62s) und invertierte Orientierung (F(1,11) = 18,37, p =
0,01, Gesicht = 3,83s; Haus = 2,82s).
Die Effektgrößen bestätigen dies: Gesichter erreichten im direkten Vergleich zu Häusern
durchschnittlich längere Dominanzzeiten, sowohl aufrecht mit d = 1,130 als auch inver-
tiert mit d = 1,292 (siehe Tab. 4, Seite 18). Die Effektgrößen sind jeweils als groß einzu-
stufen.
Die Verteilung der absoluten Dominanzzeiten ist mit 58:42 identisch für beide Orien-
tierungen mit jeweils längerer Dominanz von Gesichtern gegenüber Häusern.
Tabelle 3: Ergebnisse der Varianzanalyse für die mittleren Dominanzzeiten mit den Innersubjektfaktoren Stimulus, Orientierung der Stimuli (ORIENT) und Switchbedingung (SWITCH) für Experiment II (Gesichter gegen Häuser).
aufblinken = 1,81s; siehe Tab. 2 und 4, Seite 16 und 18). Auch der Kontrast der Bedin-
gungen Switch und Aufblinken wurde signifikant (Experiment I: F(1,11) = 5,47, p < 0,05;
Experiment II F(1,11) = 6,77, p < 0,05). Da sich hierbei höhere Mittelwerte für die
Bedingung Aufblinken zeigen, spricht dies für einen Einfluss des Augenwechsels auf die
Dominanzzeit der Stimuli.
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Experiment I Experiment II
Abbildung 3: Mittlere Dominanzzeiten (s) in den drei Switchbedingungen (Linien) für aufrechte Gesichter und Häuser, die gegen ihre Invertierung rivalisieren (Experiment I), und für Gesichter, die gegen Häuser rivalisieren (Experiment II). Die Fehlerbalken zeigen das 95% Konfidenz-intervall der Mittelwerte an.
Tab. 5 (Seite 20) zeigt die einzelnen Vergleiche der Switchbedingungen für das jeweilige
Experiment. Abb. 3 veranschaulicht die Ergebnisse der Switchbedingungen für beide
Experimente und ihre jeweiligen Variationen. Betrachtet man hierbei die Effektgrößen,
kann der Dominanzzeitvorteil der normalen Bedingungen, also ohne Veränderung des
Stimulus, verdeutlicht werden. Verglichen mit der Bedingung Switch erreichten sie
große Effekte von d = 2,757 (Experiment I) und d = 1,891 (Experiment II). Gegenüber
der Bedingung Aufblinken ergaben sich ebenfalls große Effekte mit d = 1,926 (Experi-
ment I) und d = 1,794 (Experiment II) zugunsten der normalen Bedingung. Der Ver-
gleich der Bedingungen Switch und Aufblinken zeigte längere Dominanzzeiten bei der
Bedingung Aufblinken. Die Effektgrößen von d = -0,705 (Experiment I) und d = -0,785
(Experiment II) wiesen hier auf mittlere Effekte hin. Der Anteil an den absoluten
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Dominanzzeiten liegt in Experiment I bei 70% für die normale Bedingung, bei 14% für
Switch und bei 16% für Aufblinken. Ein fast identisches Bild zeigt sich in Experiment II
mit einer Verteilung von 69% für Normal, 15% für Switch und 16% für Aufblinken. Die
beiden experimentellen Bedingungen miteinander verglichen ergibt sich eine Verteilung
von 54:46 in Experiment I und 52:48 in Experiment II zugunsten der Bedingung Auf-
blinken.
Tabelle 5: Mittlere Dominanzzeiten (s) und Effektstärken der Switchbedingungen Experiment I
Switchbedingung MW SE d σd Cohen's d
Normal 3,481 0,275 1,881 0,682 2,757
Switch 1,600 0,227
Normal 3,481 0,275 1,603 0,832 1,926
Aufblinken 1,878 0,332
Switch 1,600 0,227 -0,278 0,394 -0,705
Aufblinken 1,878 0,332
Experiment II
Switchbedingung MW SE d σd Cohen's d
Normal 3,182 0,253 1,557 0,823 1,891
Switch 1,626 0,295
Normal 3,182 0,253 1,371 0,764 1,794
Aufblinken 1,812 0,313
Switch 1,626 0,295 -0,186 0,237 -0,785
Aufblinken 1,812 0,313
MW = Mittelwert; SE = Standardfehler; d = Mittelwert der Differenzen; σd = Standardab-weichung der Diff.; Cohen’s d= Effektgröße
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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4 Diskussion
Die in Experiment I erzielten Ergebnisse lassen große Inversionseffekte sowohl für
Gesichter (d = 1,050) als auch für Häuser (d = 0,925) unter binokularer Rivalität er-
kennen (siehe Tab. 2, Seite 16). Der Inversionseffekt bei Gesichtern deckt sich mit den
bisherigen Forschungsbefunden (Bannerman et al., 2008; Engel, 1956). Dieses Ergebnis
stützt die aufgestellte Hypothese, dass aufrechte Gesichter höhere Dominanzzeiten im
Vergleich mit invertierten Gesichtern erzielen. Dieser große Effekt bleibt auch über die
weiteren Switchbedingungen Switch (d = 1,118) und Aufblinken (d = 0,965) konstant.
Der gefundene Inversionseffekt von Häusern deckt sich ebenfalls mit Befunden, dass die
aufrechte Orientierung von bedeutungsvollen Stimuli, zu denen Häuser zu zählen sind,
höhere Dominanzzeiten gegenüber ihren Inversen bewirkt (Yu & Blake, 1992).
Die Annahme, dass der Inversionseffekt von Gesichtern größer sei als der Inversions-
effekt bei Häusern, findet ebenso Bestätigung in den Ergebnissen (p < 0,05). Die ähnlich
hohe Ausprägung des Effektes überrascht allerdings und weicht von den bisherigen
Forschungsergebnissen ab (Bannerman et al., 2008).
Ein möglicher störender Einfluss könnte hierbei in der sogenannten Pareidolie liegen.
Bei diesem Phänomen handelt es sich unter anderem um die Wahrnehmung von Ge-
sichtern in Objekten oder Szenarien, in denen kein reales Gesicht existiert. Bekannte
Beispiele dafür sind der Eindruck eines Gesichts beim Anblick des Vollmondes ("Mann
im Mond") oder das vermeintliche Erkennen von Gesichtern in der Frontansicht von
Autos. Beim Betrachten einiger in dieser Studie verwendeter Hausstimuli (wie beispiels-
weise in Abb. 1 A, Seite 11) lässt sich diese Erscheinung nicht ausschließen.
Aktuelle Studien berichten von einer ähnlich starken und schnellen Aktivierung des
fusiformen Gesichtsareals während erlebter Pareidolie, wie dies sonst nur bei der
Verarbeitung von realen Gesichtern zu beobachten ist (Hadjikhani, Kveraga, Naik &
Ahlfors, 2009; Liu et al., 2014).
Sollte der Hausstimulus als gesichtsähnlich wahrgenommen werden, ist zudem nicht
auszuschließen, dass dieser als emotionaler empfunden wird als der Gesichtsstimulus.
Der neutrale Gesichtsausdruck der in dieser Studie verwendeten Gesichter wurde
allerdings bewusst gewählt, um die angenommenen Dominanzvorteile emotionaler
Gesichter zu vermeiden (Bannerman et al., 2008).
Gegen diese Theorien könnten allerdings die deutlich reduzierten Effektgrößen des
Inversionseffektes bei Häusern in den beiden experimentellen Switchbedingungen
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Switch (d = 0,413) und Aufblinken (d = 0,470) sprechen. Dieser Rückgang wäre bei
ähnlich schneller Verarbeitung und der Interpretation von Emotionen nicht zu erwarten.
Auch die großen Prädominanzvorteile von aufrechten Gesichtern im direkten Vergleich
mit aufrechten Häusern in Experiment II (d = 1,130, siehe Abb. 2 Experiment II, Seite
15) stützen diese These nicht statistisch.
Somit könnte durch diese Einflüsse der Unterschied zwischen den Inversionseffekten
von Gesichtern und Häusern unbeabsichtigt reduziert worden sein und sollte daher in
nachfolgenden Studien kontrolliert werden.
Ferner zeigte sich in Experiment I über alle Switchbedingungen hinweg eine größere
Streuung der Daten des Inversionseffektes von Gesichtern im Vergleich zu den Daten
des Inversionseffektes bei Häusern (siehe Tab. 2, Seite 16). Dies könnte unter anderem
für generell größere interindividuelle Unterschiede in der Population sprechen.
Beim direkten Vergleich von Gesichtern und Häusern unter binokularer Rivalität konnte
der angenommene Prädominanzvorteil für Gesichter belegt werden. Dabei fanden sich
große Effekte sowohl in der aufrechten (d = 1,130) als auch in der invertierten Orien-
tierung (d = 1,292). Verglichen mit den bisherigen Forschungserkenntnissen ergibt sich
allerdings wie schon in Experiment I ein ambivalentes Bild. Einerseits decken sich die
längeren Dominanzzeiten bei Gesichtern in aufrechter Orientierung mit früheren Ergeb-
nissen, der ähnlich große Effekt bei Gesichtern in invertierter Orientierung jedoch nicht
(Bannerman et al., 2008).
Anzumerken ist an dieser Stelle noch, dass sich für diese Effekte lediglich in der nor-
malen Switchbedingung statistische Bestätigung findet, denn nur dort erzielten Ge-
sichter signifikant längere Dominanzzeiten im Vergleich zu Häusern, unabhängig von
ihrer Orientierung.
Bezüglich der neuronalen Verarbeitung sprechen die bisherigen Ergebnisse für eine
Rivalität der Stimuli. Da aufrechten gegenüber invertierten Stimuli wie auch Gesichtern
gegenüber Häusern eine höhere Bedeutung der visuellen Aufmerksamkeit geschenkt
wird, lassen sich deren Prädominanzvorteile als Indiz für eine späte, sprich stimulus-
bezogene Verarbeitung betrachten.
Beide Experimente behandelten neben den stimulusspezifischen Effekten auch die
Fragestellung, ob der Wechsel eines Stimulus auf das kontralaterale Auge seine
Dominanzzeit verkürzt. Die signifikanten Vergleiche der experimentellen Switchbedin-
gungen Switch und Aufblinken erzielten sowohl in Experiment I (d = -0,705) als auch in
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Experiment II (d = -0,785) jeweils mittlere Effekte zugunsten des Aufblinkens. Der
Augenwechsel führt diesen Ergebnissen zufolge also zu einer Reduktion der Dominanz-
zeit. Dies deckt mit den Ergebnissen von Blake et al. (1980), die in ihrem Experiment
ebenfalls eine Verringerung der Dominanzzeit zeigen konnten. Allerdings ist hier der
Unterschied eher gering, verdeutlicht an der Verteilung der absoluten Dominanzzeiten
von 54:46 bzw. 52:48. Daher kann trotz signifikantem Ergebnis nicht eindeutig auf eine
Rivalität der Augen geschlossen werden.
Im Gegensatz zu Blake et al. (1980) zeigte sich hier eine bedeutende Differenz zwischen
der normalen Switchbedingung und der Bedingung Aufblinken. Diese Einbußen an
Dominanzzeit sind vermutlich auf die kurze Unterbrechung der Stimuluspräsentation
zurückzuführen, die in gleichem Ausmaß für die großen Unterschiede gegenüber der
Bedingung Switch verantwortlich sein sollten.
Als Stärken dieser Studie sei die Apparatur zu nennen. Vor allem die besonders genaue
Zeitmessung des Eingabegerätes ermöglichte eine exakte Messung der Dominanzzeiten.
Zudem lässt sich eine homogene Stichprobe bezüglich Alter und Geschlecht vorweisen.
Bei der kritischen Betrachtung dieser Studie sei zu nennen, dass in Einzelfällen die
angedachte Maximalzeit von 60 Minuten pro Sitzung überschritten wurde. Zudem zeigte
sich eine relativ große Varianz bei der Anzahl der Trials. Diese Gegebenheiten sind auf
apparative Störungen zurückzuführen und als Schwäche der Studie zu bewerten.
Aufgrund der mit zwölf Versuchspersonen nicht optimalen Stichprobengröße ist die
Interpretation der vorliegenden Ergebnisse zudem mit Einschränkung zu betrachten, da
besonders bei kleinem Stichprobenumfang die Anfälligkeit für Ausreißer erhöht ist.
Infolgedessen kann sich die tatsächliche Größe des Unterschiedes verringern bzw. ein
Effekt gänzlich verschleiert werden.
Die Ergebnisse dieser Studie konnten die besondere Rolle der Gesichtsverarbeitung an-
hand der Prädominanzvorteile von aufrechten gegenüber invertierten Gesichtern und
von Gesichtern gegenüber Häusern bestätigen. Der große Inversionseffekt bei Häusern
sollte in zukünftigen Studien auf das Phänomen der Pareidolie hin kontrolliert werden.
Für die weitere Forschung der binokularen Rivalität, die sich insbesondere mit den
Auswirkungen eines Augenwechsels auseinandersetzt, empfehlen sich "starke" Stimuli
wie emotionale, vertraute oder attraktive Gesichter, da hierbei die Auswirkungen
einzelner Bedingungen schneller sichtbar werden sollten.
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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5 Anhang
Experiment I
Stimulus Dominanz Switch MW SE -95% KI +95% KI N
Gesicht
aufrechtes Gesicht
Normal 3,9977 0,4290 3,0534 4,9420 12
Switch 2,0029 0,3365 1,2623 2,7436 12
Aufblinken 2,2614 0,4073 1,3648 3,1579 12
invertiertes Gesicht
Normal 2,7199 0,2543 2,1602 3,2795 12
Switch 1,3059 0,1856 0,8974 1,7143 12
Aufblinken 1,4398 0,2083 0,9813 1,8982 12
Haus
aufrechtes Haus
Normal 3,8785 0,2949 3,2294 4,5276 12
Switch 1,6989 0,3051 1,0273 2,3704 12
Aufblinken 2,0943 0,4339 1,1392 3,0494 12
invertiertes Haus
Normal 3,3271 0,3083 2,6485 4,0057 12
Switch 1,3920 0,1633 1,0325 1,7515 12
Aufblinken 1,7159 0,3466 0,9529 2,4788 12 Tabelle 7: Mittelwerte (MW), Standardfehler (SE), 95% Konfidenzintervalle (KI) der Mittel-werte und die Anzahl der Versuchspersonen (N) aufgeteilt nach den Faktoren Stimulus-kombinantion, Dominanz und Switchbedingung.
Experiment II
Stimulus Dominanz Switch MW SE -95% KI +95% KI N
Gemischt
aufrechtes Gesicht
Normal 3,4569 0,2783 2,8444 4,0695 12
Switch 1,5980 0,2818 0,9777 2,2183 12
Aufblinken 1,6314 0,2710 1,0349 2,2278 12
aufrechtes Haus
Normal 2,6219 0,2558 2,0589 3,1848 12
Switch 1,4730 0,1995 1,0338 1,9121 12
Aufblinken 1,7090 0,2565 1,1444 2,2735 12
Gemischt
invertiertes Gesicht
Normal 3,8278 0,3624 3,0302 4,6254 12
Switch 1,8104 0,4311 0,8616 2,7592 12
Aufblinken 1,9745 0,4294 1,0294 2,9195 12
invertiertes Haus
Normal 2,8229 0,2512 2,2700 3,3758 12
Switch 1,6221 0,2880 0,9883 2,2560 12
Aufblinken 1,9321 0,3351 1,1946 2,6696 12 Tabelle 8: Mittelwerte (MW), Standardfehler (SE), 95% Konfidenzintervalle (KI) der Mittel-werte und die Anzahl der Versuchspersonen (N) aufgeteilt nach den Faktoren Stimulus-kombinantion, Dominanz und Switchbedingung.
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Software:
Inquisit: Version 4. Millisecond Software. (Experimentalsoftware)
Inversionseffekt und Augenwechsel reduzieren Prädominanz unter binokularer Rivalität
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Erklärung für schriftliche Prüfungsleistungen
gemäß § 13, Abs. 2 und 3 der Ordnung des Fachbereichs 02 Sozialwissenschaften, Medien und Sport der Johannes Gutenberg-Universität Mainz für die Prüfung im Bachelorstudiengang B.Sc.
Psychologie vom 11. Febr. 2011, StAnz. S. 460 Hiermit erkläre ich, Brehmen, Martin 2678456 ________________________________________ Name, Vorname Matrikelnummer dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen oder Hilfsmittel (einschließlich elektronischer Medien und online-Quellen) benutzt habe. Mir ist bewusst, dass ein Täuschungsversuch oder ein Ordnungsverstoß vorliegt, wenn sich diese Erklärung als unwahr erweist. ________________________________________ Ort/Datum Unterschrift § 19 Abs. 3 habe ich zur Kenntnis genommen („Versucht die Kandidatin oder der Kandidat das Ergebnis einer Prüfung durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen, oder erweist sich eine Erklärung gemäß § 13 Absatz 2 Satz 5 als unwahr, gilt die betreffende Prüfungsleistung als mit „nicht ausreichend“ (5,0) absolviert.“)