UNTERSUCHUNGEN ZUR GENREGULATORISCHEN AKTIVITÄT EVOLUTIONÄR KONSERVIERTER, NICHT-KODIERENDER REGIONEN IM SOX10 LOCUS Den Naturwissenschaftlichen Fakultäten der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades vorgelegt von Torsten Werner aus Greifswald
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IM SOX10 LOCUS - opus4.kobv.de fileAls Dissertation genehmigt von den Naturwissenschaftlichen Fakultäten der Universität Erlangen-Nürnberg. Tag der mündlichen Prüfung: 19.10.2007
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UNTERSUCHUNGEN ZUR
GENREGULATORISCHEN AKTIVITÄT
EVOLUTIONÄR KONSERVIERTER,
NICHT-KODIERENDER REGIONEN
IM SOX10 LOCUS
Den Naturwissenschaftlichen Fakultäten
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
zur
Erlangung des Doktorgrades
vorgelegt von
Torsten Werner aus Greifswald
Als Dissertation genehmigt von den Naturwissenschaftlichen Fakultäten
der Universität Erlangen-Nürnberg.
Tag der mündlichen Prüfung: 19.10.2007
Vorsitzender der Prüfungskommission: Prof. Dr. Eberhard Bänsch
Tab. 14: Zusammenfassung der in Genotypisierungs-PCRs verwendeten Primer und der
Größen der amplifizierten PCR-Produkte. ........................................................... 71
Tab. 15: Zusammenfassung der Reaktionsbedingungen der Genotypisierungs-PCRs. ..... 72
Tab. 16: Zusammenfassung der Reaktionsbedingungen der RT-PCRs.............................. 73
Zusammenfassung
XI
Zusammenfassung
Die Transkriptionsfaktorfamilie der Sox-Proteine ist durch grundlegende Funktionen in der
Entwicklung verschiedener Zelltypen, Gewebe und Organe gekennzeichnet. So ist der
Transkriptionsfaktor Sox10 in der Neuralleiste und deren Derivaten sowie in
Oligodendrozyten des zentralen Nervensystems exprimiert und ist in diesen Geweben
entscheidend an Determinierungs- und Differenzierungsvorgängen beteiligt. Mutationen
im Sox10-Gen verursachen schwere Neurocristopathien.
Um zu verstehen, wie die Sox10-Genexpression während der Entwicklung reguliert wird,
wurden im Rahmen dieser Arbeit evolutionär konservierte, nicht-kodierende Regionen im
Sox10-Genlocus identifiziert. Insgesamt sieben Regionen wiesen eine Sequenzhomologie
von mehr als 70% über mindestens 100 bp zwischen verschiedenen Säugergenomen und
dem des Huhns auf. Keine dieser Regionen zeigte hingegen eine signifikante
Sequenzkonservierung gegenüber Xenopus laevis, Danio rerio oder Fugu rubripes. Die
genregulatorischen Aktivitäten der entsprechenden Sequenzen aus der Maus wurden
anschließend in transgenen Mausmodellen analysiert. Fünf der sieben identifizierten
Regionen führten zu einer Reportergenexpression in verschiedenen Sox10 exprimierenden
Zelltypen und Geweben, wenn sie in einem Transgen einem Hsp68 Minimalpromotor und
einem LacZ Reportergen vorgeschaltet sind. Sie vermitteln die Sox10 Genexpression im
sich entwickelnden Innenohr, in Oligodendrozyten und in verschiedenen
Neuralleistenderivaten, inklusive des peripheren Nervensystems und der chromaffinen
Zellen des Nebennierenmarks. Interessanterweise weisen die evolutionär konservierten,
nicht-kodierenden Regionen zeitlich und räumlich überlappende Aktivitäten auf. Sie
werden zudem in Gelretardierungsexperimenten von ähnlichen Kombinationen von
Transkriptionsfaktoren gebunden. Untersuchungen an U1 als einem dieser Enhancer
zeigten darüberhinaus, dass seine Aktivität in Sox10 defizienten Embryonen stark
vermindert ist. Damit trägt Sox10 über einen positiven, autoregulatorischen
Rückkopplungsmechanismus zum Erhalt der eigenen Genexpression bei. Die Identifikation
von Sox Bindestellen in diesem Enhancer und deren Mutationsanalysen deuten darauf hin,
dass dieser Einfluss von Sox10 direkt ist. Die Summe aller nachgewiesenen
Enhanceraktivitäten ist ausreichend, um die essentiellen Merkmale der Sox10 Expression
während der frühen Embryogenese quantitativ und qualitativ wiederzugeben.
Summary
XII
Summary
The Sox family of transcriptional regulators is characterised by essential functions in the
development of several cell types, tissues and organs. Sox10 is expressed in the neural
crest, its derivatives, as well as in oligodendrocytes of the central nervous system. It plays
an important role in these tissues during determination and differentiation processes. Sox10
mutations are associated with severe neurocristopathies.
In order to understand how Sox10 expression is regulated during development
evolutionary conserved non-coding sequences were identified in the Sox10 genomic
region. Seven regions exhibited a greater than 70% sequence identity over at least 100 bp
between mammalian genomes and the chicken genome. In contrast none of these regions
exhibited a significant degree of conservation in Xenopus laevis, Danio rerio or Fugu
rubripes. Each of these regions was then studied for its gene regulatory activities in
transgenic mouse models. By linking the corresponding mouse sequences to a lacZ marker
gene under the control of a hsp68 minimal promoter, five of seven regulatory regions were
found to direct marker gene expression to Sox10 expressing cell types and tissues. These
enhancers mediate Sox10 expression in the developing inner ear, in oligodendrocytes, and
in several neural crest derivatives including the peripheral nervous system and chromaffine
cells of the adrenal gland. Interestingly, they exhibit overlapping spatiotemporal activities
and share binding sites in gelshift experiments for similar combinations of transcription
factors. Additional analyses on U1 as one of these enhancers showed that its regulatory
activity in Sox10 deficient embryos is strongly reduced. Therefore Sox10 seems to play a
role in maintaing its own expression by a positive autoregulatory feedback mechanism.
The identification of Sox binding sites in U1 and mutation analyses argue that the effect of
Sox10 on U1 activity is direct. The combined enhancer activities are sufficient to explain
the essential characteristics of Sox10 expression in early development both quantitatively
and qualitatively.
Einleitung 1
1 Einleitung
1.1 Entwicklung des Nervensystems
Das Nervensystem der Vertebraten entwickelt sich in der Embryogenese aus dem äußeren
Keimblatt, dem Ektoderm. Während sich aus einem Teil des Ektoderms das Neuralrohr
bildet (Neurulation), entsteht aus benachbarten ektodermalen Zellen die Neuralleiste.
Zellen des äußeren Keimblatts ohne neuronale Kompetenz formen die Epidermis des
Körpers (Colas and Schoenwolf, 2001; Gammill and Bronner-Fraser, 2003).
1.1.1 Entwicklung des Neuralrohrs (Neurulation)
Die Neurulation ist ein fundamentales Ereignis der Embryogenese, dessen Höhepunkt die
Bildung des Neuralrohrs darstellt. Aus ihm entsteht später das Gehirn und das
Rückenmark. Dieser Vorgang wird im Allgemeinen in primäre und sekundäre Neurulation
unterteilt, wobei der anteriore Anteil des Neuralrohrs durch primäre und der posteriore
Anteil durch sekundäre Neurulation ensteht (Copp et al., 2003).
Bei der primären Neurulation (Abb. 1) bildet sich zunächst im Bereich des äußeren
Keimblattes eine Verdickung, die als Neuralplatte bezeichnet wird (Abb. 1 A) (Kelly and
Melton, 1995). Die Ränder dieser Neuralplatte stülpen sich nach außen und bilden bilateral
in Längsrichtung des Embryos die Neuralwülste, zwischen denen eine Vertiefung, die
Neuralrinne, liegt (Abb. 1 B) (Smith and Schoenwolf, 1997). Die Neuralrinne senkt sich
weiter ab und die Neuralwülste verschmelzen miteinander. Es entsteht das Neuralrohr
(Abb. 1 C). Der Verschmelzungsvorgang beginnt in der Mitte des Embryos und setzt sich
kranial und kaudal fort. Zum selben Zeitpunkt beginnen Neuralleistenzellen aus der
dorsalen Region des entstehenden Neuralrohrs bilateral in die Peripherie auszuwandern
(Abb. 1 C, D) (Jessen and Mirsky, 2005). Im kranialen Bereich des Neuralrohrs, dem
späteren Gehirn, nimmt die Zahl der neu gebildeten Zellen rascher zu als in der kaudalen
Region, dem späteren Rückenmark. Das Neuralrohr wird im Verlauf der weiteren
Entwicklung vom epidermalen Ektoderm bedeckt, welches zuvor die Neuralwülste
flankierte. Das posteriore Neuralrohr entwickelt sich aus dem Zusammenschluss von
Einleitung 2
Mesenchymzellen. Innerhalb dieses durchgängig gebildeten Streifens unterhalb des
epidermalen Ektoderms formt sich das sekundäre Neuralrohr. Der Übergang vom primären
zum sekundären Neuralrohr bei Wirbeltieren ist im Bereich der Sakralwirbel lokalisiert
(Nievelstein et al., 1993; Schoenwolf and Desmond, 1984). Folglich entsteht nur der
äußerst posteriore Bereich des Rückmarks durch sekundäre Neurulation. Das Gehirn und
der Großteil des Rückenmarks werden durch primäre Neurulation gebildet.
Abb. 1: Schematische Darstellung der Neurulation. A) Formation der Neuralplatte B) Absenkung der Neuralrinne C) Verschmelzung der Neuralwülste und beginnende Migration von Neuralleistenzellen D) Absenkung des Neuralrohrs und Auswanderung von Neuralleistenzellen entlang definierter Pfade (Abbildung geändert aus Jessen und Mirsky, 2005).
Im weiteren Verlauf bilden sich im kranialen Neuralrohr drei Primärvesikel, aus denen
später Prosencephalon (Vorderhirn), Mesencephalon (Mittelhirn) und Rhombencephalon
(Hirnstamm mit Rautenhirn) hervorgehen. Hingegen entwickelt sich der kaudale Bereich
des Neuralrohrs zum Rückenmark. Die Sekretion von Signalmolekülen aus den
verschmelzenden Neuralwülsten und dem Notochord (Chorda dorsalis) bewirkt die
Einleitung 3
Entstehung eines dorso-ventralen Differenzierungsgradienten. Mitglieder der BMP-Familie
(bone morphogenetic proteins) veranlassen an der dorsalen Seite des Neuralrohrs die
Bildung der Deckplatte. Ventral führt Sonic Hedgehog (Shh) zur Formation der
Bodenplatte (Jones and Trainor, 2005). Des Weiteren steuern die Konzentrationsgradienten
dieser Proteine diverse Differenzierungsprozesse in der proliferativen Epithelschicht der
Ventrikulärzone des Neuralrohrs, aus denen die unterschiedlichen neuronalen und glialen
Subtypen hervorgehen (Abb. 2).
Abb. 2: Schematische Illustration der BMP und Shh Konzentrationsgradienten entlang der dorso-ventralen Achse des Rückenmarks. Die Ventrikulärzone unterteilt sich in diskrete Bereiche (p0, p1, p2, pMN, p3), aus denen zunächst die verschiedenen neuronalen Zellpopulationen, wie Interneurone und Motoneurone, bestimmt werden. Im weiteren Verlauf differenzieren Astrozyten und Oligodendrozyten aus den gleichen Stammzellen. (Abbildung geändert aus Anderson, 2001)
1.1.2 Entwicklung der Neuralleiste
Während der Schließung des Neuralrohrs wandern einige Zellen aus der dorsalen Region
des entstehenden Neuralrohrs bilateral in das benachbarte Mesoderm ein. Diese als
Neuralleiste bezeichnete Zellpopulation ist zwischen dem Neuralrohr und dem
epidermalen Ektoderm lokalisiert und besitzt das Potential, sich zu verschiedenen
Zelltypen zu differenzieren. Aus diesen multipotenten Zellen entsteht unter anderem der
überwiegende Teil des peripheren Nervensystems (Baroffio et al., 1991; Bronner-Fraser
and Fraser, 1988; Collazo et al., 1993).
Die Formation von Neuralleistenvorläuferzellen an der Grenze von Neuralplatte und
Epidermis wird durch verschiedene Ereignisse initiiert. Einerseits sind Signale zwischen
neu induzierten neuralem Gewebe und Zellen des äußeren Keimblatts ohne neuronale
Kompetenz von Bedeutung. Des Weiteren spielen auch Signale des paraxialen Mesoderms
Einleitung 4
für die Bildung dieser Zellpopulation eine Rolle (Crane and Trainor, 2006; Noden and
Trainor, 2005).
Sezernierte Proteine der BMP-Familie, der FGF-Familie (fibroblast growth factors) sowie
Signalmoleküle des Wnt- (wingless) und Notch-Signalweges induzieren in Zellen an der
Grenze zur Neuralplatte die Expression spezifischer Transkriptionsfaktoren (Sauka-
Spengler and Bronner-Fraser, 2006). Unter anderem werden Pax3 (paired box gene 3) und
Msx1 (Msh homeo box gene 3) an der Neuralplattengrenze exprimiert, wobei Pax3
stromabwärts von Msx1 agiert. In einer regulatorischen Kaskade führen Pax3 und Zic1
(Zic family member 1) Wnt-abhängig zur Induktion des Neuralleistenmarkers Snail2 (snail
homolog 2). Sowohl Wnt- als auch Fgf8-Signale sind für die Induktion der
Neuralplattengrenze durch Msx1 und Pax3 notwendig (Monsoro-Burq et al., 2005). In
einer komplementären Analyse wurde gezeigt, dass Pax3 und Zic1 essentiell für die
Spezifizierung der Region sind und die Expression von FoxD3 (forkhead box D3) und
Snail2 Wnt-abhänig zur Folge haben (Sato, 2005). Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen
zeigen eine Beteiligung von Dlx3 und Dlx7 (distal-less homeobox 3/7), sowie von Pax7
(paired box gene 7) an diesem Prozess (Basch et al., 2006; Sauka-Spengler and Bronner-
Fraser, 2006). Nach Formation der Neuralplattengrenze ist das proto-Onkogen c-Myc für
den Erhalt des multipotenten Zustands der Neuralleistenvorläuferzellen von Bedeutung
(Bellmeyer et al., 2003). Die Genexpression des Proteins Id3 (inhibitor of DNA binding 3)
wird direkt durch c-Myc reguliert. Id3 beeinflusst die DNA-Bindefähigkeit von bHLH-
Transkriptionsfaktoren (basic helix-loop-helix) (Light et al., 2005). AP2 (activator protein
2), Twist, Sox10 und Sox9 sind ebenfalls an der Determinierung früher Neuralleistenzellen
beteiligt (Aoki et al., 2003; Cheung and Briscoe, 2003; Kuhlbrodt et al., 1998b;
Meulemans and Bronner-Fraser, 2002). Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, dass nicht
nur die Regulation der Genexpression, sondern auch posttranslationale Modifikationen
beteiligter Proteine von Bedeutung sind (Gill, 2005; Ishitani et al., 2005; Taylor and
Labonne, 2005; Zhou et al., 2004).
Die multipotenten Neuralleistenzellen lösen sich schließlich aus dem Bereich zwischen
dem Neuralrohr und dem epidermalen Ektoderm heraus und migrieren bilateral des
Neuralrohrs entlang definierter Pfade in die Peripherie. Dort differenzieren sie zu
unterschiedlichen Zelltypen. Abhängig vom Ort und späterer Funktion der
Neuralleistenderivate unterscheidet man entlang der anterior-posterioren Achse des
Neuralrohrs zwischen kranialen, vagalen, trunkalen und sakralen Neuralleistenzellen
(Anderson, 1997). Kraniale Neuralleistenzellen wandern dorso-lateral aus und
Einleitung 5
differenzieren zu Neuronen, Gliazellen, Pigmentzellen, sowie zum kranio-fazialen
Mesenchym, aus dem Knorpel, Knochen und Bindegewebe des Gesichts und des Schädels
entstehen (Saldivar et al., 1997). Die kaudale Region der kranialen Neuralleiste ist an der
Bildung der aus dem Herzen austretenden Aorta und Lungenarterie, sowie an der Bildung
des Septums beteiligt (Chan et al., 2004; Hutson and Kirby, 2003; Kirby et al., 1983).
auswandernde Zellen werden zu Melanozyten in der Epidermis (Erickson et al., 1992;
Jessen and Mirsky, 2005; Mayer, 1973; Tosney, 2004). Die Mehrzahl der Zellen migrieren
jedoch entlang eines ventralen Pfades in bzw. durch die Somiten. Neuralleistenzellen, die
in den Somiten verbleiben, bilden Spinalganglien. Die anderen wandern durch die Somiten
und sind an der Formation sympathischer Ganglien beteiligt bzw. differenzieren zu
Nervenfasern oder zu chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks (Bronner-Fraser, 1993;
Le Douarin and Smith, 1988).
Abb. 3: Entwicklung von Neuralleistenzellen. Neuralleistenzellen migrieren entlang definierter Pfade und differenzieren zu verschiedenen Zelltypen. (Abbildung geändert aus Knecht und Bronner-Fraser, 2002)
Vagale und sakrale Neuralleistenzellen differenzieren zu Gliazellen in den autonomen
Ganglien des enterischen Nervensystems. Erstere wandern von anterior in den Vorderdarm
Einleitung 6
und besiedeln während der Embryogenese den ganzen Magen-Darm-Trakt. Hingegen
migrieren sakrale Neuralleistenzellen von posterior ein und sind vor allem für die
Kolonisation des Enddarms von Bedeutung (Doyle et al., 2004; Gershon, 1997; Pomeranz
et al., 1991; Taraviras and Pachnis, 1999; Young and Newgreen, 2001).
1.2 Zelltypen des Nervensystems
Das Nervensystem zählt zu den bedeutendsten und komplexesten Organen in Vertebraten.
Es wird aufgrund der Herkunft und Lage der Bestandteile in zentral und peripher unterteilt.
Der zentrale Anteil oder auch ZNS (Zentrales Nervensystem) besteht aus Gehirn und
Rückmark. Das periphere Nervensystem (PNS) umfasst den Teil des Nervensystems, der
außerhalb des Gehirns und Rückenmarks lokalisiert ist.
Das Nervensystem besteht aus zwei Zelltypen, den Neuronen und den Gliazellen. Beide
Zelltypen stammen von multipotenten neuralen Stammzellen ab, wobei die Neurogenese in
der Regel der Gliogenese vorangeht (Morrison et al., 2000).
1.2.1 Zelltypen des zentralen Nervensystems (ZNS)
Das ZNS der Vertebraten lässt sich morphologisch in graue und weiße Substanz
unterteilen. Die graue Substanz enthält vor allem Zellkörper von Neuronen und Gliazellen.
Hingegen besteht die weiße Substanz aus den Axonen der Nervenzellen und aus Gliazellen
(Makroglia).
Während sich Nervenzellen in mehrere hundert Subtypen unterteilen lassen, gibt es im
zentralen Nervensystem nur wenige Hauptklassen von Gliazellen. Oligodendrozyten
formen die Myelinschicht, die auch für die charakteristische Färbung der weißen Substanz
verantwortlich ist. Sie umgeben die neuronalen Axone. Die Mehrzahl der Gliazellen im
ZNS sind jedoch Astrozyten. Sie erfüllen eine Vielzahl von Aufgaben, wie z.B. die
Konstanthaltung des pH-Wertes und der Ionenkonzentrationen, die Aufrechterhaltung von
Zell-Zellkontakten und die Aufnahme überschüssiger Neurotransmitter. Sie sind zudem
Energieträger und Regulatoren des Blutgefäßsystems und für die Bildung der Blut-Hirn-
Schranke verantwortlich (Jessen, 2004). Ferner wurde gezeigt, dass Astrozyten und
Einleitung 7
Neurone über Synapsen kommunizieren (Fields and Stevens-Graham, 2002). Mikroglia
sind die Immunzellen des Gehirns. Diese mesodermalen Zellen nehmen
antigenpräsentierende und phagozytotische Aufgaben wahr (Barron, 1995; Kaur et al.,
2001). Die Müllerzellen bilden als gliale Zellen der Retina einen weiteren Gliazelltyp im
Zentralnervensystem (Cepko, 1999). Radialgliazellen sind morphologisch bipolare Zellen
im sich entwickelnden Gehirn. Sie bilden ein Gerüst für die radiale Migration von
Neuronen (Campbell and Gotz, 2002; Parnavelas and Nadarajah, 2001). Obwohl
Radialgliazellen einige charakteristische Eigenschaften von Astrozyten aufweisen, zeigen
Forschungsergebnisse mehrerer Arbeitsgruppen, dass diese Zellen eine heterogene Gruppe
von Stamm- bzw. Vorläuferzellen darstellen und damit trotz ihres Namens keine Gliazellen
sind (Hartfuss et al., 2001; Malatesta et al., 2000; Miyata et al., 2001; Noctor et al., 2001).
1.2.2 Zelltypen des peripheren Nervensystems (PNS)
Das periphere Nervensystem besteht wie das ZNS aus Nerven- und Gliazellen. Der
Hauptgliazelltyp des PNS sind die Schwann-Zellen, welche in eine myelinhaltige und eine
nicht-myelinhaltige Form eingeteilt werden. Die Hauptaufgabe der myelinbildenden
Schwann-Zelle ist die Isolierung der peripheren Axone. Im Gegensatz zu den
Oligodendrozyten des ZNS kann jede Schwann-Zelle nur ein Axon umgeben. Die nicht-
myelinhaltige Form weist funktionelle Gemeinsamkeiten mit den Astrozyten auf. Ihre
Aufgabe besteht in der metabolischen und mechanischen Unterstützung der Neurone.
Morphologisch sind sie mit mehreren Axonen kleineren Durchmessers assoziiert (Jessen,
2004). Eine weitere bedeutende Zellpopulation des PNS sind die enterischen Gliazellen.
Das enterische Nervensystem (ENS) ist in den autonomen Ganglien der Darmwand
lokalisiert (Gershon, 1997; Jessen and Mirsky, 1998). Zu den glialen Subtypen des PNS
zählen außerdem die Teloglia an den Synapsen zwischen Nervenendigung und
Muskelfaser (Georgiou et al., 1994), die Satellitenzellen in den Spinalganglien und in der
sympathischen Ganglienkette (Jessen and Mirsky, 2005) und die BC-Zellen (boundary
cap) am Übergang von ZNS zum PNS (Maro et al., 2004; Vermeren et al., 2003).
Einleitung 8
1.3 Pathologie der Neuralleiste (Neurocristopathien)
Neurocristopathien sind Erkrankungen, die auf Veränderungen der Migration, dem
Wachstum und der Differenzierung von Neuralleistenzellen zurückzuführen sind. Dabei
unterscheidet man eine einfache und eine komplexe Erscheinungsform. Zu der einfachen
Form zählen Neuroblastome, Melanome, Thyroid-Karzinome sowie die Hirschsprung-
Erkrankung. Hingegen sind komplexe Neurocristopathien durch Missbildungen und dem
neoplastischen Syndrom gekennzeichnet, bei denen einzelne oder mehrere Populationen
von Neuralleistenderivaten betroffen sind. Herzmissbildungen, Neurofibromatose,
Otocephalie, multiple endokrine Neoplasie Typ2 sowie das Waardenburg-Syndrom sind
Erkrankungen, die den komplexen Neurocristopathien zugeordnet werden (Nakamura,
1995).
1.3.1 Die Hirschsprung-Erkrankung (HSCR)
Die Hirschsprung-Erkrankung (HSCR) oder das aganglionische Megacolon wurde erstmals
1888 durch Harald Hirschsprung beschrieben (Hirschsprung, 1888). 60 Jahre später
erkannte F. Whitehouse, dass das Fehlen von enterischen Ganglienzellen in der distalen
Darmwand kennzeichnend für diese Krankheit ist (Whitehouse F, 1948). Den
Zusammenhang, dass Defekte in der Neuralleistenpopulation die Ursache sind, stellte
Robert P. Bolande her. Er prägte auch den Begriff der Neurocristopathie (Bolande, 1997).
Die Hirschsprung-Krankheit ist mit einer Inzidenz von 1:5000 eine häufige, genetisch
bedingte Erkrankung des enterischen Nervensystems (Bodian M, 1963; Bodian and Lake,
1963; Whitehouse F, 1948). Eine gestörte Migration von Neuralleistenzellen führt zu einer
unvollständigen Besiedelung des Dickdarms. Die daraufhin fehlenden enterischen
Ganglien im Plexus myentericus (Auerbach-Plexus) und Plexus submucosus (Meisner-
Plexus) führen zum Ausfall der Darmperistaltik in den betroffenen Bereichen. Durch
Überstimulation der Ringmuskulatur entsteht eine Obstruktion (Stenose) (Meier-Ruge,
1974; Whitehouse F, 1948). Klinische Symptome sind Darmverschluss bei Neugeborenen
und schwere chronische Verstopfung bei Kindern und Erwachsenen (Kapur, 1993). Die
Hirschsprung-Erkrankung wird autosomal dominant oder rezessiv vererbt. Abhängig von
der Länge des betroffenen aganglionischen Darmssegmentes unterscheidet man zwischen
Einleitung 9
der häufigeren S-Form der HCSR (80%) und L-HSCR (20%). Bei Patienten mit S-HSCR
ist nur ein kurzer Bereich betroffen. Hingegen weisen Erkrankte mit L-HSCR größere
aganglionische Segmente auf.
Bis heute wurden diverse Mutationen in verschiedenen Genen identifiziert, die mit der
Hirschsprung-Erkrankung in Zusammenhang stehen (Moore, 2006). So sind das Proto-
(Harley et al., 1994). Im Gegensatz zu einer Vielzahl anderer Transkriptionsfaktoren
binden Sox-Proteine nicht in der großen, sondern in der kleinen Furche der DNA (van de
Einleitung 11
Wetering et al., 1993). Bisher wurden 20 Sox-Proteine in Säugern identifiziert, welche in
acht Subgruppen (A-H) eingeteilt werden (Bowles et al., 2000; Schepers et al., 2002;
Wegner and Stolt, 2005). Die Mitglieder einer Subgruppe haben innerhalb der HMG-
Domäne eine Sequenzhomologie von mindestens 80%. Eine weitere charakteristische
Eigenschaft innerhalb einer Subgruppe ist die ähnliche genomische Organisation (Wegner,
1999). Sox-Proteine spielen eine wichtige Rolle in entwicklungsbiologischen Prozessen.
Die Entwicklung der Blastocyste, die Gastrulation sowie die Bildung der Keimbahn, des
hämatopoietischen Systems, des Nervensystems, des Skeletts, der Gonaden, der Milz, des
Herzens, der Blutgefäße und der Melanozyten sind abhängig von der Expression der Sox-
Gene (Bowles et al., 2000; Sock et al., 2004; Wegner, 2005).
1.4.1 Gruppe E der Sox-Proteine
Die Gruppe E der Sox-Proteine umfasst die Mitglieder Sox8, Sox9 und Sox10.
Charakteristisch sind neben der hochkonservierten DNA-Binde- und der
Transaktivierungsdomäne, die N-terminal zur HMG-Box lokalisierte Dimerisierungs-
domäne und eine weitere Region mit hoher Sequenzhomologie. Diese befindet sich
zwischen DNA-Binde- und Transaktivierungsdomäne (Peirano and Wegner, 2000; Schlierf
et al., 2002; Schreiner et al., 2007).
Abb. 4: Domänenstruktur von SoxE-Proteinen. Gekennzeichnet sind Sox8, Sox9 und Sox10 durch die hochkonservierte HMG-Box, die dazu N-terminal gelegende Dimerisierungsdomäne, der Transaktivierungs-domäne am C-Terminus und einen weiteren konservierten Bereich zwischen DNA-Binde- und Transaktivierungsdomäne.
Einleitung 12
Als Transkriptionsfaktoren besitzen SoxE-Proteine Kernlokalisationssequenzen (NLS,
nuclear localisation sequence) (Kuhlbrodt et al., 1998b; Rehberg et al., 2002; Sudbeck and
Scherer, 1997). Zusätzlich weisen sie ein Kernexportsignal (NES, nuclear export signal)
auf (Gasca et al., 2002; Rehberg et al., 2002). Dieses ist wie die NLS in der HMG-Box
lokalisiert. SoxE-Proteine können DNA als Monomer oder kooperativ an zwei
benachbarten Bindestellen als Dimer binden. Zudem zeigen Sox8, Sox9 und Sox10
zumindest ein zum Teil überlappendes Expressionsmuster und vergleichbare, redundante
Funktionen bei entsprechender Koexpression (Chaboissier et al., 2004; Cheung and
Briscoe, 2003; Kellerer et al., 2006; Maka et al., 2005; Stolt et al., 2004). Auf die
Expressionsmuster und Aufgaben einzelner Mitglieder der SoxE-Gruppe wird in den
nächsten Abschnitten genauer eingegangen.
1.4.1.1 Sox8
Sox8 wurde als letztes Mitglied der SoxE-Gruppe identifiziert (Bell et al., 2000; Pfeifer et
al., 2000; Schepers et al., 2000). Trotz starker Sox8-Expression in vielen Geweben,
inklusive der Neuralleiste, dem Nervensystem, der Muskeln, der Knochen, den
Nebennieren, den Nieren und den Hoden entwickeln sich homozygot Sox8 defiziente
Mäuse in utero normal und sind lebensfähig. Auffällig hingegen ist die beträchtliche
Gewichtsreduktion bei diesem Genotyp (Schmidt et al., 2003; Schmidt et al., 2005; Sock et
al., 2001).
Der Transkriptionsfaktor Sox8 ist ein physiologischer Regulator der Knochenbildung.
Sox8 defiziente Mäuse sind durch eine verfrühte Osteoblastendifferenzierung
charakterisiert. Primäre Osteoblasten dieser Mäuse zeigen eine beschleunigte
Mineralisierung ex vivo und eine frühreife Expression von Differenzierungsmarkern.
Gestützt wird diese Aussage durch die Analyse transgener Mäuse, in denen Sox8
gewebespezifisch überexprimiert wird. In diesen Tieren ist die Knochenbildung
beeinträchtigt, was auf die reduzierte Expression des für die Osteoblastendifferenzierung
Sox2 spielt eine wichtige Rolle während der Bildung des Nervensystems in verschiedenen
Wirbeltierspezies. Dieser SoxB1 Transkriptionsfaktor wird durch eine ganze Anzahl von
distal lokalisierten Regionen reguliert. In initialen Experimenten wurden 11 Enhancer
identifiziert, indem eine 50 kb große genomische Region des Sox2 Locus aus dem Huhn
isoliert und Fragmente dieses Bereiches auf Enhanceraktivität untersucht wurden. Die
räumliche und zeitliche Aktivität dieser genregulatorischen Elemente spiegelt die
Komplexität des Sox2 Expressionsmusters wider. Ein anschließender genomischer
Vergleich zwischen Huhn- und Säugergenomen bewies, dass die charakterisierten
Einleitung 21
Enhancer im Säuger konserviert sind (Uchikawa et al., 2003; Uchikawa et al., 2004). Die
Expression von Sox3, einem weiteren SoxB1 Transkriptionsfaktor, wird ebenfalls durch
distal lokalisierte, evolutionär konservierte Regionen reguliert. Für diesen frühen
neuronalen Marker sind wie für Sox2 sowohl stromaufwärts als auch stromabwärts des
Sox3 Leserahmens gelegene genregulatorische Bereiche beschrieben (Brunelli et al.,
2003). Sieben von acht Sox21 assoziierten, konservierten Regionen führten in
funktionellen Assays zu einer verstärkten Reportergenexpression im Zebrafisch (Woolfe et
al., 2005). Sox21 gehört zur SoxB2 Subgruppe. Als transkriptioneller Repressor in der
frühen Entwicklung weist er ein sehr komplexes und dynamisches Expressionmuster im
ZNS auf. Ferner ist endogene Sox21 Expression in den sich entwickelnden Sinnesorganen
beschrieben (Rex et al., 1997; Rimini et al., 1999; Uchikawa et al., 1999). Die SoxE
Transkriptionsfaktoren Sox9 und Sox10 sind ebenfalls durch hochkonservierte, nicht-
kodierende, genregulatorische Regionen in ihren entsprechenden Gen-Loci gekennzeichnet
(siehe 1.4.1.2 und 1.4.1.3.2). Sie unterstreichen damit die Bedeutung von distal
lokalisierten cis-Elementen für die akkurate räumliche und zeitliche Expression von Sox
Genen in der Embryonalentwicklung.
1.5.3 Strategien zur experimentellen Validierung und Charakterisierung von
cis-regulatorischen Elementen
Für die Charakterisierung der genregulatorischen Aktivität evolutionär konservierter,
nicht-kodierender Regionen werden verschiedene Tiermodelle, wie z.B. Zebrafisch,
Xenopus und Maus, genutzt (Gottgens et al., 2000; Rossant et al., 1991; Woolfe et al.,
2005). Validierungsexperimente in Zebrafisch und Xenopus eignen sich besonders gut für
eine hohe Anzahl von zu analysierenden genomischen Regionen, da der Versuchsaufbau in
diesen Organismen weniger aufwendig ist. Aufgrund des hohen phylogenetischen
Verwandtschaftsgrades innerhalb der Säuger sind Mausmodelle zweckmäßiger, um
Aussagen über die Relevanz der untersuchten, evolutionär konservierten Regionen in
Bezug auf den Menschen zu treffen. Nach der bioinformatischen Identifizierung
evolutionär konservierter, nicht-kodierender Regionen werden diese DNA Bereiche mittels
PCR amplifiziert und vor einem Hsp68 Minimalpromotor und ein LacZ Reportergen
kloniert. Das Reportergenkonstrukt wird anschließend in den männlichen Pronukleus der
Einleitung 22
befruchteten Eizelle injiziert, wo es dann an einer zufälligen Position in vielfacher
Kopiezahl ins Genom integriert. Transgene Techniken werden bereits seit vielen Jahren für
die Generierung verschiedenster Mausmodelle in der Forschung eingesetzt. Da das Hsp68-
LacZ Konstrukt allein nicht zu einer Reportergenexpression in embryonalen Geweben von
Säugern führt (Kothary et al., 1988; Kothary et al., 1989), kann die räumliche und zeitliche
Expression in Abhängigkeit von evolutionär konservierten Regionen mit diesem
Versuchsaufbau analysiert werden.
Für die Bestätigung und Charakterisierung der potentiellen, nicht-kodierenden,
genregulatorischen Regionen sind experimentelle Ansätze unerlässlich. Dies schließt
sowohl in vitro Methoden zur Bestimmung der Transkriptionsfaktorbindestellen, wie DNA
Footprint Analysen und Gelretardierungsexperimente als auch in vivo Chromatin-
immunpräzipitationsassays ein.
Problemstellung 24
2 Problemstellung
Der Transkriptionsfaktor Sox10 ist wesentlich an der Entwicklung von
Neuralleistenderivaten und Oligodendrozyten beteiligt. Seine Bedeutung für die
Differenzierung von Gliazellen des zentralen, peripheren und enterischen Nervensystems
sowie von Melanozyten wurde mit Hilfe von Mausmutanten charakterisiert. Die Analyse
der Promotoren direkter Zielgene von Sox10 trug zum Verständnis der Funktionsweise
dieses Transkriptionsfaktors bei. Obwohl große Fortschritte in der Identifizierung von
Genen, die direkt von Sox10 reguliert werden, gemacht wurden, sind Transkriptions-
faktoren, cis-regulatorische Elemente und Signalwege, welche die direkte Regulation von
Sox10 vermitteln, bisher weitestgehend unbekannt. Im Rahmen dieser Arbeit sollten
deshalb diese genregulatorischen Regionen identifiziert und charakterisiert werden.
Durch computergestützte, vergleichende Analysen des Sox10 Locus verschiedener Spezies
sollten zunächst Bereiche hoher Sequenzhomologie identifiziert werden. Um zu verstehen,
wie die Sox10 Expression während der Embryonalentwicklung reguliert wird, sollten diese
hochkonservierten Regionen vor ein β-Galaktosidasereportergen unter der Kontrolle eines
Minimalpromotors kloniert und die Expression des Reportergens in transgenen Mäusen
untersucht werden. Die zentrale Aufgabe dieser Arbeit lag vor allem in der Analyse der
räumlichen und zeitlichen Expression und der Verifizierung der Koexpression der β-
Galaktosidase (β-Gal) mit Sox10 und anderen zellspezifischen Markern.
Die Analyse von konservierten Bereichen im Sox10 Locus bei einer kürzlich beschrieben
transgenen Mauslinie führten zu der Feststellung, dass bei der Integration des transgenen
Konstruktes eine 15,9 kb lange Region 47,3 kb stromaufwärts des Sox10 Transkriptions-
startes deletiert worden ist. Im zweiten Teil dieser Arbeit sollte deshalb dieser genomische
Bereich detailliert analysiert werden, um den Phänotyp dieser Mauslinie zu erklären, der
durch eine partielle, enterische Aganglionose, Pigmentierungsdefekte und eine verminderte
Sox10 Expression in homozygoten Embryonen gekennzeichnet ist (Antonellis et al., 2006).
Ergebnisse 26
3 Ergebnisse
3.1 Untersuchungen zur genregulatorischen Aktivität evolutionär
konservierter, nicht-kodierender Regionen im Sox10 Locus
Vergleichende Sequenzanalysen von orthologen genomischen Regionen verschiedener
Spezies führten zur Identifikation von evolutionär konservierten, nicht-kodierenden
Regionen. Diese Bereiche hoher Sequenzhomologie sind vielfach cis-regulatorische
Abschnitte des Genoms und als Modulatoren der Genexpression beschrieben (Sandelin et
al., 2004). Oftmals sind diese Regionen in Nachbarschaft von Genen lokalisiert, die für
essentielle Regulatoren entwicklungsbiologischer Prozesse kodieren (Woolfe et al., 2005).
Der Transkriptionsfaktor Sox10 hat eine solch entscheidende Rolle in der embryonalen
Entwicklung der entstehenden Neuralleiste. Ebenso ist seine Expression und funktionelle
Relevanz im weiteren Verlauf der Embryogenese in Neuralleistenderivaten und
Oligodendrozyten beschrieben (Britsch et al., 2001; Kuhlbrodt et al., 1998b; Stolt et al.,
2002). Da zudem die Funktionen von Sox10 in der Embryogenese von Vertebraten
hochkonserviert sind (Kelsh, 2006; Wegner and Stolt, 2005), wurden im ersten Teil dieser
Arbeit mittels vergleichender Sequenzanalysen evolutionär konservierte Regionen
identifiziert und die Muster ihrer genregulatorischen Aktivität charakterisiert.
3.1.1 Identifikation von sieben evolutionär konservierten, nicht-kodierenden
Regionen im Sox10 Locus
Untersuchungen an verschiedenen transgenen Mauslinien führten zu der Erkenntnis, dass
Sequenzen ca. 60 kb stromaufwärts und ca. 50 kb stromabwärts des Sox10 Transkriptions-
starts ausreichend sind, um das Hauptexpressionsmuster von Sox10 während der
embryonalen Entwicklung widerzuspiegeln. So wurde mit Hilfe eines 120 kb PAC-
Fragments (P1 derived artificial chromosome), das die genomische Sequenz von Sox10
beinhaltet, eine transgene Mauslinie etabliert, in dem die Gene für GFP (grün
floureszierendes Protein) und DTA (Diphtherietoxin) unter der gleichen transkriptionellen
Ergebnisse 27
Kontrolle wie Sox10 standen (Kessaris et al., 2006). Ferner bestätigten Analysen zufälliger
Deletionensmutanten konservierter Bereiche im Sox10 Locus einer anderen transgenen
Mauslinie das Vorhandensein entfernter regulatorischer Sequenzen (Antonellis et al.,
2006). Studien dieser transgener Mäuse führten zu folgenden Erkenntnissen: zum einen
werden mehrere, stromaufwärts vom Sox10 Gen gelegene Enhancer für das vollständige
Sox10 Expressionsmuster benötigt. Zum anderen sind die für die Sox10 Expression
wichtigen cis-Elemente vorwiegend in Enhancern und nicht in seinem Promotor lokalisiert
(Deal et al., 2006). Außerdem konnte gezeigt werden, dass der Sox10 Leserahmen ohne
signifikante Abweichungen vom embryonalen Sox10 Expressionmuster ersetzt werden
kann. Somit liegen die wichtigen regulatorischen Elemente außerhalb des Sox10 Gens
(Britsch et al., 2001; Kellerer et al., 2006; Ludwig et al., 2004b).
Abb. 5: Identifikation und Lokalisation von sieben evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Sequenzen im Sox10 Locus. Dargestellt ist ein multipler Sequenzvergleich des Sox10 Locus. Die ubiquitär exprimierten Gene für Polr2f und Pick1 (in blau) flankieren die analysierte Region. Die potentiell genregulatorische Regionen U1, U2, U3, U4, U5, D6 und D7 wurden rot hervorgehoben. (Abbildung wurde mit Hilfe des UCSC-Browser generiert)
Potentielle Enhancer, die für die Regulation der Sox10 Genexpression verantwortlich sind,
wurden mit dem ECR-Browser (http://ecrbrowser.dcode.org) und der humanen Sequenz
als Basisgenom identifiziert. Diese vergleichende Analyse resultierte in dem Nachweis von
sieben konservierten Regionen mit mehr als 70% Sequenzhomologie über mindestens 100
bp zwischen dem humanen Genom und dem des Huhns (Abb. 5). Fünf dieser sieben
Bereiche (U1-U5) sind stromaufwärts und zwei (D6, D7) stromabwärts vom Sox10 Gen
Ergebnisse 28
lokalisiert. Ihre Länge variiert zwischen 150 und 400 bp. Während die Sequenzidentität der
potentiellen Enhancer zwischen Maus- und Huhngenom mindestens 67% über ihre
gesamte Länge betrug, lag sie zwischen murinen und humanen Genom bei über 89% (Tab.
Tab. 1: Aufstellung der identifizierten, homologen Regionen. Für jede der evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Bereiche sind die exakten Positionen im Genom von M. musculus (Mm8) angegeben. Deren Länge, ihre Sequenzhomologie zu G. gallus und H. sapiens und die genauen Koordinaten des Fragmentes, welches für die Generierung des transgenen Konstruktes genutzt wurden, sind ebenfalls tabellarisch aufgeführt.
Die flankierenden Sequenzen der potentiellen Enhancer wiesen zwischen den beiden
Säugergenomen ebenfalls sehr hohe Sequenzhomologien auf. Die geringeren
Übereinstimmungen in der Sequenz und die kürzeren Längen in evolutionär nicht nahe
verwandten Spezies verglichen mit verwandten Tierarten wurden bereits in
vorausgegangen Genomstudien beschrieben (Prabhakar et al., 2006). Im Gegensatz zu der
hohen Sequenzidentität innerhalb der Amnioten wiesen keine der sieben identifizierten
Regionen eine signifikante Sequenzkonservierung gegenüber Xenopus laevis, Danio rerio
oder Fugu rubripes auf (Abb. 5).
Ergebnisse 29
3.1.2 Konstruktion der transgenen Vektoren
Die sieben identifizierten, evolutionär konservierten Regionen U1, U2, U3, U4, U5, D6
und D7 wurden inklusive ca. 150 bp (Tab. 2) flankierender Sequenz amplifiziert und direkt
stromaufwärts eines Hsp68 Minimalpromotors und eines LacZ Reportergens kloniert. Das
Genprodukt von LacZ, die β-Galaktosidase, ermöglicht den Nachweis, in welchen
Geweben das Transgen exprimiert wird. In früheren Studien wurde gezeigt, dass die
Hsp68-LacZ Kassette keine konstitutive Aktivität in transgenen Mäusen besitzt und
deshalb für Analysen genregulatorischer Elemente geeignet ist (Kothary et al., 1988;
Kothary et al., 1989; Mandemakers et al., 2000; Muta et al., 2002). Der Aufbau der
transgenen Konstrukte, die für die Pronukleusmikroinjektion in Oozyten verwendet
wurden, ist in Abb. 6 schematisch dargestellt.
Abb. 6: Schematische Illustration der transgenen Vektoren. Die evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen (EKR) wurden direkt vor den Hsp68 Minimalpromotor (Hsp) und dem Gen für β-Galaktosidase (LacZ) kloniert. Das SV40-polyA-Signal (pA) ist unmittelbar hinter dem Reporter lokalisiert.
Da Vektorsequenzen, insbesondere prokaryotische Promotor- und ORI-Sequenzen die
Expression von Transgenen beeinträchtigen, wurden diese vom transgenen Konstrukt
mittels SpeI und KpnI bzw. NotI und KpnI hydrolytisch restringiert und durch
Agarosegelelektrophorese abgetrennt. Die aufgereinigten, transgenen Konstrukte wurden
von Dr. Michael R. Bösl am Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried in den
männlichen Pronukleus befruchter muriner Oozyten mikroinjiziert. Anschließend wurden
diese Oozyten in den Uterus scheinschwangerer Mäuse eingesetzt.
3.1.3 Statistik der transgenen Mäuse
Die mittels PCR als positiv identifizierten, ersten Nachkommen einer Linie werden als
Gründer bezeichnet. Folgende Tabelle gibt Aufschluss über die Anzahl der getesteten
Ergebnisse 30
Nachkommen, die aus injizierten Oozyten hervorgegangen sind und über die Anzahl der
für jedes transgene Konstrukt erhaltenen Gründer und über die Gründer, die das Transgen
an ihre Nachkommen weitergaben (Tab. 2). Insgesamt waren von den 218 getesteten
Tieren 34 (15,6%) in der PCR für das jeweilige Konstrukt positiv, von denen wiederum 28
(82,4%) das Transgen an die Nachkommen vererbten. Für jede transgene Kassette standen
wenigstens zwei unabhängige Gründer für die Analyse zur Verfügung. Damit war es
möglich die genregulatorische Aktivität der evolutionär konservierten, nicht-kodierenden
Regionen zu verifizieren.
erhaltene Tiere aus
injizierten Oozyten transgene Gründer
Gründer mit transgenen
Nachkommen
U1 32 5 (15,6%) 5 (15,6%)
U2 40 3 (7,5%) 3 (7,5%)
U3 32 3 (9,4%) 3 (9,4%)
U4 52 12 (23,1%) 7 (13,5%)
U5 13 3 (23,1%) 3 (23,1%)
D6 30 3 (10%) 2 (6,7%)
D7 19 5 (26,4%) 5 (26,4%)
insgesamt 218 34 (15,6%) 28 (12,8%)
Tab. 2: Zusammenfassung der erhaltenen transgenen Gründer. Aufgelistet sind für jedes transgene Konstrukt die Anzahl der erhaltenen Mäuse, die aus injizierten Oozyten hervorgegangen sind, die Anzahl der transgenen Gründer und die Anzahl der Gründer mit transgenen Nachkommen.
3.1.3 Genregulatorische Aktivität der evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen während der frühen Embryogenese (9.5 dpc)
Für die Analyse der genregulatorischen Aktivität der evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen wurde zur Detektion der β-Galaktosidaseaktivität eine Farbreaktion
mit X-Gal als Substrat durchgeführt. Identische Färbezeiten für die zu untersuchenden
transgenen Mauslinien sollten eine gute Vergleichbarkeit der räumlichen und zeitlichen
Expression des LacZ Gens gewährleisten. Soweit nicht anders beschrieben, waren die
Ergebnisse 31
Expressionsmuster zwischen den einzelnen Linien der gleichen transgenen Konstrukte gut
reproduzierbar. Nur die Färbeintensität variierte geringfügig zwischen den einzelnen
Linien. Mögliche Ursachen hierfür sind unterschiedliche Kopienzahlen oder verschiedene
Integrationsstellen im Genom.
Die heterozygote Sox10 Mausmutante (Britsch et al., 2001) diente als Kontrolle für weitere
Experimente. Da in dieser Mauslinie ein Sox10 Allel durch das Gen für die β-
Galaktosidase ersetzt wurde, spiegelte die Aktivität der β-Galaktosidase die Expression
von Sox10 exakt wider (Britsch et al., 2001). Während der frühen Embryogenese (9.5 dpc)
war die LacZ Expression in Sox10LacZ/+ Mäusen in den otischen Vesikeln, den
Kranialganglien, in den Kiemenbögen, in den sich bildenden Spinalganglien und in den
sympathischen Ganglien detektierbar. Ferner waren in diesen Mäusen β-Gal positive
Zellen in der sich entwickelnden Neuralleiste und schwächer auch an der Mittel-
Hinterhirngrenze nachweisbar (Abb. 7A).
Abb. 7: Nachweis der β-Gal Expression in transgenen Embryonen am Tag 9.5 dpc. Die β-Galaktosidaseaktivität wurde in einer Farbreaktion mit X-Gal als Substrat sowohl in Sox10LacZ/+ (A), als auch in den transgenen Embryonen bestimmt, in denen die Expression des LacZ Gens von den evolutionären konservierten, nicht-kodierenden Regionen U1 (B), U2 (C), U3 (D), U4 (E), U5 (F), D6 (G) und D7 (H) reguliert wurde. Die transgenen Embryonen wurden für 9 h, die Sox10LacZ/+ Embryonen für 3 h gefärbt. Unter diesen Bedingungen wurde in Wildtypen keine Färbung beobachtet.
Ergebnisse 32
Die transgenen Embryonen konnten zum Zeitpunkt 9.5 dpc aufgrund der Verteilung der β-
Galaktosidaseexpression in drei Kategorien eingeteilt werden. In Embryonen, die das U4,
U5 bzw. das D7 Transgen trugen, war keine LacZ Expression nachweisbar (Abb. 7 E, F,
H). Eine zweite Gruppe bestand aus Embryonen, in deren Genom das U2 bzw. das D6
Konstrukt integriert war. Sie waren durch eine β-Galaktosidaseaktivität in Geweben
charakterisiert, die Teile des Sox10 Expressionsmusters widerspiegelten (Abb. 7 C, G).
Die genregulatorische Aktivität des D6 Transgens war stark in den otischen Vesikeln, in
den Ganglien des Nervus trigeminus, des Nervus facialis und des Nervus statio-acusticus
nachweisbar (Abb. 7 G). Zusätzlich wurde eine schwache β-Galaktosidaseaktivität in den
Spinalganglien beobachtet. Die Spinalganglien der U2 positiven Embryonen wiesen dem
gegenüber eine viel kräftigere X-Galfärbung auf (Abb. 7 C). Die Farbintensität dieser
Ganglien nahm in U2 Transgenen von kranial nach kaudal ab, vergleichbar mit
Embryonen, die ein Sox10LacZ Allel trugen (Abb. 7 A, C). Des Weiteren war die Aktivität
des U2 Transgens in den Kranialganglien besonders stark. Sowohl die Kiemenbögen als
auch die otischen Vesikel wiesen hingegen keine β-Galaktosidaseaktivität auf. Nur sehr
wenige Zellen waren zudem im frontonasalen Bereich gefärbt (Abb. 7 C).
Zur letzten Kategorie zählten Embryonen, die das U1 bzw. das U3 Transgen trugen. Ihr
LacZ Expressionsmuster korrespondierte weitestgehend mit dem von Sox10 (Abb. 7 B, D).
In U1 transgenen Embryonen waren alle Sox10 exprimierenden Gewebe mit Ausnahme
der Mittel-Hinterhirngrenze β-Gal positiv. Verglichen mit gefärbten Sox10LacZ/+
Embryonen war jedoch eine deutlich geringere β-Galaktosidaseaktivität zu beobachten.
Nur die otischen Vesikel zeigten in den U1 transgenen Linien eine starke Expression (Abb.
7 B). Das Expressionmuster des U3 Transgens stimmte in fast allen Geweben mit dem von
Sox10LacZ/+ Kontrollembryonen überein. Im Vergleich zu U2 wiesen sie allerdings keine β-
Galaktosidaseaktivität in den otischen Vesikeln auf (Abb. 7 D). Verglichen mit U1
Embryonen waren U3 positive Transgene kräftiger gefärbt, jedoch war die LacZ
Expression immer noch schwächer als in Sox10LacZ/+ Embryonen entsprechenden Alters.
Die phänotypische Analyse der U3 Transgene zum Zeitpunkt 9.5 dpc resultierte zusätzlich
in der Detektion β-Gal positiver Zellen im Herzen. Diese ektope Expression war in allen
drei U3 Linien reproduzierbar.
Ergebnisse 33
3.1.4 Genregulatorische Aktivität der evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen am Embryonalstadium 11.5 dpc
Im weiteren Verlauf der Embryogenese veränderte sich die genregulatorische Aktivität der
potentiellen Enhancer signifikant. So zeigte kein transgener Embryo an 11.5 dpc eine
Färbung in den Kiemenbögen und im frontonasalen Bereich (Abb. 8 B-H). In Sox10LacZ/+
Embryonen analogen Alters verschwand die Expression des LacZ Gens in den
Kiemenbögen gleichermaßen und nahm auch signifikant in der frontonasalen Region ab
(Abb. 8 A). Die nachlassende Enhanceraktivität rekapitulierte also die Reduktion der
Sox10 Genexpression in diesen Geweben. Hingegen wies im Vergleich zur Sox10LacZ/+
Kontrolle keiner der Enhancer genregulatorische Aktivität in den sich entwickelnden
Pigmentzellen auf (Abb. 8 A-H). Die β-Gal positiven Melanoblasten der heterozygoten
Sox10 Embryonen waren besonders gut im Augen- und Schwanzbereich nachweisbar
(Abb. 8 A)
Abb. 8: Nachweis der β-Gal Expression in transgenen Embryonen zum Zeitpunkt 11.5 dpc. Die β-Galaktosidaseaktivität wurde in einer Farbreaktion mit X-Gal als Substrat sowohl in Sox10LacZ/+ (A) als auch in den transgenen Embryonen bestimmt, in den die Expression des LacZ Gens von den evolutionären konservierten, nicht-kodierenden Regionen U1 (B), U2 (C), U3 (D), U4 (E), U5 (F), D6 (G) und D7 (H) reguliert wurde. Die transgenen Embryonen wurden für 9 h, die Sox10LacZ/+ Embryonen für 3 h gefärbt. Unter diesen Bedingungen wurde in Wildtypen keine Färbung beobachtet.
Ergebnisse 34
An Tag 11.5 der Embryonalentwicklung wiesen U1, U2, U3 und D6 wie an 9.5 dpc
Enhanceraktivität auf (Abb. 8 B, C, D, G). Insbesondere das sich entwickelnde periphere
Nervensystem, inklusive der Ganglien und Nerven, zeigte eine kräftige X-Galfärbung in
diesen Embryonen. Die β-Gal Expressionsmuster von U1, U2, U3 und D6 waren,
verglichen mit den zuvor analysierten Embryonen früheren Stadiums, zudem deutlich
ähnlicher. Dies deutet auf eine überlappende, genregulatorische Aktivität in dieser Phase
der Embryonalentwicklung hin. Dennoch unterschieden sich diese vier transgenen Linien
in ihren Färbemustern. Im Allgemeinen zeigte U2 eine schwächere Aktivität in den
kranialen Ganglien. Während U1 und U2 eine besonders hohe β-Galaktosidaseaktivität in
den Spinalganglien und entlang der Nerven aufwiesen (Abb. 8 B, C), war die Färbung in
U3 transgenen Embryonen entlang der Nerven (Abb. 8 D) und in D6 positiven Embryonen
auf die Spinalganglien konzentriert (Abb. 8 G). Die Expression des LacZ Gens in Zellen
des enterischen Nervensystems konnte nur in U1 und U3 transgenen Embryonen detektiert
werden.
Übereinstimmend mit den analysierten Embryonen am Tag 9.5 dpc zeigten die Enhancer
U2 und U3 keine Aktivität in den otischen Vesikeln (Abb. 8 C, D). Die X-Galfärbung in
diesem Gewebe in U1 transgenen Embryonen war verglichen mit an 9.5 dpc analysierten
Embryonen bereits deutlich schwächer. Dies lässt vermuteten, dass die genregulatorische
Aktivität in dieser Struktur bereits am embryonalen Stadium 11.5 dpc abnimmt (Abb. 8 B).
Hingegen war die Färbung der otischen Vesikel in D6 Transgenen sehr ausgeprägt (Abb. 8
G).
Während U4, U5 und D7 an 9.5 dpc noch keine detektierbare β-Galaktosidaseaktivität
aufwiesen, konnte an 11.5 dpc in der transgenen Linie U5 eine Färbung im Trigeminus und
in den Spinalganglien beobachtet werden (Abb. 8 F). Das genregulatorische Potential von
U5 wird offenbar erst in der mittleren Phase der Embryonalentwicklung benötigt. Obwohl
Sox10 normalerweise nicht im dorsalen Rückenmark an 11.5 dpc exprimiert wird, wurden
gefärbte Strukturen in diesem Bereich in U5 und D6 transgenen Embryonen nachgewiesen.
D7 zeigte hingegen keinerlei aktivierendes Potential, weder an diesem noch an späteren
Stadien der Embryogenese. Auch nach signifikant längeren Färbezeiten konnte keine β-
Galaktosidaseaktivität für diesen potentiellen Enhancer nachgewiesen werden. Dies war
ebenso der Fall für fünf der sieben U4 transgenen Linien. Embryonen einer U4 Linie
zeigten eine schwache β-Galfärbung von Mittellinienstrukturen, in einer anderen färbte
sich das Blutgefäßsystem (Daten nicht gezeigt). Die Ursache für diese ektopen
Ergebnisse 35
Expressionsmuster könnte in den Integrationsstellen der transgenen Konstrukte im Genom
begründet sein, wenn diese z.B. nahe anderer genregulatorischer Elemente lokalisiert sind.
3.1.5 Genregulatorische Aktivität der evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen während der späten Embryogenese (16.5 dpc)
Für die Analyse der Embryonen zum Zeitpunkt 16.5 dpc wurden 20 µm dicke
Gefrierschnitte angefertigt und die X-Gal Färbungen direkt auf den Objektträgern
durchgeführt. Die heterozygote Sox10 Mausmutante (Britsch et al., 2001) diente wiederum
als Kontrolle. An 16.5 dpc war eine spezifische β-Galaktosidaseaktivität in diesen Mäusen
in den peripheren Nerven, den Spinalganglien und im Rückmark zu beobachten (Abb. 9
A). Ferner war die Expression von LacZ in heterozygoten Sox10 Embryonen sowohl im
enterischen Nervensystem (Abb. 9 A, D) als auch in den sympathischen Ganglien, den
Melanozyten und den chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks nachweisbar.
Während die X-Galfärbung in den transgenen Linien U1 und U2 in den Spinalganglien an
16.5 dpc vergleichbar mit Sox10LacZ/+ Embryonen war (Vergleiche Abb. 9 B, C mit A),
wiesen U5 transgene Embryonen ein punktuelles, ungleichmäßiges Färbemuster auf (Abb.
9 E). Dieses Resultat lies vermuten, dass die U5 transgenen Tiere nicht die für Sox10
typische Expression in Satellitengliazellen widerspiegeln (Britsch et al., 2001), sondern
dass in diesem Fall ein anderer Zelltyp gefärbt wurde. Embryonen, die das U3 bzw. das D6
Transgen trugen, zeigten hingegen keine signifikante β-Galaktosidaseaktivität in dieser
Struktur (Abb. 9 D, F). Dies spricht für eine Abnahme der D6 Enhanceraktivität in den
Spinalganglien zu diesem Zeitpunkt, da am embryonalen Tag 11.5 D6 positive Embryonen
eine kräftige Färbung dieses Gewebes aufwiesen.
Auf den Gefrierschnitten von U1, U2, U3 und D6 transgener Embryonen zeigte sich β-
Galaktosidaseaktivität entlang der peripheren Nerven. Parallele Färbungen von Sox10LacZ/+
Embryonen ergaben vergleichbare Resultate (Vergleiche Abb. 9 B, C, D und F mit A). Die
Analyse der genomischen Region U5 stellte in diesem Zusammenhang die Ausnahme dar,
da bei analogen Färbezeiten keine signifikante Aktivität entlang der peripheren Nerven
detektiert werden konnte (Abb. 9 E).
Während für die evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen U1, U5 und D6
beinahe keine β-Galaktosidase an 16.5 dpc im embryonalen Rückenmark nachweisbar war
Ergebnisse 36
(Abb. 9 E, F), wiesen U2 und U3 genregulatorische Aktivität in diesem Gewebe auf (Abb.
9 C, D). Jedoch resultierte nur die Färbung von Embryonen der U2 transgenen Linie in
einer gleichmäßigen Verteilung β-Galaktosidase positiver Zellen im Parenchym des
Rückenmarks, wie sie für Oligodendrozytenvorläufer erwartet und bei heterozygoten
Sox10 Embryonen beobachtet und dokumentiert wurde (Vergleiche Abb. 9 C mit A). Im
Gegensatz dazu war die X-Galfärbung der transgenen Linie U3 vorwiegend im Bereich des
dorsalen Horns des Rückenmarks lokalisiert (Abb. 9 D), was für eine ektope Aktivität des
U3 Enhancers sprach.
Abb. 9: Nachweis der β-Gal Expression in transgenen Embryonen zum Zeitpunkt 16.5 dpc. Die β-Galaktosidaseaktivität wurde in einer Farbreaktion auf Gefrierschnitten mit X-Gal als Substrat sowohl in Sox10LacZ/+ (A), als auch in den transgenen Embryonen bestimmt, in denen die Expression des LacZ Gens von den evolutionären konservierten, nicht-kodierenden Regionen U1 (B), U2 (C), U3 (D), U5 (E) und D6 (F) reguliert wurde. Die angefertigten Gefrierschnitte wurden für 2 h gefärbt. Unter diesen Bedingungen wurde auf den Wildtypschnitten keine Färbung beobachtet.
Die Embryonen, die das U1 bzw. U3 Konstrukt integriert hatten, wiesen β-
Galaktosidaseaktivität im enterischen Nervensystem am embryonalen Tag 16.5 auf (Abb.
10 B, C, E, F). Heterozygote Sox10 Embryonen zeigten am selben Stadium und in
parallelen Experimenten eine vergleichbare Färbung (Abb. 10 A, D). Die β-Gal positiven
Zellen waren am Magen, am Dünn-, Blind- und Dickdarm zu dokumentieren (Abb. 10 A-
F).
Die sympathischen Ganglien des vegetativen Nervensystems der U1, U2 und D6
transgenen Embryonen wiesen am embryonalen Tag 16.5 dpc β-Galaktosidaseaktivität auf.
Ergebnisse 37
In den U1 und U3 transgenen Linien wurde LacZ Expression im Nebennierenmark
detektiert (Daten nicht gezeigt).
Abb. 10: Nachweis der β-Gal Expression im enterischen Nervensysten zum Zeitpunkt 16.5 dpc. Die β-Galaktosidaseaktivität wurde in einer Farbreaktion auf Gastrointestinaltraktgewebe mit X-Gal als Substrat sowohl in Sox10LacZ/+ (A) als auch in den transgenen Embryonen bestimmt, in denen die Expression des LacZ Gens von den evolutionären konservierten, nicht-kodierenden Regionen U1 (B, E), U3 (C, D) abhängt. Die präparierten und vorfixierten Gewebe wurden für 1 h gefärbt. Unter diesen Bedingungen wurde auf Wildtypgeweben keine Färbung beobachtet.
3.1.6 Zelltypspezifische Aktivität der evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen entlang peripherer Nerven
Die X-Galfärbungen vermittelten einen sehr guten Überblick über die zeitlichen und
räumlichen Expressionsmuster der evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen
in den verschiedenen Geweben (Abb. 7 – 10). Für eine detaillierte Analyse wurden
immunhistochemische Studien auf 10 µm dicken Gefrierschnitten durchgeführt. Hiermit
sollte überprüft werden, ob die β-Gal positiven Zellen den Sox10 exprimierenden Zellen
entsprechen.
Ergebnisse 38
Deshalb wurden für die transgenen Linien U1, U2, U3 und D6, in denen β-
Galaktosidaseaktivität entlang der peripheren Nerven nachgewiesen wurde,
immunhistochemische Untersuchungen auf Gefrierschnitten von 12.5 und 16.5 dpc alten
Embryonen durchgeführt. Im Entwicklungsstadium 12.5 dpc konnte in Mäusen, die das
U1, U2 und U3 Konstrukt trugen, das zytoplasmatisch lokalisierte Enzym β-Galaktosidase
und das im Kern befindliche Sox10 Protein in den selben Zellen nachgewiesen werden
(Abb. 11 A, B, C). Zu diesem Zeitpunkt ist der Transkriptionsfaktor Sox10 in Schwann-
Zell-Vorläuferzellen exprimiert (Britsch et al., 2001; Sonnenberg-Riethmacher et al.,
2001). D6 transgene Embryonen waren an 12.5 dpc entlang der peripheren Nerven β-Gal
negativ (Abb. 11 D).
Während am Tag 12.5 nach der Befruchtung nur eine mäßige β-Galaktosidaseaktivität in
diesem Gewebe beobachtet wurde, konnte auf Gefrierschnitten zum Zeitpunkt 16.5 dpc
eine deutlich kräftigere Färbung beobachtet werden (Vergleiche Abb. 11 A – C mit E – L).
Der Grund hierfür ist die steigende Zellzahl im sich stetig weiter entwickelnden peripheren
Nerven. Während um den Tag 12 dpc der Embryonalentwicklung aus einigen
ausgewanderten Neuralleistenzellen die ersten Schwann-Zell-Vorläufzellen entstehen,
entwickeln sie sich ab Tag 15 dpc bis hin zur Geburt zu unreifen Schwann-Zellen (Dong et
al., 1995; Dong et al., 1999; Jessen et al., 1994). In der D6 transgenen Linie war an 16.5
dpc im Gegensatz zum Zeitpunkt 12.5 dpc eine genregulatorische Aktivität dieses
Enhancers entlang der peripheren Nerven zu dokumentieren (Vergleiche 11 L mit D). Für
U1, U2 und U3 bestätigte sich die Kolokalisation von β-Gal und Sox10 in Schwann-Zellen
auch in dieser späteren Entwicklungsphase.
Zur Bestätigung dieser Ergebnisse wurden weitere immunhistochemische Untersuchungen
auf Gefrierschnitten von Embryonen im Entwicklungsstadium 16.5 dpc durchgeführt. Für
die frühen Differenzierungsprozesse der myelinisierenden Schwann-Zelle ist unter
anderem der POU-III Transkriptionsfaktor Oct-6 (Octamer-binding transcription factor 6)
von großer Bedeutung (Bermingham et al., 1996; Jaegle et al., 1996; Jaegle and Meijer,
1998). Oct-6 wurde deshalb für die Verifizierung der Ergebnisse verwendet. Am
Entwicklungstag 16.5 dpc überlagerten sich die mittels Immunfluoreszenz detektierten
Signale der Proteine Oct-6 und β-Galaktosidase (Abb. 11 I – L) und bestätigten somit die
vorangegangenen Analysen.
Ergebnisse 39
Abb. 11: Zelluläres β-Gal Expressionmuster unter der Kontrolle der evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen entlang peripherer Nerven. Immunhistochemische Studien wurden auf transversalen Gefrierschnitten (10 µm) von Embryonen der Entwicklungsstadien 12.5 dpc (A – D) und 16.5 dpc (E – L) durchgeführt. Hierfür wurden Antikörper gegen β-Gal (grün) in Kombination mit Antikörpern gegen Sox10 (A – H) bzw. Oct-6 (I – L) (rot) angewendet.
3.1.7 Zelltypspezifische Aktivität der evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen in den Spinalganglien
In den Spinalganglien wurde in den transgenen Linien U1, U2, U5 und D6
genregulatorische Aktivität der entsprechenden evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen mittels X-Galfärbungen dokumentiert (Abb. 8, 9). Die Gliazellen
der Spinalganglien werden als Satellitenzellen bezeichnet und exprimieren wie alle
Gliazellen des peripheren Nervensystems Sox10 (Britsch et al., 2001; Sonnenberg-
Riethmacher et al., 2001). Mittels immunhistochemischer Analysen sollte die Expression
des LacZ Gens für die entsprechenden transgenen Linien in den Spinalganglien auf
zellulärer Ebene untersucht werden.
Zu diesem Zweck wurden zunächst Doppelfärbungen mit Antikörpern gegen β-Gal und
Sox10 durchgeführt. Auf 10 µm Gefrierschnitten von Embryonen der transgenen Linien
U1 und U2 wurde in den Spinalganglien das nukleäre Sox10 vom zytoplasmatischen β-Gal
Ergebnisse 40
Signal eingefasst (Abb. 12 A, B, M, N). Die Interpretation, dass es sich bei diesen Zellen
um Satellitenglia handelt, wurde durch weitere immunhistochemische Untersuchungen
verifiziert. Dazu wurden Doppelfärbungen mit Antikörpern gegen β-Gal und BFABP
(brain fatty acid binding protein) bzw. Brn3.0 (brain 3.0) angefertigt. Außerhalb des
zentralen Nervensystems ist die Expression von BFABP auf Gliazellen beschränkt. In
undifferenzierten Neuralleistenzellen ist BFABP zwar noch nicht nachweisbar, jedoch
beginnt die Expression dieses Proteins sehr früh in der Gliogenese (Kurtz et al., 1994). Der
Klasse IV POU-Domänen Transkriptionsfaktor Brn3.0 spielt hingegen in der Entwicklung
von sensorischen Neuronen eine wichtige Rolle. Aufgrund seiner frühen und spezifischen
Expression in sich differenzierenden Nervenfasern ist Brn3.0 ein geeigneter Marker für
diesen Zelltyp (Gerrero et al., 1993). Sowohl im Entwicklungsstadium 12.5 dpc als auch in
16.5 dpc alten Embryonen überlagerten sich die Signale der beiden zytoplasmatisch
lokalisierten Proteine β-Gal und BFABP (Abb. 12 E, F und R, S). Wie erwartet, resultierte
die entsprechende Doppelfärbung von β-Gal und Brn3.0 hingegen nicht in einer
Kolokalisation dieser zwei Proteine (Abb. 12 I, J und V, W). In U1 und U2 transgenen
Embryonen ist somit die Expression des LacZ Gens auf Satellitenzellen restringiert.
Im Gegensatz hierzu standen die Ergebnisse der immunhistochemischen Doppelfärbungen
der transgenen Linien U5 und D6 analoger Entwicklungsstadien. Das punktuelle, nicht
gleichmäßig verteilte LacZ Expressionsmuster in Spinalganglien von 16.5 dpc alten
Embryonen der transgenen Linie U5 ließ bereits mutmaßen, dass es sich bei den β-Gal
positiven Zellen nicht um Satellitenzellen handelte. Immunhistochemische Analysen mit
Antikörpern gegen β-Gal und Sox10 bestätigten dies. Weder Doppelfärbungen von β-Gal
und Sox10 noch von β-Gal und BFABP resultierten in Signalüberlagerungen (Abb. 12 C,
G und O, T). Andererseits kolokalisierte die β-Galaktosidase mit dem neuronal
exprimierten Transkriptionfaktor Brn3.0 (Abb. 12 K und X). Dies war auch für analoge
Untersuchungen an der transgenen Linie D6 an 12.5 dpc zu beobachten (Abb. 12 D, H, L),
während eine LacZ Expression an 16.5 dpc weder immunhistochemisch noch durch X-
Galfärbungen in Spinalganglien nachweisbar war. (Abb. 12 P, U, Y ; Abb. 9 F).
Ergebnisse 41
Abb. 12: Zelluläres β-Gal Expressionmuster unter der Kontrolle der evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen in den Spinalganglien. Immunhistochemische Studien wurden auf transversalen Gefrierschnitten (10 µm) von Embryonen der Entwicklungsstadien 12.5 dpc (A – L) und 16.5 dpc (M – Y) durchgeführt. Hierfür wurden Antikörper gegen β-Gal (grün) in Kombination mit Antikörpern gegen Sox10 (A – D und M – P), BFABP (E – H und R – U) bzw. Brn3.0 (I – L und V – Y) (rot) angewendet.
Ergebnisse 42
3.1.8 Zelltypspezifische Aktivität der evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen im embryonalen Rückenmark
Die Expression von Sox10 ist im zentralen Nervensystem auf die Myelin-bildenden
Oligodendrozyten beschränkt. In Sox10 defizienten Mäusen entwickeln sich zwar die
entsprechenden Vorläufer, jedoch ist die terminale Differenzierung gestört. Dies resultiert
in einer fehlenden Expression von Myelingenen, wie MAG, PLP und MBP (Stolt et al.,
2002). In den transgenen Tieren der Linien U2 und U3 wurde im Rückenmark signifikante
β-Galaktosidaseaktivität in einer Farbreaktion mit X-Gal als Substrat nachgewiesen (Abb.
9 B, C). Daher sollten zellspezifische, immunhistochemische Studien weiteren Aufschluss
über die Zelltypen geben, in denen eine genregulatorische Aktivität der Enhancer an
Embryonen im Entwicklungsstadium 16.5 dpc beobachtet wurde.
Abb. 13: Zelluläres β-Gal Expressionsmuster unter der Kontrolle der evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen U2 und U3 im embryonalen Rückenmark an 16.5 dpc. Immunhistochemische Studien wurden auf transversalen Gefrierschnitten (10 µm) von Embryonen des Entwicklungsstadiums 16.5 dpc durchgeführt. Hierfür wurden Antikörper gegen β-Gal (grün) in Kombination mit Antikörpern gegen Sox10 (A, C), Olig2 (B) bzw. Lmx1b (D) angewendet.
U2 transgene Embryonen wiesen wie die Sox10LacZ/+ Kontrollembryonen über das
Parenchym des Rückenmark verstreute β-Gal positive Zellen auf. Immunhistochemische
Doppelfärbungen von β-Galaktosidase mit Sox10 bzw. mit Olig2 bestätigten, dass es sich
bei diesen Zellen um sich entwickelnde Oligodendrozyten handelte (Abb. 13 A, B). Der
bHLH-Transkriptionsfaktor Olig2 ist an der Initiation der Oligodendrozyten-
Ergebnisse 43
differenzierung beteiligt (Zhou et al., 2001) und wurde deshalb zur Verifizierung des
Zelltyps benutzt. Alle β-Galaktosidase exprimierenden Zellen im embryonalen
Rückenmark der transgenen Linie U2 sind am Tag 16.5 dpc auch positiv für die im
Zellkern lokalisierten Transkriptionsfaktoren Sox10 und Olig2 (Abb. 13 A, B).
Im Vergleich dazu konzentrierte sich die genregulatorische Aktivität der evolutionär
konservierten, nicht-kodierenden Region U3 in Embryonen analogen Entwicklungs-
stadiums vorwiegend auf das dorsale Horn des Rückenmarks (Abb. 9 D). Dies lies
vermuten, dass diese LacZ exprimierenden Zellen keine sich differenzierenden
Oligodendrozyten sind. Experimentell bestätigt wurde diese These durch
immunhistochemische Analysen, in denen neben anti-β-Gal und anti-Sox10 Seren auch
Antikörper gegen den dorsalen Interneuronenmarker Lmx1b (Chizhikov and Millen, 2004;
Gross et al., 2002) verwendet wurden. In keiner der β-Gal positiven Zellen des
Rückenmarks der U3 transgenen Embryonen ließ sich Sox10 detektieren (Abb. 13 C).
Hingegen wurde in einigen LacZ exprimierenden Zellen Lmx1b nachgewiesen (Abb. 13
D). So konnte geschlussfolgert werden, dass die genregulatorische Aktivität von U3 im
embryonalen Rückenmark auf eine Subspezies von Interneuronen restringiert ist.
3.1.9 Untersuchungen zur Bindung von Neuralleisten assoziierten
Transkriptionsfaktoren an die evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen
Die evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen U1, U2, U3, U5 und D6 im
Sox10 Locus wiesen ein zumindest zum Teil überlappendes Expressionsmuster auf. Daher
wurden diese Enhancer auf Sequenzhomologien untersucht. Trotz ähnlicher
Enhanceraktivität in den verschiedenen Sox10 exprimierenden Neuralleistenderivaten
wurden keine siginifikanten Sequenzübereinstimmungen zwischen den analysierten
Regionen detektiert (Daten nicht gezeigt). Dies schließt jedoch nicht aus, dass die
evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen durch dieselben
Transkriptionsfaktoren erkannt werden. Deshalb wurden Transkriptionsfaktoren, deren
Rolle in der Neuralleistenentwicklung bekannt ist, auf ihre Bindung an diese Regionen
Abb. 14: Bindung von Transkriptionsfaktoren an die evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Sequenzen der Sox10 genomischen Region. (A) Schematische Darstellung der in Gelretardierungs-experimenten verwendeten DNA Fragmente. (B-M) Jedes radioaktiv markierte Fragment wurde mit einem Kontrollextrakt (C) bzw. mit Extrakten, die überexprimiertes Sox9, Sox10, Pax3, AP2α oder Lef1 enthalten, inkubiert, bevor die Protein-DNA Komplexe von der ungebundenen DNA durch native Gelelektrophorese aufgetrennt wurden. Ungebundene DNA ist jeweils in der ersten Spur gezeigt und läuft im untersten Teil des nativen Gels. (B) U1-1; (C) U1-2; (D) U2-1; (E) U2-2; (F) U3-1; (G) U3-2; (H) U3-3; (I) U3-4; (J) U5-1; (K) U5-2; (L) D6-1; (M) D6-2.
Ergebnisse 45
Für die Gelretardierungsexperimente wurden die Regionen U1, U2, U3, U5 und D6 in
Fragmente ähnlicher Größe unterteilt, um eine gute Auflösung der Proteinkomplexe in der
nativen Gelelektrophorese zu ermöglichen (Abb. 14 A). Getestet wurden Sox9, Sox10,
Im Gegensatz dazu enthält U5 zusätzlich zu seiner AP2α Bindestelle nur eine dimere Sox,
eine Pax3 und eine Lef1 Bindestelle (Abb. 14 J, K). U5 weist im Vergleich zu U1, U2, U3
und D6 auch nur eine schwache Enhanceraktivität in Neuralleistenderivaten auf.
Grundsätzlich binden die evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen also eine
ähnliche Kombination von Neuralleisten assoziierten Transkriptionsfaktoren. Die Anzahl
der Bindestellen korreliert zudem in jedem Enhancer in etwa mit seiner Aktivität in der
Neuralleiste und deren Derivaten.
3.2 Untersuchungen zur genregulatorischen Aktivität der evolutionär
konservierten, nicht-kodierenden Region U1
Da in früheren Studien ebenfalls gezeigt wurde, dass U1 für die Regulation der Sox10
Genexpression von Bedeutung ist (Antonellis et al., 2006), sollten in weiteren Analysen
cis-regulatorische Elemente und Transkriptionsfaktoren genauer charakterisiert werden, die
für die Aktivität von U1 verantwortlich sind.
Ergebnisse 46
3.2.1 Identifikation von cis-regulatorischen Elementen im U1 Enhancer
Für die Identifikation cis-regulatorischer Elemente im U1 Enhancer wurden erneut
sequenzvergleichende Analysen angefertigt. Im Kernbereich dieser genomischen Region
wurde eine monomere und eine heterodimere Bindestelle für Sox-Proteine identifiziert
(Abb. 15). Alle Mitglieder der Sox-Familie binden an das gleiche spezifische heptamere
DNA-Konsensusmotiv (A/T)(A/T)CAA(A/T)G (Harley et al., 1994).
Abb. 15: Multipler Sequenzvergleich der U1 Kernsequenz. Dargestellt sind homologe Sequenzen des U1 Enhancers zwischen Maus, Ratte, Mensch, Schimpanse, Rhesusaffe, Hund, Kuh und Huhn. Hervorgehoben wurden die monomere SoxC und dimere SoxAB Bindestelle. * konserviertes Nukleotid
In ersten Experimenten sollte deshalb die Bedeutung der identifizierten, potentiellen Sox-
Bindestellen untersucht werden. Dazu wurde die genregulatorische Region U1 direkt vor
einem Hsp68 Minimalpromotor und ein Luziferasereportergen kloniert und die Sox-
Bindesequenzen einzeln oder in Kombinationen mutiert (Abb. 16 A). Da in der Schwann-
B), war diese gliale Zelllinie geeignet, um Mutationsanalysen im U1 Enhancer in Form
von Luziferaseaktivitätstests durchzuführen. Für den U1 Enhancer wurde in S16-Zellen
Ergebnisse 47
eine starke, genregulatorische Aktivität dokumentiert. Die basale Promotoraktivität
(Hsp68min) wurde durch die genregulatorische Region U1 27-fach erhöht (Abb. 16 C).
Separate Mutationen in der monomeren Bindestelle (SoxCmut) und der heteromeren
Bindestelle (SoxABmut) führten zu einer deutlich geringeren Luziferaseaktivität. Die
Kombination beider mutierten Bindestellen verminderte die Reportergenexpression weiter
(Abb. 16 C).
Abb. 16: Funktionelle Charakterisierung der Sox-Bindestellen im U1 Enhancer. (A) Schematische Darstellung der verwendeten Luziferasekonstrukte. (B) RT-PCR Analyse von Rückenmark (RM) aus neugeborenen Ratten und S16 Schwann-Zellen. (C) Mutationsanalyse mittels Luziferaseaktivitätstest. Die angegebenen Werte repräsentieren den Mittelwert (± Standardabweichung) der Aktivität der jeweiligen Reporterkonstrukte. Die Aktivität des Hsp68min Konstruktes wurde dabei willkürlich gleich 1 gesetzt. Die Luziferaseaktivitäten wurden jeweils in Duplikaten aus drei unabhängigen Experimenten bestimmt.
Ergebnisse 48
3.2.2 Untersuchungen zur genregulatorischen Aktivität der evolutionär
konservierten, nicht-kodierenden Region U1 in Sox10 defizienten
Mäusen
In weiterführenden Experimenten wurde untersucht, ob die genregulatorische Aktivität des
U1 Enhancers Sox10 abhängig ist und damit ein autoregulatorischer Rückkopplungs-
mechanismus vorliegt. Dafür wurde die β-Galaktosidaseaktivität des U1 Transgens in
Sox10 defizienten Mäusen untersucht. Die zuerst beschriebene Sox10LacZ Mausmutante
(Britsch et al., 2001) konnte für diese Analyse nicht genutzt werden, da bei diesem
Versuchsaufbau nicht zwischen der LacZ Expression unter der Kontrolle des Sox10 Locus
und der β-Galfärbung der transgenen Linie U1 zu unterscheiden gewesen wäre. Deshalb
wurden diese Untersuchungen in Mäusen durchgeführt, die das U1 Transgen trugen und in
denen gleichzeitig der Sox10 Leserahmen durch das Gen für den reversen
Tetrazyklintransaktivator (rtTA) ersetzt wurde (Ludwig et al., 2004b).
In Embryonen, die das U1 Transgen integriert hatten, wurde zum Zeitpunkt 11.5 dpc β-
Galaktosidaseaktivität entlang der peripheren Nerven, in den Spinalganglien, in den
kranialen und sympathischen Ganglien, in den otischen Vesikeln und im enterischen
Nervensystem detektiert (Abb. 17 A). Während das genregulatorische Potential des U1
Enhancers in heterozygoten Sox10 Mutanten (Sox10rtTA/+) in etwa der Aktivität von U1 in
Sox10+/+ Mäusen entsprach (Abb. 17 B), nahm die LacZ Expression in Sox10 defizienten
Embryonen (Sox10rtTA/rtTA) signifikant ab (Abb. 17 C). Entlang der peripheren Nerven, in
den Spinalganglien sowie im sympathischen Nervensystem war nahezu keine
genregulatorische Aktivität von U1 messbar. Auch in den kranialen Ganglien waren nur
einzelne β-Gal positive Zellen nachweisbar. Hingegen wiesen die otischen Vesikel noch
eine relativ kräftige Färbung auf (Abb. 17 C). Im Gegensatz dazu waren die Unterschiede
zwischen hetero- und homozygoten Sox10LacZ Kontrollembryonen zwar deutlich, aber
nicht so ausgeprägt wie in U1 transgenen, Sox10 defizienten Tieren (Vergleiche Abb. 17 B
mit C und E mit F). Die Expression des LacZ Reportergens in homozygoten Sox10LacZ
Embryonen war im Bereich der kranialen Ganglien und Nerven gegenüber den
Heterozygoten deutlich reduziert. Ferner wurden sowohl im enterischen, als auch im
Großteil des peripheren Nervensystems mit Ausnahme der Spinalganglien keine bzw.
erheblich weniger β-Gal positive Zellen in Sox10LacZ/LacZ Embryonen detektiert. (Abb. 17
F). Die vergleichende Analyse zwischen Embryonen der Genotypen U1, Sox10rtTA/rtTA und
Sox10LacZ/LacZ führte zu dem Ergebnis, dass die LacZ Expression unter der Kontrolle des
Ergebnisse 49
U1 Enhancers bei Sox10 Defizienz sowohl im Trigeminus, als auch in den Satellitenzellen
der Spinalganglien kaum bzw. gar nicht mehr detektiert werden konnte (Vergleiche Abb.
17 E mit C).
Abb. 17: Nachweis der β-Gal Expression in Embryonen an 11.5 dpc. Die β-Galaktosidaseaktivität wurde in einer Farbreaktion mit X-Gal als Substrat bestimmt. Embryonen, die das U1 Transgen trugen, wurden für 9 h, die Sox10LacZ Embryonen für 3 h gefärbt. Unter diesen Bedingungen wurde in Wildtypen (Sox10+/+) keine β-Galaktosidasefärbung beobachtet.
Diskussion 51
4 Diskussion
4.1 Identifizierung von evolutionär konservierten, nicht-kodierenden
Regionen im Sox10 Locus
In den letzten Jahren wurde in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten gezeigt,
dass evolutionär konservierte, nicht-kodierende Sequenzen gute Kandidaten für
genregulierende Regionen sind. Es ist daher davon auszugehen, dass nicht nur die
genetische Information für die Synthese von Proteinen, sondern dass auch die für die
Regulation ihrer Genexpression wichtige DNA-Sequenz in der Evolution konserviert
wurde. Diese Bereiche hoher Sequenzhomologie sind vielfach als Modulatoren der
Genexpression beschrieben (Sandelin et al., 2004). Häufig sind diese Regionen in
Nachbarschaft von Genen lokalisiert, die für essentielle Regulatoren entwicklungs-
biologischer Prozesse kodieren (Woolfe et al., 2005). Der Transkriptionsfaktor Sox10 ist
als solch ein wichtiger Regulator wesentlich an der Entwicklung von
Neuralleistenderivaten und Oligodendrozyten beteiligt. Seine Bedeutung bei
Differenzierungsprozessen von Gliazellen des zentralen, peripheren und enterischen
Nervensystems sowie von Melanozyten wurde mit Hilfe von Mausmutanten beschrieben
(Kelsh, 2006; Wegner and Stolt, 2005).
Durch computergestützte, vergleichende Analysen der Sox10 Loci verschiedener Spezies
wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit Bereiche hoher Sequenzhomologie
identifiziert und ihre genregulatorische Aktivität in transgenen Mäusen räumlich und
zeitlich charakterisiert. Diese Untersuchung resultierte in der Identifikation von fünf
Regionen, die zumindest ein zum Teil überlappendes Expressionsmuster mit endogenem
Sox10 aufwiesen. Unter Berücksichtigung, dass die analysierte genomische Region von
den zwei ubiquitär exprimierten Genen Pol2rf und Pick1 eingefasst ist, schienen die fünf
evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen gute Anwärter für
genregulatorische Bereiche zu sein, welche die zeitliche und räumliche Expression von
Sox10 vermitteln.
Diskussion 52
4.1.1 Regulation der Sox10 Genexpression durch mehrere Enhancer
Die genomische Organisation der SoxE Gene ist innerhalb ihrer Gruppe sehr ähnlich
(Wegner and Stolt, 2005). Vergleichbar mit dem nahe verwandten Sox9 Gen, wird auch
die Sox10 Expression offenbar durch mehrere Enhancer reguliert, die über einen großen
genomischen Bereich verteilt sind. In früheren Studien wurden durch vergleichende
Analysen der genomischen Sequenz von Mensch und Takifugu rubripes im humanen Sox9
Locus ebenfalls hochkonservierte Regionen identifiziert, die spezifische Sox9 Expression
vermittelten (Bagheri-Fam et al., 2006; Bagheri-Fam et al., 2001; Wunderle et al., 1998).
Das Vorhandensein mehrerer Enhancer im Sox10 Locus wird durch eine weitere Studie
gestützt, in der ebenfalls die Existenz cis-regulatorischer Abschnitte in dieser Region
diskutiert wird (Deal et al., 2006).
4.1.2 Sequenzhomologie der Enhancer zu anderen Spezies
Die Identifikation der fünf stromaufwärts und der zwei stromabwärts vom Sox10 Gen
gelegenen homologen Regionen erfolgte mittels Sequenzvergleichen verschiedener
Wirbeltierspezies. Dabei war die evolutionär entfernteste Spezies, in der diese Bereiche
noch eine Sequenzhomologie von mindestens 70% über wenigstens 100 bp aufwiesen, das
Huhn. Die analysierten Regionen zeigten keine offensichtliche Konservierung zum Frosch-
bzw. Zebrafischgenom, obwohl Sox10 vergleichbare Schlüsselfunktionen in der
Neuralleistenentwicklung aller Vertebraten hat (Aoki et al., 2003; Cheung and Briscoe,
2003; Dutton et al., 2001; Herbarth et al., 1998a; Honore et al., 2003; Kuhlbrodt et al.,
1998b; Southard-Smith et al., 1998). Sowohl für das nahe verwandte Sox9 Gen als auch
für viele andere Gene, die für wichtige entwicklungsbiologische Regulatoren kodieren,
sind nicht-kodierende, regulatorische Regionen in allen Wirbeltierspezies konserviert
(Bagheri-Fam et al., 2001; Blader et al., 2004; de la Calle-Mustienes et al., 2005; Woolfe
et al., 2005). Auf der anderen Seite wird die Genexpression der beiden SoxB1 Gene Sox2
und Sox3 ebenfalls von Enhancern reguliert, die nur in Amnioten eine hohe
Sequenzkonservierung aufweisen. In entfernteren Vertebraten konnten keine
entsprechenden homologen Bereiche identifiziert werden, obwohl diese zwei Gene in der
Diskussion 53
frühen Embryonalentwicklung und in der Neurogenese aller Wirbeltierspezies eine
wichtige Rolle spielen (Brunelli et al., 2003; Uchikawa et al., 2003).
Zwischen Säugetieren und Fischen wurden keine evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen identifiziert. Es sind wenige Kilobasen stromaufwärts des
Zebrafisch Sox10 Gens für eine effiziente Genexpression in Melanophoren ausreichend
(Elworthy et al., 2003; Lister et al., 1999). Der 5’ flankierende Bereich des Maus Sox10
Gens (Exon3 bis -2.8 kb vor dem Transkriptionsstart) war hingegen nicht ausreichend für
eine detektierbare Reportergenexpression in M-3 Mausmelanomzellen (Deal et al., 2006).
Ferner führten weitere Analysen in Danio rerio zu dem Ergebnis, dass ein 7,2 kb großer
Bereich stromaufwärts des Zebrafisch Sox10 Gens für eine nachweisbare Expression in
Oligodendrozyten-Vorläuferzellen ausreichend ist (Kirby et al., 2006). Sox10-BAC
Deletionsstudien, in denen der Bereich direkt vor dem murinen Transkriptionsstart
untersucht wurde, resultierten hingegen nicht in einer Expression des Reportergens in
Oligodendrozyten (Deal et al., 2006).
Vergleichbare Expressionsmuster und Proteinfunktionen während der Embryogenese
verschiedener Spezies korrelieren also nicht zwangsläufig mit der Konservierung von cis-
regulatorischen Elementen, die für die genregulatorische Aktivität der entsprechenden
Gene von Bedeutung sind. Untersuchungen der Tyrosinrezeptorkinase c-Ret unterstützen
diese These. Obwohl die c-Ret Expression in Vertebraten hochkonserviert ist, weisen nur
die Exons eine hohe Sequenzhomologie zum humanen Genom auf (≥70% Identität, ≥100
bp). Trotz des Fehlens der orthologen Sequenz im Zebrafischgenom, führten humane, cis-
regulatorische Sequenzen zu einer spezifischen Reportergenexpression in diesem
Tiermodell, welche die endogene c-Ret Expression widerspiegelt (Fisher et al., 2006).
4.2 Expressionsmuster der genregulatorischen, evolutionär
konservierten, nicht-kodierenden Regionen
Die zentrale Aufgabe dieser Arbeit lag vor allem in der Analyse des räumlichen und
zeitlichen Expressionsmusters sowie in der Verifizierung der Koexpression von LacZ,
unter der Kontrolle der evolutionär konservierten, nicht-kodierenden Regionen und
endogenem Sox10 bzw. weiteren zellspezifischen Markern. Die Untersuchungen der
genregulatorischen Aktivität der homologen Regionen resultierten sowohl in sehr
Diskussion 54
spezifischen, überlappenden als auch in ektopen Expressionsmustern, die in den folgenden
Abschnitten genauer diskutiert werden.
4.2.1 Überlappende, genregulatorische Aktivität der evolutionär
konservierten, nicht-kodierenden Regionen
Die genregulatorische Aktivität einzelner cis-Elemente trägt häufig zum gesamten
Expressionsmuster eines Gens nur einen räumlich und zeitlich begrenzten, sehr
spezifischen Anteil bei (Kammandel et al., 1999; Pennacchio et al., 2006; Woolfe et al.,
2005). Im Gegensatz dazu zeigten die analysierten, evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen im Sox10 Locus ein zumindest zum Teil überlappendes
Expressionsmuster (Tab. 3)
U1 U2 U3 U4 U5 D6 D7
Anzahl der Gründer 5 3 3 7 3 2 5
Kranialganglien + + + - + + -
Dorsale Wurzelganglien + + - - + + -
Sympathische Ganglien + + - - - + -
Periphere Nerven + + + - - + -
Enterisches Nervensystem + - + - - - -
Melanozyten - - - - - - -
Nebenniere + - + - - - -
Otisches Vesikel + - - - - + -
Zentralnervensystem - + + - - - -
Ektope Expression - - + + + + -
Tab. 3: Zusammenfassung der LacZ Expression der transgenen Linien.
Zum Beispiel wiesen Embryonen der transgenen Linie U1, U2, U3 und D6 am
embryonalen Tag 11.5 im sich entwickelnden, peripheren Nervensystem bzw. an 16.5 dpc
Diskussion 55
in den Schwann-Zellen entlang der peripheren Nerven LacZ Expression auf. Entsprechend
ist die Sox10 Expression in einem speziellen Gewebe bzw. in einem Zelltyp das Resultat
der kombinierten Aktivität mehrerer evolutionär konservierter, nicht-kodierender
Regionen. In diesem Zusammenhang ist die Regulation der Sox10 Genexpression sehr
ähnlich der transkriptionellen Kontrolle des Sox2 Gens im sich entwickelnden Neuralrohr
(Uchikawa et al., 2003).
Das überlappende Expressionmuster von U1, U2, U3 und D6 könnte daraus resultieren,
dass ähnliche Kombinationen von Transkriptionsfaktoren an diese genregulatorischen
Regionen binden. Insbesondere ist das Vorhandensein multipler Bindestellen für Sox-
Proteine, für Pax3 und Lef1 kennzeichnend für diese Enhancer. Diese cis-Elemente
könnten Effekte des Wnt Signalweges auf die Sox10 Expression, eine Sox9 abhängige
Aktivierung der Sox10 Expression sowie Sox10 autoregulatorische Mechanismen
vermitteln (Aoki et al., 2003; Cheung et al., 2005; Honore et al., 2003).
Trotz der überlappenden Aktivität waren auch klare Unterschiede zwischen den
verschiedenen Sox10 Enhancern festzustellen. Während U1, U2 und U3 über einen
längeren, entwicklungsbiologischen Zeitraum kontinuierlich aktiv waren, wurde die
genregulatorische Aktivität von D6 in den Schwann-Zell bzw. deren Vorläufer durch eine
nicht-aktive Phase unterbrochen. Diese Beobachtung, dass einige regulatorische Regionen
eine ununterbrochene Aktivität in einem bestimmten Zelltyp hatten, während andere eine
mehr dynamische Aktivität aufwiesen, führte zu der Erkenntnis, dass diese cis-aktiven
Regionen zumindest zum Teil unter der Kontrolle verschiedener Signale sind.
Nichtsdestotrotz ist die gleichzeitige Aktivität mehrerer Enhancer im gleichen Zelltyp ein
wertvoller Sicherheitsmechanismus, der die kontinuierliche Sox10 Genexpression sogar
bei Inaktivierung oder Deletion eines bestimmten regulatorischen Bereiches garantiert.
Die Aktivität einer einzelnen genregulatorischen Region war zudem nicht auf ein Gewebe
oder einen Zelltyp begrenzt. Zum Beispiel wurde im Falle von U2 die Expression des LacZ
Gens sowohl in den Satellitenzellen, in Oligodendrozyten-Vorläuferzellen als auch in
Schwann-Zellen an gleichen embryonalen Stadien nachgewiesen. Diese Resultate waren
insofern unerwartet, da die Expression anderer Gene in einem Gewebe bzw. Zelltyp häufig
mit der Aktivität eines bestimmten Enhancers korreliert (Kammandel et al., 1999;
Pennacchio et al., 2006; Woolfe et al., 2005).
Die kombinierte Aktivität der fünf identifizierten evolutionär konservierten, nicht-
kodierenden Regionen spiegelte ein Großteil des Sox10 Expressionsmusters wider. Dies
schließt jedoch nicht das Vorhandensein weiterer Enhancer mit gleichen bzw. redundanten,
Diskussion 56
genregulatorischen Aktivitäten aus. Gestützt wird die These weiterer, regulatorischer
Sequenzen dadurch, dass zum Beispiel in Melanozyten und in der frühen Neuralleiste für
keinen der fünf identifizierten Regionen Enhanceraktivität nachweisbar war. In früheren
Studien wurde gezeigt, dass die Sox10 Expression in Melanozyten und deren Vorläufern
über die Promotorregion vermittelt werden könnte (Deal et al., 2006). Dieser genomische
Bereich wurde in dieser Analyse jedoch nicht betrachtet. Eine andere Erklärung wäre ein
Zusammenwirken mehrerer aktivierender Regionen, die in diesem Versuchsaufbau nicht
nachgewiesen werden konnte. Die Lokalisation der cis-regulatorischen Elemente für die
Sox10 Expression in frühen Neuralleistenzellen bleibt ungeklärt.
Die Beteiligung distaler, cis-regulatorischer Elemente wird durch eine Studie einer anderen
Arbeitsgruppe gestützt. Die Integration eines modifizierten BACs in das Mausgenom
führte zu der Erkenntnis, dass alle an der Sox10 Regulation beteiligten Elemente auf
diesem 218 kb großen BAC enthalten sind. Zufällige Deletionsmutanten und vergleichende
Genomanalysen führten zu der These, dass mehrere distal lokalisierte Regionen an der
Regulation der Sox10 Genexpression beteiligt sind (Deal et al., 2006). Diese Studien
ergaben, dass die Deletion von stromaufwärts des Promotors liegender Sequenzen eine
sehr schwache Sox10 Restexpression zur Folge hat. Diese Restexpression wird damit
höchstwahrscheinlich durch den D6 Enhancer vermittelt. Das Vorhandensein von weiteren,
stromaufwärts lokalisierten 20 – 30 kb führten zu einer Expression des Transgens in den
meisten Sox10 positiven Geweben. Jedoch wiesen diese Deletionsmutanten eine stark
reduzierte Aktivität gegenüber dem intakten transgenen Konstrukt auf. Dieser zusätzliche
Bereich enthält die genregulatorischen Regionen U3 und wahrscheinlich U5, die damit für
die beobachtete Aktivität dieser Deletionsmutante verantwortlich sind. Die Analyse eines
weiteren BAC Transgens, in dem ein Bereich, der die evolutionär konservierten Regionen
U1 und U2 enthält, zufällig deletiert worden ist, weist darauf hin, dass das Fehlen dieser
beiden Regionen die Ursache für den quantitativen Unterschied in der Expressionsstärke
im Vergleich zum intakten BAC Transgen war.
In früheren Studien wurde weiterhin gezeigt, dass U1 für die Regulation der Sox10
Genexpression von Bedeutung ist (Antonellis et al., 2006). Der Phänotyp der in dieser
Studie untersuchten, transgene Mauslinie war durch Pigmentierungsdefekte, eine partielle,
enterische Aganglionose und eine verminderte Sox10 Expression in homozygoten
Embryonen gekennzeichnet. Diese Mäuse stellen somit ein Modell für das Shah-
Waardenburg-Syndrom (WS4) dar (Shah et al., 1981). Weitere Mauslinien mit dem
gleichen transgenen Konstrukt wiesen keinen vergleichbaren Phänotyp auf (Ward et al.,
Diskussion 57
1997). Die Integration des transgenen Konstruktes in Loci von Genen, die mit dem
Waardenburg-Syndrom assoziiert sind, könnte zu einer veränderten Expression dieser
Gene führen und damit die Ursache für diesen Phänotyp sein. Die Analyse dieser
Mauslinie zeigte, dass eine 15,9 kb große Region 47,3 kb stromaufwärts des Sox10
Transkriptionsstarts deletiert ist. Da U1 in dieser genomischen Region lokalisiert ist und
des Weiteren genregulatorische Aktivität in einer Melanozytenzelllinie zeigt, wurde diese
Region als Melanozytenenhancer postuliert (Antonellis et al., 2006). Die Untersuchungen
der U1 transgenen Linien unterstützen einen solch direkten Zusammenhang jedoch nicht.
Vielmehr könnten weitere, für die Sox10 Expression wichtige Elemente während der
Insertion des Transgens deletiert bzw. rearrangiert worden sein und zu diesem Phänotyp
beigetragen haben. Funktionelle Interaktionen zwischen verschiedenen Enhancern sind
eine weitere mögliche Erklärung für die Diskrepanz beider Studien.
4.2.2 Ektope Aktivität der evolutionär konservierten, nicht-kodierenden
Regionen
Neben spezifischen Sox10 Expressionsmustern wiesen einzelne evolutionär konservierte,
nicht-kodierende Regionen auch ektope Aktivität auf. Zumindest ein Teil dieser ektopen
Expressionsmuster könnte auf unterschiedliche Integrationsstellen der transgenen
Konstrukte im Mausgenom zurückgeführt werden. Fünf der sieben U4 transgenen Linien
zeigten auch nach verlängerten Färbezeiten kein aktivierendes Potential. Hingegen konnten
für die anderen beiden Linien ektope Aktivität des transgenen Konstruktes gezeigt werden.
Während Embryonen einer U4 Linie schwache Färbungen der Gefäße aufwiesen, wurde in
den Embryonen der anderen Linie eine schwache Mittellinie detektiert. Da diese
Expressionsmuster nur in den zwei Linien nachgewiesen wurden und die anderen fünf
diese Resultate nicht bestätigten, kann von einer ektopen Expression ausgegangen werden,
die auf unterschiedliche Integrationsstellen im Genom zurückzuführen ist. Für andere
untersuchte, genregulatorische Bereiche wurden hingegen reproduzierbare, ektope
Aktivitäten dokumentiert. Zum Beispiel wurde in Embryonen der transgenen Linie U3
Reportergenexpression im Herzen detektiert. Ferner zeigten U3 und U5 in verschiedenen
Phasen der Embryonalentwicklung Aktivität im dorsalen Rückenmark. Interessanterweise
wurden für einige evolutionär konservierte, nicht-kodierende Regionen neurale Aktivität
Diskussion 58
nachgewiesen, obwohl normalerweise nur differenzierte Gliazellen des Nervensystems
Sox10 exprimieren (Britsch et al., 2001). Diese ektopen Expressionsmuster
korrespondieren zum einen mit Zelltypen oder Geweben, die aus Sox10 exprimierenden
Vorläuferzellen hervorgehen. Dazu zählen zum Beispiel die kardiale Neuralleiste sowie
Vorläuferzellen der sensorischen Neurone in den Spinalganglien. Zum anderen wurde
ektope Aktivität in Zellen detektiert, die nur sehr transient und nur geringe Mengen Sox10
exprimierten. Ein Beispiel hierfür sind Zellen des dorsalen Rückenmarks. Eine Erklärung
für diese Expressionsmuster kann das nicht ordnungsgemäße Abschalten der
genregulatorischen Aktivität sein, wenn die evolutionär-konservierten, nicht-kodierenden
Regionen außerhalb ihres genomischen Kontexts untersucht werden.
Der Sox10 Locus könnte aus diesem Grund weitere Elemente enthalten, welche die Sox10
Expression während der Embryogenese sowohl zeitlich als auch räumlich begrenzt. Mit
dem in der vorliegenden Arbeit durchgeführten Versuchsaufbau können diese
genregulatorischen Aktivitäten jedoch nicht analysiert werden. Da sowohl für U4 als auch
für D7 keine reproduzierbare, genregulatorische Aktivität nachgewiesen wurde, könnten
diese Elemente zudem als Silencer fungieren. Die Analyse transgener Konstrukte, in denen
aktivierende Regionen und potentielle Silencer kombiniert werden, könnten weiteren
Aufschluss über die Regulation der Sox10 Genexpression geben.
4.3 Autoregulatorischer Rückkopplungsmechanismus für den Erhalt
der Sox10 Genexpression
U1 wies in homozygot Sox10 defizienten Embryonen eine stark verminderte,
genregulatorische Aktivität in den Spinalganglien auf und demonstriert damit die
Bedeutung des Transkriptionsfaktors Sox10 für die Regulation seiner eigenen
Genexpression. Die Identifikation von Sox-Bindestellen im U1 Enhancer und deren
Mutationsanalysen deuten dabei auf einen direkten Effekt hin. Damit trägt Sox10 über
einen positiven, autoregulatorischen Rückkopplungsmechanismus zu dem Erhalt der
Sox10 Genexpression in den Satellitenzellen bei. Ferner ist dies auch eine Erklärung für
die robuste Sox10 Genexpression in diesem Gewebe während der Embryogenese.
Gestützt wird diese These durch eine weitere Mausmutante (Sox10ΔK2/ΔK2), in der das
Sox10 Gen durch einen verkürzten Leserahmen, in dem die konservierte K2 Domäne fehlt,
Diskussion 59
ersetzt wurde (Schreiner et al., 2007). Während sich die Spinalganglien in diesen Mäusen
anfangs normal entwickeln, nimmt die Expression dieser Sox10 Mutante während der
Embryonalentwicklung spezifisch in den Spinalganglien ab. Trotz der Tatsache, dass die
Satellitenzellen zunächst noch nachweisbar sind, beginnen die Spinalganglien durch die
Abnahme von Gliazellen und Neuronen zu degenerieren. Die K2 Domäne könnte über
einen positiven, autoregulatorischen Rückkopplungsmechanismus für den Erhalt der Sox10
Expression in den glialen Zellen der Spinalganglien benötigt werden und diesen über die
evolutionär konservierte, nicht-kodierende Region U1 vermitteln. Der genaue
Mechanismus dieser Regulation, muss in weiterführenden Experimenten geklärt werden.
Material 61
5 Material
5.1 Mausstämme und Tierhaltung
Folgende genetisch veränderte Mauslinien wurden in dieser Arbeit eingesetzt.
Mauslinie generiert / bezogen von Referenz
Sox10lacZ Derk E. Görich, AG-Wegner, Universität Erlangen Britsch et al., 2001
Sox10rtTA Andreas Ludwig, AG-Wegner, Universität Erlangen Ludwig et al., 2004