Neue Medien und individuelle Förde 01.-03.09.2005, Ganztagsschulkongress Be Prof. Dr. Bardo Herzig, Boch www.bardo-herzig.de
Neue Medien und individuelle Förderung
01.-03.09.2005, Ganztagsschulkongress Berlin
Prof. Dr. Bardo Herzig, Bochum
www.bardo-herzig.de
Agenda
Eingangsbeispiel
Lernrelevante Eigenschaften Neuer Medien
Formen computerbasierter Lernangebote
Empirische Befunde zur Lernwirksamkeit Neuer Medien
Individuelle Förderung
Eingangsbeispiel (Fortsetzung)
Adaptierbarkeit und Adaptivität
Resümee
© Herzig 2005
Eingangsbeispiel
Fach Geographie,8. Klasse
Problemstellung im Filmausschnitt:
Der Einfluss der Sonnenstrahlen auf die Temperaturam Äquator und am Nordpol.
„Die großen Klimazonen“
© Herzig 2005
Eingangsbeispiel
Subjektive Theorien eines Schülers (naive Schülervorstellungen)
Sonne Erde
Erklärungsansatz/ Hypothese:- Strahlen legen zum Nordpol einen längeren Weg zurück, daher ist es dort kälter
Lernvoraussetzung/ Alltagserfahrung:- In der Nähe einer Wärmequelle ist die Temperatur höher als weiter davon entfernt
© Herzig 2005
Eingangsbeispiel
Weitere subjektive Theorien (naive Schülervorstellungen)
Lernvoraussetzung/ Alltagserfahrung:- Am Fuß eines Berges ist es wärmer als auf dem Gipfel
Kognitiver Konflikt:- Näher an der Wärmequelle ist es kälter als weiter davon entfernt
© Herzig 2005
Lernrelevante Eigenschaftenneuer Medien
Funktionalitäten computerbasierter Medien
• Darstellen/ Präsentieren
• Übermitteln
• Arrangieren
• Verknüpfen
• Speichern
• Verändern
zentrale Merkmale digitaler(computerbasierter) Medienbedeutsam im Kontext
von Lehr- und Lernaktivitäten
© Herzig 2005
Lernrelevante Eigenschaftenneuer Medien
Funktionen computerbasierter Medien im Unterricht
• Lernanregung und Lernhilfe
• Informationsquelle
• Werkzeug zur Erschließung von Informationen
• Werkzeug für die Be- und Verarbeitung von Daten
• Gegenstand von Analysen
• Bereitstellung von Materialien für die eigenständige Bearbeitung
• Instrument der Kooperation und der Kommunikation
• Instrument der Speicherung und der Präsentation
von Arbeitsergebnissen
• Instrument des handelnden Umgangs mit Lernobjekten
© Herzig 2005
Formen von computerbasiertenLernangeboten
• Lehrprogramme
• Übungsprogramme
• Offene Lehrsysteme
• Lernspiele
• Experimentier- und Simulationsumgebungen
• Kommunikations- und Kooperationsumgebungen
• Datenbestände
• Werkzeuge
Verschiedenen Angeboten liegtexplizit oder implizit eine bestimmteAuffassung vom Lernen zugrunde
Lerntheoretische Positionen
behavioristisch kognitionstheoretisch konstruktivistisch
situiertes LernenModell-Lernen
Verschiedene Angebote enthaltenFormen der Anpassung an die Lernenden.
© Herzig 2005
Empirische Befunde
• Untersuchungen zu generellen Medieneffekten
• Untersuchungen zu speziellen Medienmerkmalen
• Interaktionsstudien
• Evaluationsstudien
Sind neue Medien geeignet, Lernprozesse und Lernergebnisse zu verbessern?
Arten empirischerUntersuchungen
© Herzig 2005
Empirische Befunde
• Untersuchungen zu generellen Medieneffekten
Fragestellung: Ist das Lernen mit oder ohne Medien erfolgreicher?
Ist das Lernen mit Medium x erfolgreicher als das das Lernen mit Medium y?
Ergebnis: - keine einheitlichen Ergebnisse/ Tendenzen - die Fragestellung hat sich als nicht sinnvoll erwiesen
© Herzig 2005
Empirische Befunde
• Untersuchungen zu speziellen Medienmerkmalen
Fragestellung: Wie wirken sich bestimmte Medieneigenschaften auf den Lernerfolg aus?
Ergebnisse: - theoriegeleitete und empirisch bewährte Annahmen zum Lernen mit Medien
Bspe.: - Wirkungen von Text-Bild-Kombinationen (Codierungsarten) - Wirkungen von Kombinationen auditiver und visueller Präsentationen (Sinnesmodalitäten)
© Herzig 2005
Empirische Befunde
• Interaktionsstudien
Fragestellung: Wie wirken sich Lernvoraussetzungen auf den Lernerfolg aus?
Ergebnisse (u.a.): - medienspezifische Einstellung und mentale Anstrengung - intrinsische Motivation und Interesse - Vorwissen (themenspezifisch, medienspezifisch) - Lernstrategien
bedeutsame Faktoren bei der Erklärung interindividueller Unterschiede
© Herzig 2005
Empirische Befunde
• Evaluationsstudien
Ergebnisse: - bisher nur wenige Untersuchungen dieser Art - z.B. Empfehlungen zur Verwendung von Computer- simulationen zur Verbesserung der Problemlöse- fähigkeit und des komplexen Denkens
Fragestellung: Welche didaktischen Maßnahmen/ Mittel können empfohlen werden, um bestimmte Ziele in einem bestimmten (medialen) Kontext zu erreichen?
für die Unterrichtsforschung der vielversprechendste Ansatz
© Herzig 2005
Empirische Befunde
Lernerfolg
Medium (an sich)
Medienmerkmale
Lernvoraussetzungen
Didaktisches Design/Lernarrangement
Einflussfaktoren auf den Lernerfolg
© Herzig 2005
Zwischenresümee
• Die erfolgreiche Nutzung lernförderlicher Potenziale neuer Medien ist abhängig von der Passung zwischen Lernsoftware, Lernvoraussetzungen und Lernarrangement.
• Die Nutzung Neuer Medien per se ist genauso wenig lernförderlich wie das Lustwandeln in einer Bibliothek nicht bildend ist.
© Herzig 2005
Individuelle Förderung
• Individuelle Förderung sollte Schülerinnen und Schülern solche Lernumwelten zur Verfügung stellen,
- in denen sie ihre Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten entsprechend ihren Lernvoraussetzungen eigenständig weiterentwickeln können.
• Individuelle Förderung ist eng verbunden mit der Entwicklung der Fähigkeit, selbstgesteuert zu lernen.
• Individuelle Förderung sollte die Eigenständigkeit des Lernenden als konstruktives Individuum anerkennen, d.h. Förderung ist zugleich Forderung an den Lernenden.
© Herzig 2005
• Erfolgreiche Konstruktionen gelingen, wenn Schülerinnen und Schüler an ihr Vorwissen anknüpfen können und von dort ausgehend Vorstellungen, Kenntnisse und Fähigkeiten erweitern oder verändern.
Individuelle Förderung
• Dies bedeutet, Schülerinnen und Schüler müssen Gelegenheit haben, ihre subjektiven Theorien über bestimmte Sachverhalte zu artikulieren und in Auseinandersetzung mit ihrer (Lern-)Umwelt (Lehrer, Mitschüler, Lern- material, …) zu erweitern und zu verändern.
Hierbei können neue Medien einen lernförderlichen Beitrag leisten!
© Herzig 2005
Eingangsbeispiel (Fortsetzung)
- Aufgaben-/ Problemstellung (z.B. mit Hilfe der Temperaturverläufe am Nordpol und in Nairobi aus dem Internet)
- Erhebung der subjektiven Theorien von Schülerinnen und Schülern zur Aufgaben-/ Problemstellung
- Erarbeitung von Grundlagen mit Hilfe einer Lernsoftware (z.B. „Wetter und Klima“)
Möglichkeiten der medienunterstützten Auseinandersetzungmit fachspezifischen/ fachübergreifenden Fragestellungen
© Herzig 2005
Die Erdoberfläche erhält unterschiedlicheEnergiezufuhr in Abhängigkeit vom Einfalls-winkel der Sonnenstrahlen. Aufgrund dergroßen Entfernung zwischen Sonne undErde und der Größe der Sonne, erreichendie Sonnenstrahlen die Erde als fastparallele Strahlen. Die unterschiedlichenEinfallswinkel werden also nur durch dieKrümmung der Erdkugel bedingt. In denniederen Breiten also in Äquatornähe)treffen die Sonnenstrahlen ganzjährig rela-tiv steil auf. Ein Strahlenbündel muß nureine relativ kleine Fläche erwärmen. In den hohen Breiten (also in Polnähe) treffen die Strahlen dagegenganzjährig relativ flach auf. Ein gleichgroßes Strahlenbündel muß demnach eine viel größere Fläche er-wärmen. Die Energie wird auf eine größere Fläche verteilt, jeder einzelne Punkt erhält weniger Energie.
Eingangsbeispiel (Fortsetzung)
„Wetter und Klima“ (Offenes Lehrsystem)
Beis
pie
l ein
er
Text-
Bild
-Kom
bin
ati
on
Quelle: Software „Wetter und Klima“, Springer electronic media
© Herzig 2005
Eingangsbeispiel (Fortsetzung)
„Das Wetter“ (Offenes Lehrsystem)
Beis
pie
l ein
er
Text-
Bild
-Kom
bin
ati
on/
Anim
ati
on
Quelle: Software „Das Wetter“, meteo consult
Aber Vorsicht:Naive Alltagsvorstellungen solltennatürlich durch neue Mediennicht noch „naiver“ werden!(Dies ist allerdings kein Problemder Neuen Medien, sondern derMedienmacher)
© Herzig 2005
???Eingangsbeispiel (Fortsetzung)
Relevante Fragen der Lernenden (Auswahl):
• Einfluss des Einfallswinkels der Strahlen auf die Temperatur?
• Einfluss der Weglänge der Strahlen auf die Temperatur?
• Einfluss der Entfernung zu einer Wärmequelle auf die Temperatur?
• …
Neue Medien sollten dazu anregen, Fragen zu stellen und Fragenin (möglichst kooperativer Weise) handelnd zu bearbeiten.
Handelnder Umgang mit Neuen Medien bedeutet auch, Lernergebnisseohne Medienbrüche in einem Portfolio zu sammeln.
© Herzig 2005
Eingangsbeispiel (Fortsetzung)
Portfolio: Be- und Verarbeitung verschiedener medienbasierter Materialien in einem Portfolio-Dokument ohne Medienbrüche.
Die Weglänge der SonnenstrahlenWenn man die Entfernung zwischender Erde und der Sonne betrachtet, dann entspricht sie dem ca. 109-fachenErdradius. Wenn nun also ein Sonnenstrahlauf den Äquator trifft, so ist die zurückgelegteWegstrecke im Verhältnis zu dem Strahl, der
Ergebnisse vonInternet-Recherchen
Materialien ausLernumgebungen
eigene Berechnungenmit Standard-Werk-zeugen
eigen formulierte TexteDokumentation des eigenen Lernweges
© Herzig 2005
Zwischenresümee
• Die lernwirksame und förderliche Nutzung Neuer Medien hängt in entscheidender Weise davon ab,
- welche Lernaktivitäten sie ermöglichen und
- ob die – medienunterstützten – Lernaktivitäten im Hinblick auf die Voraussetzungen der Lernenden angemessen sind.
Mögliche Lernaktivitäten:
- informieren, rezipieren, exzerpieren
- strukturieren, integrieren
- explorieren, experimentieren
- präsentieren
- kommunizieren, kooperieren
- reflektieren
- üben, wiederholen, …© Herzig 2005
Adaptierbarkeit und Adaptivität
Ist Software in der Lage, sich dem Lernenden anzupassen?
Lehrperson
adaptierbare Software
Lehrperson diagnostiziert den Unterstützungs-bedarf des Lernenden und stellt die Lernsoft-ware entsprechend ein
Lernende(r) Lernsoftware
Lernende(r) Lernsoftware
adaptive Software
Lernsoftware „diagnostiziert“ den Unter-stützungsbedarf des Lernenden und reagiertmit entsprechenden Maßnahmen
Gru
ndko
nst
ella
tionen
© Herzig 2005
Konstellation 1:
- Die Lehrperson benötigt Diagnosefähigkeit, um die Lernvoraussetzungen einzuschätzen
- Die Lehrperson benötigt gute Kenntnis der Software, um sie entsprechend den Lern- voraussetzungen einstellen zu können
- Die Software muss Möglichkeiten der Adaption vorsehen, z.B. - Adaption der Darstellungsformen bzw. deren Kombination - Adaption der Instruktionssequenz - Adaption der Aufgabenpräsentation - Adaption der Aufgabenschwierigkeit - Adaption der Hilfestellungen/ Informationsangebote
Adaptierbarkeit und Adaptivität
© Herzig 2005
Konstellation 2:
- Die Lernsoftware muss „intelligente“ Diagnoseaufgaben wahrnehmen können
Warum dies so schwer ist …
- Die Lernsoftware muss Daten über den Benutzer/ die Benutzerin sammeln
- Die Lernsoftware muss aus den Daten ein „Lernermodell“ generieren
- Das „Lernermodell“ muss so gut/ individuell sein, dass die Lernhilfen auch lernförderlich wirken
Lernermodelle sind häufig stereotypenbasiert und nicht auf den individuellenLernenden ausgerichtet
Adaptierbarkeit und Adaptivität
© Herzig 2005
Adaptierbarkeit und Adaptivität
Beispiele
Quelle: www.incops.de
© Herzig 2005
Adaptierbarkeit und Adaptivität
Beispiele
Quelle: www.incops.de
Sammeln von Informationenüber Lernstände mit Tests
Rückmeldung in Abhängigkeitvon Testergebnissen
© Herzig 2005
Adaptierbarkeit und Adaptivität
Quelle: www.incops.de
Beispiele
© Herzig 2005
Adaptierbarkeit und Adaptivität
Beispiele
alphabetische Strategien orthographische Strategien morphematische Strategien wortübergreifende Strategien rezeptive Strategien Merkstrategien assoziative Strategien Korrekturstrategien
Software: Köller/ Bergmann: Rechtschreibdetektive
Analysemodul zu denSchreibweisen eines Wortes (hier: Gummi-stiefel)
Sammlung und Auswertung vonInformationen über Lernstand undLernweg in einer Datenbank
EmpfehlungeinerLernstrategie
© Herzig 2005
Didaktische Szenarien
LernenderLehrperson
didaktische Gestaltung (Unterricht)
Lernender
Passung?
NotwendigeFähigkeit, selbst-gesteuert zu lernen
Passung?
Passung?
© Herzig 2005
Lernsoftware
dida
ktisc
heG
esta
ltung
Lernsoftware
dida
ktisc
heG
esta
ltung
Resümee
- Neue Medien sind nicht per se lernwirksam und förderlich, sondern ihre Funktionalitäten müssen für intendierte Lernaktivitäten didaktisch angemessen eingesetzt bzw. genutzt werden.
- Neue Medien weisen ein hohes Potenzial für die Verbesserung von Lernprozessen auf.
- Neue Medien sind nur bedingt adaptiv. Sie ersetzen nicht die diagnostische Expertise von Lehrpersonen und deren didaktische Kompetenzen.
- Die Beurteilung Neuer Medien ist abhängig von der Zielperspektive, mit der sie verbunden werden.
- Großer Handlungsbedarf besteht in der Entwicklung und Evaluation von medienunterstützten Unterrichtskonzepten.
© Herzig 2005
Literatur:
Herzig 2005
Tulodziecki, G./ Herzig, B. (2002): Computer & Internet in Schule und Unterricht. Medienpädagogische Grundlagen und Beispiele. Berlin: Cornelsen Scriptor
Tulodziecki, G./ Herzig, B. (2004): Mediendidaktik. Medienverwendung in Lehr- und Lernprozessen. Stuttgart: Klett-Verlag
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
© Herzig 2005