28 results Deutsche Bank Märkte China E ine Busfahrt durch das subtropisch sticki- ge Schanghai, das klingt nicht zwingend nach Spaß. Ist der Bus aber angenehm kühl temperiert, hat Stephan Luerssen gleich doppelten Grund zur Freude: Mit hoher Wahr- scheinlichkeit arbeitet ein Verdichter seiner Firma im Verborgenen. Luerssen, 43-jähriger China-Chef der Sindelfinger Bitzer Kühlma- schinenbau GmbH, des weltweit führenden Herstellers von Verdichtern für Kälte- und Kli- maanlagen, blickt nach eigenen Angaben auf 80 bis 85 Prozent Marktanteil. „350 000 Busse haben wir hier schon ausgerüstet. Auch in Chi- na verkaufen wir nicht über den Preis, sondern über Qualität“, sagt Luerssen. Thesen uEinfluss: Chinas geopolitische Bedeutung ist auch dank seiner Ankerfunktion in der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich gewachsen. uUpgrade: Ein Billigstandort ist China seit einigen Jahren nicht mehr. Die Regierung verordnet der gelenkten Wirtschaft ein Upgrade hin zu besserer Technologie, Inno- vationskraft und höherer Energieeffizienz. uKonsum: Auslandsinvestoren profitieren vom stabilen Wachstum, einer statusbe- wussten Mittelschicht. „Made in Germany“ ist ein Verkaufsargument. uAutarkie: Chinesische Firmen blasen zur Aufholjagd. In immer weniger Bereichen ist das Reich der Mitte wirklich auf westliche Produkte angewiesen. Billig war gestern China bleibt die Lokomotive der Weltwirtschaft. Auch wenn sich das Wachstum abschwächt: Der Markt wird für immer mehr Mittelständler zum Muss. Mit zunehmend hochwertigen Industriegütern entwickelt sich China zum Wettbewerber auf Augenhöhe M Artikel als Audiodatei: www.deutsche-bank.de/results
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Märkte Billig war gestern - deutsche-bank.de · results Deutsche Bank 29 R Cooler Platzhirsch zu sein auf dem am heißesten umkämpften Markt der Welt – für einen Mittelständler
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28 results Deutsche Bank
MärkteChina
Eine Busfahrt durch das subtropisch sticki-
ge Schanghai, das klingt nicht zwingend
nach Spaß. Ist der Bus aber angenehm
kühl temperiert, hat Stephan Luerssen gleich
doppelten Grund zur Freude: Mit hoher Wahr-
scheinlichkeit arbeitet ein Verdichter seiner
Firma im Verborgenen. Luerssen, 43-jähriger
China-Chef der Sindelfi nger Bitzer Kühlma-
schinenbau GmbH, des weltweit führenden
Herstellers von Verdichtern für Kälte- und Kli-
maanlagen, blickt nach eigenen Angaben auf
80 bis 85 Prozent Marktanteil. „350 000 Busse
haben wir hier schon ausgerüstet. Auch in Chi-
na verkaufen wir nicht über den Preis, sondern
über Qualität“, sagt Luerssen.
ThesenuEinfl uss: Chinas geopolitische Bedeutung
ist auch dank seiner Ankerfunktion in der Wirtschafts- und Finanzkrise deutlich gewachsen.
uUpgrade: Ein Billigstandort ist China seit einigen Jahren nicht mehr. Die Regierung verordnet der gelenkten Wirtschaft ein Upgrade hin zu besserer Technologie, Inno -vationskraft und höherer Energieeffi zienz.
uKonsum: Auslandsinvestoren profi tieren vom stabilen Wachstum, einer statusbe-wussten Mittelschicht. „Made in Germany“ ist ein Verkaufsargument.
uAutarkie: Chinesische Firmen blasen zur Aufholjagd. In immer weniger Bereichen ist das Reich der Mitte wirklich auf westliche Produkte angewiesen.
Billig war gesternChina bleibt die Lokomotive der Weltwirtschaft. Auch wenn sich das Wachstum abschwächt: Der Markt wird für immer mehr Mittelständler zum Muss. Mit zunehmend hochwertigen Industriegütern entwickelt sich China zum Wettbewerber auf Augenhöhe
M Artikel als Audiodatei: www.deutsche-bank.de/results
Jobbörse in der Hubei Provinz: Die Ein-Kind-Politik Chinas führt dazu, dass nach Einschätzung des Deutsche-Bank-Experten Jun Ma die Zahl junger Arbeitskräfte drastisch abnimmt. Deutsche Unternehmen werben schon jetzt mit Weiterbildung und Stipendien um Mitarbeiter
Sie empfehlen deutschen Mittel-ständlern, sich China auf jeden Fall persönlich anzuschauen. Warum?China ist produktionstechnisch in der Neuzeit angekommen. Europa wird hier faktisch gerade nachgebaut. Wer das mit eigenen Augen sieht und sich von der Dynamik anstecken lässt, wird schnell die zögernde Haltung überwinden, die es im deutschen Mittelstand manchmal noch gibt. Welche Kardinalfehler gilt es beim Markteintritt zu vermeiden?Man braucht eine China-Strategie. Es ist der größte und der am härtesten
umworbene Markt der Welt, den kann man nicht nebenbei bedienen – und schon gar nicht nach dem Prinzip „Trial and Error“. Wer nicht die Res-sourcen und Leute hat, um diesen Markt mit voller Konzentration zu bearbeiten, sollte die Finger weglas-sen. Simples Beispiel: Ohne eine gute chinesische Firmen-Homepage geht gar nichts. Ein Billigansatz führt zu nichts: Die Fertigung muss State of the Art sein. Ist es auch eine Frage der Unter nehmensgröße, ob der Schritt nach China ratsam ist?
Es hängt mehr mit Commitment zu-sammen als mit Größe. Jeder muss sich zum Beispiel auf einen massiven Kampf um die Talente einstellen. Um gute Leute abzuwerben, werden in den Küstenregionen oft 50 bis 100 Pro-zent mehr Gehalt angeboten. Als Kon-zern mit klangvollem Namen hat man natürlich einen Vorteil – auch im Wettbewerb um Arbeitskräfte. Was empfehlen Sie für die Standortsuche?In den großen Städten wird man scheitern, wenn man nicht mindes tens Arbeit für 10 000 Leute mitbringt.
Man sollte nicht erwarten, dass sich dort jemand um einen kümmert. Im Hinterland ist es natürlich billiger, Kapazitäten aufzubauen, Unterneh-men werden dort von der lokalen Regie-rung auch viel freundlicher aufgenom-men. Dennoch rate ich Mittelständ-lern, nicht alle Pfade selbst austreten zu wollen, sondern leichteres Ter-rain zu wählen. Zu empfehlen sind zum Beispiel die Sonderentwicklungs-zonen in der südchinesischen Provinz Guangdong, in Tianjin bei Peking oder die deutsche Enklave Taicang bei Schanghai.
Eddy Henning leitet die Firmenkunden-
betreuung der Deutschen Bank in China
Interview
„ Trial and Error“ ist in Chinadie falsche Strategie
Weitere InformationenKontakt Eddy Henning, Leiter der Firmen-kundenbetreuung, Deutsche Bank China E-Mail [email protected] Literatur„Understanding China’s consumers“ und „China’s provinces: Digging one layer deeper“, Deutsche Bank Research, kostenlos down-loadbar unter www.deutsche-bank.de/resultsLinks Aktuelle Wirtschaftstrends der GTAI:https://www.gtai.de/ext/anlagen/PubAnlage_8582.pdfLänderreport des Internationalen Währungsfonds: www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2010/cr10238.pdf
Liegen in China mehr Chancen oder Risiken? Die Lüdenscheider Familien-unternehmer Kostal hatten die Koffer bereits gepackt, als viele noch diskutierten. Schon 1995 gründeten die Experten für Automobil-elektrik eine Niederlassung nahe Schang-hai. Frankreich kam als Standort erst vier Jahre später hinzu.
Die Entschlossenheit in der Ferne zahlt sich aus: „Wir haben in China eine erfreuliche Wachstumsdynamik hingelegt“, freut sich Unternehmer Andreas Kostal. Nach 140 Millio-nen Euro Umsatz im Krisenjahr 2009 rechnet er für 2010 mit 200 Millionen Euro. Gemessen an den gut 1,4 Milliarden Euro Gruppen umsatz ist China für die Sauerländer der größte Auslandsmarkt. „Als 2009 der Automarkt überall einbrach, war China der große Stabilisator für unsere Gruppe.“
Die Verpfl ichtung, mit einem chinesi-schen Unternehmen ein Joint Venture ein-zugehen, bestand 1995 nicht mehr für einen Auto mobilzulieferer. „Wir haben uns dennoch bewusst dafür entschieden, mit lokalen Partnern in den Markt zu gehen“, sagt Andreas Kostal. Bis heute wurden die Kostal-Anteile am Gemeinschaftsunter-nehmen schrittweise auf derzeit 82 Pro-zent erhöht.
Das Rezept ist klar: vor Ort entwickeln, fertigen und auf kurzem Weg verkaufen. Der Standort Anting, eine Art Autostadt vor den Toren Schanghais, ist dafür perfekt. Gerade ist ein Erweiterungsbau in Planung. Kostal
Fallstudie
„Der Optimismus ist elektrisierend“Der Mechatronik-Spezialist Kostal ist seit mehr als zehn Jahren in China aktiv und beliefert von dort aus auch Japan und Korea
Andreas Kostal, 31, führt als Urenkel des Grün-ders gemeinsam mit seinem Vater das Geschäft des Automobilzu-lieferers Kostal
beliefert vor allem die aufstrebende chinesische Automobilindustrie, teilweise gehen die Lenksäulenmodule, Schalthebel oder Türelektronik module auch nach Japan und Korea, äußerst selten nur nach Europa. Die Dynamik in der „kapitalistischen Diktatur“ beeindruckt Andreas Kostal immer aufs Neue: „Jeder will jeden Tag weiter nach vorn kommen, alles ist von unglaubli-chem Optimismus getragen – das ist schon elektrisierend.“ Für ihn sei Schanghai die beeindruckendste Stadt der Welt, schon durch die schiere Größe und Entwicklungs-geschwindigkeit. „Das geht oft ohne große Rücksicht auf Verluste“, so sein Eindruck. Auch Kostal wurde schon einmal „veranlasst“ – so die diplomatische Umschreibung –, den Produktionsstandort zu wechseln, weil an alter Stätte ein Sport zentrum geplant wurde. „Da wird man nicht unbedingt gefragt“, sagt Kostal. „Allerdings wurden wir gut unterstützt bei der Suche nach einem neuen Platz für unser Werk.“ Noch besitzt erst jeder zwanzigste Chinese ein Auto. „Da steckt gewaltiges Aufhol potenzial“, sagt Kostal. Doch auch andere Geschäftsbereiche neben dem Autogeschäft will Kostal jetzt ausbauen: Kontaktsysteme werden schon in China verkauft, und demnächst beginne der Ausbau des Photovoltaikgeschäfts mit Wechselrich-tern und Solaranschlussdosen – ein weiterer Markt mit hoher Wettbewerbsintensität. Doch die vorhandene Startbasis macht Mut: „Wir besitzen Marktkenntnis, haben die Infrastruktur und bald 1600 Mitarbeiter – da kann man schön ein Pfl änzchen andocken und hochziehen“, sagt Kostal. Ein gewisses Risiko gebe es immer , sagt Kostal – und geht pragmatisch vor: „Auch beim viel diskutierten geistigen Eigentum gilt: Ganz schützen kann man sich nicht. Schlüssel-technologien und Kernkompetenzen behalten wir daher in Deutschland“, sagt er. „Wir müssen dennoch gute Entwickler vor Ort haben, auch weil die Entwicklungs-zyklen in China viel kürzer sind als in Europa. Kundenschnittstellen betreuen, das geht nur aus China.“ FO