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Institut für Chemie Physikalische Chemie
Dr. Hans Fleißner (O.Prof. 1922-28) wurde 1920 als Professor für
Angewandte Chemie nach Leoben berufen. Er führte die Physikalische
Chemie als Unterrichtsfach ein und ist als Forscher durch seine
„tönende Grubenlampe“ zur Anzeige von schlagenden Wettern und sein
Trocknungsverfahren für ligni- tische Braunkohlen bis heute
unvergessen. Für die Weiterentwicklung der Fleißner-Kohlentrocknung
hat eine Gruppe von VOEST-ALPINE Ingenieuren 1985 den
Österreichischen Staatspreis für Energieforschung bekommen. Beim
Apold-Fleißner Röstverfahren für Spateisenstein, das sich ab 1925
im Hüttenwerk Donawitz bewährte, wurde eine im Prinzip von Fillafer
schon im 19- Jh. in Vordernberg begonnene Technik auf eine solide
physikalisch-chemische Grundlage gestellt. Nachfolger Fleißners
wurde Robert Müller (1929-38), der nach dem Tode Jellers den
gesamten chemischen Unterricht an der Montanistischen Hochschule
übernahm. Müller wurde besonders durch seine elektrochemischen
Arbeiten bekannt; er versuchte aber auch als erster aus steirischem
Serpentin kaustische Magnesia und ein Nikkeikonzentrat zu
gewinnen.
Schließlich wurde Erich Schwarz-Bergkampf (1943-75) als
Professor für Physikalische Chemie berufen; er supplierte viele
Jahre auch alle anderen chemischen Fächer. Anläßlich seines
achtzigsten Geburtstages sind ausführliche Würdigungen seiner
Leistungen als Forscher und Lehrer in einschlägigen Zeitschriften
erschienen1,2).
Seit 1975 ist Heinz Gamsjäger O.Univ.Prof. für Physikalische
Chemie. Im Jahre 1982 wurden die Institute für Allgemeine und
Analytische Chemie sowie für Physikalische Chemie gegen den Willen
aller Beteiligten und des Universitätskollegiums vom
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zu einem Institut
für Chemie zusammengelegt. Seit
her wurde die Abteilung Physikalische Chemie und theoretische
Hüttenkunde eingerichtet.
ABTEILUNGSPERSONALO.Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr. mont.Heinz
GAMSJÄGERMag. et Dr. rer. nat. Erich KÖNIGSBERGER,
UniversitätsassistentDr. phil. Harald MARHOLD,
Universitätsassistent Dipl.Ing. Elmar SCHUSTER,
Universitätsassistent Sigurd HOFER, Studienassistent Ingo LEDERER,
Studienassistent Gertraud EGGER, Vertragsbedienstete Karin
PRETSCHUH, Vertragsbedienstete Liane HACKL, Vertragsbedienstete
Christian STEGER, Lehrling Eva NEUHAUSER, Jugendliche
Dem Institut fachlich zugeordnet sind:
em.Univ.Prof. Dipl.Ing. Dr.techn.Erich SCHWARZ-BERGKAMPF
Dipl.Ing. Dr.mont. Erwin SOMMER, Lehrbeauftragter für
SprengstoffchemieHon.Prof. Dir.i.R. Dr.phil. Otto BÖHM, bis WS
1988/ 89 Lehrbeauftragter für Sprengstoffchemie
LEHREDie Lehre der Physikalischen Chemie an der
Montanuniversität spielt sich auf drei Ebenen ab.Im Grundniveau
wird den Hörern der Studien
richtung Hüttenwesen, Gesteinshüttenwesen,
Werkstoffwissenschaften, Kunststofftechnik, Erdölwesen
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und Angewandte Geowissenschaften das Basiswissen in einer nach
der angegebenen Reihenfolge abgestuften Intensität vermittelt.
Auf der nächsthöheren Ebene werden für Hörer im Zweiten
Studienabschnitt physikalisch-chemische Probleme der
Metallgewinnung und -raffination besprochen und in praktischen
Übungen bearbeitet. Für Hörer der Studienrichtung Bergwesen werden
vom Werksleiter der Fa. Westspreng Ges. m. b. H., Finnentrop,
Bundesrepublik Deutschland, Dr. E. Sommer, Vorlesungen über
Sprengstoffchemie gehalten und Exkursionen organisiert. Bis zum
Ende des WS 88/89 wurde diese Funktion von Hon.Prof. Böhm
wahrgenommen.
Die dritte Ebene umfaßt die Weiterbildung der wissenschaftlichen
Mitarbeiter und Dissertanten des
Institutes, die in Seminaren, Konversatorien, Exkursionen und
auf Tagungen erfolgt.
Als Ausbildungsziel soll den Absolventen der Montanuniversität
das physikalisch-chemische Rüstzeug mitgegeben werden, das es ihnen
ermöglicht, neue Verfahren für die Montanindustrie zu finden und
alte zu verstehen bzw. zu optimieren. Darüber- hinaus sollen
Doktoren der montanistischen Wissenschaften ausgebildet werden, die
über das volle Repertoire moderner chemischer Kenntnisse verfügen
und sich außerdem mit Interesse und Ambition in der Montanindustrie
engagieren wollen.
ARBEITSGEBIETE DER ABTEILUNG FÜR PHYSIKALISCHE CHEMIE UND
THEORETISCHE HÜTTENKUNDE
Chemische Reaktionen können im allgemeinen technisch nur dann
optimal nutzbar gemacht werden, wenn der Gleichgewichtszustand den
sie erreichen und die Geschwindigkeit mit der sie ablaufen bekannt
sind. Das Arbeitsgebiet der Physikalischen Chemie erstreckt sich
daher auf thermodynamische (Gleichgewicht) und kinetische
(Geschwindigkeit) Untersuchungen chemischer Reaktionen,
insbesondere solcher, die für Montanwissenschaften und -industrie
wichtig sind. Im Rahmen der theoretischen Hüttenkunde werden diese
physikalisch-chemischen Konzepte auf montanistische
Verfahrensschritte angewendet.
THERMODYNAMIK
Bild 1: Galvanische Zelle zur Bestimmung chemischer
Potentiale.
Gegenwärtig werden folgende Teilaspekte bearbeitet:
1. Potentiometrische Untersuchung der Thermodynamik hom ogener
fester Mischungen und stöchiometrischer Mischphasen von
Metallcarbonaten und -sulfiden; Anwendung auf geochem ische und
hydrometallurgische Prozesse. In diesem Zusammenhang wurden eine
Reihe von Apparaturen entwickelt, die die kontinuierliche Messung
von Löslichkeiten schwerlöslicher Substanzen auch in Halb-
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mikromengen über Zeiträume von mehreren W ochen bei Temperaturen
von 0 -100 °C gestatten. Kürzlich wurde auf der Basis von
Festkörper-Elektrolytgleichgewichten in wäßrigen Lösungen eine neue
Methode zur Bestimmung chemischer Potentiale vorgeschlagen35. Mit
diesen Größen können unter anderem hydrometallurgische und
geochemische Prozesse modelliert werden. Bild 1 zeigt die neueste
Version einer entsprechenden Meßzelle im Einsatz.
2. Charakterisierung der Oberflächeneigenschaften einer
hydrometallurgisch hergestellten amorphen, mikroporösen Kieselsäure
45. Nach einem hydrometallurgischen Verfahren der Veitscher
Magnesitwerke (VMAG) wird Magnesiumoxid bzw. -hydroxid aus dem in
praktisch unerschöpflicher Menge vorhandenem steirischem Rohstoff
Serpentin Mg3(Si2O5)(OH)4 gewonnen. Der erste Schritt dieses
Prozesses ist in Bild 2 schematisch dargestellt. Wie man sieht,
fallen dabei große Mengen von Kieselsäure an. Dieses neue Produkt
„erinnert“ sich seiner Struktur nach an die Entstehung aus
Serpentin und eignet sich deswegen vorzüglich zur Herstellung von
Wasserglas, sowie als Trockenmittel und als Ausgangsmaterial zur
Herstellung hochwertiger Silicate vom Zeolith-Typ. Damit bieten
sich verschiedene Möglichkeiten an, um den zunächst unerwünschten
Rückstand des MgO - Verfahrens zu veredeln und zu verkaufen.
3. Bestimmung partieller molarer Volumina in Elektrolyt- und
Nichtelektrolytmischungen. Mit Hilfe
der von der österreichischen Firma PAAR entwickelten
Biegeschwingermethode kann man sehr genaue Dichtemessungen
ausführen. An der kontinuierlichen Messung von Elektrolyt- und
Nichtelektrolytlösungen, die aus vielen Komponenten bestehen, wird
gearbeitet55. Auf diese Weise erhaltene Daten gestatten es, den
Einfluß des Druckes auf den Gleichgewichtszustand chemischer
Reaktionen vorauszusagen. Bild 3 zeigt den gegenwärtigen
Entwicklungsstand der Apparatur.
4. Computerunterstützte thermodynamische Berechnungen in den
Montanwissenschaften; B erechnung von Phasengleichgewichten.
Programme zur Berechnung und Analyse von Phasendiagrammen wurden
und werden erstellt bzw. adaptiert. Ein wichtiges Anliegen besteht
darin, die thermodyna-
Bild 3: Apparatur zur kontinuierlichen Dichtebestimmung,
Bild 2: Schema der Reaktion von Serpentin mit Salzsäure.
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GROSSGERÄTE
Bild 4: Phasendiagramm KCl - NaCl
mischen Eigenschaften von Mischphasen aus denen der reinen
Komponenten zu berechnen oder zumindest abzuschätzen 6). Bild 4
zeigt das System KCl - NaCl, bei dem experimentelle Daten mit einem
einfachen Modell verglichen werden.
KINETIK
Auf diesem Gebiet werden folgende Themen bearbeitet:
1.Untersuchungen von Stabilität, Struktur und kinetischen
Eigenschaften einfacher Aqua- und Oxoionen in wäßrigen Lösungen 7).
Viele technisch wichtige Reaktionsgeschwindigkeiten hängen von den
in diesem Zusammenhang ermittelten Daten ab.
2. Auflösungskinetik von Oxiden, Hydroxiden und Sulfiden in
wäßrigen Lösungen. Der Einfluß der Oberflächeneigenschaften von
Magnesiumoxideinkristallen auf die Transport- und
Adsorptionseigenschaften an der Phasengrenzfläche fest - flüssig
wurde kürzlich studiert 8). Gegenwärtig wird die Auflösungskinetik
der beim MgO-Prozeß anfallenden amorphen Kieselsäure in Hinblick
auf ihre technische Verwendung untersucht.
An Großgeräten ist die Abteilung mit einem Orion 960
„autochemistry System“ zur computergesteuerten Potentialmessung,
einem Dichtemeßgerät für höchste Präzision, zwei UV VIS
Spektralphotometern, einem Durrum „stopped flow“ Gerät mit
Multi-mixing-Zusatz und einem Quadrupolmassen- spektrometer
ausgestattet.
AUSLANDS- UND INDUSTRIEKONTAKTEAußer der üblichen
Votragsreisetätigkeit waren
wissenschaftliche Mitarbeiter der Abteilung zu längeren
Forschungsaufenthalten bzw. als Gastprofessoren in der DDR,
England, Japan und der Schweiz. Die Professoren Dr. R. K. Murmann
(University of Missouri, Columbia, USA) und Dr. J. H. Swinehart
(University of Calofornia, Davis, USA) verbrachten sabbaticals als
Fulbright-Forscher bei uns. Daraus gingen viele gemeinsame Arbeiten
(z .B .7)) hervor.
Neben den routinemäßig anfallenden Industrieberatungen besteht
seit vielen Jahren eine Kooperation mit den Veitscher
Magnesitwerken, die bereits zu zwei Dissertationen geführt hat.
Einige in diesem Zusammenhang erarbeitete Kenntnisse wurden
inzwischen für die Gewinnung von MgO aus Serpentin industriell
verwertet. Bild 5 zeigt eine moderne MgO- Anlage, bei der, wie von
Robert Müller9) vorgeschlagen, Serpentin und Salzsäure als
Rohmaterial verwendet werden.
ANMERKUNGEN!) Gamsjäger H.: Erich Schwarz-Bergkampf zum 80.
Geburtstag. Österreichische Chemie-Zeitschrift, S. 278
(1984).
21 Gamsjäger H. & Reitz A.W.: Erich Schwarz-Bergkampf zum
80. Geburtstag. BHM, 130 (1985), S. 25.
3) Königsberger E., Bugajski J., & Gamsjäger, H.: Solid-
solute phase equilibria in aqueous solution. II. A po- tentiometric
study of the aragonite-calcite transition. Geochim. Cosmochim. Acta
53 (1989), p. 2807-2810.
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Bild 5: MgO-Anlage der Veitscher Magnesitwerke AG im Werk
Breitenau.
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Meier A. & Gamsjäger H.: Characterisation of t lie surface
of a new amorphous microporous silica. Reactive Polymers, 1L
(1989), p. 155-163.
5) Marliold H., Sagmüller W. & Gamsjäger H.: The volume
ehange for the dissociation of telluric acid. Monatsh. Chem.,
119(1988), p. 1369-1373.
6) Königsberger E.: Prediction of phase diagrams from simple
mixing models: Binary alkali halide Systems. Z. pliys. Chem.
(Leipzig), (1989), accepted for publi- cation.
7) Gamsjäger H. & Murmann R. K.: Oxygen-18 exchange studies
of aqua- and oxo-ions. In A. G. Sykes, editor,
Advances in Inorganic and Bioinorganic Mechanisms, vol. 2, p.
317-380, Academic Press, London, New York, Paris, 1983
® BugajskiJ.& GamsjägerH.: Dissolution kineties o f MgO in
aqueous, acidic media. Monatsh. Chem., 117 (1986), p. 763-772.
9) Müller R. M., Hesse W. & Sinigoi F.: Die Aufbereitung von
Serpenliniten und ihren Verwitterungsprodukten durch Säurelaugung.
BI IM, 96 (1951), S. 209.
Verfasser: H. GAMSJÄGER