Medienethik Philippe Wampfler, Januar 2015 phwa.ch/medienethik
Medienethik
Philippe Wampfler, Januar 2015
phwa.ch/medienethik
Ein ISIS-Mitglied erschießt irakische Sicherheitskräfte. (AFP/Welayat Salahuddin)
Würden Sie dieses Bild:
a) in der Zeitung sehen wollen
b) in sozialen Netzwerken teilen
c) als Illustration einsetzen?
Ablauf
9.30-10.15 Der Fall Geri Müller
10.15-10.45 Medienethik: Grundlagen
11.00-11.30 Medienethik: Denkrichtungen
11.30-12.30 Fallarbeit: Presserat
13.30-14.15 Präsentation Fälle, Diskussion
14.15-14.45 Ethik im Netz
15.00-16.00 Medienethik im Berufsalltag
16.00 Auswertung, Feedback
Ziele
Medienethische Perspektive kennen
Medienethische Urteile fällen
Transfer in eigene Berufspraxis schaffen
Bild: Philippe Rossier/blick.ch
Teil 1
Der Fall Geri Müller
AnzeigenBollag
WigdorovitsW.
Patrik Müller
#gerigate
#selfiegate
6. August 16. August
Schweiz am Sonntag
PK
19. August ab Ende August
Chat in Presse
20. Dezember12. November
Hintergrund-berichte
Bild: ky/Ennio Leanza
(1) Welche Fragen stellen sich?
(2) Wie werden Wertungen vorgenommen?
(3) Übertragung auf Fall Müller/Selfiegate?
Bild:Keystone
(1) Originalartikel
(2) AZ-Debatte
(3) Hitz
(4) »Unentschieden«
(5) Geser-Interview
(6) Zimmermann-Kolumne
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private Person
Person mit Amt
öffentliche Person
öffentlich
halb-öff.
privat
Recht am eigenen Bild
Teil 2
Medienethik: Grundlagen
Fall 1
»Petardentrottel«
Fall 2
Babyklappen-Briefe
?1. Was ist an diesen beiden
Geschichten verwerflich/falsch/unmoralisch?
2. Aus welchen Gründen?
MedienethikMedienethik
Produzierende Rezipierende
ProduzentenethikBerufsethik
Pressekodex
RezipientenethikPublikumsethikVerantwortung
nach Fenner 2010
?»Wir haben die Medien, die wir verdienen!«
- Werner Faulstich
1. Stimmen Sie dieser Aussage zu?
2. Wie ließe sie sich begründen?
Abgrenzung
Ethik / Moral
Bild: Kristina Stas
Philosophie · Schmid Ethik · Begriffe
1.1 ©2007-04 J. Schmid
Praktische Philosophie · Ethik: Begriffe
1. Praktische und theoretische Philosophie
Praktische Philosophie (:= Reflexion über
normative Aussagen/Theorien)
(Normative Aussage := Aussage darüber, was sein soll)
Normative Aussagen sind gültig/ungültig bzw haben einen Geltungsanspruch
Theoretische Philosophie (:= Reflexion über
deskriptive Aussagen/Theorien)
(Deskriptive Aussage := Aussage darüber, was ist)
Deskriptive Aussagen sind wahr/unwahr bzw. haben einen Wahrheitsanspruch
(Metaethik) Wissenschaftstheorie/Erkenntnistheorie
⇓ ⇓ Ethik: Theorien über ethische Prinzipien /
Werte bzw. Güter Wissenschaft: Theorien über Naturgesetze
Begründung ⇓ Systematisierung Erklärung ⇓
Moral: Aussagen zu Klassen von wünschba-rem Handeln (= Pflichten/Normen)
Aussagen zu Klassen von Tatsachen
Ableitung ⇓ Anwendung ⇓ Handlungsanweisung / Bewertung von Ge-
genständen, Handlungen und Zuständen Einzelbeobachtung / Tatsachenbehauptung
2. Begriffe
Ein Wert/Gut ist eine Eigenschaft von Gegenständen/Handlungen/Zuständen, aufgrund deren sie als wünschbar bestimmt werden. Der Wert impliziert auch ein Sollen für Handlungen, durch die diese Gegenstände und Zustände erzeugt werden. Beispiel: Wenn Gerechtigkeit als Wert angesehen wird, sollen Handlungen, denen das Prädikat ›gerecht‹ zukommt, ausgeführt werden. Wenn der Wert als gül-tig betrachtet wird, kann etwa eine ungerechte Staatsverfassung moralisch bewertet werden.
Der Wert ist stets eine Setzung, d. h. er kann nicht allein aus deskriptiven Aussagen abgeleitet werden (naturalistischer Fehlschluss). Beispiel: Ob eine Staatsverfassung einem vorher definierten Begriff von Gerechtigkeit entspricht, ist eine rein deskriptive Aussage, aber dass eine Staatsverfassung überhaupt gerecht sein soll, beruht auf einer Setzung.
3. Modell individuellen Handelns
Intention „(guter) Wille“ ⇒ Handlung ⇒ Folgen
Festsetzung von Normen/
Bewertung von Handlungen aufgrund von Intentionen:
Festsetzung von Normen/ Bewertung von Handlungen
aufgrund von Folgen:
Gesinnungsethik Konsequenzethik
z. B. Theorie des Kategori-schen Imperativs (Kant)
z. B. Utilitarismus (Bentham)
Quelle: www.joachimschmid.ch
?
1. Journalistinnen und Journalisten müssen immer beide Seiten anhören.
2. Quellen sind zu schützen.
3. Vertretbar ist nur, was aus gutem Willen geschieht.
4. Die positiven Auswirkungen einer moralischen Handlung müssen die negativen übertreffen.
Ethik Gesetz
nicht erzwingbar
juristisch erzwingbar
normativstabilisierend
naturalistischer Fehlschluss
Wert / GutBild: blumwurks
Konstruktivistisch-konnektivistisches Lernen ist Social Media
Bild: Dimitry Ryzhkov
Medienethik zwischen
Theorie und Praxis
Allgemeine medienethische Werte
★ Widerspruchsfreiheit
★ Wahrheit
★ Argumentativität
★ Fairness
★ Transparenz
★ Offenheit
★ Vollständigkeit
★ Relevanz/Aktualität
★ Menschenwürde bei Recherche und Präsentation
★ Freiheit von äußeren Zwängen
?
1. Gewichten Sie diese Werte in Bezug auf Erwartungen an Ihre Freundinnen/Freunde. (Wo würden Sie Verletzungen am wenigsten tolerieren?)
2. Welche Werte sind bei Massenmedien schwierig?
3. Welche Werte werden durch Social Media problematisch?
Schweizer Presserat
★ Wahrheit
★ freie Information
★ sichere Quellen
★ Quellenschutz
★ Red.geheimnis
★ Privatsphäre
★ Menschenwürde
★ keine Werbung
Die Berichte waren gespickt mit Einzelheiten aus dem Privat- und Berufsleben des Betroffenen, die dessen Identifizierung ermöglichten und ihn so an den Pranger stellten. Damit bedienten die «Blick»-Redaktionen bloss die öffentliche Neugier, die nicht mit dem öffentlichem Interesse an einer Berichterstattung verwechselt werden darf. Nach Auffassung des Presserates unverhältnismässig war zudem auch die Art und Weise der «Blick»-Recherchen im Umfeld des Betroffenen.
Der Beschwerdeführer kritisierte zudem die Bezeichnung «Petarden-Trottel» als menschenunwürdig. In diesem Punkt weist der Presserat die Beschwerde ab «
Aufgrund des Berichts des «Magazin» und der als Faksimilie abgedruckten Abschiedsbriefe sind weder die betroffenen Mütter noch die Kinder auch nur annähernd erkennbar. Eine Verletzung der Privatsphäre scheidet damit von vornherein aus. Ebenso wenig verletzt die Veröffentlichung der Briefe in dieser anonymen Form die Menschenwürde der Betroffenen, werden sie doch durch den beanstandeten Medienbericht weder verunglimpft noch in unnötiger, sachlich unbegründeter Weise in ihrem Menschsein herabgesetzt. [Es war] in diesem Fall unmöglich, die Einwilligung der Betroffenen einzuholen. Zudem besteht insofern ein öffentliches Interesse am Abdruck der Briefe, als die Institution «Babyklappe» in der Gesellschaft umstritten ist. «
Bild: Dani Mantis
Ethische Denkrichtungen (1)
Tugendethik
Ethische Denkrichtungen (2)
Deontologie
Bild: Kuzeytac Lsi
Ethische Denkrichtungen (3)
UtilitarismusBild: Enrico Virtual
Ethische Denkrichtungen (4)
Präferenz-UtilitarismusBild: clyde 7995
Ethische Denkrichtungen (5)
VertragstheorienBild: Michael Vitek
?Diskutieren Sie folgenden Fall aus allen fünf Perspektiven:
Tom Kummer interviewte in den 90er-Jahren eine Reihe von Hollywoodstars für die wichtigsten deutschsprachigen Magazine. Seine Interviews erhielten viel Beachtung, waren aber erfunden - weil er den Hollywood-Betrieb als gekünstelt und Fakten als »langweilig« empfand.
http://www.taz.de/!133/
Teil 3
Fallarbeit Presserat
1) Kristallnacht-Tweet
2) Res Strehle in der Weltwoche
3) Busunglück im Wallis
4) »Spanner vom Uni-WC«
5) »Hannah, wir helfen Ihnen«
Aufträge zu den Fällen
a) Lesen Sie sich ein (evtl. auch Web-Recherche).
b) Sammeln Sie medienethische Argumente.
c) Diskutieren Sie die Urteile.
d) Stellen Sie Bezüge zu Ihrer Berufspraxis her.
e) Präsentieren Sie Fall und relevante Argumente.
Teil 4
Ethik im Netz
Bild: Gabríel Sigurðardóttir
MedienethikMedienethikMedienethik
Produzierende Rezipierende
ProduzentenethikBerufsethik
Pressekodex
RezipientenethikPublikumsethikVerantwortung
nach Fenner 2010 und Novak
Prosumierende
CyberethikSelbstregulierung
Datenschutz
»Bullshit-/Crap-Detection«Howard Rheingold / Harry G. Frankfurt
Ethische Denkrichtungen (6)
Informationsethik
1. Verantwortung von Rechenschaft trennen.
2. (aus 1.) Nicht nur Menschen handeln moralisch.
3. Entropie der Infosphäre: Verschmutzung, Verfälschung oder Zerstörung von Information.
4. Moralische Handlungen reduzieren die Entropie in der Infosphäre.
nach Floridi 2006
Teilen oder nicht teilen?
a) Adressbuch bei WhatsApp hochladen
b) eigenes Abstimmungs-/Wahlverhalten
c) Kinderfotos aus dem Urlaub
d) alte Klassenfotos
e) Foto der seltsam gekleideten Frau aus Bus
f) Name der unfreundlichen Kondukteuse
g) Warnung: »Kinderschänder im grünen Auto«
Netzethische Fragen
1. Im Netz Klarname oder Pseudonym verwenden?
2. Auf problematische/verwerfliche Inhalte klicken oder nicht?
3. Sichere ich meine Daten und die Dritter?
4. Wie gehe ich mit Urheber- und Nutzungsrechten um?
Gaza- und Ukraine-Konflikt
Quelle: Konrad Weber
Teil 5
Medienethik im Berufsalltag
Kohlberg 1
Die Abteilung der kantonalen Verwaltung, auf der Anja arbeitet, hat kürzlich zwei strikte Weisungen erhalten:
1. Keine sozialen Netzwerke während der Arbeit.2. Keine öffentlichen politischen Meinungen.
Anja liest während der Arbeitszeit auf Facebook, dass ihr Arbeitskollege Bertram in einer Spardebatte massive Einschränkungen bei Anjas Unterabteilung fordert.
Kohlberg 2
Claudia lädt im Auftrag der Schulleitung Bilder vom Pausenplatz hoch. Zu sehen sind lachende Kinder. Ein Vater aus der Gruppe besteht auf der Löschung - er habe sein Einverständnis nicht gegeben.
Claudia betreut die Homepage einer Primarschule. Das Team der Schule steht unter starkem Druck, weil eine Gruppe Eltern Unwahrheiten über den Unterricht verbreitet. Sie will die strenge Vergabe von Noten abschaffen, gibt aber vor, das Unterrichtsklima sei schlecht.
Kohlberg 3
David leitet ein kleines Team von Mitarbeitenden. Kürzlich stieß mit Eric ein Franzose zum Team. Er vergleicht Schweizer Gepflogenheiten mit seinem unvergleichlichen französischen Akzent oft mit dem Leben in Frankreich. Bald beginnt der Rest des Teams, sich hinter seinem Rücken über Eric lustig zu
machen - auch auf WhatsApp. David will das Mobbing stoppen. In einer Teamsitzung verlang Eric, dass er die WhatsApp-Chats sehen wolle. David ist unschlüssig.
Kohlberg 4 ?
Teil 6
Auswertung und Feedback
Offene Fragen
Ziele
Medienethische Perspektive kennen
Medienethische Urteile fällen
Transfer in eigene Berufspraxis schaffen
Diskussion in Kleingruppen
a) Was war der für uns relevanteste Aspekt?
b) Was könnte weggelassen werden?
c) Wie könnte Arbeitsweise verbessert werden?