FiWi II: Einahmen- und Steuersystem Finanzwissenschaft II: Das deutsche Einnahmen- und Steuersystem Vorlesung an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg WS 2007/2008 Prof. Dr. Lars P. Feld Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Universität St. Gallen (SIAW-HSG), CREMA Basel und CESifo München
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FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Finanzwissenschaft II:
Das deutsche Einnahmen- und
Steuersystem Vorlesung an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
WS 2007/2008
Prof. Dr. Lars P. FeldRuprecht-Karls-Universität Heidelberg,
Universität St. Gallen (SIAW-HSG), CREMA Basel und CESifo München
2FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Einnahmen- und Steuersystem
Aufbau der Vorlesung
• Die deutsche Finanzverfassung• Einnahmen in Deutschland• Wichtige deutsche Steuern• Sozialversicherungen• Abgabenquoten im Vergleich• Steuersätze im Vergleich• Verschuldung• Zusammenfassung
3FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Die deutsche Finanzverfassung I
• Deutschland als Föderalstaat– ‚Der Staat‘ existiert nicht als monolithischer
Akteur.– Gerangel zwischen Bundestag und Bundesrat.– Steuergesetzgebungshoheit: Welche Staatsebene
ist zum Erlass von Steuergesetzen (Steuerbasis und -sätze) befugt?
• Bund: Zölle und Finanzmonopole (Art. 105 I GG).– Zölle: EU; Finanzmonopol: Branntweinmonopol.
• Länder: örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern (Art. 105 II GG), d.h. Hundesteuer, Getränkesteuer, Vergnügungsteuer.
4FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Die deutsche Finanzverfassung II
• Deutschland als Föderalstaat– Steuergesetzgebungshoheit:
• Bund besitzt aber die konkurrierende Gesetzgebung über alle anderen Steuern.
• So genutzt, dass alle Steuern mit Ausnahme der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern bundeseinheitlich geregelt sind.
• Art. 105 III GG: Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen ganz oder teilweise den Ländern oder Gemeinden zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.
• Länder sind wesentlich an der Steuergesetzgebung beteiligt.
5FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Die deutsche Finanzverfassung III
• Steuerertragshoheit– Verteilung des Steueraufkommens auf Bund und
Länder.– Grundsätzlich:
• gebundenes Trennsystem: jede Einzelsteuer wird ausschließlich einer staatlichen Ebene zugewiesen.
• Verbundsystem: Das Aufkommen einer Einzelsteuer steht verschiedenen Staatsebenen anteilig zu.
– Deutschland nach dem Grundgesetz:• Mischsystem mit Elementen des Trenn- und des
Verbundsystems.
6FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Die deutsche Finanzverfassung IV
• Steuerertragshoheit– Gemeinschaftssteuern
• Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer• steht nach Art. 106 III GG Bund und Ländern
gemeinsam zu, wobei die Gemeinden einen Teil der Einkommensteuer erhalten (Art. 106 V GG).
• Abzgl. dieser Gemeindebeteiligung:– Bund: 50 %; Länder: 50 % von ESt und KSt.
• Ergänzungsabgaben zur ESt und KSt (Soli) fließen ausschließlich dem Bund zu.
• Umsatzsteueranteile als einziges variables Element der Steuerverteilung (zustimmungspflichtig).
7FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Die deutsche Finanzverfassung V
• Steuerertragshoheit– Steuern nach Trennsystem
• alle übrigen Steuern werden jeweils einer Ebene zugewiesen.
• Gemeinden: Realsteuern und örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, wobei Bund und Länder am Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt sind.
1Gebietsstand der Bundesrepublik Deutschland (einschl. Berlin [West]) vor dem 03.10.1990 2 Ergebnis Arbeitskreis „Steuerschätzung“ vom Mai 2005 Quelle: Finanzbericht 1970, Bonn 1970, S. 35; Finanzbericht 1980, Bonn 1979, S. 31; Finanzbericht 1992, Bonn 1991, S. 95; Finanzbericht 2005, Berlin 2004, S. 135; Finanzbericht 2006, S. 141.
Wichtige deutsche Steuern I
11FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Kassenmäßige Einnahmen aus Steuern des Bundes, der Länder und Gemeinden sowie aus dem Lastenausgleichsfonds im Bundesgebiet einschl. (West)Berlin, 1977, 1993 und 2002
AUT BEL FRA GBR GER IRE ITAJAP NET NOR SPA SWE SWI USA
27FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Steuersätze im Vergleich III
0
10
20
30
40
50
60
70
DK S B NL A E I F D UK US JAP
1981-85 1991-95
Figure 10: Effective Average Tax Rates on Labor Incomein Percent, 12 OECD Countries, 1981-85 and 1991-95
28FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Interpretation der Kennzahlen I
• Steuer- und Abgabenquoten geben die Steuerlast ex post an
• und beinhalten bereits sämtliches Ausweichverhalten der Steuerpflichtigen
• Beispiel: Steuerlast und Steuerquote bei einer Mineralölsteuer von 1.000 Euro pro Liter Benzin?
29FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Interpretation der Kennzahlen II
Lafferkurve (nach Arthur Laffer): konkaver Zusammenhang von Steuersatz und Steueraufkommen.
t
T
30FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Interpretation der Kennzahlen IIIAlternative zu Steuerquoten: Messung der effektiven
Steuerlast durch ex ante-Kennzahlen
• KapitalkostenWie hoch muss die Vorsteuerrendite einer Investitionsein, damit diese nach Steuern gerade noch lohnendist?
• Effektiver marginaler Steuersatz (EMTR)Wie hoch ist die Steuerbelastung eines marginalenInvestitionsobjektes?
• Effektiver durchschnittlicher Steuersatz (EATR)Wie hoch ist die durchschnittliche Belastung vonInvestitionen, die Reingewinne generieren?
31FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EMTR I Ausgangspunkt: neoklassisches Modell zur Berechnung von Kapitalkosten von Hall und Jorgenson (1967)
• vollständige Information• vollständiger Wettbewerb• Steuerrecht bleibt während des Analysezeitraums gleich• kein Investitionsrisiko• keine spezialisierten Finanzierungsinstrumente• keine persönlichen Steuern auf Dividenden- und Zins-
zahlungen• Alle Steuererleichterungen (z.B. Sonderabschreibungen)
werden von den Unternehmen so schnell wie möglichwahrgenommen.
32FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EMTR II Einfaches Entscheidungsproblem des Unternehmens
aus dem als Bedingung für einen optimalen Kapitalstock folgt, dass
maxK>0
f (K) − (r + d) ⋅ K
f '(K) − d = r
f(K)
K
f‘(K)-dr
K
33FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EMTR III Entscheidungsproblem des Unternehmens, das besteuert wird
mit
u: Steuersatz auf Unternehmensgewinnez: steuerliche (nicht ökonomische) Abschreibungen pro
investiertem Eurouz: Steuerersparnis pro investiertem oder reinvestiertem Euro
(=stille Beteiligung des Finanzministers am Investitions-projekt)
maxK>0
(1− u) ⋅ f (K) − r ⋅ (1− uz) + d ⋅ (1− uz)[ ]⋅ K
34FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EMTR IV Aus dem Investitionskalkül folgt
und die zusätzlich durch Besteuerung verursachten Kapital-kosten betragen
(1− u) ⋅ f '(K) = r ⋅ (1− uz) + d ⋅ (1− uz)
⇒ f '(K) =(r + d)(1− uz)
(1− u)
⇒ f '(K) − d = r +u(r + d)(1− z)
(1− u)
⇒ f '(K) − d = r +∆
1− u
∆1− u
35FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EMTR V
r +∆
1− u
f‘(K)-dr
K
r
36FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EMTR VI Von den Kapitalkosten zum effektiven marginalen Steuersatz:
( f '(K) − d) ⋅ (1− m) = r
⇒( f '(K) − d) − r
( f '(K) − d)= m
⇒
∆1− u∆
1− u+ r
= m
⇒∆
(1− u)r + ∆= m
37FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EMTR VII
Wichtige Spezialfälle:
• Sofortabschreibung von Investitionen (z=1) führt zu m=0• Ökonomische Abschreibung (z=d/(r+d)) führt zu m=u
m =∆
(1− u)r + ∆=
u(r + d)(1− z)(1− u)r + u(r + d)(1− z)
38FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EMTR VIII Erweiterungen des einfachen Konzeptes der EMTR:
• King und Fullerton (1984):• persönliche Steuern auf Dividenden werden ebenfalls
keiten werden berücksichtigt• European Tax Analyzer (ZEW Mannheim):
• berücksichtigt zahlreiche institutionelle Faktoren, z.B.• Doppelbesteuerungsabkommen• Einbezug möglicher Quellensteuer-Regelungen• Rückkopplungen zwischen Einkommen- und Unter-nehmenssteuersystemen werden berücksichtigt.
39FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EATR I EMTR oder EATR?
• Was ist die Fragestellung:• EMTR: Auswirkungen der Besteuerung auf das Ausmaß
bestehender Investitionsprojekte• EATR: Auswirkungen der Besteuerung auf die diskrete Wahlzwischen zwei oder mehreren Investitionsprojekten
• z.B. in zwei Ländern• oder im gleichen Land in verschiedenen Rechtsformen• oder mit unterschiedlichen Finanzierungsinstrumenten
• Keine allgemeine theoretische Überlegenheit eines der beidenKonzepte.
40FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EATR II Ausgangspunkt: Kapitalwert eines Investitionsprojektes
...und der Kapitalwert dieses Investitionsprojektes nach Steuern
Wichtig:• Bemessungsgrundlage und Einkommen vor Steuern müssen nicht
übereinstimmen.• Zinseinkommen werden annahmegemäß mit dem gleichen Satz
besteuert wie Unternehmensgewinne.
K = −I0 +y1
(1+ r)+
y2
(1+ r)2 + ...+ yn
(1+ r)n
K τ = −I0 +y1 − b1u
(1+ r − ru)+
y2 − b2u(1+ r − ru)2 + ...+ yn − bnu
(1+ r − ru)n
41FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EATR III Die EATR nach Devereux und Griffith (2003) ergibt sich dann als
Ein sehr einfaches Beispiel: Eine Investition mit einem Zeithorizont von einem Jahr
s ≡K − K τ
K
K = −I + yK τ = −I + y − t ⋅ (y − Z)
⇒ s =t ⋅ (y − Z)
y − I
42FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EATR IV Ein anderer effektiver Durchschnittssteuersatznach Mendoza et al. (1994):
• vergangenheitsorientierter Ansatz• nutzt makroökonomische Datensätze über Unternehmens-gewinne, Investitionen und Abschreibungen
• konstruiert ein durchschnittliches Unternehmen• setzt die durchschnittlichen Steuerzahlungen in Beziehung zuden Unternehmensgewinnen
sMEND =t ⋅ (y − Z)y − d ⋅ I
43FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EATR V Das Verhältnis der beiden Effektivsteuersätze:
• rein algebraisch:
• Änderungen des Steuerrechts fehlen in der vergangenheits-bezogenen Perspektive
• Deduktion aus den Daten beim vergangenheitsbezogenen Ansatz,Induktion von einem hypothetischen Modellunternehmen aus-
gehend bei Devereux und Griffith• quantitativer versus qualitativer Ansatz
s =y − d ⋅ I
y − I⎛
⎝ ⎜
⎞
⎠ ⎟ ⋅ sMEND
44FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Zur Berechnung der EATR VI Weitere Interpretation von s>sMEND:
• Steuervermeidung (legal) von Unternehmen• Ausdruck der steuerlichen Verzerrung unternehmerischer
Anreize• Beispiel: Tabelle von Becker und Fuest (2006)
Land s s-sMEND RangDeutschland 38,0% 14,5 5Frankreich 37,7% 13,0 4Großbritannien 28,4% -14,4 1Niederlande 31,2% 3,1 2
USA 36,2% 11,5 3
45FiWi II: Einahmen- und Steuersystem
Ist Deutschland ein Niedrigsteuerland? Daten aus dem Gutachten des Sachverständigenrates 2003/2004Annahmen: Kapitalgesellschaften; Belastung auf Unternehmens-ebene; Steuern von Anteilseignern nicht berücksichtigt; berechnet für 2003; Angaben in Prozent.