Dieter Lüttje Med. Klinik IV Geriatrie und Palliativmedizin Onkologischer Patient mit „Geriatrie – Profil“ was sollte besonders beachtet werden ?
Dieter Lüttje
Med. Klinik IV
Geriatrie und Palliativmedizin
Onkologischer Patient mit
„Geriatrie – Profil“
was sollte besonders
beachtet werden ?
Krebspatienten sind typischerweise älter… mittleres Erkrankungsalter Männer: 69 Jahre, Frauen : 68 Jahre
Geriatrie = Altersmedizin Kurzfassung der europäischen Definition (Sektion Geriatrie Europäische Fachärztevereinigung)
….. befasst sich mit der Behandlung älterer Menschen unter • physischen, • psychischen, • funktionellen • und sozialen Aspekten
Dazu gehört die Behandlung älterer Patienten bei • akuten Erkrankungen • chronischen Erkrankungen • präventiver Zielsetzung • (früh-)rehabilitativen Fragestellungen und • speziellen, auch palliativen Fragestellungen am Lebensende.
Med. Klinik IV
Geriatrie/Palliativmedizin
Typisches Alter : > 80 Jahre oder
> 70 mit Multimorbidität
Med. Klinik IV
Geriatrie/Palliativmedizin Lebens-
erwartung 2006/08 2008/10 2010/12
Alter 0 m 77,17 77,51 77,72
w 82,4 82,59 82,8
Alter 20 m 57,74 58,05 58,24
w 62,85 63,03 63,22
Alter 40 m 38,44 38,73 38,92
w 43,2 43,37 43,57
Alter 60 m 20,93 21,16 21,28
w 24,71 24,85 25,03
Alter 65 m 17,11 17,33 17,46
w 20,41 20,56 20,74
Alter 80 m 7,65 7,71 7,68
w 8,97 9,06 9,17
Daten stat. Bundesamt, download 07.09.2015
Med. Klinik IV
Geriatrie/Palliativmedizin
Prävention im hohen Lebensalter : Wie gut ist das möglich ?
Kolonkarzinom Vorsorge ab 55. LJ. (Richtlinie GBA):
2 x Koloskopie im 10 Jahresabstand, jede Koloskopie
nach dem 65. LJ zählt als „.2 Koloskopie“
5 – Jahres – Überlebensrate ~ 30 % – 38 %
Prävention im hohen Lebensalter : Wie gut ist das möglich ?
Mammakarzinom Vorsorge bis Ende 70. LJ.
(Richtlinie GBA)
5 – Jahres – Überlebensrate > 80 %
Behandlung von Krebspatienten
im höheren Alter
unterliegt offensichtlich Vorurteilen
- aber für alle vier
- gibt es keine / wenig wissenschaftliche Belege !
1. Vorsorge lohnt sich nicht mehr
2. Tumoren im Alter wachsen langsamer
3. Behandlung lohnt sich nicht mehr bzw. geht oft nicht gut
4. Nur die Tumordiagnose bestimmt das Vorgehen
Risiko der „Sonder – Altersgruppen“
Onkologie bei geriatrischen Patienten
Organismus in Veränderung
• Hormonstatus
• Organfunktion
(u.a. Niere, Leber, Lunge, Herz,
Muskulo-Skelettal, Sehen, Hören,
ZNS, Nervenleitgeschwindigkeit)
• Speicherung / Verteilung
• Immunstatus
Veränderungen von
1. Epidemiologie und
Phänomenologie von
Erkrankungen
2. Kommunikation
3. Kognition
4. Pharmakotherapie
5. Sozialem Netz
6. Selbsteingeschätzte
Lebensqualität
Organismus in Veränderung
Med. Klinik IV
Geriatrie/Palliativmedizin
Soweit
Alter(n)s-
physiologie
Medizinisch
erforderlich und
sinnvoll ?
ÄRZTLICHE ENTSCHEIDUNGSFINDUNG
Medizinisch –
technisch durchführbar
?
Vom Patienten
gewünscht / akzeptiert
?
Therapieerbringung
Grundsätzliche
Entscheidung
Kontinuierliche
Überprüfung
der
Entscheidung
Medizinisch erforderlich
und sinnvoll ?
Zu berücksichtigen sind bei Hochaltrigen:
Begleiterkrankungen und Begleitmedikamente
(z.B. Herzerkrankungen…)
Stoffwechselveränderungen, auch ohne „Krankheitswert“
(z.B. Nierenfunktion…)
Mobilitätseinschränkungen
(z.B. durch Muskelmasseverlust, Gelenkverschleiß, Osteoporose…)
Kognitionseinschränkungen
(z.B. Depression, Gedächtnisprobleme, Demenz…)
Funktionseinschränkungen durch Vorerkrankungen
(z.B. Schlaganfall…)
Dafür gibt es Testverfahren (geriatr. Assessment…..)
auch im Verlauf zur Frage Fortsetzung der Therapie
Bei Therapiebeginn
und im Verlauf…..
Medizinisch erforderlich
und sinnvoll ?
Zu berücksichtigen sind bei Hochaltrigen auch:
Abschätzbare oder erkannte Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors
Zu erwartende Folgeprobleme des Tumors (u.a. Schmerz…..)
Zu erwartende Verminderung von Lebensqualität durch den Tumor
Zu erwartende Verkürzung der Lebenserwartung durch den Tumor
Zu erwartende Verminderung von Lebensqualität durch die Behandlung
Dafür gibt es „nur“ Erfahrung des Behandlers….. ggf. eine Zweitmeinung,
aber nicht aus der Zeitung beim Friseur oder von xy
Medizinisch – technisch
durchführbar ?
Bei Hochaltrigen ergeben sich spezielle Fragen:
Welche Konzentration von speziellen Chemotherapeutika verträgt das
„alte“ blutbildende Organ ?
Wieviel Immunschwächung verträgt das „alte“ Immunsystem ?
…aber auch:
Wie viel Wirkung ist bei „Abschwächung“ der Therapie noch zu erwarten ?
Vieles zeigt sich erst im Verlauf, es gibt kaum
Studien dazu ….
Vom Patienten gewünscht /
akzeptiert ?
Ältere Patienten benötigen manchmal etwas länger zur
Entscheidung und manchmal auch ein Gespräch mehr,
die Zeit muss gegeben sein !
Alter wahrnehmen…
Ältere Patienten sollten selber entscheiden dürfen ,
Angehörige sollten erst beratend unterstützen, wenn sie
vom Patienten gefragt werden !
Patienten - Autonomie wahren
Nach aller Aufklärung ist letztendlich immer Vertrauen
erforderlich
Verdientes, nicht blindes Vertrauen
Therapieerbringung
Bei Hochaltrigen sind besonders wichtig:
Therapie durch besonders erfahrene Therapeuten
Therapiefolgen besonders engmaschig überprüfen (auch Funktion…)
So wenig „Bettlägerigkeit“ wie möglich…
So kurz im Krankenhaus wie möglich (bzw. unbedingt nötig…)
Vor Entlassung optimale Unterstützung für ambulant organisieren….
Im Verlauf Entscheidungen immer wieder überprüfen,
„einmal entschieden heißt durchhalten“
ist nicht immer sinnvoll….
Jeder Hochaltrige Patient ist eine Einzelfallstudie !
Welche spezielle Aspekte beim älteren
Krebspatienten gilt es zu beachten !
älterer Patient > 75 Jahre
ohne relevante
Begleiterkrankungen
oder
Fähigkeiteinschränkungen
Tumortherapie wie beim
Jüngeren, aber jährlich
und bei Verschlechterung
Geriatrisches Assessment
slow - go
go - go
Spezielle Geriatrie - Überlegungen
Med. Klinik IV
Geriatrie/Palliativmedizin
älterer Patient > 75 Jahre mit
schweren
Begleiterkrankungen
und schweren Funktions-/
Fähigkeiteinschränkungen
Rein symptomorientiertes,
palliatives Procedere
incl. best supportive care
no – go bzw. Frailty -
Syndrom
ERFAHRUNG !!
älterer Patient > 75 Jahre mit
relevanten
Begleiterkrankungen
und / oder Funktions-/
Fähigkeiteinschränkungen
Tumortherapie an
Begleiterkrankung und
Funktion / Fähigkeit
anpassen, Organfunktion
bedenken
Med. Klinik IV
Geriatrie/Palliativmedizin
Erkennen von
„GER -
Risikoprofil“
> 70 Jahre 2 Pkt. als Trennwert
> 85 Jahre immer
Med. Klinik IV
Geriatrie/Palliativmedizin
Geriatrisches Assessment,
empfohlen von der Arbeitsgruppe Geriatrische Onkologie
der Dtsch. Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie
Erfassen von Funktion - Fähigkeitseinschränkungen
DIMENSION INSTRUMENT
Selbstversorgung (ADL) Barthel – Index (Hamb.M.)
Unabhäng. Lebensführung
(IADL)
Erweiterter Barthel
Lawton-Index
Mobilität, Gangsicherheit Timed-Up-and-Go
Kognition/Gedächtnis Uhrentest, MMST
Kognition/Stimmung Geriatr. Depressionsskala
Komorbiditäten Charlson Index
Ernährung BMI, MNA
Hör-/Sehminderung Klinische Untersuchung
Sozialsituation Sozialassessment
Vorsicht! Alter Patient
VIELEN DANK FÜR
IHRE
AUFMERKSAMKEIT
„Wir behandeln alte Menschen als alte Menschen
wie die Pädiater Kinder als Kinder behandeln. Ignatz Nascher, 1909
Auch in der Onkologie sollte gelten :