Michael Gschwantler Wilhelminenspital, 4. Medizinische Abteilung Endo Linz 2018 Ischämische Colitis
Michael Gschwantler
Wilhelminenspital, 4. Medizinische Abteilung
Endo Linz 2018
Ischämische Colitis
Ischämische Colitis - Epidemiologie
• Inzidenz 16/100.000 Personen/Jahr
• Häufigste Form einer intestinalen Ischämie
• Tendenz zunehmend
• Betrifft meist ältere Patienten
• Etwas häufiger bei Frauen als bei Männern
• Diagnose oft schwierig (z.B. bei Patienten auf Intensivstation oder bei dementen Patienten)
• Krankheitsbild wahrscheinlich unterdiagnostiziert
Ischämische Colitis
• Anatomie der Blutversorgung des Colons
• Ätiologie und Risikofaktoren
• Klinik und prädiktive klinische Faktoren
• Diagnostik
• Differentialdiagnosen
• Therapie
Ischämische Colitis
• Anatomie der Blutversorgung des Colons
• Ätiologie und Risikofaktoren
• Klinik und prädiktive klinische Faktoren
• Diagnostik
• Differentialdiagnosen
• Therapie
„Watershed regions“: - Linke Flexur - Rektosigmoidaler Übergang
Ischämische Colitis
• Anatomie der Blutversorgung des Colons
• Ätiologie und Risikofaktoren
• Klinik und prädiktive klinische Faktoren
• Diagnostik
• Differentialdiagnosen
• Therapie
Ischämische Colitis – Ursachen
• Colon relativ anfällig für Ischämie, da Perfusion geringer als im übrigen GI-Trakt
• Drei Mechanismen: • Nonokklusive Ischämie: - bei 95% (bei Dünndarmischämie meist Okklusion) - meist transient - meist „watershed areas“ betroffen • Embolische bzw. thrombotische arterielle Okklusion: - spontan oder iatrogen • Mesenteriale Venenthrombose: - praktisch immer distales Ileum und proximales Colon betroffen
• Bedeutung von Hyperkoagulabilitätssyndromen unklar
• Das Krankheitsbild „ischämische Colitis“ ist Folge von Ischämie
(Mukosaschaden bereits nach einer Stunde) und folgender Reperfusion
Ischämische Colitis – Risikofaktoren
• Aortoiliakale Kathetermanipulationen bzw. Operationen
• Cardiopulmonaler Bypass • Myokardinfarkt • Hämodialyse • Angeborene oder erworbene
Hämophilie (z.B. Phospholipidsyndrom, Faktor V Leiden)
• Medikamente • Extremsport • Mesenteriale arteriovenöse Fisteln
oder Malformationen
Ischämische Colitis
• Anatomie der Blutversorgung des Colons
• Ätiologie und Risikofaktoren
• Klinik und prädiktive klinische Faktoren
• Diagnostik
• Differentialdiagnosen
• Therapie
Ischämische Colitis - Klinik
Schmerzen • rascher Beginn, krampfartig, meist mild • Druckschmerz über betroffenem Colonabschnitt (meist
links); (bei Dünndarmischämie ist der Schmerz meist heftiger und eher periumbilikal)
• Stuhldrang Hämatochezie • 83,8% bei linksseitiger, 36,4% bei rechtseitiger
Lokalisation [1] • meist innerhalb von 24 Stunden nach Schmerzbeginn • Blutung ohne Schmerzen möglich
[1] Montoro MA et al. Scand J Gastroenterol 2011; 46: 236
Ischämische Colitis - Klinik
• Abdominelle Schmerzen und blutige Diarrhoe sind unspezifische Symptome
ABER:
• Wahrscheinlichkeit einer ischämischen Colitis steigt bei Vorliegen von Risikofaktoren
• In einer Studie war das Vorhandensein von ≥4 Risikofaktoren (Alter über 60 Jahre, Hämodialyse, Hypertonie, Hypoalbuminämie, DM, Obstipation-induzierende Medikamente) 100% prädiktiv für das Vorliegen einer ischämischen Colitis [1]
[1] Park CJ et al. Dis Colon Rectum 2007; 50: 232
Ischämische Colitis – Klinische Phasen
Hyperaktive Phase • Heftige abdominelle Schmerzen, häufiges Absetzen
blutiger, flüssiger Stühle; Blutverlust meist relativ gering, nicht transfusionspflichtig
Paralytische Phase • Schmerzintensität nimmt ab, Schmerz kontinuierlich
und diffus, Abdomen druckempfindlich und gebläht, keine Darmgeräusche
Schock-Phase (betrifft nur 10-20%) • Massiver Verlust von Flüssigkeit, Elektrolyten und
Proteinen durch die geschädigte/gangränöse Mukosa, • Dehydratation, Schock, metabolische Azidose
Ischämische Colitis – schwerer Verlauf
Schwere Hypoperfusion
Transmurale Nekrose der Colonwand
Perforation
Lokalisierte Peritonitis
Diffuse Peritonitis
Sepsis
Prädiktoren für Schwere des Krankheitsbildes
O´Neill S et al. Colorectal Dis 2012; 14: e751
Ischämische Colitis
• Anatomie der Blutversorgung des Colons
• Ätiologie und Risikofaktoren
• Klinik und prädiktive klinische Faktoren
• Diagnostik
• Differentialdiagnosen
• Therapie
Ischämische Colitis – Diagnostik
• Anamnese, Klinik, physikalische Untersuchung
• Labor
• Bildgebung
- Abdomen leer
- CT mit KM
- Angiographie
• Coloskopie
• Chirurgie
Ischämische Colitis - Labor
• Kein Test ist diagnostisch, aber Marker für Schweregrad • KBB • LDH, CPK, Amylase, Lipase, Laktat • Hinweise für Gangrän: - Albumin < 2,8 g/L - Leukozyten > 20.000/μL - Metabolische Azidose
• Stuhlkultur, Stuhl auf Parasiten und Wurmeier um
infektiöse Genese auszuschließen • Clostridium difficile Infektionen verlaufen selten mit
blutiger Diarrhoe aber können sekundär bei ischämischer Colitis vorkommen
Ischämische Colitis – Abdomen leer Röntgen
• Meist unspezifisch
• Bei schwerem Verlauf:
- Distension des Colons
- Pneumatosis
- „Thumbprinting“ (durch submukosales Ödem)
- Hämorrhagie
• Radiologische Zeichen deuten auf erhöhte Mortalität (78% vs. 29% [1])
[1] Ritz JP et al. Zentrlabl Chir 1997; 122: 332
Ischämische Colitis – CT mit KM
• Meist unspezifisch • Ödematöse Wandverdickung (segmental) • „Thumbprinting“ • „Target“ oder „Double-Halo“ durch Hyperdensität von
Mukosa und Muscularis • (Ursache meist Ischämie und anschließender
Reperfusionsschaden) • Inflammation des Mesenteriums • Freie Flüssigkeit in Peritonealhöhle • Pneumatosis coli • Hinweise auf Gangrän, Perforation • Hinweise auf arterielle oder venöse Verschlüsse
Ischämische Colitis – Katheter-Arteriographie
• Stellenwert gering, da bei ischämischer Colitis in den meisten Fällen eine „nonocclusive ischemia“ vorliegt
• Ausnahmen:
• nach aortoiliakaler Chirurgie bzw. nach Manipulationen mit Kathetern
• Wenn Dünndarmischämie nicht ausgeschlossen werden kann
• Zur Sicherung der Diagnose
• Möglichst geringe Luftinsufflation
• Nicht bei Patienten mit Peritonitis oder Verdacht auf Gangrän
• Pseudomembranen wie bei Clostridium difficile Infektionen wurden beschrieben
Ischämische Colitis – Coloskopie
Ischämische Colitis
• Anatomie der Blutversorgung des Colons
• Ätiologie und Risikofaktoren
• Klinik und prädiktive klinische Faktoren
• Diagnostik
• Differentialdiagnosen
• Therapie
• Dünndarmischämie
• Infektiöse Ursachen - Clostridium difficile (blutige Diarrhoen selten) - Klebsiella oxytoca (rechtsseitig lokalisierte hämorrhagische Colitis) • IBD • Divertikulitis • Strahlenenteritis • Colonkarzinom • NSAR-Colitis • usw.
Ischämische Colitis – Differentialdiagnose
NSAR und Nebenwirkungen auf GI-Trakt Pathologie und Klinik
Ösophagus: • „Pillen-Ösophagitis“, Erosionen, Ulcera • Prädilektionsstelle: mittlerer Ösophagus • Komplikationen: Blutung, Striktur, Perforation • Klinik: Retrosternale Schmerzen, Sodbrennen, Odynophagie, Dysphagie
Magen, Duodenum: • C-Gastritis, Erosionen, Ulcera • Komplikationen: Blutung, Peforation, Penetration • Klinik: Dyspepsie, OB-Schmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl
Dünndarm, Dickdarm: • „NSAID-Enteropathy“ • Klinik: meist asymptomatisch; häufigstes Symptom: Eisenmangelanämie • Erhöhte intestinale Permeabilität, erhöhtes fäkales Calprotectin • Rötung, Petechien, „denuded mucosa“ • Diaphragmen, Strikturen, Erosionen, Ulcera
PPI verstärken bei Ratten den Naproxen- bzw. Celecoxib-induzierten Mukosaschaden im Dünndarm PPI verstärken die Anämie Mechanismus: Veränderung der Darmflora (?) Restitution der Darmflora verhindert Schädigung Kapselstudien an jungen, gesunden Probanden: Unter PPI und NSAR entwickeln 55-75% einen Mukosaschaden im Dünndarm
Wallace JL et al. GE 2011; 141: 1314-22 Graham DY et al. CGH 2005; 3: 55-9 Goldstein JL et al. CGH 2005; 3: 133-41 Maiden L et al. GE 2005; 128: 1172-8 Fujimora S et al. EJCI 2010; 40: 504-10
Eine 71-jährige Frau wird wegen Melaena stationär aufgenommen.
Dialog bei der Visite:
• Arzt: Welche Medikamente haben Sie denn während der vergangenen 4 Wochen eingenommen?
• Pat.: Digimerck, Norvasc, Renitec,…(ein NSAR wird nicht angegeben)
• Arzt: Haben Sie Schmerzmittel eingenommen?
• Pat.: Nein
• Arzt: Haben Sie etwas gegen Kopfschmerzen genommen?
• Pat.: Nein
• Arzt: Haben Sie etwas gegen Kreuzschmerzen genommen?
• Pat.: Nein
• Arzt: Haben Sie vom Orthopäden Medikamente oder Infusionen bekommen?
• Pat.: Nein
• Arzt: Haben Sie etwas gegen Knieschmerzen eingenommen?
• Pat.: Ja, das schon (Voltaren)!
Ischämische Colitis
• Anatomie der Blutversorgung des Colons
• Ätiologie und Risikofaktoren
• Klinik und prädiktive klinische Faktoren
• Diagnostik
• Differentialdiagnosen
• Therapie
20% 80%
Doulberis M et al. Scand J Gastroenterol 2016; 51: 893-902
Keine Symptome: • „watch and wait“
Symptomatische Stenose: • Chirurgische Intervention • Endoskopische Dilatation oder endoskopisches Stenting
(schwache Datenlage)
• Manchmal entstehen Stenosen im Rahmen einer chronischen ischämischen Colitis
- Rezidivierende Schübe einer ischämischen Colitis - Sonderform: Phlebosklerotische Colitis
Langzeitkomplikation: Stenose
Take Home Messages
• Anatomie ist wichtig! – insbesondere was die viszerale Gefäßversorgung betrifft.
• Die ischämische Colitis ist die häufigste Form einer intestinalen Ischämie.
• Bei abdominellen Schmerzen plus Hämatochezie daran denken – insbesondere wenn Risikofaktoren vorliegen.
• Diagnose wird meist durch Coloskopie gesichert.
• Meist liegt eine nonokklusive Form vor.
• Bei etwa 80% ist das Krankheitsbild mit konservativer Therapie selbstlimitierend.
• Etwa 20% haben einen schweren Verlauf und benötigen eine chirurgische Intervention.
• Eine frühzeitige Risikostratifizierung ist zu empfehlen.