Toxikologie für Chemiker und andere Naturwissenschaftler PD Dr. Gunter P. Eckert Pharmakologisches Institut für Naturwissenschaftler Universität Frankfurt [email protected]Stand: 15.01.10 Die Vorlesungsunterlagen wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt, erheben aber nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Keine Gewähr für eventuelle Fehler! Toxikologie für Chemiker und andere Naturwissenschaftler PD Dr. Gunter P. Eckert Pharmakologisches Institut für Naturwissenschaftler Universität Frankfurt [email protected]Kennwort für Skript: Tox_N260 www.pharmazie.uni-frankfurt.de/Pharmakologie/lehre/toxikologie/
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Toxikologie für Chemiker und andere Naturwissenschaftler · Taschenatlas der Toxikologie Reichl; Thieme Verlag (2. Aufl. 2002) !! Lehrbuch der Toxikologie Markquardt/Schäfer; Spektrum
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Toxikologie für Chemiker und andere Naturwissenschaftler
PD Dr. Gunter P. Eckert Pharmakologisches Institut für Naturwissenschaftler Universität Frankfurt [email protected] Stand: 15.01.10
Die Vorlesungsunterlagen wurden nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt, erheben aber nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Keine Gewähr für eventuelle Fehler!
Toxikologie für Chemiker und andere Naturwissenschaftler
PD Dr. Gunter P. Eckert Pharmakologisches Institut für Naturwissenschaftler Universität Frankfurt [email protected]
Signalwörter Piktogramme werden mit zwei möglichen Signalwörtern ergänzt: „Gefahr“ oder „Achtung“
Gefahrenklassen und Gefahrenkategorien
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Sehr giftig R-Sätze sind gemäß folgenden Kriterien zuzuordnen: R28 Sehr giftig beim Verschlucken Akute Toxizität:
•!LD50 oral, Ratte: ! 25 mg/kg, •!weniger als 100 %ige Überlebensrate bei 5 mg/kg, oral, Ratte nach der Festdosis-Methode, oder •!hohe Mortalität bei oraler Verabreichung von Dosen < 25 mg/kg an Ratten
R27 Sehr giftig bei Berührung mit der Haut Akute Toxizität:
•!LD50 dermal, Ratte oder Kaninchen: ! 50 mg/kg.
R26 Sehr giftig beim Einatmen Akute Toxizität:
•!LC50 inhalativ, Ratte, Aerosole oder Stäube: ! 0,25 mg/l/4h, •!LC50 inhalativ, Ratte, für Gase und Dämpfe: ! 0,5 mg/l/4h.
R39 Ernste Gefahr irreversiblen Schadens •!erhebliche Anhaltspunkte, dass irreversible Gesundheitsschäden anderer Art als die in Abschnitt 4 genannten durch eine einmalige Verabreichung über einen geeigneten Aufnahmeweg im Allgemeinen im Bereich der oben genannten Dosen verursacht werden können.
Giftig Die R-Sätze werden nach den folgenden Kriterien ausgewählt: R25 Giftig beim Verschlucken Akute Toxizität:
•!LD50 oral, Ratte: 25 < LD50 ! 200 mg/kg, •!kritische Dosis, oral, Ratte, 5 mg/kg: 100%ige Überlebensrate, jedoch offensichtliche Vergiftungserscheinungen, oder •!hohe Mortalität im Dosisbereich von > 25 bis < 200 mg/kg bei oraler Verabreichung an Ratten.
Akute Toxizität: •!LC50 inhalativ, Ratte, für Aerosole oder Stäube: 0,25 < LC50 ! 1 mg/l/4h, •!LC50 inhalativ, Ratte, für Gase und Dämpfe: 0,5 < LC50 ! 2 mg/l/4h.
R39 Ernste Gefahr irreversiblen Schadens
•!erhebliche Anhaltspunkte, dass irreversible Gesundheitsschäden anderer Art als die in Abschnitt 4 genannten durch eine einmalige Verabreichung über einen geeigneten Aufnahmeweg im Allgemeinen im Bereich der oben genannten Dosen verursacht werden können.
R48 Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition •!schwerer Gesundheitsschaden (eindeutige funktionelle Störungen oder morphologische Veränderungen von toxikologischer Bedeutung) kann bei wiederholter oder längerer Exposition über einen geeigneten Aufnahmeweg verursacht werden.
Gesundheitsschädlich R-Sätze sind gemäß folgenden Kriterien zuzuordnen: R22 Gesundheitsschädlich beim Verschlucken
Akute Toxizität: •!LD50 oral, Ratte: 200 < LD50 ! 2000 mg/kg, •!kritische Dosis, oral, Ratte, 50 mg/kg: 100%ige Überlebensrate, jedoch offensichtliche Vergiftungserscheinungen, •!weniger als 100%ige Überlebensrate bei 500 mg/kg, oral, Ratte, oder •!hohe Mortalität im Dosisbereich von > 200 bis ! 2000 mg/kg bei oraler Verabreichung an Ratten
R21 Gesundheitsschädlich bei Berührung mit der Haut
R20 Gesundheitsschädlich beim Einatmen Akute Toxizität:
•!LC50 inhalativ, Ratte, für Aerosole oder Stäube: 1 < LC50 ! 5 mg/l/4h, •!LC50 inhalativ, Ratte, für Gase und Dämpfe: 2 < LC50 ! 20 mg/l/4h.
R65 Gesundheitsschädlich: Kann beim Verschlucken Lungenschäden verursachen flüssige Stoffe und Zubereitungen, die aufgrund ihrer niedrigen Viskosität eine Aspirationsgefahr für den Menschen darstellen R68 Irreversibler Schaden möglich
•!erhebliche Anhaltspunkte, dass irreversible Gesundheitsschäden verursacht werden können. R48 Gefahr ernster Gesundheitsschäden bei längerer Exposition
•!schwerer Gesundheitsschaden (eindeutige funktionelle Störungen oder morphologische Veränderung von toxikologischer Bedeutung) kann bei wiederholter oder längerer Exposition über einen geeigneten Aufnahmeweg verursacht werden.
http://www.giftinfo.de
Erste Hilfe bei Vergiftungen (Laienhilfe)
Grundsätzliches Verhalten bei Vergiftungen:!
Ruhe bewahren! Jedes übereilte Verhalten verbietet sich. Giftinfo Mainz (06131-19240), Hausarzt oder Rettungsdienst (112 bzw. 19222) anrufen und folgendes angeben:
Was ist passiert? !
Wer hat sich vergiftet? (Alter und Körpergewicht) !Wie erfolgte die Vergiftung?!Wann erfolgte die Vergiftung?!Wieviel? (Dosis)
Auffällige Erscheinungen schildern. Insbesondere Bewußtseinslage, Atmung und äußere Auffälligkeiten. Bei ausreichender Kenntnis der Situation kann die Beratungsstelle bei Vergiftungen oder auch der Hausarzt Entscheidungshilfen sowie Anweisungen zur Ersten Hilfe geben. Bei bewusstlosen Personen sollte man in jedem Falle den Rettungsdienst informieren! !
Deshalb:!
Erst anrufen, dann handeln! Nur so können sowohl Unter- als auch Übertherapien wie unnötige Klinikaufenthalte verhindert werden.
Erste Hilfe bei Vergiftungen (Laienhilfe)
Giftnotrufzentrale anrufen !! 06131 - 19240
Kein Erbrechen ! (Ausnahmen:Paraquat, Arsenik, Alkylphosphate und Amatoxin)
Stabile Seitenlagerung mit Tieflagerung des Kopfes
Bei Hautkontakt: gründliche Wasserspülung, Entkleidung!
Bei Augenkontakt: gründliche Wasserspülung
Bei Verschlucken ätzender Substanzen: Wasser trinken lassen!
Giftaufnahme über den Mund: In Abhängigkeit von der angenommenen Substanz und nach Rücksprache mit einer Beratungsstelle können folgende Erstmaßnahmen selbständig durchgeführt werden: !Verdünnung der Gifte durch Trinken von Wasser, Saft oder Tee.!
Entschäumer bei schaumbildenden Substanzen beispielsweise durch die Gabe von einmal einem Teelöffel Sab Simplex oder Lefax flüssig und binden der Giftsubstanzen durch Kohle. Erbrechen lassen oder Magenspülung nur unter ärztlicher Aufsicht.!
Nie erbrechen auslösen bei Wasch- und Spülmitteln, Säuren und Laugen, Haarpflegeprodukten oder bei bewusstseinsgetrübten Personen (Aspirationsgefahr und Lungenkomplikationen möglich).!
Merke: Nie voreilig handeln, insbesondere ohne Rücksprache keine Milch geben und kein Erbrechen auslösen.
Erste Hilfe bei Vergiftungen (Laienhilfe)
Giftaufnahme durch die Haut: Sofort alle betroffenen Hautstellen mit reichlich Wasser (und Seife) waschen. Falls vorhanden Handschuhe tragen. Höchste Lebensgefahr bei Pflanzenschutzmitteln wie beispielsweise E 605.
Giftaufnahme über die Lunge: Gefahr der Selbstvergiftung ist besonders groß! Patienten an die frische Luft bringen. Fenster und Türen öffnen, für schnellste ärztliche Betreuung sorgen. Evtl. Mund zu-Mund-Beatmung bis ärztliche Hilfe eintrifft. Wegen einer möglichen Selbstgefährdung des Helfers nie über sondern stets neben dem Vergifteten einatmen. Vergifteten in warme Decken hüllen.!
Augenverätzung: 10-15 Minuten unter fließendem Wasser auswaschen. Danach sofort Augen-arzt vorstellen.
Erste Hilfe bei Vergiftungen (Laienhilfe)
Der bewusstlose Patient:
Atmung und
Puls prüfen
Stabile
Seitenlage
Mund-zu-Mund (Nase)-
Atemspende Wiederbelebung:
Atemspende und Herzmassage
In Ordnung
Kein Puls, keine Atmung Keine Atmung
Erste Hilfe bei Vergiftungen (Laienhilfe)
Maßnahmen bei Atemstillstand Beatmung: Atemwege, das heißt Mund- und Rachenraum, mit Finger oder Tuch freimachen, damit keine Fremdkörper (Erbrochenes usw.) in die Atemwege gelangen. Mund-zu-Mund- oder Mund-zu-Nase-Beatmung. Vorsichtshalber nicht über, sondern neben dem Patienten einatmen (in seltenen Fällen Gefahr der Selbstvergiftung).
Stabile Seitenlage:
Erste Hilfe bei Vergiftungen (Laienhilfe)
Maßnahmen bei Herz-Kreislaufstillstand!
Bei Atemstillstand: 2 x Mund-zu-Mund-Beatmung nach jeder 30. Herzmassage.
Grundlage Herzmassage: Flache Rückenlage auf festem Untergrund (Fußboden). Die Handballen werden übereinandergekreuzt und auf das untere Brustbeindrittel gelegt. Mit gestreckten Armen rhythmisches Niederdrücken (ca. 100mal pro Minute bei Jugendlichen und Erwachsenen und über 100-120 bei Kleinkindern) des unteren Brustbeindrittels 4-5 cm in Richtung Wirbelsäule (siehe Abbildung). Herzmassage bei Kleinkindern mit übereinandergelegtem Zeige- und Mittelfinger beider Hände.
!! Dioskurides (ca. 40-90 n.Chr.) > De materia medica [Mandragora]
!! Theophratus Bombastus von Hohenheim (1493-1541) = Paracelsus
Geruch nach Mäuseurin LD ca. 500 mg Leicht flüchtig Rasche Resorption (auch dermal)
Vergiftungsbild: Nach kurz andauernder Erregung ruft Coniin eine charakteristische Lähmung hervor. Sie beginnt an den Beinen und wandert langsam nach oben. Die Stimme wird heiser und versagt schließlich ganz. Eine zunehmende Lähmung des Zwergfell- muskulatur führt zum Ersticken. Das Bewusstsein bleibt bis zu letzt erhalten.
!! Dioskurides (ca. 40-90 n.Chr.) > De materia medica [Mandragora]
!! Theophratus Bombastus von Hohenheim (1493-1541) = Paracelsus
NOTE Mandragora (Alraune)
Mandragora wurde vor allem
als Analgetikum und
Schlafmittel medizinisch
verwendet. Psychotrophe
Wirkung: Verwendung in
Hexensalben.
Atropin, Scopolamin, Hyoscyamin Strukturell dem Acetylcholin sehr ähnlich: Wirkung der Tropaalkaloide als un-selektive kompetitive Antagonisten an muscarinergen (cholinergen) Re-zeptoren
Akute Wirkung Anticholinerge/parasympatholytische Symptomatik mit Mydriasis, Akkomo- dationsstörungen, Mundtrockenheit, Tachykardie, Obstipation, Miktions- störungen, Erregung, zentrale Atemlähmung. LD ca. 10-20 mg/kg.
!! eng verbunden mit der Geschichte der forensischen Toxikologie (Lehre von der Aufklärung von Vergiftungen am Menschen)
Aufgaben der Toxikologie
!! Definition: Toxikologie ist die Wissenschaft von den schädlichen bzw. unerwünschten Wirkungen chemischer Substanzen auf lebende Organismen, insbesondere auf den Menschen
!! Aufgabe: Abwendung von Gesundheitsschäden von Mensch und Umwelt
Der interdisziplinäre Charakter der Toxikologie
Allgemeines
!! Gift: Stoff, der gesundheitsschädliche Wirkungen hervorrufen kann.
!! Exposition: Gifteinwirkung aus Umweltmedien oder Lebensmitteln.
!! Dosis: diejenige Menge eines Stoffes, die innerhalb einer bestimmten Zeit zur Exposition kommt
!! Risiko: Wahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit, mit der unter den gegebenen Bedingungen toxische Wirkungen zu erwarten sind.
Allgemeines II
!!Habersche Regel
Wirkung hängt ab, von der Einwirkzeit und der Dosis. c x t = S, Giftkonzentration x Wirkzeit = Schaden
Schwellenkonzentration Cs: Für manche Stoffe ist unterhalb einer bestimmten Konzentration auch bei beliebig langer Einwirkzeit keine Wirkung auszulösen.
Toxizität
!! Akute Toxizität: spezifische Phänomene, die bald nach Verabreichung auftreten, üblicherweise nach Einzeldosis
!! Chronische Toxizität: üblicherweise die Verabreichung multipler, nicht-letaler Dosen
!! Latenzzeit: Verzögert Auftretende Wirkung
Toxizitätsuntersuchungen
Akute und chronische Toxizität Endpunkte:Tod (z.B. LD50); Eintreten o. Ausbleiben einer gewissen Wirkung Tests auf akute Toxizität am Tier: 24 Stunden – 14 Tage Prüfung auf Unbedenklichkeit (NOAEL): lange Beobachtungszeiträume
Gentoxizität (Mutagenität) In vitro Tests, Ergebnisse mit Unsicherheit behaftet.
Reproduktionstoxizität Teratogenitätsstudien (teratogene Wirkungen nur in bestimmten Entwicklungperioden)
Prüfung auf Dosis Dauer Beispiel Endpunkt Akute Toxizität einmal 24h-14d LD50-Test Tod Subakute Toxizität mehrfach < 1 m Organschäden Subchronische Toxizität mehrfach < 10% LE NOEL Chronische Toxizität mehrfach < 10% LE Neoplasien
Toxizitätsuntersuchungen
Gentoxizität
Prüfung auf Kanzerogenität wird oft zu den gentoxischen Tests gezählt, obwohl einige Kanzerogene nicht als Mutagene wirken: z.B. Phenobarbital > Lebertumoren
Saccharin > Blasentumoren
Mutagenitätstests oft an in-vitro Modellen: greifen nicht den komplexen Organismus ab! Schwierige Interpretation.
Kanzerogenitäts- und Mutagenitätsuntersuchungen immer dann, wenn Stoffe am Menschen angewendet werden sollen oder ein deutliches Expositionsrisiko besteht (z.B. Produktion > 1000 t/a)