Gymnastik praxisnah 16 Gymnastik März 2012 Dagmar Smernic-Pudelko/Sasa Smernic Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Nach dem Konzept „Rückenfitness und Mobile Massage“ Einleitung Rückenfitness als Interventionsmaßnah- me am Arbeitsplatz gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die Stadt Köln hat daher für ih- re Angestellten in den verschiedensten Dienststellen die Möglichkeit eröffnet, in ei- ner festgelegten Zeit, die jeder Mitarbeiter freiwillig und ausstempelnd für seine Ge- sundheit nutzen kann, etwas für den Rücken und die Gesundheit zu tun. Auf Initiative der Betriebssportgemein- schaft der Stadt Köln und des Amtsleiters des Bezirksrathauses in Köln-Rodenkirchen wur- de die alte Meldehalle des Hauses in einen Sportraum umgestaltet. In diesem befinden sich auch ein Fahrradergometer und eine Tischtennisplatte. Und so treffen sich seit ei- nem Jahr, mittwochs von 12 bis 13 Uhr, wechselweise regelmäßig die Mitarbeiter/-in- nen, die in Kursform etwas für ihren Rü- cken, den Stressabbau am Arbeitsplatz und zur positiven Ausschüttung der Endorphine tun wollen. Parallel dazu gibt es die Möglichkeit, an einem anderen Tag 20-minütige mobile Massagen zu genießen. So kann auch der lö- sende Aspekt für die Muskulatur berücksich- tigt werden. Rückenschule Die Interventionen der Rückenschule bestehen vor allem aus ◆ praktischen Übungen zur Kräftigung und Dehnung besonders betroffener Muskelgruppen der "Schreibtischtäter" (Schultergürtel, Bauch, Rumpf und Haltemuskeln des Rückens) ◆ ergonomischer Aufklärung des Arbeits- platzes in puncto Sitzhöhe, Computer- standort etc. ◆ Entspannungsangeboten in Form von Mikroentspannungen, Fantasiereisen, Atementspannungen, Elementen der progressiven Muskelrelaxation, Visuali- sierungsübungen ◆ Wissensvermittlung anhand eines WS-Modells, Karten und eines lebenden Modells, die Teilnehmer/ -innen selbst. Wichtig hierbei ist auch die Unterstüt- zung der Mitarbeiter/-innen in ihren indivi- duellen Ressourcen. Ebenso bedeutend sind Empathie, Wertschätzung und Aufklärung der individuellen Körperlichkeit, vor allem die Wahrnehmung basaler Körperprozesse in der Bewegung, insbesondere bei schon bestehenden Rückenschmerzen, sowie das Vorher und Nachher. „Lernen mit Kopf, Herz und Hand” Konzeptionell wird dabei der pädagogi- sche Ansatz von Pestalozzi „Lernen mit Kopf, Herz und Hand” zugrunde gelegt. Durch ganzheitliche Wahrnehmungsübun- gen zum Beispiel der Atemwahrnehmung – Beobachtung der Inspiration und Expiration – in Anlehnung der Arbeiten von Ilse Mid- dendorf (liegender Atemkreis) oder Elemen- te der Pilates-Atmung – Hände an die Rip- penbögen legen und die Ausatmung in die Hände fokussierend fließen lassen. Im Aufbau didaktischer Übungen in Be- zug auf die Muskelschlingen des Körpers können viele sanfte und auch kräftigende Übungen mit Geräten, wie zum Beispiel Theraband, Ball, oder durch den körpereige- nen Widerstand eingeübt werden. Wichtig hierbei ist der Bewegungsfluss, um die Öko- nomie der Bewegung ganzheitlich im Kör- per spüren zu können. In Bezug auf die Kräftigung spielen die Dynamik der Hebel und die Muskelkraft als solches natürlich ei- ne wichtige Rolle. So wird im Schultergürtel vor allen Din- gen an den schulterstabilisierenden Mus- keln gearbeitet. Die Romboideen spielen nach Auffassung der Autorin eine besonders wichtige Rolle, da sie sitzend kaum Beach- tung erhalten. Über die Propriozeption wird auch die Stabilisation der tiefen Rumpf- und Schultermuskeln eingeübt. Durch die kognitive Aufklärung anhand des WS-Modells können die Übungen sofort eingeordnet werden, und die Motivation zur Bereitschaft der Mitarbeiter, etwas für sich tun zu wollen, steigt ernorm. Oft wird schon nach der ersten Stunde berichtet, was wahr- genommen und sogar am Arbeitsplatz verän- dert wurde (z. B. Ausprobieren einer dyna- mischen Sitzhaltung). Mobile Massage Mobile Massage auf dem Massagestuhl als passives Entspannungsangebot beinhaltet vor allen Dingen das Abschalten und Loslas- sen von Disstress. Die Augen können sich er- holen, die Muskeln gelockert und besser durchblutet werden. Tiefliegende Verspan- nungen lösen sich. Somit können die Mitar- beiter im Anschluss mit einer höheren Ener- giebereitschaft und Motivation ihre Arbeit fortsetzen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Teilnahme an einer 20-minütigen mobi- len Massage im Abstand von einer bis zwei Wochen einen tatsächlichen gesundheitsför- dernden Effekt bewirkt, vor allem die Linde- rung von Kopfschmerzen sowie chronischen Nacken- und Schulterverspannungen. Durch eine sportphysiologische Bera- tung am Ende der Massage besteht die Mög- lichkeit, individuelle Ressourcen wahrzu- nehmen. Über die Aufklärung von Dysbalancen in Zusammenhang mit chroni- schem Rückenschmerz erleben die Mitar- beiter oft ein sofortiges Aha-Erlebnis. Die Massagen dauern jeweils 20 Minu- ten, dazwischen liegen fünf Minuten Pause. Die Massage wird in einem separaten Raum angeboten, wo die Mitarbeiter zu einem aus- gemachten Termin erscheinen, nachdem sie sich in eine Liste eingetragen haben. Das Ausstempeln ist auch hier vorausgesetzt. Die Massage wird sehr gut angenom- men, demnach sind die Listen mehrere Wo- chen im Voraus mit sieben bis neun Perso- nen belegt. Die Massage selbst ist eine vitalisierende Entspannungsmassage, beste- hend aus klassischer Massage mit Elemen- ten der Thaimassage, und wird auf einem mobilen Massagestuhl durchgeführt. Ent- spannungsmusik und wohlige Massageduft- öle tragen zur Atmosphäre bei. Fazit Das Konzept kommt gut an und wird vor allem in der Kombination aus Aktivität des Sports und Passivität der Massage sehr gut angenommen. Das bestätigen folgende Aus- sagen der Mitarbeiterinnen. Frage: Was halten Sie von den präventi- ven Maßnahmen „Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz”? Dagmar Smernic-Pudelko, Staatlich geprüfte Gymnastiklehrerin, und Sasa Smernic, Diplom-Sportwissenschaftler, entwickelten gemeinsam das Konzept „Rückenfitness und Mobile Massage am Arbeitsplatz“. Fotos: Privat