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Referent: Alexander Rommel Migration und Gesundheit – Herausforderungen für eine verbesserte medizinische Versorgung 2. Symposium Migration: Epidemiologische, Soziokulturelle und medizinische Aspekte 25.4.2013 Wien Gesundheitsberichterstattung des Bundes: Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit
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Migration und Gesundheit Herausforderungen für eine ...

Dec 01, 2021

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Page 1: Migration und Gesundheit Herausforderungen für eine ...

Referent: Alexander Rommel

Migration und Gesundheit – Herausforderungen für eine verbesserte

medizinische Versorgung

2. Symposium Migration: Epidemiologische, Soziokulturelle und medizinische Aspekte

25.4.2013

Wien

Gesundheitsberichterstattung des Bundes:

Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des

Bundesministeriums für Gesundheit

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A. Rommel 2. Symposium Migration Wien, 25.04.2013 Robert Koch-Institut

Vorarbeiten am Robert Koch-Institut

• 2008 – Migrationsspezifische Auswertung des Kinder und Jugendsurveys (KiGGS) • 2008 – Schwerpunktbericht der Gesundheitsberichterstattung „Migration und Gesundheit • Seither Berücksichtigung des Migrationshintergrundes als Querschnittthema in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes Aktuell: Bericht „Gesundheit in Deutschland“ 2014

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Gesundheitsberichterstattung des Bundes

Politik

Patientinnen und Patienten

GBE des Bundes

Politik

• Repräsentative Gesundheitssurveys

• Epidemiologische Studien

• Registerdaten

• Amtliche Statistiken

• Routine- und Abrechnungsdaten

• Datenbanken

Fragestellung: Welche Versorgungsbedarfe lassen sich aus den verfügbaren Daten ableiten?

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I.

Definitionen

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Menschen mit Migrationshintergrund: Definition

Deutsche Staatsangehörigkeit

Nicht-deutsche Staatsangehörigkeit

Im Ausland geboren

In Deutschland geboren

In Deutschland geboren

Im Ausland geboren

Eingebürgerte der 1. Generation; selbst zugewandert

Eingebürgerte der 2. & 3. Generation

(Spät-)Aussiedler; selbst zugewandert

Nichtdeutsche der 2. & 3. Generation

Nichtdeutsche der 1. Generation; selbst zugewandert

Legaler Aufenthaltstitel; Lebensmittelpunkt in Deutschland

Personen ohne legalen Aufenthaltsstatus

Häufig gesundheitsrelevant:

Eigene Migrationserfahrung

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Migrationshintergrund: häufige Unterscheidungen

Deutsche AusländerInnen

Personen ohne Migrationshintergrund

Personen mit Migrationshintergrund

1. Generation Folgegenerationen

selbst zugewandert in Deutschland geboren

einseitiger Migrationshintergrund

beidseitiger Migrationshintergrund

Nachteil: eingeschränkte Vergleichbarkeit

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II.

Demographie –

Wer sind sie und wie viele?

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Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland

Deutsche: 10,7%

Ausländer: 8,8%

Mehr als die Hälfte der Menschen mit Migrationshintergrund hat einen deutschen Pass

2011 insgesamt knapp 16 Mio. Personen

Quelle: Destatis/Mikrozensus 2011

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Altersstruktur der Bevölkerung

Quelle: Destatis/Mikrozensus 2011

• In mittleren und höheren Alters-gruppen sind Menschen mit MH unter-repräsentiert

• Die Migrationsbevölkerung ist im Schnitt deutlich jünger als die deutsch-stämmige Bevölkerung

• Ausländerinnen und Ausländer konzentrieren sich im jüngeren Erwerbsalter spezifische Gruppe

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Herkunftsregionen

Quelle: Destatis/Mikrozensus 2011

19% aller Menschen mit

Migrationshintergrund sind

(Spät-)Aussiedler

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Höchster Schulabschluss

Quelle: DESTATIS/Mikrozensus

Es gibt eine deutliche Bildungsbenachteiligung in den meisten Herkunftsgruppen

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III.

Migration, Gesundheit &

Versorgungsbedarf

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Gesundheit & Versorgung – Migration als Übergang

Quelle: vereinfacht n. Spallek/Razum 2008

Abnehmende Einflüsse: z.B. Krieg & Gewalt, Hygiene, schlechtere Gesundheitsversorgung

Zunehmende Einflüsse: z.B. Kritisches Ereignis, Unterschichtung, Akkulturation (positiv / negativ), Zugangsbarrieren

Gleichbleibende Einflüsse: z.B. genetische Dispositionen, frühere Infektionen (nur 1. Generation)

Erste Generation Erste Generation & Nachkommen

Zeit

Migration Tradition Moderne

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Folgerung: Wo sind spezifische Bedarfe erkennbar?

• Höhere Morbiditätsrisiken

• Übergänge / Akkulturation

• Hohe oder geringe Inanspruchnahme von Leistungen

• Unterschiedliche Behandlungsergebnisse

• Demographische Alterung

Zugangsbarrieren verhindern gleiche Versorgungschancen (horizontal equity)

Fehlende spezifische Angebote deuten auf mögliche Fehlversorgung (vertical

equity)

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IV.

Versorgungsbedarf durch

höhere Risiken

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Tuberkulose – Neuerkrankungen (Inzidenz)

Quelle: Robert Koch-Institut 2011

Inzidenz (pro 100 Tsd. EW)

gesamt Männer Frauen

deutsch 3,4 4,2 2,6

ausländisch 22,1 24,3 19,7

Faktor 6,5 5,8 7,6

40% der Tuberkulosefälle sind Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit

Unterschiedliche Altersstruktur der Tuberkulosefälle

Anteile Altersgruppen an Gesamt

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Tuberkuloseinzidenz – Veränderungsraten

Quelle: Robert Koch-Institut 2011

Die Inzidenzen haben sich bei Deutschen deutlich stärker reduziert als bei Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit:

Reduktion 2001 - 2011 (in %)

Männer Frauen

deutsch -48,8 -45,5

nicht-deutsch -33,6 -26,1

Frauen

Männer

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Übergewicht & Adipositas - Häufigkeit

Quelle: Destatis/Mikrozensus, Robert Koch-Institut/KiGGS Basis

Kinder & Jugendliche/Übergewicht

Erwachsene/Adipositas Vor allem Frauen mit Migrationshintergrund sind häufiger adipös

Vor allem Kinder mit beidseitigem Migrations- Hintergrund sind häufiger übergewichtig

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Adipositas bei Kindern und Jugendlichen - Determinanten

Quelle: KiGGS Basis

Migrationshintergrund

Aufenthaltsdauer der Eltern

Herkunftsland

Hypothese: Ernährungsgewohnheiten, die typisch sind für einen sog. Übergang

Integration eher irrelevant

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V.

Übergänge –

Versorgungsbedarf durch Wandel

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Rauchquoten: Aufenthaltsdauer

Quelle: Reeske et al. 2009; Reiss et al. 2010

Spätaussiedler

Türken (m)

Angleichung nur bei Personen mit hoher Bildung; bei wenig gebildeten türkischen Migranten erhöht sich das Risiko weiter

Bei beiden Geschlechtern Angleichung mit der Aufenthalts-dauer

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Vorsorge - Durchimpfungsraten

Quellen: Robert Koch-Institut/KiGGS ; Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin

Kinder mit Migrationshintergrund weisen teilweise noch etwas größere Impflücken auf

Aber: Insbesondere bei jüngeren Kindern (z.B. EinschülerInnen) zeigen sich deutliche Anpassungstendenzen

Berlin

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Vorsorge – Bsp.: keine Masernimpfung

Quellen: Robert Koch-Institut/KiGGS Basis

Migrationserfahrung

Aufenthaltsdauer der Eltern

Integration

Herkunftsland eher irrelevant

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VI.

Spezifische Inanspruchnahme

als Indikator für Versorgungsbedarf

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Vorsorge – Bsp.: U-Untersuchungen

Quellen: Robert Koch-Institut/ KiGGS Basis; Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin

Kinder mit Migrationshintergrund nehmen deutlich seltener an Vorsorgeuntersuchungen teil

Die Akzeptanz nimmt sehr langsam zu; Angleichung zeigt sich nur in geringem Maße

Berlin

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Suchthilfe – Anteil der Klienten mit Migrationshintergrund

Quellen: Deutsche Suchthilfestatistik 2010

Männer

Substanzspezifische Überinanspruchnahme

ohne MH MH

Alkohol 73,7 78,7

Kokain 81,7 90,9

Opioide 71,8 86,4

Cannabinoide 85,7 88,7

Sedativa 38,2 55,6

Stimulanzien 74,8 83,2

Gesamt 74,6 83,3

Männeranteil

Höherer Männeranteil bei Personen mit Migrationshintergrund

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VII.

Versorgungsbedarf

infolge schlechterer

Behandlungsergebnisse

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Behandlungsergebnis Reha: unverändert/schlechter (NRW; %)

Quelle: Brause et al. 2012

Frauen Männer

Menschen mit türkischem Migrationshintergrund weisen schlechtere Rehabilitationsergebnisse auf

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VIII.

Demographische Alterung -

Kulturelle Öffnung der Altenhilfestrukturen

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Prognose: Anteil Personen 65 Jahre und älter (Bayern)

Quelle: Bayrisches Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik

Prognose: Anzahl Personen 65 Jahre und älter (Bayern)

Wichtigste Gruppe Spätaussiedler

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Schätzung: Pflegebedürftige mit Migrationshintergrund in Deutschland

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; Okken et al. 2008

2005 2007 2009 Zuwachs (%)

Frauen 90.582 105.316 117.646 29,9

Männer 71.929 77.864 83.153 15,6

Gesamt 162.511 183.180 200.799 23,6

Kontinuierlicher Zuwachs an pflegedürftigen Migrantinnen und Migranten

Forschungsergebnisse zeigen:

• Anträge auf Anerkennung von Pflegebedürftigkeit werden bei MigrantInnen häufiger abgelehnt

• Es wird häufiger eine niedrigere Pflegestufe zuerkannt

• Es werden von den Betroffenen häufiger ambulante und finanzielle und seltener stationäre

Leistungen in Anspruch genommen

• (auch kultursensibel ausgerichtete) stationäre Pflegeinrichtungen haben Akzeptanzprobleme

Es besteht ein großer muttersprachlicher und kultursensibler Informationsbedarf über

die vorhandenen Unterstützungsstrukturen

Bedarf an interkultureller Öffnung der Begutachtungspraxis

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IX.

Schlussfolgerungen

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• Kultursensible Prävention – Steigende Risiken durch Akkulturation (Übergänge) eindämmen Bsp. Lebensführung, nichtübertragbare Erkrankungen

• Zielgruppenspezifische Programme – Kontrolle von Infektionserkrankungen durch muttersprachliche Informationen und Förderung der Therapietreue Bsp. Tuberkulose

• Interkulturelle Öffnung durch aktive Hilfe bei der Orientierung in den Strukturen des Gesundheitssystems (Übergänge begleiten) Bsp. allg. Unterinanspruchnahme, Früherkennung, Impfen

• Spezifische Bedarfe erkennen – Besonderes Augenmerk auf Phänomene der Überinanspruchnahme; Fehlversorgung vermeiden Bsp. Suchthilfe

• Behandlungsergebnisse evaluieren und ggf. durch spezifische/kultursensible Therapieansätze verbessern – Folgen für die Sozialsysteme vermeiden Bsp. Rehabilitation

Diversity Management durch Sensibilisierung

• Demographischen Wandel gestalten – Altenhilfestrukturen auf alternde Migrations-bevölkerung einstellen, den Betroffenen Information und Orientierung bieten

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Datenlücken und Forschungsbedarf

Berücksichtigung des Migrationshintergrunds

in offiziellen Statistiken und Daten des Gesundheitswesens

Konsequente

Einbeziehung der

Migrations-

bevölkerung in

Gesundheitssurveys

Inanspruchnahme,

Prävalenzen

Entwicklung und

Evaluation

kultursensibler

Präventionsansätze

Berücksichtigung von

Migrantinnen und

Migranten in Studien

der

Versorgungsforschung

und ggf. Entwicklung

spezifischer

Behandlungs-

programme

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Vielen Dank

für Ihre

Aufmerksamkeit!