Immunsuppressiva und Biologicals Vorlesung ‚Allgemeine Pharmakologie und Toxikologie‘ WS 2016/2017 Prof. Dr. Urs Christen pharmazentrum frankfurt Klinikum der Goethe Universität Frankfurt http://www.urschristen.de/ 1 Ziele der Vorlesung: • Was ist die Strategie in der Bekämpfung chronischer Entzündungen und Autoimmunerkrankungen? • Welche Klassen von Immunsuppressiva gibt es? • Wie wirken Immunsuppressiva? • Was sind ‚Biologicals / Biologika‘? • Welche Nebenwirkungen können durch die Wirkungsweise dieser Medikamente entstehen? • Beispiele: Rheumatoide Arthritis (RA), Multiple Sklerose (MS), Typ 1 Diabetes (T1D) Immunsuppressiva und Biologicals 2 Gemeinsamkeit der Problematik bei der Bekämpfung von Autoimmunerkrankungen und vom Tumoren Autoimmunität / Transplantation / Chronische Entzündung: Unterscheidung der schädlichen, autoaggressiven von der nützlichen, anti-pathogenen Immunantwort Krebs / Anti-Tumor-Therapie: Unterscheidung von schädlichem Tumorgewebe und gesundem Gewebe Immunsuppressiva Vorlesung: Zytostatika (Goren) 3 Immunsuppressiva Ziel der Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten: • Unterdrückung von Immunreaktionen • Behandlung von Autoimmunerkrankungen (Multiple Sklerose (MS), Rheumatoide Arthritis (RA), Typ 1 Diabetes (T1D), Myasthenia Gravis, Morbus Bechterew, Graves Disease, Autoimmune Tyroiditis, Autoimmune Hepatitis, Lupus erythematodes) •Verhinderung der Transplantatsabstossung • Behandlung chronischer Entzündungen (Glomerulonephritis, Sklerodermie, chonische Darmentzündungen/Colitis) Vorlesung: Entzündung + Allergie (Mühl) Kursteil: NSAIDs + Glucocorticoide (Hintermann) 4
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Immunsuppressiva und Biologicals
Vorlesung‚Allgemeine Pharmakologie und Toxikologie‘
WS 2016/2017
Prof. Dr. Urs Christenpharmazentrum frankfurt
Klinikum der Goethe Universität Frankfurt
http://www.urschristen.de/ 1
Ziele der Vorlesung:
• Was ist die Strategie in der Bekämpfung chronischerEntzündungen und Autoimmunerkrankungen?
• Welche Klassen von Immunsuppressiva gibt es?
• Wie wirken Immunsuppressiva?
• Was sind ‚Biologicals / Biologika‘?
• Welche Nebenwirkungen können durch die Wirkungsweisedieser Medikamente entstehen?
• Formt das Immunrepertoire (pos./neg. Selektion)• Presentiert kritische Strukturen
Andere genetische Variationen (Polymorphismen)
• Modifizieren die Stärke der Immunantwort• Verhindern regulierende Gegenmassnahmen
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Molekulares Mimikry:• Strukturelle Ähnlichkeit zwischen Pathogenen und körpereigenen Strukturen• Das Immunsystem kann diese ähnlichen Strukturen nicht unterscheiden
Ereignis 1: Pathogeninfektion verursacht eine Entzündungsreaktion und eineaggressive Immunantwort, welche gegen das Pathogen gerichtet ist
Ereignis 2: Das nun aktivierte Immunsystem greift pathogenähnliche Strukturenan und verursacht eine Autoimmunkrankheit
Wie können Pathogene Autoimmunkrankheiten auslösen?
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Blut-Gefäss
Langerhans’scheInsel
APC
APC
CD4
CD4
CD4
CD8
CD8
Aktivierung(TNF
Zerstörung(Perforin
IFN
CD4
CD4CD4
CD4
CD8CD8
CD8
Proliferation(IL-2
CD8CD8CD8
CD8
CD4
CD8
Transmigration(Adhesionsmoleküle,
Integrine)
Präsentation(CD3, CD28
DC
Lokale (chronische)Entzündung (z.B. Virus)
CD4
CD8
Zellmigration(Chemokine)
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Immunsuppressiva
Bettelli et al, Nat Immunol (2007)
• Immunabwehr gegenintrazelluläre Pathogene
• Autoimmunität
• Immunabwehr gegenextrazelluläre Pathogene
• Entzündung• Autoimmunität
• Immunabwehr gegenParasiten
• Allergie• Asthma
• Immunsuppression
IL-2R (-)
IL-2R(CD25)
IL-2R
GATA-3STAT6c-Maf
Aggressive vs. supprimierende/regulatorische Lymphozyten
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Immunsuppressiva
• Zytostatika Wachstumshemmer
• Goldverbindungen Hemmung von Phagozyten
• Glucocorticoide DNA-Transkriptionsmodulatoren
• NSAIDs (Non-steroidal anti-inflammatory drugs) Hemmer der Cyclooxigenasen
• IL-2 Hemmstoffe: Cyclosporin, Sirolimus, Tacrolimus Hemmung der IL-2-synthese / -freisetzung Blockade der IL-2-signaltransduktion
• Spezifische Antikörper und ‚Biologicals‘- Antagonisten: Blockieren von Entzündungs-
faktoren oder deren zellulären Rezeptoren- Agonisten: Expression von supprimierenden
Faktoren; Induzierung regulatorischer Zellen- Gezielte Depletion autoaggressiver Zellen G
• Indikationen vor allem als genereller Wachstumshemmer
• Nebenwirkungen erheblichZytostatika
Goldverbindungen
Vorlesung:Zytostatika (Goren)
Immunsuppressiva - Zytostatika
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Immunsuppressiva - Glucocorticoide
Glucocorticoide:
• Prednison, Prednisolon, Dexamethason, Cortison
• Binden an intrazellulären Glucocorticoid-Rezeptor Translokation inZellkern Binden des Komplexes an den Transkriptionsfaktor NF-B Hemmen der Transkription der NF-B regulierten Gene
• Nebenwirkungen: Erheblich von allem bei Langzeittherapien;latente T1D, Unverteilung des Fettgewebes, Wasserretension,Reaktivierung latenter Infekte, Muskel-, Haut- und Fettgewebe-atrophien; Wachstumshemmung, verzögerte Wundheilung,Osteoporose, ZNS-Störungen, erhöhter intraokularer Druck
Glucocorticoide:
• Prednison, Prednisolon, Dexamethason, Cortison
• Binden an intrazellulären Glucocorticoid-Rezeptor Translokation inZellkern Binden des Komplexes an den Transkriptionsfaktor NF-B Hemmen der Transkription der NF-B regulierten Gene
• Indikationen: In erster Linie als antipyretisches Analgetikum(fiebersenkendes Schmerzmittel); ‚Coxibe‘ (COX-2-spezifisch) alsAntiphlogistikum (Entzündungshemmer) bei chronischer, rheumatischerEntzündung
• Nebenwirkungen: vielfältig; Blutungen im Magen-Darmtrakt; Ulcusbildung(ASS); Rofecoxib vom Markt genommen wegen erhöhter Herz-Kreislauferkrankungen; Generelle Immunsuppression Gefahropportunistischer Infektionen; Bildung von Proteinaddukten / Neoantigenen(Diclofenac)
Kursteil: NSAIDs + Glucocorticoide (Hintermann)
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Immunsuppressiva - NSAIDs
Glucocorticoide:
Unspezifische Entzündungshemmung durch Blockade der NF-B-abhängigen Genexpression
NSAIDs:
Unspezifische Entzündungshemmung durch Blockade derCyclooxigenasen / Prostaglandinsynthese
GlucocorticoideNSAIDs
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Antibiotika: nicht nur als Bakterizid/Bakteriostatikum, sondern generell „gegendas Leben“ eines anderen Organismus
• Hohe Spezifität• Moderate Nebenwirkungen• Hohe Erfolgsrate bei klinischen Studien• Allgemein gute Verträglichkeit• Gute Optimierungsmöglichkeiten
Nachteile:
• Herstellung und Behandlung ist mit hohen Kosten verbunden• Klinische Anwendung bisher auf Oberflächenmolekühle beschränkt• Verabreichung meist intravenös• Grosses Molekulargewicht kann die Verteilung blockieren• Limitierte Anwendung bei ZNS-Erkrankungen (z.B. MS) wegen
unzureichender Überwindung der Blut-Hirn-Schranke• Möglichkeit der Antikörperbildung schnellere Elimination
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Immunsuppressiva – Rheumatoide ArthritisBeispiel Rheumatoide Arthritis (RA):• Weltweit 0,5-1% der Bevölkerung• Deutschland: ~800‘000 Menschen betroffen• 3 x häufiger bei Frauen• Meist zwischen dem 30-50 Lebensjahr
(Infliximab: 20.940 Euro / 1. Jahr; Etanercept: 27.917 Euro / 1.Jahr)
Immunsuppressiva – Rheumatoide Arthritis
SpezifischeAntikörper
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• Rekombinant hergestellt (CHO-Zellen)
• Fusion von TNFR75 (Mensch) und IgG1-Fc(Mensch) Aminosäurensequenz ist zu100% Mensch
• Trotzdem werden anti-TNFR75-IgG1Antikörper gebildet
• Schnellere Elimination HöhereDosierung nötig um Effekt zu erreichen
Etanercept (=Enbrel®): TNFR75-IgG1 Fusionprotein
Immunsuppressiva – Rheumatoide Arthritis
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Immunsuppressiva – Multiple Sklerose (MS)
• Autoimmunerkrankung; Chronische Entzündung des ZNS• Multiple Demyelinierungsherde im gesamten ZNS• Hauptzielantigen in Myelinschicht: Myelin basic protein (MBP)
Beispiel Multiple Sklerose:• Weltweit 2,5 Millionen Menschen betroffen• Deutschland: ~130‘000 Menschen betroffen• 2 x häufiger bei Frauen• Meist zwischen dem 20-40 Lebensjahr
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Immunsuppressiva – Multiple Sklerose (MS)
Symptome: Sehstörung, Empfindungsstörungen, Schmerz, Lähmungs-erscheinungen, spastische Lähmungen, Schwindel, Störung der Blasen- undDarmfunktion, kognitive und psychische Störungen, Demenz
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Immunsuppressiva – Multiple Sklerose (MS)Behandlungsmöglichkeiten:Cladribin (Purinanalog)- Zytostatikum; blockiert Adenosindeaminase und hemmt die DNA/RNA-synthese
Glucocorticoid-Therapie- Vor allem zur Behandlung akuter Schübe
Glatirameracetat (Copaxone®) Basistherapie- Gemisch der Aminosäuren Glutaminsäure, Leucin, Alanin und Tyrosin (GLAT) im
Verhältnis 14%, 34%, 43%, und 9%- Ähnlichkeit zur Zusammensetzung des immundominanten B Zell Epitops des
‚myelin basic protein‘ (MBP) verminderte Bindung von Anti-MBP-Antikörpern
IFN-β Basistherapie- Blockiert Auswanderung von Lymphozyten aus den Lymphknoten- Vermindert die Lymphozytenmigration durch die Blut-Hirn-Schranke- Hemmt die Proliferation Antigen-präsentierender Zellen- Vermindert die Bildung von Th17-Zellen- Verstärkt die Apoptose von Th17-Zellen
FTY720 (Fingolimod®) Behandlung der Eskalation- Sphingosinanalog blockiert Lymphozytenauswanderung aus den Lymphknoten
Natalizumab (Anti-VCAM Antikörper) Behandlung der Eskalation- Blockiert Transmigration von Lymphozyten ins ZNS 34
Immunsuppressiva – Typ 1 Diabetes (T1D)
Diabetes Atlas der ‚International Diabetes Federation‘ (IDF)
Im Jahr 2012:
• leiden mehr als 371 Millionen Menschen an Diabetes• ist die Anzahl der Diabetiker in jedem Land ansteigend• bleibt die Hälfte aller Diabetes-Erkrankungen undiagnostiziert• sterben 4.800.000 Menschen an Diabetes• werden mehr als 471 Milliarden US$ zur Behandlung ausgegeben
Beispiel Typ 1 Diabetes:
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Immunsuppressiva – Typ 1 Diabetes (T1D)
Typ 1 Diabetes:
• 5-10% aller Diabeteserkrankungen, Ausbruch v.a. bei Kindern und Jugendlichen
• Absoluter Insulinmangel• Patienten mit einem Typ 1 Diabetes sterben ohne Insulingabe• Autoimmunkrankheit Immunsystem zerstört -Zellen des Pankreas
Typ 2 Diabetes:
• ~90% aller Diabeteserkrankungen, urspünglich ‚Altersdiabetes‘ – heute immer mehr Kinder und Jugendliche betroffen
• Verbindung zum metabolischen Sydrom• Relativer Insulinmangel• Insulinsekretionsstörung & Insulinresistenz• Patienten mit einem Typ 2 Diabetes bleiben oft jahrelang
Immunsuppressiva – Typ 1 Diabetes (T1D)Behandlungsmöglichkeiten: A) SymptombekämpfungInsulin (Injektion, Pumpen)• Regulation des Blutzuckerspiegels Symptombekämpfung, keine Heilung!
Pancreas / Inselzelltransplantation• Ersatz der Zerstörten β-Zellen Symptombekämpfung, keine Heilung!
‚Problem‘:• Insulin funktioniert sehr effektiv; Nebenwirkungen anderer herkömmlicher
Immunsuppression überwiegen den zusätzlichen Therapieerfolg;Immunsuppressiva nur bei Organtransplantationen (z.B. Niere)
- Nach 20-25 Jahren sind fast alle Diabetiker betroffen- Hirnschlag und Herzinfarkt sind Haupttodesursachen bei Diabetikern
• Retinopathie:- Nach 20-25 Jahren sind fast alle Diabetiker betroffen; Extremfall: Erblindung- Ursache: Schädigung kleiner Blutgefässe in der Netzhaut (Mikroaneurismen)
• Neuropathie:- Nach 20-25 Jahren 60% aller Diabetiker betroffen; Extremfall: Amputationen- Ursache: Demyelinisierung
• Diabetische Nephropathie:- Diabetes ist die Hauptursache schwerer Nephrophatien- Ursache: Vermehrte Matrixablagerung in den Glomeruli
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Immunsuppressiva – Typ 1 Diabetes (T1D)
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Behandlungsmöglichkeiten: B) Symptombekämpfung
Künstlicher Pankeas:- Kombination von Insulinpumpe, Blutzuckermessgerät/-sensor und
Computerprogramm, das alle 15 min eine optimale Insulindosis abgibt
- The Lancet Diabetes & Endocrinology (Haider et al. 2014):
Immunsuppressiva – Typ 1 Diabetes (T1D)Behandlungsmöglichkeiten: B) Heilung
Klinische Studien (Etiologie):
- DAISY Trial: Genetische Empfänglichkeit & Zusammenhang mit Infektionen
- TEDDY Trial: Zusammenhang mit Umwelteinflüssen
- TRIGR Trial: Zusammenhang mit Ernährung/Muttermilch
Klinische Studien (Behandlung):
- ENDIT Trial: Behandlung mit Nikotinamid (Reduktion von NO und freier Radikale)
Klinische Studie (Phase I) mit einem superagonistischen Anti-CD28Antikörper an gesunden Probanden (TeGenero Immunotherapeutics 2006)
• Preklinische Studien: TGN1412 stimuliert CD28 und aktiviertregulatorische T Zellen Immunsuppression
• Unerwartete Ergebnisse der Phase I Studie: Systemic inflammatoryresponse syndrome (SIRS) / ‚Zytokin-Sturm‘
• 90 min nach TGN1412-Gabe (iv) hatten alle 6 Probanden einesystemische Entzündung, massive Expression von Zytokinen (starke Kopf-und Muskelschmerzen, Diarrhoe, Übelkeit/Erbrechen, Erythema,Vasodilatation, Hypotonie, Tachycardia) ‚Zytokin-Sturm‘
Destruktive Mechanismen(Aggressive T Zellen, Zytokine)
Tumortherapie
Immun-suppression
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Ziele der Vorlesung:
• Was ist die Strategie in der Bekämpfung chronischer Entzündungenund Autoimmunerkrankungen?
Unterscheidung von autoaggressiven Zellen und ‚normalen‘ Zellen;Versuch die Proliferation spezifisch zu hemmen und damit dieNebenwirkungen zu minimieren
• Welche Klassen von Immunsuppressiva gibt es?
• Wie wirken Immunsuppressiva?
• Was sind ‚Biologicals‘?
• Welche Nebenwirkungen können entstehen durch die Wirkungsweisedieser Medikamente?
Unspezifische ‚Breitband‘-Proliferationshemmer (z.B. Methotrexat)bis zu hochentwickelten, spezifischen Wirkstoffen (z.B. Biologicals,Treg-Induktoren)