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EDMUND HUSSERLS PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE
282

Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Sep 11, 2021

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Page 1: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

EDMUND HUSSERLS PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE

Page 2: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

PHAENOMENOLOGICA COLLECTION FONDEE PAR H.L. V AN BREDA ET PUBLlEE

SOUS LE PA TRONAGE DES CENTRES D' ARCHIVES-HUSSERL

128

NAM-INLEE

EDMUND HUSSERLS PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE

Comite de redaction de la collection: President: S. Usseling (Leuven)

Membres: L. Landgrebet (Köln), W. Marx (Freiburg i. Br.), J.N. Mohanty (Philadelphia), P. Ricreur (Paris), E. Ströker (Köln),

J. Taminiaux (Louvain-la-Neuve), Secretaire: J. Taminiaux

Page 3: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Edmund Husserls

Phănomenologie der Instinkte

NAM-IN LEE

"'.II

" SPRINGER-SCIENCE+BUSINESS MEDIA, B.V.

Page 4: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Library of Congress Cataloging-in-Publication Data

Lee. Nam-In. 1958-Edmund Husserls Phanomenologie der Instlnkte I von Nam-In Lee.

p. cm. -- (Phaenomenologlca ; v. 1281 ReVlsion of theslS (doctoral I--Bergische Universitat Wuppertal.

1991. Includes bibllographical references. ISBN 978-94-010-4793-7 ISBN 978-94-011-1801-9 (eBook) DOI 10.1007/978-94-011-1801-9 1. Husserl. Edmund. 1859-1938. 2. Phenomenology.

II. Serles. Phaenomenologlca ; 128. B3279.H94L35 1993 193--dc20

ISBN 978-94-010-4793-7

printed on acid-free paper

AII Rights Reserved

1. Tltle.

92-36931

© 1993 Springer Science+Business Media Dordrecht Originally published by Kluwer Academic Publishers in 1993

Softcover reprint of the hardcover 1 st edition 1993 No part of the material protected by this copyright notice may be reproduced or

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retrieval system, without written permission from the copyright owners.

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Inhaltsverzeichnis

VORWORT

EINLEITUNG 3

ERSTER TEIL: DER AUFBRUCH DER PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE IM ÜBERGANG VON DER STATISCHEN ZUR GENETISCHEN PHÄNOMENOLOGIE 15

Kapitel I: Statische und genetische Phänomenologie 17

1. Die Ideen einer statischen und einer genetischen Phäno-menologie 17

2. Die Geltungsfundierung und die Genesisfundierung als das Thema der statischen und der genetischen Phänomenologie 19

3. Das Problem des Ursprungs: Geltungsursprung und Genesisur-sprung 24

Kapitel 11: Das Problem der Intentionalität und die Entdeckung der Instinktintentionalität 31

1. Der Wandel des Begriffs der Intentionalität im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie 31

2. Das Problem des Parallelismus von Noesis und Noema 37 3. Die Entdeckung der Instinktintentionalität 43

Kapitel III: Genetische Phänomenologie und Phänomenologie der Instinkte 51

1. Die genetische Phänomenologie als der systematische Ort der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte 51

2. Überblick über die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in der Spätphilosophie Husserls 55

3. Die Aufgabe der Phänomenologie der Instinkte 58

Kapitel IV: Methodische Überlegungen zur Phänomenologie der Instinkte 65

1. Phänomenologie der Instinkte und das Problem der Reduktion 65 2. Die Ab- und Aufbauanalyse der Konstitution der Welt als die

Methode der Phänomenologie der Instinkte 74

v

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vi Inhaltsverzeichnis

ZWEITER TEIL: ENTFALTUNG DER PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE DURCH DIE AB- UND AUFBAUANALYSE DER KONSTITUTION DER WELT 81

A. Der Abbau der Konstitution der Welt und das Problem des Instinktes 83

Kapitel I: Entdeckung der Triebintentionalität durch die Analyse der äußeren Wahrnehmung 83 1. Einführung in den Problembereich 83 2. Die Struktur der naturalen Hyle 84 3. Das System der äußeren Wahrnehmung als ein System der

Triebintentionalität 85 4. Arten und Modi der Triebintentionalität der Wahrnehmung 90 5. Das Wahrnehmungsfeld als das noematische Korrelat der

universalen praktischen Möglichkeit der Triebintentionalität 93

Kapitel 11: Das Problem des Instinktes in der Konstitution der Empfindungshyle 97 1. Einführung in den Problembereich 97 2. Die Struktur der Empfindungshyle 98 3. Stufen der passiven Synthesis: kontinuierliche Übergangssyn­

thesis im Zeitbewußtsein, die Nahverschmelzung, die Fernver-schmelzung 101

4. Affektion als das Grundverhältnis zwischen den noetischen und den noematischen Momenten der passiven Synthesis 104

5. Die Intentionalität des ursprünglichen Instinktes der Objek-tivierung als die Triebkraft der passiven Synthesis 107

6. Der konstitutive Bereich des Empfindungsfeldes als ein instink-tiver Zusammenhang 110

Kapitel III: Das Problem des Instinktes in der Konstitution der Urhyle im urpassiven Strom der lebendigen Gegenwart 113 1. Einführung in den Problembereich 113 2. Methodische Überlegung 114 3. Die Urhyle im urpassiven Strom als die genetische Urgestalt der

Welt 115 4. Das ichliche Moment des urpassiven Zeitstroms als die

ursprüngliche Einheit des Urinstinktes, der Urkinästhese und der dunklen Stimmung 117

5. Der urpassive Zeitstrom als die ursprüngliche Einheit des Vor­Ich als des Ausstrahlungszentrums des stimmungshaften Urinstinktes und der Urhyle als der genetischen Urgestalt der Welt 122

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Inhaltsverzeichnis vii

B. Die Struktur der Instinktintentionalität und der Aufbau der Konstitution der Welt 127

Kapitel I: Die Instinktintentionalität und die allgemeine Struktur der passiven Konstitution als der genetischen Grundlage für die lebensweltliche Konstitution 127 1. Die Notwendigkeit einer Aufbauanalyse der Konstitution der

Welt 127 2. Der Fundierungszusammenhang zwischen der objektivierenden

und der nicht-objektivierenden Intention in der Sphäre der passiven Konstitution 128

3. Instinktintention und Wesensbestimmung der passiven Intention 133 4. Die Instinktintention in der Sphäre der passiven Konstitution als

das Urstück der transzendentalen Teleologie 137

Kapitel 11: Die Wesensstruktur der Lebenswelt 141 I. Die Wesensstruktur der Konstitution des lebensweltlichen

Gegenstandes 141 2. Die drei Komponenten des WeItbewußtseins und die drei

Aspekte der Lebenswelt 144

DRITTER TEIL: WEITERFÜHRUNG DER PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE DURCH DIE VERTIEFUNG DER AB- UND AUFBAUANALYSE DER KONSTITUTION DER WELT 151

A. Freilegung des angeborenen Urinstinktes durch die Vertiefung der Abbauanalyse der Konstitution der Welt 153

Kapitel I: Die Idee einer Vertiefung der Abbauanalyse der Konstitution der Welt 153 1. Einführung in den Problembereich 153 2. Die Stufenlehre von Monaden und der Abbau der Konstitution

der Welt 154 3. Methodische Überlegung 155

Kapitel 11: Der Rückgang auf den Uranfang der transzendentalen Genesis und die Entdeckung des angeborenen Urinstinktes 163 1. Der angeborene Urinstinkt als der Uranfang der transzenden-

talen Genesis 163 2. Der angeborene Urinstinkt des Vor-Ich im Uranfang der tran-

szendentalen Genesis als Erbmasse 164 3. Der angeborene Urinstinkt als der Instinkt der Selbsterhaltung

und zugleich der Instinkt der Weltlichkeit 168

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viii Inhaltsverzeichnis

B. Der Aufbau der Konstitution der Welt und die Wesensbestimmung der Lebenswelt 173

Kapitel I: Die Enthüllung der angeborenen Instinktintention und die Bildung des Apperzeptionssystems der Welt 173 I. Die Auswirkung der angeborenen Instinktintention und die

Bildung der ersten Welt des Vor-Ich im Mutterleib 173 2. Der Aufbruch der doxischen Vorstellungsintention 175 3. Die Enthüllung des Instinktes der Objektivierung und Bildung

des habituellen Apperzeptionssystems 177 4. Die Enthüllung der nicht-objektivierenden Instinktintention und

die Bildung des habituellen Systems der Wertapperzeption 180 5. Die Organisation des Interessenhorizontes durch die weitere

Enthüllung der Instinktintention und die Entwicklung der Welt 183 6. Ontologische Konstitution und Instinkt 186

Kapitel 11: Die Wesensbestimmung der Lebenswelt 191 1. Die Lebenswelt als eine Welt mit angeborener Systematik 191 2. Die Lebenswelt als das Feld der Selbsterhaltung und zugleich

als das Feld der Praxis 193 3. Die Lebenswelt als eine intersubjektiv bestimmte geschichtliche

Welt 197

VIERTER TEIL: DIE PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE UND DIE TRANSZENDENTALE PHÄNOMENOLOGIE 203

Kapitel I: Die Phänomenologie der Instinkte und das Problem der 205 Transzendentalität und des transzendentalen Ich

1. Die Bestimmung der Transzendentalität und die Transzenden-talität der Instinktintention 205

2. Die Zweideutigkeit des transzendentalen Ich 208 3. Das transzendentale Ich als eine Einheit der Selbsterhal­

tungstätigkeit und zugleich als eine Entwicklungseinheit: Die Lehre vom universalen transzendentalen Instinkt als universaler Teleologie eines Ichsubjektes 211

4. Die Struktureinheit des transzendentalen Ich: Das Ur-Ich und das Vor-Ich 214

5. Husserl und Kant in der Bestimmung des transzendentalen Bewußtseins 218

Kapitel 11: Die Lehre vom universalen transzendentalen Instinkt als universaler Teleologie des transzendentalen Monadenalls 225

1. Das Walten des universalen transzendentalen Instinktes im tran-szendentalen Monadenall und das Problem der Transzendentalität 225

2. Gott als der letzte Grund des transzendentalen Instinktes 231

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Inhaltsverzeichnis ix

Kapitel III: Die Phänomenologie der Instinkte und die transzenden­tale Phänomenologie als ein transzendental-phänomenologischer Idealismus 235

I. Phänomenologie der Instinkte und genetisch-phänomenologi-scher Idealismus 235

2. Genetisch-phänomenologischer Idealismus und der Sinn der Konstitution 237

3. Der transzendental-phänomenologische Idealismus als eine tran-szendental-phänomenologisch fundierte Metaphysik 238

4. Der transzendental-phänomenologische Idealismus und der Idealismus-Realismus Streit 242

5. Intellektualismus und Voluntarismus als die beiden Aspekte des transzendental-phänomenologischen Idealismus 244

LITERATURVERZEICHNIS 249

NAMENREGISTER 271

SACHREGISTER 273

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x

"Hat er das Ideal seines philosophischen Strebens praktisch auf das eines rechten Anfängers herabstimmen müssen, so ist er mindestens für sich selbst im Alter zur vollkommenen Gewißheit gekommen, sich einen wirklichen Anfänger nennen zu dürfen. Fast möchte er hoffen - wenn ihm Methusalems Alter beschieden wäre - doch noch zum Philosophen werden zu können. Die von dem Anfang einer deskriptiven Phänomenologie (dem Anfang des Anfangs) auslaufenden Probleme hat er immer weiter verflogen und in (für ihn selbst) lehrreichen Stücken konkret ausführen können. Der universale Arbeitshorizont einer phänomenologischen Philosophie hat sich nach den sozusagen geographischen Hauptstrukturen enthüllt, die wesentlichen Problem schichten und die wesensmäßigen Zugangs methoden sind zur Klärung gekommen. Der Verfasser sieht das unendlich offene Land der wahren Philosophie, das 'Gelobte Land', ausgebreitet vor sich, das er selbst nicht mehr als schon durchkultiviertes erleben wird. Mag man diese Zuversicht belächeln, aber man sehe selbst zu, ob sie nicht einigen Grund hat, in den Bruchstücken, die hier als anfangende Phänomenologie vorgelegt sind. Gerne möchte er hoffen, daß die Nachkom­menden diese Anfänge aufnehmen, stetig weiterführen, aber auch ihre großen Unvollkommenheiten bessern werden. Unvollkommenheiten, die bei wissen­schaftlichen Anfängen ja nicht zu vermeiden sind." (Edmund Husserl, Nachwort, 161-162, Herv. v. Vf.)

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Vorwort

Edmund Husserl hat zu seinen Lebzeiten ausschließlich Werke publiziert, die entweder Zusammenstellungen von phänomenologischen Einzelanalysen waren oder den Charakter programmatischer Einführungen in die von ihm begrün­dete Phänomenologie hatten. Das Fehlen eines umfassenden systematischen Werks ließ ihn nicht ruhen. In seiner Spätzeit, seit den zwanziger Jahren, verfolgte er den Plan, ein solches Werk endlich zu veröffentlichen; es sollte sowohl die Haupterträge seiner jahrzehntelangen analytischen Arbeit als auch die umfassende Systematik seiner ausgereiften transzendentalen Phäno­menologie enthalten. Die von seinem damaligen Assistenten Eugen Fink 193011931 aufgezeichnete Disposition des geplanten, aber schließlich doch nicht zustande gekommenen Werks ist erhalten. Sie zeigt, daß die Phäno­menologie der Instinkte in der Systematik eine grundlegende Stellung einnehmen sollte.

Die vorliegende Arbeit stellt sich zum einen die Aufgabe, im Umriß das grundlegende Kapitel des ungeschrieben gebliebenen Husserlschen Hauptwerks zu schreiben, indem sie die "Phänomenologie der Instinkte" selbst entwickelt (in den beiden tragenden Teilen 11 und III). Darüber hinaus geht es darum, die weitreichenden Konsequenzen offenzulegen, die sich daraus für den Gesamtzusammenhang der phänomenologischen Systematik ergeben (Teil I und vor allem Teil IV). Diese Untersuchung stützt sich dabei wesentlich sowohl auf die veröffentlichten Schriften als auch auf die unveröffentlichten Manuskripte Husserls.

Diese Arbeit wurde im Sommersemester 1991 vom Fachbereich 11 der Bergischen Universität Wuppertal als Dissertation angenommen; sie wurde für die Veröffentlichung durchgesehen.

An dieser Stelle möchte ich all denen, die mir während meines Promotions studiums Anregung und Förderung zuteil werden ließen, meinen Dank aussprechen. Besonders herzlich danke ich Herrn Professor Dr. Klaus Held, der mich bei meiner Doktorarbeit mit vielen Anregungen und hilfreicher Kritik unterstützte und zu selbständigem Weiterdenken in der Philosophie ermunterte. Dem Phänomenologischen Kolloquium an der

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2 Vorwort

Bergischen Universität Wuppertal, das er zusammen mit den beiden Herren Privatdozenten Dr. Antonio Aguirre und Dr. Heinrich Hüni gehalten hat, an dem ich seit dem Wintersemester 1986/87 teilgenommen und in dem ich viele Anregungen bekommen habe, ist die vorliegende Arbeit entscheidend verpflichtet. Dr. Heinrich Hüni und Herrn Prof. Dr. Helmut Gimdt danke ich ebenfalls herzlich für die mannigfache Unterstützung, die sie mir während meines Aufenthaltes in Deutschland hat zuteil werden lassen. Dankbar bin ich auch den bei den Herren Professoren Dr. Hermann Deuser und Dr. Jörg Ruhloff, bei denen ich Evangelische Theologie und Pädagogik als Nebenfächer studiert habe. Ich danke ferner Michael Teller und Rainer Kerkhof für ihr Korrekturlesen. Mein Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr. Samuel IJsseling, Leiter des Husserl-Archivs in Louvain, der mir den Zugang zu den unveröffentlichten Archivmaterialien ermöglichte. Bedanken möchte ich mich auch beim Deutschen Akademischen Austauschdienst in Bonn, der mir für mein ganzes Studium in Wuppertal ein Stipendium gewährte. Schließlich danke ich meiner Frau Jee-Hyeong Lee (geb. Park) M.A. von Herzen dafür, daß sie die gewisse Last des angestrengten Promotions studiums mit mir getragen hat.

Wuppertal, im August 1991.

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Einleitung

I

Husserl hat weder in den zu seinen Lebzeiten erschienenen Publikationen noch in seinen Vorlesungen das Problem des Instinktes einer eingehenden Unter­suchung unterzogen. Allerdings hat er, wie die Husserl-Forscher wissen, umfangreiche Manuskripte hinterlassen, in denen das Problem des Instinktes behandelt wird. Der Instinkt beschäftigt ihn in diesen Manuskripten nicht als ein psychologisches oder biologisches Problem, sondern als ein transzenden­tales. Es geht Husserl dabei also um die Phänomenologie der Instinkte l als eine transzendentale Theorie.

Diese Formulierung scheint zunächst große Schwierigkeiten zu bereiten. Nach Kant, dem Begründer der Transzendentalphilosophie, an den Husserl auch in der Entwicklung seiner transzendentalen Phänomenologie anknüpft, wäre die Phänomenologie der Instinkte als eine transzendentale Theorie ein Unding. Es ist nach der Kantischen Idee einer Transzendentalphilosophie einfach unmöglich, aus den beiden Begriffen "transzendental" und "Instinkt" eine begreifbare Bedeutungseinheit herzustellen. Denn der Instinkt als ein blindes Begehrungsvermögen hat nach Kant mit dem transzendentalen Prinzip nichts zu tun, er ist kein transzendentales, sondern ein empirisches Bewußtsein, welches zwar unter Umständen an jenem teilhaben könnte. Als ein empirisches Bewußtsein jedoch ist der Instinkt bei Kant immer nur Gegenstand der Psychologie, nicht aber der Transzendentalphilosophie.

Ist aus dieser Überlegung zu folgern, daß die Feststellung der Phäno­menologie der Instinkte als einer transzendentalen Theorie bei Husserl zurückgezogen werden muß? Gegen einen solchen möglichen Einwand läßt sich zeigen, daß Husserl in den Spätmanuskripten die Phänomenologie der Instinkte tatsächlich als eine transzendentale Theorie versteht. Husserl spricht in den Spätmanuskripten oft ausdrücklich vom transzendentalen Instinkt im Singular2 oder von den transzendentalen Instinkten im Plural.3 An einer Stelle eines späten Manuskriptes, das eine wichtige Quelle für die Phänomenologie der Instinkte ist, bezeichnet er die transzendentalen Instinkte als die

3

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4 Einleitung

"Grundbegriffe der transzendentalen Teleologie".4 Daß die Phänomenologie der Instinkte in der Spätphilosophie als eine transzendentale Theorie entfaltet wird, daran ist nicht zu rütteln. Daß die beiden Begriffe "transzendental" und "Instinkt" nach der Kantischen Idee einer Transzendentalphilosophie miteinander unvereinbar sind, ist kein Argument für die Unmöglichkeit der Phänomenologie der Instinkte als einer transzendentalen Theorie in der transzendentalen Phänomenologie Husserls. Vielmehr ist es lediglich ein Hinweis darauf, daß zwischen der Transzendentalphilosophie Kants und der transzendentalen Phänomenologie Husserls trotz der Ähnlichkeit und Verwandtschaft ein Unterschied, ja, wie wir darzustellen haben werden, ein unüberbrückbarer Unterschied, besteht.

Was uns in dieser Arbeit interessiert, ist also ausschließlich die Phänomenologie der Instinkte als eine transzendentale Theorie, nicht aber als eine Triebpsychologie oder eine Biologie der Instinkte. Daher soll zunächst eine Darstellung der Husserlschen Phänomenologie der Instinkte als einer transzendentalen Theorie gegeben werden, um danach deren Konsequenzen für das gesamte System seiner transzendentalen Phänomenologie aufzuzeigen. Dadurch versuchen wir, einige Aspekte der transzendentalen Phänomenologie zu verdeutlichen, welche in der bisherigen Forschungsgeschichte wenig beachtet worden sind, aber für das Verständnis der transzendentalen Phänomenologie von entscheidender Bedeutung sind.

11

Wir werfen also zunächst das Problem auf, wie denn die Phänomenologie der Instinkte bei Husserl - im Gegensatz zu Kant - als eine transzendentale Theorie verstanden werden kann. Eine ausführliche Antwort auf diese Frage ist erst zu erwarten, wenn die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte durchgeführt worden ist. Trotzdem zeigt es sich als dringend und notwendig, an dieser Stelle einen formalen und allgemeinen Hinweis auf die Möglichkeit der Phänomenologie der Instinkte als einer transzendentalen Theorie im ganzen System der transzendentalen Phänomenologie zu geben.

Zur Klärung der Möglichkeit der Phänomenologie der Instinkte als einer transzendentalen Theorie bietet uns die von K. Held aufgezeigte "fundamen­tale Doppeldeutigkeit der Husserlschen Phänomenologie"S einen wichtigen Schlüssel. Die transzendentale Phänomenologie ist in mehrfacher Hinsicht zweideutig. So wird sie in der Forschungsgeschichte von vielen Interpreten als ein Idealismus, von ebenso vielen Interpreten als ein Realismus, gedeutet -und dies nicht ohne Grund, denn sie zeigt sicher sowohl idealistische als auch realistische Züge im traditionellen Sinne. Sie ist in einer weiteren Hinsicht zweideutig: Es ist unbestreitbar, daß die transzendentale Phänomenologie Husserls sich als ein Rationalismus oder als ein Intellektualismus versteht. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit; in der Spätphilosophie versuchte Hussserl darüber hinaus, die transzendentale Phänomenologie als einen

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Einleitung 5

universalen Voluntarismus durchzuführen, wie D. Cairns berichtet: "He has said that he has been working on the carrying out of a universal volun­tarism.,,6 Den voluntaristischen Zug der Phänomenologie bringt Husserl selber im Rahmen der Vorlesung über die Erste Philosophie auf die Formel: "Erkenntnisvernunft ist Funktion der praktischen Vernunft, der Intellekt ist Diener des Willens." (VIII, 201) Hier deutet sich schon an, daß die tran­szendentale Phänomenologie gleichzeitig Rationalismus und Voluntarismus sein kann. Sie ist in einer dritten Hinsicht doppeldeutig. Es handelt sich dabei um die Frage, ob sie eine bloße Erkenntnistheorie sei oder mehr als das. Die transzendentale Phänomenologie in ihrer Anfangsgestalt ist freilich eine Erkenntnistheorie, aber deren weitere Entwicklung zeigt, daß sie den engen Rahmen der Erkenntnistheorie sprengen muß. So bestimmt L. Landgrebe "die Phänomenologie als transzendentale Theorie der Geschichte",1 womit er ihr mehr als die Funktion einer bloßen Erkenntnistheorie zuweist.

Mit dieser mehrfachen Doppeldeutigkeit der transzendentalen Phäno­menologie steht die Doppeldeutigkeit ihrer Grundbegriffe in engem Zusammenhang. Diesbezüglich hat E. Fink schon Anfang der fünfziger Jahre darauf hingewiesen, daß "bei Husserl [ ... ] der Sinn der 'transcendentalen Konstitution' zwischen Sinnbildung und Creation" schwankte.8 Daran anschließend haben prominente Interpreten inzwischen bei weiteren Grundbegriffen der Husserlschen Phänomenologie Doppeldeutigkeiten nachgewiesen. Die bisherige Forschungsgeschichte hat gezeigt, daß außer dem Begriff der Konstitution beispielsweise folgende Grundbegriffe der Phänomenologie mindestens doppeldeutig sind: Intentionalität,9 Immanenz bzw. Transzendenz,lO lebendige Gegenwart,l1 Teleologie,12 Hyle,I3 Ich,14 Lebenswelt,I5 Reduktion,16 Noema,17 usw. Bezüglich der Doppeldeutigkeit der Grundbegriffe der transzendentalen Phänomenologie weisen wir darauf hin, daß durch genauere Untersuchung der Husserlschen Phänomenologie noch weitere Beispiele von Doppeldeutigkeiten festgestellt werden können, welche in der bisherigen Forschungsgeschichte nicht gesehen worden sind. Wir haben auch unsererseits im Rahmen dieser Untersuchung folgende weitere Grundbegriffe als doppeldeutig erkennen müssen: Ursprung, Noesis-Noema­Parallelismus, Motivation, Fundierung, phänomenologische Archäologie, Ab- und Aufbau, Absolutheit, transzendental-phänomenologischer Idealismus und schließlich transzendental bzw. das transzendentale Ich. Die Möglichkeit, immer weitere Beispiele für Doppeldeutigkeiten anzuführen, beruht schließlich darauf, daß es sich bei der Doppeldeutigkeit nicht um eine zufällige, sondern um eine wesensmäßige, also um eine fundamentale handelt.

Die Zweideutigkeit der transzendentalen Phänomenologie und ihrer Grundbegriffe hat dabei - dies muß ausdrücklich hervorgehoben werden -mit der angeblichen "Inkonsequenz" in der Denkweise Husserls überhaupt nichts zu tun, ebensowenig mit der ebenfalls unterstellten "dialektischen Natur"18 der transzendentalen Phänomenologie. Die Zweideutigkeit der tran­szendentalen Phänomenologie als eine fundamentale hat vielmehr ihren letzten Grund in den Sachen selbst, /9 um deren Enthüllung sich alle phänomenolo-

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6 Einleitung

gischen Analysen bemühen. Da die Sachen selbst mit der Vertiefung der phänomenologischen Analysen andere Aspekte zeigen können, welche bis dahin noch nicht berücksichtigt worden waren, ist die Möglichkeit nicht völlig auszuschließen, daß die Begriffe, welche im früheren Stadium für die Analysen der Sachen als angemessen betrachtet wurden, im späteren Stadium sich als unzulänglich und ergänzungsbedürftig, ja unter Umständen sogar als unbrauchbar zeigen können. Dieses Schicksal der anfangenden transzenden­talen Phänomenologie ist Husserl wohl sehr früh, also schon während der Abfassung der Ideen I, klar geworden. Dort schreibt er: "Im übrigen ist ganz allgemein zu bemerken, daß in der anfangenden Phänomenologie alle Begriffe, bzw. Termini, in gewisser Weise in Fluß bleiben müssen, immerfort auf dem Sprunge, sich gemäß den Fortschritten der Bewußtseinsanalyse und der Erkenntnis neuer phänomenologischer Schichtungen innerhalb des zunächst in ungeschiedener Einheit Erschauten zu differenzieren. Alle gewählten Termini haben ihre Zusammenhangstendenzen, sie weisen auf Beziehungsrichtungen hin, von denen sich hinterher oft herausstellt, daß sie nicht nur in einer Wesensschicht ihre Quelle haben; womit sich zugleich ergibt, daß die Terminologie besser zu beschränken oder sonst zu modifizieren sei. Es ist also erst auf einer sehr weit fortgeschrittenen Entwicklungsstufe der Wissenschaft auf endgültige Terminologien zu rechnen." (III,I, 190)

Im Hinblick auf das Problem, ob die Phänomenologie der Instinkte als eine transzendentale Theorie aufzufassen sei, ist es von entscheidender Bedeutung, darauf zu achten, daß mit der Vertiefung der phänomenologi­schen Analysen, wie soeben schon angedeutet und unten im IV. Teil dieser Arbeit ausführlich dargestellt, ein tiefgreifender Wandel des Begriffs der transzendentalen Subjektivität stattfindet. Damit hängt untrennbar zusammen, daß die transzendentale Subjektivität selbst, also das Thema der transzen­dentalen Phänomenologie als solcher, sich als doppeldeutig zeigt.20 Diese Doppeldeutigkeit der transzendentalen Subjektivität bildet gerade die letzte Ursache der fundamentalen Zweideutigkeit der transzendentalen Phäno­menologie Husserls. Dabei ist - ohne schon auf die Einzelheiten einzugehen - darauf hinzuweisen, daß nach demjenigen Begriff der transzendentalen Subjektivität, welcher durch die Vertiefung der phänomenologischen Analysen zum Vorschein kommt, nichts im Wege steht, aus den bei den Begriffen "tran­szendental" und "Instinkt" eine begreifbare Bedeutungseinheit herzustellen. Es zeigt sich vielmehr als unentbehrlich und notwendig, zur Klärung der transzendentalen Subjektivität in diesem Sinne die Struktur des Instinktes systematisch und ohne Rest zu analysieren. Mit der Vertiefung der phänome­nologischen Analysen ergibt sich also für die transzendentale Phänomenologie Husserls nicht nur die Möglichkeit, sondern vielmehr dringend die Notwendigkeit, die Phänomenologie der Instinkte als eine transzendentale Theorie zu entfalten.

Mit der Vertiefung der phänomenologischen Analysen, durch die die fun­damentale Doppeldeutigkeit der transzendentalen Phänomenologie und schließlich die Notwendigkeit der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte

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Einleitung 7

deutlich geworden ist, sieht Husserl allmählich immer dringender die Erfordernis, die bei den völlig verschiedenen21 Ideen der konstitutiven Phänomenologie, also die Idee einer statischen und die einer genetischen Phänomenologie, strikt zu unterscheiden, um die phänomenologischen Analysen ohne Verwirrung und Vermengung systematisch durchführen zu können. Durch die Unterscheidung der heiden Ideen der transzendentalen Phänomenologie ist nun Husserl in der Spätphilosophie, wie er einmal formuliert, "das Doppelgesicht der Phänomenologie" (XV, 617) klarer geworden. Die bei den Gesichter, also das alte und bekannte Gesicht der statischen Phänomenologie und das neue und fremde Gesicht der geneti­schen Phänomenologie, machen das gesamte System der transzendentalen Phänomenologie Husserls aus. Das Doppelgesicht ist der bildhafte Ausdruck für die fundamentale Doppeldeutigkeit der transzendentalen Phänomenologie Husserls.

Im gesamten System der transzendentalen Phänomenologie bildet die genetische Phänomenologie den systematischen Ort der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte. Es sind nicht äußere Umstände oder plötzliche Einfälle, sondern ausschließlich die innere Logik der genetischen Phänomenologie, welche Husserl in der Spätphilosophie dazu führt, die Phänomenologie der Instinkte als eine transzendentale Theorie zu entwickeln. Dabei versteht sich diese als das Urstück der genetischen Phänomenologie, deren Aufgabe darin liegt, die untersten Stufen der genetischen Konstitution zu enthüllen. Dies besagt zugleich, daß die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in der Spätphilosophie gerade den Versuch Husserls darstellt, die Idee einer genetischen Phänomenologie vollständig zu verwirklichen. Hierbei kommt das neue und fremde Gesicht der transzendentalen Phänomenologie, welches das Ganze der genetischen Phänomenologie repräsentiert und vom alten und bekannten Gesicht der transzendentalen Phänomenologie, wie unten dargestellt wird, in einer unüberbrückbaren Weise verschieden ist, deutlich zum Vorschein. Es handelt sich dabei also um die Enthüllung desjenigen Gesichtes der transzendentalen Phänomenologie, welches in der Forschungsgeschichte, da es, wie wir meinen, im Schatten des ersten Gesichtes, des Gesichtes der statischen Phänomenologie, stand, in ihrer ganzen Tragweite nicht recht ans Licht gekommen ist. Was eigentlich dieses zweite Gesicht der transzenden­talen Phänomenologie ist und inwieweit es von deren erstem Gesicht verschieden ist, werden wir durch die Darstellung der Phänomenologie der Instinkte als des Urstückes der genetischen Phänomenologie deutlich zu machen versuchen.

III

Die Grundbegriffe in der anfangenden Phänomenologie sind also von vorn­herein dem Schicksal ständiger Modifikation ausgesetzt gewesen; die endgültigen Termini sind ja erst, wie Husserl sagt, "auf einer sehr weit fort-

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8 Einleitung

geschrittenen Entwicklungsstufe der Wissenschaft" zu erwarten. Diese allge­meine Bemerkung gilt besonders für die Phänomenologie der Instinkte. Damit hängt zusammen, daß man, wenn man die verschiedenen Stellen vergleicht, an denen sich der Begriff des Instinktes findet, im ersten Augenblick bloß den Eindruck bekommt, der Begriff des Instinktes in der Phänomenologie Husserls sei nicht einheitlich, verwirrend, ja sogar widersprüchlich. Im Hinblick auf den Begriff des Instinktes in der Phänomenologie Husserls könnte zweifellos die Bemerkung W. Wundts über die verschiedenen Bestimmungen des Begriffs des Instinktes in der Psychologie bzw. Biologie des 19. Jahrhunderts gelten: "Gleichwohl bilden die Hypothesen über den Instinkt noch heute eine wahre Mustersammlung widersprechender Ansichten.,,22

Im Hinblick auf diese Tatsache darf man aber nicht vorschnell die Phänomenologie der Instinkte bei Husserl als hoffnungslos und damit sogar als gescheitert verurteilen. Vielmehr muß man beachten, daß das Schillern des Begriffs des Instinktes an verschiedenen Stellen bei Husserl gerade seine Bemühung um die Entwicklung eines phänomenologisch angemessenen Begriffs des Instinktes widerspiegelt. Mit der Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte ist ihm dies aber allmählich gelungen. Wir sind der Ansicht, daß er erst in der späteren Schaffensperiode, also ungefähr in der Mitte der zwanziger Jahre, einen für die transzendentale Phänomenologie geeigneten Begriff des Instinktes erarbeitet hat.

An dieser Stelle verzichten wir darauf, den Instinktbegriff zu erläutern, den Husserl durch die Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte gewonnen hat - dies bildet ja freilich eine Aufgabe, welche erst mit der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte erfüllt werden kann. Darauf wird im späteren ausführlich eingegangen werden. Es ist trotzdem angebracht, an dieser Stelle den allgemeinen Zug des Husserlschen Begriffs des Instinktes vorauszu­schicken. Der Instinkt bedeutet in der transzendentalen Phänomenologie Husserls, die ihre Aufgabe darin sieht, die konstitutive Funktion des Bewußtseins zu enthüllen, primär die Instinktintention, also diejenige Intention, welche ohne vernünftige Überlegung vollzogen wird. Dadurch unterscheidet sich der Husserlsche Begriff des Instinktes von demjenigen, welcher sich an Instinkthandlungen orientiert, also an Handlungen, welche unbewußt vollzogen werden und trotzdem das Ziel ohne Verfehlen erreichen. Der Begriff des Instinktes umfaßt dabei nur, um einige Beispiele zu nennen, die Instinkt­handlungen beim Tier oder beim Neugeborenen, bei denen die vernünftige Überlegung überhaupt fehlt. Dagegen umfaßt der Instinkt, welcher sich als die Instinktintention bestimmt, nicht nur die Instinktintentionen, welche mit den Instinkthandlungen im oben genannten Sinne verwoben sind, sondern auch die mit den vernünftigen Handlungen verbundenen. Es ist dabei also völlig gleichgültig, ob die Instinktintention durch eine Instinkthandlung oder durch eine vernünftige Handlung den Weg zur Erfüllung findet. Zum Verständnis des Husserlschen Begriffs des Instinktes ist also die Unterscheidung der Instinkthandlung und der Instinktintention23 von entscheidender Bedeutung.

Der Begriff des Instinktes bei Husserl muß also ausschließlich im inneren

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Einleitung 9

Zusammenhang seiner Phänomenologie verstanden werden. Dies bildet gerade den Grund dafür, daß wir uns in dieser Arbeit nicht darauf einlassen wollen, den Husserlschen Begriff des Instinktes mit jenem anderen zu vergleichen, es sei denn, daß der Vergleich zur Erhellung dessen, was Husserl gemeint hat, beiträgt. Einen solchen Vergleich, welcher sich übrigens, da es je nach der Entwicklungsphase der Phänomenologie so viele Ansichten Husserls wie anderer gibt, als nahezu unmöglich erweisen würde, stellen wir vor allem darum nicht an, weil es nicht das Ziel dieser Arbeit ist, eine allgemeine Instinkttheorie, sei es eine philosophisch-anthropologische, sei es eine empirisch psychologische oder eine biologische, zu entwickeln. Vielmehr geht es ausschließlich darum, zunächst die Husserlsche Phänomenologie der Instinkte als eine transzendentale Theorie darzustellen und dadurch deren notwendige Konsequenz für seine transzendentale Phänomenologie zu ziehen.

IV

Die Phänomenologie der Instinkte erweckte, obwohl sie als das Urstück der genetischen Phänomenologie für die Verwirklichung der Idee einer geneti­schen Phänomenologie unentbehrlich und darum für das Schicksal der transzendentalen Phänomenologie entscheidend ist, in der bisherigen Forschungsgeschichte relativ wenig Interesse; nur am Rande wurde sie behan­delt. Bedauerlich ist dabei, daß sie, wenn sie gelegentlich das Interesse einiger Forscher auf sich lenkt, dann oft ganz nach den jeweiligen Bedürfnissen, Zielen und Vorurteilen des jeweiligen Interpreten passend zurechtgemacht wird, wobei es nicht selten zu Mißverständnissen des von Husserl Gesagten mit erheblichen Konsequenzen kommt. Man kann sich kaum des Gedankens erwehren, daß die Phänomenologie der Instinkte dabei bisweilen Gewalt leidet. Der Grund für diese Fehldeutungen liegt unseres Erachtens darin, daß das "neue" mit dem "allbekannten" Gesicht der transzendentalen Phänomenologie - die genetische Phänomenologie mit der statischen Phänomenologie - unvereinbar zu sein scheint.

Kann man es denn anders als gewaltsam nennen, wie A. Diemer beispiels­weise die Phänomenologie der Instinkte in die statische Phänomenologie einordnet?24 Dadurch wird die eigentliche Bedeutung der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte für das ganze System der transzendentalen Phänomenologie Husserls völlig verwischt. Das neue Gesicht der transzen­dentalen Phänomenologie hat dadurch bei ihm völlig jede Chance verloren, in seiner vollen Tragweite im rechten Licht zu erscheinen. Bei denjenigen, denen der systematische Ort der Phänomenologie der Instinkte vergleichsweise klar ist, wird das Problem des Instinktes nur am Rande und stiefmütterlich behandelt, auch dann, wenn der Problemzusammenhang eine ausführliche Behandlung dieser Problematik eigentlich forderte. So hat beispielsweise E. Holenstein in Phänomenologie der Assoziation, also in einem Buch, welches die Sphäre der Urkonstitution zum eigentlichen Forschungsthema hat, das

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10 Einleitung

Problem der Instinktintention nur ganz nebenbei behandelt, geschweige denn, daß er den untrennbaren Zusammenhang der Instinktphänomene und der Assoziationsphänomene25 einer eingehenden Analyse unterzogen hätte. Damit hängt zusammen, daß er über die Phänomenologie der Instinkte als eine tran­szendentale Theorie in der Spätphilosophie Husserls und vor allem in den späteren Manuskripten aus den dreißiger Jahren folgende abwertende Bemerkung macht: "Wir haben wiederholt zu erwähnen gehabt, daß Husserl in den dreißiger Jahren häufiger auf die Trieb- und Instinktstruktur des Bewußtseins zu sprechen kommt. Aber seine diesbezüglichen Ausführungen bleiben aper~uhaft und erreichen nicht das Niveau und die Geschlossenheit seiner Analysen zu Beginn der zwanziger Jahre. Was er unternimmt, ist eine prinzipielle Unterziehung der Triebpsychologie unter eine transzendentale Interpretation.,,26 Anders als Holenstein behauptet, versuchte Husserl, in den späteren Manuskripten aus den dreißiger Jahren die Instinktphänomene noch systematischer und tiefer greifend, ja mit einem festen Zielbewußtsein noch entschiedener zu analysieren, als es in den Manuskripten vom Anfang der zwanziger Jahre geschehen war. 27 Denn mit der Vertiefung der genetischen Phänomenologie wurde ihm zunehmend klarer, daß die Endgestalt der geneti­schen Phänomenologie durch die Phänomenologie der Instinkte als deren Urstück bestimmt wird. Die abschätzige Beurteilung der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in der Spätphilosophie Husseris durch Holenstein ist schließlich darauf zurückzuführen, daß dieser sich die innere Logik der genetischen Phänomenologie nicht völlig vergegenwärtigt hat, eine Logik, die ihn hätte zwingen müssen, im Zusammenhang mit der Phänomenologie der Assoziation auf das Problem des Instinktes tiefschürfend einzugehen. Dies führt Holenstein notwendigerweise zu dem unhaltbaren Urteil über die Husserlsche Phänomenologie der Assoziation selbst, also über das Thema seiner eigenen Untersuchung, daß in der Assoziationslehre Husseris "zu künstlich von ihrer vitalen und emotionalen Bedeutung abstrahiert" werde. 28

V

Da die Phänomenologie der Instinkte das Urstück der genetischen Phänomenologie darstellt, ist es, um sie richtig voranzubringen, unbedingt nötig, zunächst die beiden Ideen der konstitutiven Phänomenologie voneinander strikt zu unterscheiden. Dies wird im ersten Teil dieser Arbeit unternommen. Hier müssen zunächst die Zweideutigkeiten einiger Grundbegriffe der transzendentalen Phänomenologie soweit erklärt werden, als diese Erklärung sich für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte als unentbehrlich erweist. Dabei kommen vor allem folgende Grundbegriffe und die mit ihnen verbundenen anderen Begriffe der transzendentalen Phänomenologie in Frage: Konstitution, Intentionalität und phänomenologische Reduktion. Durch diese Analyse muß einerseits die Notwendigkeit der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte im ganzen System der transzendentalen Phänomenologie Husseris

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Einleitung 11

gezeigt werden. Andererseits muß aber dadurch zugleich die allgemeine Grundlage für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte gelegt werden.

An die Darstellung des I. Teils anschließend versuchen wir im 11. und 111. Teil, im Hinblick auf die genetische Konstitution der Welt die Phänomenologie der Instinkte zu entfalten. Das Hauptziel in diesen bei den Teilen liegt zunächst und vor allem darin, die konstitutive Funktion der verschiedenen Instinktin­tentionen auf den vielen Stufen der genetischen Konstitution zu analysieren. Auf der Grundlage dieser Analysen versuchen wir in diesen beiden Teilen darüber hinaus, den Begriff der Lebenswelt, welcher sich durch die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte herausbildet, angemessen zu bestimmen. Im Hintergrund steht das Ziel, mit Hilfe der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte die transzendentale Phänomenologie in einem neuen Lichte erscheinen zu lassen und einen tieferen Einblick in das ganze System zu gewinnen.

Im abschließenden IV. Teil versuchen wir nun einen Überblick über das gesamte System der transzendentalen Phänomenologie Husserls zu gewinnen, indem wir die notwendige Konsequenz der Phänomenologie der Instinkte für dieses System ziehen. Der in der Überschrift "Phänomenologie der Instinkte und transzendentale Phänomenologie als ein transzendental-phänomenolo­gischer Idealismus" formulierte Aufgabenkreis umfaßt einerseits die Bestimmung der Begriffe "Transzendentalität" und "transzendentales Ich" und andererseits die Erklärung dessen, was der transzendental-phänomenologische Idealismus ist.

ANMERKUNGEN

1. Husserl verwendet in der Spätphilosophie mit vollem Problembewußtsein den Ausdruck Phänomenologie der Instinkte. Vgl. dazu unten S. 55 ff.

2. C 13 I, 16. 3. A V 20, 6, E III 9, 6. 4. E III 9,6. 5. K. Held, "Nachwort des Übersetzers", in: L. Robberechts, Edmund Husserl. Eine Einführung

in seine Phänomenologie. Mit einem Nachwon von Klaus Held. Hamburg 1967, S. 151. 6. D. Cairns, Conversations with Husserl and Fink. Ed. by R. M. Zaner, The Hague 1976,

S.61. 7. So lautet der Titel eines Aufsatzes, in: Phänomenologische Forschungen 3 (1976), S. 17-47. 8. E. Fink, "Die intentionale Analyse und das Problem des spekulativen Denkens", in: Nähe

und Distanz. FreiburglMünchen 1976, S. 152. 9. A. Oe Waelhens, "Die phänomenologische Idee der Intentionalität", in: Husserl und das

Denken der Neuzeit. Den Haag 1959, S. 130; B. Rang, Kausalität und Motivation. Unter­suchungen zum Verhältnis von Perspektivität und Objektivität in der Phänomenologie Edmund Husserls. Den Haag 1973, S. 170; ders., "Repräsentation und Selbstgegebenheit. Die Aporie der Phänomenologie der Wahrnehmung in den Frühschriften Husserls", in: Phänomenologische Forschungen J (1975), S. 108 ff.

10. R. Boehm, "Immanenz und Transzendenz", in: Vom Gesichtspunkt der Phänomenologie. Husserl-Studien. Den Haag 1966, S. 141-185.

11. K. Held, Lebendige Gegenwart. Die Frage nach der Seinsweise des transzendentalen Ich

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12 Einleitung

bei Edmund Husserl, entwickelt am Leitfaden der Zeitproblematik. Den Haag 1966, S. 30. 171.

12. P. Janssen, Geschichte und Lebenswelt. Ein Beitrag zur Diskussion von Husserls Spätwerk. Den Haag 1970, S. 70 ff. G. Hoyos Vasquez, Intentionalität und Verantwortung. Geschichtsteleologie und Teleologie der Intentionalität bei Husserl. Den Haag 1976.

13. K. Schuhmann, Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie. Zum Weltproblem in der Philosophie Edmund Husserls. Den Haag 1973, S. 156 ff.

14. E. Marbach, Das Problem des Ich in der Phänomenologie Husserls. Den Haag 1974, S. 183 ff. 332 ff.

15. U. Claesges, "Zweideutigkeiten in Husserls Lebenswelt-Begriff", in: Perspektiven tran­szendentalphänomenologischer Forschung. Hrsg. von U. Claesges und K. Held, Den Haag 1972, S. 85-101.

16. H. U. Asemissen, Strukturanalytische Probleme der Wahrnehmung in der Phänomenologie Husserls, in: Kant-Studien Ergänzungsheft 73. Köln 1957, S. 62. 74.

17. R. Bernet, "Husser1s Begriff des Noema", in: Husserl-Ausgabe und Husserl-Forschung. Hrsg. von S. IJsseling, DordrechtIBostonILondon 1990, S. 64.

18. K. Schuhmann, Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie, S. XXIII. Zur Kritik daran vgl. A. Aguirre, Die Phänomenologie Husserls im Licht ihrer gegenwärtigen Interpretation und Kritik. Darmstadt 1982, S. 134-136. Damit behaupten wir natürlich nicht, daß die Phänomenologie mit dem dialektischen Denken überhaupt nichts zu tun hätte. Wie das dialektische Denken phänomenologisch fruchtbar gemacht werden kann, bildet sicherlich eine gewaltige Aufgabe der Phänomenologie. In diesem Zusammenhang schreibt E. Fink: "Die Dialektik sollte nicht als eine fremde, andersartige Methode der phänome­nologischen Denkweise gegenübergestellt werden, es käme darauf an, aus den phänomenologischen Gedanken selbst die dialektische Unruhe des Denkens hervorbrechen zu lassen." ("Phänomenologie und Dialektik", in: E. Fink, Nähe und Distanz, S. 245.) Vgl. dazu P. Janssen, Geschichte und Lebenswelt; A. Pahnin, Wissenschaft und Geschichte in der Phänomenologie Edmund Husserls. Den Haag 1972; L. Landgrebe, "Phäno­menologische Analyse und Dialektik", in: Phänomenologische Forschungen 10 (1980), S. 21-88; E. W. Orth, "Dialektik und Genesis in der Phänomenologie Husserls", in: Phänomenologische Forschungen 10 (1980), S. 7-20 und die instruktiven Aufsätze in den Sammelbänden: Phänomenologie und Marxismus 1-4. Hrsg. von B. Waldenfels und anderen, Frankfurt a. M. 1977.

19. Eine ausführliche Darstellung dieser Problematik gibt K. Held, "Nachwort des Übersetzers", S. 147-158.

20. Vgl. unten S. 208 ff. 21. An dieser Stelle betonen wir ausdrücklich, daß die bei den Ideen der konstitutiven

Phänomenologie tatsächlich völlig verschieden und nicht austauschbar sind. Die Verschiedenheit beider Ideen hat K. Held in folgenden Schriften hervorgehoben, denen die vorliegende Arbeit die sie leitende Grundeinsicht verdankt: "Nachwort des Übersetzers"; "Das Problem der Intersubjektivität und die Idee einer phänomenologischen Transzen­dentalphilosophie", in: Perspektiven transzendentalphänomenologischer Forschung. Hrsg. von U. Claesges und K. Held, Den Haag 1972, S. 3-60; "Husserls Rückgang auf das phain6-menon und die geschichtliche Stellung der Phänomenologie", in: Phänomenologische Forschungen 10 (1980), S. 89-145; "Phänomenologie der Zeit nach Husserl", in: Perspektiven der Philosophie 7 (1981), S. 185-221; "Heidegger und das Prinzip der Phänomenologie", in: Heidegger und die praktische Philosophie. Hrsg. von A. Gethmann­Siefert und O. Pöggeler, Frankfurt a. M. 1988, S. 111-139; "Heimwelt, Fremdwelt, die eine Welt" (wird erscheinen, in: Phänomenologische Forschungen 24 (1991». Schon erschienen unter dem französischen Titel "Le monde natal, le monde ~tranger, le monde un", in: Husserl-Ausgabe und Husserl-Forschung. Hrsg. von S. IJsseling, Dordrechtl BostonILondon 1990, S. 1-21. D. Welton hat auch in seinem instruktiven Aufsatz, "Der andere Husserl" (wird erscheinen in: Phänomenologische Forschungen 24 (1991», diesen Unterschied hervorgehoben. Seinen Vortrag über dieses Thema hatte ich Gelegenheit auf

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Einleitung 13

der Husserl-Tagung zu hören, welche anläßlich des 50. Todesjahres Edmund Husserls im Herbst 1988 in Wuppertal stattgefunden hat.

22. W. Wundt, Vorlesungen über die Menschen- und Tierseele. Leipzig 1922, S. 493. 23. Den Gedanken, die Instinkthandlung und die Instinktintention zu unterscheiden, finden

wir übrigens auch im außerphänomenologischen Zusammenhang bei dem Biologen J. A. B. de Haan, "Über den Begriff des Instinktes in der Tierpsychologie' , in: Folia Biotheoretica No. 1I, Instinctus. Leiden 1937, S. 1-16.

24. A. Diemer, Edmund Husserl. Versuch einer systematischen Darstellung seiner Phäno­menologie. Meisenheim am Glan 1965, S. 98 ff.

25. Im Hinblick auf den untrennbaren Zusammenhang von Assoziation und Instinkt finden sich die folgende Notizen: "Die Intentionalität im Modus der Passivität und in dem der Aktion. 'Passivität': Instinkt und Assoziation. [ ... ) Das Ich als spezifisches Subjekt der instinktiven Triebe (als Triebhabitualitäten), der durch alle lebendige Gegenwart hin­durchgehenden Triebintentionalitäten [ ... )." (XV, 148)

26. E. Holenstein, Phänomenologie der Assoziation. Zur Struktur und Funktion eines Grundprinzips der passiven Genesis bei Husserl. Den Haag 1972, S. 323.

27. Eine ausführliche Darstellung unten S. 55 ff. 28. E. Holenstein, Phänomenologie der Assoziation, S. 37, Anm. 15. Vgl. dazu unten S. 164

ff.

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ERSTER TEIL

Der Aufbruch der Phänomenologie der Instinkte im Übergang von der statischen zur genetischen

Phänomenologie

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KAPITEL I

Statische und genetische Phänomenologie

1. DIE IDEEN EINER STATISCHEN UND EINER GENETISCHEN PHÄNOMENOLOGIE

Die Intentionalität ist das Grundthema der Phänomenologie. Sie drückt bekanntlich das Grundwesen des Bewußtseins aus, demzufolge dieses immer Bewußtsein von etwas ist. Welche konkrete Gestalt die Phänomenologie einnimmt, hängt daher davon ab, wie man die Intentionalität behandelt und welche ihrer Eigenschaften man in den Vordergrund der Untersuchung stellt.

Es gibt verschiedene Wesenstypen von Intentionalitäten; so unterscheidet sich beispielsweise die Intentionalität der äußeren Wahrnehmung ihrer Struktur nach von derjenigen der Wiedererinnerung. Daraus bestimmt sich der erste Aufgabenkreis der Phänomenologie als eine deskriptive Analyse der verschiedenen Typen der Intentionalität. Wenn die Phänomenologie sich diese Aufgabe stellt, dann zeigt sie sich als eine deskriptive oder, was dasselbe heißt, eine intentionale Psychologie.

Die Intentionalität zeigt außerdem die Eigenschaft, daß sie "als Bewußtsein zwar im weitesten Sinne Meinung eines Gemeinten ist, aber daß dieses Vermeinte in jedem Moment mehr ist (mit einem Mehr Vermeintes), als was im jeweiligen Moment als explizit Gemeintes vorliegt" (I, 84). Nehmen wir als ein Beispiel eine Intention der äußeren Wahrnehmung, die auf den Tisch vor mir gerichtet ist. Obwohl in der jeweiligen Phase der äußeren Wahrnehmung nur die jeweilige Seite des Tisches wirklich gegeben wird, wird von mir trotzdem darüber hinaus der Tisch als ein dreidimensionaler Gegenstand erfahren. Dies ist dadurch möglich, daß die Wahrnehmungs­intention von den wirklich gegebenen jeweiligen Seiten auf den identischen Gegenstand übergreift. Dieses Übergreifen der jeweiligen Seiten auf den identischen Gegenstand "Tisch", oder allgemein gesagt, das Übergreifen der niederen Einheiten auf eine noch höhere Einheit der Gegenständlichkeit, heißt die Konstitution. Durch die Entdeckung der übergreifenden Mehrmeinung als des Wesenszuges der Intentionalität rückt ins Zentrum der phänomenolo­gischen Analyse das Problem der Konstitution der Gegenständlichkeit, welches die Aufgabe der konstitutiven Phänomenologie bildet.

17

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18 Erster Teil

Die Anfangsgestalt der konstitutiven Phänomenologie, wie sie von Husserl konzipiert wurde, ist die statische Phänomenologie, welche die Konstitution als ein statisches Phänomen betrachtet. In der statischen Phänomenologie werden die höhere Einheit und die unteren Einheiten der Gegenständlichkeit als Phänomene im zeitlichen Zugleich behandelt. Die Aufgabe der statischen Phänomenologie liegt darin, den konstitutiven Wesenszusammenhang zwischen der oberen Einheit und den übergriffenen unteren Einheiten der Gegen­ständlichkeit zu beschreiben. Um diese Aufgabe zu erfüllen, muß man in der statischen Analyse notwendigerweise von der oberen Einheit der Gegenständlichkeit, in unserem Beispiel vom noematischen Sinn "Tisch", ausgehen und sie als den Leitfaden benutzend nach der Regelstruktur der sie konstituierenden Bewußtseinsgestalten fragen. Daher bezeichnet Husserl die statische Phänomenologie als "die Phänomenologie der Leitfäden" (XIV, 41).

Anders als in der statischen Phänomenologie kann man die Konstitution als ein zeitliches Phänomen auffassen. Dabei sind nicht nur die obere Einheit und die übergriffenen unteren Einheiten der Gegenständlichkeit, d.h. der iden­tische Gegenstand und die MannigfaItigkeiten, sondern auch diese selbst "zeitlich auseinandergezogen, sie entfalten sich in einer Zeitgestalt." (XIX/2, 567) Die konstitutive Phänomenologie, welche die Konstitution im Hinblick auf die Zeitlichkeit behandelt, heißt die genetische Phänomenologie. Die Konstitution als eine übergreifende Mehrmeinung läßt also "eine genetische Rede" (IV, 23) zu, welche folgendermaßen beschrieben werden kann: "Man kann sich die Stufenbildung der Konstitution am Bilde einer Genesis vorstellig machen, indem man sich fingiert, Erfahrung vollzöge sich wirklich erst in den Gegebenheiten der untersten Stufen allein, es trete dann das Neue der neuen Stufe auf, womit neue Einheiten sich konstituieren usw." (V, 125). Aus der genetischen Rede der Konstitution leitet sich die Aufgabe der geneti­schen Phänomenologie ab, die darin besteht, den genetischen Übergang einer niederen in eine noch höhere Stufe der Konstitution zu erklären. Die genetische Phänomenologie ist im Unterschied zu der statischen Phänomenologie als einer beschreibenden eine '''erklärende' Phänomenologie" (XI, 340).

Die genetische Konstitution einer Gegenständlichkeit als das Übergreifen der niederen Einheiten auf eine noch höhere Einheit der Gegenständlichkeit im Zeithorizont bedeutet dabei zweierlei: Auf der einen Seite kann damit der Prozeß der Ausbildung des habituellen Apperzeptionssystems im Vergangen­heitshorizont verstanden werden, gemäß der folgenden ManuskriptsteIle: "Die 'Konstitution' - darunter können wir verstehen den genetischen Prozeß, in dem stufenweise die Apperzeptionen und genauer besehen, ein unendliches apperzeptives System als Habitus wird." (D 13 IV, 40) Auf der anderen Seite kann damit der Prozeß der jeweiligen Auswirkung des so gebildeten Apperzeptionssystems gemeint sein. Dementsprechend zeichnet sich die Aufgabe der genetischen Phänomenologie als einer erklärenden Phäno­menologie konkreter folgendermaßen ab: 1. Als die Erklärung des geneti­schen Prozesses der Ausbildung des habituellen Apperzeptionssystems selbst. 2. Als die Erklärung der Wesensstruktur der genetischen Konstitution der

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Statische und genetische Phänomenologie 19

Gegenständlichkeit als eines Prozesses der Auswirkung des habituellen Apperzeptionssystems.

Zur klareren Unterscheidung zwischen der statischen und der genetischen Phänomenologie ist es in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, darauf aufmerksam zu werden, daß die beiden Formen der geneti­schen Konstitution, wie wir sie dargestellt haben, sich in der Selbstkonstitution des transzendentalen Ego widerspiegeln, wobei diese als das vorreflektive und außerthematische Sich-Entfalten des Ego im Zeitstrom mit dessen Konstitution im Sinne einer reflektiven Erfassung seiner selbst nicht verwechselt werden darf. Die genetische Konstitl!tion der Gegenständlichkeit und die so verstandene Selbstkonstitution des transzendentalen Ego, welche einen Zusammenhang der Widerspiegelung 1 bilden, hängen also voneinander untrennbar zusammen. In diesem Sinne schreibt Husserl: "Das Ego konstitu­iert sich für sich selbst sozusagen in der Einheit einer Geschichte, und wenn wir gesagt haben, daß in der Konstitution des Ego alle Konstitutionen aller für es seiender Gegenständlichkeiten, immanenter wie transzendenter, idealer wie realer, beschlossen sind, so ist jetzt beizufügen, daß die konstitutiven Systeme, durch die für das Ego die und jene Gegenstände und Gegen­standskategorien sind, selbst nur im Rahmen einer gesetzmäßigen Genesis möglich sind." (I, 109) Wegen der Untrennbarkeit der genetischen Konstitution der Gegenständlichkeit und der Selbstkonstitution des transzendentalen Ego rückt ins Gesichtsfeld der genetischen Phänomenologie "das Ego in der Universalität seines Seins und Lebens und in Beziehung auf die korrelative Universalität seiner gegenständlichen Korrelate" (I, 89). Dies ist gerade der entscheidende Punkt, wodurch die genetische Phänomenologie sich von der statischen strikt unterscheidet. Denn das transzendentale Ego wird in der statischen Phänomenologie nur insofern in Betracht gezogen, als es einen punktuellen und logischen Ichpol darstellt, für den die Zeitlichkeit außerwesentlich ist. Als eine notwendige Folge davon bleibt in der stati­schen Phänomenologie die konkrete Fülle des transzendentalen Lebens völlig verborgen, was, wie Husserl sagt, "eine große Lücke" (I, 100) der statischen Phänomenologie ist. "Erst durch die Phänomenologie der Genesis wird das Ego als ein unendlicher, in der Einheit universaler Genesis verknüpfter Zusammenhang von synthetisch zusammengehörigen Leistungen verständlich [ ... ]." (I, 114). Und erst durch sie ist es möglich, auf "die Intentionalität des konkreten, des zeitlichen Zusammenhangs, in den alles Statische ver­flochten ist" (XVII, 318), systematisch einzugehen.

2.DIE GELTUNGSRJNDIERUNG UND DIE GENESISRJNDIERUNG ALS DAS THEMA DER STATISCHEN UND DER GENETISCHEN PHÄNOMENOLOGIE

Nach der bisherigen Darstellung der Idee einer statischen und einer geneti­schen Phänomenologie würden sich alle Ergebnisse der statischen Phäno­menologie schließlich in die Lehrgehalte der genetischen Phänomenologie

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20 Erster Teil

auflösen. Denn die genetische Phänomenologie als "eine systematische Phänomenologie [ ... 1 geht", wie es Husserl an einer ManuskriptsteIle ausdrückt, "den Stufen möglicher Konstitutionen nach, zuunterst die immer­fort notwendige Konstitution des immanenten Zeitstromes und des monadischen Seins als immanente zeitliche Einheit, dann die genetisch höhere Stufen, die Stufen der Transzendenz, Phantome etc., die Konstitution einer Natur, die Konstitution von Animalien [ ... l." (XIV, 38) Danach soll die genetische Phänomenologie die Vollendung der konstitutiven Phänomenologie darstellen, die statische Phänomenologie dagegen die methodische Vorstufe, welche das Sprungbrett zur genetischen Phänomenologie bilden soll. In diesem Sinne verstehen wir eine Stelle aus der IV, Cartesianischen Meditation: "Die zunächst ausgebildete Phänomenologie ist bloß statische, ihre Deskriptionen sind analog den naturhistorischen, die den einzelnen Typen nachgehen und sie allenfalls ordnend systematisieren. Fragen der universalen Genesis und der über die Zeitformung hinausgehenden genetischen Struktur des Ego in seiner Universalität bleiben noch fern, wie sie ja in der Tat höherstufige sind. Aber selbst wenn sie aufgeworfen werden, so geschieht es in einer Bindung. Denn zunächst wird sich auch die Wesensbetrachtung an ein Ego überhaupt halten in der Bindung, daß für es schon eine konstituierte Welt ist." (I, 110) Die notwendige Konsequenz dieser Betrachtung würde danach lauten: Die statische Phänomenologie kann, da sie bloß die Vorstufe der genetischen Phänomenologie darstellt, keine eigenständige Idee der konstitutiven Phänomenologie darstellen. Dementsprechend müßte sich die Idee einer statischen Phäno-menologie in der Spätphilosophie Husserls auflösen.

Obwohl Husserl mit der Vertiefung der genetischen Analyse die Grenze der statischen Analyse klar geworden ist, hat er die Idee einer statischen Phänomenologie niemals völlig verworfen. So bezeichnet er in der Spät­philosophie die Konstitution bzw. die Konstitutionsproblematik immerhin als "genetisch" und zugleich "statisch,,2 und zwar nicht aus einem methodischen Grunde allein, sondern, wie unten gezeigt wird, aus einem wesentlichen sachlichen Grunde.

Um die Ursache hierfür zu ermitteln, wollen wir prüfen, ob in Husserls Verständnis für die Unterscheidung von statischer und genetischer Phäno­menologie allein der Gesichtspunkt ausreichend ist, ob man die Konstitution als ein bloß statisches oder als ein zeitliches Phänomen auffaßt. Es ist dabei die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß für diese Unterscheidung ein anderer Gesichtspunkt mitbestimmend oder sogar entscheidend ist, wobei dieser neue Gesichtspunkt dasjenige Moment darstellt, welches die relative Eigen­ständigkeit der Idee einer statischen Phänomenologie gewährleisten kann.

Wenden wir uns einer Stelle der Beilage II der Formalen und Tran­szendentalen Logik zu, wo im Zusammenhang mit der Unterscheidung der statischen und der genetischen Analyse von zwei Formen der intentionalen Verweisung die Rede ist. Dort heißt es: "Während die 'statische' Analyse von der Einheit des vermeinten Gegenstandes geleitet ist und so von der unklaren Gegebenheitsweise, ihrer Verweisung als intentionaler Modifikation

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folgend, gegen das Klare hinstrebt, ist die genetische Intentionalanalyse auf den ganzen konkreten Zusammenhang gerichtet, in dem jedes Bewußtsein und sein intentionaler Gegenstand als solcher jeweils steht. Es kommen dann alsbald in Frage die anderen intentionalen Verweisungen, die zur Situation gehören, in der z.B. der die urteilende Aktivität Übende steht, also mit in Frage die immanente Einheit der Zeitlichkeit des Lebens [ ... ]." (XVII, 316, Herv. v. Vf.) Wie dieser Stelle zu entnehmen ist, spielt für die Unterscheidung der statischen und der genetischen Analyse der Zusammenhang der intentionalen Verweisung eine entscheidende Rolle. Danach besteht die Aufgabe der sta­tischen Phänomenologie darin, den Zusammenhang der intentionalen Verweisung der unklaren und modifizierten Gegebenheitsweise auf die klare und ursprünglichere aufzudecken. Die Aufgabe der genetischen Phäno­menologie dagegen besteht darin, den Zusammenhang der "anderen inten­tionalen Verweisungen" zu erklären, welche im weiteren Verlauf des Textes als die "genetischen Verweisungen" (XVII, 318) bezeichnet werden. Es ist dabei unverkennbar, daß die bei den Ideen der konstitutiven Phänomenologie sich voneinander nicht nur nach dem Gesichtspunkt unterscheiden, ob die Konstitution als ein statisches oder als ein zeitliches Phänomen aufgefaßt wird, sondern auch nach dem Gesichtspunkt, welcher Aspekt der Konstitution als einer übergreifenden Mehrmeinung erfaßt wird. Wenn Husserl an einer anderen Stelle im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen der statischen und der genetischen Phänomenologie zunächst schreibt: "Das sind Grundfragen der Unterscheidung, aber auch der Ordnung der notwendigen phänomenolo­gischen Untersuchungen. Ich spreche da immer von statischer und genetischer Phänomenologie," (XIV, 40) und unmittelbar daran anschließend fragt: "Was war da der eigentlich leitende Gesichtspunkt?" (XIV, 40), sind wir der Ansicht, daß er wohl mit dem die Unterscheidung der bei den Formen der konstitu­tiven Phänomenologie leitenden Gesichtspunkt gerade denjenigen der intentionalen Verweisung meint.

Versuchen wir nun zunächst zu bestimmen, was die intentionale Verweisung der unklareren und modifizierten auf die klare und ursprünglichere Gegebenheitsweise, deren Enthüllung den Aufgabenkreis der statischen Phänomenologie bestimmen soll, konkreter besagt. Wie dem Gegensatz "Klarheit-Unklarkeit" zu entnehmen ist, handelt es sich bei der Verweisung im statisch-phänomenologischen Zusammenhang um einen Geltungszusammen­hang. Die Verweisung der unklaren Gegebenheit auf die klare besagt also die des geltungsmäßig Abgeleiteten auf das geltungsmäßig Ursprünglichere, wobei dieses die Geltungsfundierung für jenes darstellt. Daher stellt sich heraus, daß die Aufgabe der statischen Phänomenologie darin liegt, die Struktur der Geltungsfundierung zu enthüllen. Dementsprechend bezeichnet Husserl in einem Manuskript von 1933 die Aufgabe der statischen Phänomenologie ausdrücklich als die Enthüllung der Geltungsstruktur: "Idee der statischen Phänomenologie: die universale Struktur der Weltgeltung, die Enthüllung der Geltungsstruktur in Rückbeziehung auf die ontologische Struktur als die der geltenden Welt selbst. Geltungsstruktur = das System der Geltungsfun-

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dierungen." (XV, 615) Noch ausführlicher formuliert er es im weiteren Verlauf des Textes: "Aufbau der Geltungsfundierung, zunächst Fundierung der Seinsgewißheit. Zu beachten: Fundierung der Seinsgewißheiten von der Welt; korrelativ: die für mich seiende Welt, als Seinssinn, der seine Sinnesfundierung hat. Das Fundierende muß in der fertigen Welt erfahren sein, damit das Fundierte erfahren werden kann. [ . . . ] Problem der vollkommenen Weltanschauung, des vollkommenen Sich-klarmachens der Welt als Welt möglicher Erfahrung ist also äquivalent mit dem Problem der Universalität der Geltungsfundierung. Das ist also statische Phänomenologie." (XV, 616) So identifiziert Husserl an einer anderen ManuskriptsteIle aus den dreißiger Jahren die statische Analyse einfach mit der Geltungsanalyse: "Es bedarf also einer 'statischen', das fertige Gebilde des Seinssinnes (des Sinngehaltes in der Seinsgeltung, des Fürmichseins des und des 'Inhaltes') auslegenden Geltungsanalyse und in Korrelation der Auslegung der den Seinssinn in jeder Stufe und schließlich im Ganzen leitenden Erfahrung (Erfahrungsstufe und Totalerfahrung)." (e 2 I, 6-7)

Dagegen ist der Gesichtspunkt, der die genetische Phänomenologie leitet, wie schon gesagt, die genetische Verweisung einer Gegebenheit auf eine andere, wobei diese die Genesisfundierung von jener bildet. In der genetischen Fundierung zwischen den Gegebenheiten spielen der genetische Zusam­menhang und das damit verbundene Zeitverhältnis3 eine zentrale Rolle, wobei das zeitlich Frühere das Fundierende, das zeitlich Spätere das Fundierte darstellt. Der genetische Fundierungszusammenhang bleibt in der statischen Phänomenologie, deren Aufgabe sich durch die Enthüllung der Gel­tungsfundierung bestimmt, völlig außerthematisch. "Es ist nicht die Genesis des höheren Seinssinnes in Frage beim Nachweis der Geltungsfundierung, nämlich als ob aus dem Fundierenden in subjektiv-immanenter Zeitlichkeit das Fundierte erweckt worden wäre." (XV, 615) In diesem Sinne äußert sich Husserl an einer anderen Stelle noch ausdrücklicher: "Der Konstitution [statisch] nachgehen ist nicht der Genesis nachgehen, die eben Genesis der Konstitution ist und sich als Genesis in einer Monade bewegt. [ ... ] Wesenszusammengehörigkeiten habe ich hier als die der Korrelation, aber das ist keine Bedingtheit der Genesis, es wird hier nicht das Bedingte aus dem Bedingenden." (XIV, 41) In der statischen Phänomenologie fragen wir nur nach der Geltungsstruktur, aber "nicht nach der Genesis in der Monade, nach der Art, wie solche Phänomene entspringen" (XIV, 40, Herv. v. Vf.), welche das ausschließliche Thema der genetischen Phänomenologie bildet. Dabei darf kein Mißverständnis aufkommen, als ob das Problem der Geltung kein Thema der genetischen Phänomenologie wäre. Das Problem der Geltung ist zweifellos ein wichtiges Thema der genetischen Phänomenologie; wichtig ist es aber dabei, darauf aufmerksam zu werden, daß die Geltung, wenn sie ins Blickfeld der genetischen Phänomenologie fällt, nicht im Hinblick auf die überzeitliche Struktur der Geltungsfundierung, sondern ausschließlich im Hinblick auf die Struktur der Genesisfundierung in Betracht gezogen wird. In diesem Sinne heißt es: "Der Sinn 'entspringt' als Sinn in Seinsgeltung in

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der Fundierung in Stiftung - Genesis." (XV, 616) Um die Genesisfundierung als das Thema der genetischen Phänomenologie sachgemäß zum Ausdruck zu bringen und sie von der Geltungsfundierung strikt abzugrenzen, bringt Husserl Wendungen ins Spiel wie entstehen, werden, entspringen, erwachsen, erwecken usw., denen die Wendung voraussetzen als die Bezeichnung der Geltungsfundierung entgegengesetzt wird.4 Um die Genesisfundierung als das ausschließliche Thema der genetischen Phänomenologie deutlich her­vorzuheben und sie von der Geltungsfundierung scharf abzugrenzen, schreibt Husserl an einer ManuskriptsteIle zunächst: "Der Sinn Anderer setzt mich. setzt meinen Körper als Leib, setzt mein körperliches Walten, Leib-'Haben'. leiblich Wahrnehmen etc. voraus," (XV, 616) und dann fügt er in einer Anmerkung folgendes hinzu: "Aber 'voraussetzen' ist nicht 'entspringen'!" (XV, 616)

Die Konstitution als eine übergreifende Mehrmeinung kann einmal ausschließlich nach dem Gesichtspunkt der Geltungsfundierung und zwar ohne Rücksicht auf das Problem der Genesis betrachtet werden; das ist die Idee einer statischen Phänomenologie. Die Konstitution bedeutet dabei konkreter die über­greifende Mehrmeinung des geltungsmäßig Früheren auf das geltungsmäßig Spätere. Da die objektivierende Intention im Unterschied zu der nicht-objek­tivierenden Intention den einzigen Geltungsträger darstellt, zeigt sich die Konstitution in der statischen Phänomenologie ausschließlich als die Angelegenheit der objektivierenden Intention. Die nicht-objektivierende Intention stellt konstitutiv zwar nicht nichts dar, aber Jie Konstitution im eigentlichen Sinne ist statisch-phänomenologisch betrachtet die Sache der objektivierenden Intention. Dementsprechend schreibt Husserl in der Ethik­Vorlesung von 190811909: "Wertende Akte sind wesentlich für die Konstitution von Werten, das sehen wir; aber reflektieren wir darüber, wie sie konstituierend fungieren können, so geraten wir in Unverständlichkeiten. Konstituieren können doch nur objektivierende Akte." (XXVIII, 277, Herv. v. Vf.) So wird in der statischen Phänomenologie in den Vordergrund das Problem der Begründung der Geltung einer Gegenständlichkeit gestellt. In diesem Sinne heißt es im Zusammenhang mit dem Problem der Konstitution der Urteilsgegen­ständlichkeit: "Und das Problem der Konstitution ist eigentlich überall dies, wie solche Aussagen ihre Evidenz finden können, und was Evidenz ist und leistet, in welche phanseologischen Zusammenhänge Urteile eingehen müssen, damit sie den Charakter der Begründung erhalten [ ... ]." (XXVIII, 357, Herv. v. Vf.)

Die Konstitution kann ein andermal ausschließlich nach dem Gesichtspunkt der Genesis und zwar ohne Rücksicht auf das Problem der überzeitlichen Struktur der Geltungsfundierung, nicht der Geltungsfundierung schlechthin, erfaßt werden; das ist die Idee einer genetischen Phänomenologie. Diesmal bedeutet die Konstitution konkreter die übergreifende "Mehrmeinung" des zeitlich Früheren auf das zeitlich Spätere. Das Problem der Konstitution besteht dabei darin, zu erklären, wie das zeitlich Spätere aus dem zeitlich Früheren genetisch entsteht. Die genetische Konstitution erweist sich danach nicht als

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die ausschließliche Angelegenheit der objektivierenden Intentionen, sondern aller Intentionen, welche auf dem Bewußtseinsfeld auftreten.

Aus der bisherigen Überlegung geht hervor, daß für die Unterscheidung zwischen der statischen und der genetischen Phänomenologie nicht nur der Gesichtspunkt, ob man die Konstitution als ein statisches oder als ein zeitliches Phänomen auffaßt, sondern darüber hinaus und vor allem der Gesichtspunkt, welcher Aspekt der Konstitution ins Zentrum der phänomenologischen Analyse rückt, von entscheidender Bedeutung ist. Die überzeitliche Geltungsfundierung und die zeitliche Genesisfundierung stellen die bei den nicht austauschbaren Grundkategorien der konstitutiven Phänomenologie dar, welche die relative Eigenständigkeit der statischen gegenüber der genetischen Phänomenologie als einer universalen Phänomenologie bewahren. Als solche machen sie "das Doppelgesicht der Phänomenologie" (XV, 617) aus, worauf die in der Einleitung schon erwähnte Doppeldeutigkeit der Grundbegriffe der transzen­dentalen Phänomenologie sich zurückführen läßt.

3. DAS PROBLEM DES URSPRUNGS: GELTUNGSURSPRUNG UND GENESISURSPRUNG

Um das Doppelgesicht der Phänomenologie deutlicher hervorzuheben, wollen wir nun im Anschluß an die Darstellung der Geltungsfundierung und der Genesisfundierung das damit verbundene Problem des Ursprungs in Betracht ziehen. Der Ursprung im phänomenologischen Sinne ist formal das jeweilige fundierende Glied im Fundierungszusammenhang. Da der Zusammenhang der Fundierung, wie schon gezeigt, sowohl geltungs mäßig als auch genetisch verstanden werden kann, stellt sich vorläufig heraus, daß man phänomenolo­gisch zwei Formen des Ursprungs, d.h. den Ursprung der Geltung und den Ursprung der Genesis unterscheiden muß.

Einen guten Schlüssel zum konkreteren Verständnis der Unterscheidung zwischen dem Geltungsursprung und dem Genesisursprung bietet ein Manuskript, welches in den Jahren 1916/1917, also in einem Zeitraum, in dem Husserl sich um die Entwicklung der Idee einer genetischen Phänomenologie bemühte, entstanden ist und das sich jetzt im 1. Band Zur Phänomenologie der Intersubjektivität als die Beilage XLV findet: "Die phänomenologischen Ursprungsprobleme. Zur Klärung des Sinnes und der Methode der phänomenologischen Konstitution."s Husserl versucht in diesem Manuskript die "verschiedenen Begriffe von Ursprünglichkeit und die entsprechende Relation 'ursprünglich-weniger ursprünglich'" (XIII, 347) zu erläutern. Zu diesem Zweck werden vier Beispiele6 dafür eingeführt, wie im phänomenologischen Zusammenhang von der Ursprünglichkeit die Rede sein kann. Darunter sind das erste und das dritte Beispiel darin einig, daß die Ursprünglichkeit dabei verstanden wird als in Hinsicht auf die Geltung. In diesem Zusammenhang heißt es beispielsweise: "Die Ursprünglichkeit kann besagen, daß der Gegenstand wahrgenommen ist, im Gegensatz die Nicht­Ursprünglichkeit, daß er nicht wahrgenommen, nich originär präsent ist

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(originär 'da')." (XIII, 347) Es ist unverkennbar, daß in diesem Beispiel für die Bestimmung der Ursprünglichkeit das Gegensatzpaar "klare und unklare Gegebenheitsweise", welches wir schon anhand des Beilagetextes in Formale und transzendentale Logik erörtert haben, von entscheidender Bedeutung ist. Die Ursprünglichkeit besagt in diesem Zusammenhang immer die Ursprünglichkeit der Geltung; so stellt das geltungsmäßig Erste in der Geltungsfundierung den Geltungsursprung dar. Demgegenüber ist im zweiten und vierten Beispiel für die Bestimmung der Ursprünglichkeit nicht die Struktur der Geltungsfundierung, sondern die der Genesisfundierung in der Zeitreihe von entscheidender Bedeutung. Dort heißt es im Zusammenhang mit dem Fundierungsverhältnis zwischen der "Gegenstandsapperzeption" und der "Wertapperzeption": "Eine Wertapperzeption ist fundiert in einer Gegen­standsapperzeption. Eine Erfreulichkeit ist fundiert in einer 'schon' konstitu­ierten 'Tatsache'. Das weist auf ein Zeitverhältnis zurück, die Fundierung ist eine solche, daß phänomenologisch die Gegenstandsapperzeption (die der bloßen Sachen) schon vollzogen und der Gegenstand gesetzt sein muß, damit der Wert als neuer Charakter und neue Seinsschicht für das Bewußtsein sich konstituieren kann. Also in diesem Sinne ist die Schicht der Sachapperzeption ursprünglicher als die der Wertapperzeption." (XIII, 348) Die Ursprünglichkeit besagt in diesem Zusammenhang ausschließlich, wie Husserl später bei der Überarbeitung an der soeben zitierten Stelle hinzufügt, die "Ursprünglichkeit der phänomenologischen Genesis" (XIII, 348), wobei das zeitlich Frühere den Ursprung für das zeitlich Spätere darstellt, gemäß der darauf folgenden Ausführung: "Das phänomenologisch zeitlich Spätere kann kausal nur erwachsen aus einem Früheren, das das phänomenologisch Frühere befaßt, dieses muß also Mitfaktor der kausalen Notwendigkeit sein." (XIII, 348) Allerdings ist klar, daß die Kausalität in diesem Zusammenhang, welche zwischen dem zeitlich Früheren und Späteren besteht, nicht als die Naturkausalität, sondern als die Motivationskausalität, genauer gesagt, die Kausalität der genetischen Motivation des zeitlich Späteren durch das Frühere, verstanden werden darf.

Diese Überlegung über die "verschiedenen Begriffe von Ursprünglichkeit" aus den Jahren 1916/1917 bildet nun die Grundlage dafür, in der Spät­philosophie eine klare Unterscheidung zwischen dem Geltungsursprung und dem Genesisursprung zu treffen. Dementsprechend hat Hussseri den ursprünglichen Titel "b) Zusammenhang zwischen psychologischem Ursprung und phänomenologischem Ursprung" (XIII, 351) in demselben Manuskript von 1916/1917 später bei der Überarbeitung in "Zusammenhang zwischen genetischem Ursprung und phänomenologisch-statischem Ursprung" (XIII, 351-352) abgeändert, wobei dieser nichts anderes als den Ursprung der Geltung, jener dagegen den Ursprung der Genesis bedeutet. So ist Husserl mit der Entdeckung und Vertiefung der Idee einer genetischen Phänomenologie die Doppeldeutigkeit des phänomenologischen Ursprungs als ein Spezialfall der fundamentalen Doppeldeutigkeit der phänomenologischen Grundbegriffe deutlich geworden.

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Der Geltungsursprung und der Genesisursprung unterscheiden sich voneinander strikt.7 Versuchen wir, durch einen Vergleich der verschiedenen Bewußtseinsgestalten diesen Unterschied zu verdeutlichen. Statisch-phäno­menologisch haben die Gegenwärtigungen geltungs mäßig gegenüber den Vergegenwärtigungen einen absoluten Vorrang; unter den Vergegen­wärtigungen haben die selbstgebenden Bewußtseinsgestalten gegenüber den ihnen entsprechenden bzw. mit ihnen verflochtenen Leervorstellungen geltungsmäßig einen Vorrang. So stellt statisch-phänomenologisch die Gegenwärtigung den Ursprung für die Vergegenwärtigung dar, diese wiederun den Ursprung für die ihr entsprechende Leervorstellung. Dieses Ursprungs­verhältnis gilt aber genetisch-phänomenologisch nicht mehr, vielmehr ist es auch möglich, daß sich das Verhältnis umdrehen kann. So kann die Vergegenwärtigung genetisch-phänomenologisch betrachtet den Ursprung für die Gegenwärtigung darstellen, was auf die Beziehung zwischen den selbst­gebenden Vergegenwärtigungen, z.B. den anschaulichen Erinnerungen, und den ihnen entsprechenden Leervorstellungen ebenso übertragbar ist. So lesen wir eine Stelle aus den Analysen zur passiven Synthesis: "Überall ist da zu bemerken, daß diese anschaulichen Erinnerungen nicht etwa in der Genesis vorangehen, vielmehr daß das wesensmäßige Früher die entsprechenden Leervorstellungen sind. So schon innerhalb einer Wahrnehmung, wo sich an die Urimpression notwendig leere Retention und Protention anschließen, und ebenso an den ganzen Wahrnehmungsverlauf eine konkrete leere Retention oder auch eventuell eine leere Zukunftserwartung für eine neue Wahrnehmung - die entsprechenden Anschauungen erwachsen erst durch Motivationen der Weckung." (XI, 74-75) Die Leervorstellung bildet also den genetischen Hintergrund für die selbstgebende Vergegenwärtigung und ist als solcher ihr genetischer Ursprung. Dieses Ursprungsverhältnis is übertragbar auf die Beziehung zwischen der selbstgebenden Vergegenwärtigung und der Gegenwärtigung. So lesen wir folgende Äußerung Husserls im weiteren Verlauf der Analysen zur passiven Synthesis: "Betrachten wir nun <die> genetisch ursprünglicheren Mitgegenwärtigungen, so kommen in Frage z.B. für jeden Wahrnehmungsgegenstand seine gesamten, ihm unmittelbar zugehörigen, für ihn konstitutiven Horizonte." (XI, 75)

Mit dieser allgemeinen Feststellung behaupten wir natürlich nicht, daß die Gegenwärtigung als die Original form des Bewußtseins, da sie sich genetisch­phänomenologisch im Vergleich zu ihren genetischen Vorgängern als etwas Abgeleitetes entpuppt, in keinerlei Hinsicht den genetischen Vorrang haben würde. Diese Ansicht wäre zweifellos unhaltbar. Denn die Gegenwärtigung oder die Originalform des Bewußtseins haben im Vergleich mit den Bewußtseinsgestalten, welche genetisch ihnen nachfolgen, den genetischen Vorrang. "Das hängt damit zusammen, daß jede originale Gegebenheitsweise eine doppelte genetische Nachwirkung hat. Fürs Erste in Form möglicher erinnernder Reproduktionen im Durchgang durch ursprünglich-genetisch und ganz unmittelbar sich anschließende Retentionen, und fürs Zweite die 'apperzeptive' Nachwirkung [ ... ]." (XVII, 317) Die Originalform des

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Bewußtseins hat zweifellos im Vergleich mit den Bewußtseinsgestalten, welche ihr nachfolgen und daher von ihr die genetische Nachwirkung erfahren, einen genetischen Vorrang. Aber diese klare Tatsache darf keineswegs dazu Anlaß geben, zu behaupten, daß sie im absoluten Sinne, d.h. in jederlei Hinsicht, einen genetischen Vorrang habe. Dementsprechend äußert sich Husserl in der seI ben Beilage zur Formalen und Transzendentalen Logik zunächst so: "Hierbei zeigt es sich [ ... ], daß die Originalform des Bewußtseins, die der 'Erfahrung' im weitesten Sinne [ ... ], nicht nur statisch, sondern auch genetisch bevorzugt ist gegenüber ihren intentionalen Abwandlungen." (XVII, 317) und fügt unmittelbar daran anschließend hinzu: "Auch genetisch ist - in gewisser Weise - die originale Gegebenheitsweise die ursprüngliche." (XVII, 317) Die Originalform des Bewußtseins hat also genetisch-phänomenologisch gegenüber anderen Bewußtseinsgestalten nicht in jederlei Hinsicht, sondern, wie die Wendung "in gewisser Weise" im Zitat zeigt, nur im bedingten Sinne den genetischen Vorrang.

Die Unterscheidung zwischen dem Genesisursprung und dem Geltungs­ursprung tritt noch klarer hervor, wenn man nach dem letzten Ursprung fragt. Es ist klar, daß, wenn man die Frage nach dem Fundierungszusammenhang systematisch und konsequent bis zum Ende verfolgt, man schließlich zum letzten Ursprung gelangt. Dieses Verfahren ist zumindest dem Ansatz nach sowohl statisch als auch genetisch möglich. Der letzte Ursprung bedeutet dabei den letzten tragenden Grund der gesamten Fundierung, welcher sich intentional nicht mehr auf etwas Ursprünglicheres zurückführen läßt.

Im Hinblick auf den letzten Geltungsursprung heißt es an einer Stelle der ersten Cartesianischen Meditation: "Da zu dieser Idee die Form einer systematischen Ordnung von Erkenntnissen - echten Erkenntnissen - gehört, so ergibt sich als Frage des Anfangs die nach den an sich ersten Erkenntnissen, die den ganzen Stufenbau universaler Erkenntnis tragen sollen, tragen können." (I, 54) Es ist dabei unverkennbar, daß der letzte Geltungsursprung nichts anderes als das Ego Cogito mit seiner absoluten Evidenz als einer "allen sonst erdenklichen Evidenzen vorangehenden" (I, 55) ist. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um das helle Selbstbewußtsein, welches den letzten "Geltungsgrund aller objektiven Geltungen und Gründe" (I, 65) darstellt. Genau gesehen handelt es sich beim Ego Cogito als dem letzten Geltungsursprung um das Ego in seiner momentanen "lebendigen Selbstgegenwart, die der gram­matische Sinn des Satzes ego cogito ausdrückt" (I, 62). Dementsprechend heißt es an einer Stelle im Zusammenhang mit der Bestimmung der statischen Phänomenologie: '''Statische' Phänomenologie gegenüber genetischer Phänomenologie: [ ... ] Also die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung führt auf das Problem der Mannigfaltigkeiten und Einheiten -aber dann zu den Problemen der Originalität als Primordialität etc., zuletzt auf die urtümliche Gegenwart." (XV, 617)

Das Selbstbewußtsein oder das Ego Cogito in seiner lebendigen Gegenwart als der letzte Geltungsursprung ist aber nicht der letzte Genesisursprung, denn es läßt sich genetisch auf den dunklen Hintergrund des Bewußtseins

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im Gegenwartshorizont weiter zurückführen. Dieser dunkle Bewußtseins­hintergrund ist aber längst nicht der letzte Ursprung der Genesis, denn er ist genetisch weiterhin auf den dunklen Hintergrund im fernen Vergan­genheitshorizont verwiesen. Den Unterschied zwischen bei den faßt Husserl an einer Stelle des Spätmanuskriptes folgenderweise zusammen: "Hinsichtlich der Urtümlichkeit ist natürlich zu unterscheiden die Urtümlichkeit meines, des reifen, mich besinnenden Ich, und die Urtümlichkeit, die durch die weitere Rückfrage und durch die Enthüllung der Genesis rekonstruierte Urtümlichkeit ist, Urtümlichkeit des 'Anfangs' der konstitutiven Genesis. Das Problem ist also meiner verborgenen Vergangenheit, im dunklen Horizont." (e 13 III, 7) Es muß einen letzten Genesisursprung geben, der als der letzte tragende Grund aller transzendentalen Genesis genetisch nicht mehr auf etwas genetisch Ursprünglicheres zurückführbar ist. "Die transzendentale Rückfrage muß sich also einen genetischen Anfang voraussetzen."g Durch die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte als des Urstücks der genetischen Phäno­menologie werden wir versuchen, den letzten Ursprung der Genesis zu be­stimmen.

Weil der phänomenologische Begriff des Ursprungs doppeldeutig ist, hat die Ursprungserklärung in der statischen und in der genetischen Phäno­menologie jeweils eine verschiedene Bedeutung. Die Ursprungserklärung von etwas heißt in der statischen Phänomenologie die Erklärung dessen, was für seine Konstitution geltungsmäßig vorausgesetzt werden muß. In diesem Sinne heißt es in dem oben mehrfach zitierten Manuskript von 1916/1917: "Den 'Ursprung' der Dingvorstellung, der Raum-, Bewegungsvorstellung aufweisen, das heißt aufweisen, wie ein Ding zur originären Gegebenheit (zur primor­dialen Präsenz) kommt und wie zur fortschreitenden und immer vollkom­meneren Gegebenheit, nach allen 'Schichten', also wie ein Dingnoema überzuführen ist in ein vollkommener und höher stufig gebendes Noema." (XIII, 350) Noch ausdrücklicher heißt es im weiteren Verlauf des Textes: "Läßt sich der Ursprung erweisen, so heißt es dann, wenn das in wirklicher Erfahrung geschieht: Der Gegenstand ist wirklich und vollkommen erfahrbar. Doch das ist nichts anderes, als die Existenz des Gegenstandes in direkter und voller Erfahrung ausweisen." (XIII, 351) Die Ursprungserklärung hat in der geneti­schen Phänomenologie einen ganz anderen Sinn; die Ursprungserklärung von etwas bedeutet genetisch-phänomenologisch den Aufweis dessen, was für seine Konstitution genetisch vorausgegangen sein muß. Die Ursprungserklärung bedeutet dabei ausschließlich den Aufweis der apriorischen "Gesetzmäßigkeit der Genesis, der Rückweisung jeder gegenwärtigen Erfahrungsmotivation auf vergangenes Bewußtsein, auf das es als Seinsursprung bezogen ist [ ... ]." (XIII, 357) Die Erklärung der Raumvorstellung bedeutet beispielsweise in der genetischen Phänomenologie nicht wie in der statischen Phänomenologie den Aufweis der Art, wie sie "zur originären Gegebenheit" kommt, sondern ausschließlich den Aufweis des ganzen, in den fernen Vergangenheitshorizont reichenden, genetischen Zusammenhangs, in dem sie konstitutiv zustande gebracht wird.9

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sich Raum anschaulich darstellt und sich als Einheit der Erscheinungen, der deskriptiven Darstellungsweisen Räumliches 'konstituiert'." (III, 1, 351) In der Spätphilosophie und zwar mit der Vertiefung der genetischen Phänomenologie ist es ihm aber klar geworden, daß dieses Problem wie andere nicht nur statisch-phänomenologisch, sondern auch genetisch­phänomenologisch aufgefaßt werden kann. Dementsprechend schreibt er an einer Stelle der IV. Cartesianischen Meditation und zwar im Zusammenhang mit dem Problem der universalen transzendentalen Genesis: "Man wird hier an die altbekannten Probleme des psychologischen Ursprungs der Raumvorstellung [ ... 1 erinnert. In der Phänomenologie treten sie als transzendentale und natürlich mit dem Sinn intentionaler Probleme auf, und zwar eingeordnet den Problemen der universalen Genesis." (I, 110) Den Ursprung der Raumvorstellung zu erklären heißt genetisch-phänomenologisch, wie oben gesagt, den ganzen genetischen Zusammenhang, in dem diese konstitutiv zustande gebracht wird, zu erklären. Dabei wird vom Problem der Geltung nicht einfach abstrahiert, sondern dieses Problem taucht in der genetischen Phänomenologie als ein genetisches wieder auf.

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KAPITEL 11

Das Problem der Intentionalität und die Entdeckung der Instinktintentionalität

1. DER WANDEL DES BEGRIFFS DER INENTIONALIT Ä T IM ÜBERGANG VON DER

STATISCHEN ZUR GENETISCHEN PHÄNOMENOLOGIE

Im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie findet ein tiefgreifender Wandel des Begriffs der Intentionalität statt. Für die Bestimmung des Begriffs der Intentionalität vom Standpunkt der statischen Phänomenologie aus ist das sogenannte Auffassung-Inhalt-Schema von entscheidender Bedeutung. Nach diesem Schema konstituiert sich der identische Gegenstand durch das Zusammenwirken von zwei Momenten: die Empfindungsinhalte und der Auffassungsakt. Zunächst müssen die Empfindungsinhalte als die Grundlage der Konstitution des identischen Gegenstandes vorgegeben werden. Diese vorgegebenen Empfindungsinhalte zeigen dabei keine bewußte Beziehung auf den identischen Gegenstand. Diesen Beziehung soll erst durch die Beseelung oder die Deutung dieser Empfindungsinhalte hergestellt werden, welche Husserl die Auffassung oder Apperzeption nennt. Diese Funktion des Bewußtseins, durch die Beseelung der Empfindungsinhalte die bewußte Beziehung auf den identischen Gegenstand herzustellen, heißt nichts anderes als die Intentionalität. Die Intentionalität ist also, wie Husserl sagt, ein "Erlebnischarakter [ ... ], der allererst das 'Dasein des Gegenstandes für mich' ausmacht" (XIX/I, 397), "der die Empfindung gleichsam beseelt und es seinem Wesen nach macht, daß wir dieses oder jenes Gegenständliche wahrnehmen, z.B. diesen Baum sehen, jenes Klingeln hören, den Blütenduft riechen usw." (XIX/I, 399)

Der Begriff der Intentionalität in der statischen Phänomenologie ist dadurch gekennzeichnet, daß er gegenstandsorientiert konzipiert ist. Mit diesem gegenstandsorientierten Begriff der Intentionalität hat man besonders Schwierigkeiten, wenn man beispielsweise versucht, im Hinblick auf den Bewußtseinshintergrund eine Intentionalanalyse durchzuführen. Denn es ist nach dem Auffassung-Inhalt-Schema sehr schwierig oder sogar unmöglich, eindeutig zu bestimmen, ob der Bewußtseinshintergrund, z.B. der Wahrneh­mungshintergrund, in die Kategorie des intentionalen oder des nicht-

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intentionalen Erlebnisses gehört. Dies bildet einen Grund dafür, daß Husserl an einer Stelle der Ideen I die Intentionalität als "ein sehr Selbstverständliches und doch zugleich höchst Unverständliches" (III,I, 201) bezeichnet.

Im Hinblick auf den Bewußtseinshintergrund ist es einerseits denkmöglich, ihm, da ihm "die bewußte Beziehung auf den identischen Gegenstand" fehlt, die Intentionalität abzusprechen. Der Bewußtseinshintergrund ist anderer­seits, obwohl ihm der Zug der Intentionalität im oben definierten Sinne fehlt, in der Hinsicht der Intentionalität, d.h. in der Hinsicht der "bewußten Beziehung auf', nicht ein absolutes Nichts, sondern er stellt z.B. als ein Umwandlungsmodus, d.h. als eine "Inaktualitätsmodifikation" des aktuellen intentionalen Erlebnisses doch etwas "Bewußtseinsmäßiges" dar. "So ist es z.B. klar, daß der gegenständliche Hintergrund, aus dem sich der cogitativ wahrgenommene Gegenstand dadurch heraushebt, daß ihm die auszeichnende Ichzuwendung zuteil wird, wirklich erlebnismäßig ein gegenständlicher Hintergrund ist. D.h. während wir jetzt dem reinen Gegenstand in dem Modus 'cogito' zugewendet sind, 'erscheinen' doch vierlerlei Gegenstände, sie sind anschaulich 'bewußt', fließen zu der anschaulichen Einheit eines bewußten Gegenstandsfeldes zusammen." (III,I, 188-189) Dementsprechend räumt Husserl an einer Stelle der Ideen I die Möglichkeit ein, dem Wahrneh­mungshintergrund die Intentionalität zuzusprechen. "Nun lehrte aber die phänomenologische Reflexion, daß nicht in jedem Erlebnis diese vorstel­lende, denkende, wertende, ... Ichzuwendung zu finden ist, dieses aktuelle Sich-mit-dem-Korrelatgegenstand-zu-schaffen-machen, Zu-ihm-hingerichtet­sein [ ... ], während es doch Intentionalität in sich bergen kann." (111,1, 188) Er geht einen Schritt weiter: Wegen des feststellbaren Zuges der "bewußten Beziehung auf' spricht er dem Hintergrundbewußtsein den Zug der Intentionalität zu, wie es wiederholt in den Ideen I heißt: "Ihrem eigenen Wesen nach sind diese Inaktualitäten gleichwohl schon 'Bewußtsein von etwas'" (III,I, 189), resp. im Zusammenhang mit dem Problem der Aktregung: "Solche Aktregungen sind mit allen ihren Intentionalitäten erlebt, aber das Ich lebt in ihnen nicht als 'vollziehendes Subjekt'. Damit erweitert sich der Aktbegriff in einem bestimmten und ganz unentbehrlichen Sinne." (111,1, 263)

Aus dieser vorläufigen Überlegung ergibt sich, daß der Begriff der Intentionalität, der im Zusammenhang mit dem Auffassung-Inhalt-Schema gewonnen wird, nicht angemessen ist, das weite Spektrum des Phänomens der Intentionalität sachgemäß zu erfassen. Infolge der Entdeckung der Idee einer genetischen Phänomenologie zeigt sich die Notwendigkeit noch ausdrücklicher, den statisch-phänomenologischen Begriff der Intentionalität zu revidieren. Im Hinblick auf die allgemeine Notwendigkeit der Revidierung des Begriffs der Intentionalität heißt es schon an einer Stelle in den Ideen I: "Der Begriff der Intentionalität, in der unbestimmten Weite gefaßt, wie wir ihn gefaßt haben, ist ein zu Anfang der Phänomenologie ganz unentbehrlicher Ausgangs- und Grundbegriff. Das Allgemeine, das er bezeichnet, mag vor näherer Untersuchung ein noch so Vages sein; es mag in einer noch so großen Vielheit wesentlich verschiedener Gestaltungen auftreten [ ... ]." (III,I,

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191) Die Notwendigkeit, den Begriff der Intentionalität zu revidieren, zeigt sich, wie schon gesagt, im Hinblick auf den Bewußtseinshintergrund, der vorläufig und ganz formal als der Gegensatz zum aktuellen cogito, d.h. zur Intentionalität als der bewußten Beziehung auf den identischen Gegenstand, bestimmt werden kann. Als solcher umfaßt er verschiedene Formen des potentielIen Bewußtseins, wie es in einem Beilagetext zu den Ideen I heißt: "Es scheint, daß es verschiedene Weisen des Hintergrundbewußtseins gibt oder geben kann, die ursprüngliche Weise, die nichts von solchen Modifika­tionen trägt, und das Hintergrundbewußtsein, das in Dunkel gesunkenes Vordergrundbewußtsein ist. Oder Wahrnehmungs 'regungen', Wahrnehmungs­tendenzen, die nicht Wahrnehmungen sind." (III,2, 605) Um zu ermitteln, auf welche Weise der Begriff der Intentionalität im Übergang von der statis­chen zur genetischen Phänomenologie zu revidieren ist, ist es vor alIem notwendig, die verschiedenen Formen des Bewußtseinshintergrundes voneinander sorgfältig zu unterscheiden.

Der Bewußtseinshintergrund bedeutet zunächst dasjenige potentielle Bewußtseinsfeld, dem als dessen noematisches Korrelat, wenn wir am Beispiel der äußeren Wahrnehmung bleiben, die dingliche Umgebung, d.h. der Außenhorizont der Wahrnehmungsgegenstände, entspricht. 1 Der Bewußtseins­hintergrund in diesem Sinne bedeutet nichts anderes als die Horizont­intentionalität, aus der in jedem Moment eine immer neue aktuelle Wahrnehmungslinie herausgesponnen und in die diese wieder eingebettet werden kann. Eine konsequente Weiterführung der Revidierung des Begriffs der Intentionalität in dieser Richtung führt dazu, dem "noetischen" Korrelat der Welt als eines alIe möglichen Horizonte einheitlich umspannenden Universalhorizontes die Intentionalität zuzusprechen. In diesem Sinne ist an einer StelIe eines Spätmanuskriptes ausdrücklich davon die Rede, "daß Welt mit allem Sinn, in dem sie unsere vorgegebene Welt ist und selbst mit dem Kernsinn einer ichfremden, geistlosen Natur im weitesten (in einem unerhört weiten und weitesten) Sinne Willensgebilde ist - 'intentionales' Gebilde [ ... ]." (D 14, 30) Diese Intentionalität, welche auf die Welt als den Universalhorizont aller Horizonte gerichtet ist, nennt Husserl in der Krisis­Abhandlung das "Weltbewußtsein" (VI, 105, 111, 146). Die Horizont­intentionalität und das Weltbewußtsein können, obwohl ihnen eine aktuelIe bewußte Beziehung auf den identischen Gegenstand fehlt, trotzdem insofern mit einem guten Grunde als ein intentionales Bewußtsein bezeichnet werden, als es möglich ist, bei ihnen den alIgemeinen Zug des vom Ichzentrum ausgestrahlten Gerichtetseins-auf festzustellen.

Der Bewußtseinshintergrund bedeutet zweitens dasjenige potentielIe Bewußtseinsfeld, dem als dessen noematisches Korrelat nicht der Horizont als die "Umgebung" der dreidimensionalen Wahrnehmungsdinge, sondern deren genetische Vorgänger entsprechen, welche genetisch tiefer liegen als jener Horizont und aus deren weiterem Vollzug jener Horizont mitsamt den aktuellen Wahrnehmungsdingen genetisch zustande gebracht wird. Es handelt sich also beim Bewußtseinshintergrund in diesem zweiten Sinne beispielsweise

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um dasjenige potentielle Bewußtseinsfeld, dem als dessen noematisches Korrelat das Empfindungsfeld mitsamt den verschiedenen Empfindungen entspricht. Das Empfindungsfeld mitsamt den verschiedenen Empfindungen unterscheidet sich vom Horizont als der Umgebung der dreidimensionalen Dinge dadurch, daß es keinen Zug der Dreidimensionalität und Räumlichkeit im spezifischen Sinne zeigt. 2 Husserl faßt den Unterschied zwischen bei den an einer Stelle der Ideen 11 folgendermaßen: "Wir können das durch Gegenüberstellung zweier möglicher Fälle beschreiben: die erste Möglichkeit besteht darin, daß im Hintergrund des Bewußtseins ein Ton erklingt, der schon als Gegenstand aufgefaßt, aber nicht erfaßt ist; das Ich ist etwas anderem zugewendet. Im Fall der zweiten Möglichkeit besagt die Rede vom erklin­genden Ton einen Empfindungszustand, der zwar in Bezug auf das Ich als Reiz fungiert, aber nicht die Eigenheit eines Gegenstandsbewußtseins besitzt, dem ein erklingender Ton gegenständlich bewußt ist." (IV, 23)3

Bei der Betrachtung des Bewußtseinshintergrundes in diesem zweiten Sinne zeigt sich eine zweite Richtung, nach welcher der Begriff der Intentionalität modifiziert werden muß. Danach ist außer dem Horizont- bzw. Weltbewußtsein den genetischen Vorgängern der aktuellen Dingwahrnehmung auf den unteren Stufen der genetischen Konstitution insofern die Intentionalität zuzusprechen, als es möglich ist, bei ihnen irgendeinen Zug des Gerichtetseins festzustellen. Wie wir unten im 11. Teil dieser Arbeit ausführlich zeigen werden, ist es möglich, in der Sphäre der passiven Konstitution den Zug des vom Ichzentrum ausstrahlenden Gerichtetseins festzustellen. Diesen Zug nennt Husserl in der Spätphilosophie allgemein "Affektion". Danach zeigt sich der Emfindungs­inhalt, der statisch-phänomenologisch als ein nicht-intentionales Erlebnis bestimmt wird, als etwas, welches die Intentionalität im Modus der Passivität, d.h. die "passive Intention" (XI, 76 ff) in sich birgt. "Das universale Prinzip der passiven Genesis für die Konstitution aller im aktiven Bilden letztlich vorgegebenen Gegenständlichkeiten trägt den Titel Assoziation. Es ist, wohlgemerkt, ein Titel der Intentionalität, als das in seinen Urgestalten deskriptivaufweisbar, und in seinen intentionalen Leistungen unter Wesensgesetzen stehend, aus denen alle und jede passive Konstitution [ ... ] verständlich zu machen ist." (I, 113, Herv. v. Vf.) Und an einer ManuskriptsteIle aus den dreißiger Jahren: "Assoziation ist zunächst eine Passivität und 'Gesetze' der Assoziation sind zunächst die Wesensgesetze der passiven Intentionalität und ihrer Verflechtung, vermöge deren passive intentionale Einheiten sich konstituieren." (A VI 34, 7) Darüber hinaus steht nun nichts im Wege, den Bewußtseinsgestalten auf den noch tieferliegenden Stufen der genetischen Konstitution im urpassiven Zeitstrom insofern die Intentionalität zuzusprechen, als sie irgendeinen Zug des Gerichtetseins zeigt. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um "die Stromintentionalität, in der die vor-gezeitigten Erlebniseinheiten bewußt werden [ ... ]." (e 17 IV, 3)

Es ist also möglich, dem Bewußtseinshintergrund als dem Ganzen der genetischen Vorgänger der aktuellen Wahrnehmung die Intentionalität zuzu-

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sprechen. Es ist unverkennbar, daß es möglich ist, auf den verschiedenen Stufen der genetischen Konstitution verschiedene Formen der Intentionalität zu unterscheiden. Diesem Umstand Rechnung tragend formuliert Husserl: "Wir haben also 'Bewußtsein von' in verschiedenem Sinne und in verschiedener Fundierungsstufe." (C 6, 8)4 Es ist wichtig, darauf zu achten, daß diese verschiedenen Formen der Intentionalität sich voneinander nicht wesentlich, d.h. nach der Auffassung der V. Logischen Untersuchung der Gattung nach, sondern bloß dem Vollzugsmodus nach, unterscheiden. In diesem Sinne lesen wir: "Wir müssen die eigentlichen Ichakte, die Urteilsakte, die fühlendwer­tenden und Willensakte auf ihre passiven Vorformen von Bewußtseins­erlebnissen zurückbeziehen, wie wir dann unter dem Titel intentionale Erlebnisse sie alle befassen, obschon nicht alle Intentionen im prägnanten Sinn sind." (A VI 34, 28)

Eine dritte Richtung der Revisionsbedürftigkeit des Intentionalitätsbegriffs zeichnet sich ab, wenn wir den Fundierungszusammenhang zwischen dem objektivierenden und dem nicht-objektivierenden AktS in Betracht ziehen. Es ist in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung, darauf zu achten, daß Husserl den nicht-objektivierenden Akt in der statischen Phänomenologie als eine Form des potentiellen Bewußtseins,6 d.h. eine Weise des Hinter­grundbewußtseins bestimmt. "Jedes nicht-doxisch vollzogene Aktbewußtsein ist in dieser Art potentiell objektivierend, das doxische Cogito allein vollzieht aktuelle Objektivierung." (III,l, 272) Diese Bestimmung stellt dabei eine notwendige Konsequenz der Bestimmung der Intentionalität als einer bewußten Beziehung auf den identischen Gegenstand dar, wobei die Bewußtheit immer den objektivierenden Bezug des Ich auf das Gegenständliche bedeuten soll. Der nicht-objektivierende Akt heißt gerade darum ein potentiales Bewußtsein, also ein Hintergrundbewußtse in, weil er nicht fähig ist, eine bewußte Beziehung auf den identischen Gegenstand in so verstandenem Sinne herzustellen. Dementsprechend heißt es: "Aber bloß wertende Vernunft sieht nicht, begreift nicht, expliziert nicht, prädiziert nicht. Mit ihr müssen sich also Akte der im weitesten Wortsinn logischen, der doxischen Sphäre verflechten. [ ... ] Also die Fackel der logischen Vernunft muß aufgesteckt werden, damit, was an Formen und Normen in der Gemüts- und Willens sphäre verborgen ist, an das helle Licht treten kann." (XXVIII, 69) Aus diesem Anlaß vertritt Husserl die These, daß der objektivierende Akt den nicht­objektivierenden fundiert. Dabei gilt folgendes Gesetz, zu dem er durch die Kritik an der Brentanoschen These von der Vorstellung als der Grundlage aller intentionalen Erlebnisse geführt wird und welches das allgemeine Fundierungsverhältnis zwischen den intentionalen Erlebnissen regeln soll; "Jedes intentionale Erlebnis ist entweder ein objektivierender Akt oder hat einen solchen Akt zur 'Grundlage' [ ... ]." (XIX/I, 514) Der objektivierende Akt kann nach diesem Gesetz darum den nicht-objektivierenden Akt intentional fundieren, weil er "die einzige Funktion hat", "allen übrigen Akten die Gegenständlichkeit zu allererst vorstellig zu machen, auf die sie sich in ihren neuen Weisen beziehen sollen." (XIX/I, 515) Demnach ist es intentional-

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analytisch notwendig, objektivierende und nicht-objektivierende als "primäre und sekundäre Intentionen zu unterscheiden, von welchen die letzteren ihre Intentionalität nur der Fundierung durch die ersteren verdanken." (XIX/I, 515) Gerade in diesem Sinne heißt es an einer wichtigen Stelle der V. Logischen Untersuchung: "Aber ein Gefallen ist ohne Gefälliges nicht denkbar. [ ... ] Wieder ebenso kein Begehren (dem spezifischen Charakter nach) ohne Begehrtes, kein Zustimmen oder Billigen ohne etwas, dem die Zustimmung, Billigung gilt usw. All das sind Intentionen, echte Akte in unserem Sinn. Sie alle 'verdanken' ihre intentionale Beziehung gewissen ihnen unterliegenden Vorstellungen." (XIX/I, 404)

Husserl hat aber in der Spätphilosphie mit der Vertiefung der genetischen Analyse die These von der Fundierung des nicht-objektivierenden Aktes durch den objektivierenden fallen lassen. 7 Dies hat schließlich zur Folge, daß einem Erlebnis, welches nicht auf dem objektivierenden Akt fundiert ist, insofern die Intentionalität zugesprochen werden kann, als es möglich ist, bei ihm irgendeinen Zug des "Gerichtetseins" festzustellen. Die objektivierende Vorstellungsintention stellt nun nicht mehr eine unentbehrliche Komponente für den konkreten Aufbau eines nicht-objektivierenden Aktes dar, was vom Standpunkt der statischen Phänomenologie aus unvorstellbar ist. Von diesem genetisch-phänomenologischen Standpunkt aus kann man ohne Zögern mit Husserl von der "unbewußten" Intention sprechen, welche von dem statisch-phänomenologischen Standpunkt aus gesehen "ein hölzernes Eisen" bedeutet. Dementsprechend lesen wir eine Stelle der Krisis-Abhandlung: "Sehen wir davon ab [ ... ], daß in der Horizontintentionalität sehr ver­schiedene Modi einer im gewöhnlichen engeren Wortsinn 'unbewußten' und doch aufweisbar mitlebendigen und sogar in verschiedenen Weisen mit­fungierenden Intentionalitäten beschlossen sind [ ... ]. Es gibt darüber hinaus immer noch, wie bei genauerer Analyse nachzuweisen ist, 'unbewußte' Intentionalitäten. Dahin würden ja die von der neueren 'Tiefenpsychologie' [ ... ] erschlossenen verdrängten Affekte der Liebe, der Demütigung, der 'ressentiments' und die davon unbewußt motivierten Verhaltungsweisen gehören usw." (VI, 240) Durch den Abschied von der These von der Fundierung des nicht-objektivierenden Aktes durch den objektivierenden Akt erweitert sich der Begriff der Intentionalität in einem unerhörten Maße. Die Intentionalität in diesem weitesten Sinne kann das Ganze des Erlebnisses umfassen, also nicht nur das objektivierende Erlebnis, sondern auch das wertende und wollende Erlebnis sowohl mit und ohne die Verflechtung mit der doxischen Vorstellungsintention. In diesem weitest gefaßten Sinne ist die Stimmung, welche nicht auf einen bestimmten Gegenstand gerichtet ist, sondern sich als ein Bezug auf ein unbestimmtes Ganze oder die Welt zeigt, eine Gestalt der Intentionalität. Dementsprechend heißt es: "Bin ich in guter Stimmung, so pflanzt sie sich also leicht fort, solange sie nicht durchbrochen wird durch Gegentendenzen, durch entgegengesetzte Affekte. [ ... ] Dabei behält aber die Stimmung immer eine 'Intentionalität'. Ich unterscheide gut zwischen dem Gegebenen, seinen Wertcharakteren und dem,

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was von ihnen aus motivierend fungiert für meine Stimmung. Diese ist ja eine Gefühlseinheit, die allem Erscheinenden eine Farbe verleiht, aber eine einheitliche, einen einheitlichen Schimmer der Freude, eine einheitliche dunkle Färbung der Trauer. [ ... ] Ist sie, diese heitere Stimmung selbst intentional gerichtet? Das müssen wir wohl bejahen [ ... ]." (M III 3 11 1, 29-30)

2. DAS PROBLEM DES PARALLELISMUS VON NOESIS UND NOEMA

Der tiefgreifende Wandel des Begriffs der Intentionalität im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie führte dazu, dementsprechend den Parallelismus von Noesis und Noema, wie er in den Ideen I eingeführt wurde, in der Spätphilosophie gründlich umzugestalten.

Der Parallelismus von Noesis und Noema in den Ideen ist von einer Zweideutigkeit oder sogar von einer Mehrdeutigkeit geprägt, welche sich letztlich darauf zurückführen läßt, daß er auf Grund des oben erwähnten Auffassung-Inhalt-Schemas konzipiert ist. Nach diesem Schema ist die Stellung der Empfindungsinhalte, welche als die nicht-intentionalen Erlebnisse in sich keine bewußte Beziehung auf das Noematische enthalten sollen, höchst fragwürdig. Sie gehören nach diesem Schema weder eindeutig in die Kategorie der Noesis noch in die des Noemas.

Im Hinblick auf diese Schwierigkeit bestimmt Husserl, im dritten Kapitel "Noesis und Noema", und im vierten Kapitel, "Zur Problematik der noetisch­noematischen Strukturen", des dritten Abschnittes der Ideen I das hyletische Erlebnis als eine Komponente des konkret vollständigen noetischen Erlebnisses. Im Zusammenhang mit der neuen Bestimmung schreibt er an einer Stelle des Beilagetextes der Ideen I, welcher sich auf das oben genannte dritte und vierte Kapitel bezieht, ausdrücklich: "Erst S. 199 ist im Vorübergehen gesagt, daß 'Noesis' soviel besagt wie 'konkret vollständiges intentionales Erlebnis' unter 'Betonung seiner spezifisch noetischen Momente'. Zur Noesis gehören also die hyletischen Momente, sofern solche Funktionen der Intentionalität tragen, Sinngebung erfahren, einen konkreten noematischen Sinn konstituieren helfen." (III,2, 606) Nach dieser Bestimmung soll ein vollständig konkretes noetisches Erlebnis aus zwei Momenten, nämlich einem spezifisch noetischen Erlebnis und einem hyletischen Erlebnis, bestehen.

Die Bestimmung des hyletischen Erlebnisses als einer Komponente der Noesis ist aber insofern sehr überraschend und zugleich unbegreiflich, als das hyletische Erlebnis sich aus dem statisch-phänomenologischen Standpunkt als ein nicht-intentionales Erlebnis strikt vom intentionalen, d.h. noetischen Erlebnis unterscheidet. So hält Husserl im vorangegangenen zweiten Kapitel desselben dritten Abschnittes der Ideen I, z.B. im § 85, an dem Prinzip einer strikten Unterscheidung zwischen dem hyletischen und dem noetischen Erlebnis fest. Für unseren Problemzusammenhang ist es dabei jedenfalls von entscheidender Bedeutung, daß der Gedanke des Parallelismus von Noesis und

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Noema durch diese Neubestimmung notwendig ins Schwanken gerät. Es ist zunächst möglich, zwischen dem spezifisch noetischen Erlebnis und dem dementsprechenden noematischen Sinn einen Parallelismus festzustellen. Darüber hinaus ist es auch möglich, neben diesem einen anderen Parallelismus, nämlich den Parallelismus zwischen den vollständig konkreten noetischen Erlebnissen und dem noematischen Sinn zu erkennen.8

Es darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, daß die bei den Formen des Parallelismus ihrem Wesen nach grundverschieden sind. Im Hinblick auf den Parallelismus zwischen dem spezifisch noetischen Erlebnis und dem noematischen Sinne kann man mit Husserl sagen: "Jede niederste Differenz auf der noematischen Seite weist eidetisch zurück auf niederste Differenzen der noetischen." (III,I, 296) Denn, da das spezifisch noetische Erlebnis nach dem Auffassung-Inhalt-Schema dasjenige Moment ist, welches erst die bewußte Beziehung auf den noematischen Sinn herstellt, ist es möglich, zwischen bei den einen strikten, d.h. einen Eins-zu-Eins Parallelismus festzustellen. Noch konkreter und bildlicher dargestellt, besagt dies: Die Noesis und das Noema bilden nach diesem Parallelismus einen Zusammenhang der Widerspiegelung: alles Noetische spiegelt sich im Noematischen wider und umgekehrt. "Nähere Untersuchung zeigt [ ... ], daß allen Wandlungen dieser Charaktere, wenn auch nicht in der 'Farbe selbst', die da immerfort erscheint, so doch in ihrer wechselnden 'Gegebenheitsweise' , z.B. in ihrer erscheinenden 'Orientierung zu mir' noematische Parallelen entsprechen. So spiegeln sich denn überhaupt in noematischen 'Charakterisierungen' noetische." (111,1, 232, Herv. v. Vf.) Und in einem Beilagetext zur Problematik des Noesis-Noema­Parallelismus: "Andererseits haben wir aber eine Formenlehre der Noesen und ihrer gesamten Korrelate. In dieser Weite gilt doch das Bild vom Spiegelbild." (III,2, 608-609) Beim Parallelismus von Noesis und Noema in diesem Sinne handelt es sich also immer um einen Parallelismus von Einheit und Einheit.

Andererseits behauptet Husserl aber im selben § 98 "Seinsweise des Noema. Formenlehre der Noesen, Formenlehre der Noemata", daß die Vorstellung des Spiegelbildes für den Noesis-Noema-Parallelismus nicht passend sei. So schreibt er: "Natürlich würden sich diese beiden Formenlehren keineswegs sozusagen wie Spiegelbilder zueinander verhalten [ ... ]." (111,1, 230) Mit dieser Feststellung hat er zweifellos im Hinterkopf den Parallelismus zwischen den vollständig konkreten noetischen Erlebnissen und dem noematischen Sinn, wie aus dem Zusammenhang hervorgeht. So lesen wir unmittelbar vor der kurz oben zitierten Stelle: "Man kann eine allgemeine und reine Formenlehre der Noemata entwerfen, welcher korrelativ gegenüberstehen würde eine allgemeine und nicht minder reine Formenlehre der konkreten noetischen Erlebnisse mit ihren hyletischen und spezifisch noetischen Komponenten." (III,I, 230) Es ist klar, daß der Noesis-Noema-Parallelismus in diesem zweiten Sinne das Bild der Spiegelung von Noesis und Noema zerbricht. Denn nach dem Auffassung-Inhalt-Schema, wie es vom Standpunkt der statischen Phänomenologie zu verstehen ist, gilt, "daß in den Stoffen selbst, ihrem Wesen

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nach, die Beziehung auf die objektive Einheit nicht eindeutig vorgezeichnet ist, vielmehr derselbe stoffliche Komplex mehrfache, diskret ineinander überspringende Auffassungen erfahren kann, denen gemäß verschiedene Gegenständlichkeiten bewußt werden." (III, 1, 230) Aus diesem Grunde gilt nun im Hinblick auf diesen neuen Parallelismus nicht mehr die oben ausge­sprochene, für den ersten Parallelismus zutreffende Feststellung: "Jede niederste Differenz auf der noematischen Seite weist eidetisch zurück auf niederste Differenzen der noetischen." Da nach dem Auffassung-Inhalt-Schema einem noematischen Sinn mannigfaltige Empfindungsinhalte entsprechen, zeigt sich der Parallelismus in diesem zweiten Sinne notwendig als ein Parallelismus von Vielheit und Einheit.

Der Parallelismus von Noesis und Noema in den Ideen I ist also zweideutig; es handelt sich dabei einerseits um den Parallelismus von Einheit und Einheit, andererseits aber um den Parallelismus von Vielheit und Einheit. Im Hinblick auf die Zweideutigkeit des Noesis-Noema-Parallelismus in den Ideen I, der sich durch die Bestimmung des hyletischen Erlebnisses als eines konstitu­tiven Momentes der Noesis ergibt, spricht Husserl davon, "daß der Parallelismus zwischen der Einheit des noematisch so und so 'vermeinten' Gegenstandes, des Gegenstandes im 'Sinne', und der konstituierenden Bewußtseinsgestaltungen ('ordo et connexio rerum - ordo et connexio idearum') nicht verwechselt werden darf mit dem Parallelismus von Noesis und Noema, insbesondere verstanden als Parallelismus noetischer und entsprechender noematischer Charaktere." (III,l, 232) Dabei ist mit dem ersten Parallelismus der Parallelismus zwischen den konkreten noetischen Erlebnissen im Plural und dem noematischen Sinne im Singular, d.h. der Parallelismus von Vielheit und Einheit gemeint, mit dem zweiten dagegen der Parallelismus des spezifisch noetischen Erlebnisses im Singular und des noematischen Sinnes ebenfalls im Singular, d.h. der Parallelismus von Einheit und Einheit. 9 Wie an der unmittelbar darauf folgenden Stelle: "Diesem letzten Parallelismus gelten die jetzt folgenden Betrachtungen," (III,l, 232) angekündigt, wird im vierten Kapitel des dritten Abschnittes der Ideen I: "Zur Problematik der noetischnoematischen Struktur" nur der Parallelismus von Einheit und Einheit behandelt. Abweichend davon sind aber die meisten, ja fast alle Erörterungen über den Noesis-Noema-Parallelismus auch in den Spätschriften lO am Modell des Parallelismus von Vielheit und Einheit orientiert; in diesem Zusammenhang ist in den meisten Fällen vom Parallelismus zwischen den Gegebenheitsweisen und dem identischen noematischen Sinn die Rede. Trotzdem finden wir an einer Stelle der Analysen zur passiven Synthesis, daß der Noesis-Noema­Parallelismus dort als ein Parallelismus von Einheit und Einheit ins Spiel gebracht wird. Dort heißt es im Zusammenhang mit der Unterscheidung des Sinnes in den "unaufhörlich wechselnden Sinn und einen durchgehenden identischen Sinn" (XI, 20): "Jede Phase der Wahrnehmung hat insofern ihren Sinn, als sie den Gegenstand im Wie der Bestimmung der originalen Darstellung und im Wie des Horizontes gegeben hat. Dieser Sinn ist fließend, er ist in jeder Phase ein neuer." (XI, 20)

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Obwohl Husserl auch in den Spätschriften den Parallelismus von Vielheit und Einheit ins Spiel bringt, zeigt sich dieser Parallelismus genetisch­phänomenologisch als höchst fragwürdig, ja sogar unhaltbar. Denn der Empfindungsinhalt erweist sich genetisch-phänomenologisch nicht mehr als ein bloß reelles Erlebnis, welches einmal als ein nicht-intentionales Erlebnis, einmal als eine Komponente des vollständig konkreten noetischen Erlebnisses umgedeutet werden kann, sondern, wie im vorangegangenen Paragraphen angedeutet und unten im zweiten Teil dieser Arbeit ausführlich dargestellt wird, als eine Einheit der passiven Intention und der von dieser gerichteten passiven Einheit des noematischen Sinnes. Dies besagt nichts anderes als, daß der Parallelismus zwischen "dem vollständig konkreten noetischen Erlebnis" und dem noematischen Sinn, d.h. der Parallelismus von Vielheit und Einheit nicht als ein Noesis-Noema-Parallelismus im echten Sinne bezeichnet werden darf. Damit behaupten wir natürlich nicht, daß zwischen beiden überhaupt kein Parallelismus festzustellen wäre, sondern nur, daß die Bezeichnung dieses Parallelismus als eines Noesis-Noema-Parallelismus unangemessen und sogar irreführend ist. Es ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß die auch in den Spätschriften feststellbare Tendenz, den Parallelismus von Vielheit und Einheit als einen Noesis-Noema-Parallelismus zu bezeichnen, genau gesehen, nichts anderes als einen Rest des Vorurteils des Cartesianismus darstellt, der darin besteht, die Einheit von Noesis und Noema im Modus der Passivität aus dem Zwang der absoluten Erkenntnisbegründung einfach als ein Erlebnis umzudeuten, welches nach dieser Position die Sphäre der absoluten Erkenntnis darstellen soll.

Die Strukturunterscheidung der passiven Noesis und der dementsprechenden passiven Einheit des noematischen Sinnes läßt sich nicht nur im Hinblick auf die Konstitution des Empfindungsinhaltes, sondern darüber hinaus im Hinblick auf deren genetischen Vorgänger auf den noch tiefer leigenden Stufen der genetischen Konstitution feststellen. Daraus geht hervor, daß es sich bei Noesis-Noema-Parallelismen oder Noesis-Noema-Korrelationen, weIche oberhalb der Konstitution des Wahrnehmungs gegenstandes liegen, um diejenigen "Wesenskorrelationen" handelt, "die Bestandstücke eines weiter reichenden, eines universalen Apriori sind." (VI, 162) Im Hinblick auf das universale Korrelationsapriori, welches in die Tiefe der genetischen Konstitution reicht, hat Husserl schon in einem Manuskript aus den zwanziger Jahren ausgeführt: "Im Urmaterial des Bewußtseins scheiden sich die urhyleti­schen Daten und die urhyletischen 'Auffassungen', dann in höherer Stufe hyletische Daten und ihre Auffassungen, alsdann in weiterer Stufe sich wieder­holend." (A VII 13, 67)11 Von entscheidender Bedeutung ist es dabei, darauf aufmerksam zu werden, daß der universale Parallelismus von Noesis und Noema mit einer wiederholten "Verdoppelung" des auf der oberen Stufe fest­stellbaren Unterschiedes von Noesis und Noema auf der unteren, wobei man "dasselbe zweimal auftreten [läßt] im geänderten Bedeutungszusam­menhang", 12 nichts zu tun hat. Denn es handelt sich bei dem Noetischen und dem Noematischen der unteren Stufe nicht um "dasselbe" wie bei der oberen

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Stufe, sondern sie unterscheidet sich von dieser sowohl noetisch als auch noematisch qualitativ strikt. Das noetische Moment z.B., welches auf den unter­sten Stufen der genetischen Konstitution feststellbar ist, zeigt sich, wie unten im 11. Teil dargestellt wird, nicht mehr als etwas "Subjektives" im Sinne der traditionellen Bewußtseinsphilosophie, sondern ebenfalls im Sinne der tradi­tionellen Bewußtseinsphilosophie als etwas "asubjektives",13 wie Patocka in seinem Aufsatz formuliert.

Durch die systematische Vertiefung der genetischen Analyse erschließt sich also die Möglichkeit, auf allen Stufen der genetischen Konstitution das noetische Moment und das korrelative noematische Moment festzustellen und dadurch den Noesis-Noema-Parallelismus als einen Parallelismus von Einheit und Einheit durchgängig zu bewahren. Es handelt sich dabei um einen universalen Noesis-Noema-Parallelismus oder, wie oben gesagt, um ein universales Korrelationsapriori. Als eine notwendige Folge davon zeigt sich, daß das Spiegelbild zwischen der Noesis und dem Noema, welches durch die Fehlinterpretation des "hyletischen Erlebnisses" als eines Momentes der Noesis verzerrt wird, genetisch-phänomenologisch vollständig wiederher­steIlbar ist. Es ist an dieser Stelle hinzuzufügen, daß das universale Korrelationsapriori, welches wir im Hinblick auf die verschiedenen Stufen der genetischen Konstitution festgestellt haben, darüber hinaus in allen Bereichen, d.h. universal im echten Sinne dieses Wortes gilt. Das universale Korrelationsapriori läßt sich im Hinblick auf die Horizontintentionalität bzw. das Weltbewußtsein und die nicht-objetivierende Intentionalität beobachten. Das Verhältnis der Widerspiegelung zwischen Noesis und Noema gewinnt dadurch eine universale Bedeutung.

Abweichend von dieser Feststellung spricht H. U. Hoche von der Möglichkeit einer "noematischen Interpretation der Horizontintentionalität und des 'Unbewußten"'14 und vertritt dabei die Ansicht, daß Husserl in der Spätphilosophie den Parallelismus von Noesis und Noema habe aufgeben müssen. Unverständlich ist es bei Hoche, wie die Horizontintentionalität als eine bestimmte Form der Intentionalität "noematisch" interpretiert werden kann. Dieser Versuch beruht allein darauf, daß ihm der tiefgreifende Wandel des Intentionalitätsbegriffs im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie, wie wir ihn dargestellt haben, unbekannt ist; er orientiert sich also in seinem Versuch am Modell des gegenstandsorientierten Intentionalitätsbegriffs. Obwohl Husserl die "Schwierigkeiten einer konkreten Entfaltung dieses Korrelationsapriori" (VI, 162) spürt, hat er, anders als Hoche meint, den Parallelismus von Noesis und Noema niemals verworfen. Vielmehr versucht er in der Spätphilosophie den Parallelismus von Noesis und Noema zu einem universalen Korrelationsapriori zu erweitern. "Der erste Durchbruch dieses universalen Korrelationsapriori von Erfahrungsgegenstand und Gegebenheitsweisen" , schreibt er an einer Stelle der Krisis-Abhandlung, "erschütterte mich so tief, daß seitdem meine gesamte Lebensarbeit von dieser Aufgabe einer systematischen Ausarbeitung dieses Korrelationsapriori beherrscht war." (VI, 169)

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Im Hinblick auf den universalen Parallelismus von Noesis und Noema ist zweierlei zu bemerken.

Erstens: Es zeigt sich also, daß das Auffassung-Inhalt-Schema im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie zwar revidiert,15 aber nicht einfach verworfen wird. 16 In diesem genetisch-phänomenologischen Auffassung-Inhalt-Schema weist das jeweilige noematische Moment auf irgendeiner beliebigen Stufe der genetischen Konstitution eidetisch auf das dementsprechende noetische Moment zurück und umgekehrt, wobei sich diese korrelative Einheit von Noesis und Noema genetisch auf die noch unteren Einheiten von Noesis und Noema zurückführen läßt. 17 Im genetisch-phänome­nologischen Auffassung-Inhalt-Schema ist es also möglich, auf allen Stufen der genetischen Konstitution einen Noesis-Noema-Parallelismus als einen Parallelismus von Einheit und Einheit festzustellen. Auf der anderen Seite zeigt sich in diesem Schema der Parallelismus von Vielheit und Einheit nicht als ein Noesis-Noema-Parallelismus. sondern bloß als ein Parallelismus zwischen den unteren Einheiten von Noesis und Noema und der oberen Einheit von Noesis und Noema, im Hinblick auf welchen folgende Darstellung in der Krisis-Abhandlung gilt: "Stets von neuem zeigt sich, daß, angefangen von dem oberflächlich Sichtlichen, die Erscheinungsweisen der einheitbildenden Mannigfaltigkeiten selbst wieder Einheiten sind tiefer liegender Mannig­faltigkeiten, die sie durch Erscheinungen konstituieren, so daß wir in einen dunklen Horizont zurückgeleitet werden, allerdings auf einen stets durch methodische Rückfrage aufzudeckenden." (VI, 170) 18 Der phänomenologische Begriff der Transzendenz hat genetisch-phänomenologisch betrachtet in diesem Parallelismus seinen systematischen Ort; die Transzendenz heißt also genetisch­phänomenologisch der Übergang der niederen Einheit auf eine höhere Einheit von Noesis und Noema. Da es viele Stufen der genetischen Konstitution gibt, stellt sich heraus, daß verschiedene Begriffe der Transzendenz zu unterscheiden sind. Damit haben die in der Forschungsgeschichte mehrfach beobachteten verschiedenen Begriffe von Transzendenz19 zu tun.

Zweitens: Mit der Revidierung des Auffassung-Inhalt-Schemas muß der Begriff der Hyle neu bestimmt werden.20 Die Hyle ist bekanntlich einer der umstrittensten Begriffe der transzendentalen Phänomenologie Husserls, welche so viele Diskussionen hervorgerufen und so viele Kritik erfahren haben. Die verschiedene Kritik daran und die verschiedenen Mißverständnisse darüber hat HusserI selber veranlaßt, indem er in dem berühmten § 85 der Ideen I, worauf sich die meiste Kritik bezieht, die Hyle als ein nicht-intentionales Erlebnis bestimmt und sie mit der Empfindung identifiziert hat. Den phänomenolo­gischen Begriff der Hyle, so die notwendige Konsequenz der Vertiefung der genetischen Phänomenologie, darf man aber nicht einfach mit der Empfindung identifizieren, die Empfindung stellt in der genetischen Phänomenologie bloß eine bestimmte Form der Hyle dar. "Der allgemeine Begriff Hyle bietet dann", schreibt Husserl in der Phänomenologischen Psychologie, "die äußerste Erweiterung für den aus der rein subjektiven Sphäre zu schöpfenden Begriff des Empfindungsdatums und beseitigt alle mit dem verschwommenen

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vieldeutigen Wort 'Empfindung' sich aufdrängenden Vermengungen." (IX, 167) Die Hyle bestimmt sich, wie wir unten im 11. und III. Teil sehen werden, genetisch-phänomenologisch allgemein als die Materie für die Konstitution einer noch höheren Einheit des gegenständlichen Sinnes. Die Hyle bedeutet dementsprechend zunächst das noematische Moment auf allen Stufen der genetischen Konstitution21 ; dafür setzt Husserl in den Spätmanuskripten übrigens folgende Titel: "Kern", "Auffassungsmaterial" , "Inhalt" oder "das Ichfremde". Die Hyle im weiteren Sinne bedeutet dann darüber hinaus die gesamte Grundlage für die weitere Konstitution, welche nicht nur das noe­matische Moment, sondern auch das dementsprechende noetische Moment umfaßt. Wie die Revision des Begriffs der Hyle sich in der Spätphilosophie konkret vollziehen muß, werden wir mit der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte unten im 11. und III. Teil dieser Arbeit sehen.

3. DIE ENTDECKUNG DER INSTINKTINTENTIONALITÄT

Husserl weist in der V. Logischen Untersuchung, nachdem er den Aufweis der allgemeinen Unterscheidung zwischen dem intentionalen und dem nicht­intentionalen Erlebnis geliefert hat, auf die weitere Möglichkeit hin, eine ähnliche deskriptive Unterscheidung "auch in der Sphäre des Begehrens und des Wollens auszuführen." (XIX/I, 409) Er spricht in diesem Zusammenhang von der "Schwierigkeit", welche man bei der Intentionalanalyse dieser Sphäre darin finden kann, "daß nicht jedes Begehren eine bewußte Beziehung auf ein Begehrtes zu fordern scheine, da wir doch oft von einem dunklen Langen und Drängen bewegt und einem unvorgestellten Endziel zugetrieben werden [ ... ]." (XIX/I, 409) Danach wird als ein Beispiel des Begehrens, dem die bewußte Beziehung auf den intentionalen Gegenstand, d.h. die Intentionalität im eigentlichen Sinne, wie sie in der V. Logischen Untersuchung definiert wird, mangeln könnte, auf "die weite Sphäre der natürlichen Instinkte" (XIX/I, 409) hingewiesen. Dieser Hinweis bildet den Ansatz der Intentionalanalyse der Instinktintentionalität in der Phänomenologie Husserls.

An derselben Stelle zieht Husserl zwei Lösungsvorschläge in Erwägung, um die oben erwähnte Schwierigkeit der Intentionalanalyse der "weiten Sphäre der natürlichen Instinkte" zu beseitigen. Den gedanklichen Hintergrund für die beiden Vorschläge bildet dabei das Prinzip der strikten Unterscheidung zwischen dem intentionalen und dem nicht-intentionalen Erlebnis. Da der Mangel an einer bewußten Zielvorstellung den Mangel der "Vorstellung" der Intentionalität überhaupt bedeuten kann, ist es zunächst möglich, den Instinkt als einen bloßen Zustand der Empfindung, d.h. als ein nicht-intentionales Erlebnis zu interpretieren. Dementsprechend führt der erste Vorschlag konkreter aus: "Entweder es liegen hierbei bloß Empfindungen vor (wir könnten nach Analogie von Begehrungsempfindungen sprechen, ohne aber behaupten zu müssen, daß sie zu einer wesentlich neuen Gattung von Empfindungen gehören), also Erlebnisse, die wirklich der intentionalen Beziehung erman-

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geln und daher auch dem wesentlichen Charakter des intentionalen Begehrens gattungs fremd sind." (XIX/l, 409-410) Andererseits ist es auch möglich, den Mangel an einer bewußten Zielvorstellung der natürlichen Instinkte als einen bloßen Mangel an Bestimmtheit der gegenständlichen Richtung, aber nicht einfach als den Mangel an Vorstellungscharakter, d.h. am intentionalen Zug überhaupt, zu interpretieren. Dann würde nichts im Wege stehen, den Instinkt als ein intentionales Erlebnis, welches auf die unbestimmte Gegenständlichkeit gerichtet ist, zu interpretieren. Gerade in diesem Sinne lautet der zweite Lösungsvorschlag: "Oder wir sagen: es handle sich zwar um intentionale Erlebnisse, jedoch um solche, die als unbestimmt gerichtete Intentionen charakterisiert sind, wobei die 'Unbestimmtheit' der gegen­ständlichen Richtung nicht die Bedeutung einer Privation hat, sondern einen deskriptiven Charakter und zwar einen Vorstellungscharakter bezeichnen müßte." (XIX/I, 410) Um die Bedeutung dieses zweiten Vorschlages deutlicher zu machen, zählt Husserl daran anschließend einige Beispiele der unbestimmten Vorstellung auf, welche mit der Intentionalität der natürlichen Instinkte wesensverwandt sein sollen: "So ist ja auch die Vorstellung, die wir vollziehen, wenn sich 'etwas' regt, wenn 'es' raschelt, wenn 'jemand' klingelt usw., und zwar die vor allem Aussprechen und verbalen Ausdrücken vollzogene Vorstellung, eine 'unbestimmt' gerichtete; und die 'Unbestimmtheit' gehört hierbei zum Wesen der Intention, deren Bestimmtheit es eben ist, ein unbe­stimmtes 'Etwas' vorzustellen." (XIXIl, 410)

Hinsichtlich dieser bei den Vorschläge vertritt Husserl in der V. Logischen Untersuchung die Ansicht: Es gibt einige Instinkte, welche als nicht­intentional, und demgegenüber einige andere, welche als intentional bezeichnet werden können.22 Diese Unterscheidung zwischen dem intentionalen und dem nicht-intentionalen Instinkt hält Husserl im darauffolgenden Zeitraum ungefähr bis Anfang der zwanziger Jahre fest, also in dem Zeitraum, als ihm die Idee einer genetischen Phänomenologie noch nicht klar geworden ist.

Die nicht-intentionalen Instinkte, welche in der V. Logischen Untersuchung nach Analogie zu der Empfindung in der Sphäre des objektivierenden Aktes als die "Begehrungsempfindungen" bezeichnet sind, werden an einer von Landgrebe redigierten Manuskriptstelle als die "Triebgefühle" benannt; diese sollten keine bewußte Beziehung auf die Gegenständlichkeit zeigen: "Zuunterst stehen Gefühle, die wir als Triebgefühle bezeichnen können. Es sind Gefühle des Mangels und zwar ursprüngliche, die noch nichts von der bewußten Beziehung auf Nichtseiendes implizieren, die wir beim gewöhnlichen Wortsinn von 'Mangel' mitzudenken pflegen. Der Hunger z.B. ist Gefühl eines Nahrungsmangels. Die Beziehung auf nicht seiende Nahrung können wir abschneiden und das Gefühl so nehmen, wie es ohne Verflechtung mit dieser Vorstellung gegeben sein kann." (M IIJ 3 III 1 11,93, 1902-1924)

Von den nicht-intentionalen Instinkten unterscheiden sich die intentionalen dadurch, daß sie in sich die vorstellungsmäßige Beziehung auf das Gegenständliche enthalten. Das oben festgestellte Gesetz der Fundierung des nicht-objektivierenden Aktes durch den objektivierenden bildet auch den

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Intentionalität und Instinktintentionalität 45

gedanklichen Hintergrund für die Analyse der Intentionalität des Instinktes aus dem Standpunkt der statischen Phänomenologie. Danach soll der intentionale Instinkt gleich den anderen nicht-objektivierenden Akten in sich zwei Intentionen enthalten: die fundierende Vorstellungsintention, deren Aufgabe, wie oben gesagt, darin liegen soll, "die Gegenständlichkeit zu allererst vorstellig zu machen", und dann die darauf aufgebaute Instinktintention im eigentlichen Sinne. Es soll dabei das deskriptive Wesen des intentionalen Instinktes sein, daß für ihn als die fundierende Vorstellungsintention nicht eine bestimmte, sondern eine unbestimmte Vorstellungsintention in Frage kommt; dies halten wir für den wahren Sinn des oben in Betracht gezogenen zweiten Vorschlages der V. Logischen Untersuchung, demzufolge die Intentionen der intentionalen Instinkte "als unbestimmt gerichtete Intentionen charakterisiert sind, wobei die 'Unbestimmtheit' der gegenständlichen Richtung [ ... ] einen Vorstellungscharakter bezeichnen müßte." (XIX/l, 410)

Einen Versuch, diesen Denkansatz weiter zu entfalten und dadurch die Struktureinheit des intentionalen Instinktes näher zu analysieren, finden wir in einem Nachlaßmanuskript von 1917 (oder 1918). Am Anfang des Manuskriptes heißt es zunächst: "Instinktives Tun. Triebhandlungen; instink­tive - erworbene Triebe. Instinktives Tun, 'zwecklos' Folgen von Betätigungen, die in ihrer Einheit etwas zuwege bringen [ ... ], was nicht vorher als Ziel vorgestellt war, weder anschaulich noch unanschaulich." (B I 21, 1) Und es wird unmittelbar daran anschließend hinzugefügt: "Das schließt nicht aus, daß wir sagen, die handelnde Instinktintention (die der Triebhandlung) sei fundiert in einer vorstellenden Intention, aber nicht in einer solchen, die im voraus Bestimmtes [ ... ], im voraus Bekanntes meint, sondern in dieser Hinsicht völlig unbestimmt ist; vielmehr Bestimmtheit erst durch die Erfüllung sich zueignet." (B I 21 I, 1) Es wird dann versucht, die Fundierung der Instinktintention durch die Vorstellungsintention zu begründen, wobei die Fundierung konkreter besagen soll, daß die Auswirkung der Instinktintention durch die Vorstellungsintention geleitet wird. In diesem Zusammenhang erwägt Husserl als eine Begründung dafür die Tatsache, daß die Instinktintention im Modus der Unbestimmtheit immer auf das typisch Gleichartige gerichtet ist, so die Instinktintention des Nahrungsinstinktes auf das Nahrungsmittel, die Intention des Geschlechtsinstinktes auf das andere Geschlecht usw .. Die Gleichartigkeit der Richtung der Instinktintention soll dabei ihren letzten Grund in der die Instinktintention fundierenden, d.h. leitenden, unbestimmten Vorstellungsintention haben. In diesem Sinne formuliert Husserl: "Trotzdem ist die Vorstellung auf das in der Erfüllung ihr Zuzueignende 'gerichtet' und auf nichts anderes: ebenso wie die Triebhandlung nicht beliebig realisiert, sondern immer wieder bei gleichem phänomenologischem Gehalt der Ausgangsintention 'dasselbe', nämlich typisch Gleichartiges. Diese Gleichartigkeit ist vorgezeichnet durch die dunkle und unbestimmte Vorstellung." (BI21I, I, Herv. v. Vf.) Dem allgemeinen Gesetz der Fundierung des nicht-objektivierenden durch den objektivierenden Akt getreu, wird also die objektivierende Vorstellungsintention, in diesem Falle spezifisch die unbe-

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stimmte, dunkle, oder implizite Vorstellungsintention, von dem statisch­phänomenologischen Standpunkt aus als eine unentbehrliche Komponente des Aufbaus des intentionalen Instinktes angesehen. In diesem Zusammenhang schreibt Husserl im weiteren Verlauf desselben Manuskriptes, wo die Intention des Instinktes mit der des Wunsches verglichen wird: "Man könnte sagen: die Begierde (der Wunsch) ist explizit gerichtet, der instinktive Trieb ist implizit gerichtet. Der dunkle, triebähnliche Wunsch ist explizit gerichtet, aber durch eine dunkle Vorstellung, der Trieb durch eine implizite Vorstellung. Man könnte also auch explizites und implizites Vorstellen unterscheiden." (BI21I, 5, Herv. v. Vf.)

In der Spätphilosophie verfolgt Husserl aber in der Intentionalanalyse der Instinkte nicht mehr diese Linie.

Als eine notwendige Folge davon hat Husserl in den Spätmanuskripten die vorher von ihm so energisch vertretene These von der Fundierung der Instinktintention auf der unbestimmten, dunklen oder impliziten Vorstel­lungsintention fallen lassen. Dadurch erschließt sich ihm die Möglichkeit, die Instinktintentionalität in ihrer eigenen Wesensstruktur ohne das Vorurteil der statischen Phänomenologie, das in der These vom Primat des objek­tivierenden Aktes gipfelt, sachgemäß zu analysieren. An einer ManuskriptsteIle aus der Mitte der zwanziger Jahre schreibt er über die Instinktintention folgendes: "Hunger 'schreit nach Sättigung', 'Jucken' schreit nach 'Kratzen', Schmerz ist Inhalt eines Wegstrebens, eines Mißfallens, das entspannt sein soll [ ... ]" (XIV, 334) und stellt unmittelbar daran anschließend die Frage: "Aber liegen da schon Leervorstellungen zugrunde?" (XIV, 334) Es handelt sich also um eine Frage nach der Fundierung der Instinktintention auf der Vorstellungsintention, welche von dem Standpunkt der statischen Phänomenologie aus banal klingen mag. Denn für den konkreten Aufbau der Instinktintentionalität is von dem statisch-phänomenologischen Standpunkt aus, wie oben dargestellt, die Fundierung der Vorstellungsintention unent­behrlich. Von dem genetisch-phänomenologischen Standpunkt her lautet aber die Antwort ganz anders: "Zu der unenthüllten Strebensintention gehört noch nicht die Möglichkeit einer Erinnerung oder einer ihr verwandten Vergegenwärtigung. [ ... ] Es fehlt noch die Bekanntheit und ihr Gegenteil, die Unbekanntheit, sondern statt dessen haben wir Privation der Bekanntheit. Wir müssen also phänomenologisch schärfer scheiden Leerhorizonte und Leervorstellungshorizonte. Leerbewußtsein ist als unenthüllt instinktives noch nicht leervorstellendes." (XIV, 334)

Durch den Abschied von der These von der Fundierung der Instinktintention auf der Vorstellungsintention ist es also möglich, die genetisch tieferliegenden unteren Instinkte, welche von dem statisch-phänomenologischen Standpunkt aus als die Begehrungsempfindungen bezeichnet werden, insofern als inten­tional zu bezeichnen, als sie den Zug des "Gerichtetseins" zeigen. Dabei ist die Frage der Beteiligung der Vorstellungsintention völlig außerwesentlich. Gerade in diesem Zusammenhang heißt es an einer Manuskriptstelle aus den dreißiger Jahren: "In jedem unerschlossenen Instinkt ist, wo er in Aktus ist,

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die intentionale Richtung da, aber in einen Leerhorizont, der völlig unge­formt ist, auf ein Ziel, das keine vorgezeichnete Bekanntheitsstruktur hat." (E III 9, 22, Herv. v. Vf.) Wie den umfangreichen Manuskripten nach den zwanziger Jahren zu entnehmen ist, spricht Husserl tatsächlich in der Spätphilosophie den untersten Stufen des Instinktes die Intentionalität zu. So bezeichnet er beispielsweise "die angeborenen Instinkte als eine Intentionalität, die zur ursprünglichen Wesensstruktur des seelischen Seins gehört." (e 8 n, 1)

Nach dem Wandel des Begriffs der Instinktintentionalität gliedert sich die Instinktintention in diejenige ohne und in diejenige mit der Verflechtung mit der doxischen Vorstellungsintention. Dabei stellt letztere die Entwicklungs-, d.h. die Enthüllungsgestalt jener Instinktintention dar. Danach erweist sich die vom Standpunkt der statischen Phänomenologie vertretene These, daß zwischen dem "intentionalen" und dem "nicht-intentionalen" Instinkte "kein Verhältnis der Gattungsgemeinschaft, sondern nur ein Verhältnis der Äquivokation" (XIXIl, 410) bestehen würde, genetisch-phänomenologisch als unhaltbar. Denn die strikte Unterscheidung zwischen dem "intentionalen" und dem "nicht-intentionalen" Instinkte, wie sie in der statischen Phäno­menologie verstanden wird, zeigt sich genetisch-phänomenologisch als eine bloße Unterscheidung der Vollzugsmodi ein und derselben Instinktintention.

ANMERKUNGEN

1. Vom Wahrnehmungshintergrund in diesem Sinne ist beispielsweise an einer Stelle in den Ideen I die Rede: "Jede Wahrnehmung hat [ ... 1 ihren Wahrnehmungshintergrund. Das speziell erfaßte Ding hat seine perzeptiv miterscheinende, besonderer Daseinsthesen erman­gelnde dingliche Umgebung. Auch sie ist 'wirklichseiende' Umgebung, sie ist so bewußt, daß sich [ ... 1 aktuell seinssetzende Blicke auf sie richten können." (IlI,I, 257)

2. Zu Näherem vgl. unten das zweite Kapitel des ersten Abschnittes des II. Teils dieser Arbeit.

3. Im selben Sinne schreibt Husserl an einer Stelle eines Beilagetextes zu den Ideen I: "Das Hintergrundfeld ist ein potentielles Wahrnehmungsfeld; es muß aber offen bleiben, ob immer [ ... 1 die Sinnesdata dinglich aufgefaßt seien. Im allgemeinen ist es der Fall. Es soll aber nicht behauptet werden, daß es undenkbar sei, daß der Hintergrund ein bloßer Empfindungshintergrund ist ohne dingliche Auffassung." (IlI,2, 605) So ist an einer Stelle in den Ideen I vom Bewußtseinshintergrund in diesem zweiten Sinne die Rede: "Jede Dingwahrnehmung hat so einen Hof von Hintergrundanschauungen (oder Hintergrund­schauungen, falls man in das Schauen schon das Zugewendetsein aufnimmt), und auch das ist ein 'Bewußtseinserlebnis' , oder kürzer, 'Bewußtsein', und zwar 'von' all dem, was in der Tat in dem mitgeschauten gegenständlichen 'Hintergrund' liegt. Selbstverständlich ist dabei aber nicht die Rede von dem, was 'objektiv' in dem objektiven Raume, der dem geschauten Hintergrunde zugehören mag, zu finden ist, von all den Dingen und dinglichen Vorkommnissen, die gültige und fortschreitende Erfahrung dort feststellen mag." (IlI,I, 71-72)

4. Im Zusammenhang mit den verschiedenen Formen der Intentionalität auf den verschiedenen Stufen der genetischen Konstitution heißt es im weiteren Verlauf des Textes: "I.) das ursprünglichst zeitigende Bewußtsein, in dem durch die Urimpression (Urpräsentation, Urretentionen und Protentionen) sich 'immanente Daten' (die Empfindungsdaten, mit ihren

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48 Erster Teil

Gefühlsmomenten, aber auch die Triebmomente, alles in der Weise des innersten Zeitlichen) konstituieren, aber auch die Erscheinungen von, die Ichakte, was überhaupt zeitlich­innerzeitliches Sein ist; 2.) Akte, das eigentliche Bewußthaben, Daraufgerichtetsein des Ich. Das Bewußtsein sub I.) ist uneigentliches Bewußtsein, ist keine 'Intention'. Problem dieser Uneigentlichkeit und warum es mitgerechnet wird als 'Bewußtsein von'." (C 6, 8)

5. U. Meile hat in seinem Aufsatz "Objektivierende und nicht-objektivierende Akte", Husserl­Ausgabe und Husserl-Forschung, DordrechtlBostonlLondon 1990, S. 35-49, den Problemzusammenhang zwischen dem objektivierenden und dem nicht-objektivierenden Akte einer eingehenden Analyse unterzogen.

6. Vgl. dazu auch IV, 16, XXVIII, 63. 7. Näheres dazu vgl. unten 128 ff. 8. Es sei an dieser Stelle hinzugefügt, daß, wenn man den identischen Gegenstand oder "das

'bestimmbare X im noematischen Sinn'" (III,I, 301) als den identischen Einheitspunkt aller noematischen Sinne in Betracht zieht, dann noch mehrere Noesis-Noema-Parallelismen sich ergeben.Vgl. dazu beispielsweise § 98 der Ideen I, wo von mehreren Parallelismen die Rede ist. "Die hier bestehenden Parallelismen - und es sind deren mehrere, die sich nur zu leicht durcheinandermengen - sind mit großen und noch sehr klärungsbedürftigen Schwierigkeiten behaftet." OIl,I, 231) Dementsprechend führt Husserl in einem Beilagetext zu dieser Stelle folgendes aus: "Es sind im Verhältnis von Noesis und Noema verschiedene Parallelismen nicht zu vermengen." (III,2, 607) Um der Einfachheit willen verzichten wir an dieser Stelle darauf, die sich durch die Einbeziehung des Momentes des identischen Gegenstandes ergeben, in Betracht zu ziehen.

9. Man beachte an der soeben zitierten Stelle den Unterschied der beiden Formulierungen: den "Parallelismus zwischen der Einheit des noematisch so und so 'vermeinten' Gegenstandes [ ... ] [im Singular. N. L.] und der konstituierenden Bewußtseinsgestaltungen [im Plural. N. L.]" und den "Parallelismus von Noesis und Noema, insbesondere ver­standen als Parallelismus noetischer und entsprechender noematischer Charaktere".

10. Beispielsweise I, 77 ff, VI, 161 ff. 11. An einer anderen ManuskriptsteIle findet sich eine dem Kerngedanken nach ähnliche

Formulierung: "In diesem Wahrnehmungskern ist dann beschlossen der hyletische Urkern als Auffassungsmaterial - aber diese ganze Zeitigung ist selbst schon konstituiert, nämlich mit Rücksicht auf die Urzeitigung des Empfindungsmaterials und seiner Auffassung." (C 6,7)

12. J. Pato~ka, "Der Subjektivismus der Husserlschen und die Möglichkeit einer 'asubjek­tiven' Phänomenologie", in: Philosophische Perspektiven 2 (1970), S. 331.

13. ebd., S. 333. 14. H.-U. Hoche, Handlung, Bewußtsein und Leib. Vorstudien zu einer rein noematischen

Phänomenologie. Freiburg/München 1973, S. 82. 15. Diese Ansicht wird schon von A. Aguirre, Genetische Phänomenologie und Reduktion.

Den Haag 1970, vertreten. 16. Diese Ansicht vertritt R. Boehm, "Das Konstitutionsproblem und das Zeitbewußtsein",

in: Vom Gesichtspunkt der Phänomenologie. Den Haag 1968, S. 106 ff. 17. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, daß die Phänomenologie, sofern sie mit diesem

Schema operiert, von der Gefahr des Sensualismus bedroht ist. So äußert sich Husserl einmal an einer ManuskriptsteIle aus dem Geist des von ihm so heftig kritisierten Sensualismus': "Aber wie weit wir zurückgehen mögen, immer ist dieses zweierlei notwendig: I) der Aktus, der ursprünglich erwerbend ist [ ... 1 2) und Inhalt ist immer schon vorausgesetzt, damit ein Akt, ein Tun anheben und mit ihm sein Vorhaben erfüllen kann." (C 16 V, 15) Wie die Gefahr des Sensualismus in der Phänomenologie endgültig überwunden werden kann, werden wir durch die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte erfahren. Vgl. dazu unten S. 133 ff.

18. Einen ähnlichen Gedanken finden wir im weiteren Verlauf der Krisis-Abhandlung: "Jeder erreichte 'Grund' verweist in der Tat wieder auf Gründe, jeder eröffnete Horizont weckt

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Intentionalität und Instinktintentionalität 49

neue Horizonte, und doch ist das unendliche Ganze in seiner Unendlichkeit strömender Bewegung auf Einheit des Sinnes gerichtet [ ... ]." (VI, 173)

19. R. Boehm, "Immanenz und Transzendenz", in: Vom Gesichtspunkt der Phänomenologie. Den Haag 1968, S. 141-185; R. Ingarden, "Die vier Begriffe der Transzendenz und das Problem des Idealismus", in: Analeeta Husserliana 1(1971), S. 36-74.

20. Vgl. dazu auch L. Landgrebe, "Das Problem der passiven Konstitution", in: Faktizität und Individuation. Hamburg 1982, S. 71-82. Dieser stellt dort im Hinblick auf den statisch­phänomenologischen Begriff der Hyle fest: "Demgegenüber ist aber darauf aufmerksam zu machen, daß dieser Begriff von Hyle und ihr entsprechender Urimpression später aufgegeben wurde." (79)

21. Demnach identifizieren wir in dieser Arbeit terminologisch die Hyle in diesem ersten Sinne einfach mit dem Noema. Da viele Stufen der genetischen Konstitution zu unterscheiden sind, zeigt sich der Begriff des Noema als vieldeutig. Damit hängt unserem Verständnis nach die Zweideutigkeit des Begriffs des Noema zusammen, welche in der Forschungsgeschichte zur Phänomenologie Husserls mehrmals zum Vorschein gekommen ist und die neuer­dings R. Bernet in seinem lehrreichen Aufsatz "Husserls Begriff des Noema", in: Husserl-Ausgabe und Husserl-Forschung. Hrsg. von S. IJsseling, DordrechtlBostonlLondon, S. 61-80, einer eingehenden Analyse unterzogen hat.

22. "Natürlich mag für manche Fälle die eine und für andere die andere Auffassung passen, und wir würden also auch hier zwischen den intentionalen und nicht-intentionalen Trieben kein Verhältnis der Gattungsgemeinschaft, sondern nur ein Verhältnis der Äquivokation zugestehen." (XIX/I, 410)

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KAPITELIII

Genetische Phänomenologie und Phänomenologie der Instinkte

1. DIE GENETISCHE PHÄNOMENOLOGIE ALS DER SYSTEMATISCHE ORT DER ENTFALTUNG DER PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE

Wie die Darstellungen in den bei den vorangegangenen Kapiteln zeigen, hat der objektivierende Art - auch der doxische, der vorstellende, der logische genannt - in der statischen Phänomenologie gegenüber anderen Bewußt­seinsgestalten in verschkdener Hinsicht einen absoluten Vorrang. Im 11. Kapitel wurde der Primat des objektivierenden Aktes in intentionalanalytischer Hinsicht auf die Formel gebracht: "Jedes intentionale Erlebnis ist entweder ein objektivierender Akt oder hat einen solchen zur 'Grundlage' [ ... ]." Den anderen Aspekt dieses Vorrangs bildet der konstitutionstheoretische Vorzug des objektivierenden Aktes, daß dieser die einzige Quelle der Geltung darstellt. Die Konstitution im eigentlichen Sinne ist demnach ausschließlich die Angelegenheit des objektivierenden Aktes. Konstituieren bedeutet im Umkreis der statischen Phänomenologie Objektivieren. Den absoluten Vorrang des objektivierenden Aktes gegenüber anderen Bewußtseinsgestalten in konstitu­tiver Hinsicht bringt Husserl an einer Stelle der Ethik- Vorlesung von 1914 folgenderweise zum Ausdruck: "Die logische Vernunft hat nun aber den einzig­artigen Vorzug, daß sie nicht nur in ihrem eigenen Feld [ ... ] Recht formuliert, Rechtmäßigkeit bestimmt, Rechtsgesetze als Gesetze prädiziert und ausspricht. Wertende und praktische Vernunft sind sozusagen stumm und in gewisser Weise blind. Schon das Sehen im engeren und weiteren Sinn, also auch im Sinne des 'Einsehens' ist ein doxischer Akt." (XXVIII, 68) Im absoluten Vorrang des objektivierenden Aktes gegenüber anderen BewuBt­seinsgestalten "liegt", so erklärt Husserl vom statisch-phänomenologischen Standpunkt aus, "die tiefste der Quellen, aus denen die Universalität des Logischen, zuletzt die des prädikativen Urteils aufzuklären ist [ ... ], und von da aus versteht sich auch der letzte Grund der Universalität der Herrschaft der Logik selbst." (III, 1, 272)

Der absolute Vorrang des objektivierenden Aktes in der statischen Phänomenologie besagt zugleich, daß der Instinkt insofern kein eigentliches

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Thema der konstitutiven Phänomenologie bilden kann, als die Konstitutions­analyse bloß statisch-phänomenologisch durchgeführt wird. Denn der Instinkt ist kein Träger der Geltung, sondern ein blindes Begehrungsvermögen. Daraus ergibt sich vorläufig, daß der systematische Ort der Entfaltung der Phänome­nologie der Instinkte im ganzen System der transzendentalen Phänomenologie Husserls die genetische Phänomenologie ist. In diesem Sinne heißt es: "Ich stelle, strömende Genesis erkennend, allgemeine genetische Fragen und stoße da auch auf die Instinkte, neben den erworbenen Habitualitäten finde zwar auch Umbildung der Instinkte im Laufe des Lebens von innen her betrachtet, aber immer doch Instinkte." (B III 3, 7, 1931) Daraus, daß die genetische Phänomenologie den systematischen Ort der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte bildet, läßt sich erklären, warum die Entdeckung der Intentionalität des Instinktes in ihrer wahren Struktur, wie im 11. Kapitel dargestellt, erst nach dem Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie and zwar durch den Abschied von der These der Fundierung des nicht­objektivierenden in dem objektivierenden Akte möglich war.

Die These von der genetischen Phänomenologie als dem systematischen Ort der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte besagt natürlich nicht, daß das Phänomen des Instinktes außerhalb der genetischen Phänomenologie überhaupt nicht auftreten könne. Das Phänomen des Instinktes kann z.B. rein intentionalanalytisch, d.h. ohne irgendein konstitutionstheoretisches Interesse analysiert werden, wie es in der V. Logischen Untersuchung der Fall ist. Auch im Rahmen der statischen Phänomenologie bleibt das Phänomen des Instinktes nicht völlig unbeachtet. Es kann in der statischen Phänomenologie einmal als ein konstituiertes weltliches Phänomen,l ein anderes Mal als ein hyletisches Erlebnis2 betrachtet werden. Die konkrete Fülle des transzenden­talen Instinktphänomens bleibt aber sowohl in der intentionalen Psychologie als auch in der statischen Phänomenologie fast völlig verborgen. Erst in der genetischen Phänomenologie ist es möglich, die ganze Fülle des Instinkt­phänomens als eines transzendentalen Phänomens systematisch zu thema­tisieren.

Um zu begreifen, warum das Phänomen des Instinktes erst in der geneti­schen Phänomenologie in seiner konkreten Fülle systematisch behandelt werden kann, ist es nötig, das Problem der Motivation,3 welche als die "GrundgesetzIichkeit des geistigen Lebens" (IV, 220) in der Konstitution der Gegenständlichkeit eine zentrale Rolle spielt und aus diesem Grunde im I. Kapitel und zwar im Zusammenhang mit der Konstitutionsproblematik schon erörtert werden mußte, in Betracht zu ziehen. Im I. Kapitel haben wir die Konstitution zunächst formal als eine übergreifende Mehrmeinung bestimmt und danach im Hinblick auf die Geltungs- und Genesisfundierung die bei den Formen der Konstitution unterschieden. Dabei zeigte sich die Konstitu­tion statisch-phänomenologisch als die übergreifende Mehrmeinung des geltungsmäßig Früheren auf das geltungsmäßig Spätere, und genetisch­phänomenologisch als die übergreifende Mehrmeinung des zeitlich Früheren auf das zeitlich Spätere. Im diesem Zusammenhang haben wir den Grund

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Phänomenologie der Instinkte 53

für die Notwendigkeit des Übergreijens nicht erklärt. Es handelt sich dabei um nichts anderes als um die Frage nach der phänomenologischen Motivation der Konstitution.

Wie der Doppeldeutigkeit des Begriffs der Konstitution, demzufolge diese sich einmal als die geltungsmäßig übergreifende Mehrmeinung, ein anderes Mal als die genetisch übergreifende Mehrmeinung bestimmt, zu entnehmen ist, erweist sich der Begriff der Motivation als doppeldeutig. In diesem Zusammenhang sei zunächst darauf hingewiesen, daß an einer wichtigen Stelle der Ideen I, wo die allgemeine Bestimmung des Begriffs der Motivation zu finden ist, schon von den "Äquivokationen" des Begriffs der Motivation die Rede ist: "Es ist zu beachten, daß dieser phänomenologische Grundbegriff der Motivation [ ... ] eine Verallgemeinerung desjenigen Begriffs der Motivation ist, dem gemäß wir z.B. vom Wollen des Zwecks sagen können, daß es das Wollen der Mittel motiviere. Im Übrigen erfährt der Begriff der Motivation aus wesentlichen Gründen verschiedene Wendungen, die zuge­hörigen Äquivokationen werden ungefährlich und erscheinen sogar notwendig sowie die phänomenologischen Sachlagen geklärt sind." (III,I, 101) An dieser Stelle müssen wir darauf verzichten, vollständig zu erklären, was mit den "Äquivokationen" des phänomenologischen Begriffs der Motivation gemeint sein könnte.4 Für den jetzigen Problemzusammenhang reicht es, darauf hinzuweisen, daß eine der Äquivokationen, welche, wie Husserl sagt, "unge­fährlich" und sogar "notwendig" sein sollen, mit der Doppeldeutigkeit der Idee einer konstitutiven Phänomenologie zu tun hat.

Da die Konstitution statisch-phänomenologisch die geltungsmäßig über­greifende Mehrmeinung heißt, kommt dabei als das Motivationsfundament der Konstitution nur der objektivierende Akt, d.h. der Vernunftakt im weitesten Sinne, in Frage. Es handelt sich bei der Motivation vom statisch-phänome­nologischen Standpunkt aus um nichts anderes als um "die Vernunftmotivation" (IV, 220). In diesem Sinne heißt es an einer Stelle in den Ideen I: "Hier und in jeder Art von Vernunftbewußtsein nimmt die Rede vom Zugehören eine eigene Bedeutung an. Zum Beispiel: Zu jedem Leibhaft-Erscheinen eines Dinges gehört die Setzung, sie ist nicht nur überhaupt mit diesem Erscheinen eins [ ... J. sie ist mit ihm eigenartig eins, sie ist durch es 'motiviert', und doch wieder nicht bloß überhaupt, sondern 'vernünftig motiviert' ." (III,l, 316) Da der Vernunftakt im weitesten Sinne in sich immer den Setzungscharakter oder, was dasselbe heißt, den Charakter der Stellungnahme, einschließt, kann man die "Motivation" statisch-phänomenologisch als "die Motivation von Stellungnahmen durch Stellungnahmen" (IV, 220) bezeichnen. Es ist von entscheidender Bedeutung, daß "die Vernunftmotivation" oder "die Motivation von Stellungnahmen durch Stellungnahmen" dabei rein statisch, d.h. ohne Rücksichtnahme auf den genetischen Zusammenhang gedacht werden muß.

Die Motivation besagt genetisch-phänomenologisch etwas ganz anderes als in der statischen Phänomenologie. Da die Konstitution genetisch-phänome­nologisch die übergreifende Mehrmeinung des zeitlich Früheren auf das zeitlich Spätere bedeutet, zeigt sich die Motivation als der Grund des zeitlichen

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54 Erster Teil

"Übergangs" von einem zeitlich Früheren zu einem zeitlich Späteren. In diesem Sinne lesen wir: "Indem die Phänomenologie der Genesis dem ursprünglichen Werden im Zeitstrom, das selbst ein ursprünglich konstituierendes Werden ist, und den genetisch fungierenden sogenannten 'Motivationen' nachgeht, zeigt sie, wie Bewußtsein aus Bewußtsein wird, wie dabei im Werden sich immer­fort auch konstitutive Leistung volIzieht, so der Bedingtheitszusammenhang zwischen Motivanten und Motivaten oder der notwendige Übergang von Impression in Retention, in dem <sich> das Bewußtsein eben dieses Werdens und korrelativ des Sich-WandeIns des Jetzt in soeben vergangenes Jetzt konstituiert." (XIV, 41) Daraus ergibt sich, daß die Motivation genetisch­phänomenologisch nichts anderes als den BeweggrundS bedeutet.

Da es verschiedene Stufen der genetischen Konstitution gibt, ist es möglich, verschiedene Formen der genetischen Motivation zu unterscheiden. Die universale Einheitsform des ursprünglichen Zeitstroms, in die sich alIe Formen der genetischen Konstitution einordnen, ist schon "eine Form alIverknüpfender und in jeder Einzelheit insonderheit waltender Motivation." (I, 109) "Aber innerhalb dieser Form verläuft das Leben als ein motivierter Gang beson­derer konstituierender Leistungen mit vielfältigen besonderen Motivationen und Motivationssystemen, die nach al1gemeinen Gesetzmäßigkeiten der Genesis eine Einheit der universalen Genesis des Ego herstellen." (I, 109) Die mannigfaltigen Motivationen der genetischen Konstitution kann man dabei in aktive und passive unterscheiden.

Es handelt sich bei der aktiven Motivation um die "Motivation im präg­nanten Sinn der Ichmotivation" (IV, 223), welche nichts anderes als die im faktischen genetischen Zusammenhang gedachte "Vernunftmotivation,,6 bedeutet. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, darauf zu achten, daß bei der Vernunftmotivation im genetischen Sinne nicht nur der spezifische Vernunftakt als der Träger der Geltung, sondern darüber hinaus und vor alIem der damit verbundene "Strebens- und WolIenszug" (VIII, 193) zum Vorschein kommt, der sich als der Beweggrund der aktiven Konstitution durch den ganzen Prozeß des Vernunftaktes hindurchzieht. Das ist der entscheidende Punkt, der die Vernunftmotivation im genetisch-phänomenologischen Zusammenhang von derjenigen im statisch-phänomenologischen Zusammenhang unterscheidet. Denn dieser WolIenszug bleibt in der statischen Phänomenologie, welche sich nur mit der Enthüllung der überzeitlichen Struktur der Geltungsfundierung beschäftigt, völlig unbeachtet.

Von den aktiven Motivationen unterscheiden sich die passiven Motivationen, die Husserl die "assoziativen Motivationen" (IV, 223) nennt. "Hier handelt es sich nicht um Motivation von Stellungnahmen durch StelIungnahmen (aktive Thesen durch aktive Thesen), sondern von Erlebnissen beliebiger Art, und zwar entweder von solchen, die 'Niederschläge' aus früheren Vernunftakten, Vernunftleistungen sind oder nach' Analogie' von solchen als apperzeptive Einheiten auftreten [ ... J, oder von solchen, die völlig vernunftlos sind: die Sinnlichkeit, das sich Aufdrängende, Vorgegebene, das Getriebe in der Sphäre der Passivität." (IV, 222, Herv. v. Vf.) Durch die Vertiefung der genetischen

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Analysen rücken also auch diejenigen Motivationen ins Blickfeld, "die völlig vernunftlos sind". Es handelt sich bei diesen vernunftlosen Motivationen, wie unten im 11. und III. Teil ausführlich dargestellt wird, um nichts anderes als um die Motivationen der Instinktintentionalität auf den verschiedenen Stufen der passiven Konstitution.

Die Analyse der passiven Motivation führt Husserl also in der Spätphilosophie schließlich dazu, die Instinkte als die Quelle der passiven Motivation systematisch zu behandeln. So spricht er an einer Stelle der Logik­Vorlesung von 1925126, wo das Problem der Motivationsgrundlage für die rückstrahlende Weckung der Leervorstellungen im fernen Vergangenheits­horizont behandelt wird, von der Notwendigkeit. das Problem des Instinktes als der Motivationsgrundlage mit zu erfassen: "Die Motive müssen in der lebendigen Gegenwart liegen, wobei aber vielleicht die wirksamsten Motive solche sind. auf die wir nicht Rücksicht nehmen konnten, 'Interessen' im weiten, gewöhnlichen Sinn. ursprüngliche oder schon erworbene Wertungen des Gemüts, instinktive oder schon höhere Triebe usw." (XI, 178) Die Entdeckung der Instinkte als der untersten Motivationsgrundlage der transzendentalen Konstitution bildet also das Hauptmotiv7 für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in der Spätphilosophie Husserls. Die Phänomenologie der Instinkte ist danach als das Urstück der genetischen Phänomenologie zu verstehen.

2. ÜBERBLICK ÜBER DIE ENTFALTUNG DER PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE

IN DER SPÄTPHILOSOPHIE HUSSERLS

Eine systematische Ausarbeitung der Phänomenologie der Instinkte beginnt erst in den zwanziger Jahren. Die Logik-Vorlesung von 1920/1921,8 in der zum ersten Mal das Problem der passiven Konstitution vorgetragen wurde, bildet den Ausgangspunkt der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in der Spätphilosophie Husserls. Bemerkenswert ist es dabei, daß an verschiedenen Stellen der Vorlesung im Zusammenhang mit der Problematik der passiven Konstitution mehrmals auf das Phänomen der "Tendenz" hingewiesen wird. Als ein erstes Beispiel ist an einer Stelle im Zusammenhang mit der Wahrheitsproblematik auf der passiven Ebene davon die Rede, daß "das Bewußtseinsleben in seinem ganzen Umfang durchsetzt ist von fortlaufend ver­ketteten Tendenzen auf universale Einstimmigkeit" (XI, 262). Als ein zweites Beispiel spricht Husserl im Zusammenhang mit der Assoziationsproblematik von verschiedenen Formen der Tendenz: "Tendenz zur Weckung der Gedankenreihe" (XI, 287), "Tendenz zur Wiedererinnerung" (XI, 289), "Tendenz zur Veranschaulichung" (XI, 289), "Erwartungstendenz" (XI, 188) usw. Als ein drittes Beispiel sind im Zusammenhang mit der Problematik der Horizontintentionalität die "Tendenzen, Hinweistendenzen, die zu den nicht gegebenen Erscheinungen forttreiben" (XI, 5), angeführt worden. Als ein viertes Beispiel formuliert Husserl im Zusammenhang mit der Problematik der

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56 Erster Teil

doxischen Modalität und spezifisch des Modus des Zweifels in einer Fußnote folgendes: "Die Wahl dieser Ausdrücke [Streit, Kraft, Motivieren, Fordern usw.] ist nicht ohne Grund, sie beweist, daß alle Auffassung in Tendenzen besteht, motiviert in ihrem Zusammenhang, und in dieser Motivation haben sie ihre 'Kraft'; vgl. <S.> 42, wo erst für den Zweifel die Glaubensneigung eingeführt wird. Korrelativ wäre eine inclinatio ex zu sprechen." (XI, 34) Es ist die Logik- Vorlesung von 192011921, in der Husserl die Dringlichkeit deutlich wird, das Problem der Tendenz systematisch zu behandeln.9

Dementsprechend wird an einer Stelle der Vorlesung über die Notwendigkeit der Ausarbeitung der "Phänomenologie der Tendenzen" angekündigt: "Hier ergeben sich freilich neue Probleme, die dringend der Bearbeitung harren. Es bedarf einer Phänomenologie der Tendenzen und der Aufweisung der Gesetze, welche die Realisierung der Tendenzen, die Erfüllung tendenziöser Intentionen beherrschen." (XI, 289)

Husserl versucht nun, im Herbst 1921 in St. Märgen, d.h. einige Monate nach dem Abschluß der Logik- Vorlesung, das im Rahmen der Vorlesung aufgetauchte Phänomen der Tendenzen zu analysieren. Bei diesem Versuch ist er auf die Problematik des Triebes bzw. Instinktes gestoßen und daraus resultierten in den folgenden Monaten einige für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte wichtige Manuskripte. Im Hinblick auf diese Manuskripte über die Tendenz, den Trieb und den Instinkt schreibt er rückblickend bei der Überarbeitung der Logik- Vorlesung von 1925/26 auf einem losen Blatt des Vorlesungsmanuskriptes folgendes: "Wichtiges zur Assoziation und der durch sie konstituierten Apperzeption <enthalten> die St. Märgener Manuskripte vom Herbst 1921 (also unmittelbar nach dem vorliegenden Kolleg) über Konstitution der Raumdinglichkeit. Besonders auch Triebassoziation. Unterschied zwischen uneigentlicher Vorgegebenheit von Immanentem und eigentlicher Vorgegebenheit von ichlich-triebmäßig durch Assoziation Konstituiertem." 10

Unter den St. Märgener Manuskripten von Herbst 1921 is für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte das von Husserl mit 1tp bezeichnete Manuskript von entscheidender Bedeutung; dieses Manuskript bildet jetzt das zweite Bündel von A VII 13 und trägt folgende Überschrift: "Grundlegende Untersuchungen über 'Vorgegebenheit' objektiv seiender Gegenstände und deren verschiedene 'Konstitution' als 'objektiv', 'an sich' seiend." (A VII 13, 13) Dieses Manuskript, welches sich direkt an die Logik-Vorlesung von 1920/21 anschließt, läßt sich problemgeschichtlich weiter auf die Ding- Vorlesung von 1907 11 zurückführen, wo die Konstitution der Raumdinglichkeit und damit das Phänomen der Kinästhese eingehend analysiert wird. Obwohl das Manuskript 1tp thematisch dasselbe Problem behandelt wie die Ding- Vorlesung von 1907, unterscheidet es sich aber von dieser dadurch, daß die Dingkonstitution nicht statisch-phänomenologisch, sondern genetisch-phäno­menologisch analysiert wird. Es ist für uns im Zusammenhang deshalb von großer Bedeutung, weil in ihm, anders als in der Vorlesung, im Zusammenhang mit der Konstitution der Raumdinglichkeit nicht nur das Problem der

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Kinästhese, sondern darüber hinaus das Problem der Triebintentionalität einbezogen wird.

Das Manuskript 1tp, welches die meisten bis dahin entdeckten Ideen und zugleich einen weiteren Ausblick über das Problem des Instinktes enthält, bildet die Grundlage für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in den Spätmanuskripten aus dem darauf folgenden Zeitraum. In der Spätphilosophie versucht Husserl noch entschiedener zur Analyse der Instinktintentionalität vorzudringen. Dadurch entstanden umfangreiche Manuskripte über das Problem des Instinktes. Bemerkenswert ist dabei, daß Husserl mit der Vertiefung der phänomenologischen Analyse des Instinktes für diese bewußt den Titel Phänomenologie der Instinkte setzt. Diesen Titel findet man einmal an einer Stelle des Nachlaßmanuskriptes A V 5 von 1930, wo ein grober Aufriß des Problems des Instinktes gegeben wird. Die Manuskriptstelle beginnt mit folgender Skizze: "Phänomenologie der Instinkte. Allgemeine Typen von Urinstinkten, positiv, anziehend, das Angenehme, das Wohlriechende (physi­sches Wohlbehagen als positiver Geruch), das Stinkende, Übelriechende, das Negative, dazwischen Vermittlungen." (A V 5, 199) Den gleichen Titel findet man ein anderes Mal in der "Disposition zu 'System der phänomenologi­schen Philosophie' von Edmund Husserl",12 welche E. Fink, der damalige Assistent und enge Mitarbeiter Husserls, in dessen Auftrag auch im Jahre 1930 verfaßt hat. Das Kapitel B des dritten Abschnittes: "Progressive Phänomenologie" des ersten Buches in der Disposition trägt die Überschrift: "Phänomenologie der Urintentionalität (Phänomenologie der Instinkte)" (XV, XXXIX).

Daraus, daß Husserl in der Spätphilosophie für die phänomenologische Analyse des Instinktes bewußt den Titel "Phänomenologie der Instinkte" setzt, läßt sich einsehen, wie ernst er damals versucht hat, das Problem des Instinktes systematisch zu entfalten. Die Analysen des Instinktes werden tatsächlich nicht zusammenhangslos und sporadisch, sondern nach der Anleitung eines "Plans" durchgeführt. Es geht dabei um die in der Spätphilosophie von Husserl mehrmals gefaßten Pläne, ein systematisches Grundwerk der transzenden­talen Phänomenologie zu veröffentlichen. 13 Bei der Herausgabe des ersten Buches der Ideen kündigte Husserl bekanntlich in der Einleitung l4 an, daß er daran zwei weitere Bücher anschließen wolle. Er ließ aber in den darauffol­genden Jahren diesen ursprünglichen Publikationsplan fallen und statt dessen versuchte er seit den zwanziger Jahren ein neues systematisches Grundwerk der transzendentalen Phänomenologie auszuführen. Als einen direkten Anlaß zur Änderung des Publikationsplans betrachten wir die Entdeckung der Idee einer genetischen Phänomenologie. Denn die nach dieser Idee durchgeführten, neuen genetischen Analysen lassen sich in den Rahmen der Ideen nicht einordnen. So sollte dieses neue systematische Grundwerk der transzenden­talen Phänomenologie nicht nur die Ergebnisse der bis dahin durchgeführten statischen Analysen, sondern darüber hinaus die neuen Ergebnisse, welche durch die Entdeckung der Idee einer genetischen Phänomenologie gewonnen worden sind, umfassen. Dies bestätigt die oben erwähnte Finksche Disposition,

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58 Erster Teil

welche übrigens im Rahmen des zweiten Versuchs, das Grundwerk zu veröffentlichen, von Mai 1930 bis März 1931 entstanden ist.

Daß die Phänomenologie der Instinkte in der Spätphilosophie Husserls unter der Anleitung diesser Publikations pläne entfaltet wurde, bestätigt wiederum die Finksche Disposition. Dort nimmt die Phänomenologie der Instinkte im gesamten System der transzendentalen Phänomenologie ein eigenes Kapitel ein und zwar als das Urstück der genetischen Phänomenologie oder, wie es dort heißt, als eine "Phänomenologie der Urintentionalität". In diesem Zusammenhang ist übrigens darauf hinzuweisen, daß die oben erwähnten St. Märgener Manuskripte von Herbst 1921, weIche den Grundstein für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte bilden, ebenfalls im Rahmen des Versuchs der Veröffentlichung des systematischen Werkes, nämlich im Rahmen des ersten Versuchs von Herbst 1921 bis Februar 1922 entstanden sind. Es ist darum kein Zufall, sondern eine Notwendigkeit, daß bei allen Versuchen - Herbst 1921 bis Februar 1922, Mai 1930 bis März 1931 und schließlich Oktober 1931 bis Februar 1932 - obwohl sie nicht gelungen sind, es doch immer wieder zur Entstehung umfangreicher Manuskripte über die Phänomenologie der Instinkte gekommen ist. 15

3. DIE AUFGABE DER PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE

Die Aufgabe der Phänomenologie der Instinkte, die sich als eine konstitu­tive Phänomenologie und zwar als das Urstück der genetischen Phäno­menologie versteht, besteht, so können wir vorläufig formulieren, darin, die Funktion der Instinkte in der genetischen Konstitution der Gegenständlichkeit zu erklären. Wie im I. Kapitel gesagt, besagt die genetische Konstitution als die übergreifende Mehrmeinung des zeitlich Früheren auf das zeitlich Spätere zweierlei, nämlich den Prozeß der jeweiligen Auswirkung des habituellen Apperzeptionssystems und den Prozeß der Ausbildung des habituellen Apperzeptionssystems selbst im Vergangenheitshorizont. Daraus zeigt sich die Aufgabe der Phänomenologie der Instinkte als die Erklärung der Funktion der Instinkte, erstens im Prozeß der jeweiligen Auswirkung des habituellen Apperzeptionssystems und zweitens im Prozeß der Ausbildung desselben im Vergangenheitshorizont.

Die Analysen der Instinkte in den Spätmanuskripten sind tatsächlich im Hinblick auf diese beiden Aufgaben durchgeführt worden. Dies bestätigt beispielsweise das Manuskript rtp von Herbst 1921, welches den Grundstein für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in den Spätmanuskripten bildet. In diesem Manuskript findet man am Rande kleine Notizen, welche auf den jeweiligen Problemzusammenhang hinweisen sollen. Einen Hinweis auf die Aufgabe der Phänomenologie der Instinkte entnehmen wir einigen dieser Notizen, so wie z.B. den folgenden: 1. "Die Assoziation als Assoziation von Trieben" (20), 2. "Verschiedene Modi der Triebverläufe" (20), 3. "Ein Modus der Triebintentionalität des 'ich kann '''(21), 4. "Genesis und

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Triebsystem" (23) und 5. "Identität des Bildes vermöge des Wesentlichen, Zunahme der Fülle, Triebintentionalität auf die optimale Steigerung" (40). Es ist dabei unverkennbar, daß die drei Notizen, 1, 2, und 5, mit dem oben genannten ersten Aufgabenkreis der Phänomenologie der Instinkte, die zwei anderen Notizen, 3 und 4, mit dem zweiten Aufgabenkreis zu tun haben. In diesem Manuskript findet man im Zusammenhang mit dem ersten Aufgabenkreis ziemlich ausführliche Analysen, im Zusammenhang mit dem zweiten dagegen eher Hinweise als konkrete Analysen. Im Hinblick auf den zweiten Aufgabenkreis schreibt Husserl beispielsweise an einer Stelle zunächst: "Das System der Intentionalität ist ein System von assoziativ verflochtenen Trieben, ein System von Triebassoziationen, durch Assoziationen sich modi­fizierend ausgebildeten Vermögen [ ... ]." (A VII 13, 24). Und er fügt am Rande des Manuskriptes, gleichsam als Fußnote, hinzu: "Assoziativ aus instink­tiven Trieben sich ausbildende Vermögen." (A VII 13, 24)

Die Aufgabenkreise der Phänomenologie der Instinkte, wie wir sie bestimmt haben, stimmen übrigens mit denjenigen überein, die man in dem Entwurf der Phänomenologie der Instinkte aus der oben mehrmals erwähnten Finkschen Disposition zu 'System der phänomenologischen Philosophie' von Edmund Husserl finden kann. Nach der Disposition gliedert sich die Phänomenologie der Instinkte in zwei Teile: "a) Die Urintentionalität noch undifferenziert: Gelingende Seinskonstitution als Gut. Ausbildung der Spielräume der Kinästhesen. Die intentionale Finalität der Urtriebe, das Problem des 'Unbewußten'. b) Phänomenologie der Urassoziation: die prä-ontischen Einheitsbildungen in den hyletischen Feldern. Verschmelzungs- und Sonderungsphänomene in der urpassiven Sphäre". (XV, XXXIX) Der Teil a) in diesem Entwurf der Phänomenologie der Instinkte bezieht sich inhaltlich auf die Aufgabe der Erklärung der Instinktintentionalität im Prozeß der Ausbildung des habituellen Apperzeptionssystems, der Teil b) dagegen auf diejenige im Prozeß der jeweiligen Auswirkung desselben.

Das Ziel der Phänomenologie der Instinkte liegt also darin, durch die Erfüllung dieser bei den Aufgaben die Idee einer genetischen Phänomenologie als einer universalen Phänomenologie zu verwirklichen, die sich die Aufgabe der Enthüllung des ganzen, d.h. des universalen Horizontes des transzenden­talen Lebens stellt.

Die Bestimmung der Aufgabe der Phänomenologie der Instinkte muß dabei in einem wichtigen Punkt ergänzt werden. Denn mit der bisherigen Darstellung ist die ganze Tragweite der genetischen Phänomenologie als einer univer­salen Philosophie noch nicht ganz erfaßt. Um zu erfahren, wie die Aufgabe der Phänomenologie der Instinkte ergänzt werden muß, ist es daher nötig, einen anderen, bis jetzt nicht berücksichtigten Aspekt der genetischen Phäno­menologie in Betracht zu ziehen.

Nach der Entdeckung der Horizontstruktur und der Horizontintentionalität durch die Vertiefung der genetischen Analyse zeigt sich in der Spätphilosophie Husserls die Notwendigkeit, bei der Konstitutionsanalyse der EinzeIge­genständlichkeit immer die Konstitution der Welt als des Universalhorizontes

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aller Horizonte l6 mit ins Auge zu fassen. Denn: "Dinge, Objekte [ ... ] sind 'gegeben' als für uns jeweils [ ... ] geltende, aber prinzipiell nur so, daß sie bewußt sind als Dinge, als Objekte im Welthorizont. Jedes ist etwas, 'etwas' aus der Welt, der uns ständig als Horizont bewußten. Dieser Horizont ist ander­erseits nur als Horizont für seiende Objekte bewußt und kann ohne sonderbewußte Objekte nicht aktuelle sein." (VI, 146) Wegen der "untrenn­baren Einheit" (VI, 146)17 von Welt und Ding bzw. von Weltbewußtsein und Dingbewußtsein rückt ins Zentrum der genetischen Analyse anders als in der statischen Phänomenologie das Problem der Konstitution der Welt. Oder noch stärker: Da es unmöglich ist, die beiden voneinander zu trennen, kann man das ganze Problem der Konstitution vom Standpunkt der genetischen Phäno­menologie aus einfach als das Problem der Konstitution der Welt bezeichnen. Wenn E. Fink schreibt: "Die Grundfrage der Phänomenologie läßt sich formulieren als die Frage nach dem Ursprung der Welt.",18 sind wir der Ansicht, daß er damit dasselbe meint wie wir in unserer Feststellung. Erst durch die Entfaltung der Konstitutionsproblematik des universalen Welthorizontes erschließt sich der genetischen Phänomenologie die Möglichkeit, den Anspruch auf sich zu nehmen, eine universale Philosophie im echten Sinne zu werden.

Um die Aufgabe der genetischen Phänomenologie konkreter zu begreifen, ist es nötig, die Struktur der genetischen Konstitution der Welt deutlicher zu verstehen. Wenn man die untrennbare Einheit von Welt und Ding bzw. von Weltbewußtsein und Dingbewußtsein mit dem universalen Korrelationsapriori von Noesis und Noema in einen Zusammenhang bringt, dann zeigt sich, daß es verschiedene Stufen der genetischen Konstitution der Welt gibt, welche den verschiedenen Stufen der genetischen Konstitution der Einzeldinge entsprechen. Die Welt als das noematische Korrelat des Weltbewußtseins ist wie das Einzelding nicht etwas, welches uns plötzlich, d.h. mit einem Schlag gegeben werden kann, sondern sie stellt nochmals wie das Einzelding das Produkt der genetischen Konstitution dar. Dementsprechend kann man sagen, "daß die ständig für uns im strömenden Wandel der Gegebenheitsweisen seiende Welt ein universaler geistiger Erwerb ist, als das geworden und zugleich fortwerdend als Einheit einer geistigen Gestalt, als ein Sinngebilde - als Gebilde einer universalen letztfungierenden Subjektivität." (VI, 115) Die Welt läßt sich genetisch auf die passive Form der Welt als ihren geneti­schen Vorgänger zurückführen. Husserl bezeichnet in diesem Sinne an einer Manuskriptstelle die hyletische Sphäre der lebendigen Gegenwart als "eine ichfremde hyletische Quasi-Welt" oder einfach als die '''Vor'-Welt'' (C 16 V, 15).19 Das Weltbewußtsein, im Hinblick auf das es, wie das universale Korrelationsapriori zeigt, möglich ist, verschiedene Vollzugsmodi zu unter­scheiden,20 ist es, "für das diese 'Vor' -Welt ist und durch dessen oder in dessen Funktionieren in Affektion und Aktion die eigentliche Welt zur Schöpfung kommt in einer Vielheit von Schöpfungsstufen, denen relative 'Welten' entsprechen." (C 16 V, 15-16)

Die genetische Konstitution der Welt kann gleich derjenigen des Einzeldinges im doppelten Sinne verstanden werden: 1. als der Prozeß der

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jeweiligen Auswirkung des Weltbewußtseins, oder was dasselbe heißt, der Prozeß des Wachwerdens des Weltbewußtseins, in dem sich die jeweilige Eröffnung von Welt vollzieht, 2. als der Prozeß der Ausbildung dieses habituellen Weltbewußtseins selbst im Vergangenheitshorizont. Dement­sprechend bestimmt sich die Aufgabe der genetischen Phänomenologie letztlich dadurch, diese bei den Prozesse zu erklären. In diesem Zusammenhang sei, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es bei der Problematik der genetischen Konstitution der Welt, wie oben im I. Kapitel erörtert, nicht primär um die Frage geht, wie die Welt "zur originären Gegebenheit (zur primordialen Präsenz) kommt" (XIII, 350), sondern vielmehr um die Frage der Bildung bzw. Eröffnung der Welt als des Universalhorizontes aller Horizonte.

Damit, daß das Problem der Konstitution der Welt das ganze Thema der Spätphilosophie Husserls ausmacht, hängt untrennbar zusammen, daß die phänomenologische Analyse der Instinkte in den Spätmanuskripten nicht nur im Hinblick auf das Problem der Konstitution der Einzelgegenständlichkeiten, sondern vorwiegend im Hinblick auf das Problem der Konstitution der Welt durchgeführt wird. Erst dadurch erschließt sich der Phänomenologie der Instinkte die Möglichkeit, das Urstück der genetischen Phänomenologie im echten Sinne zu werden, welche sich die Aufgabe stellt, den universalen Welthorizont mitsamt seiner genetischen "Geschichte" konstitutionstheoretisch zu erklären. In diesem Sinne lesen wir die Überschrift eines Manuskriptes von 1930, welches für die Phänomenologie der Instinkte eine wichtige Quelle darstellt: "Vorgegebene Welt, Historizität, Trieb, Instinkt. Zu der Etablierung des universalen Konstitutionsproblems. Die vorgegebene Welt in Rücksicht auf die Historizität mit den Randproblemen Geburt, Tod, Generation, tierisches Dasein, Trieb, Instinkt." (E III 10, 1) Danach soll die Aufgabe der Phänomenologie der Instinkte darin liegen, die Funktion der Instinkte für die genetische Konstitution der Welt im oben definierten doppelten Sinne zu erklären.

ANMERKUNGEN

1. Beispielsweise in § 59: "Das Ich als Subjekt der Vermögen" und § 61: "Das geistige Ich und sein Untergrund" und den dazugehörigen Beilagetexten zu den Ideen 11.

2. So wird beispielsweise in den Ideen I als ein Beispiel der Empfindung der sensuelle Trieb eingeführt. "Desgleichen die sensuellen Lust-, Schmerz-, Kitzelempfindungen usw., und wohl auch sensuelle Momente der Sphäre der 'Triebe'." (III,I, 192)

3. B. Rang hat in seiner lehrreichen Untersuchung über Kausalität und Motivation. Den Haag 1973, das Problem der Motivation einer eingehenden Analyse unterzogen. Vgl. vor allem den zweiten Teil: "Kausalität und Motivation als Problemtitel für die Theorie der Horizontintentionalität und die phänomenologische Wissenschaftskritik", S. 99 ff.

4. Vgl. dazu "§ 56. Motivation als Grundgesetzlichkeit des geistigen Lebens" der Ideen 11, wo verschiedene Begriffe der Motivation erörtert werden.

5. In diesem Punkt weicht der Begriff der Motivation, den B. Rang in Kausalität und Motivation festgestellt hat, von dem unseren etwas ab. Bei Rang lesen wir: "Motivation meint bei

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Husserl nicht primär das Verhältnis von Beweggrund und willentlicher Entscheidung, sondern den Zusammenhang der Dinge selbst, sofern sie ihrem Seinssinn nach auf ein erfahrendes Subjekt bezogen sind." (S. 99)

6. Über die Vernunftmotivation im genetischen Zusammenhang heißt es: "Das frühere Bewußtsein motiviert Möglichkeiten des späteren, apriori, derart, daß späteres Bewußtsein [ ... ] in seiner Faktizität durch entsprechendes früheres notwendig motiviert ist. Diese Motivation hat die Eigenheit eines Vernunftaktes, die motivierte Setzung ist eine vernünf­tige Setzung. Den 'genetischen' Ursprung aufklären, das ist auch die Vernunft der gegebenen Setzung aufklären, das genetisch Begründende ist auch vernünftig begründend [ ... ]." (XIII, 357)

7. Im Hinblick auf die Notwendigkeit der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte finden wir an einer späten ManuskriptsteIle aus den dreißiger Jahren folgende Aufzeichnung: "Die Art und Verteilung der auftretenden hyletischen Einheiten, ihre Verteilung in Sinnesfelder - und das Zusammenspiel der Einheiten der verschiedenen Sinnesfelder - damit 'Natur' sich konstituieren kann mit naturaler Raum- und Zeitform. Aber das ist nur eine abstrakte Komponente der Dynamis. Die Tendenz ist hier eigentlich wegabstrahiert (freilich, dieses Abstrahieren ist gefährlich). Auf Ichseiten: der Instinkt, der Trieb, Naturkonstitution, erfahrende Konstitution der Körperlichkeit auszubilden, sei es von Relativität zu Relativität." (E rrr 9, 5)

8. V gl. dazu Husserliana Bd. XI. Die Analysen zur passiven SYl1lhesis fußen auf der Logik­Vorlesung, die Husserl in den zwanziger Jahren dreimal, 1920121, 1923, 1925/26, gehalten hat. Teile der ersten Logik-Vorlesung von 1920121, in denen die Problematik der passiven Konstitution behandelt wird, sind teilweise im Haupt- und im ergänzenden Text der Analysen zur passiven Synthesis veröffentlicht worden. Dabei handelt es sich um folgende Teile: S. 304-3341 S. 291-3031 S. 1-441 S. 225-2901 S. 187-222 (der Reihe der Vorlesungen nach). Vgl. dazu XI, S. 444 ff. und 480 ff.

9. Damit vertreten wir naturlieh nicht die Ansicht, daß Husserl der Notwendigkeit der Entfaltung des Problems der Tendenz erstmals in dieser Vorlesung inne wurde. Schon im Rahmen der Ausarbeitung der Ideen l/ ist Husserl dieses Problem bewußt. Vgl. dazu IV. 334 ff.

10. F I 38, 3. Vgl. dazu XI, 445. 11. XVI, Ding und Raum. Vorlesungen 1907. Hrsg. von U. Claesges, Den Haag 1973. 12. XV, XXXVI-XL. Vgl. dazu die Einleitung des Herausgebers. Diese Disposition ist außerdem

noch einmal in Eugen Fink, VI. Cartesianische Meditation. Teil 2: Ergänzungsband. Husserliana Dokumente Bd. II/2. Hrsg. von G. van Kerckhoven, DordrechtlBostonlLondon 1988, S. 3-9 veröffentlicht worden.

13. Man vergleiche zur ganzen Darstellung dieses Zusammenhangs mit unseren Ausführungen in diesem Paragraphen die beiden Einleitungen des Herausgebers in XIV. und XV.

14. m,l, 7, ff. 15. Im Rahmen des ersten Versuchs von Herbst 1921 bis Februar 1922 sind außer dem oben

berücksichtigten wichtigen Manuskript 7tp folgende Manuskripte entstanden (V gl. dazu K. Schuhmann, Husserl-Chronik, 250-256): E III 2 (22-24); "Das menschlich Psychische. Die 'Innerlichkeit' des Menschen. Stufenfolge der Affektion bzw. der affizierenden Gegenstände. 'Umgebung' des Ich. Das ihm Vorgegebene. Wiefern das Hyletische Psychisches ist." (September 1921). 0 13 I (51-57); "Typologie des visuellen Feldes und die zugehörige Kinästhese. Grundstücke zu einer Lehre von den Kinästhesen. Das Doppelfeld. Theorie des Reliefs." (Oktober 1921). A VI 30 (69-72); "Trieb. Streben, Tun, Handeln, Ich kann, Rezeptivität, synthetische Aktivität (Oktober 1921). A VI 26 (60-64); "Anfang der Lehre von der Aktivität. Neugier, theoretisches Interesse, Trieb. Neuheit und Bekanntheit als Charaktere" (November 1921). A VI 26 (53-59); "Vorstellen, Denken und Handeln; Wahrnehmungsbild, Erinnerungsbild" (WS 1921/22).

Im Rahmen des zweiten Versuchs von Mai 1930 bis März 1931 folgende Manuskripte (Vgl. dazu K. Schuhmann, Husserl-Chronik, 362-378): E III 10 (6-11); "Instinktive Triebe und Habitualität. Das Tier und das Wissen von seinem Tod. Das Fortleben eines jeden

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als kontinuierliches Eingehen durch die Erbmasse in die Kinder" (Juli 1930). E III 4 (1-25); "Teleologie. Instinkt, Selbsterhaltung, Liebe, Nächstenliebe, Selbstmord. Kulturidealismus, Leben in absoluter Echtheit. Vernunft als letztlich Sein konstituierend." (Juli 1930). A V 5 (199-200); "Phänomenologie der Instinkte" (1930). A V 5 (203-213), "Das natürliche praktische Leben. Das Leben im Ernst - das Leben im Spiel, im Schlaf. Das Leben im Ernst - in verschiedenem Sinne." (Juli-August 1930). B III 3; "Rückfrage. Methode des Abbaus. [ ... ] Das Problem des Anfangs der Subjektivität. Anfangende Affektion als instinktive. Methode der Rekonstruktion." (1931). E III 9 (18-19): "Gegenstandspol, Ichpol. Der Ichpol Pol von ursprünglichen Instinkten. Die normale physische Allnatur." (Februar 1931). A VI 34; "Zur Lehre von der Intentionalität in universaler oder totaler Betrachtungsweise." (Februar 1931).

Im Rahmen des dritten Versuchs von Oktober 1931 bis Februar 1932 folgende Manuskripte (Vgl. dazu K. Schuhmann, Husserl-Chronik, 386-405): E III 9 (41-46, 50-51); "Kleine Zettel. Noten über Teleologie." (November 1931). B III 9 (79-80), "Rekapitulation der Versuche über Lust und Wert und Wertobjekt" (November 1931). E 1I19 (15, 23-25); "Instinkt und Instinkthandlung. Handlung des entwickelten Menschen im Instinkt." (November 1931). E III 9 (22): "Gebet - instinktive Vorahnung" (November 1931). B III 9 (67-70): "Primordiale Konstitution der Natur von hyletischen Kernen aus; Affektion" (November 1931). C 16 IV; "Gefühl und Urkonstitution. Lust und Affektion. Urkonstitutiver Aufbau der Welt in ihren Seinsregionen und Leitung der Urinstinkte. Sinn der Scheidung der Urseinssphäre = Natur und Welt von Gütern im gewöhnlichen Sinn - Instinkt und Kinästhese; Neugier." (März 1932). E III 9 (10-12); "Wichtige Zettel über Instinkt. Dagegen freier Wille im weiteren Sinne (Entscheidung aus Überlegung) und im prägnanten Sinn." (März 1932).

16. Es ist an dieser Stelle mit L. Landgrebe ausdrücklich darauf hinzuweisen, "daß Welt nicht wie für Kant die Idee der Totalität alles Seienden ist, die erst nachträglich nach dem Durchlaufen der Vielheit des Seienden konzipiert werden kann, nicht der Vernunftbegriff von einem Gegenstand, dem nichts in Erfahrung entspräche, sondern daß sie als Horizont schon immer in der Gegebenheit und Erfahrung von einzelnen Objekten mit gegeben ist." (L. Landgrebe, Phänomenologie und Geschichte, S. 157.)

17. Über die untrennbare Einheit von beiden heißt es an einer Stelle der Phänomenologischen Psychologie: "Für uns sind reale Einzelheiten erfahren, aber auch die Welt <ist> erfahren, und beides ist sogar untrennbar." (IX, 95)

18. E. Fink, "Die phänomenologische Philosophie Edmund Husserls in der gegenwärtigen Kritik", in: Studien zur Phänomenologie 1930-1939. Den Haag 1966, S. 101.

19. In diesem Zusammenhang lesen wir: "Affektive Einheiten müssen sich konstituieren, damit sich in der Subjektivität überhaupt eine Gegenstandswelt konstituieren kann. Damit aber das möglich ist, müssen in Wesensnotwendigkeit zunächst in der hyletischen Sphäre, und zwar wieder in der lebendigen Gegenwart affektive hyletische Einheiten werden und sich miteinander homogen verflechten." (XI, 162)

20. In diesem Sinne heißt es: "Wir, als im wachen WeItbewußtsein Lebende, sind ständig aktiv auf dem Grunde der passiven Welthabe [ ... ]." (VI, 110) Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf, daß das wache WeItbewußtsein in diesem Zusammenhang als die weitere Entwicklungsgestalt des passiven Weltbewußtseins sich von einer ganz anderen "Art des Wachlebens im Bewußthaben der Welt" (VI, 147) scharf unterscheidet, nämlich vom reflektiven Weltbewußtsein. Anders als das reflektive WeItbewußtsein muß das wache Weltbewußtsein in unserem Sinne, welches im Unterschied zu jenem das natürliche Weltbewußtsein genannt werden kann, weder der Welt noch sich selbst notwendigerweise inne werden, sondern nur des Einzeldinges. Der Grund dafür, dieses Weltbewußtsein als wach zu bezeichnen, liegt gerade in der untrennbaren Einheit von Weltbewußtsein und Dingbewußtsein.

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KAPITEL IV

Methodische Überlegungen zur Phänomenologie der Instinkte

1. PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE UND DAS PROBLEM DER REDUKTION

Die konkrete Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte, die sich als das Urstück der genetischen Phänomenologie versteht, bereitet uns außeror­dentliche Schwierigkeiten. Denn es gibt verschiedene Gestalten der Instinktintentionalität sowohl auf den untersten Stufen der genetischen Konstitution als auch im fernen Vergangenheitshorizont, welche die Grenze der egologischen Reflexion überschreiten und darum durch die von Husserl in der Spätphilosophie cartesianischer Weg zur Reduktion genannte Methode unzugänglich sind. Im Hinblick auf die auf diesem Weg unenthüllbaren Urinstinkte, auf die er durch die Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte gestoßen ist, fragt er an einer ManuskriptsteIle aus den zwanziger Jahren: "Wie soll man sich ursprüngliche Instinkte in ihrer phänomenologischen Innerlich­keit und Eigenheit 'denken'? Was ist unser eigenes ursprüngliches Verständnismaterial?" (XIV, 333) Um die Phänomenologie der Instinkte richtig voranzubringen, ist es unumgänglich, eine angemessene neue Methode der Reduktion zu sichern, welche es möglich machen kann, den Zugang zu diesen Instinkten zu eröffnen. In diesem Sinne gilt folgende Bemerkung Husserls über das allgemeine Methodenproblem an einer Stelle der Ideen I: "Methode ist ja nichts von außen an ein Gebiet Herangebrachtes und Heranzubringendes [ ... ]: bestimmte Methode [ ... ] ist eine Norm, die aus der regionalen Grundartung des Gebietes und seiner allgemeinen Strukturen entspringt, also in ihrer erkenntnismäßigen Erfassung von der Erkenntnis dieser Strukturen wesentlich abhängig ist." (111,1, 161) Um eine angemessene Methode der Phänomenologie der Instinkte zu finden, wollen wir den Versuch Husserls betrachten, in der Spätphilosophie einen neuen Weg zur Reduktion, nämlich den Weg zur Reduktion über die intentionale Psychologie, einzuschlagen.

Der cartesianische Weg zur Reduktion, der durch die traditionelle erkennt­nistheoretische Frage nach der Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis motiviert ist, setzt sich als Ziel, die absolute Erkenntnis als das allgemeine Prinzip der absoluten Rechtfertigung zu finden, "dem jede Erkenntnis, eben-

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sowohl die in ihrer naiven Positivität einseitige als die reflektiv-transzenden­tale untersteht und das die Forderung <der> echten Begründung, der aus reiner Evidenz, ausspricht." (VIII, 32) Dabei soll "der Ausdruck 'absolute' Rechtfertigung", so führt Husserl aus, "eine schlechthin vollkommene Rechenschaftsabgabe anzeigen, die nicht den leisesten Mangel an 'Klarheit und Deutlichkeit', an Evidenz, Einsicht in sich duldet, nichts, was die Gewißheit im geringsten trüben, was die Erkenntnisergebnisse hinfort noch in Frage stellen und zweifelhaft machen könnte." (VIII, 31) Da die Welt von der Möglichkeit der Nicht-Existenz nicht ganz frei ist, kann die Erkenntnis der Existenz der Welt nicht das Prinzip darstellen, das der anfangende Philosoph als den Boden der absoluten Rechtfertigung aller Erkenntnisse benutzen darf. Er darf also von der Erkenntnis der Existenz der Welt nicht Gebrauch machen; er hat den Weltglauben, der vom natürlichen Bewußtsein beständig vollzogen wird, nicht mitzumachen, sondern muß daran Epoche üben und ihn ausschalten, um zu prüfen, ob nach der Ausschaltung des Weltglaubens etwas übrig bleibt, das sich als eine absolute Erkenntnis erweisen kann. Das Endergebnis dieser Kritik am Weltglauben ist die Entdeckung der transzen­dentalen Erlebnissphäre, welche nach der Ausschaltung des Weltglaubens als die Sphäre der absoluten Erkenntnis übrig bleibt: "Richtet sich das reflek­tierende Erfassen auf mein Erlebnis, so habe ich ein absolutes Selbst erfaßt, dessen Dasein prinzipiell nicht negierbar ist, d.h. die Einsicht, daß es nicht sei, ist prinzipiell unmöglich; es wäre ein Widersinn, es für möglich zu halten, daß ein so gegebenes Erlebnis in Wahrheit nicht sei." (III, 1, 96)

Husserl versucht in der Ersten Philosophie einen neuen Weg zur Reduktion einzuschlagen. Um einen wichtigen Aspekt dieses Weges, welcher in der bisherigen Forschungsgeschichte wenig beachtet wurde, I aber zum Verständnis von dessen Wesen von entscheidender Bedeutung ist, hervorzuheben, wollen wir uns zunächst über das Motiv, welches Husserl dazu veranlaßt, diesen neuen Weg einzuschlagen, klarwerden. Über das Motiv heißt es beispielsweise in der Ersten Philosophie: "Das nächste Bedürfnis, die transzendentale Subjektivität nach den einzelnen Gestaltungen oder Gestalttypen ihres tran­szendentalen Lebens kennenzulernen, damit das ego cogito nicht ein leeres Wort für uns bliebe, befriedigten wir in einer Weise, daß wir damit zugleich einen neuen Weg zum ego cogito uns schrittweise aufbauten." (VIII, 126) Das Motiv liegt also darin, die transzendentale Subjektivität, welche auf dem cartesianischen Weg zur Reduktion zwar schon erschlossen ist, aber leider, wie es heißt, "ein leeres Wort" bleibt, nach den Einzelgestaltungen näher zu erfassen. Es ist klar, daß, wenn man die transzendentale Subjektivität nach der den cartesianischen Weg leitenden Idee einer absoluten Erkenntnis kon­sequent weiter befragt, d.h. wenn man die in der Ersten Philosophie nicht durchgeführte, sondern als eine Aufgabe übriggebliebene "apodiktische Kritik"2 an der transzendentalen Subjektivität konsequent weiter durchführen würde, sich dann die Gewißheit der transzendentalen Subjektivität als eine bloß momentane Selbstgewißheit zeigt, welche als "ein leeres Wort" nicht den engen Rahmen der lebendigen Selbstgegenwart überschreiten kann.3 Der Mangel

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dieses Weges ist nicht dadurch zu überwinden, daß man versucht, die durch den Vollzug der Reduktion eröffnete Sphäre der transzendentalen Subjektivität, wie es in der Ersten Philosophie unternommen wird,4 nachträglich zu explizieren und dadurch die "Inhaltsleere" zu überwinden. Denn diese Explikation kann nicht den Rahmen der egologischen Reflexion überschreiten. Danach bleibt das Ganze der "Tiefen der transzendentalen Subjektivität" (VIII, 168), "das gesamte absolute Sein" (VIII, 190), "ein festes transzendentales Universum transzendentaler Erfahrung" (VIII, 173) oder das "Universum der transzendentalen Subjekte" (VIII, 190) inhaltsleer und verborgen. Im Hinblick auf diesen Umstand schreibt Husserl in einer kritischen Notiz zum Gedankengang der Vorlesung über die Erste Philosophie, es sei "beim ursprünglichen, cartesianischen Weg nur mit zwei Worten auf die Unendlichkeit der transzendentalen Subjektivität, des Stroms transzendentalen Lebens hinzuweisen [ ... ]." (VIII, 316)

Um die Notwendigkeit, einen neuen Weg zur Reduktion einzuschlagen, deut­licher zu begreifen, wol1en wir zunächst erklären, was das "Universum der transzendentalen Subjekte" konkreter bedeutet. Das Ergebnis der Bestimmung der transzendentalen Subjektivität im IV. Teil dieser ArbeitS vorwegnehmend, ist an dieser Stel1e darauf hinzuweisen, daß der Begriff der transzendentalen Subjektivität als ein Zentral begriff der transzendentalen Phänomenologie Husserls wie andere Grundbegriffe im Übergang von der statischen zur geneti­schen Phänomenologie einen tiefgreifenden Wandel erfährt. 6 Die transzen­dentale Subjektivität in der statischen Phänomenologie ist, wie bei der Erörterung des cartesianischen Weges zur Reduktion gezeigt, durch das Moment der absoluten, d.h. in diesem Zusammenhang apodiktischen oder zweifellosen Setzbarkeit bestimmt.7 Die transzendentale Subjektivität muß darum vom Standpunkt der statischen Phänomenologie aus prinzipiell als solipsistisch verstanden werden. Sie heißt dabei immer "mein transzendentales Sein, mir ursprünglich gegeben in transzendentaler Selbsterfahrung, in jener Selbstwahrnehmung der reinen Reflexion" (XIII, 73). Demgegenüber bedeutet die transzendentale Subjektivität in der genetischen Phänomenologie das ganze Universum des transzendentalen Lebens, welches nicht nur mein in apodik­tischer Gewißheit setzbares transzendentales Sein in meiner lebendigen Gegenwart, sondern darüber hinaus mein durch die egologische Reflexion uneinholbares Leben auf den untersten Stufen der transzendentalen Genesis bzw. im fernen Vergangenheitshorizont und weiter die anderen Egos umfaßt. Sogar das Leben des Tieres ist, wie unten im IV. Teil gezeigt wird, ein Teil des "Universums der transzendentalen Subjekte". Dementsprechend spricht Husserl in der Spätphilosophie von der Transzendentalität des Tieres,8 was von dem Standpunkt der statischen Phänomenologie her einfach unvorstel1bar ist. Für die transzendentale Subjektivität in diesem neuen Sinne setzt Husserl in der Spätphilosophie den Begriff transzendentale Monade oder das transzen­dentale monadische Leben.

Mit der Neubestimmung des Begriffs der transzendentalen Subjektivität hängt die Einsicht in den "Paral1elismus der transzendentalen und psycholo-

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68 Erster Teil

gischen Erfahrungssphären als eine Art Identität des Ineinander des Seinssinnes aus bloßer Einstellungsänderung" (IX, 294) untrennbar zusammen.9 Die psychologische und die transzendentale Subjektivität sind nun in gewissem Sinne identisch, sie unterscheiden sich voneinander nur durch die Verschiedenheit der Einstellung und der damit verbundenen Auffassungsweise; entscheidend für die Unterscheidung bei der ist - wie Husserl einmal formuliert - nur "solch eine 'Nuance', die durch eine bloße Einstellungsänderung erwächst" (V, 147). Die Identität bei der können wir auf die Formel bringen: Die psychologische Subjektivität ist nichts anderes als die transzendentale Subjektivität, welche in der natürlichen Einstellung als eine konstituierte Subjektivität auf dem universalen Boden der Welt aufgefaßt wird, und die transzendentale Subjektivität ist nichts anderes als die psychologische Subjektivität, welche in der transzendentalen Einstellung als die die Welt konstituierende Subjektivität 'aufgefaßt' wird. Der sich aus der Identität bei der ergebende Parallelismus ermöglicht es, durch eine bloße Einstellungsänderung die eine Subjektivität in die andere übergehen zu lassen und vice versa. Als eine notwendige Folge davon läßt sich "eine merkwürdige durchgängige Parallele zwischen einer recht ausgeführten phänomenologischen Psychologie und einer transzendentalen Phänomenologie" (V, 146-147) feststellen.

Mit der neuen Einsicht in die Struktur der transzendentalen Subjektivität muß unbedingt eine neue Zugangsmethode entdeckt werden, damit diesem neuen Umstand Rechung getragen werden kann. Denn die Methode ist, wie schon gesagt, "nichts von außen an ein Gebiet Herangebrachtes oder Heranzubringendes", sondern sie ist ausschließlich "eine Norm, die aus der regionalen Grundartung des Gebietes und seiner allgemeinen Strukturen entspringt". (III,l, 161) Diese Bemerkung über das allgemeine Methoden­problem entspricht gerade der phänomenologischen Grundeinstellung, welche sich in dem Motto "Zu den Sachen selbst!" zusammenfassen läßt. Ohne Rücksicht auf die durch die Vertiefung der genetischen Analyse gewonnene neue Einsicht in die "Strukturen der Subjektivität [ ... ], auf denen," wie Husserl sagt, "die Möglichkeit der Epoche beruht" (VIII, 164), ist also Husserls Versuch, einen neuen Weg einzuschlagen, völlig unbegreiflich. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, daß der dritte Abschnitt der Ersten Philosophie, in dem der Versuch unternommen wird, den neuen Weg einzuschlagen, von folgender Feststellung ausgeht: "Das Ich als mundane Objektivität erfahrendes ist aber noch lange nicht das ganze transzendentale Ich, nicht der volle Gehalt einer universal zu spannenden transzendentalen Selbsterfahrung." (VIII, 82) Und Husserl faßt, nachdem der zweite Weg zur Reduktion von ihm eingeschlagen wurde, die Notwendigkeit, diesen neuen Weg einzuschlagen, rückblickend so zusammen: "Kurz, wenn der ganze Umfang der reinen Subjektivität als transzendental wirklich umgrenzt werden sollte, bedürfte es ergänzender Untersuchungen, an deren Ende erst die Methode selbst als fertige Methode ein Äquivalent der jetzt gewonnenen wäre." (VIII, 164)10

Anders als auf dem cartesianischen Weg, der, indem er ohne die vorgängige

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Explikation der konkreten Bewußtseinsgestalten zur transzendentalen Seinssphäre führt und diese bloß in einer scheinbaren "Inhaltsleere" zum Vorschein bringt, muß man auf dem Weg über die intentionale Psychologie die konkreten Bewußtseinsgestalten zunächst von dem rein psychologischen Standpunkt aus eingehend explizieren. Das einzige Interesse, weIches diese Bewußtseinsanalyse leitet, liegt dabei darin, "die seelische Innerlichkeit in ihrer Reinheit herauszustel1en und die in ihr verborgenen intentionalen Implikationen zutagezufördern" (VIII, 141). Um die "seelische Innerlichkeit in ihrer Reinheit herauszustellen", muß man an den einzelnen Bewußtseinsgestalten schrittweise Epoche üben, d.h. man darf die Geltungen, welche von ihnen vollzogen werden, nicht mitmachen. Diese Epoche nennt Husserl die phänomenologisch-psy­chologische Reduktion, welche von der unten zu erörternden transzendentalen Epoche strikt unterschieden werden muß. Da die intentionale Psychologie, welche nach Husserl die apriorische Grundlage al1er empirischen Psychologie und zugleich die Vorstufe der transzendentalen Phänomenologie darstel1en sol1, als eine Wesenswissenschaft etabliert werden muß, ist es nötig, die so gewonnenen Bewußtseinsgestalten durch den Vol1zug der eidetischen Reduktion eidetisch zu reinigen, d.h. sie in die Wesensphänomene umzuwan­deln. ll

Die dadurch etablierte intentionale Psychologie ist noch nicht die tran­szendentale Phänomenologie. Denn die phänomenologisch-psychologische Epoche ist dabei in der natürlichen Einstellung ohne die Ausschaltung der Endgeltung der Welt geübt worden. Aber wenn die phänomenologisch-psy­chologische Reduktion konsequent bis zum Ende, d.h. vollständig, durchgeführt wird, dann ist es möglich, daß sie sich in die transzendentale Reduktion umwandelt. Denn bei der konsequenten und vollständigen Durchführung der phänomenologisch-psychologischen Reduktion kann letztlich das Welt­bewußtsein, d.h. der Weltglaube als der letzte Fundierungsboden aller Geltungen tangiert und in die Epoche einbegriffen werden, was nicht anderes als den Vollzug einer universalen transzendentalen Epoche bedeutet. Dies besagt nichts anderes als die Möglichkeit, "daß sich in der reinen Auswirkung der Idee einer deskriptiven Psychologie, die das Eigenwesentliche der Seelen zu Wort kommen lassen will, notwendig der Umschlag der phänomenologisch­psychologischen Epoche und Reduktion in die transzendentale vollzieht [ ... ]." (VI, 259) So lesen wir an einer wichtigen Stelle der Krisis­Abhandlung: "Wenn aber die universale Epoche, die alles Welt-bewußt-haben umgreifende, nötig ist, verliert der Psychologe während dieser Epoche den Boden der objektiven Welt." (VI, 261) Mit dem Umschlagen der einen in die andere Form der Reduktion geht Hand in Hand, daß das ganze psycho­logische Leben mitsamt den explizierten Bewußtseinsgestalten von seiner Mundanität befreit wird und sich dadurch in seine transzendentale Parallele, d.h. in das transzendentale Leben mitsamt den explizierten Bewußtseins­gestalten umwandelt.

Aber die Schwierigkeit des Weges über die intentionale Psychologie liegt, wenn wir ihn in sich betrachten, darin, daß die konsequente und vollständige

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Durchführung der phänomenologisch-psychologischen Reduktion, in die schließlich das Weltbewußtsein einbegriffen werden soll, nicht einfach ist. Sie stellt eine Limesidee dar. Denn: "Mein Leben selbst [ ... ] ist", wie Husserl sagt, "eine in ewiger Ferne liegende Limes-Idee, die selbst wieder eine Unendlichkeit von Limes-Gestalten und von unendlichen Fernpunkten in sich schließt." (VIII, 162) Darüber hinaus bietet eine vollständige Explikation aller Bewußtseinsgestalten des transzendentalen Monadenalls eine noch größere Schwierigkeit.

Diese Schwierigkeit besagt aber nicht, daß dieser Weg transzendental­phänomenologisch unbrauchbar wäre. Ganz im Gegenteil: Denn es ist doch wohl möglich, daß der Umschlag je nach Bedarf beliebig vollzogen werden kann, ohne daß man dabei darauf wartete, daß die phänomenologisch­psychologische Reduktion schrittweise konsequent bis zum Ende vollständig vollzogen würde und diese "in der reinen Auswirkung der Idee einer deskrip­tiven Psychologie" quasi-automatisch in die transzendentale Epoche umschlüge. Für den Umschlag des Psychologischen ins Transzendentale braucht jenes notwendig die transzendentale Kritik, d.h. die universale tran­szendentale Epoche. 12 Da die intentionale Psychologie als eine mundane Wissenschaft unfähig ist, eine transzendentale Kritik von sich aus zu üben, muß sie die Einsicht in deren Möglichkeit von außen her bekommen. Dieses 'Außen' ist nichts anderes als der cartesianische Weg zur Reduktion. Auf diesem Weg ist schon die Einsicht in die Möglichkeit einer universalen tran­szendentalen Epoche gewonnen, welche als ein Hilfsmittel für den Umschlag des Psychologischen ins Transzendentale dienen kann. In diesem Zusam­menhang schreibt Husserl an einer wichtigen Stelle der Ersten Philosophie, wo anschließend an die vorangegangene Explikation der verschiedenen Bewußtseinsgestaltungen und an den Vollzug der phänomenologisch-psy­chologischen Epoche "das Problem des Übergangs von der psychologischen Reduktion jeweiliger Akte zur universalen Epoche und Reduktion" (VIII, 139) behandelt wird: "Doch nun gilt es, von den Einzelanalysen Gebrauch zu machen und zunächst die Frage zu stellen, ob wir von ihnen aus ein phäno­menologisches plus ultra erspähen können. Von einem solchen wissen wir unter dem Titel der transzendentalen Subjektivität von dem cartesianischen Reduktionswege her. Dieses Wissen soll uns jetzt nur als Mittel der Kritik der Leistung solcher auf dem Boden der natürlichen Einstellung sich vollziehenden Einzelreduktionen, in denen unser bisheriges Verfahren bestanden hatte, dienen, und als Mittel, den entscheidenden Gedanken zu wecken, der das Unzulängliche dieses Verfahrens überwinden könnte." (VIII, 139)

Aus der bisherigen Überlegung zeigt sich, daß der Weg über die intentionale Psychologie in seiner konkreten Durchführung vom cartesianischen Weg nicht "völlig unabhängig"13 sein kann. Wie oben dargestellt, bildet der cartesianische Weg die unentbehrliche methodische Vorbedingung für den Weg über die intentionale Psychologie. Da der letztere Weg ohne die auf dem cartesiani­sehen Weg gewonnene Einsicht in die universale transzendentale Epoche nicht

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wirklich zur transzendentalen Subjektivität führt, kann man mit Husserl diesen zweiten Weg als eine "Modifikation des cartesianischen" (VIII, 316) bezeichnen. Dementsprechend heißt es an einer Stelle des zweiten Abschnittes der Ersten Philosophie, welche den Übergang zum dritten Abschnitt: "Zur Phänomenologie der phänomenologischen Reduktion. Eröffnung eines zweiten Weges zur transzendentalen Reduktion" darstellt: "Auch Fragen einer möglichen Abwandlung der Methode phänomenologischer Reduktion drängen sich alsbald, als zur Aufklärung des Sinnes transzendentaler Subjektivität mit beitragend, auf." (VIII, 80, Herv. v. Vf.). Das ist gerade der Grund dafür, warum im Hinblick auf den Versuch, den Weg über die intentionale Psychologie einzuschlagen, nicht einfach beispielsweise von der Entdeckung eines völlig neuen Weges zur Reduktion, sondern immer von der "Neugestaltung und Vertiefung der phänomenologischen Reduktion" (VIII, 126) oder vom "Aufbau der tieferen und reicheren Methode der universalen Epoche und Reduktion" (VIII, 164) die Rede ist. Daher zeigt sich die Ansicht als unhaltbar, daß Husserl in der Spätphilosophie den cartesianischen Weg "durch den 'phänomenologisch-psychologischen' ergänzt und in der Krisis zugunsten des letzteren aujgibt".14

Die Bewußtseinsgestalten, welche auf dem Boden der Endgeltung der Welt phänomenologisch-psychologisch expliziert und gereinigt sind, schlagen also mit dem Einsatz der universalen transzendentalen Epoche in die transzen­dentalen Bewußtseinsgestalten als deren transzendentale Parallele um. Nach dem ersten Vorstoß zur Sphäre der transzendentalen Subjektivität auf dem Weg über die intentionale Psychologie ist es durchaus möglich, auf demselben Weg, d.h. durch den erneuten Einsatz der aufeinander folgenden bei den Reduktionen wiederholt zur Sphäre der transzendentalen Subjektivität vorzustoßen. Je näher und konkreter wir im nachfolgenden Einsatz der Reduktion die Bewußtseinsgestalten explizieren, desto reicher wird der Inhalt der enthüllten transzendentalen Subjektivität. Durch den wiederholten Einsatz der Reduktion auf dem Weg über die intentionale Psychologie eröffnet sich also die Möglichkeit, die transzendentale Subjektivität, welche auf dem Weg über den cartesianischen Weg "inhaltsleer" gegeben wird, konkreter und inhalts­reicher zu erschließen.

Die Methode der phänomenologischen Reduktion auf dem Weg über die intentionale Psychologie zeigt in diesem Sinne notwendig einen schrittweisen Charakter, welcher darauf beruht, daß es auf dem Universalfeld des tran­szendentalen Lebens verschiedene Typen der Bewußtseinsgestalten gibt, welche wegen des Unterschiedes der Ichnähe und Ichferne in methodischer Hinsicht voneinander strikt unterschieden werden müssen. Ein methodisches Grundprinzip der phänomenologischen Enthüllung des Universums des tran­szendentalen Lebens lautet dabei: "[ . . . ] Alle Motive einer Theorie entspringen aus den Evidenzen der ersten Stufen, aus denen, die für uns notwendig die ersten sind [ ... ]." (XI, 165) Um die Bewußtseinsgestalten, welche hinter der Grenze der egologischen Reflexion liegen, transzendental­phänomenologisch zu erschließen, muß man zunächst die durch die egologische

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Reflexion zugänglichen Bewußtseinsgestalten gründlich analysieren. Die Einsichten in die Struktur des transzendentalen Lebens, welche dadurch gewonnen werden, sollen dann das Fundament für die weitere Enthüllung der noch tiefer liegenden Bewußtseinsgestalten bilden. Der Prozeß der Enthüllung, bei dem das schon gewonnene Ergebnis immer wieder ein neues methodisches Fundament für die weitere Enthüllung des noch tiefer liegenden transzendentalen Lebens bilden soll, setzt sich weiter fort, bis endlich das ganze Universum des transzendentalen Lebens enthüllt wird, was, wie oben gesagt, bloß eine Limesidee ist.

Den schrittweisen Charakter der Enthüllungsmethode auf dem Weg über die intentionale Psychologie faßt Husserl an einer Stelle der Krisis-Abhandlung folgendermaßen zusammen: "Die phänomenologische Psychologie erschließt sich ihrem Sinne nach in verschiedenen Stufen, weil die phänomenologische Reduktion selbst - und das liegt in ihrem Wesen - ihren Sinn, ihre inneren notwendigen Forderungen, ihre Tragweite nur in Stufen erschließen konnte. Jede erforderte neue Reflexionen, neue Besinnungen, die ihrerseits nur möglich waren durch das Selbstverständnis und die geübte Leistung der anderen Stufen." (VI, 250). Die Notwendigkeit, immer wieder eine neue methodische Überlegung anzustellen, beruht, wie oben gesagt, darauf, daß jede neu zu erschließende Stufe des Bewußtseins der Sache nach von den schon erschlossenen Stufen qualitativ ganz verschieden sein kann. An dieser Stelle müssen wir noch einmal an das allgemeine methodische Prinzip erinnern: "Methode ist ja nichts von außen an ein Gebiet Herangebrachtes und Heranzubringendes. [ ... ] Bestimmte Methode [ ... ] ist eine Norm, die aus der regionalen Grundartung des Gebietes und seiner allgemeinen Strukturen entspringt [ ... ]." (III,l, 161) Auf dem Weg über die intentionale Psychologie muß man prinzipiell bei jedem Schritt auf eine qualitativ neue Stufe des Bewußtseinsbereichs eine neue, auf den vorangegangenen Überlegungen fußende methodische Überlegung anstellen, damit der qualitativ neuen "Sache" Rechnung getragen wird. Das ist gerade der Grund dafür, daß der Weg über die intentionale Psychologie "nicht nur die Methode der phänomenologi­schen Reduktion, sondern zugleich eine Phänomenologie der phänome­nologischen Reduktion" (VIII, 164) liefert.

H. Drüe hat in seiner Untersuchung über Edmund Husserls System der phänomenologischen Psychologie auch den schrittweisen Charakter der Reduktion auf dem Weg über die intentionale Psychologie hervorgehoben. In diesem Zusammenhang lesen wir: "Je mehr die Psychologie sich also stufenweise zur Allgemeinheit durchdringt, um so allgemeiner werden auch die Umfänge der thematisierten Intentionalität."15 Er versteht aber unter dem schrittweisen Charakter der Reduktion etwas ganz anderes als wie oben dargestellt. Er meint den schrittweisen Übergang von der "psycho-physi­sehen Psychologie" als der "Psychologie der ersten Stufe" über "die abstraktiv reine Psychologie" als "die Psychologie der zweiten Stufe", "die eidetische Psychologie" als "die Psychologie der dritten Stufe" und "die transzenden­tale Psychologie" als "die Psychologie der vierten Stufe" in "die Transzen-

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dentalphänomenologie" als die "Psychologie der fünften Stufe".16 Er versteht also unter dem schrittweisen Charakter den schrittweisen Übergang von der mundanen Psychologie in die transzendentale Phänomenologie. Abgesehen von der Frage, ob die Unterscheidung der phänomenologischen Psychologie in die fünf Stufen haltbar ist,17 hat, wie oben dargestellt, das schrittweise Verfahren in diesem Zusammenhang mit dem schrittweisen Übergang von der mundanen Psychologie in die transzendentale Psychologie nichts zu tun. Die schrittweise Reduktion auf dem Weg über die intentionale Psychologie zergliedert sich nicht, wie Drüe meint. in fünf Stufen, sondern, im Grunde genommen, in zahllose, ja unendlich viele Stufen. Denn die vollständige Enthüllung des ganzen transzendentalen Monadenalls stellt eine im Unendlichen liegende Idee dar. "Demnach mußte der phänomenologisch sich Einstellende erst sehen lernen, Übung gewinnen und in der Übung zunächst eine rohe und schwankende, dann immer bestimmtere Begrifflichkeit von seinem und Anderer Eigenwesentlichem erwerben. Eine wahre Unendlichkeit von deskriptiven Phänomenen wird dadurch erst allmählich sichtlich, und zwar in der stärksten und unbedingtesten aller Evidenzen, in der Evidenz dieser allein echten 'inneren Erfahrung'." (VI, 251, Herv. v. Vf.). Vor der voll­ständigen Entfaltung der Phänomenologie der phänomenologischen Reduktion kann niemand mit Sicherheit sagen, in wie viele Stufen der ganze Vorgang der Reduktion auf dem Weg über intentionale Psychologie zergliedert werden kann.

Auf dem Weg über die intentionale Psychologie erschließt sich die Möglichkeit, ein transzendentales Leben, welches hinter der Grenze der egologischen Reflexion liegt und daher auf dem cartesianischen Weg nicht zugänglich ist, in seiner transzendentalen Struktur schrittweise zu enthüllen. Diese Enthüllung ist insofern prinzipiell möglich, als die psychologische Parallele des transzendentalen Lebens mir, dem Auslegenden, auf dem Boden der natürlichen Einstellung irgendwie, z.B. durch Gespräche, Erzählungen, Einfühlungen usw. erfahrbar ist. 18 Denn ich kann am auf der natürlichen Einstellung irgendwie erfahrenen psychologischen Leben zunächst die phäno­menologisch-psychologische Epoche üben, d.h. die jeweiligen einzelnen Stellungnahmen, welche von ihm vollzogen werden, nicht mitmachen und es dadurch in seiner reinen Innerlichkeit erfassen. Ich schalte danach den uni­versalen Weltglauben aus, der vom psychologischen Leben beständig vollzogen wird, d.h. ich übe daran eine universale transzendentale Epoche. Dadurch schlägt das psychologische Leben in seine transzendentale Parallele um. Bei diesem zweiten Schritt handelt es sich, wie oben gesagt, um die Befreiung des Psychologischen von seiner Mundanität oder um die Übersetzung des Psychologischen in seine transzendentale Parallele. Erst dadurch ist es möglich, das transzendentale Leben in seiner transzendentalen Funktion aufzufassen.

Das im Vordergrund liegende Ziel bei der Ausarbeitung dieses neuen Weges zur Reduktion ist zweifellos die Sicherung der phänomenologischen Zugangsmethode zur Intersubjektivitätsproblematik. 19 Dies läßt sich daran erkennen, daß die Vorlesung über die Erste Philosophie in die Frage nach

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der Intersubjektivität einmündet. Diese klare Tatsache sollte aber nicht dazu veranlassen zu übersehen, daß der noch tiefer liegende Grund für die Ausarbeitung dieses Weges nichts anderes als die Vertiefung der genetischen Phänomenologie ist. In diesem Zusammenhang ist es kein Zufall, daß Husserl sich erst in der Spätphilosophie und zwar gerade nach der Entdeckung der Idee einer genetischen Phänomenologie mit der Ausarbeitung des neuen Weges beschäftigt hat. Der Weg über die intentionale Psychologie ist also, wie oben erwähnt, nichts anderes als die allgemeine Methode der genetischen Phänomenologie und zugleich der Phänomenologie der Instinkte als deren Urstückes.

2. DIE AB- UND AUFBAUANALYSE DER KONSTITUTION DER WELT ALS DIE

METHODE DER PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE

Husserl selbst geht bei der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in den Spätmanuskripten, wiewohl nicht systematisch, methodisch den Weg über die intentionale Psychologie. Einen Hinweis darauf finden wir beispielsweise in der Analyse im ersten Bündel des Forschungsmanuskriptes E III 9, welches folgende Überschrift trägt: "Psychologische und transzendentale Instinkte. Urinstinkte und abgeleitete. Eingeborenheit. Teleologie. [ ... ] Zur Lehre von den Instinkten." Bei der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte beginnt Husserl dort mit der psychologischen Analyse der Instinkte in der natürlichen Einstellung, deren Ziel, wie wir wissen, darin liegt, die psycholo­gisch reinen Instinkte in ihrer Innerlichkeit herauszufinden. In diesem Sinne heißt es: "Von da aus bekommt der Begriff des Instinktes, die Rede von ursprünglichen Instinkten, einen psychologischen Sinn, Instinkten, in deren Auswirkung Bewußtsein von körperlichem Dasein, Bewußtsein von dem Dasein anderer Menschen, Bewußtsein der historischen Kulturwelt erworben wird." (E III 9, 6, Herv. v. Vf.) Die so gewonnenen Instinkte, da sie die Welt als den Boden der Endgeltung voraussetzten und dadurch sich als konstitu­ierte Instinkte erweisen, sind nicht die transzendentalen, d.h. konstituierenden Instinkte, welche das eigentliche Thema der Phänomenologie der Instinkte als einer transzendentalen Theorie ausmachen. Um die Phänomenologie der Instinkte als eine transzendentale Theorie in Gang zu bringen, muß man durch den Vollzug der universalen transzendentalen Epoche die Endgeltung der Welt ausklammern und dadurch die psychologischen Instinkte in deren transzendentale Parallelen, d.h. in die transzendentalen Instinkte umschlagen lassen. Es sei an dieser Stelle bemerkt, daß zwischen dem transzendentalen und dem psychologischen Instinkt eine Identität besteht, welche, wie der obigen Darstellung zu entnehmen ist, auf die Formel gebracht werden kann: Der psychologische Instinkt ist der transzendentale Instinkt, welcher in der natür­lichen Einstellung als eine konstituierte Weltgegenständlichkeit aufgefaßt wird, und der transzendentale Instinkt der psychologische Instinkt, welcher in der transzendentalen Einstellung als ein konstituierendes Bewußtsein aufgefaßt

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Methodische Überlegungen 75

wird. Gerade wegen der Identität zwischen beiden ist es möglich, durch die Einstellungsänderung den einen in den anderen umschlagen zu lassen und vice versa. Über die Notwendigkeit des Umschlags der psychologischen Instinkte in ihre transzendentalen Parallelen heißt es im weiteren Verlauf des Textes: "Transzendentale Instinkte. Natürlich ist dieser psychologische Begriff des Instinktes (die Urtriebe und die neu durchbrochenen Triebe höherer Stufe), der eingeboren sein soll der einzelnen Seele und der seelischen Verbundenheit -ein konstituiertes Gebilde und gehört zur konstituierten Welt. Demgegenüber führt die transzendentale Forschung auf die Probleme einer transzendentalen Genesis, zu der die transzendentalen Instinkte gehören, als Grundbegriffe der transzendentalen Teleologie." (E III 9, 6-7)

Die Methode der Reduktion auf dem Weg über die intentionale Psychologie charakterisiert sich, wie oben dargestellt, dadurch, daß sie nur schrittweise vollziehbar ist. Die ursprünglichen Instinkte im fernen Vergangenheitshorizont, welche, da sie hinter der Grenze der egologischen Reduktion liegen, auf dem cartesianischen Weg nicht zugänglich sind, lassen sich doch auf diesem neuen Wege insofern transzendental-phänomenologisch erschließen, als sie auf dem Boden der natürlichen Einstellung irgendwie, z.B. durch die Erzählung der Eltern, erfahrbar sind. Aber wie oben gesagt, muß zur Enthüllung der die egologische Reflexion überschreitenden Instinkte im fernen Vergangen­heitshorizont die Phänomenologie der egologisch zugänglichen Instinkte, oder wie Husserl sagt, "die Phänomenologie unserer eigenen immer noch instink­tiven Strebungen" (XIV, 333), methodisch vorweggenommen werden. 20 Die Phänomenologie der durch die egologische Reflexion zugänglichen Instinkte bildet die letzte Evidenzquelle aller möglichen Phänomenologie der Instinkte. Von dieser ersten Stufe der Phänomenologie der Instinkte als dem methodi­schen Fundament ausgehend, muß danach der Versuch unternommen werden, durch einen erneuten Einsatz der phänomenologischen Reduktion auf dem Wege über die intentionale Psychologie zu den durch die egologische Reduktion unzugänglichen Instinktphänomenen vorzustoßen, wodurch eine Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte erzielt wird. Um die Phäno­menologie der Instinkte vollständig zu entfalten, ist es unumgänglich, durch den wiederholten Einsatz der phänomenologischen Reduktion zu den jeweils noch tiefer liegenden Instinktphänomenen vorzudringen, bis alle möglichen Instinktphänomene ins Blickfeld kommen, ein Ziel, das freilich eine Limesidee darstellt.

Die erste Stufe der Phänomenologie der Instinkte als das methodische Fundament aller möglichen Phänomenologien der Instinkte entfalten wir unten in 11. Teil, indem wir die Instinktintentionen behandeln, welche an der geneti­schen Konstitution der Welt als einem Prozeß der Auswirkung des habituellen Apperzeptionssystems der Welt beteiligt sind. In der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte im 11. Teil rücken ins thematische Feld nur die Instinktintentionen der fertigen Subjektivität. Von den Ergebnissen des 11. Teils ausgehend, wollen wir im III. Teil die Phänomenologie der Instinkte vertiefen, indem wir die Instinktintentionen betrachten, welche an der geneti-

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76 Erster Teil

schen Konstitution der Welt als einem Prozeß der Bildung des habituellen Apperzeptionssystems von Welt beteiligt sind. Dabei rücken ins thematische Feld auch die Instinktintentionen im fernen Vergangenheitshorizont, welche die Grenze der egologischen Reflexion weit überschreiten. Auf Grund der Ergebnisse in den beiden Teilen versuchen wir im zweiten Kapitel des IV. Teils einen kurzen Ausblick über die weitere Möglichkeit der Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte zu geben.

Die Phänomenologie der Instinkte als das Urstück der genetischen Phänomenologie ist also nur schrittweise zu entfalten. Jede Stufe der Phänomenologie der Instinkte ist dabei wiederum in kleine Stufen zerlegbar; wie das universale Korrelationsapriori zeigt, ist es beispielsweise möglich, im Hinblick auf die jeweiligen Auswirkungen des habituellen Apperzep­tionssystems der Welt die verschiedenen Stufen der Korrelation von Noesis und Noema zu unterscheiden. Um die Phänomenologie der Instinkte richtig voranzubringen, ist es unbedingt nötig, die verschiedenen Konstitutionsstufen strikt zu differenzieren. Denn sonst droht immer die Gefahr, die Instinktin­tention auf einer Konstitutionsstufe mit einer anderen auf einer anderen Konstitutionsstufe zu vermengen, oder die verschiedenen Instinktintentionen auf den verschiedenen Konstitutionsstufen als ein "stummes" Ganzes zu bekommen. Bei der Betrachtung der Forschungsgeschichte stellen wir fest, daß einige Interpreten dieser Gefahr ausgesetzt sind. So scheint es beispielsweise, daß Holenstein zwischen den verschiedenen Instinktintentionen auf den verschiedenen Stufen, z.B. zwischen der Instinktintention im urpassiven Zeitstrom und der Intention des Gewohnheitstriebes, keine explizite Unterscheidung trifft. An einer Stelle schreibt er in diesem Zusammenhang: "'Instinkt' und 'Trieb' sind nicht eng animalisch zu nehmen. Husserl spricht in diesen Zusammenhängen auch von einem 'Gewohnheitstrieb' oder 'einem Trieb des Nachgebens'. Das instinktiv-triebmäßige Geschehen charakterisiert sich als ein unwillkürliches Vorgehen nach einer starren Gesetzmäßigkeit [ ... ].,,21 Dabei bekommen wir den Eindruck, daß er durch diese Darstellung die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Instinktintentionen auf den verschiedenen Konstitutionsstufen verwischt. Wie sich unten durch die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte zeigen wird, unterscheidet sich die Intentionalität des animalischen Instinktes22 im urpassiven Zeitstrom oder im fernen Vergangenheitshorizont in genetischer Hinsicht strikt von der Intention des Gewohnheitstriebes. Diese stellt bloß das genetische Produkt der Enthüllung jener Intention dar. Auch I. Yamaguchi scheint nicht ernst zu nehmen, daß es verschiedene Instinktintentionen auf den verschiedenen Konstitutionsstufen gibt. So bestimmt er, obwohl er von der Notwendigkeit der Unterscheidung "zwischen der schon habituellen, gewordenen Triebintentionalität und der noch niemals enthüllten, sogenannten angeborenen Triebintentionalität"23 spricht, im weiteren Verlauf seiner Darstellung ohne die Strukturunterscheidung der verschiedenen Instinktintentionen "die Triebintentionalität als Urassoziation".24 Wie unten in dieser Arbeit dargestellt wird, ist es möglich, nicht nur auf der Stufe der Urassoziation, sondern auf

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Methodische Überlegungen 77

allen Stufen der passiven Konstitution die Instinktintentionalitäten festzustellen, welche sich voneinander dem Vollzugsmodus nach unterscheiden.

Die differenzierende Unterscheidung der verschiedenen Stufen der geneti­schen Konstitution ist also die methodische Voraussetzung für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte. Für diese Unterscheidung ist es aber nötig, bei der schrittweisen Analyse der Konstitution der Welt, welche sich von der oberen nach der unteren Stufe der genetischen Konstitution bewegt, von der schon analysierten oberen Stufe zu abstrahieren, damit der reflektive Blick sich ausschließlich auf die zu analysierende untere Stufe richten kann. Die schrittweise Analyse zeigt also wesensmäßig den Zug einer Abstraktion. "Jede Mehode, die erste sozusagen stumme Konkretion in eine thematisch ausgelegte zu verwandeln, bewegt sich eben als auslegende und beschreibende in 'Abstraktionen'; das im Explizieren am Konkreten Herausgefaßte hat seinen noch stumm verbleibenden Horizont, von dem nicht eigentlich abstrahiert ist und gegen den man, im Willen die Konkretion auszulegen, nichts weniger als blind ist, von dem man aber noch nichts in Sonderheit hat und weiß, weil man nur in Schritten und Schichten auslegen und davon Kenntnis nehmen kann." CC 16 V, 3-4)

Husserl bezeichnet die Methode einer schrittweisen Analyse der Konstitution der Welt, welche ihrem Wesen nach eine abstrahierende Methode ist, in der Spätphilosophie als die "Methode des Abbaus" (C 6, 1). Allerdings darf der Abbau in unserem Problemzusammenhang als der Abbau der Genesis­fundierung nicht mit einer anderen Form des Abbaus, nämlich mit dem Abbau der Geltungsfundierung verwechselt werden.25 Das Ziel der Abbauanalyse in unserem Problemzusammenhang liegt dabei darin, die letzten Elemente der genetischen Konstitution der Welt zu enthüllen. Die Methode des Abbaus ist eine angemessene Methode der Phänomenologie der Instinkte als einer transzendentalen Archäologie, die sich zur Aufgabe stellt, die letzten Elemente, die letzten Ürsprünge der transzendentalen Genesis, d.h. die Archai auszu­graben. In diesem Zusammenhang finden wir an einer ManuskriptsteIle folgende Skizze: "Rückfrage zur Natur und von der Natur aus als Leitfaden phänomenologischer Archäologie, das Aufgraben der in ihren Baugliedern verborgenen Bauten, der Bauten apperzeptiver Sinnesleistungen, die uns fertig vorliegen als Erfahrungswelt. Das Zurückgehen und dann Bloßlegen der Seinssinn schaffenden Einzelleistungen bis zu den letzten, den 'Archai' [ ... ]." (e 16 VI, 1) Die Phänomenologie der Instinkte als eine transzen­dentale Archäologie unterscheidet sich dabei von einer anderen Form der transzendentalen Archäologie, deren Aufgabe darin liegt, die letzten Geltungsursprünge zu enthüllen.26 Wenn Husserl an einer Stelle der Ersten Philosophie die transzendentale Phänomenologie als "eine Wissenschaft" bezeichnet, "die als eine wahrhaft so zu nennende 'Archäologie' jenes letzturspüngliche und alle Ursprünge des Seins und der Wahrheit in sich Beschließende systematisch erforschen und in weiterer Folge uns lehren soll, wie aus dieser Urquelle aller Meinungen und Geltungen jedwede Erkenntnis in die höchste und letzte Vernunftform gebracht werden kann [ ... ]" (VIII,

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78 Erster Teil

29-30), sind wir der Ansicht, daß damit die transzendentale Archäologie im zweiten Sinne gemeint ist.

Die Bewegung, welche in die Gegenrichtung des Abbaus läuft, heißt der Aufbau. Es handelt sich dabei um einen Prozeß der Wiederherstellung der genetischen Konstitution der Welt aus den Archai, welche durch den Abbau sozusagen ausgegraben worden sind. Wenn der Abbau der Konstitution der Welt horizontal und vertikal, d.h. dem Umfang und der Tiefe nach gesehen, vollständig durchgeführt wäre, dann wäre es klar, daß man keine besondere Aufbauanalyse brauchte. Denn in diesem Falle stellt die Aufbauanalyse bloß das Gegenteil der Abbauanalyse dar. Faktisch ist es aber sehr schwierig, eine vollständige Abbauanalyse durchzuführen, was gerade für die Notwendigkeit einer Aufbauanalyse spricht. Die Aufgabe der Aufbauanalyse liegt dabei darin, durch die nachgeholte Betrachtung derjenigen konstitutiven Momente, welche in der Abbauanalyse aus irgendeinem Grunde nicht erfaßt werden können, ein vollständigeres Verständnis der Konstitution der Weit zu ermöglichen.

ANMERKUNGEN

1. L. Landgrebe, "Husserls Abschied vom Cartesianismus", in: Der Weg der Phänomenologie, S. 163-206, hat diesen Aspekt hervorgehoben. Diesem Aufsatz verdanken wir die diese Arbeit leitende Grundeinsicht.

2. "Aber die Kritik ihrer Apodiktizität mußte geleistet werden, wurde aber von uns zurück­gestellt. Das war also unser erster, der cartesianische Weg zum transzendentalen Ego und zu seiner noch zu leistenden apodiktischen Kritik." (VIII, 126) Vgl. dazu VIII, 80.

3. Die Unzulänglichkeit des cartesianischen Weges spürte Husserl schon einige Jahre vor der Vorlesung über die Erste Philosophie, nämlich in der Logik-Vorlesung von 1920/21. Dort lesen wir an einer Stelle: "Zunächst sehen wir wesensmäßig ein, daß immanent kon­stituiertes Sein in seiner lebendigen Gegenwart nicht nur selbstgegeben ist als seiend, sondern daß dieses Sein undurchstreichbar ist. Sowie wir den Ansatz machen, es sei nicht, was wir immer können, sehen wir, daß apodiktisch dieser Ansatz sich am Gegebenen aufhebt. Hier ist die unzweifelhafte, unaufhebbare Gültigkeit klar. Aber was nützt sie, da sie nur eine momentane ist?" (XI, 109-110) Bemerkenswert ist dabei, daß Husserl im Hinblick auf "die unzweifelhafte, unaufhebbare Gültigkeit" des immanent Gegebenen, weIche er früher aus dem cartesianischen Pathos der absoluten Erkenntnis als des Prinzips der absoluten Rechtfertigung aller Erkenntnisse so bewundert und gepriesen hat, in der Spätphilosophie die Frage stellt: "Aber was nützt sie, da sie nur eine momentane ist?" In diesem Tenor bezeichnet er es in der Krisis-Abhandlung als "einen großen Nachteil" des cartesiani­schen Weges, "daß er zwar wie in einem Sprunge schon zum transzendentalen ego führt, dieses aber, da jede vorgängige Explikation fehlen muß, in einer scheinbaren Inhaltsleere zur Sicht bringt, in der man zunächst ratlos ist, was damit gewonnen sein soll, und gar, wie von da aus eine neue und für eine Philosophie entscheidende, völlig neuartige Grundwissenschaft gewonnen sein solL" (VI, 158)

4. VIII, 81 ff. 5. Vgl. dazu unten S. 205. 6. Vgl. dazu auch L. Landgrebe, "Husseris Abschied vom Cartesianismus", S. 181 ff. 7. In diesem Sinne heißt es an einer Stelle der Ersten Philosophie: "Denn nur durch dieses

Mittel tritt das transzendentale Ich als die rein in sich und für sich seiende Subjektivität zutage, als eine für sich selbst setzbare Seinssphäre in meinem Erfahrungskreis: als für sich selbst setzbar, auch wenn das Weltall nicht ist oder jede Stellungnahme zu seiner Existenz inhibiert bleibt." (VIII, 76)

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Methodische Überlegungen 79

8. Vgl. dazu unten das zweite Kapitel des IV. Teils. 9. Eine klare und ausführliche Darstellung dieses Problemzusammenhangs findet man bei B.

Rang, Kausalität und Motivation, S. 48 ff. 10. Gerade in diesem Zusammenhang heißt es an einer Stelle am Ende des zweiten Abschnittes

der Ersten Philosophie: "Kritik der mundanen Erfahrung. Erster Weg zur transzenden­talen Reduktion", welche den Übergang zum dritten Abschnitt: "Zur Phänomenologie der phänomenologischen Reduktion. Eröffnung eines neuen Weges zur transzendentalen Reduktion" darstellt: "Beginnen wir damit, die transzendentale Subjektivität näher ins Auge zu fassen, die in unserem methodischen Vorgehen bloß mit beschränkten Beständen, nur in der Weise eines ersten Erblickens uns sichtlich geworden ist." (VIII, 81)

I!. Die eidetische Reduktion vollzieht sich durch den Akt der "freien Variation". Durch den Einsatz der phänomenologisch-psychologischen Reduktion ist anfangs das faktische psychologische Phänomen in seiner reinen seelischen Innerlichkeit als das Fundament der eidetischen Reduktion gegeben. Um daraus ein Wesensphänomen zu gewinnen, muß man dieses faktische Phänomen "in einem völlig freien Belieben" (I, 104) variieren, wodurch es versetzt wird in "das Reich der Unwirklichkeiten, des Als-ob, das uns die reinen Möglichkeiten liefert, rein von allem, was an das Faktum und jedes Faktum überhaupt bindet" (I, 104). Mit dem Vollzug der freien Variation ist es dann möglich, einen aufmerk­samen Blick auf die ganze Reihe der variierten Phänomene im Modus der Möglichkeit zu werfen und dabei das "Deckende", d.h. das "Invariante" durch die ganze Variationsreihe zu erfassen. Dieses Invariante ist nichts anderes als das Wesen oder Eidos. Zur näheren Darstellung dieser Problematik vgl. IX, 72 ff, EU, 410.

12. Von der Unentbehrlichkeit einer universalen transzendentalen Epoche für die konkrete Durchführung des Weges über die intentionale Psychologie heißt es in einer kritischen Notiz zum Gedankengang der Vorlesung über die Erste Philosophie: "Es ist erfordert, alle Horizonte auszuschalten, auch die im Gang der Enthüllung <erst> hervortretenden und kontinuierlich neu eröffnenden. Es ist erfordert eine universale Epoche." (VlII, 316)

13. I. Kern, "Die drei Wege zur transzendental-phänomenologischen Reduktion in der Philosophie Edmund Husserls", in: Tijdschrijt voor Filosofie 24-1 (1962), S. 323.

14. M. Theunissen, Der Andere, S. 27. Herv. v. Vf. Die gleiche Ansicht wie die unsrige vertritt dem Sinne nach auch A. Aguirre, Genetische Phänomenologie und Reduktion.

15. H. Drüe, Edmund Husserls System der phänomenologischen Psychologie, S. 235. 16. a.a.O., S. 235, S. 249. 17. Die Zergliederung der phänomenologischen Psychologie in fünf Stufen bei Drüe ist übrigens

überflüssig und außerdem verwirrend. Im diesem Zusammenhang brauchen wir im Grunde genommen, wie A. Aguirre, Genetische Phänomenologie und Reduktion, gezeigt hat, nur zwei Stufen: die Stufe der intentionalen Psychologie und die Stufe der transzendentalen Phänomenologie.

18. Die Bewußtseinsgestalten, welche die Grenze der egologischen Reduktion überschreiten, sind auf dem Boden der natürlichen Einstellung zugänglich. Vgl. dazu unten S. ISS ff. Die Erklärung dafür, wie die verschiedenen Typen der die Grenze der egologischen Reflexion überschreitenden Bewußtseinsgestalten dabei in methodischer Hinsicht unter­schieden werden sollen, z.B. das Seelenleben des anderen erwachsenen Mitsubjektes, des Kindes, des Tieres usw., und wie diese konkret zugänglich sind, bildet die Hauptaufgabe der Phänomenologie der phänomenologischen Reduktion.

19. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Erschließung der Intersubjektivität auf diesem neuen Weg schreibt Husserl: "Für mich selbst war, wie ich gestehe, die erste Erkenntnis der phänomenologischen Reduktion eine beschränkte in dem oben beschriebenen Sinn. Jahrelang sah ich keine Möglichkeit, sie zu einer intersubjektiven zu gestalten. Aber schließlich eröffnete sich ein Weg, der für die Ermöglichung einer vollen transzendentalen Phänomenologie und - in höherer Stufe - einer Transzendentalphilosophie von entschei­dender Bedeutung ist." (VIII, 174)

20. Damit ist die Antwort auf die am Anfang des vorausgegangenen Paragraphen gestellte Frage gegeben, die so lautete: "Wie soll man sich ursprüngliche Instinkte ihrer phänomenolo-

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80 Erster Teil

gisehen Innerlichkeit und Eigenheit denken? Was ist unser eigenes ursprüngliches Verständigungsmaterial 1"

21. E. Holenstein, Phiinomenologie der Assoziation, S. 213. 22. Der genetisch ursprüngliche Instinkt ist bei Husserl der animalische oder vitale Instinkt:

"Die animalischen, die allgemein-'vitalen' Triebe, die spezifischen Instinkte, Triebe der ontogenetischen Selbsterhaltung und der physiologischen, der Gattungserhaltung." (E III 10, 8) In diesem Zusammenhang ist nicht klar, was Holenstein meint, wenn er sagt: '''Instinkt' und 'Trieb' sind nicht eng animalisch zu nehmen." Hat dieses Zitat mit seiner allgemeinen Feststellung zu tun, daß in der Phänomenologie Husserls, wie er im Hinblick auf die Affektionslehre behauptet, "zu künstlich von ihrer vitalen und emotionalen Bedeutung abstrahiert" (E. Holenstein, s. 37) werde? Auf die Kritik Holensteins an der Affektionslehre Husserls werden wir im dritten Teil dieser Arbeit eingehen. Vgl. dazu unten S. 164 ff.

23. I. Yamaguchi, Passive Synthesis und Intersubjektivität bei Edmund Husserl. The Hague/BostonlLondon 1982, S. 56.

24. a.a.O., S. 58. 25. An dieser Stelle sehen wir noch einmal das Phänomen der Doppeldeutigkeit der phäno­

menologischen Grundbegriffe. 26. Zur Problematik der phänomenologischen Archäologie vgl. A. Diemer, Edmund Husserl,

S. 11; G. Funke, Phänomenologie - Metaphysik oder Methode? Bonn 1972, S. 214: L. Landgrebe, "Die Phänomenologie als transzendentale Theorie der Geschichte", in: Phänomenologische Forschungen 3 (1976), S. 32; ders., "Lebens welt und Geschichtlichkeit des menschlichen Daseins", in: Phänomenologie und Marxismus. Bd. 2. Praktische Philosophie. Hrsg. von B. Waldenfels und anderen, Frankfurt/Main 1977, S. 13-58; A. A. Bello, "Phenomenological Archeology as a Tool for Analysing the Human World", in: Phänomenologie der Praxis im Dialog zwischen Japan und dem Westen. Hrsg. von H. Kojima, Würzburg 1989, S. \05-II7.

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ZWEITER TEIL

Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte durch die Ab- und Aufbauanalyse der Konstitution der Welt

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A. DER ABBAU DER KONSTITUTION DER WELT UND DAS PROBLEM DES INSTINKTES

KAPITELl

Entdeckung der Triebintentionalität durch die Analyse der äußeren Wahrnehmung

1. EINFÜHRUNG IN DEN PROBLEMBEREICH

Um den Problembereich für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in diesem Kapitel abzugrenzen, müssen wir die fertige Welt systematisch abbauen. Die Welt als das noematische Korrelat des Weltbewußtseins ist, wie oben im dritten Kapitel des ersten Teils dargestellt, immer das Produkt der genetischen Konstitution. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, daß "die eigentliche Welt zur Schöpfung kommt in einer Vielheit von Schöpfungsstufen, denen relative 'Welten' entsprechen" (e 16 V, 16). Da die Instinktintentionalitäten als die passiven Bewußtseinsgestalten auf den genetisch unteren Stufen angesiedelt sind, ist es, um sie ins Blickfeld zu rücken, unumgänglich, durch den Einsatz der Abbauanalyse von den oberen Stufen der genetischen Konstitution der Welt zu abstrahieren und den refIektiven Blick auf das danach übrigbleibende zu richten.

Durch den Abbau muß zunächst von der Stufe der Weltkonstitution, welche durch das Apperzeptionssystem der objektiven Wissenschaften bestimmt ist, abstrahiert werden. Dadurch wird die Welt der fertigen Subjektivität auf die vorwissenschaftliche Lebenswelt zurückgeführt. Die so gewonnene vorwis­senschaftliche Lebenswelt ist noch nicht eine bloß passive Welt, sondern sie ist eine Welt, welche durch die mannigfaltigen lebensweltlichen Willens­horizonte bestimmt ist. Durch die weitere Betätigung der Abbauanalyse muß von diesen Willenshorizonten abstrahiert werden. Durch den systematischen Abbau der Konstitution der Welt erhalten wir schließlich, wie Husserl sagt, die "pure universale Natur als passiv vorgegebenen Erfahrungsboden, die sich in konsequentem Fortgang sinnlicher Wahrnehmung als ein in sich geschlossener Zusammenhang ergibt, und zwar rein als die von mir wahrgenommene und wahrnehmbare" (EU, 57).

Diese "pure universale Natur" mitsamt ihren Einzelgegenständen bildet den Problembereich der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in diesem Kapitel. Die pure Natur in diesem Sinne ist nichts anderes als das Wahrnehmungsfeld, welches als das noematische Korrelat der äußeren

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84 Zweiter Teil

Wahrnehmung das konstitutive Fundament, d.h. den "Kern" oder die "Materie (Hyle) der Welt" (C 6, 6) im eigentlichen Sinne bildet. Die pure Natur oder das Wahrnehmungsfeld als die Materie, d.h. Hyle für die Konstitution der Welt im eigentlichen Sinne bezeichnet Husserl, um sie von anderen Formen der Hyle zu unterscheiden, als die "naturale Hyle" (C 6, 6).

2. DIE STRUKTUR DER NATURALEN HYLE

Im Hinblick auf das Wahrnehmungsfeld als die naturale Hyle muß man zunächst dem Mißverständnis vorbeugen, zu meinen, es sei eine zweidimen­sionale Gegenständlichkeit. Diese Gefahr ist um so größer, als der Begriff "Feld", den Husserl, um die pure Natur zu bestimmen, ins Spiel bringt, im ursprünglichen Sinne des Wortes in der Alltagssprache sicher Zweidimen­sionalität impliziert. Das Wahrnehmungsfeld als ein phänomenologischer Grundbegriff darf aber nicht einfach vom Sprachgebrauch der Alltagssprache her, sondern ausschließlich im konkreten Gebrauch innerhalb der Phäno­menologie selbst verstanden werden. In diesem Zusammenhang ist für die Bestimmung des Wahrnehmungsfeldes folgende Stelle in der Phäno­menologischen Psychologie von großer Bedeutung: "Das Feld als Feld der Wahrnehmung ist ein Wahrnehmungsraum, der alle darin vereinzelten Dinge mit allen ihren Raumgestalten in sich faßt." (IX, 161) Das Wahrnehmungsfeld ist also derjenige dreidimensionale Raum, der um mich vorne-hinten, rechts­links, nach oben-nach unten ausgebreitet ist und in dem ich, mich bewegend, die räumlichen Gegenstände erfahren kann. Das Wahrnehmungsfeld als eine dreidimensionale Gegenständlichkeit unterscheidet sich genetisch strikt vom Empfindungsfeld, welches, wie unten im zweiten Kapitel dieses Abschnittes gezeigt wird, als eine zweidimensionale Gegenständlichkeit keine örtliche Bewegung im eigentlichen Sinne zuläßt. Diesen Unterschied faßt Husserl so zusammen: "Ein Raum ist eine Form realer, dingartiger Gegenstände, und dazu gehört die Möglichkeit der Bewegung. Man sieht aber leicht, daß im Empfindungsfeld der Begriff einer Bewegung keinen Sinn gibt." (IX, 164)

Wegen der Dreidimensionalität des Wahrnehmungsfeldes ist es unmöglich, daß der Wahrnehmungsgegenstand in irgendeiner Phase der äußeren Wahrnehmung in seinem vollen gegenständlichen Sinne gegeben wird. Der Tisch, der vor uns steht, ist nur von einem bestimmten Standpunkt her, z.B. von hier, von dort oder von irgendwoher wahrnehmbar. Dem Wesen nach kann es also keinen Gegenstand der äußeren Wahrnehmung geben, "der in einer abgeschlossenen Wahrnehmung im strengen Sinn allseitig, nach der Allheit seiner sinnlich anschaulichen Merkmale gegeben sein könnte." (XI, 3) Jeder momentane gegenständliche Sinn, welcher in jeder Phase der äußeren Wahrnehmung gegeben wird, ist dabei auf doppelte Weise auf die weiteren durch die möglichen Wahrnehmungsphasen zu verwirklichenden gegen­ständlichen Sinne verwiesen. "In noematischer Hinsicht ist", so führt Husserl an einer Stelle der Analysen zur passiven Synthesis aus, "das Wahrgenommene

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Entdeckung der Triebintentionalität 85

derart abschattungsmäßig Gegebenes, daß die jeweilig gegebene <Seite> auf anderes Nichtgegebenes verweist, als nicht gegeben von demselben Gegenstand." (XI, 5, Herv. v. Vf.) Einerseits ist jeder momentane gegen­ständliche Sinn auf diejenigen gegenständlichen Sinne verwiesen, welche aus anderen Perspektiven wahrnehmbar sind. Diese Verweisungszusammenhänge von einem gegebenen auf die momentan nicht-gegebenen, aber von einem anderen Aspekt zu gebenden gegenständlichen Sinne nennt Husserl die Außenhorizonte. Andererseits ist ein wirklich gegebener gegenständlicher Sinn auf die gegenständlichen Sinne verwiesen, welche durch dessen differen­zierende Näherbestimmungen zutage treten können. Diese Verweisungszusam­menhänge nennt Husserl im Gegensatz zu den ersteren die Innenhorizonte.

Der Horizont als der Verweisungszusammmenhang zwischen den gegen­ständlichen Sinnen ist der formale Rahmen, aus dem einerseits alle möglichen gegenständlichen Sinne ausgesponnen und in den andererseits diese wiederum eingebettet werden können. Ohne den Horizont als den Verweisungszusam­menhang zwischen den gegenständlichen Sinnen ist kein gegenständlicher Sinn denkbar. "Mit anderen Worten, alles eigentlich Erscheinende ist nur dadurch Dingerscheinendes, daß es umflochten und durchsetzt ist von einem inten­tionalen Leerhorizont, daß es umgeben ist von einem Hof erscheinungsmäßiger Leere. Es ist eine Leere, die nicht ein Nichts ist, sondern eine auszufüllende Leere, es ist eine bestimmbare Unbestimmtheit." (XI, 6)

Da es, wie die Horizontstruktur zeigt, unendlich viele momentane gegen­ständliche Sinne gibt, erweist sich der volle gegenständliche Sinn, welcher diese unendlich vielen momentanen gegenständlichen Sinne einheitlich umfassen soll, als "eine im Unendlichen liegende Idee" (XI, 20). Es ist also noematisch betrachtet das Wesen der äußeren Wahrnehmung, daß zwischen dem momentanen Teilsinn, der in jeder Wahrnehmungsphase als ein Aspekt des Gegenstandes gegeben wird, und dem vollen gegenständlichen Sinn, welcher "die Idee des absoluten Selbst des Gegenstandes und seiner absoluten und vollständigen Bestimmtheit oder, wie wir auch sagen, seines absoluten individuellen Wesens" (XI, 21) darstellt, eine unaufhebbare Spannung besteht.

3. DAS SYSTEM DER ÄUßEREN WAHRNEHMUNG ALS EIN SYSTEM DER

TRIEBINTENTIONALIT Ä T

Nach dem universalen Korrelationsapriori von Noesis und Noema ist es möglich, auf der noetischen Seite eine der noematischen Struktur entsprechende korrelative Struktur festzustellen. Danach besteht die jeweilige Wahrneh­mungsintention, welche auf den momentanen gegenständlichen Sinn gerichtet ist, nicht für sich allein, sondern sie ist wie dieser intentional auf weitere Wahrnehmungsintentionen verwiesen, welche im weiteren Wahrneh­mungsverlauf zu verwirklichen sind. Der Verweisungszusammenhang von der wirklichen Wahrnehmungsintention auf die zu verwirklichenden Wahrnehmungsintentionen heißt die Horizontintentionalität. Im Hinblick auf

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86 Zweiter Teil

die Horizontintentionalität läßt sich das Wesen der äußeren Wahrnehmung in noetischer Hinsicht folgendermaßen zusammenfassen: "Das Wahrnehmen ist, noetisch gesprochen, ein Gemisch von wirklicher Darstellung, die das Dargestellte in der Weise originaler Darstellung anschaulich macht, und leerem Indizieren, das auf mögliche neue Wahrnehmungen verweist." (XI, 5)

Eine konkrete Wahrnehmungsintention als ein Gemisch von wirklicher Darstellung und leerem Indizieren besteht also aus zwei Komponenten: der Intention, welche auf den momentanen wirklichen gegenständlichen Sinn gerichtet ist, und der Intention, welche auf den sofort zu verwirklichenden gegenständlichen Sinn im protentionalen Horizont gerichtet ist. Die in der Form der Protention auf den unenthüllten gegenständlichen Sinn gerichtete Wahrnehmungsintention kann im weiteren Verlauf des Wahrnehmungsvorgangs in den Zustand der Erfüllung übergehen. Da wegen der Horizontstruktur keine erfüllte momentane Wahrnehmungsintention eine letzte und endgültige Erfüllung darstellt, kann sich der Wahrnehmungsvorgang nach der ersten Erfüllung der vor kurzem auf den im protentionalen Horizont liegenden gegen­ständlichen Sinn gerichteten Wahrnehmungsintention weiter fortsetzen. Dabei ist es auch möglich, im Hinblick auf die neu eintretende konkrete Wahrnehmungsintention dieselbe Strukturunterscheidung wie bei der vorangegangenen konkreten Wahrnehmungsintention festzustellen, nämlich die Unterscheidung zwischen der auf den wirklichen gegenständlichen Sinn gerichteten Wahrnehmungsintention und der auf den unenthüllten gegen­ständlichen Sinn im protentionalen Horizont gerichteten Wahrneh­mungsintention. Durch die weitere Fortsetzung des Wahrnehmungsvorgangs erweitert sich zwar der Wahrnehmungssinn, aber, da kein so erreichter Wahrnehmungssinn einen vollständigen gegenständlichen Sinn als eine im Unendlichen liegende Idee darstellt, kann sich der Wahrnehmungsverlauf weiter fortsetzen, wie es in den Analysen zur passiven Synthesis heißt: "Aber die Intention will nicht bloß überhaupt darauf hinaus, das intendierte Gegenständliche in entsprechender Selbstanschauung zu berühren und etwa bloß die Vorzeichnung zur Erfüllung gebracht zu finden; sie ist auch dann noch unbefriedigt und strebt fort von Näherbestimmung zu Näherbestimmung. Die unbestimmte Allgemeinheit der Vorzeichnung in jeder verbleibenden Leere <ist> immerfort nur eine Form für die zu leistende und in einem zugehörigen gegenständlichen Sinn intendierte Erfüllung in Form immer neuer Näherbestimmung." (XI, 83)

Der Wahrnehmungsvorgang kann sich also wegen der Horizontstruktur prinzipiell unendlich fortsetzen. Die unendliche Fortsetzbarkeit des Wahrnehmungsvorgangs zeigt aber zugleich, daß die Wahrnehmungsintention mehr als ein bloßes "Bewußtsein von", d.h. mehr als eine bloß doxische Vorstellungsintention, ist. Das Wesen der Wahrnehmungsintention ist mit dem Merkmal des "Bewußtseins von" als einer bloßen doxischen Vorstellungsin­tention nicht zu erschöpfen. Wenn die Wahrnehmungsintention bloß eine doxische Vorstellungsintention wäre, dann wäre es unbegreiflich, warum es auf dem Bewußtseinsfeld so etwas wie einen stetigen Übergang einer

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Entdeckung der Triebintentionalität 87

Wahrnehmungsintention in eine immer neue geben muß, die im Grunde genommen unendlich fortgesetzt werden kann. Die unendliche Fortsetzbarkeit des Wahrnehmungsvorgangs zeigt schließlich, "daß dieses Gerichtet-sein tendenziös ist und von vornherein als Tendenz, als ein Streben auf eine Befriedigung 'hinauswill', die nur in einer veranschaulichenden Synthese besonderer Art möglich ist, einer Synthesis, die das vorstellige Gegenständliche zur Selbstgegebenheit bringt." (XI, 83, Herv. v. Vf.) Die Wahrneh­mungsintention zeigt sich also als doppeldeutige: Sie bedeutet einerseits das "Bewußtsein von" als eine doxische Vorstellungsintention, sie ist aber zugleich eine dynamische Strebenstendenz, eine aus dem Ichzentrum ausstrahlende Strebensintention 1, die darauf gerichtet ist, den im Leerhorizont liegenden unenthüllten gegenständlichen Sinn in einen wirklichen gegenständlichen Sinn umzuwandeln.

Als eine notwendige Folge der Doppeldeutigkeit des Begriffs der Wahrnehmungsintention ist es möglich, dementsprechend die zwei Bedeutungen der Erfüllung festzustellen. Da die Wahrnehmungsintention sich zunächst als eine doxische Vorstellungsintention zeigt, bedeutet die Erfüllung dementsprechend "die am Ende des synthetischen Übergangs resultierende Deckung der als Intention fungierenden Vorstellung mit der entsprechenden Selbsterfahrung, wodurch das Leere seine Fülle des Selbst erhält." (XI, 88) Die Erfüllung in diesem Sinne ist demnach die Deckungssynthesis zwischen zwei Vorstellungsintentionen, nämlich zwischen einer intendierenden leeren Vorstellungsintention und einer gezielten anschaulichen Vorstellungsintention. Da die Wahrnehmungsintention andererseits die vom Ichzentrum ausstrahlende dynamische Strebensintention darstellt, zeigt sich die Erfüllung dement­sprechend als die Befriedigung bzw. die Entspannung der tendenziellen Strebensintention. Es kommt also in der Erfüllung der Wahrnehmungsintention nicht nur "eine synthetische Einheit der Vorstellungen für sich in Frage, sondern auch eine synthetische Einheit, die das durch die Vorstellungen hindurchge­hende Streben betrifft." (XI, 84)

Husserl bestimmt die tendenzielle Strebensintention, welche am Wahrnehmungsvorgang beteiligt ist und den unendlichen Übergang von einer in eine immer neue Wahrnehmungsintention möglich macht, in der Spätphilosophie als die Triebintentionalität. Dementsprechend schreibt er im Hinblick auf den unendlichen Übergang einer Wahrnehmungsintention in eine immer neue an einer Nachlaßstelle von 1921: "Hier handelt es sich um ganze Triebsysteme, Systeme von Triebintentionen, die in kontinuierlicher Triebintentionalität vermittelt, aber nicht in allen Sonder-Triebintentionen zu verwirklichen sind." (A VII 13, 20) Während der Ausarbeitung der Ideen 11 wird schon das tendenzielle Streben der Wahrnehmungsintention als ein Trieb bezeichnet: "Diese Triebe oder Tendenzen sind zum Sinnlichen selbst gehörig und gehen vom Sinnlichen auf Sinnliches (Impressionen auf neue Impressionen, oder Impressionen auf Reproduktionen, von Reproduktionen auf andere Reproduktionen)." (IV, 337) Den Trieb, welcher am Vorgang der äußeren Wahrnehmung beteiligt ist, bezeichnet Husserl spezifisch als den

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"Trieb zur Wahrnehmung" (A VII 13, 15), der, wie oben gezeigt, darauf gerichtet ist, einen noch vollkommeneren gegenständlichen Sinn konstitutiv zustande zu bringen. Der Trieb zur Wahrnehmung stellt die Triebkraft des beständigen Übergangs einer Wahrnehmungsphase in eine immer neue dar. Dies besagt zugleich, daß der beständige Übergang einer Wahrnehmungs­intention in eine immer neue insofern stattfindet, als das Wahrnehmungssubjekt in seinem ganzen Umfang vom Trieb zur Wahrnehmung durchsetzt ist. Es ist also letztlich der Trieb zur Wahrnehmung, der für die von Husserl als ein "Widerspruch" bezeichnete beständige Prätention der äußeren Wahrnehmung verantwortlich ist. Es handelt sich dabei um die Prätention der äußeren Wahrnehmung, durch den beständigen Übergang einer Wahrnehmungsphase in eine immer neue den vollen Sinn eines Wahrnehmungsgegenstandes zu konstituieren, also um "eine beständige Prätention" der äußeren Wahrnehmung, "etwas zu leisten, was sie ihrem eigenen Wesen nach zu leisten außerstande ist." (XI, 3)

Im Zusammenhang mit der Bestimmung der tendenziellen Strebensintention der äußeren Wahrnehmung als einer Triebintention ist zu bemerken, daß Husserls Ansicht über diesen Problemzusammenhang lange geschwankt hat. Er vertritt immer die Ansicht, daß daran nicht zu rütteln sei, daß die tenden­zielle Strebensintention mit der Triebintention eine Gattungsgemeinschaft hat: "Natürlich haben Tendenz und Trieb ein gattungsmäßig Gemeinsames, das mit Tendenz zu bezeichnen wäre, und die Tendenzen wären dann Vorstellungstendenzen und Wertungstendenzen. " (B I 211, 6, 1917 oder 1918) Trotz der feststellbaren Gattungsgemeinschaft zwischen beiden war er ungefähr bis gegen 1920 der Auffassung, daß die tendenzielle Intentionalität von der Triebintentionalität strikt unterschieden werden müsse. Er begründete dabei seine Auffassung damit, daß die Auswirkung der tendenziellen Intention in allen Bereichen des Bewußtseins, d.h. sowohl in der Sphäre der Begehrungsintention und der wertenden Intention als auch, wie oben dargestellt, in der Vorstellungsintention zu beobachten sei, die Auswirkung der Triebintentionalität aber nur in einem bestimmten Bereich des Aktes, nämlich im Bereich des Begehrens. Aus dieser Überzeugung schreibt er: "Trieb ist dabei 'gerichtet' auf 'Lustvolles'. Dann ist Trieb nicht identisch mit Tendenz, tendierender Intention, wie sie in den Denkintentionen, in den doxischen Intentionen liegt, die ihrem Wesen nach zwar verflochten sein mögen mit praktischen Intentionen, aber nicht in sich selbst solche sind. Es ist also z.B. zu sprechen von Tendenzen im Übergang von Assozianten zu Assoziaten, aber nicht von Trieben." (B I 211, 6) Diese Auffassung stimmt übrigens mit der Grundüberzeugung überein, die die Grundlinie der Intentionalanalyse der Instinkt- bzw. der Triebintentionalität in der V. Logischen Untersuchung bildet. Dort wird das Problem des Instinktes und des Triebes unter dem Titel Begehrungsvermögen behandelt, welches sich gattungsmäßig strikt von der objektivierenden Intention unterscheiden soll.

Diese Auffassung wird aber in der Spätphilosophie durch eine nähere Analyse der tendenziellen Strebensintention der Wahrnehmung in Frage

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Entdeckung der Triebintentionalität 89

gestellt. Abweichend von der Feststellung an der oben zitierten Stelle zeigt auch diese Strebensintention wie die anderen Triebintentionen den Grundzug des Gerichtetseins auf Lustvolles. Der gegenständliche Sinn, der immer reicher werden soll, ist nichts anderes als das Lustvolle, auf das die Strebensintention der Wahrnehmung in jeder Phase der äußeren Wahrnehmung gerichtet ist. So zeigt sich die tendenzielle Strebensintention als eine bestimmte Form der Triebintentionalität. Es ist nicht der deskriptive Charakter, sondern bloß die Verschiedenheit des begehrten Gegenstandes als des "Lustvollen", welche die tendenzielle Strebensintention der Wahrnehmung von den anderen Triebintentionen unterscheidet. Diese Einsicht veranlaßt Husserl endlich dazu, die tendenzielle Strebensintention der Wahrnehmung, wie oben dargestellt, als eine Triebintentionalität zu bestimmen.

Die Triebintentionalität der äußeren Wahrnehmung zeigt also wie andere Triebintentionen den Grundzug des Gerichtetseins auf das Lustvolle. Als solche zeigt sie ursprünglich den Zug der Spannung als eines Zustandes der Nichtbefriedigung, der in den Zustand der Entspannung als einen Zustand der Erfüllung und Befriedigung übergehen muß. Dabei bildet die sinnliche Kinästhese das Mittel, wodurch die befriedigende Erfüllung der Triebin­tentionalität der Wahrnehmung erfolgt. Um einen Weg zur Entspannung zu finden, muß sich die Triebintention der Wahrnehmung notwendigerweise beständig in der Kinästhese auswirken; sie muß also beständig in die Kinästhese, d.h. in die "Handlung" oder die "Praxis" im weitesten Sinne übergehen. Dadurch zeigt sie sich ihrem Wesen nach als eine praktische Intention2• Der Gedanke der Wahrnehmungsintention als einer praktischen Intention ist schon in der V. Logischen Untersuchung vorbereitet. "Der Ausdruck Intention stellt die Eigenart der Akte unter dem Bilde des Abzielens vor und paßt daher sehr gut auf die mannigfaltigen Akte, die sich ungezwungen und allgemeinverständlich als theoretisches oder praktisches Abzielen bezeichnen lassen." (XIX/1, 392, Herv. v. Vf.) Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der Triebintention (oder Tendenz) der Wahrnehmung als einer praktischen Intention und der Kinästhese als der niedersten Form der Praxis heißt es an einer Stelle von Erfahrung und Urteil: "Wir nennen diese Bewegungen, die zum Wesen der Wahrnehmung gehören und dazu dienen, den Wahrnehmungsgegenstand möglichst allseitig zur Gegebenheit zu bringen, Kinästhesen. Sie sind Auswirkungen der Tendenzen der Wahrnehmung, in gewissem Sinne 'Tätigkeiten', obschon nicht willkürliche Handlungen." (EU, 89)

Nach der Entdeckung der Wahrnehmungsintention als einer praktischen Triebintention bezeichnet Husserl die Horizontintentionalität, welche als die Möglichkeit der Wahrnehmung dem Wahrnehmungssubjekt immer zur Verfügung steht, spezifisch als eine praktische Möglichkeit3• Denn es handelt sich bei der Horizontintentionalität der äußeren Wahrnehmung nicht mehr um eine ruhende oder träge Möglichkeit, sondern ausschließlich, wie Husserl sagt, um "eine 'tätige' Möglichkeit, eine im weiteren Sinne praktische" (A VII 13, 17) Möglichkeit. "Jede Wahrnehmung, die mir das Objekt in dieser

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90 Zweiter Teil

Orientierung darbietet, läßt die Übergänge in die anderen Erscheinungen des­selben Objektes, und zwar in gewissen Gruppen von Erscheinungen, praktisch offen; die Übergangsmöglichkeiten sind praktische Möglichkeiten [ ... ]." (EU, 89, Herv. v. Vf.) Es ist klar, daß eine konkrete Wahrnehmungsintention als eine praktische Triebintention nichts anderes als die Verwirklichung, d.h. das In-Gang-Bringen einer bestimmten möglichen Wahrnehmungslinie aus dem gesamten Spielraum eines Wahrnehmungssystems als einer praktischen Möglichkeit darstellt. "Die praktische Intention ist Verwirklichung einer bleibenden praktischen 'Überzeugung'." (A VII 13, 18)

4. ARTEN UND MODI DER TRIEBINTENTIONALITÄT DER WAHRNEHMUNG

Die Triebintention der Wahrnehmung ist wesensmäßig auf den im proten­tionalen Horizont liegenden gegenständlichen Sinn gerichtet. Als solche ist sie ihrem Wesen nach "eine vor-, nämlich in die Zukunft gerichtete intentio" (XI, 86). Im Hinblick auf die Triebintentionalität der Wahrnehmung als eine auf die Zukunft gerichtete Intention muß man aber beachten, daß sie nicht nur auf den im protentionalen Horizont erst zu verwirklichenden Sinn, sondern auch auf den schon im Vergangenheitshorizont erworbenen und sedimentierten, aber unter Umständen im protentionalen Horizont wieder zu realisierenden gegenständlichen Sinn gerichtet sein kann. Wenn die Triebintentionalität der Wahrnehmung bloß auf den im protentionalen Horizont erst zu verwirk­lichenden gegenständlichen Sinn gerichtet wäre, dann wäre es unmöglich, im weiteren Vorgang des Wahrnehmungsprozesses einen noch voll­kommeneren gegenständlichen Sinn zu konstituieren. Ohne die Möglichkeit der "Wiederwahrnehmung im Charakter des Wiedererkennens" (XI, 10) würde jeder gegenständliche Sinn, der einmal konstituiert wird, gleich ins Leere fließen, ohne dazu beizutragen, einen noch reicheren gegenständlichen Sinn zu konstituieren. "Worauf das thematisch sich vollziehende Wahrnehmen hin­auswill, ist ja nicht bloß, von Moment zu Moment immer Neues vom Gegenstand anschaulich zu haben, als ob das Alte dem Griff des Interesses entgleiten dürfte, sondern im Durchlaufen eine Einheit originärer Kenntnisnahme zu schaffen, durch die der Gegenstand nach seinem bestimmten Inhalt zur ursprünglichen Erwerbung und durch sie zum bleibenden Kenntnisbesitz würde." (XI, 9) Dementsprechend muß die Triebintention der Wahrnehmung "vorgreifend" sein "einmal auf Selbstverwirklichung des Künftigen und ebenso eines Mitgegenwärtigen durch Wahrnehmung, oder des Vergangenen durch Wiedererinnerung." (XI, 86)

Die Triebintentionalität der Wahrnehmung ist also auf zwei verschiedene Weisen vorgreifend; vorgreifend einmal auf den erst im Zukunftshorizont zu verwirklichenden gegenständlichen Sinn, ein andermal vorgreifend auf den schon im Vergangenheitshorizont erworbenen Sinn. In beiden Fällen ist es aber möglich, im jeweiligen Vorgriff der Triebintentionalität zwei Glieder zu unter­scheiden: die anschauliche gegenwärtige Vorstellung als den terminus a quo

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Entdeckung der Triebintentianalität 91

der Triebintentionalität und die davon erweckte, auf im Zukunftshorizont zu verwirklichenden, gegenständlichen Sinn gerichtete Leervorstellung als deren terminus ad quem. Die beständige Auswirkung der Triebintentionalität im konkreten Wahrnehmungsvorgang erweist sich danach als ein Prozeß der beständigen Weckung der Leervorstellung als des terminus ad quem von einer anschaulichen Vorstellung als dem terminus a qua aus. Dies besagt nichts anderes, als daß die beständige Auswirkung der Triebintentionalität im konkreten Vorgang der Wahrnehmung sich auf den assozIatIven Weckungszusammenhang zwischen der anschaulichen Vorstellung und der Leervorstellung reduziert.

Um die Weisen, wie die Triebintentionalität sich bei der Konstitution eines vollkommeneren gegenständlichen Sinnes auswirkt, differenzierter zu begreifen, ist es daher nötig, die bei den Formen der Assoziation, welche am konkreten Wahrnehmungsvorgang beteiligt sind, näher zu bestimmen. Es handelt sich dabei einerseits um die reproduktive Assoziation, weIche auf die Selbstverwirklichung des vergangenen gegenständlichen Sinnes durch die Wiederwahrnehmung angelegt ist und andererseits um die induktive Assoziation, weIche auf die Selbstverwirklichung des künftigen mitgegen­wärtigen Sinnes durch die Wahrnehmung gerichtet ist.

Machen wir uns zunächst daran, die Struktur der Auswirkung der Triebintentionalität in der reproduktiven Assoziation zu verdeutlichen. Die formale Struktur der reproduktiven Assoziation kann man mit Husserl auf die Formel bringen: "Das Gegenwärtige erinnert an das reproduktiv Vergegenwärtigte, darin liegt eine von jenem auf dieses hingehende und bei anschaulicher Reproduktion erfüllte Tendenz." (XI, 121) Diese Tendenz, weIche von der gegenwärtigen anschaulichen Vorstellung auf die vergegen­wärtigte Vergangenheitsvorstellung übergeht, ist eine Form der Triebinten­tionalität der Wahrnehmung, welche, wie oben gesagt, darauf gerichtet ist, durch die Weckung des im Vergangenheitshorizont erworbenen, aber im Modus einer bloßen Potentialität liegenden gegenständlichen Sinnes einen noch vollkommeneren gegenständlichen Sinn zu konstituieren. Diese Triebinten­tionalität können wir spezifisch als die Triebintentionalität zur Wiedererin­nerung4 bezeichnen.

In der Betätigung der Triebintentionalität der Wahrnehmung in der repro­duktiven Assoziation zieht "das geweckte Vergangene, nämlich der geweckte Niederschlag einer früheren Wahrnehmung als Leerbewußtsein" das Ich "in die Vergangenheit hinein und weckt den Trieb, gleichsam in der Vergangenheit zu leben und sie in einer modifizierten Wahrnehmung zu 'realisieren'." (A VII 13, 15) Die Realisierung des schon im Vergangenheitshorizont erworbenen gegenständlichen Sinnes durch die reproduktive Assoziation, weIche nichts anderes als die Befriedigung der Triebintention der Wahrnehmung darstellt, vollzieht sich dabei nicht mit einem Schlag, sondern graduell. Dement­sprechend ist es möglich, im Hinblick auf die Auswirkung der Triebintention die verschiedenen Modi zu unterscheiden. Der ursprüngliche Modus ist das Leerbewußtsein; die Triebintentionalität zur Wiedererinnerung ist dabei uner-

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weckt, sie befindet sich sozusagen im völligen Schlafzustand. In diesem Falle zeigt sie den Zustand einer bloßen Potentialität, d.h., wie Husserl sagt, als eine bloße "praktische Möglichkeit, aber ohne daß der Trieb aktuell ist im Modus der Triebaffektion (der Neigung, der Affektion im vorzüglichen Sinn)." (A VII 13, 21) Allerdings ist es möglich, daß die Triebintentionalität zur Wiedererinnerung vom Modus der bloßen Potentialität in den Modus der Affektion, von diesem weiter in den Modus der Zuwendung übergeht. Im weiteren Verlauf der Auswirkung der Triebintentionalität zur Wiedererinnerung kann sich der vergegenwärtigte gegenständliche Sinn verwirklichen, was den Abschluß des Vorganges der Wiedererinnerung bedeutet. Dadurch findet die Entspannung bzw. die befriedigende Erfüllung der Triebintentionalität zur Wiedererinnerung statt.

Es ist möglich, eine ähnliche Struktur der Auswirkung der Triebin­tentionalität der Wahrnehmung auch in der induktiven Assoziation zu beobachten. Die Triebintentionalität, welche sich in der induktiven Assoziation auswirkt, kann man parallel zur Triebintentionalität zur Wiedererinnerung als die Triebintentionalität zur Zukunftserinnerung5 bezeichnen. Die Auswirkung der Triebintention der Wahrnehmung in der induktiven Assoziation zeigt aber eine kompliziertere Struktur als bei der reproduktiven Assoziation. Dies beruht darauf, daß die Erfüllung der Triebintentionalität der Wahrnehmung in der induktiven Assoziation eine andere Struktur zeigt als in der reproduk­tiven Assoziation. Die Erfüllung der Triebintentionalität zur Wiedererinnerung besteht, wie oben dargestellt, bloß darin, daß der gegenständliche Sinn, der zunächst den Modus der bloßen Potentialität zeigt, sich im weiteren Verlauf schließlich in den expliziten gegenständlichen Sinn verwandelt. Husserl bezeichnet diesen Übergang des gegenständlichen Sinnes vom Modus der bloßen Potentialität in den expliziten als den Vorgang der Enthüllung des gegenständlichen Sinnes. "In der Enthüllung, oder wie wir auch sagen, Klärung 'verwirklicht' sich der in der Leere verborgene intentionale Gehalt, er wird dargelegt, klargelegt." (XI, 251) Bei der Auswirkung der Triebintentionalität zur Wiedererinnerung bedeutet die Enthüllung des gegenständlichen Sinnes zugleich die Erfüllung jener Intentionalität; sie entspannt sich mit der Enthüllung des gegenständlichen Sinnes.

Die Erfüllung der Triebintentionalität besteht in der induktiven Assoziation anders als bei der Wiedererinnerung nicht nur einfach in der Enthüllung des gegenständlichen Sinnes, sondern in dessen anschaulicher Habe. Im Hinblick auf den Unterschied in der Erfüllungsstruktur zwischen beiden schreibt Husserl an einer ManuskriptsteIle und zwar im Zusammenhang mit der Gegen­wartserinnerung folgendes: "In der Doxa der unwahrgenommenen Gegenwart liegt doch der Zusammenhang mit der lebendigen Wahrnehmungsgegenwart mit ihrer unmittelbar lebendigen Triebintentionalität, und das Bewußtsein des 'ich kann hingehen und es sehen' ist für das Nichtgesehene mitbeschlossen." (A VII 13, 21) Die Möglichkeit des "ich kann hingehen und es sehen" ist also dasjenige Moment, wodurch die Gegenwarts- bzw. die Zukunftserinnerung sich strikt von der Wiedererinnerung unterscheiden. Die

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Enthüllung des gegenständlichen Sinnes in der Gegenwarts- bzw. Zukunftserinnerung, welche in gewissem Sinne zwar die Erfüllung der Triebintentionalität darstellt, ist noch nicht die wirkliche Enderfüllung, sondern bloß deren Vorstufe. Die Erfüllung der Triebintentionalität bei der Gegenwarts­bzw. Zukunftserinnerung vollzieht sich in zwei Stufen. In diesem Zusammenhang sei hinzugefügt, daß es sich bei der Triebintentionalität, weIche sich in der Enthüllung des gegenständlichen Sinnes auswirkt, und derjenigen, weIche sich in dessen anschaulicher Erfüllung auswirkt, nicht um zwei ver­schiedene Triebintentionalitäten, sondern bloß um zwei verschiedene Vollzugsmodi ein und derselben Triebintentionalität der Zukunftserinnerung als einer Art der Triebintentionalität zur Wahrnehmung handelt.6

Das Phänomen der Assoziation als der Weckung einer Leervorstellung von einer anschaulichen Vorstellung gewinnt durch die bisherige Bestimmung der Wahrnehmungsintention als einer Triebintention eine neue und ursprüngliche Bedeutung. Da sowohl die anschauliche Vorstellung als der terminus a quo als auch die Leervorstellung als der terminus ad quem im Assozia­tionszusammenhang, obwohl dabei zwischen bei den ein Unterschied des Modus feststellbar ist, im Grunde genommen eine Triebintention sind, zeigt sich der assoziative Zusammenhang im Vorgang der äußeren Wahrnehmung konkreter als ein Weckungszusammenhang zwischen den Triebintentionalitäten. Dementsprechend bezeichnet Husserl an einer ManuskriptsteIle die Assoziation ausdrücklich als die "Assoziation von Trieben" (A VII 13, 20). In diesem Zusammenhang heißt es an derselben Stelle noch ausführlicher: "Wir haben es nicht mit einer bloßen Assoziation von 'Ideen' zu tun, sondern mit einer Assoziation erworbener Triebe und gerichteter Triebverläufe, von passiven Triebverläufen und ihren immanenten Auswirkungen. Nicht die bloße 'Idee' eines solchen Verlaufs wird geweckt, sondern das Ich als Subjekt des Triebes und sein Trieb selbst wird geweckt." (A VII 13, 20)

5. DAS WAHRNEHMUNGSFELD ALS DAS NOEMATISCHE KORRELAT DER

UNIVERSALEN PRAKTISCHEN MÖGLICHKEIT DER TRIEBINTENTIONALITÄT

Die bisherige Wahrnehmungsanalyse, welche von der Voraussetzung ausge­gangen ist, daß es im Wahrnehmungsfeld nur einen Gegenstand, beispielsweise diesen Tisch vor uns, gibt, und in der dementsprechend nur das diesem Einzelgegenstand entsprechende System der Triebintentionalität berücksichtigt worden ist, ist zweifellos einseitig und abstrakt. Denn es gibt im Wahrneh­mungsfeld nicht nur diesen Tisch, sondern unendlich viele Gegenstände wie die anderen Tische und Möbel um ihn und darüber hinaus die Häuser, Bäume, usw. Wie oben gesagt, entspricht einem vollen gegenständlichen Sinn als einer im Unendlichen liegenden Idee auf der noetischen Seite ein Wahrnehmungssystem als ein habituelles System der Triebintentionalität oder, wie Husserl sagt, als eine praktische Möglichkeit der Triebintention der Wahrnehmung. Daraus ergibt sich, daß dem Wahrnehmungsfeld, weIches

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unendlich viele Gegenstände umfaßt, auf der noetischen Seite unendlich viele praktische Möglichkeiten der praktischen Triebintention der Wahrnehmung entsprechen, welche als die praktischen Sondermöglichkeiten eines Sub­jektes nicht zusammenhanglos sind, sondern sich zu einer noch höheren, der höchsten, Einheit der praktischen Möglichkeit desselben Subjektes zusammenschließen. Diese höchste Einheit der praktischen Möglichkeit des Ich, welche alle Sondermöglichkeiten der praktischen Triebintention der äußeren Wahrnehmung einheitlich umspannt, wollen wir den Universalhorizont der praktischen Möglichkeit nennen. Es handelt sich beim Universalhorizont der praktischen Möglichkeit als dem noetischen Korrelat des alle Wahrnehmungs gegenstände umfassenden Wahrnehmungs feldes um nichts anderes als "um ganze Triebsysteme, Systeme von Triebintentionen, die in kontinuierlicher Triebintentionalität vermittelt, also nicht in allen Sonder­Triebintentionen zu verwirklichen sind." (A VII 13, 20)

Eine aktuelle Wahrnehmungsintention als die Verwirklichung einer möglichen Wahrnehmungslinie aus einer praktischen Sondermöglichkeit ist im Universalhorizont der praktischen Möglichkeit mit einer anderen möglichen Wahrnehmungslinie aus einer anderen praktischen Sondermöglichkeit nicht zusammenhanglos. Es ist ein überall feststellbares Phänomen, daß zwei Wahrnehmungslinien aus zwei verschiedenen praktischen Sondermöglichkeiten im Universalhorizont der praktischen Möglichkeit einen assoziativen Weckungszusammenhang herstellen und dadurch zur Konstitution eines neuen gegenständlichen Sinnes beitragen können. "Haben wir ein Ding kennenge­lernt und tritt ein zweites Ding in unseren Gesichtskreis, das nach der eigentlich gesehenen Seite mit dem früheren und bekannten übereinstimmt, so erhält nach einem Wesensgesetz des Bewußtseins (vermöge einer inneren Deckung mit dem durch 'Ähnlichkeitsassoziation' geweckten früheren) das neue Ding die ganze Kenntnisvorzeichnung vom früheren her." (XI, 10) Es ist klar, daß die reproduktive und die induktive Assoziation als die bei den Auswir­kungsweisen der Triebintention der Wahrnehmung nicht nur im Hinblick auf die Konstitution des Einzelgegenstandes, sondern überall, d.h. im Hinblick auf das ganze Wahrnehmungsfeld, festzustellen sind. Danach kommt der oben festgestellten These von der Assoziation als "Assoziation von Triebinten­tionalität" eine universale Bedeutung zu: Diese These gilt nun nicht nur für die praktischen Sondermöglichkeiten, sondern darüber hinaus für den Universalhorizont der praktischen Möglichkeit. Danach zeigt sich das Wahrnehmungsfeld als das noematische Korrelat der universalen praktischen Möglichkeit der Triebintentionalität.

ANMERKUNGEN

1. B. Rang, Kausalität und Motivation. Untersuchungen zum Verhältnis von Perspektivität und Objektivität in der Phänomenologie Edmund Husserls. Den Haag 1973, hat die Strebensintention der äußeren Wahrnehmung einer eingehenden Analyse unterzogen. Vgl. dazu vor allem S. 169 ff.

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2. Über die praktische Intention vgl. folgende Stellen: VIII, 18,34, A VII 13, 17, B I 211, 6. Auf die Lehre von der praktischen Intention werden wir unten bei der Aufbauanalyse ausführlich eingehen. Vgl. dazu das erste Kapitel des folgenden Abschnittes.

3. IV, 258, EU, 89, A VII 13, 17 ff. 4. In diesem Sinne ist an einer ManuskriptsteIle von dem "Trieb zur Wiedererinnerung" (A

VII 13, 15) die Rede. 5. In diesem Zusammenhang spricht Husserl an einer ManuskriptsteIle von den "Trieben zur

Veranschaulichung, z.B. des Künftigen" (A VII 13, 15). Dabei handelt es sich, wie es beispielsweise einmal in den Analysen zur passiven Synthesis heißt, um die "protentionalen Tendenzen" (XI, 92).

6. Es geht bei dieser Bemerkung um eine Frage, in der Husserl, wie er im Rahmen der Logik­Vorlesung in den zwanziger Jahren gesteht, immer geschwankt hat und derer er sich noch nicht "ganz sicher" fühlte: "In der Frage, wie das bloß tendenziöse Gerichtet-sein, z.B. einer leeren vorgreifenden Vorstellung auf ihr Objekt, also das, was sie zur 'Meinung' des Objektes macht, sich verhält zu der weiteren Tendenz auf Erfüllung im entsprechenden Selbst (also zu Bewährungstendenz), habe ich wiederholt geschwankt, und ganz sicher fühle ich mich darin nicht. Als ich vor einigen Jahren über transzendentale Logik las, dachte ich die beiden Tendenzen als im Grunde eine und dieselbe, nur eben im Modus der Auswirkung unterschieden."(XI, 91)

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KAPITEL 11

Das Problem des Instinktes in der Konstitution der Empfindungshy le

I. EINFÜHRUNG IN DEN PROBLEMBEREICH

Um die genetisch noch tiefer liegenden Instinktphänomene zu erfassen, ist es nötig, das Wahrnehmungsfeld mitsamt seinen Einzelgegenständen syste­matisch abzubauen und es dadurch auf seinen genetischen Vorgänger zurückzuführen. Einen konkreten Hinweis darauf, wie der Abbau des Wahrneh­mungsfeldes in diesem Kapitel durchzuführen ist, erhalten wir wiederum aus dessen konstitutiver Struktur.

Die Konstitution der Wahrnehmungsgegenständlichkeit ist dadurch gekennzeichnet, daß daran, obwohl durch den vorangegangenen Abbau der Welt von den höherstufigen Apperzeptionssystemen abstrahiert wird, doch die verschiedenen Bewußtseinsgestalten der Vergegenwärtigung, z.B. die Wieder-, Gegenwarts-, Zukunftserinnerung usw., beteiligt sind. Die ver­schiedenen Formen der Vergegenwärtigungen werden zwar im Unterschied zu den im eigentlichen Sinne aktiven Formen der Bewußtseinsgestalten auf den oberen Stufen der genetischen Konstitution mit gutem Grunde zwar als "passiv" bezeichnet, aber sie zeigen sich in dem Sinne als "aktiv", daß sie den engen Rahmen der impressionalen Sphäre überschreiten. Um die genetisch noch tiefer liegende Konstitutionsstufe als die Grundlage der Konstitution der Wahrnehmungsgegenstände zu enthüllen, ist es erforderlich, durch die Vertiefung der Abbauanalyse von diesen "aktiven" Bewußtseinsgestalten zu abstrahieren und den reflektiven Blick ausschließlich auf das zu richten, was danach übrig bleibt.

Was durch die Vertiefung des Abbaus auf der noematischen Seite übrig bleibt, ist nichts anderes als das Empfindungsfeld. Es handelt sich dabei um "die urimpressionale immanente Sachen-Gegenwart" (C 6, 3), welche aus der lebendigen Einheit von Urimpression, Retention und Protention besteht. In diesem Sinne heißt es an einer Stelle der Analysen zur passiven Synthesis: "Das impressionale Bewußtsein rechnen wir in dieser Hinsicht so weit, als die noch lebendige Retention reicht." (XI, 138) Diese "immanente Sachengegenwart" oder, wie eine weitere ManuskriptsteIle lautet, "das phäno-

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98 Zweiter Teil

menologische Residuum der eigentlich wahrnehmbaren Seiten von mundanen Realitäten" (C 6, 5), bezeichnen wir mit Husserl als "die Empfindungshyle" (C 6, 5).

Das Empfindungsfeld ist diejenige noematische Einheit, der die oben genannten Formen der Vergegenwärtigungen und die damit verbundenen Assoziationen, d.h. die reproduktive und die induktive, fehlen. Dies besagt aber nicht, daß dieses Feld ein konstitutives Produkt darstellen würde, welches mit dem Phänomen der Assoziation überhaupt nichts zu tun hätte. Vielmehr stellt es einen konstitutiven Bereich dar, welcher sich, wie unten ausführlich dargestellt, durch die verschiedenen Formen der ursprünglichen Assoziation konstituiert. Diese ursprünglichen Assoziationen muß man strikt von der repro­duktiven bzw. der induktiven Assoziation unterscheiden; jene bilden die genetische Grundlage für diese.

Ein Musterbeispiel für die konkrete Anwendung der Abbauanalyse in unserem Problemzusammenhang finden wir in den Analysen zur passiven Synthesis. Um die Phänomenologie der Assoziation in der Ursphäre der hyleti­schen Konstitution richtig voranzubringen, ergreift Husserl am Beginn des § 28, also an derjenigen Stelle, wo die Analysen der Assoziationsphänomene zwischen den Empfindungsdaten beginnen, eine methodische Maßnahme. "Bleiben wir in der kontinuierlichen synthetischen Einheit einer strömenden Gegenwart, ziehen wir zunächst keine Funktionen der Wiedererinnerung heran [ ... ], ebensowenig Funktionen der Vorveranschaulichung, die über die kon­tinuierliche Protention hinaus vorspringenden Erwartungen. Auch jederlei Phantasien, jederlei Denkakt, wertende und wollende Aktivitäten lassen wir außer Spiel [ ... ]." (XI, 128-129) Im weiteren Verlauf des Textes und zwar im Zusammenhang mit der Problematik der Affektion heißt es dann in diesem Sinne noch einmal: "Wir tun so, als ob die Welt des Ich nur die impressionale Gegenwart wäre und als ob nichts von hinausgreifenden Apperzeptionen aus weiter sich spannenden subjektiven Gesetzmäßigkeiten mitspielte, nichts von den im Weltleben erworbenen Erkenntnissen, ästheti­schen und praktischen Interessen, Bewertungen u. dgl. Wir betrachten also Funktionen der Affektivität, die rein im Impressionalen gründen." (XI, 150)

2. DIE STRUKTUR DER EMPFINDUNGSHYLE

Nehmen wir als ein Beispiel der Konstitution der Empfindungshyle die Konstitution eines visuellen Feldes, welche während der Schreibtätigkeit durch eine zufällige und unwillentliehe Blickwendung von diesem Papier auf die Wand auf der rechten Seite ohne besondere auffassende Konzentration des Blickes völlig passiv vollzogen wird. Nehmen wir weiter an, daß das visuelle Feld in unserem Beispiel, wie es dem völlig passiven Bewußtsein gegeben wird, aus einem weißen Hintergrund mit drei darauf in einem bestimmten Abstand auftretenden Gruppen von jeweils zwei aneinander angrenzenden roten, gleichförmigen Flecken besteht; dieses Feld soll symbolisch mit H

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Konstitution der Empfindungshyle 99

[A(A I.A2), B(B I.B2), C(C I.C2)] bezeichnet werden. An diesem Beispiel können wir verschiedene Einheiten der Empfindungshyle beobachten: z.B. den weißen Hintergrund H, die drei Gruppen von drei aneinander grenzenden roten Flecken A, B, C, oder die sechs roten Flecken AI, A2, ... CI, C2 usw.

Die Empfindungshyle in unserem Problemzusammenhang ist nicht ein reelles Moment des konstituierenden Bewußtseins, sondern ausschließlich ein noematisches Moment im weitesten Sinne. Husserl bezeichnet in diesem Zusammenhang schon an einer Stelle der Ideen 11, wo von den verschiedenen Arten des Aspektes die Rede ist, die Empfindungshyle als eine bestimmte Form des "Aspektes": "Nun ist es aber klar, daß die apperzeptive Konstitution der Asperkte eine solche ist, daß sich in passend ausgezeichneten Kontinuen ihrer Abwandlungen Aspekte höherer Stufe konstituieren als 'Einheiten', hin­sichtlich welcher die Aspekte im vorigen Sinn als 'Mannigfaltigkeiten' fungieren; z.B., um es wieder in einem objektiven Ausdruck anzudeuten, wenn wir bei sonst fixierten Wahrnehmungs gegenständen [ ... ] bloß die Augen beliebig bewegen, so ist uns nicht nur die Gestalt, sondern auch die Erscheinung von der Gestalt als ein und derselbe Aspekt gegeben." (IV, 129, Herv. v. Vf.) Die Empfindungshyle kann darum als ein Aspekt bezeichnet werden, weil in ihr auf irgendeine Weise das Weltliche sich bekundet. Es . handelt sich bei der Empfindungshyle als einem "Aspekt" ausschließlich um einen "Anblick" des Weltlichen.

Da es bei der Empfindungshyle um ein noematisches Moment geht, ist es möglich, im Hinblick auf die visuelle Empfindungshyle eine bestimmte Form der "Ausbreitung"l festzustellen. Wichtig ist es aber dabei, daß die "Ausbreitung" der visuellen Empfindungshyle nicht mit der Ausbreitung des Wahrnehmungsfeldes verwechselt werden darf. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden liegt darin, daß die Ausbreitung des Wahrnehmungsfeldes dreidimensional, diejenige der Empfindungshyle dagegen zweidimensional ist, wie es an einer Stelle der Phänomenologischen Psychologie ausdrücklich heißt: "Die visuelle Feldform, die im Wechsel der Empfindungsdaten verharrt, ist, wie leicht zu sehen, zweidimensional, während der Raum der Wahrnehmungsobjekte dreidimensional ist." (IX, 164) Dabei darf die Zweidimensionalität der Empfindungshyle nicht als diejenige der Fläche als eines Teils des dreidimensionalen Raumes mißverstanden werden, denn die Empfindungshyle gehört anders als die Fläche überhaupt nicht zu denjenigen Gegenständlichkeiten, welche sich im Wahrnehmungsraum befinden. Den Unterschied zwischen der Empfindungshyle und der räumlichen Gegenständlichkeit kann man mit Husserl am Beispiel des Unterschiedes der wahrnehmungsmäßigen und der empfindungsmäßigen Farben so darlegen: "Die Farben der Wahrnehmungsdinge liegen mit den Dingen selbst im Raum: die sie abschattenden Farben und subjektiv gestalteten Farben, die wir an den konkreten Perspektiven rein für sich erschauen und abheben, liegen alle in der Einheit des visuellen Empfindungsfeldes." (IX, 162)

Das Empfindungsfeld als eine wesensmäßig zweidimensionale Gegenständlichkeit bildet die genetische Grundlage für die Konstitution des

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Wahrnehmungsfeldes als einer dreidimensionalen Gegenständlichkeit. Dement­sprechend bezeichnet Husserl das Empfindungsfeld als "eine feste Form", "worin sich die beständige, objektive Form, der Wahrnehmungsraum selbst, abschattet, der Raum, der im Fortgang der Wahrnehmungen und ihrer objek­tiven Gegebenheiten ja immerzu <als> dieselbe universale Form verbleibt." (IX, 162) Da genetisch betrachtet zwischen der Zweidimensionalität der Empfindungshyle und der Fläche als einem Teil des dreidimensionalen Raumes, wie oben erörtert, ein unaufhebbarer Unterschied besteht, ist klar, daß es grundverkehrt ist, "zu sagen, der objektive Raum stelle sich in einem zwei­dimensionalen Raum, etwa gar in so etwas wie einer Ebene oder sonstigen Fläche dar." (IX, 164)

Es sei an dieser Stelle im Zusammenhang mit der Bestimmung der Empfindungshyle darauf hingewiesen, daß Husserl unter dieser Bezeichnung neben dem Begriff der Empfindungshyle, die wir soeben als ein noemati­sches Moment bestimmt haben, andere Begriffe ins Spiel bringt. Als ein zweiter Begriff der Empfindungshyle kommt dann in Frage die Einheit der Hyle im ersten Sinne und der darauf gerichteten doxischen Vorstellungsintention, wobei die anderen ichlichen Momente, welche an der Konstitution der Emp­findungshyle beteiligt sind, z.B. das sinnliche Gefühl oder die sinnliche Kinästhese, für deren Bestimmung nicht konstitutiv sind. In diesen Zusammenhang gehört folgende ManuskriptsteIle: "Im voraktiven Leben, das als Schicht durch alles Aktive hindurchgeht: eben 1) die Hyle, 2) die aber ist, was sie ist, als affizierende, als das 'Gemüt', das Fühlen bestimmend [ ... ] und 3) das vorichliche Tun." (B III 9, 79) Der dritte Begriff der Empfindungshyle bestimmt sich dann als die Einheit von Empfindungshyle im ersten Sinne und allen ich lichen Momenten, die an der Konstitution der Empfindungshyle im ersten Sinne beteiligt sind, wie es an der soeben zitierten ManuskriptsteIle heißt: "In einem erweiterten Sinn bilden sie alle zusammen die 'Urhyle' , den Urbestand an transzendentalem 'Stoff', der das Material derjenigen notwendigen Formungen, Funktionsgestaltungen ist, durch welche die transzendentale Subjektivität zur Welt [ ... ] habenden immerfort geworden ist und ist." (B III 9, 79)

Aus der Mehrdeutigkeit des Begriffs der Empfindungshyle, welche erst durch die Vertiefung der genetischen Analyse zum Vorschein kommt, läßt sich erklären, warum der Begriff der Empfindung in den statisch-phänome­nologisch orientierten Schriften Husserls schwanken muß. Husserl bezeichnet in den Ideen die Empfindung einerseits als den reellen Inhalt des reinen Bewußtseins, welcher als ein konstituierendes Bewußtsein dem Wesen nach aller räumlichen Bestimmung entbehren sollte; andererseits ist, wie oben gesagt, in den Ideen von der "Ausbreitung" der visuellen Empfindung, also von der "Räumlichkeit" in gewissem Sinne die Rede. Es handelt sich dabei um die paradoxe Situation, welche H. U. Asemissen zu folgender Frage veranlaßt: "Wie können die Empfindungen als reelle Inhalte des reinen Bewußtseins 'Ausbreitung' haben und sich zu Empfindungs- 'Feldern' zusam­menschließen?"2 Diese Schwankung in der Bestimmung der Empfindung,

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welche man in den statisch-phänomenologisch orientierten Schriften überall feststelIen kann, beruht aber letztlich auf dem Mangel an einer klaren Unterscheidung der verschiedenen Begriffe der Empfindungshyle, welche erst durch die Vertiefung der genetischen Analyse zum Vorschein kommt. Für diese Schwankung sind der zweite und der dritte Begriff der Empfindungshyle verantwortlich, welche beide darin übereinstimmen, daß sie als die Einheit von Ichlichem und Ichfremdem zu verstehen sind. Denn im Hinblick auf diese bei den Begriffe der Empfindungshyle ist es vom statisch-phänomenologischen Standpunkt aus möglich, die Hyle durch die Blickrichtung auf das ichliehe Moment einerseits als ein reelIes Moment des reinen Bewußtseins zu bestimmen. Aber andererseits ist es nicht minder möglich, durch die Blickrichtung auf das ichfremde Moment die Empfindungshyle als etwas Räumliches zu bestimmen. Die "Paradoxie" in der Bestimmung des Begriffs der Empfindung ist nur durch die strikte Unterscheidung zwischen dem Ichlichen und dem Ichfremden zu überwinden, welche durch die Vertiefung der genetischen Analyse möglich ist.

3. STUFEN DER PASSIVEN SYNTHESIS: KONTINUIERLICHE ÜBERGANGSSYNTHESIS

IM ZEITBEWUßTSEIN, DIE NAHVERSCHMELZUNG, DIE FERNVERSCHMELZUNG

Das Ich ist in der Konstitution der Empfindungshyle mit seinen verschiedenen noetischen Momenten auf die mannigfaltigen "noematischen" Momente gerichtet. In diesem Zusammenhang beobachten wir in unserem Beispiel der Konstitution des visuellen Feldes H die verschiedenen Vorstellungsintentionen, welche auf den weißen Hintergrund H, die Paare von roten Flecken A, B, C, die roten Flecken Al, A2, ... CI, C2 usw. gerichtet sind. Es ist also möglich, in dieser Sphäre der urhyletischen Konstitution zwischen den noetischen Momenten im Modus der reinen Passivität und den passiven Einheiten des gegenständlichen Sinnes ein Korrelationsverhältnis festzustellen.

Bei der FeststelIung des Korrelationsverhältnisses zwischen den noeti­sehen und den noematischen Momenten als eines bloß ruhenden, d.h. statischen Verhältnisses bleibt aber der konkrete genetische Zusammenhang verborgen, den es zwischen den verschiedenen Einheiten sowohl des noetischen als auch des noematischen Momentes gibt. Um die genetische Beziehung zwischen den verschiedenen Einheiten konkreter zu erfassen, ist es nötig, eine neue Analyse durchzuführen. Husserl bezeichnet in diesem Zusammenhang in den Analysen zur passiven Synthesis die Methode der EnthülIung des geneti­schen Zusammenhangs im Bereich der passiven Synthesis als eine Methode der "sozusagen kinetischen Betrachtung,,3, und erklärt sie so: "Tritt schon in der sozusagen statischen Betrachtung einer Koexistenz zweier oder mehrerer inhaltlich verwandter Gegenstände ihre Einheit aus Homogenität hervor [ . . . ], so enthülIt sich deren tiefere Eigenart in sozusagen kinetischer Betrachtung, im vergleichenden Übergang von Verwandtem zu Verwandtem." (XI, 130) Das Wesen der "sozusagen kinetischen Betrachtung" besteht also

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darin, den vom natürlichen Bewußtsein im Modus der bloßen Passivität schon vollzogenen "kinetischen" "Übergang von Verwandtem zu Verwandtem" noch einmal nachzuvollziehen und dadurch den genetischen Zusammenhang zu enthüllen, welcher die passiven sowohl noetischen als auch noematischen Momente konstitutiv zustandebringt.

Versuchen wir an unserem Beispiel der passiven Konstitution des weißen Hintergrundes H mit den auf diesem auftretenden drei Paaren von zwei gleichförmigen roten Flecken [A(A l.A2), B(B l.B2), C(C l.C2)] den geneti­schen Zusammenhang zu enthüllen, in dem die darin feststellbaren Formen der passiven Synthesis sich vollziehen. Zunächst muß ich also als ein phäno­menologischer Beobachter noch einmal die Konstitution des weißen Hintergrundes H nachvollziehen, welche ich vor kurzem schon vollzogen habe, indem ich mein Bewußtsein wie früher ganz im Modus der reinen Passivität vom "linken" Rand zum "rechten" Rand des Empfindungsfeldes kinetisch übergehen lasse.

Der kinetische Übergang vom "linken" zum "rechten" Rand des visuellen Feldes in unserem Beispiel ist zunächst ein kontinuierlicher Übergang. Es handelt sich dabei also um ein "unexpliziertes sonderungsloses Fließen" (XI, 141) von einer Phase zu einer nächsten Phase im ursprünglichen Zeitbewußtsein. Bemerkenswert ist dabei, daß in jeder Phase des kinetischen Übergangs im unexplizierten, sonderungslosen fließen des ursprünglichen Zeitbewußtseins schon etwas inhaltlich Gleiches bewußt wird, welches auf die Aussage "Es gibt etwas Farbiges" gebracht werden kann. Im kontinuier­lichen Übergang von einer Phase zu einer anderen vollzieht sich dabei zwischen dem inhaltlich Gleichen (etwas Farbiges) einer früheren und der unmittelbar sich daran anschließenden Phase eine Deckungssynthesis: "Das neue Gleiche gibt sich in einem solchen Übergang als 'Wiederholung" desselben. [ ... ] Im Vergleichen findet eine Art Überschiebung des einen Bewußtseins über das andere statt, durch Übergehen erhält sich das eine Bewußtsein, trotz der Modifikation, die es durchmacht, als Bewußtsein vom selben ersten Gegenstand und kommt mit dem zweiten Bewußtsein, dem von dem zweiten Gegenstand zu einer Deckung [ ... ]." (XI, 130) Bei der Deckungssynthesis zwischen dem inhaltlich Gleichen einer Phase und dem einer darauf folgenden Phase in unserem Problemzusammenhang handelt es sich um die "ursprüngliche kontinuierliche Synthesis" (XI, 160), d.h. um die "im ursprünglichen Zeitbewußtsein sich kontinuierlich leistende Synthesis" (XI, 128), welche das visuelle Empfindungsfeld H als "ein Feld koexistenter Homogenität" (XI, 139) konstitutiv zustandebringt.

Genau gesehen findet aber im seI ben kinetischen Übergang eine neue Form der Synthesis zwischen dem einen inhaltlich Gleichen und dem einen anderen statt, welche als eine noch höhere Synthesis in der kontinuierlichen Übergangssynthesis im ursprünglichen Zeitbewußtsein gründet. Diese neue Form der Synthesis läßt sich in unserem Beispiel in den Übergängen von einem roten Fleck in den anderen in jedem Paar der zwei roten Flecken beobachten, also in den Übergängen von A I zu A2, von BI zu B2 und schließlich von

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Cl zu C2.4 Durch diese neue Form der Synthesis von Al and A2, BI und B2 und Cl und C2 werden die noch höheren noematischen Einheiten A, B, C konstitutiv zustande gebracht. Diese neue Form der Synthesis bezeichnet Husserl, weil dabei die Glieder der Synthesis ohne Abstand aneinander grenzen, als eine Nahverschmelzung.5 Die Nahverschmelzung, in der die beiden Verschmelzungsglieder "in stetiger lokaler Angrenzung" (XI, 175) verbunden sind, stellt eine bestimmte Form der kontinuierlichen Synthesis dar. Allerdings darf die Kontinuität als ein Wesens merkmal der Nahverschmelzung mit der Kontinuität der Übergangssynthesis im ursprünglichen Zeitbewußtsein nicht verwechselt werden. Denn die Kontinuität der Nahverschmelzung ist die Verbindungsform der hyletischen Daten, welche abgehoben, d.h. in explizite Teile gegliedert sind und insofern als Konkret bezeichnet werden können, während es sich bei der Übergangssynthesis ausschließlich um eine Verbindungsform handelt, welche die "abstrakten" Phasenmannigfaltigkeiten betrifft. Die "Übergangssynthesis als eine sonderungslose Synthesis im sonderungslosen Bewußtseinsfluß bildet die genetische Grundlage für die Nahverschmelzung, wie es im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen der übergangssynthesis und der Nahverschmelzung der Sukzession an einer Stelle der Analysen zur passiven Synthesis heißt: "Mit anderen Worten, jedes abgehobene Datum steht nicht nur äußerlich zu anderen in lebendigen Beziehungen der Sukzession. Vielmehr es hat in sich selbst einen inneren synthetischen Aufbau, und zwar ist es in sich selbst eine Kontinuität der Folge. Diese innere Kontinuität ist das Fundament einer kontinuierlichen inhaltlichen Verschmelzung, Nahverschmelzung." (XI, 140)

Im selben kinetischen Übergang vom "linken" Rand zum "rechten" Rand des visuellen Feldes findet außer der kontinuierlichen Übergangssynthesis zwischen den abstrakten Phasenmannigfaltigkeiten im ursprünglichen Zeitbewußtsein und der Nahverschmelzung zwischen den konkreten Empfindungsdaten eine noch höhere Form der Synthesis statt. In unserem Beispiel können die jeweiligen Paare von roten Flecken, d.h. A und B, B und C, welche durch die Nahverschmelzung schon konstituiert sind, eine neue Verschmelzung eingehen und dadurch die neuen noematischen Einheiten (A.B) und (B.C) konstitutiv zustandebringen. Nicht auszuschließen ist darüber hinaus die weitere Möglichkeit, daß die bei den noematischen Einheiten (A.B) und (B.C) wiederum eine neue Synthesis eingehen und dadurch eine noch höhere noematische Einheit (A.B.C) konstitutiv zustande bringen. Diese noch höhere Form der Synthesis ist dadurch charakterisiert, daß die noematischen Einheiten als die Glieder der Verschmelzung dabei mit einem bestimmten Abstand, d.h. diskontinuierlich verbunden sind. Dadurch unterscheidet sie sich sowohl von der sonderungslosen Übergangssynthesis als auch von der Nahverschmelzung. Husserl bezeichnet diese Form der Synthesis im Unterschied zu den bei den Formen der Verschmelzung als eine Femverschmelzung: "Die Verschmelzung ist hier, da für sich abgehobene Daten diskontinuierlich einig werden, eine Fernverschmelzung [ ... ]." (XI, 139)

Wie die bisherige kinetische Betrachtung zeigt, sind am Prozeß der

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Konstitution der Empfindungshyle verschiedene Formen der passiven Synthesis beteiligt, welche nicht chaotisch, sondern genetisch aufeinander aufbauen: die kontinuierliche Übergangssynthesis, die Nahverschmelzung und die Fernverschmelzung. Der Prozeß der Entstehung einer noch höheren Form der Verschmelzung auf Grund der niederen Form der Verschmelzung, welche sich im kinetischen Übergang vollzieht, bedeutet aber zugleich den Prozeß des Übergangs der niederen noematischen Einheiten auf die noch höheren noematischen Einheiten, in unserem Beispiel von H über die Einheiten Al, A2, ... , Cl, C2 und (A.B), (B.C) schließlich zu (A.B.C).

4. AFFEKTION ALS DAS GRUNDVERHÄLTNIS ZWISCHEN DEN NOETISCHEN UND

DEN NOEMATISCHEN MOMENTEN DER PASSIVEN SVNTHESIS

Die Entstehung einer höheren Form aus der niederen Form der passiven Synthesis und des damit verbundenen Übergangs der niederen noematischen Einheiten in die noch höheren in unserem Beispiel der Konstitution des visuellen Feldes H ist darum möglich, weil dieses Feld momentan die affek­tive Einheit für das Ichzentrum darstellt. Das visuelle Feld H mitsamt den darauf auftretenden noematischen Einheiten übt beständig auf das Ichzentrum eine Affektion aus und dadurch unterscheidet es sich z.B. von dem taktuellen Feld, welches momentan völlig in den tiefen Hintergrund gedrängt und darum nicht bewußt wird.

Die Affektion bedeutet von Seiten des Noematischen "den bewußtseins­mäßigen Reiz, den ein bewußter Gegenstand auf das Ich übt" (XI, 148). Die Affektion von Seiten des Ich ist aber nichts anderes als der bewußtseinsmäßige Gegenzug, welcher als die Antwortform des Ich auf das Noematische gerichtet ist. Bei der Affektion in diesem Sinne handelt es sich also um das Interessiertsein des Ich für das Noematische. "Die Affektion", so führt Husserl an einer Nachlaßstelle im Hinblick auf die zwei Aspekte der Affektion aus, "geht aus von der passiv konstituierten Einheit des Zeitbewußtseins als in dem kinästhetisch erfolgenden Verlauf stehend und geht fort in Richtung auf die sich dabei konstituierenden Einheiten, sich konstituierend durch die in Antwort auf die Affektion eintretenden Ichakte. Das sich wandelnde hyletische Was, das einzelne und konfigurativ mehrheitliche und alles, was dabei erworben wird, 'interessiert' und bleibt habituell im Interesse. Das mir bewußt sein ist im weitesten Sinne mich affizieren, und ausgezeichnetes Bewußtsein ist dabeisein, aktiv interessiert sein." (C 16 IV, 8)

Die Affektion als das Interessiertsein des Ich am Noematischen besteht aus verschiedenen Momenten. Das Ich als das Subjekt der Affektion ist zunächst in Form der passiven Vorstellungsintention auf die verschiedenen noematischen Einheiten gerichtet. So in den Analysen zur passiven Synthesis: "Für den Gegenstand können wir die Affektion auch bezeichnen als Weckung einer auf ihn gerichteten Intention." (XI, 151) Den verschiedenen noemati­schen Einheiten in unserem Beispiel der Konstitution des visuellen Feldes H

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entsprechen die verschiedenen Vorstellungsintentionen. In dieser Sphäre der urhyletischen Konstitution waltet also das universale Korrelationsapriori von Noesis und Noema.

Im Hinblick auf die passive Vorstellungsintention ist dreierlei zu bemerken. I. Man darf diese passive Vorstellungsintention in unserem Problem­zusammenhang mit der Vorstellungsintention als dem noetischen Korrelat des dreidimensionalen räumlichen Gegenstandes nicht verwechseln. Durch die Abbauanalyse ist von dieser völlig abstrahiert worden. 2. Man darf darüber hinaus die verschiedenen Formen der passiven Vorstellungsintention nicht miteinander vermengen. So unterscheidet sich beispielsweise die passive Vorstellungsintention, welche auf die noematische Einheit Al gerichtet ist, deutlich von der auf die noematische Einheit (A.B.C) gerichteten Vorstellungsintention. 3. Bei der Vorstellungsintention in unserem Sinne handelt es sich um die doxische Vorstellungsintention, welche im Modus der reinen Passivität das noematische Moment als "seiend" setzt. In diesem Zusammenhang bezeichnet Husserl in den Spätmanuskripten den Setzungscharakter der passiven Vorstellungsintention als die "passive Doxa", die "Ur-Doxa" oder die "Vor-Doxa".6 Die in den statisch-phänomenologisch orientierten Schriften häufig feststellbare Bestimmung der passiven Vors­tellungsintention als eine des Setzungscharakters, d.h. der Thesis im weitesten Sinne entbehrende "neutrale" Intention 7 erweist sich danach als unhaltbar.

Die Affektion ist aber nicht eine bloße doxische Beziehung des Ich auf das Noematische. Sie zeigt sich darüber hinaus als etwas Gefühlsmäßiges. In unserem Beispiel der Konstitution des visuellen Feldes H ist das Subjekt, solange dieses Feld auf es beständig die Affektion ausübt, von den ver­schiedenen noematischen Einheiten gefühlsmäßig angezogen. In diesem Zusammenhang schreibt Husserl an einer ManuskriptsteIle: "Es fragt sich, ob zum allgemeinen hyletischen Kern mit seinen wechselnden, aber immer vorhandenen Abgehobenheiten ein allgemein sinnliches Gefühl gehört, und alle Sonderabgehobenheiten durch ihr sinnliches Gefühl affizieren [ ... ]. Dann wäre alles geleitet von dem 'Lustvollen', dem Anziehendsten, das Optimum wäre das jeweils Schönste [ ... ]." (B III 9, 67, 1931-1934) Die Affektion ist also, wie in einer weiteren Manuskriptpartie konstatiert wird, nichts anderes als "die Weise, wie die Hyle als bloß sinnliche und sinnlich gezeitigte auf das Ich Reize übt und als diese Reize hat es die Grundunterschiede der Anziehung und Abstoßung in Gradualitäten vermittelt durch das Adiaphoron." (B III 9, 70) Die Affektion ist ihrem Wesen nach immer eine Gefühlsaffektion oder, wie Husserl sagt, eine "Lustaffektion", ein "genießendes Verhalten, Lustgenießen" (C 16 IV, 5, 1932).

Mit dem Phänomen des gefühlsmäßigen Anziehens bzw. des Abstoßens in der Gefühlsaffektion hängt aber untrennbar ein drittes ichliches Moment der Affektion zusammen, nämlich das kinästhetische Tun. "Das Hyletische 'affiziert' mich als fühlendes Ich, aber das Hingezogensein - hier ist es die Frage, ob das bloß Sache des Gefühls ist [ . . . ]. Oder ob es nicht vielmehr die eigentliche Tätigkeitstendenz und Tätigkeits- (Strebens-) komponente

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bezeichnet. Erste Affektion löst Tätigkeitsaffektion aus oder führt eo ipso mit sich Hinstreben als Tun im jeweiligen Modus des Tuns oder des Strebend­Seins. Und das ist das Feld aller 'Kinästhesen' im engeren und weiteren Sinn." (E III 9, 23, 1932) So ist in unserem Beispiel der Konstitution des visuellen Feldes H das Subjekt durch die Augenbewegung beständig auf die verschiedenen noematischen Einheiten gerichtet. In diesem Zusammenhang gilt also: "Was von Seite der hyletischen Daten Affektion auf das Ich heißt, heißt von Seiten des Ich Hintendieren, Hinstreben." (B III 9, 70)

Die Affektion erweist sich also aus der Perspektive des Ichzentrums jeweils als die passive Vorstellungsintention, das sinnliche Gefühl und die sinnliche Kinästhese. Dabei ist es wichtig, darauf zu achten, daß diese drei ichlichen Momente nicht voneinander trennbar sind, sondern ausschließlich drei nur abstraktiv unterscheidbare Aspekte ein und desselben Phänomens, welches die Affektion in der passiven Synthesis heißt. Die Affektion ist also eine untrennbare ursprüngliche Einheit von Vorstellungsintention, sinnlichem Gefühl und hinstrebender sinnlicher Kinästhese.

Die untrennbare Einheit von drei ichlichen Momenten stellt, wie oben schon gesagt, die Antwortform des Ich auf den bewußtseinsmäßigen Reiz des Ichfremden auf das Ichzentrum dar. Die Affektion als das Grundverhältnis zwischen dem Ichlichen und dem Ichfremden zeigt dabei die Grundstruktur des Andrängens und des Antwortens. Die Affektion ist in gewissem Sinne, da es bei ihr möglich ist, einen Zug der Hin- und Herbewegung zwischen dem Ichlichen und dem Ichfremden festzustellen, als ein Dialog zwischen bei den zu interpretieren. So heiß es an einer ManuskriptsteIle hinsichtlich der Zusammengehörigkeit von Kinästhese und optischem Datum, welche zugleich als die Zusammengehörigkeit der untrennbaren Einheit der drei ichlichen Momente und des optischen Datums verstanden werden kann: "Der Blick ist darauf gerichtet, das sagt, der Ablauf der optischen und kinästheti­schen Wandlung verläuft nicht nebeneinander, sondern in der Einheit einer Intentionalität, die vom optischen Datum in die Kinästhese übergeht und durch sie hindurch ins Optische führt, und so, daß jedes Optische terminus ad quem ist, aber zugleich als terminus a quo fungiert." (C 16 IV, 16-17)

Der "Dialog" zwischen dem Ichlichen und dem Ichfremden ist nicht ein Geschehen, welches nur einmalig stattfindet, sondern es setzt sich nach dem ersten Gespräch fort. Merkwürdig ist es dabei, daß durch die weitere Fortsetzung des "Dialogs" sowohl das Ichliche als auch das Ichfremde sich in eine neue höhere Form umwandelt. In unserem Beispiel der Konstitution des visuellen Feldes H übt jede noematische Einheit, z.B. die Einheit A oder B, auf das Ichzentrum eine Affektion aus; aber indem das Ichzentrum darauf eine Antwort gibt, verwandelt sie sich durch die passive Synthesis in eine neue Form der noematischen Einheit (A.B). Im Hinblick auf dieses Phänomen schreibt Husserl an der soeben zitierten ManuskriptsteIle: "Dieses Datum wandelt sich im Ablauf der Kinästhese ab [ ... ]." (C 16 IV, 16) In diesem beständigen Dialog zwischen dem Ich lichen und dem Ichfremden gilt danach, wie soeben zitiert, die These, "daß jedes Optische terminus ad quem ist, aber

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zugleich als terminus a quo fungiert." Diese These bestätigt am deutlichsten unser Beispiel der Konstitution des visuellen Feldes H: Jede beliebige noematische Einheit, z.B. (A.B), ist der terminus ad quem für diejenige Affektion, der die um eine Stufe niedere noematische Einheit, A oder B, entspricht, aber sie, (A.B), ist zugleich der terminus a quo für diejenige Affektion, der die um eine Stufe höhere noematische Einheit, (A.B.C), entspricht. Das universale Korrelationsapriori besagt aber, daß ein ähnlicher Umwandlungsprozeß auch auf der Seite des Ichlichen festzustellen sei: Dem Übergang der niederen noematischen Einheit in eine noch höhere entspricht noetisch beispielsweise der Übergang der niederen in eine noch höhere Vorstellungsintention.

In der urhyletischen Konstitution findet also durch die Affektion als einen beständigen Prozeß des "Dialoges" zwischen dem Ichfremden und dem Ichlichen sowohl noetisch als auch noematisch ein beständiger Übergang der niederen konstitutiven Einheit in eine höhere statt. Dieser Übergang ist nichts anderes als der oben schon dargestellte Übergang der niederen Form in eine höhere Form der passiven Synthesis, nämlich der Übergang der Übergangssynthesis im Zeitstrom in die Nahverschmelzung und der weitere Übergang von dieser in die Fernverschmelzung.

5. DIE INTENTIONALITÄT DES URSPRÜNGLICHEN INSTINKTES DER

OBJEKTIVIERUNG ALS DIE TRIEBKRAFT DER PASSIVEN SYNTHESIS

Wie der Analyse der drei ichlichen Momente zu entnehmen ist, kann man in dieser Sphäre der hyletischen Urkonstitution auf der Seite des Ichzentrums einen Zug der Spannung bzw. der Nichtbefriedigung und den Gegenzug der Entspannung bzw. der Befriedigung feststellen. Diese Züge der Spannung und der Entspannung, der Nichtbefriedigung und der Befriedigung des Ichsubjektes, welche auf den verschiedenen Stufen der passiven Synthesis festzustellen sind, sind in den vorangegangenen Analysen vor allem durch die Analyse der Momente des sinnlichen Gefühls und der damit verbundenen sinnlichen Kinästhese am deutlichsten zum Vorschein gekommen. Bei diesem Zug der Spannung und Entspannung handelt es sich aber um nichts anderes als um einen instinktiven Zug, wie es an einer Manuskriptstelle über den konstitutiven Zusammenhang zwischen der Kinästhese und dem optischen Datum heißt: "Dieses Datum wandelt sich im Ablauf der Kinästhese ab, nicht in der Weise eines Mitlaufens von kinästhetisch-hyletischen Empfindungen, sondern es sindja instinktive, triebmäßige Verläufe [ ... ]." (e 16 IV, 16, Herv. v. Vf.). Genau gesehen gilt diese Darstellung nicht minder auch für die anderen ichlichen Momente, nämlich die passive Vorstellungsintention und das sinnliche Gefühl, welche zusammen mit der sinnlichen Kinästhese auf die Empfindungsdaten gerichtet sind.

Im Rahmen der Analysen zur passiven Synthesis weist Husserl schon auf die Notwendigkeit hin, im Zusammenhang mit der Affektionsproblematik

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diesen instinktiven Zug mitzubehandeln. So schreibt er: "Einerseits ist die zustande kommende Affektion funktionell mit abhängig von der relativen Größe des Kontrastes, andererseits auch von bevorzugenden sinnlichen Gefühlen, wie einer durch das Abgehobene in seiner Einheit fundierten Wollust. Auch ursprünglich instinktive, triebmäßige Bevorzugungen dürfen wir zulassen." (XI, 150) Husserl versucht nun in den Spätmanuskripten die instink­tive Intentionalität, welche auf den verschiedenen Stufen der passiven Synthesis festzustellen ist, zu analysieren. Dementsprechend spricht er an einer SpätmanuskriptsteIle von einem Urinstinkt, welcher dem ganzen konstitu­tiven Zusammenhang der passiven Synthesis "entsprechen" soll. Dort heißt es: "Das Erste der Weltkonstitution in der Primordialität ist die Konstitution der 'Natur' aus der hyletischen Urnatur, oder vielmehr aus dem dreifachen Urmaterial; sinnlicher Kern, sinnliches Gefühl, sinnliche Kinästhese. Dem entspricht der 'Urinstinkt' ." (B III 9, 67) Was an dieser Stelle der "Urinstinkt" konkreter bedeutet, entnehmen wir der sich daran unmittelbar anschließenden Stelle: "Zum ständigen, ständig wandelbaren, in den Sinnes feldern ständig einheitlichen und im Miteinander der ursprünglichen Zeitigung durch die zeitliche Form der lebendigen Urgegenwart ständig sich hindurchziehenden Kern gehört die ständig allgemeine 'Freude oder Unlust an der Sinneswahrnehmung', ein allgemeines 'Interesse' im Mitgezogen-sein, das vermöge der mitgehenden Kinästhesen instinktiv auf Konstitution von Optima, auf Konstitution von Dingerfahrungen, auf Dingkenntnis gerichtet ist, nämlich sich in diesem Gang der Konstitution erfüllt." (B III 9, 67) Bei dem Urinstinkt in unserem Problemzusammenhang handelt es sich also, wie Husserl an einigen Stellen der Spätmanuskripte sagt, um "die instinktive noetisch-noematische Tendenz" (E III 9, 5), die als ein allgemeines Interesse, wie es an der soeben zitierten Stelle heißt, "instinktiv auf Konstitution von Optima, auf Konstitution von Dingerfahrungen, auf die Dingerkenntnisse gerichtet ist". Husserl nennt diesen Instinkt in der hyletischen Urkonstitution den "ursprünglichen Instinkt der 'Objektivierung'" (C 13 I, 14) oder den "Instinkt der Neugier" (A VI 26, 60ff, C 16 IV, 7, E III 9, 28).

Im Hinblick auf den ursprünglichen Instinkt der Objektivierung ist zweierlei zu bemerken.

1. Dieser Instinkt, der, wie oben gesagt, "instinktiv auf Konstitution von Optima, auf Konstitution von Dingerfahrungen, auf Dingerkenntnisse gerichtet ist", steht mit dem im vorangegangenen Kapitel betrachteten Wahrneh­mungstrieb, welcher sich als die Triebkraft durch den ganzen Vorgang der äußeren Wahrnehmung hindurchzieht, in einem engen Zusammenhang. Der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung, der an der hyletischen Urkonstitution beteiligt ist, stellt nichts anderes als den genetischen Vorgänger des Wahrnehmungstriebes dar. Dies besagt zugleich, daß zwischen bei den kein wesentlicher Unterschied, sondern bloß ein Unterschied des Vollzugsmodus besteht. Der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung und der Wahrneh­mungstrieb stellen also die nur nach dem Vollzugsmodus zu unterscheidenden bei den Formen des einen Instinktes der Objektivierung dar. Der Instinkt der

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Objektivierung, welcher an der hyletischen Urkonstitution beteiligt ist, heißt darum der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung, weil er die genetisch ursprüngliche Gestalt des Wahrnehmungstriebes ist. Der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung ist also die noch nicht ganz enthüllte Gestalt des Instinktes der Objektivierung. So kann sich der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung unter Umständen in den Wahrnehmungstrieb umwandeln. Und der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung, der immer rege wird, findet seine letzte Erfüllung in der Konstitution des Wahrnehmungsdinges.

2. Der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung, der an der hyletischen Urkonstitution beteiligt ist, zeigt sich - wie der Wahrnehmungstrieb als dessen höher entwickelte Gestalt - als ein allgemeines Interesse, welches auf die Empfindungsdaten unabhängig von ihren besonderen Inhalten universal gerichtet ist. Als ein allgemeines Interesse für die Empfindungsdaten unter­scheidet er sich strikt von den nicht-objektivierenden Instinkten, weIche als die besonderen Interessen auf die Empfindungsdaten wegen der besonderen Inhalte, z.B. wegen der Schönheit, Süßigkeit, Wärme usw. gerichtet sind. Für den ursprünglichen Instinkt der Objektivierung ist die Besonderheit der Empfindungsdaten völlig irrelevant.

Der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung bildet die Triebkraft des beständigen Übergangs der niederen in eine höhere Einheit der passiven Synthesis. Der beständige Übergang der niederen in eine höhere Form der passiven Synthesis läßt sich also genetisch auf die beständige Auswirkung des ursprünglichen Instinktes der Objektivierung zurückführen. Mit der beständigen Auswirkung des ursprünglichen Instinktes der Objektivierung findet auf der noetischen Seite ein beständiger Übergang einer niederen Einheit in eine höhere der drei ichlichen Momente statt: Die verschiedenen untrennbaren Einheiten von drei ich lichen Momenten auf den verschiedenen Stufen der genetischen Konstitution, d.h. der Vorstellungsintention, dem sinnlichen Gefühl und der sinnlichen Kinästhese, stellen dabei nichts anderes als die Orte der Auswirkung des ursprünglichen Instinktes der Objektivierung dar. Mit diesem auf der noetischen Seite feststellbaren Übergang geht auf der noematischen Seite ein beständiger korrelativer Übergang der niederen in eine höhere noematische Einheit Hand in Hand. Dieser Prozeß setzt sich insofern weiter fort, als der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung noch rege ist. "Die instinktive Intention und die instinktive Lust betrifft", so führt Husserl im Hinblick auf den Prozeß der beständigen Auswirkung des ursprünglichen Instinktes der Objektivierung als der Triebkraft des beständigen Übergangs einer niederen in eine noch höhere Form der passiven Synthesis aus, "nicht einen Endzustand, sondern einen ganzen Prozess, kontinuierlich die Momentanintention sich erfüllen lassen und wieder als Träger neue Intention zu neuer Erfüllung übergehen lassen, also Einheit des Prozesses Intention­Erfüllung, das ist selbst das Telos, das ist, daß die instinktive Intention, die einheitlich von vornherein auf dieses Ineinander der Intentionalität und ihrer Entspannung geht und sich als einheitliches nicht in einer Phase, sondern im ständigen Tun erfüllt." (C 16 IV, 14)

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110 Zweiter Teil

Der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung zieht sich also als die Triebkraft des beständigen Übergangs der niederen in eine höhere Form der passiven Synthesis durch die ganze Sphäre der hyletischen Urkonstitution hindurch. Dies besagt aber zugleich, daß dieser Instinkt den letzten Adressaten der Affektion als des bewußtseinsmäßigen Reizes, den ein bewußter Gegenstand auf das Ich übt, bedeutet. In diesem Sinne heißt es an einer ManuskriptsteIle: "Aber sehen wir uns die Sache von den hyletischen Gebieten und insbesondere den quasi-extensiven hyletischen Feldern an. Da haben wir Z.B. das optische Feld und darin abgehobene Daten als affizierende. Das soll also jetzt nicht sagen, daß ein Urinteresse auf sie gerichtet ist, auf sie selbst; sondern sie affizieren, das sagt, sie sind terminus a qua für instinktive Intentionen." (e 16 IV, 16) Da der Instinkt der Objektivierung oder der Instinkt der Neugier den letzten Adressaten der Affektion im Sinne des bewußt­seinsmäßigen Reizes bildet, den ein bewußter Gegenstand auf das Ich ausübt, und zugleich die letzte Quelle der ichlichen Momente der Affektion darstellt, bestimmt Husserl diesen Instinkt als die "ursprüngliche Affektion": "Der Instinkt der 'Neugier' - das sagt ursprüngliche Affektion, die von abgehobenen Inhalten ausgeht, die schon ursprüngliche Bedingungen erfüllen, zunächst die Bedingungen der Abgehobenheit, der Einzelheit und Mehrheit (Konfigurationen), dann aber auch für ihre Gradualität der Affektion, wobei ihre stete kinästhetische Wandlung [ ... ] seine Rolle spielt." (e 16 IV, 7)

6. DER KONSTITUTIVE BEREICH DES EMPFINDUNGSFELDES ALS EIN INSTINKTIVER ZUSAMMENHANG

Da die ganze Konstitution des visuellen Feldes H beständig vom Instinkt der Objektivierung geleitet ist, zeigt sie sich danach als ein instinktiver Zusammenhang. Die Bestimmung der Konstitution des visuellen Feldes als eines instinktiven Zusammenhangs gilt aber nicht nur für die Konstitution des von uns als Erklärungsmodell ausgewählten visuellen Feldes H, sondern darüber hinaus für die Konstitution aller möglichen visuellen Felder, welche auf dem Bewußtseinsfeld auftreten können.

Da "der urinstinktive Prozeß weiter in Beziehung zu anderen hyletischen Vorkommnissen, den in den sonstigen Gebieten" (e 16 IV, 14), steht, zeigt sich die Notwendigkeit, die These von der urhyletischen Konstitution als einem instinktiven Zusammenhang, welche wir am Beispiel der Konstitution des visuellen Feldes gewonnen haben, zu verallgemeinern, so daß sie nicht nur für das visuelle Feld, sondern auch für alle sonstigen Sinnes felder gilt. Dadurch kommt der These von der hyletischen Urkonstitution als einem instinktiven Zusammenhang eine universale Bedeutung zu. Der ursprüngliche Instinkt der Objektivierung ist also nicht nur an der Konstitution des visuellen Feldes, sondern auch an der der anderen Sinnesfelder, beteiligt. Darum ist es möglich, von mehreren ursprünglichen Instinkten der Objektivierung als den ver­schiedenen Auswirkungsgestalten des einen ursprünglichen Instinktes der

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Konstitution der Empfindungshyle 111

Objektivierung zu sprechen. Dementsprechend schreibt Husserl einmal im Anschluß an die Darstellung der Strukturmomente der hyletischen Urkonstitution: "Damit sind wir aber noch nicht Herr der hier bestehenden Schwierigkeiten geworden. Ein Index derselben ist die Frage nach dem ursprünglichen Instinkt, der die natürliche Objektivierung als Korrelat hat, und die Frage, wie die urhyletischen Gefühlsaffektionen, wenn sie in gleicher Weise bald Lust- bald Unlustaffektionen sind, Objektivierung motivieren sollen. Aber wie, wenn wir von vornherein in Rechnung ziehen mußten, daß nicht ein, sondern mehrere Instinkte zugleich am Werke sind, derart daß die Urobjektivation, welche Natur ergibt, im Rahmen einer allgemeinen Normalität sich abspielt, in welcher nur Lustaffektion auftritt. In dieser kann es nur größere oder geringere Lustaffektion geben und Unlust durch Minderung. Da gewinnt das Aristotelische 'Alle Menschen haben von Natur aus Freude an der Sinneswahrnehmung' seine Wahrheit." (C 16 IV, 4-5)

ANMERKUNGEN

1. V gl. dazu folgende Stellen: m,l. 181, IV, 57, 145 ff. 2. H. U. Asemissen, Strukturanalytische Probleme der Wahrnehmung in der Phänomenologie

Husserls, in: Kant-Studien. Ergänzungshejt 73 (1957), S. 25. 3. Die Vorform der "kinetischen Betrachtung" in unserem Sinne als einer Methode der

Enthüllung des genetischen Zusammenhangs finden wir schon an einer Stelle der VI. Logischen Untersuchung: "Vergleichen wir überhaupt die bei den Komponenten einer Erfüllungseinheit (gleichgültig ob wir sie im dynamischen Übergehen ineinander betrachten, oder ob wir, die statische Einheit analysierend, die Komponenten auseinanderhalten, um sie alsbald ineinander überfließen zu sehen), so konstatieren wir gegenständliche Identität." (XIX/2, 568)

4. Da wir sie für die Darstellung unserer Problematik nicht als unbedingt nötig erachten, überspringen wir die Erklärung, wie die einzelnen roten Flecken AI, A2, ... CI, C2, aus der kontinuierlichen Übergangssynthesis im ursprünglichen Zeitbewußtsein konstitutiv zustande gebracht werden. So nehmen wir an dieser Stelle einfach an, daß durch die Abhebung gegen das visuelle Feld die einzelnen roten Flecken schon konstituiert sind.

5. Vgl. dazu XI, 139 ff, 175 ff. 6. "Das Sein, das sozusagen explizierte, das urteilsmäßige, das der 'Seins-setzenden'

Wahrnehmung und Erfahrung, hat hinter sich das implizite, das 'Vorsein' , bzw. dem aktiven Seinssetzen (dem urteilenden Glauben, etwa wahrnehmend) geht voran das, was ich die passive Doxa nannte. Wir haben ein Vorsein in der 'Ur-Doxa' <Bleistiftzusatz Husserls: 'Vor-Doxa'> [ ... )." (A VI 34, 34)

7. In diesem Zusammenhang heißt es schon an einer Stelle der VI. Logischen Untersuchung: "Das bloße Vorstellen aber ist bloß passiv, 'es läßt die Sache dahingestellt'. Wo sich dem bloßen Vorstellen zufällig eine angemessene Wahrnehmung beigesellt, da tritt allerdings, auf Grund der zusammenpassenden Materien, erfüllende Deckung ein; aber schon im Übergange eignet sich wohl die Vorstellung den Setzungscharakter zu, und die Deckungseinheit selbst hat ihn sicher in homogener Weise." (XIX/2, 650) In den Ideen 11 ist im Zusammenhang mit der Konstitution des Empfindungsdatums von den "letzten Synthesen" die Rede, "die vor aller Thesis liegen." (IV, 22) In diesem Sinne schreibt Husserl ein andermal in den Ideen 11: "Die freie [Motivation) ist rein und völlig frei, wo die Passivität nur ihre Rolle spielt für die Herbeischaffung des Urmaterials, das keine implizierten Thesen mehr enthält." (IV, 224)

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KAPITELIII

Das Problem des Instinktes in der Konstitution der Urhyle im urpassiven Strom der lebendigen Gegenwart

1. EINFÜHRUNG IN DEN PROBLEMBEREICH

Um die genetisch noch tiefer liegenden Instinktphänomene zu enthüllen und dadurch die Phänomenologie der Instinkte zu vertiefen, ist es nötig, nochmals durch den Einsatz der Abbauanalyse von den konstitutiven Momenten, welche an der Konstitution der Empfindungshyle beteiligt sind, zu abstrahieren und den reflektiven Blick ausschließlich darauf zu richten, was danach übrig bleibt. Die Direktive dafür, wie der Abbau in diesem Kapitel vollzogen werden muß, erhalten wir wiederum von der Struktur der Konstitution der Empfindungshyle.

Wie die Analyse der Konstitution der Empfindungshyle zeigt, gliedert sich diese in viele Stufen der passiven Synthesis, welche wiederum noetisch be­trachtet aus den vom ursprünglichen Instinkt der Objektivierung geleiteten ichlichen Momenten bestehen: der passiven Vorstellungsintention, dem sinnlichen Gefühl und der sinnlichen Kinästhese. Um zu einer noch tieferen Stufe der genetischen Konstitution vorzudringen, ist es nötig, von diesen konstitutiven Momenten zu abstrahieren. Die Abstraktion von diesen noeti­schen Momenten besagt aber noematisch die Abstraktion von sämtlichen Sinnesfeldern. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Empfindungshyle, d.h. die Sinnesfelder mitsamt den darauf auftretenden Empfindungsdaten, nicht das letzte hyletische, d.h. noematische Moment des transzendentalen Lebens ist, welches sich genetisch auf Ursprünglicheres nicht mehr weiter zurückführen läßt, sondern ausschließlich ein konstitutives Produkt, das genetisch eine noch tiefer liegende urpassive Konstitutionsstufe voraussetzt. "Die Leistung der Passivität und darin als die unterste Stufe die Leistung der hyletischen Passivität", so führt Husserl einmal in den Analysen zur passiven Synthesis aus, "ist es, für das Ich immerfort ein Feld vorgegebener und in weiterer Folge eventuell gegebener Gegenständlichkeiten zu schaffen." (XI, 162)1

Das Ziel der Abbauanalyse in diesem Kapitel liegt also darin, zur urpas­siven Sphäre als dem genetischen Grund der Konstitution der Sinnesfelder vorzudringen. Die urpassive Konstitutionsstufe als die konstitutive Grundlage

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114 Zweiter Teil

für die Sinnesfelder und darüber hinaus für alle Empfindungshyle ist der eigentliche Problembereich für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in diesem Kapitel. Es handelt sich dabei um die Enthüllung des "passiven Untergrundes" aller Erlebnisse, "in dem alle vom Ich ausgehenden Akte und alle auf es hingehende Affektion als immanent-zeitliche sich passiv konsti­tuieren [ ... J." (C 17 IV, 1) Husserl bezeichnet diesen Bereich der ursprünglichen Passivität in den späteren Manuskripten als die urtümliche strömende Gegenwart oder den Urstrom2•

2. METHODISCHE ÜBERLEGUNG

Bevor wir damit anfangen, durch die konkrete Analyse der Struktur der urpas­siven Sphäre die Phänomenologie der Instinkte zu vertiefen, ist in methodischer Hinsicht folgendes zu bemerken.

Zunächst müssen wir zumindest ein Erklärungsmodell sichern, welches die oben genannten Bedingungen, nämlich den völligen Mangel an den ichlichen und ichfremden Momenten im oben erwähnten Sinne, erfüllt und daher zur Enthüllung der Struktur der urpassiven Konstitutionsstufe im Urstrom geeignet ist. Als ein Beispiel dafür können wir ein "Sinnesfeld" nehmen, welches momentan in den tiefen Bewußtseinshintergrund gedrängt wird und daher auf das Ichzentrum keine Affektion im oben definierten Sinne eines bewußtseinsmäßigen Reizes ausübt. Denn da stellen wir überhaupt keine konstitutiven Momente fest, welche an der Konstitution der Empfindungshyle beteiligt sind, so auf der noetischen Seite keinen Instinkt der Objektivierung, keine passive doxische Vorstellungsintention, kein sinnliches Gefühl, keine damit verbundene Kinästhese, und auf der noematischen Seite keine abge­hobene noematische Einheit. Als ein zweites Beispiel könnte der Schlafzustand dienen. Denn "das Eigentümliche des Einschlafens ist also die Universalität des Passivwerdens des Ich als Interessen-Ich [ ... J" (D 14,23) und als solcher zeigt der Schlafzustand konstitutiv einen ähnlichen Zug wie das in den tiefen Bewußtseinshintergrund gedrängte "Sinnesfeld" .

Wie die Beispiele zeigen, ist diese urpassive Sphäre der genetischen Konstitution durch die Reflexion nicht mehr einholbar. 3 "Das urtümliche Strömen ist ständiges urtümliches Konstituieren; darin ist konstituiert der 'Bewußtseinsstrom' in seiner urtümlichen Zeitlichkeit. Freilich ist hier wohl zu beachten: es ist eine 'Vor' -Zeit, die noch keine Form von Gegenständen ist für das in diesem Bewußtseinsstrom lebende Ich, von ihm nicht als ein Zeitstrom erfahren und erfahrbar [ ... J. Es ist als 'Vor'-Sein unerfahrbar und unsagbar [ ... J." (C 1311, 8-9) Dies ist gerade der entscheidende Punkt, der den urpassiven Zeitstrom in methodischer Hinsicht von der Konstitution der Sinnesfelder strikt unterscheidet. "Die urpassive Vorgegebenheit des 'ich bin da', 'ich fungiere' darf', so führt Held in diesem Zusammenhang aus, "mit dem passiven Auftauchen der Sinneseindrücke nicht verwechselt werden. Auch die passivste Affektion ist schon ein Modus von 'Interesse', von

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explizierbarem ichlichem Beteiligtsein. - In welchem Sinne von Ichbeteiligung ich hingegen auf meine eigene faktische und anonyme Funktionsständigkeit stoße, kann phänomenologisch nicht mehr explizit, d.h. reflexiv anschaulich aufgewiesen werden."4 Es ist also unmöglich, diese urpassive Sphäre der genetischen Konstitution durch die unmittelbare egologische Reflexion, wie L. Landgrebe in Anlehnung an Fichte formuliert, "auf frischer Tat zu ertappen"s. Wir müssen also von Anfang an darauf verzichten, diese urpassive Sphäre der genetischen Konstitution durch die unmittelbare egologische Reflexion "auf frischer Tat ertappen" zu wol1en.

Trotzdem ist der Zugang zu dieser Ursphäre uns nicht ganz verschlossen. Sie ist doch, wie Husserl sagt, "vom phänomenologisierenden Ich in der Rückfrage aufweisbar in einer eigentümlichen Abstraktion und einer von ihm aus herauszustel1enden Identifikation, die Gegenständlichkeit nachkommend schafft." (C 13 11, 9) Den einzigen Zugang zu dieser urpassiven Sphäre der genetischen Konstitution bietet der im ersten Teil erörterte Weg zur Reduktion über die intentionale Psychologie. Wie dort dargestel1t, ist eine die Grenze der egologischen Reduktion überschreitende Bewußtseinsgestalt auf diesem Weg insofern in ihrer transzendentalen Struktur zu erschließen, als sie in der natürlichen Einstel1ung auf irgendeine Weise erfahrbar ist. Meine Bewußtseins­gestalten im urpassiven Zeitstrom sind, wie unten im dritten Teil dargestel1t wird6, mir in ihrer rein psychologischen Struktur nich völlig verschlossen, sondern sie sind mir prinzipiel1 zugänglich, nämlich auf dem Umweg über die Mitsubjekte7, denen ich in der Lebenswelt begegne. Die so gewonnenen rein psychologischen Bewußtseinsgestalten schlagen im zweiten Schritt durch die Übung einer universalen transzendentalen Epoche in die transzendentalen Bewußtseinsgestalten um. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Erschließung der Bewußtseinsgestalten im urpassiven Zeitstrom in ihrer transzendentalen Struktur schreibt Husserl schon Anfang der zwanziger Jahre: "Das Urhyletische kann aber apriori erst hinterher durch phänomenologische Auslegung der Konstitution der hyletischen Einheiten herausidentifiziert werden." (A VII 13,67)

3. DIE URHYLE IM URPASSIVEN STROM ALS DIE GENETISCHE URGESTALT

DER WELT

Wir haben soeben vom urhyletischen Moment im urpassiven Strom gesprochen, welches das genetische Fundament für die Konstitution der Empfindungshyle darstellen und durch den Abbau der Konstitution der Empfindungshyle enthüllt werden soll. Anders als bei den Abbauanalysen in den beiden vorangegangenen Kapiteln stößt man aber bei dieser Ursphäre sofort auf eine Schwierigkeit. Denn es scheint, daß der Abbau der Konstitution der Empfindungshyle, durch den alle Sinnesfelder mitsamt den darauf vorkommenden Empfindungsdaten aufgehoben werden sollen, auf der ichfremden Seite nichts mehr übrig bleiben läßt, was sich als das noematische Moment zeigen könnte. So stellt sich die

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Frage: Stellen die Sinnesfelder nicht das letzte hyletische Moment der transzendentalen Konstitution dar, hinter welches hyletisch nicht mehr zurück­gegangen werden kann?

Prüfen wir am von uns gewählten Erklärungsmodell, ob diese Ansicht haltbar ist oder nicht. Nehmen wir folgende Situation an: Ich war lange Zeit völlig in das Schreiben vertieft, habe dann aber endlich bemerkt, daß es, da ich versehentlich die Fenster während der ganzen Zeit aufgelassen habe, in meinem Arbeitszimmer sehr kalt geworden ist. In diesem Wahrneh­mungsprozeß gibt es einen Moment, in dem das "Kaltwerden" des Zimmers noch keinen Wahrnehmungszustand, sondern einen bloßen Empfindungs­zustand erreicht. Es handelt sich dabei um einen zeitlichen Moment, in dem das taktuelle Sinnesfeld beginnt, auf das Ichzentrum eine Affektion im Sinne des bewußtseinsmäßigen Reizes auszuüben, und in dem das Ichzentrum beginnt, mit den ich lichen Momenten, darunter der doxischen Vorstellungs­intention, zu reagieren. Im Hinblick auf diese Situation lautet unsere Frage: Bedeutet das "Kaltwerden" des Zimmers vor Beginn der Affektion im Sinne des bewußtseinsmäßigen Reizes für das Ichzentrum überhaupt nichts? Wie die phänomenologische Reflexion im erweiterten Sinne bestätigt, ist es klar, daß das "Kaltwerden" des Zimmers vor Beginn der Affektion doch für mich nicht belanglos war. Ich habe schon vor dem Eintreten der Affektion als eines bewußtseinsmäßigen Reizes des Gegenständlichen auf den Ichpol gefroren. Das "Kaltsein" des Zimmers, das ich vor Beginn der Affektion als eines bewußtseinsmäßigen Reizes eines Gegenstandes auf das Ichzentrum erlebe, können wir als das ichfremde, d.h. das hyletische oder das noematische Moment im urpassiven Strom der lebendigen Gegenwart bezeichnen.

Es gibt also im urpassiven Strom ein hyletisches Moment, welches sich als die genetisch ursprünglichste Gestalt der Hyle im weiteren Verlauf der transzendentalen Genesis in die Empfindungshyle differenziert. Dieses hyletische Moment im urpassiven Zeitstrom bezeichnet Husser!, wie oben erwähnt, in den Spätmanuskripten als "das Urhyletische" (A VII 13, 67). Wir bezeichnen das urhyletische Moment in der urpassiven Sphäre der lebendigen Gegenwart, um sie von anderen oben schon betrachteten Formen der Hyle zu unterscheiden, mit dem Terminus "Urhyle".

Das Wesen der Urhyle in unserem Sinne können wir am deutlichsten begreifen, indem wir sie mit anderen Formen der Hyle auf den oberen Konstitutionsstufen vergleichen. Die Urhyle ist wie die anderen Formen der Hyle eine affektive Einheit. Aber sie unterscheidet sich von den anderen Formen der Hyle auf den oberen Konstitutionsstufen dadurch, daß sie nicht mehr wie jene die Einheit der Affektion im Sinne eines bewußtseinsmäßigen Reizes darstellt. Damit hängt zusammen, daß der Adressat der Affektion bei ihr dementsprechend, wie unten dargestellt wird, nicht das reine Ich ist, sondern das Vor-Ich als dessen Unterstruktur. 8 Dies besagt, daß sie kein "noematisches" Korrelat der Vorstellungsintention im Sinne des objektivierenden Aktes darstellt. Diese Möglichkeit ist durch die Abbauanalyse prinzipiell aus­geschlossen. Vielmehr stellt sie, wie unten gezeigt wird, das "noematische"

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Korrelat des "nicht-objektivierenden Aktes" dar, der in seiner gegenständlichen Richtung noch nicht enthüllt ist. In diesem Sinne können wir sie als eine vorbewußte oder eine unbewußte noematische Einheit bezeichnen, unter der Voraussetzung, daß der objektivierende Akt die einzige Instanz für die Bewußtheit ist. Daraus geht hervor, daß der Begriff der Urhyle in unserem Sinne insofern nicht mehr als ein Noema bezeichnet werden darf, als man unter dem Begriff des Noemas der ursprünglichen Bedeutung nach nur das Gedachte, d.h. nur das Korrelat der doxischen Vorstellungsintention verstehen will. An dieser Stelle stellen wir fest, wie weit der Begriff des Noemas, wie er in den Ideen I eingeführt worden war, durch die Vertiefung der genetischen Phänomenologie modifiziert wurde.

Die Urhyle als das letzte ichfremde Moment im urpassiven Strom der lebendigen Gegenwart ist der genetische Vorgänger der Empfindungshyle. Als Urhyle stellt sie die genetisch unterste Form der Welt dar, aus der durch die vielen "Schöpfungsschichten" vermittelt die eigentliche Welt konstitutiv hervorgebracht wird. "In der transzendentalen Einstellung [ ... ] werde ich zurückgeführt auf meine transzendentale Subjektivität und damit auf meine urmodale Gegenwart, dabei aber, [ ... ] auf eine letzte, bei allem Wandel der Weltphänomene vorausgesetzte letztliche transzendentale Zeitsphäre als die transzendentale Zeit mit dem transzendentalen Zeitinhalt, in dem letztlich für mich als transzendentales Ich das Phänomen 'Welt' zum Bewußtsein kommt, eben mein, des tranzendental-phänomenologischen Ich, Phänomen ist." ce 16 V, 10, Herv. v. Vf.) Die ungeschiedene totale Urhyle im urpassiven Strom ist also dasjenige letzte Hyletische, "das für jeden von uns in die Weltapperzeption eingeht." (XV, 598)

4. DAS ICHLICHE MOMENT DES URPASSIVEN ZEITSTROMS ALS DIE

URSPRÜNGLICHE EINHEIT DES URINSTINKTES, DER URKINÄSTHESE UND DER

DUNKLEN STIMMUNG

Dem "vorbewußten" "Kaltsein" des Zimmers als der Urhyle in unserem Beispiel entspricht "noetisch" zunächst die Kinästhese als das körperliche Bewegen. Wie die phänomenologische Reflexion im erweiterten Sinne zeigt, "bewegten" sich beispielsweise schon meine Füße auf dem kalten Boden frierend hin und her, bevor das "Kaltsein" des Zimmers den Emp­findungszustand erreicht und auf mich eine Affektion als einen bewußtseinsmäßigen Reiz ausgeübt hat. So stellt der Leib das "noetische" Moment des urpassiven Stroms dar. "Wieder sind alle Affektionen von den Außendingen und vom Leibkörper selbst auf meinen Leib bezogen, als 'an' dem ich affiziert bin [ ... ]." (XV, 293) Dabei darf man diese Kinästhese, welche im urpassiven Zeitstrom feststellbar ist, mit den anderen Formen der Kinästhese auf den oberen Konstitutionsstufen nicht verwechseln. Sie unter­scheidet sich beispielsweise deutlich von der Kinästhese, welche am Vorgang der äußeren Wahrnehmung beteiligt ist. Die Kinästhese ist in diesem Falle

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in gewissem Maß ein willentliches Tun. So muß ich, um es vollkommener wahrnehmen zu können, willentlich hinter ein Haus gehen. Aber die Kinästhese im urpassiven Zeitstrom vollzieht sich ohne irgendein willentliches und bewußtseinsmäßiges Moment in irgendeinem Sinne, sie vollzieht sich völlig unwillentlich und unbewußt. Genetisch-phänomenologisch muß man also verschiedene Formen der Kinästhese nach dem Vollzugsmodus voneinander strikt unterscheiden: "Kinästhese im Modus eines wirklichen Verlaufs, im aktiven Tun, und im passiven (ichlich passiven) Geschehen. Unwillkürliche Kinästhesen, Kinästhesen im Verschobenwerden." (D 12 V, 10-11) Da die Kinästhese im urpassiven Zeitstrom den genetischen Grund für die anderen Formen der Kinästhese auf den oberen Stufen der genetischen Konstitution bildet, wollen wir sie zur Unterscheidung von jenen anderen mit Husserl terminologisch als "Urkinästhese" (C 11 IV, 10) bezeichnen.

Man findet an einer wichtigen Manuskriptstelle eine Darstellung der Ureinheit von ungeschiedener Urhyle und Urkinästhese im urpassiven Strom, welche uns einen Leitfaden für die Enthüllung der ganzen Struktur der ichlichen Momente im urpassiven Strom bietet. "Die Urhyle mit der Urkinästhese; sagen wir, ein einheitliches zielloses 'Tun' in eins mit einer ungeschiedenen Totalität der Hyle. Ursprünglich ist das wache Ich gerichtet - auf die totale, ungeschiedene Hyle in Form der 'reinen' Kinästhese, die nichts anderes ist als Ichrichtung, einheitliches Tätigsein, das wir hinterher im Durcheinander der Kinästhesen [ . . . ] ein Tätigsein nennen. Dieses ungeschiedene Gerichtetsein auf die ungeschiedene Hyle ist ein kontinuier­licher Wandel, in dem sich die sich mitwandelnde Hyle als Einheit erhält." (C 11 IV, 10) Wie die verschiedenen Wendungen, welche, um die Urkinästhese zu bezeichnen, ins Spiel gebracht werden, zeigen, hat sie also mit einem ursprünglichen Streben zu tun, welches von einem tätigen Zentrum des transzendentalen Lebens im urpassiven Zeitstrom ausgestrahlt wird. Dieses ursprüngliche Streben des transzendentalen Lebens im urpassiven Zeitstrom ist nichts anderes als das Urstreben des unenthüllten Urinstinktes: "Das Streben ist aber instinktives und instinktiv, also zunächst unenthüllt 'gerichtet' auf die sich 'künftig' erst enthüllt konstituierenden weltlichen Einheiten." (A VI 34, 34) Die Auswirkung des ursprünglichen Instinktes im urpassiven Strom können wir uns an dem obigen Beispiel vor Augen führen: Die urkinästhetische Bewegung, welche wegen des "Kaltwerdens" des Zimmers sich vorbewußt vollzieht, ist nichts anderes als der Ausdruck des instinktiven Strebens, sich selbst zu erhalten.

Die Urkinästhese stellt also den ursprünglichen Ort der Auswirkung des unenthüllten Urinstinktes im urpassiven Zeitstrom dar. Die Zusammen­gehörigkeit der beiden Momente können wir noch klarer begreifen, indem wir sie mit der Zusammengehörigkeit der Kinästhese und des Instinktes der Objektivierung bei der Konstitution der Empfindungshyle vergleichen. In diesem letzteren Falle stellt die Kinästhese, wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt, den Ort der Auswirkung des Instinktes der Objektivierung dar, aber die bei den Momente sind dabei mit einem bestimmten Abstand, welcher den

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Spielraum für die Auswirkung des Instinktes in der Kinästhese bildet, verbunden. Im urpassiven Zeitstrom hingegen sind die beiden Momente abstandslos verbunden. Diese abstandslose Verbundenheit von unenthülltem Urinstinkt und Urkinästhese im urpassiven Zeitstrom kann man am besten auf die Formel bringen: Der Urinstinkt strömt in der Urkinästhese aus.9

Man darf in unserem Problemzusammenhang den Urinstinkt, welcher in der Urkinästhese beständig ausströmt, mit dem ursprünglichen Instinkt der Objektivierung als der Urquelle der Konstitution der Empfindungshyle nicht verwechseln. Man muß darauf achten, daß durch den Abbau der Konstitution der Empfindungshyle schon vom ursprünglichen Instinkt der Objektivierung und den davon geleiteten konstitutiven Momenten völlig abstrahiert wird. Aber zugleich ist darauf hinzuweisen, daß durch die methodische Maßnahme im ersten Kapitel dieses Abschnittes, derzufolge nur diejenigen Momente, welche für die "pure Natur" konstitutiv sind, betrachtet werden sollen. von den nicht-objektivierenden Instinkten schon abstrahiert wurde, welche in ihrer gegenständlichen Richtung schon enthüllt sind. Danach zeigt sich, daß es sich beim ursprünglichen Instinkt im urpassiven Zeitstrom, welcher sich als das ichliche Moment zeigt, ausschließlich um den nicht-objektivierenden Instinkt handelt, welcher in seiner gegenständlichen Richtung noch nicht enthüllt ist und darum ziellos und bewußtlos beständig in der Urkinästhese ausströmt. Die Sinnesorgane sind nicht nur die Orte der Auswirkung der objektivierenden, sondern genetisch-phänomenologisch betrachtet ursprünglich die der nicht-objektivierenden Instinkte.

Um die eigentliche konstitutive Funktion des unenthüllten Urinstinktes in diesem Urstrom deutlicher einzusehen, müssen wir das Wesen des Urinstinktes näher untersuchen. Der Instinkt charakterisiert sich allgemein dadurch, daß er immer einen Zug des Gerichtetseins auf die Welt, d.h. einen Weltbezug zeigt. Dies beruht darauf, daß die Erfüllung des Instinktes nur auf Grund der Erreichung der Gegenständlichkeiten in der Welt möglich ist. "Die Instinktintentionalität der Monaden gehört zu ihrem weltlichen Sein und Leben, ihre Erfüllung ist weltlich gerichtet." (C 8 11. I) Im Hinblick auf den allgemeinen Wesenszug des Instinktes bildet der unenthüllte Urinstinkt im urpassiven Zeitstrom keine Ausnahme. Er zeigt wie andere Instinkte eine bestimmte Form des Weltbezuges, nämlich eine blinde "intentionale Richtung" auf die Welt. In diesem Sinne schreibt Husserl: "In jedem unerschlossenen Urin stinkt ist, wo er in Aktus ist, die intentionale Richtung da, der in einen Leerhorizont, der völlig ungeformt ist, auf ein Ziel. das keine vorgezeich­nete Bekanntheitsstruktur hat." (E III 9, 22)

Wie unser Beispiel des Erlebens des "Kaltwerdens" des Zimmers zeigt, handelt es sich bei der blinden "intentionalen Richtung" des unenthüllten nicht-objektivierenden Urinstinktes um ein "leibliches" Urgeschehen. Diese Urintentionalität als der Urbezug des transzendentalen Lebens auf die Welt ist nichts anderes als dasjenige, welches M. Merleau-Ponty die Intentionalität der "Empfindung", d.h. "die Intentionalität des Leibes"lO, nennt. "Sie [die Empfindung] ist gewiß intentional, d.h. sie ruht nicht in sich wie ein Ding,

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sie vermeint und bedeutet etwas über sich selbst hinaus. Das doch in ihr Vermeinte ist nur blindlings erkannt durch die Vertrautheit meines Leibes mit ihm, es ist nicht in voller Klarheit konstituiert [ ... ]. Intentional ist die Empfindung, insofern im Sinnlichen der Vorschlag zu einem gewissen Rhythmus der Existenz uns begegnet - der Abduktion oder Adduktion - und wir, diesem Vorschlag Folge leistend, in die also uns nahegelegte Weise des Existierens gleiten und auf ein äußeres Sein uns beziehen, sei es uns ihm erschließend, sei es uns ihm verschließend."ll Der ursprüngliche Weltbezug der unenthüllten urinstinktiven Intentionalität, d.h. diese "bloße Richtung" des ursprünglichen transzendentalen Lebens auf die ungeschiedene totale Urhyle im urpassiven Strom stellt die ursprüngliche Begegnung des Ich mit der Weltl2 dar. Gerade in diesem Sinne kann man mit Landgrebe die bloße Richtung des unenthüllten Urinstinktes auf die ungeschiedene totale Urhyle als "die erste Eröffnung von Welt"l3 bezeichnen. Dementsprechend heißt es an einer wichtigen ManuskriptsteIle: "Die ursprünglichen Instinkte wirken sich aus - wie ist es zu verstehen, daß da Konstitution von Welt statthat instinktiv - in bloßen Folgen des Ich und in Abwehr der Widerfolgen." (E III 9, 12)

Im Hinblick auf die erste Eröffnung von Welt durch die blinde Auswirkung der Intentionalität des unenthüllten nicht-objektivierenden Urinstinktes im urpassiven Zeitstrom ist darauf hinzuweisen, daß daran in jedem Moment nicht nur ein Instinkt, sondern das Ganze der unenthüllten Instinkte beteiligt ist. So ist es in unserem Beispiel durchaus möglich, daß außer dem Urinstinkt, der darauf gerichtet ist, sich vor der Kälte zu schützen, verschiedene andere unenthüllte Urinstinkte, z.B. der Nahrungsinstinkt, sich melden können. Im Hinblick auf die Mannigfaltigkeit der unenthüllten nicht-objektivierenden Instinkte heißt es an einer Stelle: "Koexistenz und Konkurrenz der Sonderinstinkte in ihren Auswirkungsmodis. Jeder Instinkt in verschiedenen Modis der Verwirklichung. Konkurrenz besagt Widerstreit von Begehrungen, - so können schon innerhalb eines Instinktes koexistierende Reize und geweckte Begehrungen streiten, und dann auch solche verschiedenartiger Begehrungen, verschiedener oberster Gattungen, verschiedene Instinkte." (C 13 I, 14) Der urpassive Strom ist, noetisch betrachtet, ein System von mannigfaltigen Urinstinkten: "Die Primordialität ist ein Triebsystem. Wenn wir sie verstehen als urtümlich stehendes Strömen, so liegt darin auch jeder in andere Ströme, und mit evtl. anderen Ichsubjekten, hineinstrebende Trieb." (XV, 594) Davon, wie die mannigfaltigen unenthüllten Urinstinkte im urpas­siven Zeitstrom konkurrieren und sich zusammenschließen, hängt die jeweilige Weise der Eröffnung von Welt ab.

Um die Struktur der ersten Eröffnung von Welt durch die unenthüllten Urinstinkte im urpassiven Zeitstrom vollkommener zu begreifen, ist es nötig, auf einen anderen Aspekt des unenthüllten Urinstinktes einzugehen. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß Husserl an einer ManuskriptsteIle den Urin stinkt im urpassiven Zeitstrom als eine ursprüngliche Affektion bestimmt, wie es heißt: "Wie haben wir uns das ursprüngliche Funktionieren der Kinästhese zu denken? Wie sind sie als ichliche Vorgänge

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zu denken? Ichliche Vorgänge sind Affektionen und Aktionen. Ist ursprüngliche Affektion nicht Instinkt, also eine Weise des leeren, des noch der 'Zielvorstellung' entbehrenden Strebens, das sich in einem entsprechenden enthüllenden Akte erfüllt. Der instinktive Trieb ist also die Vorform der Vorhabe, so wie die Trieberfüllung die Vorform des eigentlichen Aktes." (C 16 IV, 11, Herv. v. Vf.) Wichtig ist es in diesem Zusammenhang, darauf zu achten, daß die "ursprüngliche Affektion" als die Funktionsweise des une nt­hüllten nicht-objektivierenden Instinktes sich strikt von der "ursprünglichen Affektion" als der Funktionsweise des Instinktes der Objektivierung auf der Konstitutionsstufe der Empfindungshyle unterscheidet. Diese ursprüngliche Affektion des unenthüllten nicht-objektivierenden Instinktes im urpassiven Zeitstrom kann man zur Unterscheidung von derjenigen des Instinktes der Objektivierung, welche sich als die niederste Stufe der bewußten oder bewußtseinsmäßigen Affektion zeigt, als die unbewußte oder vorbewußte Affektion bestimmen. Man kann diese ursprüngliche Affektion aber dann nicht mehr eine Affektion nennen, wenn man darunter nur die bewußte, d.h. bewußtseinsmäßige Affektion verstehen will. Die Uraffektion des unenthüllten nicht-objektivierenden Instinktes unterscheidet sich also genetisch radikal von derjenigen Uraffektion des Instinktes der Objektivierung. Den Unterschied zwischen bei den bringt Husserl an einer Manuskriptstelle folgendermaßen zum Ausdruck: "Uraffektion und Steigerung mit der Ich-Bewegung. Uraffektion: das von 'Abgehobenem' Angezogensein. Angezogensein, das drückt viel aus, da es auf ein mehr oder weniger, auf näher und weniger nah Dabeisein verweist. Das setzt aber, um konstituiert zu sein, schon Uraffektion voraus, es ist ein urtümliches Dabeisein, Daraufgerichtetsein." (A VI 26, 29) Die Uraffektion des unenthüllten nicht-objektivierenden Instinktes als das Urverhältnis zwischen dem "Ichzentrum" und der Urhyle ist, wie es an einer Stelle heißt, "ein fühlendes Dabeisein des Ich und zwar nicht erst als ein Dabeisein durch Hinkommen und Anlangen." (C 16 V, 18) Für die ursprüngliche Affektion des unenthüllten nicht-objektivierenden Instinktes im urpassiven Zeitstrom paßt also das Grundschema des "Dialoges" nicht mehr, welches wir im vorange­gangenen Kapitel, um das Grundverhältnis zwischen dem ichlichen und dem ichfremden Moment der passiven Synthesis zum Ausdruck zu bringen, ins Spiel gebracht haben.

Mit der Bestimmung des unenthüllten Urinstinktes als einer Uraffektion ist ein anderer Aspekt dieses Instinktes ins Blickfeld gerückt: Die Kehrseite des ursprünglichen Instinktes im urpassiven Strom ist also ein fühlendes Dabeisein des Ich beim Ichfremden, d.h. ein ursprünglicher gefühlsmäßiger Bezug des Ich auf das Ichfremde. Da dieser gefühlsmäßige Urbezug des Ich auf das Ichfremde im urpassiven Zeitstrom vom Ganzen des unenthüllten nicht­objektivierenden Instinktes untrennbar ist, ergibt sich, daß es sich beim Gefühl im Urstrom nicht um ein einer Gegenständlichkeit oder einem bestimmten Sinnesfeld zugehöriges Sondergefühl handelt, sondern um eine totale Gefühlseinheit, welche der ungeschiedenen totalen Urhyle als der Vorform der Welt entspricht. Es handelt sich also ausschließlich um die ursprüngliche

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Gefühlseinheit, welche sich als das Produkt der Verschmelzung '4 der Sondergefühle zeigt. Im urpassiven Strom der lebendigen Gegenwart stellen wir die Gefühlseinheit nur als ein universales Gefühl fest, das der totalen Urhyle entspricht. Husserl bezeichnet dieses totale oder universale Gefühl im urpassiven Strom im Gegensatz zu abgehobenen Sondergefühlen als die Stimmung: "Die immanente Gegenwart und ihr Gefühlswert' - passive Assoziation der Gefühle als Stimmung." (A VI 34, 19)

Es handelt sich bei dem Urinstinkt und der dunklen Stimmung im urpas­siven Zeitstrom nicht um zwei verschiedene Phänomene, welche voneinander getrennt bestehen können, sondern ausschließlich um die beiden voneinander untrennbaren Aspekte des transzendentalen Urgeschehens im urpassiven Zeitstrom. Als eine untrennbare Ureinheit strömen sich der Urinstinkt und die dunkle Stimmung im urpassiven Zeit strom beständig in der Urkinästhese aus. Um die ursprüngliche untrennbare Einheit beider zum Ausdruck zu bringen, benutzt Husserl Wendungen wie "Triebgefühl" (M III 3 III 1 11, 93 ff.) oder "die ursprünglichen 'instinktiven' Ahnungen" CE III 9, 22). Diese ursprüngliche Einheit bei der kann man als die stimmungshafte Strebung des unenthüllten Urinstinktes oder die dunkle urinstinktive Stimmung bezeichnen. Als solche stellt sie, wie oben gesagt, den ursprünglichen Ort der Eröffnung von Welt dar.

5. DER URPASSIVE ZEITSTROM ALS DIE URSPRÜNGLICHE EINHEIT DES VOR-ICH

ALS DES AUSSTRAHLUNGSZENTRUMS DES STIMMUNGSHAFfEN URINSTINKTES

UND DER URHYLE ALS DER GENETISCHEN URGESTALT DER WELT

Wir haben in der bisherigen Analyse des urpassiven Zeitstroms das Ganze des stimmungshaften Urinstinktes, welches beständig in der Urkinästhese ausströmt, als das ichliche Moment, die Urhyle dagegen als das ichfremde Moment bestimmt. Im Hinblick auf die Struktureinheit des urpassiven Zeitstroms erheben sich einige Fragen: Was heißt eigentlich in dieser urpas­siven Sphäre der genetischen Konstitution die Ichlichkeit des ichlichen Momentes? Dieselbe Frage gilt nun nicht minder für das ichfremde Moment. Was heißt denn eigentlich das Ichfremde im urpassiven Zeitstrom, in dem die Ichlichkeit des ichlichen Momentes fraglich ist? Und dann schließlich: Wie gehören das Ichliehe und das Ichfremde in diesem Urstrom der lebendigen Gegenwart zusammen?

Der stimmungshafte Urinstinkt im urpassiven Strom, den wir als das ichliehe Moment des urpassiven Zeitstroms bestimmt haben, ist, wie oben dargestellt, keine Affektion im eigentlichen Sinne als der bewußtseinsmäßige Zug des Ich auf das Ichfremde, sondern bloß eine unbewußte instinktive Affektion. Die Frage ist dabei: Kann man sinnvoll in diesem urpassiven Strom vom Ich und vom ichlichen Moment sprechen, wo überhaupt keine Affektion im eigentlichen Sinne festzustellen ist? "Aber wie kann ein Streben ichlieh sein, wenn das Ich, wie bei den Hintergründen der urmodalen hyletischen

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Gegenwart, gar nicht dabei ist?" (e 16 V, 16-17) "Wie haben wir uns das ursprüngliche Funktionieren der Kinästhese zu denken? Wie sind sie als ichliche Vorgänge zu denken?" (e 16 IV, 11)

In diesem Zusammenhang muß man beachten, daß die mannigfaltigen unenthüllten Urinstinkte im urpassiven Zeitstrom nicht zusammenhanglos sind, sondern daß alle sich auf ein Ausstrahlungszentrum als ihren Quell­punkt beziehen. Dieses Ausstrahlungszentrum als ein blindes Zentrum der unenthüllten Urinstinkte unterscheidet sich vom reinen Ich als dem Ausstrahlungszentrum des hellen Selbstbewußtseins. Es ist aber andererseits nicht etwas, welches mit dem reinen Ich überhaupt nichts zu tun hätte. Es handelt sich dabei, wie es schon einmal in den Ideen 11 heißt, um den "seeli­schen Untergrund" (IV, 275 ff, 332) des reinen Ich, also um "eine Ichstruktur, die es eben gestattet und fordert zu sagen, das Ich im Stadium des spezifi­schen 'Unbewußtseins', der Verborgenheit, sei nicht ein Nichts oder die leere Potentialität der Wandlung der Phänomene in solche der Ich-Aktualität, sondern ein Moment ihrer Struktur." (IV, 100) Husserl bezeichnet das Aus­strahlungszentrum der unenthüllten Urinstinkte im urpassiven Strom, welches den Hintergrund des reinen Ich bildet und darum von diesem strukturell nicht mehr zu trennen ist, in der Spätphilosophie als das "Vor-Ich": "Die Strukturanalyse der urtümlichen Gegenwart (das stehend lebendige Strömen) führt uns auf die Ichstruktur und die sie fundierende ständige Unterschichte des ichlosen Strömens, das durch eine konsequente Rückfrage [ ... ] auf das radikal Vor-Ichliche zurückleitet." (XV, 598)

Beim Vor-Ich handelt es sich also um einen "Ichpol [als] Pol von ursprünglichen Instinkten" (E III 9, 18). Es ist klar, daß das Vor-Ich im Sinne der traditionellen Philosophie nicht mehr ein Ich, d.h. ein Subjekt des freien Willens, genannt werden kann. Es ist ebenso unmöglich, vom Standpunkt der traditionellen Bewußtseinsphilosophie her die unenthüllten Urinstinkte im urpassiven Zeitstrom als ichlich zu bezeichnen. Wie die genetisch-phäno­menologische Analyse zeigt, stellt aber das Vor-Ich "ein Moment" des reinen Ich dar, ja dessen genetischen "Untergrund", welcher von ihm nicht zu trennen ist, und insofern ist es sinnvoll und sogar notwendig, das Ganze der stim­mungshaften Urinstinkte im urpassiven Zeitstrom als das ichliche Moment zu benennen. Gerade deswegen fragt Husserl: "Ist es dann hier schon ein ichloses Streben, das zur Verwirklichung stetig führt, stetig neues Streben weckt etc.? Aber wie steht es mit dieser Konstruktion? Ist nicht alles Streben schon ichlich?" (e 16 V, 16)

Im Hinblick auf die Urhyle als das ichfremde Moment des urpassiven Zeitstroms ergibt sich ebenfalls ein Problem. Denn es ist im urpassiven Zeitstrom anders als auf den oberen Stufen der genetischen Konstitution nicht ganz einfach zwischen dem Ichlichen und dem Ichfremden deutlich zu unter­scheiden. "Aber warum rechnen wir das Gefühl in besonderer Weise zum Ich als seine Zuständlichkeit und warum soll der hyletische Inhalt ichfremd sein und nicht auch Zuständlichkeit desselben heißen?" (e 16 V, 18) Wir haben in diesem Zusammenhang die Stimmung als "ein fühlendes Dabeisein des Ich"

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bei der Urhyle bezeichnet und dadurch versucht, die unabdingbare Zusam­mengehörigkeit bei der Momente zum Ausdruck zu bringen. "Das Ich ist nicht etwas für sich und das Ichfremde ein vom Ich Getrenntes und zwischen bei den ist kein Raum für ein Hinwenden, sondern unmittelbar ist Ich und sein Ichfremdes, bei jedem Inhalt im inhaltlichen Zusammenhang und bei dem ganzen Zusammenhang ist das Ich fühlendes." (e 16 V, 18) Dieses fühlende Dabeisein des Vor-Ich im Urstrom unterscheidet sich also radikal vom "Dabeisein durch Hinkommen und Anlangen", das auf den oberen Konstitutionsstufen feststellbar ist. Es gibt in dieser Ursphäre der geneti­schen Konstitution demnach keinen Raum für das Anrufen und das Antworten zwischen beiden Momenten. "Der instinktive Trieb ist also die Vorform der Vorhabe [ ... ]. Darin würde liegen, die Hyle ist von vornherein nicht in dem Sinne affizierend, als ob der antwortende Akt auf sie hin unmittelbar gerichtet wäre als Ende, als in sich 'gut' und sofort instinktiv apperzipiert." (e 16 IV, 11) Die Grenze zwischen dem Ichlichen und dem Ichfremden in diesem urpassiven Strom ist schwer zu ziehen. Husserl sieht folgenden Lösungsversuch: "Natürlich ist die Rede vom Ich letztlich bestimmt von der 'Polarisierung' der Ichakte." (e 16 V, 18) Nach dieser Auffassung trägt die Urhyle, obwohl sie mit ihrem beständigen Wandel im urpassiven Strom schon mit gutem Grunde als ein Ichliches bezeichnet werden kann, nur darum den Titel des Ichfremden, weil sie im urpassiven Strom, wie oben dargestellt, den Gegenpol der ichlichen Momente darstellt.

Wenden wir uns danach der dritten Frage zu. Durch die bisherige Darstellung erschließt sich die Möglichkeit, eine Einsicht in die Struktureinheit des Urstroms der lebendigen Gegenwart zu bekommen. Die in der Urkinästhese beständig ausströmende stimmungshaften Urinstinkte und die totale Urhyle bilden im urpassiven Strom eine ursprüngliche Einheit, welche die genetische Quelle sowohl für die noetischen als auch für die noematischen Einheiten auf den oberen Stufen der genetischen Konstitution darstellt.

ANMERKUNGEN

I. Gerade in diesem Sinne heißt es in einem Beilagetext zur Phänomenologischen Psychologie: "Jedes Empfindungsdatum ist ein sich im Bewußtsein in höchst komplizierter Weise (im ursprünglichen Zeitlichkeitsbewußtsein) Konstituierendes." (IX, 486) Im selben Problemzu­sammenhang lesen wir an einer Stelle von Erfahrung und Urteil: "Die Konstitution dieses Feldes selbst wäre Thema eigener, sehr umfassender Analysen." (EU, 74)

2. K. Held hat in Lebendige Gegenwart. Die Frage nach der Seinsweise des transzenden­talen Ich bei Edmund Husserl, entwickelt am Leitfaden der Zeitproblematik. Den Haag 1966, das Problem der urtümlich lebendigen Gegenwart einer eingehenden Analyse unterzogen.

3. Eine eingehende Erörterung dieser Problematik finden wir bei K. Held, Lebendige Gegenwart, S. 94ff.

4. K. Held, Lebendige Gegenwart, S. 149-150. 5. L. Landgrebe, Faktizität und Individuation. Studien zu den Grundfragen der Phäno­

menologie. Hamburg 1982, S. 77. 6. Vgl. dazu unten S. 155.

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7. Die Möglichkeit der Erschließung der transzendentalen Bewußtseinsgestalten auf dem Umweg über die Mitsubjekte hat K. Held, Lebendige Gegenwart, S. 151 ff. ausführlich dargestellt. Vgl. dazu ferner ders., "Das Problem der Intersubjektivität und die Idee einer phänomenologischen Transzendentalphilosophie", in: Perspektiven transzendentalphäno­menologischer Forschung. Hrsg. von U. Claesges und K. Held, Den Haag 1972, S. 3-60; B. Waldenfels, Das Zwischenreich des Dialogs. Sozialphilosophische Untersuchungen in Anschluß an Edmund Husserl. Den Haag 1971.

8. U. Claesges vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht: "Eine 'Ur-hyle', die das 'reine Ich' affiziert und damit erst die 'Konstitution' von Empfindungen macht, ist eine Konstruktion und phänomenologisch nicht aufweIsbar." (U. Claesges, Edmund Husserls Theorie der Raumkonstitution, S. 134.) Eine "Ur-hyle" wie die von Claesges definierte ist sicherlich eine Konstruktion und phänomenologisch nicht aufweisbar. Husserllegt aber in seinen Spätmanuskripten einen Begriff der Urhyle zugrunde, der sich von demjenigen Claesges' in einem bedeutsamen Punkte unterscheidet; es muß darauf geachtet werden, daß das Affektionszentrum der Urhyle in unserem Problemzusammenhang nicht das reine Ich, sondern das Vor-Ich als dessen Urstruktur ist.

9. "Das ursprüngliche instinktive Streben, das in Kinästhesen sich ausströmt, ist allgemein unbestimmt auf solche Erfüllung unmittelbar gerichtet [ ... ]." (C 13 H, 14)

10. M. Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung. Übersetzt von R. Boehm, Berlin 1966, S. 165ff. Was Merleau-Ponty die Empfindung nennt, entspricht eher dem, was in dieser Arbeit als das noetische Korrelat der Urhyle bezeichnet wird; es ist jedenfalls nicht das noetische Korrelat, für das die Vorstellungsintention unentbehrlich ist. "Das Subjekt der Empfindung ist weder ein von einer Qualität Kenntnis nehmender Denker, noch ein träges Milieu, das von einer solchen affiziert und modifiziert wird, sondern ein Vermögen, das mit jedem Existenzmilieu in eins entspringt und mit ihm sich synchronisiert." (Phänomenologie der Wahrnehmung, S. 249) Die Unterscheidung zwischen der Empfindungshyle und der Urhyle in unserern Sinne wird bei ihm übergangen.

11. a.a.O. S. 251. Der französische Text lautet: "Elle est sans doute intentionelle, c'est-a-dire qu'elle ne repose pas en soi comme une chose, qu'elle vise et signifie au-dela d'elle meme. Mais le terme qu'elle vise n'est reconnu qu'aveuglement par la familiarite de mon corps avec lui, il n'est pas constitue en pI eine clarte [ ... ]. La sensation est intentionelle parce que je trouve dans le sensible la proposition d'un certain rythme d' existence, - abduc­tion ou adduction, - et que, donnant suite 11 cette proposition, me glissant dans la forme d' existence qui m' est ainsi suggeree, je me rapporte 11 un etre exterieur, que ce soit pour m'ouvrir ou pour me fermer 11 lui." (M. Merleau-Ponty, Phenomenologie de la percep­tion. Paris 1945, S. 247)

12. Die Welt an dieser Stelle ist nicht als das konstitutive Produkt in irgendeinem Sinne zu verstehen. Vielmehr stellt sie den genetisch im echten Sinne letzten Ursprung aller kon­stituierten Welten dar. Als solche ist sie auch der genetische Ursprung der Urhyle im Urstrom der lebendigen Gegenwart als der Urform der konstituierten Welt. Es ist klar, daß im Hinblick auf die Urhyle, obwohl wir darauf oben nicht hingewiesen haben, sich eine wohl motivierte Frage stellt, nämlich die Frage nach deren genetischem Ursprung. Dasselbe gilt, wie unten im IH. Teil mit der Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte erörtert (vgl. dazu unten S. 173 ff), auch für die erste Hyle im Uranfang der transzendentalen Genesis. Dadurch zeigt sich vorläufig, daß der Begriff der Welt in der transzendentalen Phänomenologie Husserls doppeldeutig ist. Nach der systematischen Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte versuchen wir, erst im IV. Teil dieser Arbeit zu bestimmen, was diese Welt als der letzte genetische Ursprung der Welt eigentlich bedeutet.

13. L. Landgrebe, Faktizität und Individuation, S. 83. 14. Im Hinblick auf die Gefühlsverschmelzung heißt es an einer ManuskriptsteIle: "Die Gefühle

haben ihre Weise der Einigung zu einem Gesamtgefühl. Die Totalität der Hyle affiziert also beständig, und innerhalb dieser Einheit der Affektion [sind] die Sonderaffektionen im 'Kampf miteinander und im Kampf um das Ich, es auf sich zu lenken, zur entsprechend gerichteten Aktivität zu bestimmen." (E 1II 9, 16)

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B. DIE STRUKTUR DER INSTINKTINTENTIONALITÄT UND DER AUFBAU DER KONSTITUTION DER WELT

KAPITELl

Die Instinktintentionalität und die allgemeine Struktur der passiven Konstitution als der genetischen

Grundlage für die lebensweltliche Konstitution

1. DIE NOTWENDIGKEIT EINER AUFBAUANALYSE DER KONSTITUTION DER WELT

Durch die Abbauanalyse der Konstitution der Welt haben wir im ersten Abschnitt dieses Teils die verborgenen mannigfaltigen konstitutiven Momente auf den unteren Stufen der genetischen Konstitution enthüllt. Die konstitutiven Urelemente in der Sphäre der passiven Konstitution bilden sozusagen den Grundstein für die Konstitution der Welt; die konstitutive Struktur der Welt bestimmt sich durch das Zusammenspiel dieser Urelemente. In diesem Sinne äußert sich Husserl an einer Nachlaßstelle: "Nun bedenke ich aber, daß in der Rückfrage sich schließlich die Urstruktur ergibt, in ihrem Wandel der Urhyle etc. mit den Urkinästhesen, Urgefühlen, Urinstinkten. Danach liegt es im Faktum, daß das Urmaterial gerade so verläuft in einer Einheitsform, die Wesensform ist vor der Weltlichkeit. Damit scheint schon 'instinktiv' die Konstitution der ganzen Welt für mich vorgezeichnet, wobei die ermög­lichenden Funktionen selbst ihr Wesens-ABC, ihre Wesensgrammatik im voraus haben." (XV, 385)

Nach der Feststellung der konstitutiven Urelemente der passiven Konstitution ist es nun unsere Aufgabe, mit Rücksicht auf die die passive Konstitution regelnde "Wesensgrammatik" aus diesen Urelementen den Autbau der Konstitution der Welt wiederherzustellen. Unser Ziel liegt dabei darin, durch die Autbauanalyse der Konstitution der Welt eine angemessene Wesensbestimmung der Welt herauszufinden, welche sich auf die Wesens­struktur der konstitutiven Urelemente und vor allem auf diejenige der man­nigfaltigen Instinktintentionalitäten auf der Sphäre der passiven Konstitution zurückführen läßt.

Bei der Autbauanalyse müssen wir diejenigen konstitutiven Momente, welche in der Sphäre der passiven Konstitution beständig ihre konstitutive Funktion ausüben, aber in der Abbauanalyse nicht in den Blick kommen konnten, berücksichtigen. Damit meinen wir vor allem diejenigen passiven konstitutiven Momente, welche an der Konstitution des "Reichs der Güter" (C 16 IV, 10) beteiligt sind. Wir haben in der Abbauanalyse eine metho-

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dische Maßnahme ergriffen, dergemäß von der Konstitution der "Güterwelt" einfach abstrahiert wird und ins thematische Feld nur die Konstitution der puren Natur fiel. Die passiven konstitutiven Momente, welche die "Güterwelt" kon­stitutiv zustande bringen, müssen also in der Aufbauanalyse nachgeholt werden. Darüber hinaus müssen wir in der Aufbauanalyse die in der Abbauanalyse schon betrachteten passiven Intentionen, welche die "pure und wertfreie" Natur zustande bringen, d.h. die "objektivierenden" Intentionen, daraufhin weiter prüfen, ob sie wirklich nur die bloß "objektivierenden" Intentionen sind. Erst durch diese Aufbauanalyse erschließt sich die Möglichkeit, eine angemessene Wesens bestimmung der Welt vorzunehmen.

2. DER FUNDIERUNGSZUSAMMENHANG ZWISCHEN DER OBJEKTIVIERENDEN UND

DER NICHT-OBJEKTIVIERENDEN INTENTION IN DER SPHÄRE DER PASSIVEN

KONSTITUTION

Die Struktur des Fundierungszusammenhangs zwischen der objektivierenden und der nicht-objektivierenden Intention ist eine der Wesensgrammatik, welche das Zusammenspiel von verschiedenen konstitutiven Momenten in der Sphäre der passiven Konstitution regelt und dadurch die konstitutive Struktur der genetisch höheren Stufe bestimmt. Wie im dritten Kapitel des ersten Teils dargestellt, hat die objektivierende Intention vom Standpunkt der statischen Phänomenologie aus gegenüber der nicht-objektivierenden Intention konsti­tutionstheoretisch einen absoluten Vorrang, welcher nach Husserl durch die "Allherrschaft der logischen Vernunft" zum Ausdruck gebracht wird; die statische Phänomenologie charakterisiert sich also durch den Primat der objek­tivierenden Intention. Nach dem Primat der objektivierenden Intention soll diese im Fundierungszusammenhang den Fundierungsboden der nicht-objek­tivierenden Intention bilden. Den Fundierungszusammenhang zwischen bei den beschreibt Husserl an einer Stelle der V. Logischen Untersuchung am Beispiel des Verhältnisses zwischen dem Freudeerlebnis und dem Urteilserlebnis in für ihn typischer Weise folgendermaßen: "Die Freude ist nicht ein konkreter Akt für sich und das Urteil ein daneben liegender Akt, sondern das Urteil ist der fundierende Akt für die Freude, es bestimmt ihren Inhalt, es realisiert ihre abstrakte Möglichkeit: denn ohne solche Fundierung kann Freude über­haupt nicht sein." (XIX/I, 418) Mit dem Begriff der Fundierung an dieser Stelle meint er die "einseitige" (XIX/l, 270) Fundierung, wobei es möglich sein soll, das Urteilserlebnis einseitig vom Freudeerlebnis abzusondern.' Vom Standpunkt der statischen Phänomenologie her soll die objektivierende Intention den Boden der "einseitigen" Fundierung für die nicht-objektivierende Intention bilden.

Wie wir in der Abbauanalyse gesehen haben, zeigt sich die These von der einseitigen Fundierung der nicht-objektivierenden Intention in der objek­tivierenden genetisch-phänomenologisch als höchst fragwürdig. So ist es beispielsweise unmöglich, die passive Vorstellungsintention, welche in der

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Allgemeine Struktur der passiven Konstitution 129

Konstitution der Empfindungsdaten feststell bar ist, von den damit verbundenen nicht-objektivierenden Intentionen einseitig abzusondern. Die Schwierigkeit des Primats der objektivierenden Intention im Fundierungszusammenhang bemerkt Husserl sehr früh, d.h. schon gleich nach der Abfassung der Ideen I. Er schreibt in diesem Zusammenhang an einer Stelle der Ethik- Vorlesung von 1914: "Freilich eine ernste Schwierigkeit trat uns in den Weg, eine Schwierigkeit, deren vollständige Aufklärung in sehr tiefe phänomenologische Untersuchungen verwickelt. Es ist, kurz gesagt, die Schwierigkeit der Allherrschaft der logischen Vernunft. An sich und von oben her gesprochen, ist es ganz selbstverständlich, daß logisches Denken in Aktion ist, wo immer Sätze bzw. Gesetze aufgestellt werden." (XXVIII, 68)

Wie unten ausführlich dargestellt wird, zeigt sich mit der Vertiefung der genetischen Phänomenologie der absolute Primat der objektivierenden Intention in genetisch-phänomenologischer Hinsicht als unhaltbar. Dafür daß Husserl in den Spätschriften die These vom absoluten Primat der objektivierenden Intention im Fundierungszusammenhang aufgegeben hat, haben wir zahlreiche Belege. So finden wir beispielsweise eine Stelle, weIche im Rahmen der Vorlesung über die Erste Philosophie von 1923/24 entstanden ist, also zehn Jahre, nachdem Husserl in der Ethik- Vorlesung "die Schwierigkeit der Allherrschaft der logischen Vernunft" gespürt hatte. "Hiermit tritt die Universalität klar hervor, mit der das Reich der Erkenntnis alle Arten der aus Gemüts- und Willenssubjektivität stammenden Leistungen umspannt, freilich auch korrelativ eine ähnliche Umspannung, durch die das wertende Gemüt und der Wille im Streben und Handeln über die gesamte Subjektivität und alle ihre intentionalen Funktionen hinüberreicht." (VIII, 194) Wie die Stelle zeigt, vertritt Husserl nun nicht mehr die These vom absoluten Primat der objektivierenden Intention im Fundierungszusammenhang; von der einseitigen Abläsbarkeit der objektivierenden von der nicht-objektivierenden Intention ist also an dieser Stelle, anders als in den Logischen Untersuchungen oder den Ideen, nicht mehr die Rede.

Um den genetischen Fundierungszusammenhang zwischen der objek­tivierenden und der nicht-objektivierenden Intention richtig zu analysieren, müssen wir von der Feststellung ausgehen, daß schon in der passiven Konstitution "beständig in jedem Puls des Ichlebens Akte aller Sphären miteinander verflochten" (VIII, 99) sind. Als ein Beispiel zeigte sich in der Abbauanalyse die konkrete objektivierende Intention als eine untrennbare Einheit von passiver Vorstellungsintention, dem sinnlichen Gefühl, sinnlicher Kinästhese und der Intention des objektivierenden Instinktes. Wenn wir über die konkrete nicht-objektivierende Intention eine parallele Abbauanalyse durch­führen würden, wäre es nicht schwierig, festzustellen, daß sie ebenfalls wie die konkrete objektivierende Intention aus den verschiedenen unselbständigen Intentionen besteht, so z.B. aus der doxischen Vorstellungsintention, dem sinnlichen Gefühl, der sinnlichen Kinästhese und der Intention des nicht­objektivierenden Instinktes. Aus dieser Überlegung zeichnet sich ab, auf wie viele Weisen genetisch-phänomenologisch der Fundierungszusammenhang

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zwischen der objektivierenden und der nicht-objektivierenden Intention betra­chtet werden muß. Zunächst kommt unter dem Fundierungszusammenhang zwischen bei den das Verhältnis zwischen der konkreten objektivierenden und der ebenfalls konkreten nicht-objektivierenden Intention in Frage. Darüber hinaus müssen wir auf das Fundierungsverhältnis zwischen der unselbständigen objektivierenden Intention und den ebenfalls unselbständigen nicht-objek­tivierenden Intentionen eingehen, und zwar einmal innerhalb einer konkreten objektivierenden Intention, ein anderes Mal innerhalb einer konkreten nicht­objektivierenden Intention.

1. Im Hinblick auf den Fundierungszusammenhang zwischen der unselb­ständigen objektivierenden und der ebenfalls unselbständigen nicht-objek­tivierenden Intention innerhalb einer konkreten objektivierenden Intention können wir sagen, daß es unmöglich ist, dort den fundierungsmäßigen Primat der objektivierenden Intention gegenüber den nicht-objektivierenden Intentionen festzustellen. Vielmehr ist es möglich, ein umgekehrtes Fundierungsverhältnis zwischen beiden festzustellen. So ist die passive Vorstellungsintention vor allem von der Intention des objektivierenden Instinktes, welche sich beständig in der sinnlichen Kinästhese auswirkt, konstitutiv abhängig. In diesem Sinne haben wir den ganzen Prozeß des Übergangs der niederen in eine jeweils höhere Form der passiven Synthesis als einen Prozeß der Erfüllung des Instinktes der Objektivierung bestimmt.

2. Im Hinblick auf den Fundierungszusammenhang zwischen beiden inner­halb einer konkreten nicht-objektivierenden Intention stellen wir auch fest, daß die nicht-objektivierende Intention gegenüber der objektivierenden genetisch einen absoluten Vorrang hat. In einem normalen Fall ist beispielsweise eine Vorstellungsintention, welche auf eine Speise gerichtet ist, in der zunächst in der gegenständlichen Richtung unenthüllten dunklen Instinktintention fundiert. Die Vorstellungsintention tritt dabei erst dann auf, wenn die Erfüllung der Intention des nicht-objektivierenden Instinktes gehemmt wird. Solange die Intention des nicht-objektivierenden Instinktes ohne Hemmung beständig erfüllt wird, zeigt sich keine Notwendigkeit der Entstehung einer doxischen Vorstellungsintention. So kann man die Vorstellungsintention als das Resultat der "Umwendung" der Intention des nicht-objektivierenden Instinktes bezeichnen. Die Intention des unenthüllten nicht-objektivierenden Instinktes bildet also den genetischen Fundierungsboden für die unselbständige Vorstellungsintention.

3. Der Fundierungszusammenhang zwischen der konkreten objektivierenden Intention und der konkreten nicht-objektivierenden Intention in der Sphäre der passiven Konstitution reduziert sich schließlich auf den Fundierungs­zusammenhang zwischen dem objektivierenden und dem nicht-objek­tivierenden Instinkt. Da der nicht-objektivierende Urin stinkt im urpassiven Zeitstrom, wie die Abbauanalyse zeigt, gegenüber dem objektivierenden Instinkt in der genetischen Hinsicht einen absoluten Vorrang hat, ergibt sich, daß in der Sphäre der passiven Konstitution die konkrete nicht-objektivierende Intention in genetischer Hinsicht die konkrete objektivierende Intention

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fundiert. Trotzdem vertritt Husserl an einigen Stellen der Spätmanuskripte die Ansicht, daß die konkrete objektivierende Intention den Fundierungsboden für die konkrete nicht-objektivierende Intention darstellt. So schreibt er beispielsweise einmal: "Das unterste, allfundierende Interesse ist also das der ursprünglichen und weiter fungierenden Neugier, oder wir sagen besser, das erfahrende und in der Tat zu unterst genommen das sinnlich erfahrende Interesse." (C 16 IV, 10, 1932) Dabei versucht er die These von der Fundierung der konkreten nicht-objektivierenden in der konkreten objektivierenden Intention damit zu begrunden, daß er zunächst zeigt, daß das mit der konkreten objektivierenden Intention verbundene Seinsinteresse ein allgemeines Interesse darstellt, welches sich unabhängig von den konkreten Inhalten des Gegenstandes auf alle Gegenstände allgemein bezieht. Das mit der konkreten nicht-objektivierenden Intention verbundene Interesse stellt dagegen ein beson­deres Interesse dar, denn es richtet sich auf den Gegenstand wegen des bestimmten Inhalts des Gegenstandes, Z.B. auf das Brot als ein Nahrungsmittel. Für die Auswirkung des besonderen Interesses müsse nun aber demnach, so lautet das Argument für die These von der Fundierung der nicht-objek­tivierenden in der objektivierenden Intention2, schon das allgemeine Interesse als deren Universalhorizont sich auswirken. In diesem Sinne heißt es kurz vor der soeben zitierten Stelle: "Wir versuchen zu sagen, hier haben wir beson­dere Affektionen und Aktivitäten - besondere gegenüber den allgemeinen, durch die für mich da und schließlich überhaupt Objektivität-Welt ist; und darin liegt, daß diese besonderen Affektionen fundiert sind in den allgemeinen, und die besonderen Strebungen, die besonderen Weisen der Aktivität im Wollen und Widerwollen fundiert in den allgemeinen Akten, durch die überhaupt erst etwas für mich da ist als Substrat der besonderen Gefühle etc. Was mich entzückt, ist für mich zunächst einmal da, und wäre es noch ein bloßes hyleti­sches Datum, so ist es da durch seine Abgehobenheit als Einheit oder als Konfiguration von Einheiten und durch das weiter das, das das instinktive Seinsinteresse in Gang setzt." (C 16 IV, 9-10, 1932)

Dieses Argument erweist sich aber als unhaltbar. Denn die ursprüngliche passive Erfahrung des natürlichen Bewußtseins vollzieht sich nicht in der im obigen Zitat dargestellten Weise, daß zunächst durch die Auswirkung des Seinsinteresses als eines allgemeinen Interesses etwas als "Substrat" gegeben sein muß, damit die Sonderinteressen sich auswirken können. Bevor das Seinsinteresse, so das Ergebnis der Abbauanalyse im ersten Abschnitt dieses Teils, sich auswirkt, sind im urpassiven Zeitstrom die mannigfaltigen nichtob­jektivierenden Interessen, also die ursprünglich unenthüllten Instinkte, schon in Gang. Die Auswirkung des Seinsinteresses, d.h. des Instinktes der Objektivierung, ist also genetisch das Spätere gegenüber der Auswirkung der nicht-objektivierenden Instinkte. Aus der an sich richtigen These, daß das Seinsinteresse ein allgemeines Interesse sei, darf man nicht die Schlußfolgerung ziehen, daß es darum genetisch auch "das unterste, allfundierende Interesse" sei. Übrigens ist zu bemerken, daß der Gedanke des "Substrats" in der Analyse des Fundierungszusammenhanges zwischen der objektivierenden und der nicht-

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objektivierenden Intention in der Sphäre der passiven Konstitution bedenk­lich ist. Dieses Modell ist für die Analyse der untersten Sphäre. der passiven Konstitution nicht geeignet. Denn die Ursphäre der genetischen Konstitution ist eine solche, wo die Unterscheidung zwischen dem Substrat und dessen Beschaffenheiten noch nicht vorliegt. In dieser Ursphäre gibt es zwar die Beschaffenheiten, aber diese sind dabei ohne die Verflechtung mit der Vorstellung des "Substrates" gegeben. Wir wollen, um die Sache deutlicher zu machen, mit K. Held die Beschaffenheiten vor und die nach der Verflechtung mit der Vorstellung des Substrates unterscheiden und dabei terminologisch diese als die Bestimmungen (von etwas), jene dagegen als reine Bestimmtheiten festhalten. 3 Die Bestimmung ist das Produkt der Reflexion4 auf die reine Bestimmtheit, und insofern überschreitet sie die urpassive Sphäre der geneti­schen Konstitution.

Eine konsequent durchgeführte genetische Analyse bestätigt also, daß der nicht-objektivierende Instinkt, z.B. der Nahrungsinstinkt im genetischen Fundierungszusammenhang den ersten Instinkt darstellt, der objektivierende Instinkt dagegen den zweiten Instinkt. Der richtige Fundierungszusammenhang zwischen bei den ist Husserl in der Spätphilosophie klar geworden: "Ordnung der Instinkte in der Auswirkung und im Gang der Enthüllung. Kann man von einem ursprünglichen Instinkt der 'Objektivierung' sprechen? Interesse an Sinnesdaten und Sinnesfeldern - vor der Objektivierung Sinnesdaten als Kern von Begehrungen nach Nahrung - dieser Instinkt als erster in der Ordnung der instinktiven Aktivitäten hat keine Objekte als thematisch zu verwirk­lichende. Sollen wir als zweiten Urinstinkt (nach der Ordnung der Verwirklichungen auf dem Wege lebendig begehrender Intention und Erfüllung) den Instinkt der Objektivierung setzen? Das Nahrungsbedürfnis ist befriedigt. Sinnesdaten, welche keine Kerne von Nahrungsbegehrungen sein sollen, üben einen Reiz, ziehen an." (e 13 I, 14, 1934)

Abweichend von dieser Feststellung vertritt A. Diemer in seinem Husserlbuch die Ansicht, daß Husserl auch in der Spätphilosophie an der These von der Fundierung der nicht-objektivierenden in der objektivierenden Intention festgehalten habe. Diemer identifiziert in diesem Zusammenhang "das unterste, allfundierende Interesse" zutreffend mit dem Instinkt der Objektivierung. Danach bezeichnet er es konkreter als "das unterste Fundament [ ... ] für die phänomenologische Ursituation, die ja als 'Ich und Welt' sich erwiesen hatte,,5, also als "die Urbezogenheit des Ich auf Seiendes überhaupt, auf das sich erst Erkennen und Umgehen mit Seiendem aufstuft.,,6 Seiner Auffassung nach stellt der Instinkt der Objektivierung im Fundierungszusammenhang den ersten Instinkt, der nicht-objektivierende Instinkt, Z.B. der Nahrungsinstinkt als eine konkrete Gestalt des Selbsterhaltungsinstinktes bloß den zweiten Instinkt. In diesem Sinne schreibt er: "Bei aller Bezogenheit auf Welt und Auseinandersetzung mit ihr ist die Subjektivität aber immer schon darauf angelegt, sich selbst zu erhalten, so daß sich der Selbsterhaltungstrieb als der zweite Grundtrieb und -instinkt bestimmt, der sich zunächst konkretisiert im Trieb nach Nahrung.,,7 Dabei ist es aber völlig unklar, warum der

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Nahrungstrieb, d.h. der nicht-objektivierende Instinkt, genetisch den zweiten Instinkt darstellen soll. Zwar zitiert er als einen "Beleg" für seine These eine Nachlaßstelle Husserls aus den dreißiger Jahren: "der Nahrungsinstinkt ... als zweiter Urinstinkt (gegenüber dem der Neugier)"g. Aber an der OriginalsteIle, der dieses Zitat entnommen ist, bezeichnet Husserl, anders als Diemer zitiert, den Nahrungsinstinkt gar nicht als den zweiten, sondern gerade im Gegenteil als den ersten Instinkt; dort ist vom genetischen Primat des nicht­objektivierenden Instinktes gegenüber dem objektivierenden Instinkt die Rede. Die ganze Stelle lautet also: "Aber welche Interessen sind als ursprüngliche Instinkte mit dem der auf Naturkonstitution und so auf Objektivation gerichteten von vornherein verflochten und sind in der konstitutiven Ordnung in schon konstituierter Objektivität (primordialer) zu Natur, zu Wertobjekten, zu praktischen Zweckobjekten führend? Aber zu dieser Abstraktion würde nur der Nahrungsinstinkt gehören als zweiter Urinstinkt (gegenüber dem der 'Neugier'). Aber das kann keine Ordnung sein. Beides ist ineins da, und eigentlich ist Hunger das erste." (E III 9, 28, 1932. Unsere Kursivierung hier kennzeichnet das von Diemer Herausgegriffene.)

Wie die bisherige dreifache Betrachtung des Fundierungszusammenhanges zwischen der objektivierenden und der nicht-objektivierenden Intention zeigt, ist die These von der Fundierung der nicht-objektivierenden Intention in der objektivierenden Intention in genetischer Hinsicht nicht mehr haltbar. Die systematisch durchgeführte genetische Analyse spricht eindeutig für die These von der Fundierung der objektivierenden Intention in der nicht-objektivierenden Intention in genetischer Hinsicht.9

3. INSTINKTINTENTION UND WESENSBESTIMMUNG DER PASSIVEN INTENTION

Die Abbauanalyse bestätigt, daß keine konkrete Intention in der Sphäre der passiven Konstitution ohne die Teilnahme der Instinktintention möglich ist. Hinsichtlich dieses absoluten Vorrangs der Instinktintention in der genetischen Hinsicht können wir einen Satz formulieren, welcher den konstitutiven Aufbau der passiven Intention in genetischer Hinsicht adäquat zum Ausdruck bringen soll, indem wir den von Husserl in der V. Logischen Untersuchung formulierten und von uns oben mehrmals erörterten Satz von der objektivierenden Intention als der Grundlage aller Intention umdrehen. Der Satz lautet: "Jede konkrete passive Intention in der Sphäre der passiven Konstitution ist, genetisch be­trachtet, entweder eine instinktive Intention oder hat eine solche Intention zur Grundlage." Die letzte Einheit der konkreten Instinktintention, welche als Grundlage für andere Intention dienen soll, ist die Intention des unenthüllten nicht-objektivierenden Urinstinktes mit dem damit verflochtenen dunklen Gefühl im urpassiven Zeitstrom.

Die Instinktintention zieht sich als die Grundlage durch die ganze Sphäre der passiven Intention hindurch. Danach bestimmt sich das Wesen der passiven Intention in einem erheblichem Maß durch die Instinktintention.

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Die Instinktintention zeigt den Zug der Spannung und den der Entspannung. Davon hängt die erste Wesensbestimmung der konkreten passiven Intention ab. Die Spannung bedeutet dabei den Zustand der Nichtbefriedigung oder der Unlust, die Entspannung dagegen den der Befriedigung oder der Lust. Die Instinktintention ist also der Ausläser des Lustgefühls und als solcher stiftet sie, indem sie sich auswirkt, das Phänomen des Wertens. "Jedes Begehren eines Sonderinstinktes hat seine spezifische Richtung, seinen spezifischen Charakter des Genusses, seine spezifischen Erwerbe, seine spezifische Sattheit." (C 13 I, 13) So ist die Instinktintention im Grunde genommen eine "wertende Intention" (XI, 89). Als eine notwendige Folge davon läßt sich alle konkrete passive Intention, da sie in der Instinktintention fundiert ist, als eine wertende Intention bestimmen.

Die Bestimmung der passiven konkreten Intention als einer wertenden Intention gilt nicht nur für die passive wertende Intention im eigentlichen Sinne, weIche die Vorstufe für die aktive wertende Intention bildet, sondern sie betrifft auch die konkrete passive praktische Intention im eigentlichen Sinn. Es ist unverkennbar, daß das Gelingen oder Mißlingen der Erfüllung der konkreten passiven praktischen Intention ursprünglich schon den Gefühlszustand bestimmt. Darüber hinaus gilt diese Bestimmung auch für die konkrete passive objektivierende Intention. Da diese in sich eine Instinktintention, d.h. die Intention des objektivierenden Instinktes, enthält, zeigt sie sich notwendig als eine wertende Intention. Die passive objektivierende konkrete Intention kann - diesem Irrtum gilt es vorzubeugen - nicht "wertfrei" sein, sondern sie ist ihrem Wesen nach von Anfang an eine Intention, weIche von dem Phänomen des Wertens unabtrennbar ist. In diesem Zusammenhang fragt Husserl im Hinblick auf das Phänomen der Spannung und Entspannung des Wahrnehmungstriebes: "Ist das Seinsinteresse ein Werten des Seins und Verwirklichung des Wertes in der Bewahrheitung?" CE III 9, 21) Und kurz danach heißt es: "Ich bin zwar auf die Seinsunterlage auch gerichtet, ich sehe mir das Ding an, suche passende Stellung dazu, aber es kommt nicht nur letztlich an auf das Seiende, sondern auf die Herstellung des Wertes in dem ihn selbst konstituierenden Gefühl." (E III 9, 21) An anderer Stelle lesen wir: "Der Gegenstand im Modus der fortschreitenden Zueignung ist das Freuden-Thema und es erwächst ein Trieb der Neugier, der Trieb des Kenntnisinteresses (theoretisches Interesse)." (A VI 26, 64) Die passive objek­tivierende Intention, weIche mit der Instinktintention eine ursprüngliche Einheit bildet, ist also wesensmäßig eine wertende Intention. Die Bezeichnung des noematischen Momentes in der passiven Konstitution als eines "Optimums"l0 läß sich darum rechtfertigen, weil die passive Vorstellungsintention wesensmäßig eine wertende Intention ist.

Das Wesen der Instinktintention als des Grundsteins aller konkreten Intention in der Sphäre der passiven Konstitution liegt zweitens darin, daß sie als ein Zustand der Spannung oder der Nichtbefriedigung notwendig darauf angelegt ist, den Weg zur Entspannung bzw. zur Befriedigung zu finden. Das Mittel zur Entspannung der Instinktintention bietet dabei die sinnliche

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Kinästhese als die niedere oder passive Form der Praxis. Davon hängt die zweite Wesensbestimmung der konkreten passiven Intention ab. Die Instinktintention ist also ursprünglich eine Intention, welche auf die Praxis, d.h. das Tun im weitesten Sinne angelegt ist; sie ist dem Wesen nach eine prak­tische Intention im weitesten Sinne. Da jede konkrete passive Intention in sich, wie der oben festgestellte Satz von der Instinktintention als der Grundlage aller passiven Intention zeigt, die Instinktintention als eine unentbehrliche Komponente enthält, zeigt sich, daß jede passive konkrete Intention dem Wesen nach eine praktische Intention ist.

Die Bestimmung der konkreten passiven Intention als einer praktischen Intention gilt nicht nur für diejenigen Intentionen, welche im gewöhnlichen Sinne praktisch genannt werden, sondern darüber hinaus für alle Gestalten der passiven Intention, welche im gewöhnlichen Sinne nicht-praktisch genannt werden. Sowohl die konkrete passive wertende Intention im eigentlichen Sinne, als auch die konkrete passive objektivierende Intention sind dem Wesen nach praktische Intention. Damit hängt zusammen, daß wir schon in der Abbauanalyse die Wahrnehmungsintention, welche sich als eine bestimmte Form der Triebintention zeigt, als eine praktische Intention und die Horizontintentionalität, welche als die Möglichkeit der Wahrnehmung dem Wahrnehmungssubjekt zur Verfügung steht, spezifisch als eine praktische Möglichkeit bestimmt haben. Die Bestimmung der konkreten passiven objek­tivierenden Intention als einer praktischen Intention und der Horizontin­tentionalität als einer praktischen Möglichkeit gilt nicht nur für die Wahrnehmungsintention, sondern auch für deren genetischen Vorgänger auf den unteren Stufen der genetischen Konstitution. Die passive Vorstellungs­intention, welche auf das ichfremde Moment in der Konstitution der Empfindungshyle gerichtet ist, steht, wie oben gezeigt, mit der niederen Stufe der Intention des objektivierenden Instinktes in Verbindung. Diese Instinktintention wirkt sich beständig in der sinnlichen Kinästhese und in der passiven Vorstellungsintention aus, und insofern zeigt sich diese letztere notwendig als eine praktische Intention. Dementsprechend zeigt sich das Vermögen, d.h. die Möglichkeit des Bewußtseins in der hyletischen Urkonstitution, von einer passiven Vorstellungsintention in eine immer neue beständig überzugehen, als eine Form der praktischen Möglichkeit. Diese prak­tische Möglichkeit darf dabei mit jener praktischen Möglichkeit als dem noetischen Horizont der äußeren Wahrnehmung nicht verwechselt werden. Jene stellt die genetische Grundlage für diese dar.

Die Intention in der passiven Sphäre der genetischen Konstitution zeigt sich also als eine praktische Intention. Die Praxis als die Auswirkungsform der passiven praktischen Intention ist, wie gesagt, keine Praxis im eigentlichen Sinne, für welche die klare Idee von Mittel und Zweck unentbehrlich ist, sondern es handelt sich dabei ausschließlich um das passive Tun unter der Ichbeteiligung im passiven Modus. In diesem Sinne heißt es: "Das Ich ist nicht 'handelndes', es ist Ich, das sich treiben läßt und darin bewegtes ist, tätig in einem uneigentlichen Sinn [ ... ]." (A VII 13, 18) Dieses passive Tun, diese

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Praxis im uneigentlichen Sinne, bildet aber die genetische Grundlage der Praxis im eigentlichen Sinne. "Wo immer das Ich passiv war im Sinn eines passiven Strebens und strebend Tuns, da kann es auch aktiv sein. Es kann eingreifen. Es kann willkürlich, als aktives Willens subjekt z.B., die Erscheinungsreihen abbrechen und dann wieder ihnen den Fortgang gestatten und ihn dirigieren." (A VII 13, 19) Da die passive Kinästhese gerade die genetische Grundlage der Praxis im eigentlichen Sinne bildet, kann sie mit gutem Recht als eine bestimmte Form der Praxis bezeichnet werden. In diesem Zusammenhang ist übrigens darauf hinzuweisen, daß für die Etablierung einer phänomenolo­gischen Theorie von Praxis gerade die Analyse der passiven Vorform der Praxis auf den Stufen der passiven Konstitution unentbehrlich ist und sogar der Analyse des Handeins im eigentlichen Sinne vorausgegangen sein muß. Da diese passive Form der Praxis die genetische Grundlage der Praxis im eigentlichen Sinne bildet, kann, wie Landgrebe sagt, eine Handlungstheorie, "die nicht von ihr ausgeht, [ ... ] nur zu einem abstrakten und globalen Begriff von Handlung gelangen."ll

Aus der Bestimmung der passiven Intention als einer tätigen praktischen Intention zeigt sich, daß die Sphäre der passiven Konstitution keine "rezep­tive" Bewußtseinssphäre im eigentlichen Sinne darstellt. Vielmehr ist diese passive Sphäre von der Mannigfaltigkeit der tätigen Intentionen erfüllt, welche ihren letzten Grund in den Instinktintentionen haben. Der urpassive Zeitstrom als die niederste Stufe der passiven Konstitution ist keine träge Materie, welche beispielsweise einem bloßen rezeptiven Zustand ähnlich wäre, sondern er zeigte sich schon in der Abbauanalyse als ein spontanes Ausstrahlungszentrum. Dieses spontane Ausstrahlungszentrum haben wir dort als das Vor-Ich bezeichnet, welches sich als ein Pol von ursprünglichen unenthüllten Instinkten im urpas­siven Zeitstrom erweist.

Das Vor-Ich als der Pol von ursprünglichen unenthüllten Instinkten ist demnach ein Zentrum, in dem die Konstitution der "Gegenständlichkeit" im Sinne der Schöpfung12 sich beständig vollzieht. "[ ... ] das Ich des konsti­tutiven Anfangs ist kein leerer Ich-Pol und der Anfang der Affektion ist nicht völlig unbestimmt, es ist schon Instinkt-Affektion." (B III 3, 6) Die Urhyle im urpassiven Zeitstrom, welche wir in der Abbauanalyse bloß als das noematische Korrelat der unenthüllten Instinktintention bestimmt haben, ist, genau gesehen, schon ein konstitutives Produkt der unenthüllten Instinktintention. Die Instinktintention ist schon im urpassiven Zeitstrom nicht eine bloße rezeptive Fähigkeit, sondern sie ist eine spontane Fähigkeit des Ich, welche, indem sie tätig ist, die Gegenständlichkeit, in unserem Beispiel die Urhyle "das Kaltsein des Zimmers", "aktiv" produziert; nur durch die beständige Auswirkung der Instinktintention der Selbsterhaltung ist die Urhyle "das Kaltsein" denkbar. Da die Instinktintention des unenthüllten Urinstinktes im urpassiven Zeitstrom das Urvermögen des Ich darstellt, durch die reine Auswirkung schon die Urhyle spontan zu produzieren, können wir mit Aguirre sagen: "Was mich affiziert und zur erfahrenden aktiven oder passiven Tätigkeit bringt, die Hyle, kommt von mir selbst her, ist mein Eigenes [ ... ].13

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Die unenthüllte Instinktintention im urpassiven Zeitstrom ist also dem Wesen nach eine produktive, d.h. eine schöpferische Intention. Dementsprechend hebt L. Landgrebe hervor, daß "das urströmende Geschehen der 'transzendentalen Subjektivität' [ ... ] als kreativer Prozeß zu verstehen,,14 ist. Die Bestimmung der Instinktintention als einer produktiven und schöpferischen Intention gilt nicht nur für die nicht-objektivierende Instinktintention im urpassiven Zeitstrom, sondern für alle aus dieser enthüllten Instinktintentionen in der Ursphäre der genetischen Konstitution. Im Grunde genommen gilt für die Instinktintention in der Sphäre der passiven Konstitution folgende Bemerkung Kants über das Begehrungsvermögen: "Leben ist das Vermögen eines Wesens, nach Gesetzen des Begehrungsvermögens zu handeln. Das Begehrungs­vermögen ist das Vermögen desselben, durch seine Vorstellungen Ursache von der Wirklichkeit der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein.,,15

Hingewiesen sei dabei darauf, daß es gerade die Entdeckung der Instinktintention als einer praktischen Intention ist, weIche die radikale Überwindung des Sensualismus in der Phänomenologie Hussers möglich macht. Im Hinblick auf die spontane Urfähigkeit der Instinktintention in der Ursphäre der genetischen Konstitution kann man am deutlichsten verstehen, was Husserl an folgender Stelle der Formalen und transzendentalen Logik vor Augen hat: "Aber die Erfahrung ist kein Loch in einem Bewußtseinsraume, in das eine vor aller Erfahrung seiende Welt hineinscheint, oder nicht ein bloßes Hineinnehmen von einem Bewußtseinsfremden ins Bewußtsein." (XVII, 239)

4. DIE INSTINKTINTENTION IN DER SPHÄRE DER PASSIVEN KONSTITUTION ALS

DAS URSTÜCK DER TRANSZENDENTALEN TELEOLOGIE

Eine andere "Wesensgrammatik", weIche die Sphäre der passiven Konstitution regelt, ist die transzendentale Teleologie der Instinktintention als "eine spezielle Teleologie, die Bestandstück einer viel umfassenderen Telelogie ist" (A VII 13,28). Um das Wesen dieser Teleologie zu begreifen, muß zunächst gezeigt werden, inwiefern von der teleologischen Funktion der Instinktintention die Rede sein kann. Hier müssen wir darauf eingehen, daß der Begriff der Teleologie wie andere Grundbegriffe der transzendentalen Phänomenologie im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie einen tief­greifenden Wandel erfährt.16

Der Begriff der Teleologie in der statischen Phänomenologie bestimmt sich aus dem Modell des Auffassung-Inhalt-Schemas. Die Konstitution als eine übergreifende Mehrmeinung vollzieht sich nach diesem Schema dadurch, daß das intentionale Bewußtsein die nicht-intentionalen Empfindungsinhalte besee­lend auf eine höhere Einheit des noematischen Sinnes übergreift. Diese Einheit des noematischen Sinnes ist nichts anderes als das Ziel, d.h. das Telos, worauf das intentionale Bewußtsein hinaus will. Die Teleologie betrifft also in der statischen Phänomenologie die "Fähigkeit" des intentionalen Bewußtseins, aus den mannigfaltigen nicht-intentionalen Empfindungsinhalten eine '''syn-

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thetische Einheit' möglich zu machen" (I1I.l, 197), also dessen "Funktion", eine bewußte Beziehung auf die Einheit des gegenständlichen Sinnes als ein Telos herzustellen.

Die teleologische Funktion kann also statisch-phänomenologisch nur das intentionale Erlebnis, wie es statisch-phänomenologisch verstanden wird, also nur der objektivierende Akt oder, was dasselbe heißt, die logische Vernunft im weitesten Sinne, übernehmen. Denn nur diese allein kann vom Standpunkt der statischen Phänomenologie aus eine bewußte Beziehung auf die Einheit des noematischen Gegenstandes als Telos herstellen. In diesem Zusammenhang heißt es ausdrücklich einmal in den Ideen I: '''Funktion' in diesem Sinn [ ... ] ist etwas ganz Einzigartiges, im reinen Wesen der Noesen Gründendes. Bewußtsein ist eben Bewußtsein 'von' etwas, es ist sein Wesen, 'Sinn', sozusagen die Quintessenz von 'Seele', 'Geist', 'Vernunft' in sich zu bergen." (III, 1, 196)

Der systematische Ort, wo von der Teleologie die Rede sein kann, ist also in der statischen Phänomenologie die reine Noetik, wie sie vom Standpunkt der statischen Phänomenologie aus konzipiert wird. Da der Empfindungsinhalt aus dem Blickwinkel der statischen Phänomenologie keine bewußte Beziehung auf die Einheit des noematischen Sinnes als das Telos herstellen kann, zeigt sich, daß das hyletische Erlebnis, d.h. die Hyle, wie sie statisch-phänome­nologisch verstanden wird, mit der teleologischen Funktion nichts zu tun hat. Sie hat, wie es an einer Stelle der Ideen I heißt, "vom funktionellen Gesichtspunkte Bedeutung [nur] dadurch, daß sie mögliche Einschläge in das intentionale Gewebe liefert, mögliche Stoffe für intentionale Formungen." (I1I, 1, 198-199) Es ist also vom Standpunkt der statischen Phänomenologie aus unmöglich, der Intention in der Sphäre der passiven Konstitution, sei es objek­tivierender, sei es nicht-objektivierender, und als eine notwendige Folge davon der Instinktintention, die teleologische Funktion zuzusprechen.

Der statisch-phänomenologische Begriff der Teleologie ist aber unzurei­chend und ergänzungsbedürftig. Denn, wie in der Abbauanalyse ausführlich dargestellt, zeigt sich das hyletische Erlebnis durch die Vertiefung der geneti­schen Phänomenologie als eine Einheit des passiven noematischen Sinnes und der darauf gerichteten passiven Intention. Dies besagt nichts anderes, als daß die passive Intention schon die teleologische Funktion zeigt, also diejenige Funktion, eine Beziehung auf die Einheit des noematischen Sinnes herzustellen. Genetisch-phänomenologisch zeigt sich darüber hinaus, daß alle Intention, sei es aktive oder passive, sei es objektivierende oder nicht­objektivierende, ein teleologisches Ereignis ist. Denn in jeder Intention, d.h. "in jedem actus ist [ ... ] das Ich kontinuierlich-bewußtseinsmäßig bei seinem Ziel als Telos und all dem, was dazu ev. im Gang der Bestimmung gehört." (IX, 412) Genetisch-phänomenologisch steht also nichts im Wege, allen Formen der passiven Intention, sei es der objektivierenden, sei es der nicht-objektivierenden, die teleologische Funktion zuzusprechen. Mit der Vertiefung der genetischen Analyse fragt Husserl in diesem Zusammenhang schon Anfang der zwanziger Jahre: "Wozu bedarf es denn der niederen

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Kinästhesen und durch sie konstituierten Einheiten des Blickfeldes [ ... ]?" (A VII 13, 28) Dabei versucht er, durch die Erweiterung der Idee einer transzendentalen Teleologie in die Ursphäre der genetischen Konstitution diese Frage zu beantworten. Danach soll es in der Sphäre der passiven Konstitution, wie oben gesagt, "eine spezielle Teleologie" (A VII 13, 28) geben, "die Bestandstück einer viel umfassenderen Teleologie ist [ ... ]." (A VII 13, 28)

Durch die bisherige Darstellung ist also verständlich geworden, warum der Instinktintention die teleologische Funktion zuzusprechen ist. Die Instinktintention ist, obwohl sie manchmal, wie das bei der Instinktintention im urpassiven Zeitstrom der Fall ist, nicht von einem hellen Selbstbewußtsein begleitet wird, auf den weltlichen Gegenstand als ihr Telos gerichtet. Die Instinktintention hat aber in der Sphäre der passiven Konstitution vom teleo­logischen Standpunkt aus gegenüber anderen passiven Intentionen einen absoluten Vorrang, der sich darauf zurückführen läßt, daß sie, wie oben gezeigt, in genetisch-phänomenologischer Hinsicht die Grundlage aller passiven Intention bildet. Es ist also die Instinktintention, welche als die Triebkraft den ganzen Aufbau der passiven Konstitution in sich trägt. Da die Teleologie der Instinktintention den Träger der ganzen Teleologie in der Sphäre der passiven Konstitution darstellt, können wir die Teleologie der Instinktintention einfach als das Urstück der transzendentalen Teleologiel7 bezeichnen. "Natürlich ist das ein Urstück der Teleologie und tritt in der ersten Aufweisung als eine irrationale Tatsache auf, die ein befriedigendes Leben eben ausmacht und möglich macht." (B III 9, 70) Dies ist der Grund dafür, daß Husserl an einer wichtigen Nachlaßstelle aus den dreißiger Jahren "die transzendentalen Instinkte" als die "Grundbegriffe der transzendentalen Teleologie" (E 111 9, 6) bestimmt.

Es ist gerade die Teleologie der Instinktintention, welche als das Urstück der transzendentalen Teleologie den Grund für den beständigen Übergang von der niederen in eine höhere Einheit der passiven Konstitution und schließlich den von der passiven in die aktive Konstitution bildet. Sowohl das Ganze der passiven Konstitution als auch der beständige Übergang der passiven in die aktive Konstitution stellen den Prozeß der Erfüllung der mannigfaltigen Instinktintentionen dar, welche einen teleologischen Zusam­menhang bilden.

ANMERKUNGEN

I. In der Fußnote bemerkt Husserl: "Es ist hier also von Fundierung im strengen Sinne unserer Untersuchung III die Rede, wie wir denn den Terminus überall nur in dieser Strenge gebrauchen." (XIX/I, 418) Zur Problematik der Fundierung in der Phänomenologie Husserls vgl. B. Smith, "Ontologische Aspekte der Husserlschen Phänomenologie", in: Husserl Studies 3 (1986), S. 115-130.

2. Das nämliche Argument findet man an einer Stelle der Analysen zur passiven SYllthesis. Dort spricht Husserl bei der Befassung mit der passiven Synthesis von der "Verwirklichung des Wertes, der Erfüllung der wertenden Intentionen, die ihrerseits eben fundiert sind durch Vorstellungen und Verwirklichung ihres Vorgestellten." (XI, 89)

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3. K. Held, Heraklit, Parmenides und der Anfang von Philosophie und Wissenschaft. Eine phänomenologische Besinnung, S. 81. "Die auf als an sich gesetzte Gegenstände bezo­genen Bestimmtheiten seien hier terminologisch [ ... 1 Bestimmungen (von etwas) genannt. Die nicht solchermaßen bezogenen Bestimmtheiten mögen reine Bestimmtheiten heißen."

4. '''Reflexion' ist hier in einem erweiterten Sinne genommen, der nicht nur die Erfassung von Akten, sondern jede 'Rückwendung' , bzw. Abwendung von der natürlichen Einstellungsrichtung auf das Objekt in sich befaßt. Z.B. würde dazu auch die Zuwendung zu den Noemata gehören, deren Manmgfaltlgkelt das identische Ding zur Erscheinung bringt." (IV, 5)

5. A. Diemer, Edmund Husserl, S. 100. 6. ebd. 7. ebd. 8. ebd. 9. Damit behaupten wir natürlich nicht, daß der Pnmat der objektivierenden Intention, welcher

von Husserl im Umkreis der statischen Phänomenologie vertreten worden ist, gegenstands­los wäre. Der geltungsmäßige Primat der objektivierenden Intention ist unbestreitbar. Näheres dazu vgl. unten S. 244 ff.

10. "Stets wird auf Optima hingestrebt. Das Optimum soll seinen Wert verdienen." (E III 9, 20)

11. L. Landgrebe, "Die Phänomenologie als transzendentale Theorie der Geschichte", in: Phänomenologische Forschungen 3 (1976), S. 35.

12. Die Phänomenologie der Instinkte als das Urstück der genetischen Phänomenologie bestätigt, daß die ursprüngliche Bedeutung der Konstitution die Schöpfung ist. Näheres dazu vgl. unten S. 237 ff.

13. A. Aguirre, Genetische Phänomenologie und Reduktion, S. 166-167. 14. L. Landgrebe, Faktizität und Individuation, S. 73, 84. 15. 1. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 9. 16. Vgl. dazu G. Hoyos Vasquez, Intentionalität als Verantwortung. Den Haag 1976, S. I 94ff;

ders.: "Zum Teleologiebegriff in der Phänomenologie Husserls", in: Perspektiven tran­szendentalphänomenologischer Forschung. Hrsg. v. U. Claesges und K. Held, Den Haag 1972, S. 61-84; P. Janssen, Geschichte und Lebenswelt. Ein Beitrag zur Diskussion von Husserls Spätwerk. Den Haag 1970. Ferner die instruktiven Aufsätze in: The Teleologies in Husserlian Phenomenology. Analecta Husserliana Bd IX (1979).

17. Allerdings sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Teleologie der Instinktintention in der Sphäre der passiven Konstitution nicht das letzte Urstück der tran­szendentalen Teleologie darstellt. Inwieweit der Gedanke der transzendentalen Teleologie sich mit der Vertiefung der genetischen Phänomenologie radikalisiert, erfahren wir unten im III. und IV. Teil dieser Arbeit.

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KAPITEL 11

Die Wesensstruktur der Lebenswelt

1. DIE WESENSSTRUKTUR DER KONSTITUTION DES LEBENSWELTLICHEN

GEGENSTANDES

Durch die "Wesens grammatik" , welche die Sphäre der passiven Konstitution regelt, enstehen aus dieser beständig höhere Einheiten der Gegenständlichkeit, für deren Konstitution die aktiven Bewußtseinsgestalten als die weiteren Vollzugsmodi der passiven Intention unentbehrlich sind. Es handelt sich dabei um die Konstitution der lebensweltlichen Gegenständlichkeiten. Die Konstitution derselben als die weitere Fortführung der passiven Konstitution ist schon durch die Wesens struktur der letzteren und vor allem die der Instinktintention vorgezeichnet.

Die Instinktintention, welche als die Grundlage aller passiven Intentionen und zugleich als das Urstück der transzendentalen Teleologie sich durch die ganze Sphäre der passiven Konstitution hindurchzieht, verschwindet im Übergang von der passiven zur aktiven Konstitution nicht einfach, sondern sie wirkt sich insofern beständig weiter aus, als sie noch nicht erfüllt wird. Und in diesem Sinne bildet sie gerade, wie am Ende des vorigen Kapitels gesagt, den Grund des Übergangs der passiven Konstitution in die aktive; wir können dabei die aktive Konstitution als das Mittel zur Erfüllung der Instinktintention bezeichnen. Im Hinblick auf das Phänomen der weiteren Auswirkung der Instinktintention in der aktiven Intention und zwar der aktiven Willensintention heißt es an einer Stelle des von L. Landgrebe redigierten Manuskriptes: "Also im Wollen, so wie es beschrieben wurde, waltet auch Trieb: es setzt eine Triebtätigkeit und macht sie zur abgesehenen und in der Weise des handelnden Wollens zur verlaufenden Handlung." (M III 3 III 1 11, 103) Die Instinktintention als die genetische Grundlage zieht sich also nicht nur durch die Sphäre der passiven Konstitution, sondern auch durch die ganze Sphäre der aktiven Intention hindurch.

Dadurch, daß die noch unerfüllte Instinktintention sich weiter in der aktiven Intention als die genetische Grundlage auswirkt, wird das Wesen der aktiven Intention von der Instinktintention in einem wichtigen Punkt beeinflußt. Da

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die Instinktintention, wie im vorangegangenen Kapitel dargestellt, eine wertende und zugleich eine praktische Intention ist, ergibt sich, daß die konkrete aktive Intention, da diese von der Instinktintention als deren geneti­scher Grundlage durchzogen wird, sich als eine wertende und zugleich praktische Intention im Modus der Aktivität zeigt.

Das Werten und das Handeln sind also die beiden Wesenszüge aller konkreten aktiven Intention. Dies besagt noematisch nichts anderes, als daß der lebensweltliche Gegenstand als ein noematisches Korrelat der aktiven Intention dem Wesen nach ursprünglich ein Wertgegenstand und zugleich ein willentlicher Gegenstand ist. Als ein Wertgegenstand bedeutet der lebensweltliche Gegenstand wesensmäßig das Gefühlskorrelat: "Alles, was schon ist, berührt das Gefühl, alles Seiende wird in Wertapperzeptionen apperzipiert und weckt damit begehrende Stellungnahmen, unerfüllte oder erfüllte; in eins damit geweckt Handlungen, darauf gerichtet, Werte zu erhalten, bereitzustellen, höhere Werte zu gestalten aus niederen Werten etc." (XV, 404-405) Als ein Willens gegenstand ist der lebensweltliche Gegenstand ein im weitesten Sinne durch den Willen hervorgebrachter, hergestellter oder geschaffener Gegenstand. Im Hinblick auf den lebensweltlichen Gegenstand als einen durch die Vermittlung der praktischen Intention hergestellten Gegenstand konstatiert Husserl: "Da Menschen Lüste als Ziele haben, gibt es Lustgüter; aber Güter allgemein gesprochen sind Objekte, die nach Zwecken gestaltet sind, deren Zweckgestalt in der Vorhabe als Gesolltes bewußt, erstrebt und in der Erzielung das 'befriedigende' Ende ist, das Streben entspannend. Es hat als Gut hinfort die bleibende Beschaffenheit der Zweckmäßigkeit, solange das Ich in diesem Willen bleibt, der Wille noch nicht im Modus der Befriedigung [ ... ]." (A V 7, 52)

In unserem Problemzusammenhang muß hervorgehoben werden, daß es, wie oben gesagt, die beständige Auswirkung der Instinktintention ist, welche den letzten Grund für die Bestimmung des lebensweItlichen Gegenstandes als eines Wert- und zugleich eines Willensgegenstandes bildet. Dies geht aus einigen Äußerungen Husserls hervor: "Nahrungsmittel als Wert bezieht sich auf mich als Menschen, der das bleibende instinktive Bedürfnis nach Nahrung hat, bleibend durch alle Perioden von Hunger und Sättigung hindurch." (E III 9, 32) Oder: "Der sinnliche Trieb zum Essen bestimmt sinnliche Momentanwerte und Dauerwerte und sinnliche Güter, die teils in der praktischen Verwertung (zur Erzeugung der betreffenden Momentanwerte) sich aufbrauchen, teils nach dem Gebrauch geeignet bleiben, ähnliche Momentanwerte zu ermöglichen [ ... ]." (A VI 26, 58) Ohne die beständige Auswirkung der Instinktintention ist also die Konstitution des lebensweltlichen Gegenstandes als eines Wert­und Willensgegenstandes einfach unmöglich.

Wie der Darstellung des Wesens der passiven Intention im vorangegangenen Kapitel zu entnehmen ist, gilt die Bestimmung der aktiven Intention als einer wertenden und zugleich der praktischen Intention nicht nur für die konkrete aktive Intention, welche im spezifischen Sinne als wertend oder handelnd bezeichnet werden kann, sondern darüber hinaus auch für die konkrete objek-

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tivierende Intention. Denn durch die aktive objektivierende Intention zieht sich die Intention des objektivierenden Instinktes hindurch. Eine konkrete objek­tivierende Intention zeigt danach allgemein den Zug der Spannung und den der Entspannung, also den Zug der Nichtbefriedigung und der Befriedigung als einen Gefühlszustand. Dementsprechend zeigt sich der wahre Gegenstand, also das Ziel der objektivierenden Intention, als ein Träger des Wertes. Schon im Rahmen der Ethik- Vorlesung von 1914 sagt Husserl: "Richtiges Urteilen ist also ein Wert, unrichtiges ein Unwert, nämlich zunächst im Sinne eines Gefallenswerten bzw. Gefallensunwerten." (XXVIII, 240) Die Kehrseite des Wertens der objektivierenden Intention ist nichts anderes als das strebende Handeln. So ist das Ichzentrum in jedem Augenblick, in dem die objek­tivierende Intention sich auswirkt, beständig handelnd auf den wahren Gegenstand als das zu verwirklichende Ziel gerichtet. "Nun liegt [ ... ] in jedem solchen Aktus des urteilenden Ich, wie das Wort Akt auch andeutet, ein - wenn auch vielleicht nur flüchtig vorübergehendes - Tun. Ich bin im urteilenden Tun auf das Sein und Sosein gerichtet als auf ein Ziel, dem ich zustrebe." (VIII, 95) Es ist also klar, "daß im erkennenden Handeln die prak­tische Intention durch die bloße Seinsmeinung zur Selbsthabe des gemeinten Seins hinstrebt [ ... ]." (VIII, 34-35). Als eine notwendige Folge davon zeigt sich die konkrete aktive objektivierende Intention wie die nicht-objek­tivierende Intention schließlich als eine schöpferische Intention, die, indem sie wertend handelt, den Sinn des lebensweltlichen Gegenstandes konstitutiv zustandebringt. Der gegenständliche Sinn als ein noematisches Korrelat der konkreten objektivierenden Intention als eines wertend handelnden actus ist nichts anderes als deren acta, d.h. deren schöpferische Werke. In diesem Sinne lesen wir in der Ersten Philosophie: "Durch jedes Vermuten, Für­wahrscheinlich-halten oder Zweifeln usw. geht die Intention auf ein durch eine Gewißheit herzustellendes Sein, letztlich auf das Seiende 'selbst', das ich eben nur in einer Form der Gewißheit, die da Evidenz heißt, 'haben' kann." (VIII, 95, Herv. v. Vf.)

Die aktive konkrete Intention, sei es die objektivierende, sei es die nicht­objektivierende, als das noetische Korrelat des lebensweltlichen Gegenstandes zeigt sich also als eine wertende und zugleich praktische Intention; Sie kann danach nicht etwas "wertfreies" und "interesseloses" sein. Sondern sie ist von Anfang an ein Phänomen, welches von dem Interesse im weitesten Sinne untrennbar ist. Die Entdeckung der Grundzüge der Intention als einer wer­tenden und zugleich einer praktischen Intention veranlaßt Husserl dazu, in der Spätphilosophie die Intentionalität erneut als ein Interesse l zu bestimmen: "lnter-est - in der Tat, wenn im weitesten Sinn von Interessiertsein, von Interesse gesprochen wird, so drückt sich damit unter einiger Erweiterung des normalen Wortsinns das Grundwesen aller Akte aus; 'das Ich ist für irgendetwas interessiert' - 'es ist intentional darauf gerichtet' besagt dasselbe." (IX, 412) Der Gegenstand, dem wir in der Lebenswelt begegnen, ist nicht ein "pures", "wertfreies Ding", sondern er ist als das noematische Korrelat des lebensweltlichen Interesses wesensmäßig ein Wertgegenstand. Dabei bildet,

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wie oben gezeigt, der lebens weltliche Gegenstand als das noematische Korrelat der objektivierenden konkreten Intention keine Ausnahme.

2. DIE DREI KOMPONENTEN DES WELTBEWUßTSEINS UND DIE DREI ASPEKTE

DER LEBENSWELT

Wenn wir die soeben gewonnene Einsicht in die Wesensstruktur der lebensweltlichen Intention als eines wertenden und praktischen Interesses mit der Einsicht in die untrennbare Einheit von Dingbewußtsein und Weltbewußtsein in einen Zusammenhang bringen, ergibt sich, daß das Weltbewußtsein als eine alle lebensweltlichen Intentionen einheitlich umspan­nende höchste Einheit der Intention nichts anderes als die höchste Einheit des menschlichen Interesses ist, welches alle lebensweltlichen Sonderinteressen einheitlich umspannt. Diese höchste Einheit des menschlichen Interesses, also das Weltbewußtsein, bezeichnet Husserl in der Spätphilosophie als ein universales Interesse. Die Lebenswelt ist danach nichts anderes als das noe­matische Korrelat dieses universalen Interesses, sie ist eine "Interessen welt": "Die Welt, die jeweils für mich da ist, originaliter, selbst erscheinend, und in erster Originalität in der Weise des Wahrnehmungsfeldes, ist für mich da als Interessenwelt [ ... ]." (D 14, 27)2

Die konkreteren Wesensbestimmungen der Lebenswelt erhalten wir durch die Analyse des Weltbewußtseins als des universalen Interesses. Da jede konkrete auf den lebensweltlichen Einzelgegenstand gerichtete aktive Intention, sei es die objektivierende, sei es die nicht-objektivierende, in sich eine unselb­ständige objektivierende Intention, d.h. eine unselbständige doxische Vorstellungsintention enthält, ergibt sich aus der untrennbaren Einheit von Dingbewußtsein und Weltbewußtsein, daß das Weltbewußtsein zunächst den Zug der doxischen Vorstellungsintention zeigt. Die doxische Vorstellungsin­tention als eine Komponente des Weltbewußtseins zeigt sich dabei als eine unbestimmte Vorstellung, denn sie ist nicht auf diesen oder jenen bestimmten Gegenstand gerichtet, sondern auf die Welt als den Universalhorizont aller Sonderhorizonte. Als ein noematisches Korrelat der unbestimmten doxischen Vorstellungsintention zeigt sich die Lebenswelt als eine Vorstellungswelt. Dies bildet gerade den Grund dafür, daß Husserl in der Spätphilosophie die Lebenswelt bzw. die Welt einfach als eine Vorstellungswelt bezeichnet.3

Die konkrete aktive Intention, welche auf den lebensweltlichen Gegenstand gerichtet ist, zeigt zweitens allgemein den Zug des Gefühls. Danach ergibt sich, daß der zweite Wesenszug des Weltbewußtseins sich als etwas Gefühlsmäßiges bestimmt. Es handelt sich aber bei diesem Gefühlsmäßigen nicht um ein Sondergefühl, welches sich auf einen bestimmten lebensweltlichen Gegenstand bezöge, sondern um ein universales Gefühl, das sich auf die Welt als das Universum aller Gegenstände bezieht. Diese auf den ganzen Welthorizont bezogene universale Gefühlseinheit bezeichnet Husserl in der Spätphilosophie als die "Stimmung". So schreibt er z.B.: "Subjektive Wohlstimmung und Mißstimmung - der Ort, wo ich lebe, in einer schicksalsvollen Zeit, die

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allgemeine Stimmungsfärbung, die nicht im einzelnen motiviert ist durch den Inhalt und wiederkehrt, sooft ich den Ort besuche. [ ... ] Diese subjektive Stimmung gehört dem 'Interesse' [ ... ]. Wertung ist nicht Stimmung in diesem gewöhnlichen Sinne, ist Gefühl des Gelingens und Mißlingens aber nicht so im einzelnen. Menschliches Streben als universales Lebensstreben, in der Einheit, die alles Sonderstreben im voraus regiert. Es mißlingt nicht bloß die einzelne Handlung, es mißlingt auch mein 'ganzes Leben', es ist nun mißraten." CA VI 34, 22) So zeigt sich die Lebenswelt zweitens als das noematische Korrelat der universalen Stimmung als einer universalen Lebenssorge.

Im Hinblick auf die Stimmung als eine Komponente des Weltbewußtseins ist zunächst zweierlei zu bemerken. 1. Bei der dunklen Stimmung, welche sich in der Abbauanalyse als die ursprüngliche Affektion, als das fühlende Dabeisein des Vor-Ich bei der Urhyle zeigt, handelt es sich um den genetischen Vorgänger der Stimmung als einer Komponente des Weltbewußtseins. 2. Die Stimmung ist nach Husserl ein universales Gefühl, welches sich auf eine bestimmte Ganzheit bezieht. Danach ist es möglich, je nach der Gestalt der Ganzheit verschiedene Einheiten der Stimmung zu unterscheiden. Die universale Gefühlseinheit, welche auf einen Sonderhorizont gerichtet ist, heißt auch Stimmung. Aber die umfassendste Einheit der Stimmung ist diejenige, welche sich auf den ganzen Welthorizont bezieht. "Dann ist also der Ausdruck Stimmung für Wertung zu vermeiden, oder scharf zu scheiden: die Stimmung, die ich jeweils als praktisches Ich aus meiner Praxis her gewinne und habe - die singuläre Befriedigung oder Unbefriedigung und die sonstwie zum begrenzten Ganzen der engeren und weiteren Gegenwart gehörige Gesamtstimmung; andererseits die auf die ganze Lebenszukunft [ ... ] bezogene Stimmung." CA VI 34, 22)

Mit der Feststellung der Stimmung als einer unentbehrlichen Komponente des Weltbewußtseins sehen wir, daß zwischen der Spätphilosophie Husserls, welche nichts anderes als eine vertiefte genetische Phänomenologie ist, und der Daseinsanalytik M. Heideggers in Sein und Zeit ein enger Zusammenhang besteht. Husserl hat bekanntlich in seiner letzten Schaffensperiode, d.h. nach der Emeritierung im Jahre 1928, Heideggers Schriften studiert.4 In diesem Zusammenhang ist die Möglichkeit nicht von vornherein auszuschließen, daß die Bestimmung der Stimmung als einer Wesenskomponente des Weltbewußtseins in der Spätphilosophie Husserls mit dem Einfluß Heideggers zu tun haben könnte. An dieser Stelle wollen wir aber die Frage, inwieweit Husserl bei der Analyse des Weltbewußtseins u. A. von Heidegger beeinflußt worden ist, auf sich beruhen lassen. Denn wir vertreten die Ansicht, daß es nicht so sehr ein Einfluß von außen, sondern vielmehr gerade die innere Logik der genetischen Phänomenologie war, welche zu der Entdeckung der Stimmung als einer unentbehrlichen Komponente des Weltbewußtseins in der Spätphilosophie Husserls führte. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, daß das Problem der Stimmung in der Philosophie Husserls schon an einigen Manuskriptstellen5 behandelt wird, welche zu Anfang der zwanziger Jahre entstanden sein dürften, also in der Zeit, als Husserl die Schriften Heideggers, in denen das Problem der Stimmung thematisiert wird, noch

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nicht bekannt waren. An einer Manuskriptstelle, welche in dem Jahr 1923 entstanden sein dürfte, schreibt er beispielsweise: "Die universale Gefühlsverschmelzung ist die Stimmung." (A VI 26, 3) Und dazu fügt er folgende Randbemerkung an: "Ein unklares Eines, ein in verworrener Spannung sein und doch nicht in einer Richtung. Vielleicht meint man das mit unter 'Stimmung'." (A VI 26, 3) An einer Stelle des von L. Landgrebe redigierten Manuskriptes steht in diesem Zusammenhang noch ausführlicher: "Ich unterscheide gut zwischen dem Gegebenen, seinen Wertcharakteren und dem, was von ihnen aus motivierend fungiert für meine Stimmung. Diese ist ja eine Gefühlseinheit, die allem Erscheinenden eine Farbe verleiht, aber eine einheitliche, einen einheitlichen Schimmer der Freude, eine einheitliche dunkle Färbung der Trauer." (M III 3 11 1,29-30, 1900-1914)

Daß das Problem der Stimmung in der Phänomenologie Husserls schon Anfang der zwanziger Jahre behandelt wurde, ist allein aus der inneren Logik der genetischen Phänomenologie zu erklären. In notwendiger Folge davon unterscheidet sich die konkrete Bestimmung der Stimmung bei Husserl von derjenigen Heideggers insofern, als es zwischen der Idee einer genetischen Phänomenologie Husserls und der Daseinsanalytik Heideggers Unterschiede gibt. Die Stimmung als eine universale Gefühlseinheit ist bei Husserl von den Einzelakten untrennbar. Sie stellen in gewissem Sinne deren Funktion dar, wobei dieser Ausdruck nicht im Sinne des Atomismus verstanden werden soll. "Selbstverständlich würde auch ein Leben in der Vereinzelung Gesamtstimmungen ergeben, für welche eben der Status der Gegenwart und 'endlichen' Zukunft allein in Frage kommen würde. Nach Art tierischen Daseins. Auch beim Menschen sind die Instinkte für die Lebensbedürfnisse ursprünglich bestimmend und jedenfalls mitbestimmend, dann als selbstver­ständliche Unterlage. Wenn die Mahlzeit nicht eingenommen werden kann, so wird die ganze Stimmung herabgedrückt. Aber der Mensch hat mindestens eine weitreichende Gesamtgegenwart und Lebenszukunft in der Einheit eines praktischen Interesses und hat so eine besondere Stimmungseinheit, die vom Ganzen her bestimmt ist, für das alle Einzelheiten irgendwie Funktion haben. Und erst recht, wenn er ein 'voller' Mensch ist." (A VI 34,23, 1931) Die Stimmung bei Husserl als die Funktion der Einzelakte ist von diesen untrennbar; die Stimmung und die Einzelakte sind sozusagen im zeitlichen Zugleich. Damit hängt zusammen, daß die Bestimmung der Stimmung bei Husserl, wie die soeben zitierte Stelle zeigt, in gewissem Sinne als bio-psy­chisch bezeichnet werden kann. Sie ist im Grunde genommen ein genetisches Phänomen, welches sich letzten Endes auf den Instinkt zurückführen läßt. Die Stimmung nach Heidegger ist aber weder eine Funktion der Einzelakte noch ein genetisches Produkt, wie es im Hinblick auf die Struktur der Sorge6

an einer Stelle in Sein und Zeit heißt: "Daher mißlingt auch der Versuch, das Phänomen der Sorge in seiner wesenhaft unzerreißbaren Ganzheit auf beson­dere Akte oder Triebe wie Wollen und Wünschen oder Drang und Hang zurückzuleiten, bzw. aus ihnen zusammenzubauen.,,7

Die dritte Komponente des Weltbewußtseins ist der universale Willenszug

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des Ich, welcher alle Sonderwillenszüge einheitlich umspannt. Im Hinblick auf diesen universalen Willenszug heißt es: "Durch alle Modi [des Sonderinter­esses] aber geht hindurch die Identität des Ich, des Identischen des Interesses, des Identischen im Wandel der Modi seines interessiert Sichauslebens, im weitesten Sinne gesprochen der Willensmodi, die ihrerseits in ihrem modalen Wandel eine innere Einheit haben, die auch bloße Affektion und Aktion verbindet." (D 14,25) Alle Sonderwillenszüge schließen sich also zur Einheit des universalen Willenszuges zusammen, welche die Identität des Ichzentrums verbürgt. "Hierbei ist das 'beziehungslose Nebeneinanderleben', 'miteinander nichts zu tun haben', 'keine gemeinsamen Interessen haben', selbst nur eine Modalität der Kommunikation und einer sehr entfernten Willens- oder Lebensverbundenheit." (D 14,30) Denn alle Interessen sind geleitet durch "die Regierung des ganzen wachen und durch alle Wachperioden hindurch synthetisch sich einigenden ichlichen Daseins unter der Idee eines Willenslebens, in welchem alle Sonderinteressen nicht nur, wie immer und notwendig verwoben, sondern alle untergeordnet sind unter die Einheit eines Interesses, eines 'Lebenszweckes', der alle Sonderzwecke 'unter' sich hat, ihnen die Form ein für allemal vorzeichnend." (D 14, 29-30)

Daraus ergibt sich, "daß Welt mit allem Sinn, in dem sie unsere vorge­gebene Welt ist und selbst mit dem Kernsinn einer ichfremden, geistlosen Natur im weitesten (in einem unerhört weiten und weitesten) Sinne Willensgebilde ist - 'intentionales' Gebilde [ ... ]." (D 14, 30) Die Lebenswelt ist somit ursprünglich ein Willensgebilde, das konstitutive Produkt der willentlichen Praxis, also "eine praktische Umwelt, die einen Umkreis, einen Gegenwartshorizont praktischer Möglichkeiten absteckt: das All dessen, was ich in der umweltlichen Gegenwart beeinflussen, in das ich zwecktätig eingreifen, worin ich Ziele haben kann." (XIV, 215) Die Lebenswelt als ein Willensgebilde ist daher nach Husserl kein schon abgeschlossenes "fertiges" Ding, sondern sie charakterisiert sich durch die offene Möglichkeit. So kann die Lebenswelt durch die weiteren Praxen unendlich weiter umgestaltet werden. Der universale Willenszug ist gerade der Grund dafür, "daß Lebenswelt in ständiger Bewegung derart ist, daß sie in einer Bewegung der ständigen Geltungsrelativität [ ... ] <steht>." (VI, 465) Im Hinblick auf die offene Möglichkeit der Umgestaltung der Lebenswelt, welche ihren Grund im universalen Willenszug hat, konstatiert Husserl einmal im Nachlaß: "Die Korrelation von unserer Welt und uns als der sie erkennenden, auf sie bewußtseinsmäßig bezogenen, ihren jeweiligen Seinssinn gestaltenden Subjektivität ist selbst ein 'Entwicklungs' -Glied." (XV, 176-177)

Das Weltbewußtsein als ein universales Interesse zeigt sich also als die untrennbare Einheit von universaler doxischer Vorstellungsintention, Stimmung und universalem Willen. Wegen der bei den letzteren Züge des Weltbewußtseins zeigt sich die Lebenswelt immerzu als eine Güterwelt und zugleich als eine praktische Umwelt: "Die Welt ist immer schon Güterwelt und immerzu Feld der Praxis, die ihrerseits auf mögliche weltliche Güter gerichtet ist." (A VI 34,37, 1931) Die Einheit von Stimmung und universalem Willen, welche

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zusammen mit der universalen doxischen Vorstellungs intention den geneti­schen Grund für die Lebenswelt als einen universalen Geltungsboden bildet, bezeichnet Husserl an einer Nachlaßstelle als die Sorge8: "Aber Sorge ist zwei­deutig. Einerseits praktisches Bestrebtsein und praktisches Tätigsein, andererseits um sie [die anderen] Sorgen im Gefühl - als Gefühlskorrelat des praktischen 'es stimmt oder stimmt nicht' hätten wir Freudenstimmung (Sich-gehoben-fühlen) und Trauerstimung [ ... ]." (A VI 34,23, 1931) Die universale Stimmung und der universale Wille eines Ichzentrums sind also zwei Aspekte ein und desselben Phänomens, welches die Sorge, d.h. die Lebenssorge, heißt. "Also da 'spiegelte' das Gefühl die Struktur der Praxis nach Gelingen, Mißlingen, Hemmung und Förderung in den Umständen etc. Diese Stimmung bestimmt dann die Lebensenergie. die Hoffnung beschwingt, die Sorge mag lähmen [ ... )". (A VI 34, 23, 1931)

Wie aus der bisherigen Darstellung hervorgeht, ist es im Zusammenhang mit der Bestimmung der Lebenswelt als einer Güter- und praktischen Welt völlig gleichgültig, ob die Subjektivität primär theoretisch oder praktisch im engeren Sinne orientiert ist. Denn die theoretische Einstellung ist nichts anderes als eine bestimmte Form des Wertens und des HandeIns. "Es gibt für den Menschen in seiner Umwelt vielerlei Weisen der Praxis, darunter diese eigenartige und historisch späte: die theoretische Praxis." (VI, 113) Auch die Welt als das noematische Korrelat des theoretischen Interesses im eigentlichen Sinne ist also schon eine Güterwelt und zugleich eine praktische Welt. Dies besagt, daß die Lebenswelt der theoretisch orientierten Subjektivität nichts anderes als das noematische Korrelat der universalen Lebenssorge ist.

Im Hinblick auf die Bestimmung der Lebenswelt als eines noematischen Korrelats der universalen Lebenssorge ist folgendes zu bemerken.

Husserl bestimmt in der Spätphilosophie die Lebenswelt bekanntlich als einen universalen Geltungsboden, also als denjenigen "Boden, auf dem die objektive Wissenschaft ihre Gebilde 'endgültiger', 'ewiger' Wahrheiten, der ein für allemal und für jedermann absolut gültigen Urteile [aufbaut]." (VI, 465) Man könnte nun die Ansichten vertreten, es handle sich bei dem universalen Geltungsboden der Lebenswelt bloß um einen Boden der doxischen Geltung, welche keinen axio-praktischen Zug zeige. Durch die bisherige Analyse des Weltbewußtseins erweist sich aber diese Ansicht als einseitig und ergänzungs­bedürftig. Da die theoretische Einstellung eine bestimmte Form der axio-praktischen Einstellung darstellt, zeigt sich doxische Geltung schon als eine bestimmte Form der axio-praktischen Geltung. Danach bestimmt sich die Lebenswelt gleichgültig, ob das Ich theoretisch oder praktisch im engeren Sinne eingestellt ist, ursprünglich als ein universaler Boden der axiotischen und praktischen Geltung: "Die jeweilige Menschheit 'im Glauben', lebend in der 'Bodenständigkeit' einer für sie seienden und zwar unbedingt gel­tenden Kulturwelt. [ ... ] Die Bodenständigkeit besteht gerade darin, daß diese Umwelt als eine Welt solcher Werte allgemein bejaht und habituell in Geltung ist. Diese Welt ist schon als solche Werte enthaltende, und sie ist gut, sofern sie auch so ist, daß ihr absoluter Besitz an Werten durch uns zu bereichern ist." (A V 7, 51)

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Der Gedanke der Lebenswelt ist also in der Spätphilosophie Husserls vom axio-praktischen Zug stark geprägt. Der Gedanke der Lebenswelt als einer axio-praktischen Umwelt ist aber nicht, wie in der Forschungsgeschichte üblicherweise angenommen wird9, etwas Neues, welches erst in der Spätphilosophie plötzlich auftauchte. Schon in den Ideen I hebt Husserl den axio-praktischen Zug der Welt hervor: "In dieser Weise finde ich mich im wachen Bewußtsein allzeit, und ohne es je ändern zu können, in Beziehung auf die eine und selbe, obschon dem inhaltlichen Bestande nach wechselnde Welt. Sie ist immerfort für mich 'vorhanden', und ich selbst bin ihr Mitglied. Dabei ist diese Welt für mich nicht da als eine bloße Sachenwelt, sondern in derselben Unmittelbarkeit als Wertewelt, Güterwelt, praktische Welt." (III, 1, 58) Daher erweist sich die beispielsweise von E. Tugendhat vertretene These als unhaltbar, "daß Husserl diese 'Lebenswelt' [ ... ] gerade nicht als eine kulturelle Umwelt, sondern wiederum als Natur versteht [ ... ].,,10 Eine Bemerkung Tugendhats, welche noch in diesen Zusammenhang gehört und welche als die Begründung für seine These dienen soll, "daß gerade die Epoche ihn [Husserl] selbst hindert, die Konkretion der Praxis und Geschichte in die Voraussetzung der Lebenswelt mitaufzunehmen"ll, beruht wiederum auf einem Mißverständnis der phänomenologischen Reduktion. Es ist zwar klar, daß die Begriffe, welche Husserl, um die phänomenologische Reduktion zu erörtern, ins Spiel bringt, z.B. das Ausschalten, das Außer-Kraft-Setzen, das Klammern, das Epoche-Üben usw., den Eindruck erwecken, daß mandurch jene Reduktion die Wirklichkeit verlieren würde. Dies ist aber nicht der Fall, sondern die Wirklichkeit bildet gerade als das noematische Korrelat ein eigentliches Forschungsthema der transzendentalen Phänomenologie. Die phänomenologische Reduktion ist diejenige notwendige Operation, mit Hilfe derer die konstitutive Struktur der Wirklichkeit verständlich gemacht werden kann. In diesem Sinne ist, wie Aguirre richtig hervorgehoben hat, "die tran­szendentale Phänomenologie durchaus Anerkennung dessen, was Wirklichkeit in und an sich ist"12, aber nicht, wie man meint, der Verlust der Wirklichkeit. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, daß die Methode der phänomenologischen Reduktion, wie sie von Husserl ursprünglich konzipiert wurde, d.h. die Methode der Reduktion auf dem sogenannten cartesianischen Weg, methodisch unangemessen ist, um die ganze Lebenswelt und die Geschichte transzendental-phänomenologisch zu thematisieren. Aber wie im vierten Kapitel des ersten Teiles dargestellt worden ist, versucht Husserl in der Spätphilosophie, einen neuen Weg zur Reduktion einzuschlagen, um gerade diese Schwierigkeit zu überwinden.

ANMERKUNGEN

1. Das Interesse als ein allgemeiner Titel für die Intentionalität umfaßt dabei nicht nur die aktive, sondern auch die passive Intention auf den unteren Stufen der genetischen Konstitution. Dementsprechend betont Husserl trotz dem "gewaltigen Unterschied der Passivität der Vorkonstitution von Immanentem und der von Dinggegenständen und allen transzendenten Gegenständen" (A VII 13,34) das Interesse als das Gemeinsame für beide:

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"Gemeinsam ist das, was allgemeinst zur Gegenstandskonstitution gehört: Interesse." (A VII 13, 34) Unter dem Interesse in diesem weitesten Sinne ist nicht allein das Interesse im typischen Sinne zu verstehen, in dem "ich einem Gegenstand thematisch, etwa wahrnehmend und dann eingehend betrachtend zugewendet bin, sondern überhaupt jeder Akt der, sei es vorübergehenden oder dauernden Ichzuwendung, des Dabeiseins (inter-esse) des Ich." (EU, 92-93) Der Begriff des Interesses erweitert sich aber in den dreißiger Jahren noch; er umfaßt nun nicht nur, wie es an der oben zitierten Stelle aus Erfahrung und Urteil heißt, den "Akt der [ ... 1 Ichzuwendung", sondern darüber hinaus den "Akt" "vor" der Ichzuwendung. Die Bezeichnung der instinktiven Affektion im urpassiven Zeitstrom als eines ursprünglichen fühlenden "Dabeiseins" des Ich bei der Urhyle in der Abbauanalyse ist in diesem Sinne zu verstehen. Dementsprechend beschreibt Husserl an einer ManuskriptsteIle aus den dreißiger Jahren den unenthüllten Urinstinkt als ein Interesse: '''Interessen' sind I) Urinteressen, 'blinde Instinkte', sie sind als das unentwickelte; 2) enthüllte (oder entwickelte) Instinkte." (A V 24, 29) Die Bezeichnung des unenthüllten Instinktes als eines Interesses stellt dabei die notwendige Folge der Entdeckung der Intention des unenthüllten Instinktes dar.

2. In diesen Zusammenhang gehören folgende Stellen: "Weltvorgegebenheit besagt: ein uni­versales Interesse ist gestiftet und hinfort individuelle Form aller Interessen." (C 3 V, 7) Oder: "Ist nicht die Welt, unsere Welt, überhaupt interessant, obschon nicht für jeden und immer von wirklich vorzüglichem Interesse? Andererseits ist sie als universale, als diese unsere, individuelle Welt in ihrer offenen Unbestimmtheit und doch individuellen Bestimmtheit das universale Feld aller Sonderinteressen und als das selbst im Interesse." (e 3 V, 6-7)

3. Vgl. dazu beispielsweise IX, 497, XV, 177,231,552, C 3 V, 7. 4. Vgl. dazu die Einleitung des Herausgebers von Husserliana Bd. XV, vor allem S. XLII

ff. und K. Schuhmann, Husserl-Chronik, S. 349, 379. 5. Es handelt sich in diesem Zusammenhang beispielsweise um Partien aus folgenden

Manuskriptseiten: F I 24, 35, A VI 26, 3, M III 3 11 I, 25-35, 89-99. 6. Wie unten dargestellt wird, bestimmt I-Iusserl die Einheit der Stimmung und der univer­

salen Willenseinheit als die Sorge oder die "Lebens sorge". Er identifiziert sogar die Stimmung einfach mit der Sorge: "Es ist also sogleich zu beachten, daß das menschliche Leben [ ... 1 immerfort in der Schwebe von Gelingen und Mißlingen, also immerfort in Gefahr und Sorge verbleibt, und insofern rechtfertigt es sich, das Leben hinsichtlich seiner Stimmung als ein Leben in der Lebenssorge zu bezeichnen. 'Sorge' ist überhaupt ein Ausdruck, der in seinem Sinn vordeutet auf das Ganze des Lebens." (A VI 34, 22)

7. M. Heidegger, Sein und Zeit, S. 193-194. 8. Ich kann nicht entscheiden, ob Husserl den Begriff der Sorge schon vor der Lektüre von

Heideggers Sein und Zeit benutzt hat. Aber man kann auf jeden Fall folgendes sagen: Auch wenn er diesen Begriff erst nach der Lektüre benutzt haben sollte, hat er ihn doch in einem Sinne verwendet, der sich aus seinem eigenen Denken ergab. Husserls Verständnis des Ausdrucks der Lebenssorge ist jedenfalls durch den systematischen Zusammenhang seiner eigenen genetischen Spätphänomenologie bestimmt.

9. W. Biemel, "Reflexion zur Lebensweltthematik", in: Phänomenologie heute. Den Haag 1972, S. 49-77. E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. Berlin 1970, S. 266 ff.

10. E. Tugendhat, a.a.O., S. 226. 11. E. Tugendhat, a.a.O., S. 255. 12. A. Aguirre, Die Phänomenologie Husserls im Licht ihrer gegenwärtigen Interpretation

und Kritik. Darmstadt 1982, S. 20.

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DRITTER TEIL

Weiterführung der Phänomenologie der Instinkte durch die Vertiefung der Ab- und Aufbauanalyse der

Konstitution der Welt

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A. FREILEGUNG DES ANGEBORENEN URINSTINKTES DURCH DIE VERTIEFUNG DER ABBAUANALYSE DER KONSTITUTION DER WELT

KAPITEL I

Die Idee einer Vertiefung der Abbauanalyse der Konstitution der Welt

1. EINFÜHRUNG IN DEN PROBLEMBEREICH

Wir haben im zweiten Teil durch die Ab- und Autbauanalyse der Konstitution der Welt untersucht, wie die genetische Konstitution der Welt als eines Prozesses der Auswirkung des habituellen Apperzeptionssystems von Welt durch die verschiedenen Instinktintentionen bestimmt wird. Ein wichtiges Ergebnis dieser Betrachtung ist die Bestimmung der Welt als einer axioprak­tischen Umwelt. In der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte im 11. Teil rückten aber ins Blickfeld nur die Instinktintentionen des fertigen Subjektes. "Indessen ist", wie Husserl sagt, "die Frage, ob nicht, und notwendig, Triebintentionalität [ ... ] eine Vorstufe hat, die vor einer ausgebildeten Weltkonstitution liegt - mag die Weltkonstitution auch nicht so weit reichen wie für den Menschen als 'Vernunftwesen'." (XV, 594) Die Instinktintention des fertigen Subjektes läßt sich genetisch auf die unenthüllte Instinktintention im fernen Vergangenheitshorizont zurückführen: "Die Instinkte des voll reifen Menschen sind schon aus seinem eigenen Leben und mittelbar aus den für ihn einfühlungsmäßig mitdaseienden Menschen her und ihrem Leben enthüllte Instinkte." (A V 24, 30)

Von den Ergebnissen der Analyse der Instinktintentionen des fertigen Subjektes im zweiten Teil ausgehend, wollen wir im dritten Teil die Phänomenologie der Instinkte vertiefen, indem wir uns die Aufgabe stellen, die verborgenen Instinktintentionen im Vergangenheitshorizont als die geneti­schen Vorgänger der Instinktintentionen des fertigen Subjektes zu enthüllen. Es sind gerade die Instinktintentionen und die damit verbundenen anderen Intentionen im Vergangenheitshorizont, durch die das habituelle Apperzep­tionssystem von Welt der fertigen Subjektivität gebildet wird. Daher rückt ins Zentrum der Phänomenologie der Instinkte in diesem Teil die konstitu­tive Rolle der Instinktintention für die Bildung des habituellen Apperzep­tionssystems der Welt.

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154 Dritter Teil

2. DIE STUFENLEHRE VON MONADEN UND DER ABBAU DER KONSTITUTION

DER WELT

Die genetische Konstitution der Welt meint, wie oben im vierten Kapitel des ersten Teils dargestellt und soeben nochmals gesagt, zweierlei: I. den Prozeß der jeweiligen Auswirkung des habituellen Apperzeptionssystems von Welt, 2. den Prozeß der Bildung desselben Systems im Vergangenheitshorizont. Husserl entwickelt in der Spätphilosophie, um den beiden Formen der genetischen Konstitution eine einheitliche Idee zu verleihen, die "Stufenlehre von Monaden" (XIV, 38). Nach dieser Lehre ist es möglich, im Hinblick auf die genetische Konstitution verschiedene Stufen des monadischen Lebens festzustellen, welche sich in einem beständigen Übergang auf eine jeweils höhere Stufe des monadischen Lebens befinden. Danach bedeutet die genetische Konstitution der Welt im doppelten Sinne nichts anderes als einen beständigen Übergang einer jeweils niederen zu einer höheren Einheit des monadischen Lebens und dessen noematischen Korrelates, der Welt. Wie das Wort Monade andeutet, zeigt sich in der Stufen lehre von Monaden ein starker Einfluß des Aristotelisch-Leibnizschen dynamischen Gedankens auf die tran­szendentale Phänomenologie Husserls. So konstatiert Husserl an einer Nachlaßstelle: "Die Phänomenologie bestätigt Leibniz' Scheidung zwischen den schlafenden Monaden, wachen Monaden, die ein Bewußtsein in beson­derem Sinne haben, und geistigen, menschlichen Monaden." (A VI 26, 42)

Nach der Stufen lehre von Monaden ist es möglich, die jeweilige Form der Hyle auf den verschiedenen Stufen der genetischen Konstitution, die wir im zweiten Teil durch den Ab- und Aufbauanalysen der genetischen Konstitution der Welt als eines Prozesses der Auswirkung des Apperzeptionssystems der Welt festgestellt haben, als das noematische Korrelat des dementsprechenden monadischen Lebens aufzufassen. Dies besagt, daß ein fertiges Subjekt eine Einheit von verschiedenen Stufen des monadischen Lebens darstellt. "Der Mensch hat in sich ein anderes tierisches Seelenleben und in diesem auch die Struktur der tiefsten Stufen der schlafenden Monade [ ... ]." (A VI 26, 42) Nach der Stufenlehre von Monaden besagt die genetische Konstitution der Welt also, daß ein jeweils höheres monadisches Leben eines Subjektes, welches früher im bloßen Schlafzustand, d.h. im Zustand der bloßen prakti­schen Möglichkeit, war, auf Grund eines niederen monadischen Lebens wach wird.

Die Stufenlehre von Monaden läßt sich aber nicht nur hinsichtlich der genetischen Konstitution der Welt als eines Prozesses der Auswirkung des habituellen Apperzeptionssystems, sondern auch hinsichtlich der Konstitution der Welt als eines Prozesses der Bildung dieses Systems im Vergangenheits­horizont anwenden. Dadurch wird die Stufenlehre von Monaden mit dem Gedanken der Entwicklung verknüpft. In diesem Zusammenhang schreibt Husserl im Rahmen der Ethik-Vorlesung von 1920: "Es bietet sich dann bei der Übertragung der Aristotelischen Entelechienlehre ins Transzendentale der Gedanke dar, den Leibniz unter dem Titel der 'Verworrenheit' versuchte. Das

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würde besagen, daß jedes unserer hyletischen Daten schon ein 'Entwick­lungsprodukt' ist, also eine verborgene Intentionalität hat, die zurückweist auf eine 'Synthesis'." (F I 24, 41) Daher bezeichnet Husserl es bei der Vertiefung der genetischen Phänomenologie als "das Thema der genetischen Analysen, verständlich zu machen, wie in der zum Wesen jedes Bewußtseinsstromes gehörigen Entwicklung, die zugleich Ichentwicklung ist, sich jene komplizierten intentionalen Systeme entwickeln, durch die schließlich dem Bewußtsein und Ich eine äußere Welt erscheinen kann." (XI, 24) Nach der Stufenlehre von Monaden ist die genetische Konstitution der Welt als ein Prozeß der Bildung des habituellen Apperzeptionssystems ein Entwicklungsprozeß; sowohl das Ich als auch die Welt als dessen noemati­sches Korrelat befinden sich demnach in einem unaufhörlichen Prozeß der Entwicklung.

Aus der Stufenlehre von Monaden erhalten wir einen Hinweis, wie die Abbauanalyse in diesem Teil durchgeführt werden kann. Von der Korrelation von Ich und Welt bei der fertigen Subjektivität ausgehend, müssen wir zunächst eine niedere Form der Korrelation von Ich und Welt feststellen, bei der die höchste Stufe der Korrelation von Ich und Welt, z.B. die Vernunft und deren noematisches Korrelat, fehlt. Im Hinblick auf diese neue Korrelation von Ich und Welt können wir dieselbe Abbauanalyse durchführen, wodurch es möglich ist, eine neue, noch niederere Form der Korrelation von Ich und Welt festzustellen. Die Abbauanalyse kann weiter durchgeführt werden, bis wir auf die Korrelation von Ich und Welt stoßen, welche keine weitere Abbauanalyse zuläßt und sich als die Urvoraussetzungen jeder Weltkon­stitution 1, als der Anfang der transzendentalen Genesis zeigt.

Wie die Stufenlehre von Monaden zeigt, ist es klar, daß in jedem Bewußtseinsfeld der fertigen Subjektivität, welches in den fernen Vergangen­heitshorizont und schließlich an den Anfang der transzendentalen Genesis reicht, prinzipiell unendlich viele Korrelationen von Ich und Welt festzustellen sind. Daher ist es nicht einfach, durch den Abbau alle Stufen der Entwicklung der Korrelation von Ich und Welt schrittweise lückenlos zu enthüllen. Aus diesem Grunde wollen wir in diesem Teil, anders als im zweiten Teil, wo die Abbauanalyse der Konstitution der Welt schrittweise vollzogen wird, direkt zum Anfang der transzendentalen Genesis vorstoßen. Die Lücken, welche durch den direkten Vorstoß zum Anfang der transzendentalen Genesis entstehen, versuchen wir dann in der Aufbauanalyse auszufüllen.

3. METHODISCHE ÜBERLEGUNG

Die meisten Bewußtseinsgestalten im fernen Vergangenheitshorizont, welche in diesem Teil betrachtet werden, gehören zur "anonymen Bewußtseinssphäre" (B III 3,4), welche die Grenze der egologischen Reflexion überschreitet und darum auf dem cartesianischen Weg zur Reduktion nicht mehr zugänglich ist. Die einzige sich uns ergebende Möglichkeit, diese Bewußtseinsgestalten

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156 Dritter Teil

im fernen Vergangenheitshorizont in ihrer transzendentalen Struktur zu enthüllen, ist, wie im vierten Kapitel des ersten Teils dargestellt, die Methode der phänomenologischen Reduktion auf dem Weg über die intentionale Psychologie.

Der erste Schritt besteht dabei darin, auf dem Boden der natürlichen Einstellung die Bewußtseinsgestalten im fernen Vergangenheitshorizont in Erfahrung zu bringen und dadurch rein psychologisch zu reinigen. Die Hauptschwierigkeit der Reduktion auf dem Weg über die intentionale Psychologie in unserem Falle liegt gerade in diesem ersten Schritt. Meine durch die egologische Reflexion unzugänglichen Bewußtseinsgestalten im fernen Vergangenheitshorizont, z.B. in der Frühkindzeit, sind nicht unmittelbar, sondern nur auf dem Umweg über die Bewußtseinsgestalten von anderen Frühkindern, welchen ich im Alltag begegne, zu erschließen. Die Bewußt­seinsgestalten von Frühkindern, denen ich in der Welt begegne, sind mir nicht völlig verschlossen, sondern mir prinzipiell zugänglich. Die seelische Innerlichkeit des Frühkindes ist uns zwar nicht unmittelbar und originell, d.h. gegenwärtig, aber doch vermittelt durch die verschiedenen leiblichen Äußerungen, z.B. Lachen, Schreien, Gebärden usw. im Modus der Vergegenwärtigung mittelbar erfahrbar. Diese vergegenwärtigende Erfahrung von Mitsubjekten nennt Husserl allgemein die Einfühlung. Diese Einfühlung verläuft dabei nicht beliebig. Sondern es ist möglich, im Hinblick auf die Einfühlung ein einstimmiges Bewährungssystem festzustellen, dessen Einstimmigkeit sich auf diejenige zwischen den verschiedenen leiblichen Äußerungen zurückführen läßt. 2 Nach dem Verständnis der Bewußtseins­gestalten der Frühkinder in ihrer reinen seelischen Innerlichkeit ist es für mich möglich, durch die Analogisierung eine Brücke zwischen ihnen und den Bewußtseinsgestalten meiner Frühkindzeit zu schlagen und von den Bewußtseinsgestalten meiner Frühkindheit eine "Erfahrung" zu gewinnen. Über diese Möglichkeit schreibt Husserl: "Ich apperzipiere mich von da aus aber auch mit einem weiteren, nicht-erinnerungs mäßigen Vergangenheitshorizont, als real weltlich gewesen in der Gestalt der Urkindlichkeit in ihren Entwicklungsstadien, und zwar psychophysisch. Die Vorstellungen, die ich dafür bilde, sind Analogisierungen, deren Prototyp für mich liegt in den Kindern der frühkindlichen Stufe, die ich in meiner reifen Welt kenne [ ... ]." (XV, 583)

Die so gewonnenen Bewußtseinsgestalten meiner Frühkindheit in ihrer reinen seelischen Innerlichkeit kann ich im zweiten Schritt durch den Einsatz der universalen transzendentalen Reduktion transzendental-phänomenologisch reinigen. Dadurch schlagen die psychologischen Bewußtseinsgestalten in ihre transzendentale Parallele um. Über die Notwendigkeit des Umschlags des Psychologischen ins Transzendentale schreibt Husserl: "Sage ich mir nun aber, [ ... ] daß [ ... ] mein menschliches Sein mein apperzeptives Gebilde ist, mit allen Stadien der kindlichen Entwicklung bis zur Reife [ ... ], so zwingt mich das zur transzendental-phänomenologischen Einstellung und Methode. In ihr wandelt sich meine seelische Immanenz in die transzendentale, und zwar

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meine seelisch immanente strömende Gegenwart in meine absolute, tran­szendentale. Für meine innere seelische Entwicklung ebenso: In meiner transzendentalen Gegenwart ist impliziert meine transzendentale Vergangenheit und alle Stufen meines transzendentalen 'kindlichen' Seins mit meiner jeweils korrelativ konstituierten 'Welt'." (XV, 583)

Im Hinblick auf die Einfühlung als das Zugangsmittel zum fremden Subjekt ist folgendes zu bemerken:

1. Das Bewährungssystem der Einfühlung muß für den Einfühlenden im Vergangenheitshorizont genetisch3 schon erworben sein. Für die Einstimmigkeit der einfühlenden Erfahrung bildet dabei die intime Beziehung zwischen dem Einfühlenden und dem Einzufühlenden in gewissem Sinne eine Voraussetzung. Entsprechend lesen wir: "Ein ursprünglich instinktiv sich ausbildender Konnex, freilich nicht so, als ob ein Anfang in der Form bestünde, daß die Mutter ihr Kind bekommt und noch nie ein Kind als Kind verstanden hätte, es als das erst verstehen lernen müßte. [ ... ] Sie versteht von vornherein das Kindsein, Kind­der-Mutter-sein aus ihrer eigenen Vergangenheit, in der für sie das Zustandekommen dieses Verständnisses verborgen und nicht durch irgendweIche Erinnerung wieder zu erwecken ist." (XV, 582)

2. Der Einfühlende muß, um durch die Einfühlung die fremde Bewußtseinsgestalt zu erfahren, ein Minimum der ähnlichen Erfahrungsstruktur haben, weIche als das Mittel dienen kann, eine Brücke zwischen seinen Bewußtseinsgestalten und den fremden Bewußtseinsgestalten herzustellen. Die Vorgegebenheit einer ähnlichen Erfahrungsstruktur von Seiten des Einfüh­lenden bildet also die zweite Voraussetzung für eine einstimmige Erfahrung des Mitsubjektes durch die Einfühlung. "Und Einstimmigkeit in intersubjek­tiver Erfahrung setzt voraus", so heißt es in diesem Zusammenhang, "Einstimmigkeit im typischen Verhalten der Menschen in ihrem Elementaren nicht nur der instinktiven Bedürfnisse.und Bedürfnisbefriedigungen und der darauf bezogenen praktischen Typik, sondern auch in Sprache, Sitte, in rechtlichen Lebensformen, in dem Religiösen etc." (B III 3, Blatt 0 Rückseite) In diesem Sinne sagt Husserl zu der Möglichkeit des Verstehens des Tierlebens: "Selbstverständlich, die generativen Instinkte und Erfahrungen haben wir zunächst bei uns, und von da aus verstehen wir oder glauben wir zu ver­stehen, wie Tiere miteinander generativ leben, und zwar in der Zweiseitigkeit der Außen- und Innenerfahrung." (XV, 623)

3. Die Einfühlung als die Erfahrung des fremden Seelenlebens kann nicht das Recht einer absoluten und apodiktischen Evidenz, sondern bloß, wie Husserl sagt, ein "Recht empirischer Bewährung" (VIII, 188) haben. Dies beruht darauf, daß die Einfühlung keine originale Erfahrung ist, sondern eine vergegenwärtigende Erfahrung, weIche durch die Erfahrung des fremden Leibes vermittelt ist. Da die Einfühlung geltungsmäßig nur ein "Recht empirischer Bewährung" hat, ist es daher unbedingt nötig, die Explikation der fremden Bewußtseinsgestalten nicht solipsistisch, sondern intersubjektiv durchzuführen. Nur dadurch erschließt sich die Möglichkeit, den Bewährungswert der Einfühlung zu erhöhen. "So für das urkindliche Seelenleben. Aber es ist und

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ist evident rekonstruierbar (in einer nur 'vagen' Bestimmtheit) und ist wirklich mit dem Seinssinn, den die Rekonstruktion ihm zuweist. Es ist als ein nur inter­subjektiv zugängliches Bewußtsein, Für-sieh-Sein." (XV, 608-609)

Die phänomenologische Methode auf dem Weg über die intentionale Psychologie zeigt, wenn sie zur Enthüllung der verborgenen Bewußtseins­gestalten im fernen Vergangenheitshorizont angewendet wird, notwendig in einem phänomenologischen, aber nicht in einem herkömmlichen Sinne einen "rekonstruktiven" Charakter. Das Wesen dieser Methode liegt also darin, die verborgenen Bewußtseinsgestalten in meinem fernen Vergangenheitshorizont in ihrer allgemeinen Struktur enthüllend wiederherzustellen, d.h. zu rekon­struieren. Sie unterscheidet sich aber radikal von der rekonstruktiven Methode, die von Husserl als ein "regressives Verfahren in den rationalistischen Konstruktionen" (VII, 188), d.h. als eine Methode des "Rückschlusses"4 vom in der Welt schon Erkannten auf seine subjektive Grundlage zurückgewiesen wird. Die rekonstruktive Methode in unserem Problemzusammenhang besteht nicht in einem "Rückschluß" in irgendeinem Sinne, sondern in der Erfahrung in weitestem Sinne; weder die Einfühlung, noch die Analogisierung ist eine Form des Rückschlusses vom gegenständlich Vorgegebenen auf seine subjektiven Bedingungen, sondern eine bestimmte Form der Erfahrung. Danach erweist sich die Ansicht, "daß Husserl in solchen urkonstitutiven Zusammenhängen auch den Natorpschen Terminus der Rekonstruktion ver­wendet"S, als unhaltbar. Die "rekonstruktive" Methode in unserem Problem­zusammenhang als eine Form der phänomenologischen Reduktion auf dem Weg über die intentionale Psychologie ist das einzig mögliche Mittel, die verborgenen Bewußtseinsgestalten im fernen Vergangenheitshorizont phäno­menologisch, d.h. dem Wesen der Sache gemäß, zu enthüllen.

Es sei jedoch nicht verschwiegen, daß die Methode der "Rekonstruktion" als die Methode der Enthüllung der verborgenen Bewußtseinsgestalt im fernen Vergangenheitshorizont eine große Schwierigkeit aufweist. Wenn wir ver­suchen, die Bewußtseinsgestalten, welche in einem noch ferneren Vergangen­heitshorizont als dem des Frühkindes liegen, z.B. die "Bewußtseinsgestalten" im Uranfang der transzendentalen Genesis zu enthüllen, stoßen wir an die Grenze des einfühlenden Verständnisses. Dieser Schwierigkeit ist Husserl deutlich bewußt. "Dann aber: vor dem geborenen Kind das ungeborene, seine psychische Genesis bis zum Zeugungspunkt. Grenze der Abwandlung der Interpretation aus Einfühlung [ ... ]." (XV, 173)6

Es gibt sicher eine Grenze des einfühlenden Verständnisses. Zwar ist es unmöglich, diese Schwierigkeit vollkommen zu beseitigen, wohl aber, sie einigermaßen zu überwinden. Husserl sieht mit der Vertiefung der geneti­schen Phänomenologie und vor allem mit der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte immer dringender die Notwendigkeit, die Ergebnisse der Einzel­wissenschaften in die Phänomenologie einzubeziehen und dadurch die metho­dische Schwierigkeit einigermaßen zu überwinden. So heißt es schon an einer im Jahre 1925 entstandenen Stelle der Phänomenologischen Psychologie: "Das Induktive ist dann freilich nicht zu verachten, es gibt Erkenntnisse, durch

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die wir von Außen her Regeln der praktischen Beurteilung der durch Körperlichkeit indizierten seelischen Zusammenhänge gewinnen." (IX, 218) Husserl rekurriert tatsächlich ab und zu in der Spätphilosophie, um die geneti­schen Probleme zu lösen, auf die Ergebnisse der Einzelwissenschaften. So heißt es in einer Aufzeichnung aus der Mitte der zwanziger Jahre im Hinblick auf die Frage, ob die ersten Sinnesdaten schon die Funktion der Abschattungen von Ding im vollkommenen Sinne haben können: "Natürlich spricht dagegen das Verhalten der operierten Bindgeborenen, die mühselig sehen lernen müssen." (XIV, 333) An einigen Stellen der Spätmanuskripte aus den dreißiger Jahren ist von der "Psychologie der Frühkindheit" (XV, 620) oder der "Physiologie der Schwangerschaft" (XV, 597) die Rede, welche der transzen­dental-phänomenologischen Erforschung der Bewußtseinsgestalten im fernen Vergangen-heitshorizont unentbehrlich sind. 7

Die Notwendigkeit der Einbeziehung der Einzelwissenschaften in die transzendental-phänomenologische Forschung ist ein Beweis dafür, daß für die genetische Phänomenologie und vor allem für die Phänomenologie der Instinkte als deren Urstück der Anspruch der traditionellen Bewußtseins­philosophie nicht mehr gilt, der darin besteht, eine abgeschlossene, selbst­genügsame Wissenschaft zu sein, deren Thema nur das helle Selbstbewußtsein ist. Dies ist unserem Verständnis nach gerade der Sinn der Landgrebeschen These von Husserls Abschied vom Cartesianismus. 8 Trotzdem herrscht in der Rezeptionsgeschichte der Phänomenologie Husserls das gravierende Mißverständnis, daß für Husserl die Frage völlig verborgen bliebe, "ob die Phänomenologie hier," so E. Tugendhat, "nicht die Ergebnisse und sogar Mehoden der empirischen Psychologie in sich aufnehmen müßte, wie es ja dann bei Merleau-Ponty und anderen geschehen ist [ ... ].,,9 "Bei Husserl selbst hingegen war", so führt er weiter aus, "das Vertrauen zur immanenten Anschauung zu groß, daß diese Problematik für ihn nicht existierte."lo In diesem Sinne schreibt vor ihm auch H.U. Asemissen: "Husserl hat jegliche Kompetenz der Psychologie für die Philosophie radikal geleugnet. [ ... ] Gegen die positiven Ergebnisse aber, mit denen die psychologische Forschung seiner Zeit jenes alte spekulative Stadium überwand, hat er sich abgesperrt."ll Anders als man behauptet, bildet jedoch, wie dargestellt, die Frage der Einbeziehung der Ergebnisse der Einzelwissenschaften ein wichtiges Thema der Spät­philosophie Husserls. Darin, daß Husserl über das Methodenproblem, welches aus der Einbeziehung der Einzelwissenschaften in die Phänomenologie entsteht, gründlich nachgedacht hat, ist er nach unserer Auffassung anderen Phäno­menologen voraus, bei denen diese Überlegungen fehlen. 12 Man versucht also in der Forschungsgeschichte den Husserl, der sich durch die Vertiefung der genetischen Phänomenologie von der Enge bzw. dem Vorurteil der tradi­tionellen Bewußtseinsphilosophie befreit hat, immer wieder in dieselbe Enge zurückzudrängen. Dies geschieht vor allem bei den Interpreten, welche die transzendentale Phänomenologie als einen schlechten Solipsismus verurteilen - einen Solipsismus, der darin bestehe, die Mitsubjekte als solche nicht anzuerkennen. 13

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Die Einsicht in die Notwendigkeit der Einbeziehung der Einzelwis­senschaften in die transzendental-phänomenologische Forschung darf dabei nicht in der Weise mißverstanden werden, als hätte Husserl in der Spätphilosophie die transzendentale Phänomenologie auf dem Boden der Einzelwissenschaften begründen wollen. Es darf nicht übersehen werden, daß die letzte Evidenzquelle der Einzelwissenschaften, welche für die transzen­dentale Forschung der Instinkte im fernen Vergangenheitshorizont unent­behrlich sind, nichts anderes als die transzendentale Phänomenologie der ersten Stufe ist, also die der mit Evidenz erfahrbaren Bewußtseinsgestaiten der fertigen Subjektivität. Es sei an dieser Stelle an das im vierten Kapitel des ersten Teils festgestellte methodische Grundprinzip der Phänomenologie erinnert: "Alle Motive einer Theorie entspringen aus den Evidenzen der ersten Stufe, aus denen, die für uns notwendig die ersten sind [ ... ]." (XI, 165) Die Einzelwissenschaften können gewissermaßen, d.h. zusammen mit der tran­szendentalen Phänomenologie der ersten Stufe, zwar für die transzendentale Phänomenologie der Bewußtseinsgestalten im fernen Vergangenheitshorizont die Evidenzquelle bilden, aber sie weisen ihrerseits geltungsmäßig wieder auf die transzendentale Phänomenologie der ersten Stufe zurück.

Obwohl Husserl in der Spätphilosophie die Notwendigkeit klar gesehen hat, für die transzendental-phänomenologische Analyse der Bewußtseinsgestalten und vor allem der Instinktintentionen im fernen Vergangenheitshorizont die Ergebnisse der Einzelwissenschaften einzubeziehen, geschieht das nur andeu­tungsweise. Der Grund dafür liegt darin, daß er zu dieser Ansicht zu spät gekommen ist. Somit liegen auch in den Spätmanuskripten ausführliche Analysen derjenigen Instinktintentionen nicht vor, welche im fernen Vergangenheitshorizont liegen und am Prozeß der Bildung des habituellen Apperzeptionssystems beteiligt sind. Infolgedessen bleibt eine systematische und vollständige Ausarbeitung der Phänomenologie der Instinktintention im fernen Vergangenheitshorizont eine weitere Aufgabe der Husserlschen Phänomenologie. Dieser Umstand spiegelt sich in der Darstellung der Phänomenologie der Instinkte in diesem Teil der vorliegenden Untersuchung wider. Wir versuchen also in diesem Teil anhand der von Husserl nicht vollständig durchgeführten Analysen aus vielen Stellen der Spätmanuskripte die Phänomenologie der Instinkte im fernen Vergangenheitshorizont zu entwickeln. Die Phänomenologie der Instinkte in diesem Teil kann durch die weitere Explikation der Instinktintentionen im fernen Vergangenheitshorizont ergänzt, vertieft und unter Umständen revidiert werden.

ANMERKUNGEN

I. "Problem der Urvoraussetzungen jeder Weltkonstitution, im voraus für sie richtunggebend. Das Problem des Anfangs der Konstitution. Erstes der Konstitution [ ... ]." (B III 3. I)

2. Im Grunde genommen gilt die Darstellung der Möglichkeit einer einstimmigen Einfühlung als der Zugangsmethode zur seelischen Innerlichkeit der fertigen Subjektivität, die wir an einer Stelle der Ersten Philosophie finden, mutatis mutandis auch für die Einfühlung als

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Vertiefung der Abbauanalyse der Konstitution 161

Zugangsmethode zur seelischen Innerlichkeit des Frühkindes: "Wir haben von ihnen Erfahrung in der Art des Fortgangs in kontinuierlich einstimmiger Bewährung. In fortge­hend einstimmiger Einfühlung sind wir und bleiben wir in der sich selbst bewährenden Gewißheit des unmittelbaren Daseins dieses Menschen vor uns. Alles, was sein Mienenspiel, was seine Worte anzeigen, was sie an Handlungen erwarten lassen und wie die Handlungen verlaufen, alles stimmt wohl zusammen und bildet ein System der Selbstbestätigung." (VIII, 187)

3. K. Held, "Das Problem der Intersubjektivität und die Idee einer phänomenologischen Transzendentalphilosophie" , hat die Frage aufgeworfen, ob das Problem der Intersubjektivität genetischer Natur sei. Er hat diese Problematik weitergeführt in: "Heimwelt, Fremdwelt, die eine Welt" (wird erscheinen in: Phänomenologische Forschungen 24 (1991».

4. P. Natorp, Allgemeine Psychologie nach kritischer Methode. Erstes Buch: Objekt und Methode der Psychologie. Tübingen 1912, S. 193. Zitiert nach I. Kern, Kant und Husserl. Den Haag 1964, S. 367.

5. I. Kern, a.a.O., S. 371. 6. Gerade in diesem Sinne lesen wir eine Stelle: "Aber wie weit reicht solche Rekonstruktion

hinsichtlich Geburt (bzw. evtl. vor <der> Geburt) und Tod (nach dem Tod)?" (XV, 609) 7. Allerdings bildet die Frage, wie die Ergebnisse der Einzelwissenschaften in die phänome­

nologische Forschung konkret einbezogen werden können, die große Aufgabe der "Phänomenologie der phänomenologischen Reduktion".

8. L. Landgrebe, "Husserls Abschied vom Cartesianismus", in: Der Weg der Phänomenologie. Gütersloh 1963, S. 163-206.

9. E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. Berlin 1970, S. 217. 10. ebd. 11. H.-U. Asemissen, Strukturanalytische Probleme der Wahrnehmung in der Phänomenologie

Husserls. Kant-Studien Ergänzungsheft 73. Köln 1957, S. 97. 12. Vgl. dazu auch R. M. Zaner, The Problem of Embodiment. The Hague 1964, S. 198 ff,

wo dieser M. Merleau-Ponty wegen des Mangels an methodischem Bewußtsein kritisiert. 13. Beispielsweise J. Thyssen, "Zur Neubegründung des Realismus in Auseinandersetzung

mit Husserl", in: Zeitschrift für philosophische Forschung 7 (1953), S. 145-170,368-385; ders., "Das Problem der transzendentalen Subjektivität und die idealistischen Theorien", in: Kant-Studien 50 (1958/1959), S.l8-36; B. Waldenfels, Das Zwischenreich des Dialogs. Sozialphilosophische Untersuchungen in Anschluß an Husser/. Den Haag 1971 (Dort trägt das erste Kapitel den Titel: "Egozentrik und transzendentaler Solipsismus".); weiterhin M. Theunissen, Der Andere. BerlinlNew York 1970 (Dieser hat dort den ersten Paragraphen mit dem Titel "Die Grundbestimmung der egologisch betrachteten Subjektivität" versehen.)

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KAPITEL 11

Der Rückgang auf den Uranfang der transzendentalen Genesis und die Entdeckung des angeborenen

U rinstinktes

1. DER ANGEBORENE URINSTINKT ALS DER URANFANG DER

TRANSZENDENTALEN GENESIS

Husserl äußert an einer Manuskriptstelle über die Notwendigkeit der Existenz des Anfangs der transzendentalen Genesis: "Aus der Wesensart der beständigen Genesis muß gezeigt werden die Notwendigkeit einer Genesis, die anfan­gend konstituierend ist. Inmitten stehend der schon weIterfahrenden Konstitution finde ich Habitualitäten und verflochten mit Instinkten. Ich kann da wohl von Urstiftung etc. als Wesensform der Genesis sprechen." (B III 3, 7) Beim Anfang der transzendentalen Genesis handelt es sich nach Husserl um den "Anfang des wachen transzendentalen Ego" (B III 3, 1), also den Anfang "in der Form: erwachendes Ich, das noch nicht Ich im menschlichen natür­lichen Sinne ist, noch nicht eine Umwelt hat und Ichsubjekt der Umwelt ist [ ... ]." (e 8 I, 3) Und er bezeichnet an einer weiteren Manuskriptstelle den Anfang der transzendentalen Genesis, der die Urvoraussetzung für die tran­szendentale Genesis bilden soll, als die "transzendentale Geburt" (E III 9, 4).1

Die transzendentale Geburt als der Anfang der transzendentalen Genesis darf dabei mit der Geburt im gewöhnlichen Sinne, d.h. mit der Geburt des men­schlichen Kindes nicht verwechselt werden. Die Geburt bedeutet zwar einen Anfang, nämlich den Anfang des menschlichen Lebens, aber sie ist noch nicht der Anfang der transzendentalen Genesis. Denn das neugeborene Kind ist, wie es an einer Stelle heißt, "schon erfahrendes Ich einer höheren Stufe, es hat schon Erfahrungserwerbe vom mutterlichen Dasein her, es hat schon seine Wahrnehmungen mit Wahrnehmungshorizonten. Daneben neuartige Daten, Abhebungen in den Sinnesfeldern, neue Akte, neue Erwerbe auf dem Untergrund, der schon Vorerwerb ist, es ist schon Ich der höheren Habitualitäten." (XV, 605) Darum folgert Husserl: "In der Erkenntnis, daß wir somit nicht an einem Anfang stehen, wenn wir von Abhebung und Affektion wie in dieser Mitte sprechen, müssen wir fragen, wie ein wirk­licher Anfang der Konstitution des Ego für sich selbst und des immanenten

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Uranfang der transzendentalen Genesis und angeborenen Urinstinkte 165

Generation, also als die Erbmasse. "In der Geburt, im 'urinstinktiv' anfan­genden und verlaufenden Anfangs-Wachleben sind die eintretenden Asso­ziationen, Deckungen, Identifikationen zu interpretieren - aber wie? 'Erbmasse' ohne Erinnerung und doch eine Art 'Erfüllung' von Weckungen etc." (K III 11,4) und: "Der Urhorizont, die Erbmasse ist in ihrem Ursinn Leerhorizont." (XV, 604)

Die These von den angeborenen Urinstinkten als Erbmasse versucht er dabei durch die soeben erörterte Methode der Rekonstruktion zu begründen. Die Methode besteht darin, ausgehend vom Phänomen der Sedimentierung, welche im konstitutiven Prozeß der fertigen Subjektivität festzustellen ist, durch die Analogisierung eine ähnliche Struktur der Sedimentierung in der Genesis der angeborenen Urinstinkte zu erkennen. Um das Wesen der Urinstinkte in ihrer Genesis, wie Husserl sie verstanden hat, zu begreifen, ist es daher notwendig, die Lehre von der Sedimentierung, welche er im Rahmen der Phänomenologie der Assoziation entwickelt hat, zu berücksichtigen.

Eine Erfahrung eines Ego, z.B. eine äußere Wahrnehmung, verschwindet nach ihrem Auftreten im Bewußtseinsfeld nicht spurlos aus diesem, sondern sie sedimentiert sich zu dessen praktischer Möglichkeit. Die praktische Möglichkeit ist also nichts anderes als der sedimentierte Niederschlag der früheren Erfahrungen, ist somit das Erbe der Vergangenheit. Die Genesis der praktischen Möglichkeit als des Erbes der Vergangenheit ist dabei, was für unseren Problemzusammenhang von entscheidender Bedeutung ist, ohne die beständige Auswirkung der Assoziation unmöglich. Die Assoziation ist die genetische Urquelle der Genesis der praktischen Möglichkeit. Den untrennbaren Zusammenhang zwischen der Sedimentierung und der Assoziation bringt Husserl an einer ManuskriptsteIle auf folgende Formel: "Wo diese Assoziation nicht ihr Werk tut, da kann sich nichts sedimentieren [ ... ]. (C 16 V, 8)

Das Phänomen der Assoziation als die Bedingung der Möglichkeit der Sedimentierung ist aber ohne das Affektionszentrum undenkbar, auf das als das Einheitszentrum sich die beiden Glieder der Assoziation beziehen. Das Affektionszentrum ist bei den Assoziationen, welche oberhalb der geneti­schen Konstitution der Empfindungshyle, also bei der reproduktiven und induktiven Assoziation zwischen den Wahrnehmungsdingen und bei der Urassoziation zwischen den Empfindungsdaten, das reine Ich. Das reine Ich ist aber nicht das einzige Affektionszentrum. Wie im zweiten Teil dargestellt wird, waltet im urpassiven Zeitstrom das Vor-Ich als der genetische Untergrund des reinen Ich, das wir mit Husserl als einen "Ich pol [als] Pol von ursprünglichen Instinkten" (E III 9, 18) bestimmt haben. Dabei darf nicht übersehen werden, daß diese ursprünglichen Instinkte im urpassiven Strom, wie dort gezeigt, gerade die ursprüngliche Affektion als "eine Weise des leeren, des noch der 'Zielvorstellung' entbehrenden Strebens" (C 16 IV, 11) darstellen. Danach zeigt sich das Vor-Ich schon als ein Affektionszentrum. Dies besagt nichts anderes als, daß die Assoziation schon auf der leiblichen oder bio­psychischen Ebene beständig ihre konstitutive RoHe spielt. Es handelt sich

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166 Dritter Teil

dabei um eine unbewußte oder vorbewußte Affektion, welche in sich keinen Zug der objektivierenden Vorstellungsintention einschließt.

In seiner Darstellung der Phänomenologie der Assoziation bei Husserl ist Holenstein in seinem Buch Phänomenologie der Assoziation die Idee einer ursprünglichen Instinktaffektion als einer unbewußten oder vorbewußten Affektion im urpassiven Zeitstrom und als eine notwendige Folge davon die Idee einer Assoziation im selben Zeitstrom, d.h. die Idee einer voraffektiven Assoziation, offensichtlich nicht deutlich geworden. So vertritt er die Ansicht, daß "die voraffektive Assoziation" im urpassiven Zeitstrom, welche die genetische Vorbedingung der affektiven Urassoziation zwischen den hyleti­schen Daten bildet, sich "als phänomenologisch höchst problematisch" entpuppe4• Um die Fragwürdigkeit einer voraffektiven Assoziation zu zeigen, bemerkt er an derselben Stelle: "Einheiten, die sich für sich bilden und erst nachträglich das Ich affizieren, sind Substruktionen, mit denen die Sphäre der Phänomenologie überschritten wird."s Mit dieser Bemerkung hat er völlig recht. Aber bei der voraffektiven Assoziation, welche in der Spätphilosophie Husserls als die genetische Vorbedingung für die affektive Assoziation eingeführt wird, handelt es sich nicht, wie er meint, um eine "Affektion" als die genetische Quelle derjenigen "Einheiten, die sich für sich bilden und erst nachträglich das Ich affizieren" sollen. Vielmehr handelt es sich bei der voraffektiven Assoziation ausschließlich um die Uraffektion der nicht objektivierenden Instinktintention im urpassiven Zeitstrom, welche sich nicht­vorstellungsmäßig , d.h. in diesem und nur in diesem Sinne vorbewußt oder

, unbewußt vollzieht. Die voraffektive Assoziation ist, wie oben gesagt, ausschließlich das Werk des Ich, konkreter gesagt, das Werk des Vor-Ichs als des Affektionszentrums im urpassiven Zeitstrom. Übrigens ist in diesem Zusammenhang Holensteins Auffassung unhaltbar, daß "in den Vorlesungen zur genetischen Logik [ ... ] Husserl die voraffektive Einheitsbildung nur zur Diskussion"6 stelle. Die "voraffektive" Assoziation bildet, wie wir dargestellt haben, ein wichtiges Thema der Phänomenologie der Instinkte in der Spätphilosophie Husserls. Nach unserer bisherigen Darstellung erweist sich die Ansicht Holensteins als unhaltbar, daß in der Assoziations- bzw. Affektionslehre von Husserl "zu künstlich von ihrer [der Affektion] vitalen und emotionalen Bedeutung abstrahiert [wird], die für ihren qualitätsmäßigen Inhalt konstitutiv ist, wie das in Merleau-Pontys Phänomenologie der Wahrnehmung zur Geltung gebracht wird."? Weit entfernt von der Ansicht Holensteins hat Husserl in der Spätphilosophie und zwar vor allem durch die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte über die "vitale und emotionale Bedeutung" der Affektion ernster als andere Phänomenologen nachgedacht.

Das Vor-Ich im urpassiven Zeitstrom ist ein Affektionszentrum; die Assoziation vollzieht sich also schon auf der leiblichen und bio-psychischen Ebene. Danach ist es möglich, das Phänomen der Sedimentierung schon auf der leiblichen und bio-psychischen Ebene zu beobachten. Der ganze Lebensprozeß zeigt sich danach schon auf der bio-psychischen Ebene als ein Prozeß der Sedimentierung oder der Beerbung des vorangegangenen Lebens.

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Uranfang der transzendentalen Genesis und angeborenen Urinstinkte 167

Die Eizelle und die Samenzelle, deren Verschmelzung die transzendentale Geburt eines neuen transzendentalen Ego hervorbringt, bilden danach ein Affektionszentrum, in dem die ganze Erfahrung bzw. die transzendentale Vorgeschichte des betreffenden Ego sedimentiert ist. "Der ganze Prozeß, der der phylogenetischen Entwicklung entspricht, ist in jeder Keimzellenmonade, die zur Geburt kommt, sedimentiert. Jede in diesem Zusammenhang fungierende Monade hat an ihrer Stelle ihre Sedimentierung als Entwick­lungserbschaft." (XV, 609) Die angeborenen Urinstinkte eines Ego sind also nichts anderes als die Erbmasse, d.h. der sedimentierte Niederschlag des ganzen monadischen Lebens der früheren Generation und vor allem der Eltern, welcher sich genetisch auf das Phänomen der Assoziation auf der biologischen Ebene zurückführen läßt.

Es ist kein Zufall, daß Husserl an einer Manuskriptstelle8 aus den dreißiger Jahren die ursprünglichen Instinkte im Hinblick auf ihre Genesis als eine Habitualität bezeichnet. Genetisch betrachet besteht also zwischen dem angeborenen Urinstinkt und der erworbenen Habitualität kein wesentlicher Unterschied. Beide stellen gemeinsam den sedimentierten Niederschlag, also das Erbe der vergangenen Erfahrung, dar. So ist der angeborene Urinstinkt als eine bestimmte Form der Habitualität kein "festes" Ding, welches nicht mehr dem Schicksal der Umwandlung und Änderung ausgesetzt wäre. Sondern er kann sich insofern unendlich weiter umwandeln, als die Erfahrung des transzendentalen Ego sich unendlich weiter verändern kann.9

Die Gattungsgemeinschaft zwischen dem angeborenen Instinkt und der übrigen Habitualität in genetischer Hinsicht bildet gerade den Grund dafür, daß Husserl in der Spätphilosophie den Begriff des Instinktes nicht ausschließlich für den angeborenen Urinstinkt vorbehält, sondern vielmehr ihn als einen Oberbegriff betrachtet, welcher alle Triebphänomene umfaßt, also nicht nur den angeborenen Urinstinkt, sondern auch den aus diesem entwickelten höheren Trieb, erworbene Triebe wie die Tendenz, das Streben, die Neigung, den Hang usw. umfaßt. lO Im Hinblick auf den genetif>chen Ursprung betrachtet stellen alle diese verschiedenen Phänomene bloß die verschiedenen Modi der Habitualität, also des Instinktes dar.

Ebenso wie die erworbene Habitualität als der sedimentierte Niederschlag auf der oberen Konstitutionsstufe der fertigen Subjektivität die praktische Möglichkeit heißt, sind die angeborenen Urinstinkte im urpassiven Strom als das sedimentierte Erbe der Erfahrung der früheren Generation die urpraktische Möglichkeit, d.h. das "Urvermögen" des zur transzendentalen Geburt kom­menden Ego, worauf alle praktischen Möglichkeiten als das Vermögen des fertigen Subjektes genetisch zurückweisen. Die angeborenen Urinstinkte als die urpraktischen Möglichkeiten, als das "Urvermögen" des transzendentalen Ego, sind wie die anderen praktischen Möglichkeiten des fertigen Subjektes bereit, in eine Tätigkeit überzugehen. Dieser Übergang bedeutet nichts anderes als das Wach werden eines angeborenen Instinktes, also dessen Enthüllung. Durch die Enthüllung bilden die angeborenen Urinstinkte, wie unten in der Aufbauanalyse der genetischen Konstitution der Welt ausführlich dargestellt

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168 Dritter Teil

wird, schließlich die Grundlage der Bildung der praktischen Möglichkeiten des fertigen Subjektes. "Vermögen ist kein leeres Können, sondern eine positive Potentialität, die jeweils zur Aktualisierung kommt, immerfort in Bereitschaft ist, in Tätigkeit überzugehen, in eine Tätigkeit, die, wie sie erlebnismäßig ist, auf das zugehörige subjektive Können, das Vermögen zurückweist. [ ... ] Schließlich weist alles verständlich zurück auf Urvermögen des Subjekts [ ... ]." (IV, 255) Danach zeigen sich die angeborenen Urinstinkte als "die urtümlichen wesensallgemein alle Entwicklung bestimmenden Urtriebe, Uraffektionen" (E III 9, 4, 1933).

3. DER ANGEBORENE URINSTINKT ALS DER INSTINKT DER SELBSTERHALTUNG

UND ZUGLEICH DER INSTINKT DER WELTLICHKElT

Die angeborenen Urinstinkte dienen alle der Erhaltung des Vor-Ich. "Normaler­weise kommen schon auf der niedersten Stufe menschlichen, ja tierischen Lebens die ursprünglich instinktiven, periodisch wiederkehrenden Bedürfnisse zur Befriedigung und folgt der Selbsterhaltungstätigkeit und ihrer Erfüllung in dieser Hinsicht eine Muße, die also auch Periodizität ursprünglich und normal hat." (A V 24,18, 1935) Die angeborenen Urinstinkte im Uranfang der transzendentalen Genesis bestimmen sich demnach als die Instinkte der Selbste rhaltung.

Wenn man im Hinblick auf die mannigfaltigen angeborenen Urinstinkte von der Besonderheit des Inhaltes, auf die der jeweilige Instinkt gerichtet ist, absieht und den Blick ausschließlich auf das Ichzentrum richtet, ist es möglich, die verschiedenen angeborenen Urinstinkte als die Sondergestalten des einen Instinktes, nämlich als die des Instinktes der Selbsterhaltung, zu begreifen. Danach zeigt sich der Instinkt der Selbsterhaltung als der "universale InstinktlI, der alle Sonderinstinkte synthetisch vereinheitlicht" (A VI 34,37, 1931), somit als "der Totalinstinkt, der alle Sonderinstinkte umfaßt und da durch ihre Sonderenthüllungen, bzw. die Sonderkonstitutionen hindurch wirkt." (E III 9, 18, 1932) Es handelt sich beim Instinkt der Selbsterhaltung als dem universalen Instinkt um einen "'allgemeinen' Hunger, die Allgemeinheit des Triebes, die jeder Besonderheit vorangeht [ ... ]." (E III 10, 6) Wegen des universalen Zuges12 können wir den Instinkt der Selbsterhaltung als die "Form des Instinktes" bezeichnen und die Sonderinstinkte als deren konkrete Inhalte: "'Form des Instinktes' - universale Form der noch unbestimmten Affektion und Tendenz der differenzierenden Annäherung in den zugehörigen Kinästhesen. Innerhalb dieser Form die Sonderinstinkte in der ihnen zuge­hörigen Gesamtsynthesis und den einzelnen zugehörigen Sondersynthesen." (A V 5, 199)13

Das Vor-Ich im Uranfang der transzendentalen Genesis braucht, um sich selbst zu erhalten, einen beständigen Umgang mit der Welt als dem universalen Boden der Selbsterhaltung. Die angeborenen Instinkte bilden dabei gerade das Mittel für diesen Umgang. Dadurch zeigen sich die ange-

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borenen Urinstinkte, welche wir soeben als die Instinkte der Selbsterhaltung bestimmt haben, als die Instinkte der Weltlichkeit l4 • Im Hinblick auf diese Instinkte der Weltlichkeit muß man dem Mißverständnis vorbeugen, sie umfaßten etwa nur eine bestimmte Gruppe von Urinstinkten, welche sich durch den Zug der Weltlichkeit von anderen, d.h. nicht-weltlichen Instinkten unterscheiden. Vielmehr handelt es sich beim Begriff der Instinkte der Weltlichkeit um die allgemeine Wesensstruktur der angeborenen Instinkte als der "weltlich gerichteten Instinkte" (E III 3, 4). D.h. die angeborenen Instinkte sind von Anfang an die Instinkte der Weltlichkeit. Denn: "Die Instinkt­intentionalität der Monaden gehört zu ihrem weltlichen Sein und Leben, ihre Erfüllung ist weltlich gerichtet." (e 8 11, 1) Danach zeigt sich, daß die Instinkte der Weltlichkeit gerade die Kehrseite der Instinkte der Selbsterhaltung darstellen. Als eine notwendige Folge davon ist es möglich, wie im Fall der Instinkte der Selbsterhaltung vom universalen Instinkt der Weltlichkeit im Singular als einem alle Instinkte der Weltlichkeit umfassenden totalen Instinkt zu sprechen.

Die angeborenen Urinstinkte, welche sich als die Instinkte der Welt1ichkeit zeigen, sind die Urvermögen des Vor-Ich im Uranfang der transzendentalen Genesis, die intentionale Beziehung auf die Welt erst herzustellen. Dem Wesen nach hat die Instinktintentionalität, wie im zweiten Teil dargestellt wurde, immer die teleologische Funktion, sie ist ein Gerichtetsein auf das Weltliche als das Telos. Danach bezeichnet Husserl in der Spätphilosophie den ange­borenen Urinstinkt als den letzten teleologischen Grund des transzendentalen Ego: "Diese angeborenen Urwesen, die Uranlage des Ich vorausgesetzt für alle Konstitution. In ihr statisch und 'genetisch' beschlossen ist die konstituierte Welt mit ihren Wesensformen, bzw. das Universum der Rationalität. So ist die angeborene Anlage der Subjektivität das Irrationale, das Rationalität möglich macht, oder es hat seine Rationalität darin, der 'teleologische Grund' für alles Rationale zu sein." (E III 9, 4) Ebenfalls in diesem Sinne heißt es im weiteren Verlauf des Manuskriptes: "Jedes transzendentale Ich hat sein Eingeborenes - eingeboren trägt es den 'teleologischen' Grund für sein strömend konstituierendes transzendentales Leben in sich, in welchem es Welt zeitigend sich selbst als Menschen zeitigt." (E III 9, 7) Die Teleologie der angeborenen Urinstinkte ist im echten Sinne das letzte Urstück der tran­szendentalen Teleologie eines Ego. Aus ihr geht auch das Urstück der transzendentalen Teleologie der Instinktintention der fertigen Subjektivität, d.h. die Teleologie im urpassiven Zeitstrom der lebendigen Gegenwart hervor.

Die angeborenen Instinkte als der teleologische Grund aller Konstitution bilden die ursprüngliche Triebkraft aller transzendentalen Konstitution; sie sind es, "die schon sehr komplexe Konstitution in einem Schlag vorzeichnen und zur Erfüllung bringen [können]." (XV, 611) Die Konstitution der Welt ist ohne die angeborenen Urinstinkte als den letzten teleologischen Grund unmöglich. "Stufen von Instinkten, von ursprünglichen Trieben, Bedürfnissen [ ... ], systematisch aufeinander gestuft, über sich hinausweisend auf höhere Stufen. Das ist eine Teleologie, aus der die apodiktische Welthabe allein

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170 Dritter Teil

entspringen kann und gehört in ihrer Form als diese Teleologie selbst zu den apodiktischen Beständen." (E III 9, 5)

ANMERKUNGEN

1. In diesen Zusammenhang gehören auch folgende Stellen: "Grundüberlegung für das 'Ich' - das als Ausgang für die Frage nach der Geburt. 'Entwicklung' und Urwachfeld." (K III 11, 1) "Urschöpferische Akte, die an sich ersten - wie steht dies dazu: das Urerwachen (Geburt)?" (K III 11, 2)

2. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Möglichkeit der Verschmelzung und Auflösung der Monaden im transzendentalen Monadenall Husserl bei der Vertiefung der genetischen Phänomenologie schon Anfang der zwanziger Jahre beschäftigt hat: "Problem der Möglichkeit der Verbindung und Trennung von Bewußtseinsströmen und der Vereinheitlichung und Vervielfaltigung. Ihre Zentrierung als ein Ich bzw. als mehrere Ich. Monaden sich verbindend (verschmelzend) zu einer Monade oder sich trennend in mehrere Monaden." (XIV, 300) Dieses Problem versucht er am konkreten Beispiel des biologischen Phänomens näher zu analysieren, indem er weiter ausführt: "Kann es nun Sinn haben zu sagen, mehrere Töne konstituieren sich, jeder für sich und jeder für sein Ich, aber diese Ich decken sich in der Identitätseinheit des Ich, und es sei denkmöglich, daß diese Deckung aufgehoben wird (Polyp) und dann jedes zu einem anderen Ich gehört; oder zu sagen, es sei ein ichloses 'Bewußtsein' möglich, und solches Bewußtsein könne ver­schmelzen, aber auch sich völlig trennen, evtl. dann nach der Trennung sich wieder verschmelzen?" (XIV, 301) Vgl. dazu D. Mahnke, Eine neue Monadologie, in: Kant-Studien. Ergänzungsheft 39 (1917), wo die selbe Problematik behandelt wird.

3. "Das Unbewußte, der sedimentierte Untergrund des Bewußtseins, der traumlose Schlaf, die Geburtsgestalt der Subjektivität bzw. das problematische Sein vor der Geburt, der Tod und das 'nach dem Tode'." (XV, 608)

4. E. Holenstein, Phänomenologie der Assoziation, S. 38. 5. ebd. 6. ebd. 7. a.a.O. S. 37, Anm. 15. 8. Dort bezeichnet er es im Zusammenhang mit der Affektionsproblematik als ein "Manko",

"daß wir das Problem der Verschiedenartigkeit der Interessen nicht in Rechnung gezogen haben, die Fragen des Gemütes und die Fragen der doppelten Habitualität - der erwor­benen und der der ursprünglichen Instinkte." (D 14,23, 1931-1933)

9. Hiermit zeigt sich, daß die genetische Phänomenologie Husserls mit dem evolutionisti­schen Gedanken in Einklang zu bringen ist.

10. V gl. folgende Stellen: "Konkreter Instinkt, Instinkt als Ausdruck für unerfüllten Trieb, Streben - konkreter Instinkt." (E III 3, 5, 1933-1934) "Uber Instinkt (Neigung), instink­tives Hinstreben ('Hinwollen') und Widerwollen und dagegen freier Wille im weiteren Sinn [ ... ]." (E III 9, 10, 1933) "Die Neigungen, die miteinander streiten. Die Neigungen, die Instinkte, die in ihrer möglichen Auswirkung gehemmt sind. Positive Instinkte [ ... ]." (E III 9, 11, 1933)

11. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Instinkt der Objektivierung, anders als A. Diemer, Edmund Husserl, S. 100, meint, nicht der universale Instinkt ist. An einer ManuskriptsteIle bezeichnet Husserl in diesem Zusammenhang ausdrücklich den "Instinkt der Objektivierung als einen Sonderinstinkt" (C 13 I, 12, 1934). Der wirklich universale Instinkt ist der Instinkt der Selbsterhaltung. Näheres dazu vgl. unten S. 175 ff, wo auf dieses Problem eingegangen wird.

12. Das Problem des Zusammenhangs zwischen dem universalen Instinkt und den Sonderinstinkten beschäftigte Husserl in der Spätphilosophie. So fragt er an einer Stelle: "Hat der Instinkt Teile, ist er ein Komplex?" (E III 3, 5) Ein andermal bezeichet er den

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"Instinkt" im Singular als allgemeinen "Ausdruck für verschiedene Sonderinstinkte" (C 13 I, 13). In dem selben Manuskript spricht er von einem totalen "Instinkt sich in allem Aktieben auswirkend [ ... ]." (C l3 I, 9)

l3. An anderer Stelle schreibt Husserl: "Das Allgemeinste des Triebes und zunächst des Urtriebes ist die Form eines unwillkürlichen Triebverlaufes, der aber konkret nur ist mit einem Inhalt, dem in Steigerung oder Minderung erfüllenden (enttäuschenden)." CA VII l3, 23)

14. Der Begriff der "Instinkte der Weltlichkeit" findet sich an einer ManuskriptsteIle aus den dreißiger Jahren, wo das Problem der konstitutiven Momente des urpassiven Zeitstroms behandelt wird. Dort heißt es: "Die individuelle Genesis findet die Wege, die Instinkte der Weltlichkeit zu erfüllen und dafür müssen Bedingungen schon erfüllt sein und sind erfüllt." (A VI 34, 34)

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B. DER AUFBAU DER KONSTITUTION DER WELT UND DIE WESENSBESTIMMUNG DER LEBENSWELT

KAPITELl

Die Enthüllung der angeborenen Instinktintention und die Bildung des Apperzeptionssystems der Welt

1. DIE AUSWIRKUNG DER ANGEBORENEN INSTINKTINTENTION UND DIE

BILDUNG DER ERSTEN WELT DES VOR-IcH IM MUTTERLEIB

Die angeborenen Urinstinkte, mit welchen im Uranfang der transzendentalen Genesis als den Urvermögen das Vor-Ich ausgestattet ist, zeigen nicht alle schon von Anfang an den Modus der Aktualität. Vielmehr zeigen die meisten Urinstinkte im Uranfang einen bloßen Modus der Potentialität und müssen lange Zeit warten, bis sie sich auszuwirken beginnen, so beispielsweise der Instinkt der Neugier oder der Geschlechtsinstinkt. Aber schon im Uranfang der transzendentalen Genesis fangen einige für die Erhaltung des Vor-Ich unent­behrliche Instinkte an, vom Zustand der bloßen Potentialität in den der Aktualität überzugehen. Diesen Übergang beschreibt Husserl an einer Manuskriptstelle folgendermaßen: "Die angeborenen Instinkte - die wach werdenden Instinkte im Strömen der 'passiven', der 'ichlosen' , der Urboden konstituierenden Zeitigung. Sie werden 'der Reihe nach wach' - das sagt, von den im Urboden sich konstituierenden Einheiten gehen auf den Ichpol Affektionen aus." CE III 9, 4)

Die Instinktaffektion im Uranfang der transzendentalen Genesis ist eine bestimmte Form des Gerichtetseins des Vor-Ichs auf die Welt, also die ursprünglichste Gestalt der Intentionalität. "In jedem unerschlossenen Instinkt ist", so führt Husserl an einer ManuskriptsteIle aus, "wo er in Aktus ist, die intentionale Richtung da, aber in einen Leerhorizont, der völlig ungeformt ist, auf ein Ziel, das keine vorgezeichnete Bekanntheitsstruktur hat." (E III 9, 22, Herv. v. Vf.) Die Instinktaffektion im Uranfang der transzendentalen Genesis als die ursprünglichste Gestalt der Intention nennt Husserl den Urakt, der den genetischen Urmodus aller Akte darstellen soll: "Urakt, Uraktivität schlechthin, Aktivität in Form der Uranfänge, ist Urmodus von Aktivität überhaupt." (K III 11, 2) Anderweitig schreibt er dementsprechend: "Die ver­schiedenen Urbedürfnisse und daraus entspringenden Formen der Urakte und, in der Stufe der Menschlichkeit, der Handlungen, der habituellen Vorhaben für Handlungen [ ... ]." (A V 24, 17)

173

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174 Dritter Teil

Die Instinktaffektion im Uranfang der transzendentalen Genesis als der ursprünglichste Akt produziert nun die erste Hyle, also die erste "noematische" Einheit, welche als das "Urwachfeld" (K III 11, I) bezeichnet werden kann. l

Dieses Wachfeld, also die erste Hyle als das "noematische" Korrelat der urin­stinktiven Affektion darf dabei nicht als eine noematische Einheit der doxischen Vorstellungsintention mißverstanden werden; in diesem Uranfang gibt es keine doxische Vorstellungsintention. Dementsprechend bezeichnet Husserl, wie oben erwähnt, die erste Hyle als "ein Ziel, das keine vorgezeichnete Bekannt­heitsstruktur hat", und korrelativ die urinstinktive Affektion als eine "inten­tionale Richtung", welche "in einem Leerhorizont" liegen soll, "der völlig ungeformt ist". Die erste Hyle bedeutet dabei das Ganze der "gerichteten" weltlichen Gegenständlichkeit, welches die Intention des angeborenen Urinstinktes erfüllen kann.

Die urinstinktive Affektion verschwindet nach der ersten Erfüllung nicht einfach, sondern sie meldet sich wieder, wenn die Zeit kommt, und sucht wiederum den Weg zur Erfüllung. Die Wiederholung ist also das Wesen der instinktiven Intention. Durch die wiederholte Erfüllung einer Instinktintention bildet sich noetisch ein Spielraum des Vor-Ich, also eine "praktische Möglichkeit" im weitesten Sinne, und dementsprechend noematisch ein "gegenständlicher" Horizont der Urhyle als des "noematischen" Korrelats der Instinktaffektion. In der Anfangsphase der transzendentalen Genesis ist aber nicht nur eine Instinktintention, sondern es sind schon mehrere Instinktintentionen in Auswirkung. Dementsprechend ist es möglich, schon in der Anfangsphase der transzendentalen Genesis noetisch die Bildung verschiedener praktischer Möglichkeiten des Vor-Ich und noematisch verschiedener "gegenständlicher" Horizonte der Urhyle festzustellen.

Die verschiedenen "gegenständlichen" Horizonte des Vor-Ich sind dabei nicht zusammenhanglos, sondern sie schließen sich zu einer höheren, ja der höchsten, Einheit des "gegenständlichen" Horizontes zusammen, welche sie alle einheitlich umspannt. Dieser alle "gegenständlichen" Horizonte umspan­nende höchste Horizont ist nichts anderes als die "Welt" des Vor-Ich: "In ihm vollzieht sich seine Welt, sein Ich und seine strömende konkrete Gegenwart ist sozusagen der Mutterleib, in dem sich aus einem embryonalen Urkeim durch embryonale Stufen hindurch schließlich die erst-kindliche Welt ausbildet und zur Geburt kommt." (e 3 V, 8) Durch die Auswirkung der angeborenen Instinktintentionen konstituiert sich also schon im Mutterleib die Urform der Welt als die genetische Grundlage für die Konstitution der WeIt der fertigen Subjektivität. "Das Erste der 'Ich' -Intention (Zuwendung) und Erfüllung gibt die in der mütterlichen Lebensgeborgenheit und nicht da ein Knall schlechthin etc. Und so ist damit auch die Konstitution der ersten Umwelt von da aus geregelt." (B III 3, 7)

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Angeborenen Instinktintention und Apperzeptionssystems 175

2. DER AUFBRUCH DER DOXISCHEN VORSTELLUNGSINTENTION

Die Urform der Welt in der Anfangsphase der transzendentalen Genesis, welche durch die wiederholte Auswirkung der ursprünglichen Instinktaffektionen konstitutiv zustande gebracht wird, ist, wie gesagt, keine Vorstellungswelt als ein noematisches Korrelat der doxischen Vorstellungsintention. In dieser Anfangsphase der transzendentalen Genesis ist also die Vorstellungsintention noch nicht in Auswirkung. "Das zu Bewußtsein zuerst erwachte Kind hat", so führt Husserl in diesem Zusammenhang aus, "keine Vorstellungswelt, es hat nur die Vorstellungen, die es sich selbst erarbeitet hat und weiter erarbeitet. [ ... ] Hier helfen freilich die ursprünglichen Instinkte als Triebkräfte, aber durch sie selbst ist noch keine Vorstellungswelt in keinem noch so geringen Anfang konstituiert." (XIV, 334)

Die Entstehung der doxischen Vorstellungsintention, durch die die Urform der Welt als das noematische Korrelat der angeborenen blinden Urinstinkte in eine Vorstellungswelt übergeht, ist konstitutionstheoretisch freilich ein großes Ereignis. Ein Modell zur Erklärung des Ursprungs der doxischen Vorstellungsintention bietet der Nativismus. Danach soll es schon im Uranfang der Genesis eine angeborene Leervorstellung geben, welche zunächst den Modus der Unbestimmtheit zeigen und sich nachher in die bestimmten Vorstellungen differenzieren soll. Diese These finden wir in der Psychologie des 19. Jahrhunderts beispielsweise bei I. H. Fichte, der den Instinkt als die "allgemeine Idee der Thierspecies", als die "dem Thiere eingebildete Vorstellung" bestimmt, welche die Handlungen einer Tierspezies leiten sol1.2

Es scheint, daß Husserl an einigen ManuskriptsteIlen im Hinblick auf den Ursprung der doxischen Vorstellungsintention mit der nativistischen These sympathisiert. So fragt er beispielsweise: "Hat die tierische Stufe 'eingeborene' Dingvorstellungen, Weltvorstellungen [ ... ]?" (XV, 184) Mit der Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte hat er aber solche nativistischen Tendenzen fallen lassen; danach betrachtet er nun die Vorstellungsintention nicht mehr als eine unentbehrliche Komponente des unenthüllten Instinktes im Uranfang der transzendentalen Genesis. "Wir müssen also", so führt er in diesem Zusammenhang aus, "phänomenologisch schärfer scheiden Leerhorizonte und Leervorstellungshorizonte. Leerbewußtsein ist als unenthüllt instinktives noch nicht Leervorstellendes. Ich könnte auch sagen, es ist noch keine doxische Thesis da und keine aktive doxische Thesis möglich." (XIV, 334) Es ist danach grundverkehrt, im angeborenen Urinstinkt im Uranfang der transzendentalen Genesis eine unbestimmte Leervorstellung feststellen zu wollen, denn: "Es fehlt noch die Bekanntheit und ihr Gegenteil, die Unbekanntheit, sondern statt dessen haben wir Privation der Bekanntheit." (XIV, 334) So verurteilt Husserl in der Spätphilosophie den Nativismus: "Es ist der Grundfehler des schlechten Nativismus, daß er, abgesehen von seiner sensualistischen Unfähigkeit, die Methode der Intentionalstrukturanalyse zu verstehen, angeborene 'Vorstel­lungen', wenn auch sehr unbestimmt allgemeine, voraussetzt und aller Entwicklung nur die Funktion zumißt, diese unbestimmte Allgemeinheit näher

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176 Dritter Teil

zu bestimmen. Man ist noch nicht Phänomenologe, wenn man 'Leervor­stelIungen' anführt und in den Erklärungen auf Intentionalität rekurriert." (XIV, 335)

Die Vorstellungsintention ist nach Husserl keine mit der transzendentalen Geburt des Ich diesem angeborene Intention, sondern sie stellt ausschließlich den Erwerb des Ich dar. Die genetische Urgestalt der doxischen Vorstel­lungsintention, welche den Modus der Unbestimmtheit zeigt und sich nachher in die bestimmten Vorstellungen näher differenzieren kann, bildet in diesem Sinne keine Ausnahme. Sie stelIt kein letztes Faktum dar, welches im Uranfang der transzendentalen Genesis dem Vor-Ich einfach vorgegeben ist und daher sich genetisch nicht mehr weiter zurückführen läßt, sondern wie andere VorstelIungen den Erwerb des Vor-Ich.

Husserl betrachtet den genetischen Ursprung der doxischen Vorstel­lungsintention als eine bestimmte Art des Instinktes, nämlich den Instinkt der Objektivierung. So stelIt er schon Mitte der zwanziger Jahre fest: "Und wenn das Kind angeborene Instinkte hat, die auf die Außenwelt, Dinglichkeit gehen, so hat das sicherlich eine große Bedeutung." (XIV, 333) Nach der These vom Instinkt der Objektivierung als dem genetischen Ursprung der doxi­schen Vorstellungsintention ist das Vor-Ich bei der transzendentalen Geburt mit einem angeborenen Urinstinkt der Objektivierung ausgestattet, der zunächst den Modus der bloßen Potentialität zeigt und, wenn die Zeit kommt, schließlich in den Zustand der Affektion übergeht. Dieser Übergang bedeutet zugleich den Anfang der doxischen Vorstellungsintention, nämlich die Entstehung der unbestimmten Leervorstellungsintention, welche die genetische letzte Grundlage für die Konstitution einer VorstelIungsweIt bei der fertigen Subjektivität darstellt. "Tiefere, jetzt noch unzugängliche Betrachtungen zeigen, daß am Anfang jeder menschlichen Entwicklung schon Instinkte liegen, und zwar als universaler Instinkt der auf Kennenlernen der Umwelt und so, daß erst durch diesen Instinkt die Vorstellung einer Umwelt und als Welt einer realen Struktur erwächst, sodaß die Weltvorstellung und die Vorstellung der strukturellen Typen von Objekten und ihrer Verbundenheit nichts anderes ist als Erfüllung dieses Instinktes und jeweils in seinen sonderheitlichen Gestalten. Darin liegt, daß im kindlichen Anfang ein Leben ist, in dem das Kind sich noch nicht und seine sonstige Umwelt vorstellt eben mit dem Weltsinn." (A V 24, 30)

Husserls These vom Instinkt der Objektivierung als dem genetischen Ursprung der VorstelIungsintention stellt insofern zweifellos eine bestimmte Form des Nativismus dar, als sie den Instinkt der Objektivierung als etwas betrachtet, welches im Uranfang der transzendentalen Genesis dem Vor-Ich angeboren ist. So unterscheidet sich diese These strikt von jeglicher Form des einfachen Empirismus, der die doxische Vorstellung als einen Erwerb durch die Erfahrung allein betrachtet. Andererseits unterscheidet sie sich vom, wie Husserl sagt, "schlechten Nativismus", der alIe VorstelIungen als die bloßen Differenzierungen der im Anfang der transzendentalen Genesis angeborenen unbestimmten Leervorstellung betrachtet. "Da ist der große Unterschied von

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Angeborenen Instinktintention und Apperzeptionssystems 177

Erfüllung von Leervorstellungen und Enthüllungen von leer instinktiven Ahnungen." (XIV, 333)

Im Hinblick auf den Instinkt der Objektivierung muß an dieser Stelle eine Unklarheit erörtert werden. Abweichend von unserer Feststellung, daß der Instinkt der Objektivierung ein Sonderinstinkt ist, bezeichnet Husserl an der soeben zitierten Stelle den Instinkt der Objektivierung überraschend als einen "universalen" Instinkt. Näher gesehen besteht aber zwischen unserer Feststellung und der Bestimmung des Instinktes der Objektivierung als eines universalen Instinktes kein echter Widerspruch. Denn jeder Sonderinstinkt zeigt sich in Beziehung auf seine jeweiligen Auswirkungsgestalten als ein univer­saler Instinkt. In diesem Sinne bildet der Instinkt der Objektivierung keine Ausnahme. Dementsprechend trifft Husserl an der oben zitierten Stelle zwischen dem Instinkt der Objektivierung im Singular und "seinen sonder­heitlichen Gestalten" im Plural eine Unterscheidung. Der universale Instinkt eines Ego im echten Sinne ist, wie oben dargestellt, der Instinkt der Selbsterhaltung, d.h. der Instinkt der Weltlichkeit. In Beziehung auf diesen uni­versalen Instinkt im echten Sinne stellen alle Instinkte Sonderinstinkte dar, also dessen Sondergestalten. Der Instinkt der Objektivierung ist also nichts anderes als eine Sondergestalt des universalen Instinktes der Selbsterhaltung oder der Weltlichkeit.

3. ENTHÜLLUNG DES INSTINKTES DER OBJEKTIVIERUNG UND BILDUNG DES

HABITUELLEN ApPERZEPTIONSSYSTEMS

Mit der Enthüllung des Instinktes der Objektivierung setzt sich der Prozeß der Differenzierung der Vorstellungsintention fort. So geht die unbestimmte Leervorstellung in die bestimmtere über, diese wiederum in eine noch bestimmtere usw. So differenziert sich die Vorstellung "etwas überhaupt" in die inhaltlich konkreteren Vorstellungen wie "etwas Haptisches", "etwas Visuelles" usw. und diese wiederum in die inhaltlich noch konkreteren Vorstellungen wie "kalt", "warm", "hell", "dunkel" usw. Es handelt sich beim Übergang der unbestimmten in eine bestimmtere Vorstellung um einen Prozeß der übergreifenden Mehrmeinung, d.h. um einen Prozeß der Bildung eines jeweils immer höheren Apperzeptionssystems.

Die Bildung eines solchen immer höheren Apperzeptionssystems läßt sich dabei auf das Wesen des Instinktes der Objektivierung zurückführen. Wie die Intention des nicht-objektivierenden Instinktes verschwindet die Intention des objektivierenden Instinktes nach der ersten Erfüllung nicht, sondern sie kehrt, wenn die Zeit kommt, wieder zurück. Das Wesen der Intention des objektivierenden Instinktes ist also die Wiederholung. Sie ist es, durch die der Instinkt der Objektivierung enthüllt wird und wodurch ein immer höheres Apperzeptionssystem sich bildet: "Sagt man, uranfänglich ist das Ich im Instinkt mit leerem Horizont, so ist es Wiederholung, durch die Instinkt­enthüllung erfolgt, was im neuen, aber gleichen Streben in ähnlichem Gefühl

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des 'Ungenügens' das Strebensziel und als Ziel eines ähnlichen Erfüllungsweges patent macht. Man wird sagen müssen, daß Wiederholung als Wiederkennen das Ursprünglichste ist und Wiedererinnerung schon ein Sekundäres." ce 13 III, 13)

Erklären wir am Beispiel des visuellen Apperzeptionssystems, wie die Bildung eines jeweils höheren Apperzeptionssystems durch die wiederholte Enthüllung des Instinktes der Objektivierung erfolgt. Nehmen wir an, daß durch die wiederholte Enthüllung des Instinktes der Objektivierung schon auf dem Bewußtseinsfeld sich das erste visuelle Feld Fl konstituiert hat. Durch die weiteren Auswirkungen des Instinktes der Objektivierung konstituiert sich danach eine unendliche Reihe der weiteren visuellen Felder F2, F3, ... , Fn. Der Vorgang der Konstitution einer solchen Reihe von unendlichen visuellen Feldern ist aber kein Prozeß, in dem ein schon konstituiertes visuelles Feld bei der Konstitution des nächsten Feldes VÖllig schwände und wo sich nach dem Abschluß der Konstitution des letzten visuellen Feldes Fn nichts erhielte. Vielmehr steht jedes neu konstituierte Feld mit dem Ganzen der schon konstituierten Felder in einem assoziativen Zusammenhang. So bildet F2 mit Fl, F3 mit FI + F2, Fn schließlich mit FI + F2 + ... + Fn-l einen assozia­tiven Zusammenhang. Durch diesen ganzen Vorgang der Assoziation zwischen den visuellen Feldern konstituiert sich das visuelle Feld F als ein habitueller Erwerb des Ich.

Nach dem universalen Korrelationsapriori entspricht der Reihe von jewei­ligen momentanen visuellen Feldern die Reihe von jeweiligen momentanen noetischen Einheiten; jede von diesen besteht, wie im zweiten Teil dargestellt, aus der doxischen Vorstellungsintention, dem sinnlichen Gefühl, der sinnlichen Kinästhese und dem Instinkt der Objektivierung, wobei der Instinkt der Objektivierung die Triebkraft für die anderen ichlichen Momente bildet, diese Momente dagegen die Orte der Auswirkung jenes Instinktes sind. Die unendlich vielen noetischen Einheiten sind dabei nicht zusammenhanglos, sondern sie bilden wie die unendlichen Felder miteinander einen assozia­tiven Zusammenhang. "Nicht nur hyletische Daten konstituieren sich als Einheiten, auch das konstituierende Leben, auch die Kinästhesen, die Akte des Ich, kurz alles und jedes, was zum Bewußtseinsleben gehört, konstituiert sich vermöge der immerfort wirkenden Assoziationen als Einheit." (A VI 34, 36) Die Assoziation zwischen den noetischen Einheiten darf dabei nicht als eine affektive Assoziation, d.h. als eine Assoziation zwischen den reflektiv "erfaßten" noetischen Einheiten mißdeutet werden, sondern sie muß als eine nicht-affektive Assoziation verstanden werden. Diese Assoziation zwischen den noetischen Einheiten hat schließlich zur Folge, daß diese als die jeweiligen momentanen Einheiten sich zu einem habituellen Apperzeptionssystem habi­tualisieren, welches als die praktische Möglichkeit des Ich dem visuellen Feld als einem bleibenden Erwerb des Ich entspricht. Den Prozeß der Bildung des habituellen Apperzeptionssystems als einer praktischen Möglichkeit, welcher durch die wiederholte Auswirkung des Instinktes der Objektivierung in Gang gesetzt wird, beschreibt Husserl hinsichtlich des kinästhetischen

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Verlaufes so: "Indem Ablauf der faktischen Kinästhesen erfolgt, heben sich die sich wiederholenden Bewegungsgestalten ab, und instinktiv geht nun die Tendenz auf Wiederholung ähnlicher und dann je derselben, auf Wiedererreichung der früheren Kinästhese in einem bei ihr als Telos Verharren, sondern alsbald fortgehende und wiederholende Bewegung, die doch gegliedert ist in Wiederholungen, und so schließlich die Tendenz auf die Benutzung und Übung und Herrschaft, die das verfügbare System konstituiert hat und sich in der Durchlaufung des altvertrauten Systems und am Vermögen, es wieder­holend zu gewinnen, freut. Wir müßten also wohl sagen, der Instinkt, der in der Kinästhese sich auswirkt, geht letztlich auf Konstitution des beherrschten Systems als Einheit einer vermöglichen Zugänglichkeit, beliebiger Wiederzeugbarkeit jeder Lage. So lautet etwa die Konstruktion, wenn es richtig ist, daß jede kinästhetische Sphäre für sich ein instinktiver Zusammenhang ist, der sich für sich auswirken kann, sich enthüllen kann in der Habitualität der Ausbildung eines kinästhetischen Systems und darin beschlossen seiner Teilsysteme." (e 16 IV, 15)

Im Prozeß der Bildung eines habituellen Apperzeptionssystems als einer praktischen Möglichkeit ändert die jeweilige momentane noetische Einheit den Modus der Auswirkung. In den Anfangsphasen zeigt eine solche noetische Einheit den Modus der Aktivität; das Ichsubjekt muß sich mit höchster Anstrengung bemühen, um das jeweilige momentane Feld zu konstituieren. Im weiteren Verlauf ist es aber für das Ichsubjekt möglich, ohne besondere Anstrengungen, d.h. passiv, das jeweilige visuelle Feld zu konstituieren. "Jede ausgebildete Stufe", so führt Husserl aus, "wandelt sich, in ihren immer mehr differenzierten und organisierten Einzelzielungen und Einzeltätigkeiten, in eine neue Passivität um, in ein gewohnheitsmäßiges Tun (die dann 'Mechanisierung' in einem schlechten Gleichnis genannt wird oder auch Dressierung). Es ist die Passivität der Gewohnheit aus Übung [ ... ]." CA VI 34, 36)

Wie oben gesagt, verschwindet die Intentionalität des objektivierenden Instinktes nach der ersten Erfüllung nicht einfach, sondern sie kehrt wieder zurück, wenn ihre Zeit kommt. Vom Standpunkt des Instinktes der Objektivierung aus besagt der Wandel der noetischen Einheit vom Modus der Aktivität in den der Passivität, daß das visuelle Feld F, das durch die "Übung", die "Mechanisierung", dem Ichsubjekt bekannt ist, nicht mehr eine Gegenständlichkeit darstellt, welche die Intentionalität des objektivierenden Instinktes erregen kann. Die Erfüllung der Intentionalität des objektivierenden Instinktes durch die Konstitution des visuellen Feldes F als eines bleibenden Erwerbs des Ich bedeutet nicht das völlige Verschwinden jener Intentionalität, sondern im Gegenteil einen neuen Anfang der Enthüllung derselben Intentionalität. "Die ersten instinktiven Erfüllungen sind noch nicht die End-Erfüllung der Instinkte [ ... ]; die instinktive Freude am Sehen ist ein Prozeß instinktiver Intentionen und Erfüllungen, und die Erfüllungen lassen immer noch etwas offen: der Instinkthorizont geht weiter. Indem sich weltliche Einheiten konstituieren als habituelle Zugangseinheiten von demselben [ ... ], bekommen die instinktiven Strebenshorizonte immer neue Vorzeichnungen,

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eben dadurch, daß immer neue Erfahrung (die neu konstituierende) neue Erfüllung bringt für das, was noch Unerfülltheit war." (A VI 34, 34-36)

Nach dem Abschluß der Bildung des habituellen Apperzeptionssystems für das visuelle Feld F wird das Ichsubjekt notwendig dazu gezwungen, eine noch höhere Stufe der visuellen Gegenständlichkeit zu konstituieren, so daß die beständig sich auswirkende Intentionalität des Instinktes der Objektivierung ihren Weg zur Erfüllung finden kann. Es handelt sich in unserem Beispiel um die Konstitution der Empfindungsdaten, weIche als die differenzierten Gestalten des visuellen Feldes F die um eine Stufe höheren apperzeptiven Einheiten darstellen. Durch die wiederholte Enthüllung der Intentionalität des objektivierenden Instinktes und die damit verbundene Assoziation kon­stituieren sich auf der noematischen Seite verschiedene Empfindungsdaten als bleibende Erwerbe des Ich; parallel dazu bilden sich auf der noetischen Seite die verschiedenen habituellen Apperzeptionssysteme als neue Einheiten der praktischen Möglichkeiten, die den verschiedenen Empfindungsdaten als den bleibenden Erwerben entsprechen.

Mit dem Abschluß des Prozesses der Bildung der neuen habituellen Apperzeptionssysteme tritt erneut für den Instinkt der Objektivierung die Notwendigkeit auf, einen neuen Weg der Enthüllung zu finden. Mit der beständigen Auswirkung, Enthüllung und Erfüllung des objektivierenden Instinktes setzt sich der Prozeß der Bildung von immer neuen und höheren Apperzeptionssystemen fort. "Jede höhere Stufe beginnt mit dem Versuch, das Bessere [ ... ] zu verwirklichen. Aber das Bessere hat in der Erfahrung wieder Besseres, es bilden sich 'Spielräume' praktischer Möglichkeiten aus und Wahl des Besten, es zu verwirklichen." (A VI 34, 36) Der objektivierende Instinkt ist also die letzte Triebkraft der Bildung der unendlich vielen habituellen Apperzeptionssysteme auf einem Bewußtseinsfeld.

4. DIE ENTHÜLLUNG DER NICHT-OBJEKTIVIERENDEN INSTINKTINTENTION UND

DIE BILDUNG DES HABITUELLEN SYSTEMS DER WERTAPPERZEPTION

Die Entstehung der doxischen Vorstellungsintention ist in konstitutiver Hinsicht ein wichtiges Ereignis. Die Vorstellungsintention bildet die konstitutive Grundlage nicht nur für die Bildung des objektivierenden Apperzep­tionssystems, sondern darüber hinaus auch für die Bildung desjenigen Apperzeptionssystems, weIches sich genetisch auf die Auswirkung der Intentionalität des nicht-objektivierenden Instinktes zurückführen läßt.

Die nicht-objektivierende Instinktintention wirkt sich schon vor der Entstehung der doxischen Vorstellungsintention aus und findet dadurch den Weg zur Erfüllung, ohne daß sie dabei mit dem Bewußtsein der Gegen­ständlichkeit, worauf sie gerichtet ist, verflochten wäre. Da die nicht­objektivierende Instinktintention ohne Verflechtung mit der doxischen Vorstellungsintention dadurch schon patent wird, bezeichnet Husserl die bloße Auswirkung und Erfüllung dieser Intention ohne Verflechtung mit der

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Vorstellung der gegenständlichen Richtung als eine bestimmte Form der Enthüllung, nämlich als die "Erfüllungsenthüllung" (C 13 11, 15), d.h. die "Enthüllung des Triebes in der Erfüllung" (C 16 IV, 16). Die nicht-objek­tivierende Instinktintention, welche sich bloß im Zustande der "Erfüllung­senthüllung" befindet, ist ein "blinder" Instinkt. Denn sie charakterisiert sich durch den Mangel an Vorstellung von der Gegenständlichkeit, auf die sie sich bezieht. Es handelt sich dabei um "das instinktive Streben und Sich-auswirken, das schon nach Enthüllung seiner ersten Erfüllungsziele blinde" (E III 9, 19).

Von der "Erfüllungsenthüllung" unterscheidet sich eine zweite Form der Enthüllung, nämlich diejenige der Richtung der Gegenständlichkeit, auf die sich die nicht-objektivierende Instinktintention bezieht. Es ist gerade die doxische Vorstellungsintention, welche die Enthüllung der nicht-objek­tivierenden Instinktintention in diesem zweiten Sinne möglich macht. Die doxische Vorstellungsintention übernimmt dabei die Rolle, die Gegen­ständlichkeit, auf die die Instinktintention gerichtet ist, zu objektivieren und verleiht dadurch dieser sozusagen die "Fackel" der Einsicht. Die Objektivierung dessen, worauf die nicht-objektivierende Instinktintention gerichtet ist, ist der Anfang der Entstehung eines apperzipierenden Auffassens im Bereich des nicht-objektivierenden Aktes. "Die objektivierende Konstitution", so Husserl, "verwandelt entsprechend den Modus des instinktiven Strebens in seinem konkreten Sein und dem ihm als Bewußtseinsweise nun eigenen Sinn. Das Essen ist bewußtseinsmäßiges leibliches 'ich tue' und mittels dessen in eins ein mit der Speise das und das Tun; es ist nun ein Handlungsvorgang in der Welt, meiner, des Menschen, der leiblich seinen Leib <hat> und durch seinen Leib in der Welt lebt, in der Welt das und das tut. Nun ist auch im voraus ein Ding meiner außerleiblichen Sphäre, orientiert als dort seiendes, apperzi­piert als 'Speise'." (E III 9, 24)

Durch die wiederholte Auswirkung der nicht-objektivierenden Instinktinten­tionalität, in unserem Falle der Intentionalität des Nahrungsinstinktes, konstituiert sich durch das Spiel der Assoziation auf der noematischen Seite ein Wertgegenstand, nämlich die "Speise", als ein bleibender Erwerb des Ich. Dementsprechend bildet sich auf der noetischen Seite ebenfalls durch das Spiel der Assoziation ein habituelles Apperzeptionssystem als eine praktische Möglichkeit, welches im Unterschied zum Apperzeptionssystem im Bereich des objektivierenden Aktes als ein habituelles System der Wertapperzeption bezeichnet werden kann. "Es kann nun, so apperzipiert, als das in Wahmeh­mungsfeld tretende das Begehren zu essen erregen. Dieses Begehren trägt intentional in sich offenbar eine Mittelbarkeit. Antizipiert ist und als meine praktische Vermöglichkeit die Handlung des Hingehens und des Verwirklichens des Essens - also jedenfalls mit antizipiert ist das Essen selbst in seiner eigenen Weise des strebenden Tuns, als Weise des Instinktes im Modus der Erfüllung; impliziert liegt darin ursprünglich hyletisch-kinästhetisches Streben in der Antizipation. Es hat jetzt ein apperzeptives Kleid sozusagen, es ist noch das selbe, aber es ist apperzipiert als Essen. Und ebenso im wirklichen Essen.

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Es ist noch dasselbe instinktive Geschehen, strebende Tun, aber 'verstanden' als Essen." (E III 9, 24)

Die nicht-objektivierende Instinktintentionalität wirkt sich nach der Bildung des ersten habituelIen Systems der Wertapperzeption weiter beständig aus. Dadurch ist es nun für das Ichsubjekt möglich, eine differenzierte Erfahrung dessen zu machen, worauf die nicht-objektivierende Instinktintention gerichtet ist. "EnthülIung des betreffenden Instinktes, und in eins damit macht das Ich selbst Erfahrung von den verschiedenen Speisen, davon daß der Hunger auf eine Speise geht und differenziert auf diese oder jene Speise." (C 13 1,13-14) Der Prozeß der differenzierten Erfahrung der Gegenständlichkeit, auf die die Instinktintention sich bezieht, bedeutet den Prozeß der Bildung eines immer noch höheren Apperzeptionssystems. Dabei spielt die Assoziation beständig ihre konstitutive Rolle. So schreibt Husserl: "Der Instinkt ist aber damit nicht zu Ende, er nimmt neue Modi an; ich bin weiter immerfort Instinkt-Ich, und immerfort geht der Prozeß der EnthüIlung als Aktprozeß weiter; z.B. Modus des neuen Hungers, Modus der neuen Erzielung auf ähnlicher 'passiver' Unterlage; in der neuen Erzielung liegt Bewußtsein der Wiederholung; der neue Fall ist bekannt; er ist in Paarung getreten zu dem Versunkenen und noch reten­tional versinkenden ersten Fall. Dasselbe besagt, das Alte ist geweckt, und in der Ähnlichkeitsdeckung hat das Neue den Sinn des Alten in sich aufgenommen als Verähnlichung: assoziative Übertragung, die mit der einsetzenden Paarung einsetzt und vom Einsatz aus Zukunft vorzeichnet." (C 13 I, 6-7) Durch die wiederholte Auswirkung der nicht-objektivierenden Instinktintentionalität setzt sich der Prozeß der Bildung eines jeweils höheren Apperzeptionssystems weiter fort.

Aus der bisherigen Darstellung zeigen sich als die Bedingungen der Möglichkeit der Bildung des habitueIlen Apperzeptionssystems im Bereich des nicht-objektivierenden Aktes drei Komponenten: I. die doxische Vorstel­lungsintention, 2. die wiederholte Auswirkung der Intention des nicht-objek­tivierenden Instinktes und 3. die Assoziation. Es gibt also im Prozeß der Bildung des habitueIlen Apperzeptionssystems im Bereich des objektivierenden und des nicht-objektivierenden Aktes eine formale Ähnlichkeit. Aber diese Ähnlichkeit darf darüber nicht hinwegtäuschen, daß zwischen bei den doch ein großer Unterschied besteht.

Zum einen hängt die assoziative Weckung als die Grundlage der Bildung des habituellen Systems der Wertapperzeption anders als im Fall der Bildung des objektivierenden Apperzeptionssystems in einem erheblichem Maße vom Phänomen der Hemmung der ErfülIung der Instinktintention ab. Wenn bei der beständigen Auswirkung der nicht-objektivierenden Instinktintention die Erfüllung problemlos erfolgte, dann würde sich keine Notwendigkeit ergeben, mit Hilfe der doxischen Vorstellungsintention die gegenständliche Richtung festzustellen, worauf jene Intention gerichtet ist, sei es denn aus einem bloßen Interesse der Neugier. "Wenn nun das Streben über den Ausgangsstatus des Hungems nicht hinaus kommen kann, gehemmt im Gang des Erzielens, wenn der Hunger in der Unerfülltheit sich fort steigert zu immer leidenschaftlicherem

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Begehren: motiviert das nicht ein Zurücksinken in die Vergangenheit und ins anschauliche Wiedererinnern an Hunger und Erfüllung im sättigenden Genuß, so daß nun selige Vergangenheit und unselige Gegenwart auseinandertreten?" (e 13 III, 15) Im selben Zusammenhang heißt es an einer anderen ManuskriptsteIle: "Nun aber die Hemmungen, die Negativitäten. Die Hemmung, selbst bereitliegende Nahrung zu sich zu nehmen aus instinktiver Furcht. Das Mißlingen; Motivation zu anschaulicher Erinnerung; der ungestillte Hunger weckt assoziativ, weckt den vergangenen Hunger und seine Erfüllung, schafft Anschauung als Quasi-Wahrnehmung und Quasi -befriedigung als Ersatz, der alsbald Aktivität des Suchens etc. in Bewegung setzt." (e 13 I, 8) So stellt die Hemmung der Erfüllung der nicht-objektivierenden Instinktintention eine wichtige Motivationsgrundlage für die assoziative Weckung als die Bedingung der Bildung des habituellen Systems der Wertapperzeption dar. Eine radikale These würde in diesem Zusammenhang lauten: Wenn es keine Hemmung der Erfüllung der Instinktintention gibt, dann ist es unmöglich, daß ein habituelles System der Wertapperzeption sich aus­bildet.

Zum zweiten ist das Wesen der nicht-objektivierenden Instinktintention wie dasjenige der objektivierenden die Wiederholung. Aber sie unterscheidet sich von dieser dadurch, daß sie einen Zug der Periodizität zeigt. 3 Über die Periodizität der nicht-objektivierenden Instinktintention heißt es: "Sinnliche Triebe sind periodisch wiederkehrende Tatsachen und ihre Erfüllung ist in erheblichem Maße unvermeidlich [ ... ]." (A VI 26, 58) In der Auswirkung der nicht-objektivierenden Instinktintention beobachten wir also "einen periodischen Wechsel zwischen Phasen der Intention satter Erfüllung (Lust), Bleiben der Lust, Vergehen der Sattheit, neue instinktive Intention" (e 16 IV, 12). Mit der Periodizität der nicht-objektivierenden Instinktintention hängt deren GraduaIität oder Intensität zusammen: "In dem Gang der fortlaufenden und synthetischen Erfüllung schwächt sich aber der 'Hunger' und schwindet schließlich. Das sagt, die Affektion, d.h. die instinktive Triebintentionalität hat eine GraduaIität, eine bis Null schwindende Intensität." (e 16 IV, 12-13) Das Null der Intensität dabei bedeutet aber nicht das absolute Nichts der Instinktintention, sondern lediglich einen Zustand der bloßen Potentialität, der, wenn es an der Zeit ist, in einen Zustand der aktuellen Instinktintention übergeht. Auf diese Weise wiederholt sich die Auswirkung der nicht-objek­tivierenden Instinktintention periodisch. Als eine notwendige Folge davon zeigt sich das habituelle System der Wertapperzeption als ein periodisiertes Apperzeptionssystem.

5. DIE ORGANISATION DES INTERESSENHORIZONTES DURCH DIE WEITERE

ENTHÜLLUNG DER INSTINKTINTENTION UND DIE ENTWICKLUNG DER WELT

Durch das Zusammenspiel der doxischen Vorstellungsintention, der beständig sich auswirkenden Instinktintention und der Assoziation bildet sich im

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Bewußtseinsfeld ein immer neues und höheres habituelles Apperzeptionssystem als eine praktische Möglichkeit des Ichsubjektes. Dieser Prozeß der Bildung eines jeweils höheren Apperzeptionssystems ist nichts anderes als der Prozeß der Entwicklung der Welt. So entwickelt sich durch die wiederholte Enthüllung der Instinktintention die erste Welt des Vor-Ich, welche sich schon im Mutterleib konstituiert hat, zu einer immer höheren Welt. "Die Welt hat also 'Kindheit' und wächst heran zur reifen Welt [ ... ]." (C 3 V, 8)

Im Vorgang der beständigen Entwicklung der Welt durch die Bildung eines immer höheren Apperzeptionssystems tritt nun auf dem Universalfeld der transzendentalen Konstitution ein qualitativ neues Ereignis auf, nämlich die aktive und willentliche Gestaltung des Apperzeptionssystems. "Aber der Mensch als Person im prägnanten Sinne überschaut und kritisiert sein Leben und gestaltet es in aktiver, ja willentlicher Weise, und da besteht diese 'Über­schau' gerade darin, das ichliche Leben in seiner personalen Motivation und das weltliche Streben und Schaffen in den Zusammenhängen seiner Motivation und in Bezug auf die dunkel-triebmäßige oder schon enthüllte Zieleinheit zu durchschauen und zu überschauen [ ... ]." (AV5, 17-18) Die Entstehung der aktiven und willentlichen Bewußtseinsgestalt bildet dabei - was konsti­tutionstheoretisch von entscheidender Bedeutung ist - die genetische Grundlage für die "Organisation bleibender Interes:;enrichtung" (A V 24, 17), durch die das durch die beständigen Auswirkungen der Instinktintention gebildete vorwillentliche Apperzeptionssystem sich in einen aktiven und willentlichen Interessenhorizont umwandelt.

Die Notwendigkeit der Bildung des willentlichen Interessenhorizontes durch die Organisation bleibender Interessenrichtung sieht Husserl im Wesen der Instinktintention als einer immer neu wiederkehrenden Intention begründet. Das Ziel der Bildung des habituellen Interessenhorizontes liegt gerade darin, die immer wiederkehrende Instinktintention systematisch zu erfüllen. "Der Mensch lebt nicht nur im Tage. Er sorgt für die Zukunft, er blickt vor auf die Periodizität, und es konstituiert sich nun vom aktiven Ich her eine synthetische Einheit des Bedürfnisses, oder eine Strebensintentionalität, welche duch die Mannigfaltigkeit kommender und sich hypothetisch verwirklichender Bedürfnisse hindurchgeht [ ... ]." (AV5, 137) Der genetische Grund der Bildung des aktiven Willenshorizontes ist also die Notwendigkeit der Bewältigung der Lebensnot, welche aus der beständigen Auswirkung der instinktiven Bedürfnisse entsteht.

Aus diesem Grund bestimmt Husserl in der Spätphilosophie den Instinkt als die "Vorform" des Willens, oder die "Willenspassivität": "Nach all dem werden wir wohl sagen müssen, daß im Trieb und dem ihm folgenden Tun eine niedere Form des Wollens vorliegt, eine Willenspassivität gegenüber der Aktivität des 'ich will' als des Ichvollzuges des Wollens." (M III 3 III 1 11, 103) Weiter heißt es: "Aber vor dem Willen und seinen Willenszielen liegen Vorformen des Ichstrebens, des affiziert Hingezogenwerdens, des Sich-entscheidens, die wir instinktiv nennen." (XV, 511) Aus jedem Sonderinstinkt entspringt also danach ein habitueller willentlicher Interessenhorizont als die weitere Entwick-

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lungsgestalt des durch die bloße Auswirkung der Instinktintention gebildeten, vorwillentlichen Apperzeptionssystems. Dementsprechend schreibt Husserl: "Der Trieb in schlichter Auswirkung ist keine Handlung, das triebmäßige Gerichtetsein kein personaler Akt, kein Willensakt. Es muß natürlich gezeigt werden, wie fundiert in der Triebsinnlichkeit Willensakte (Akte im präg­nanten Sinn) erwachsen." (XV, 599) Im seI ben Sinne heißt es dann weiter unmittelbar daran anschließend: "Vom niederen Triebleben hinauf zum Willensleben und schließlich zum Leben in der 'Humanität'. Ferner, mit Rücksicht auf die Periodizität des Trieblebens, <muß gezeigt werden>, wie für je einen sinnlichen Trieb ein offener Willenshorizont mit einer Periodizität von Erzielungen als personaler Horizont erwächst, eine offen endlose personale Lebenszukunft als habituelle Einheit eines Wollens, das durch eine Kette künftiger Wollungen hindurchgeht und schon im jeweiligen Jetzt ihre Erfüllungen, hier Trieberfüllungen, wollend erstrebt. Vorsorge für die Zukunft, Vorsorge für künftige 'Güter' [ ... ]." (XV, 599) Es sei an dieser Stelle bemerkt, daß der habituelle willentliche Interessenhorizont nicht nur hinsichtlich des sinnlichen Triebes, sondern hinsichtlich aller Triebe, somit des objektivierenden Instinktes, festzustellen ist. Der habituelle Willenshorizont als die weitere Entwicklung desjenigen Apperzeptionssystems, welches sich genetisch auf die beständige Auswirkung der objektivierenden Instinktintention zurückführen läßt, ist, wie unten gezeigt wird, der Horizont des theoreti­schen Interesses.

Die willentlichen Interessenhorizonte als die höchst entwickelte Form des habituellen Apperzeptionssystems sind nichts anderes als die Sonderhorizonte der Lebenswelt. Sie sind also das genetische Produkt der beständigen Auswirkung der Instinktintention. "Das Bedürfnis hat sich schon oft und in verschiedenen, im Ganzen in typischen Weisen befriedigt, der erwachsende Horizont ist ein Horizont typisch allgemeiner Bedürfnisse mit typisch allge­meinen Befriedigungen." (AV5, 135) Als solcher läßt sich ein lebensweltlicher Sonderhorizont genetisch schließlich auf den angeborenen Urinstinkt im Anfang der transzendentalen Genesis zurückführen. Bei der Bildung von lebensweltlichen Sonderhorizonten handelt es sich also, wie Husserl aus­drücklich formuliert, um "die fortgesetzte Umbildung und Höherbildung der Instinkte" (AV5, 134), welche im Uranfang der transzendentalen Genesis als das Urvermögen des Ich vorgegeben sind. "Letztlich kommen wir auf die ursprünglichsten, die Instinkttriebe, und dann in höherer Stufe auf die unter ihrer Leitung sich ausbildenden Interessen." (AVII 13,34) Weiter führt Husserl aus: "Die tieferen Probleme sind hier das Innewohnen und ev. Neuerwachsen des dunklen Triebes auf 'letzte', oberste, die Universalität des Lebens be­stimmende Lebensziele und letztlich in der Einheit eines einzigen obersten Zieles für jedes Ich, die Klärung dieser Triebintentionalität, die Wandlung in ein bewußtes oberstes Ziel [ ... ]." (AV5, 18) Danach ist es möglich, im Hinblick auf den Prozeß der Bildung von lebensweltlichen Interessenhorizonten die verschiedenen "Stufen von Instinkten, von ursprünglichen Trieben, Bedürfnissen" (E III 9, 5) als die Vorform des Willensaktes zu beobachten.

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6. ONTOLOGISCHE KONSTITUTION UND INSTINKT

Das Auftreten der "wissenschaftlichen Vernunft" (VI, 329), welche den Anfang von Wissenschaft und Philosophie für das Ichsubjekt bedeutet, ist konstitu­tionstheoretisch wiederum ein qualitativ neues Phänomen. Dadurch erschließt sich die Möglichkeit, nach der Idee einer objektiven und unendlichen Wahrheit die Grenze der auf die vorgegebene lebensweltliche Situation bezogenen relativen und endlichen Wahrheit zu überschreiten. Die wissenschaftliche Vernunft ist nach Husserl nicht eine Bewußtseinsgestalt, welche mit der im vorwissenschaftlichen lebensweltlichen Horizont schon wirksamen Vernunft, d.h. der vorwissenschaftlichen Vorstellungsintention, nichts zu tun hätte. Vielmehr stellt sie eine Bewußtseinsgestalt dar, welche sich aus dieser weiter entwickelt hat. Dies besagt zugleich, daß die wissenschaftliche Vernunft als die höchst entwickelte Form der doxischen Vorstellungsintention sich genetisch letztlich auf den Instinkt der Objektivierung zurückführen läßt. Sie ist also nichts anderes als das genetische Produkt der weiteren Enthüllung des Instinktes der Objektivierung. Dementsprechend schreibt Husserl an einer ManuskriptsteIle über den Ursprung der wissenschaftlichen Vernunft: "Die Phänomenologie muß, all das konstitutiv enthüllend, zeigen, wie die transzendentale Intersubjektivität nur sein kann, zunächst Welt in passiver Konstitution aus Instinkten konstituierend in einer Vorstufe und mit offenem Horizont, wie sie dann 'erwachen' muß aus innerer Motivation und ursprüng­lichen Anlagen zur Vernunft in unterer Stufe, wie sie im Zusammenbruch der niederen Vernunft empor werden muß: nämlich schon vor der Wissenschaft ist konkrete Vernunft und selbst absolut gerichtete da als Umwendung ursprünglicher Instinkte. Aber von da aus erwächst Wissenschaft innerhalb der Kultur - schließlich Phänomenologie, die absolute Autonomie klärt, begründet, absolut fest macht." (E III 4, 16)

Die objektivierende Instinktintention verschwindet mit der Entwicklung des Ichsubjektes nicht einfach, sondern sie kehrt beständig wieder und orga­nisiert sich auf diesem Wege bei der fertigen Subjektivität zu einem habituellen Interesse, nämlich zu einem theoretischen Interesse. Dieses theoretische Interesse besteht, wie aus der Darstellung der Strukturmomente der konkreten objektivierenden Intention zu vermuten ist, -aus drei Strukturmomenten: die wissenschaftliche Vernunft, das Gefühl und das willentliche Streben. Dieses letzte Moment bezeichnet Husserl als das "Erkenntnisstreben" (VIII, 330), das "Wahrheitsstreben" (Vrn, 330) oder "das theoretische Streben" (VIII, 330). Dieses Streben zeigt dabei einen triebhaften tendenziellen Zug, der darauf gerichtet ist, die wohlbegründete Erkenntnis hervorzubringen. Diesen tendenziellen Zug des theoretischen Interesses nennt Husserl in der Spätphilosophie den "Erkenntnistrieb" (VIII, 339) oder den "Vernunfttrieb" (A V 20, 1), d.h. den "Vernunftinstinkt" (F I 24, 39). Der Erkenntnistrieb oder der Vernunftinstinkt stellt nach Husserl die Triebkraft für die Entfaltung der wissenschaftlichen Vernunft dar, der die Entwicklung von Wissenschaft und Philosophie sich verdankt, wie es an einer Stelle im Hinblick auf die

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Auswirkung des Erkenntnistriebes beim Mathematiker heißt: "In der Mathematik trat das Systematische natürlich erst in der Sonderheit auf, in einzelnen Zusammenhängen, und wirkte nun als Triebkraft des Interesses. Die gegebenenfalls sich eröffnende Aussicht, eine theoretische Allgemeinheit zu gewinnen, welche mit einem Schlage eine ganze Klasse von Besonderheiten deduzibel und verfügbar machen würde, reizte den Erkenntnistrieb, und war er befriedigt, so eröffnete sich alsbald eine neue, ähnliche, und noch weiter sich spannende Aussicht. So kann man sich das Werden der Wissenschaft (im Stadium naiver Entwicklung) nur jenen Triebkräften überlassen denken, die in dieser Naivität selbst erwuchsen [ ... ]." (VIII, 338-339) Diese Beschreibung des Vernunfttriebes als der Triebkraft der Entwicklung der Wissenschaft gilt freilich nicht nur für die mathematische Wissenschaft, sondern allgemein für alle Wissenschaften, also auch für die Philosophie. Beim Vernunfttrieb handelt es sich also, wie es im weiteren Verlauf des Textes heißt, um eine Motivationslage, "in der sich alle Wissenschaften befinden, um eine formale Struktur, die zu allen als Wissenschaften, als praktischen Erkenntnis­Unendlichkeiten <gehört>, die sollen einer systematischen Erkenntnisherrschaft unterworfen werden können, [ ... ]." (VIII, 339)

Die wissenschaftliche Vernunft setzt also für ihre Genesis beständig den Vernunfttrieb als deren Triebkraft voraus. Der Vernunfttrieb stellt dabei die verborgene Form der wissenschaftlichen Vernunft dar, diese dagegen die enthüllte Gestalt des verborgenen Vernunfttriebes. "Der Mensch ist 'Vernunftwesen' , sich 'entwickelnd' in der Geschichte seiner Menschheit -und bloß das? Die verborgene, die absolute Vernunft - patent im Menschen wird menschliche Vernunft, die in ihm verborgen ist. In der menschlichen Vernunft patent werdend menschlicher Vernunfttrieb - aber im phänomeno­logisierenden Ich wird das absolute Ich als solches und als patent werdendes patent, es versteht in der phänomenologisierenden Subjektivität sein implizites ständiges Telos als absoluten Trieb." (A V 20, 1) Da die Wahrheit ein im Unendlichen liegende Limesidee ist, setzt sich der Prozeß der Enthüllung des Vernunfttriebes immer wieder, und zwar unendlich weiter fort. So entstehen im Bewußtseinsfeld des fertigen Subjektes je nach den weiteren Auswirkungen des Vernunfttriebes immer wieder neue Gestalten der wissenschaftlichen Vernunft. "Hier haben wir", so führt Husserl in diesem Zusammenhang aus, "verborgene 'Vernunft' als Trieb, der ständig lebendig ist und dem Menschen als solcher, als Streben in einen Horizont bewußt ist. [ . . . ] Aber das sind als Erstes Einzelheiten - der Trieb ist universaler Trieb mit universalem Triebhorizont, der Sondertrieb ist auf etwas 'gerichtet', etwas im Horizont. Der Mensch ist schon im menschlichen Trieb, er ist als relativ Erwachsener im Willen auf dies und jenes gerichtet, der aktuelle Wille im Willenshorizont, d.h. in der Mannigfaltigkeit und Einheit vorgewordener und geltender, fortgeltender Interessen - darüber hinaus ein dunkler Horizont von möglichen neuen Interessen, von Sondertrieben und Sonderinteressen, die sich melden und ausbilden werden [ ... ]." (A V 20, 2)

Die so entstandene wissenschaftliche Vernunft ist eine bestimmte Form

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der Apperzeption, durch die zunächst die Grenze der vorgegebenen Lebenswelt überschritten wird. So bezeichnet Husserl die Weise der Weltauffassung der neuzeitlichen Physik als eine "apperzeptive Übertragung"4. Danach bedeutet das Auftreten und das wiederholte Sich-auswirken und Enthüllen der wis­senschaftlichen Vernunft auf dem Bewußtseinsfeld der fertigen Subjektivität den Anfang der Bildung eines neuen höheren habituellen Apperzeptions­systems. Durch die Wiederholung der apperzeptiven Auffassung, welche sich genetisch auf die wiederholte Auswirkung des dunklen Vernunfttriebes zurück­führen läßt, verändert die wissenschaftliche Apperzeption, welche am Anfang den Modus der Aktivität zeigt, allmählich ihren Modus und wandelt sich schließlich in den Modus der Passivität, nämlich in die sekundäre Passivität. Der Wandel der aktiven Apperzeption in die passive bedeutet dabei den Abschluß des Vorgangs der Bildung eines habituellen Apperzeptionssystems als einer neuen praktischen Möglichkeit des Ichsubjektes. Der Abschluß dieses Bildungsprozesses bedeutet zugleich, daß der wissenschaftliche Horizont, durch den zunächst die Grenze der vorgegebenen Lebenswelt überschritten wird, als ein Sonderhorizont der Lebenswelt in den universalen Boden der Lebenswelt "einströmt". So schreibt Husserl an einer Stelle der Krisis­Abhandlung: "Zunächst erinnern wir uns daran, daß, was wir Wissenschaft nennen, innerhalb der ständig uns geltenden Welt als Lebenswelt eine besondere Art von Zwecktätigkeiten und zweckmäßigen Leistungen ist, wie alle menschlichen Berufe im gewöhnlichen Wortsinn [ ... ]. Das alles sind, menschlich betrachtet, Besonderheiten menschlichen Lebens und menschlicher Habitualitäten, und das alles liegt im universalen Rahmen der Lebenswelt, in die alle Leistungen einströmen und alle Menschen und leistenden Tätigkeiten und Vermögen immerfort hineingehören." (VI, 141, Anm. 1). Dies besagt, daß von der Überschreitung der Grenze der Lebenswelt im eigentlichen Sinne durch die Bildung des wissenschaftlichen Apperzeptionssystems niemals die Rede sein kann; durch die Bildung eines habituellen wissenschaftlichen Apperzeptionssystems erweitert sich bloß noetisch das Ganze der prakti­schen Möglichkeit des Ichsubiektes und noematisch die Lebenswelt als ein Universalhorizont aller Sonderhorizonte der Lebenswelt. Aus dieser Überlegung zeigt sich, daß im Grunde genommen zwischen dem Übergang von der vor­wissenschaftlichen Lebenswelt in die Lebenswelt mit dem wissenschaftlichen Apperzeptionssystem einerseits und dem Übergang von der Lebenswelt der Kindheit in die der vorwissenschaftlichen Lebenswelt der fertigen Subjektivität andererseits kein wesentlicher Unterschied besteht. Die beiden Übergänge stellen bloß die zwei Entwicklungsphasen der sich beständig wandelnden Lebenswelt dar. Daraus ergibt sich, daß es sich bei der von U. Claesges fest­gestellten Zweideutigkeit des Begriffs der Lebenswelt5, demzufolge diese einmal im engeren und einmal im weiteren Sinne verstanden werden müsse, um die zwei Entwicklungsphasen ein und derselben Lebenswelt handelt.

Husserl vertritt in der Spätphilosophie, und zwar mit der Vertiefung der genetischen Phänomenologie, die Ansicht, daß nicht nur die Wissenschaft und Philosophie, sondern auch die Hochkultur, die Kunst, die Religion, die Politik usw. ihre Entwicklungen den beständigen Auswirkungen des dunklen

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Angeborenen Instinktintention und Apperzeptionssystems 189

Triebes verdanken. So gilt die Darstellung der Entstehung und Entwicklung der Wissenschaft und Philosophie durch die beständige Auswirkung des dunklen Triebes mutatis mutandis auch für diejenige der anderen Kultur. "Wenn man für die Menschheit oder für Sondermenschheiten wie Völker und Staatsmenschheiten von Entwicklung spricht, deren einzelne personale Träger als 'reife' Menschen annehmend, so bleibt der Begriff Instinkt immer von neuem in Funktion. Jede schöpferische Leistung völlig neuer Art, die für die künftige Menschheit Schicksal bestimmend wird, setzt voraus einen auf das Neue gerichteten dunklen Trieb, der erst in der Erfüllung [ ... ] ihren teleo­logischen Sinn zeigt und das Neue als solches für den Schöpfer und seine nachverstehenden Mitmenschen bewußt macht, es damit in die neue Umwelt einfügend." (E III 9, 6) Dabei vertritt Husserl jedoch die Ansicht, daß die dunklen Triebe, die bei der fertigen Subjektivität die Triebkraft, d.h. die Voraussetzung für die Entwicklung der Kultur überhaupt bilden, sich genetisch letztlich auf die angeborenen Urinstinkte im Uranfang der transzendentalen Genesis zurückführen lassen. Sie sind alle wie der Vernunfttrieb die geneti­schen Produkte der Enthüllung der angeborenen Urinstinkte. Dementsprechend heißt es im weiteren Verlauf des soeben zitierten Manuskriptes: "Schreibt man der Menschheit eine Einheit aufsteigender Entwicklung zu, [ ... ] so sagt das, daß durch Seelen in ihrem historischen Zusammenhang hindurchgeht eine seelische Teleologie, daß immer neue Instinkte, fundiert in den Urinstinkten, die allgemein gleich in einer jeden Geburt in Funktion treten, entspringen." (E III 9, 6)

ANMERKUNGEN

1. Angesichts dieser ersten Hyle im Uranfang der transzendentalen Genesis stellt sich wie im Hinblick auf die Urhyle im Urstrom der lebendigen Gegenwart (vgl. dazu oben S. 125, Anm. 12) die Frage nach deren genetischem Ursprung. Dazu vgl. unten S 238 ff.

2. "Der Instinct ist die allgemeine Idee der Thierspecies, der Complex aller ihrer Eigenthümlichkeiten, ebenso zur innern Vorstellung des Thieres erhoben und von da aus seine Handlungen leitend, wie dieselbe äusserlich auf ganz entsprechende Weise am Leibe des Thieres und seinen Organen dargestellt ist. Diese dem Thiere eingebildete Vorstellung greift über alle einzelnen Thierindividuen hinaus, sie ist das Zusammenartende und wahrhaft Verbindende derselben, ja die Universal seele der Thierspecies selbst." (I. H. Fichte, Anthropologie. Die Lehre von der menschlichen Seele. Neubegründet auf naturwis­senschaftlichem Wege für Naturforscher, Seelenärzte und wissenschaftlich gebildete überhaupt. Leipzig 1856, S. 549).

3. Es sei nebenbei ausdrücklich bemerkt, daß die Periodizität der nicht-objektivierenden Instinktintention erst nach der Geburt festzustellen ist. Es wäre schwierig, von der Periodizität der Auswirkung der nicht-objektivierenden Instinktintention des Embryos oder Fötus im Mutterleib zu sprechen.

4. E. Husserl, "Grundlegende Untersuchung zum phänomenologischen Ursprung der Räumlichkeit der Natur", in: Philosophical Essays in Memory of Edmund Husserl. Hrsg. von M. Faber, 1940, S. 311.

5. U. Claesges, "Die Zweideutigkeiten in Husserls Lebenswelt-Begriff', in: Perspektiven transzendentalphänomenologischer Forschung. Hrsg. von U. Claesges und K. Held, Den Haag 1972, S. 85-101.

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KAPITELII

Die Wesens bestimmung der Lebenswelt

1. DIE LEBENSWELT ALS EINE WELT MIT ANGEBORENER SYSTEMATIK

Die Sonderhorizonte der Lebenswelt erwiesen sich in der Autbauanalyse als das genetische Produkt der wiederholten Auswirkung und Enthüllung der ange­borenen Urinstinkte im Uranfang der transzendentalen Genesis. Als eine notwendige Folge davon bestimmt sich die Lebenswelt, welche als ein Universalhorizont alle Sonderhorizonte der Lebenswelt einheitlich umspannt, als die "erfüllende Explikation des universalen Instinkthorizontes" im Uranfang der transzendentalen Genesis. So findet sich an einer Manuskriptstelle folgender Entwurf: "Das Universum der Instinkte - die universale Intentionalität - ich in meinem wachen Bewußtseinsleben in meiner bewußtseinsmäßigen Gemeinschaft. Der Bewußtseinshorizont, der Horizont der Gegebenheit und Vorgegebenheit, der konstituierte Horizont der Subjektivität, die Welt als ihren ontischen Horizont hat und objektiv in der Welt selbst ist - [ ... ] - dieser strukturell gegliederte universale Horizont als erfüllende Explikation des universalen Instinkthorizontes." (E III 9, 3) Die Typik der Lebenswelt ist danach vom Wesen der angeborenen Urinstinkte strukturell vorgezeichnet, wie es im weiteren Verlauf des Manuskriptes heißt: "Die Typik der Instinkte - die Typik der Konstitution als Erfüllung der Instinkte. Die Instinkte der Reihe nach 'aufwachend', als blindes Streben erregt und sich als Intentionalität auswirkend [ ... ]. Sowie wir Menschen überhaupt und Menschen unserer Stufe [ ... ] sind, haben wir unsere Instinkte in ständiger Auswirkung, und diese Auswirkung bestimmt einen Begriff von Entwicklung: unsere wie sie 'erwachen' und schließlich alle wach sind und die Typik unseres Daseins, unserer Welt bestimmen." (E III 9, 4)

Da es sich bei den Urinstinkten um die im Uranfang der transzendentalen Genesis dem Ichsubjekt angeborenen Urvermögen handelt, zeigt die Lebenswelt als deren erfüllende Explikation "ihre 'angeborene' Systematik".l Und gerade in diesem Sinne können wir die Lebenswelt als eine angeborene Welt bestimmen. Dabei darf aber von vornherein nicht das Mißverständnis aufkommen, als wäre angeborene Systematik der Lebenswelt eine

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abgeschlossene und fertige Gegenständlichkeit, welche dem Schicksal der Änderung nicht mehr ausgesetzt wäre. Wie der Bestimmung der angeborenen Urinstinkte als einer sedimentierten Habitualität der vorangegangenen Generation zu entnehmen ist, befindet sich die angeborene Systematik der Lebenswelt in einem beständigen Wandel, welcher prinzipiell unendlich fortgesetzt werden kann. Die Lebenswelt mit ihrer angeborenen Systematik ist also dem Schicksal einer ewigen Änderung ausgesetzt.

Mit der Bestimmung der Lebenswelt als einer "angeborenen" Welt hängt untrennbar zusammen, daß sie sich als eine periodisierte Welt zeigt. Es handelt sich bei der Lebenswelt also um "eine auf die Urinstinkte zurückbezogene periodisierte 'Welt' von Seienden als Gegenständen des Interesses" (A V 5, 134). Dementsprechend ist es möglich, die Lebenswelt "unter dem Gesichtspunkt der intentional und synthetisch konstituierten Periodizität (A V 5, 135) zu betrachten, wobei ja nach der Art des Instinktes verschiedene Modi der Periodizität zu unterscheiden sind: die Alltäglichkeit, die Allmonatlichkeit, die Alljährlichkeit. So unterscheidet sich die Periodizität der lebensweltlichen Tätigkeit, die vom Instinkt des Schlafes geprägt ist, von der Periodizität, die vom Nahrungsinstinkt geprägt ist. "Der Alltag ist prak­tisch bezogen auf die Periodizität, die eben die physisch-umweltliche Tätigkeit ergibt (zu ihrer Konstitution führt): die zweite Periodizität, auf welche die Begattung bezogen ist, ist die des umweltlichen Jahres." (A V 5, 139) Die Lebenswelt, wie wir sie im Alltag erfahren, ist also von Anfang an eine periodisierte Welt.

Bei der Bestimmung der Lebenswelt als einer periodisierten Welt besteht eine Unklarheit darin, daß es einige Instinkte gibt, die keine bestimmte Struktur der Periodizität zeigen, aber trotzdem für die Bildung der lebensweltlichen Horizonte unentbehrlich sind. Es handelt sich dabei um die weite Sphäre der nicht-objektivierenden Instinkte. So stellt sich die Frage: Gibt es nicht doch einige Sonderhorizonte der Lebenswelt, welche keine bestimmte Struktur der Periodizität zeigen? Zur Beantwortung dieser Frage ist es nötig, den geneti­schen Zusammenhang zwischen den periodischen und den aperiodischen Instinkten in den Blick zu nehmen. Denn: "Was wir vorangestellt haben von der Periodizität und Aperiodizität der Auswirkung der ursprünglichen Instinktintentionalitäten, sollte der Anfang sein, um die Einheit eines menschlichen Zwecklebens verständlich zu machen in seinem Wesensstile und seinen wesensmäßigen Differenzierungen." (A V 5, 139)

Die periodischen Instinkte, d.h. die sinnlichen Triebe charakterisieren sich durch die Unvermeidlichkeit und die Dringlichkeit der Erfüllung. Dadurch zeigen die sinnlichen Güter, welche sich genetisch auf die Auswirkung der sinnlichen Triebe zurückführen lassen, "den Charakter eines in gewissen periodischen Formen nicht zu durchstreichenden positiven Gutes und zugleich einer Vorbedingung für die Erreichung höherer Güter (A VI 26, 58), die sich genetisch auf die objektivierenden, d.h. die aperiodischen Instinkte, zurück­führen lassen. Für den Zusammenhang zwischen beiden gilt also folgender Satz: "Der höhere Wert setzt, um originär erfüllt zu werden, sinnliche tranquil.

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Wesensbestimmung der Lebenswelt 193

animi voraus." (A VI 26, 58) Die sinnlichen Instinkte haben also in geneti­scher Hinsicht gegenüber den objektivierenden Instinkten die Oberhand. Dies hat zur Folge, daß die Organisation der aus den objektivierenden Instinkten stammenden Interessen genetisch von der den sinnlichen Trieben entstam­menden Interessen bedingt ist. Die Bildung der Sonderhorizonte der Lebens­welt, die sich genetisch auf die Auswirkung der objektivierenden Instinkte zurückführen lassen, muß also derjenige der Sonderhorizonte der Lebenswelt als der Produkte der nicht-objektivierenden Instinkte nachgeordnet sein. Dies besagt nun, daß die Sonderhorizonte der Lebenswelt, die das genetische Produkt der Auswirkung der objektivierenden Instinkte darstellen, eine bestimmte Form der Periodizität zeigen müssen - aber nicht von ihrem eigenen Wesen her, sondern geprägt von der Periodizität der sinnlichen Instinkte. Dadurch erweist sich die Bestimmung der Lebenswelt als einer periodisierten Welt als unbestreitbar.

2. DIE LEBENSWELT ALS DAS FELD DER SELBSTERHALTUNG UND ZUGLEICH ALS DAS FELD DER PRAXIS

Die angeborenen Urinstinkte im Uranfang der transzendentalen Genesis dienen alle der Erhaltung des Vor-Ich. Dementsprechend faßten wir sie alle unter dem Titel "Selbsterhaltungsinstinkt" . Da alle Bewußtseinsgestalten, welche im weiteren Verlauf der transzendentalen Genesis auf dem Bewußtseinsfeld auftreten, die genetischen Produkte der Enthüllung der angeborenen Urinstinkte darstellen, läßt sich ersehen, daß sie alle der Erhaltung des Ichsubjektes dienen. Das Leben des Ichsubjektes ist also nichts anderes als ein "Leben der Selbsterhaltung, das seine genetisch ursprünglichste Sphäre in der instink­tiven Streben nach ihrer Befriedigung" (A V 24, 17) hat. Die Lebenswelt erweist sich danach als eine Welt der Selbsterhaltung.

Die Selbsterhaltung ist aber dadurch möglich, daß das Ichsubjekt durch die "Tätigkeiten" in die Welt eingreift und dadurch diese nach seinem Lebenszweck umgestaltet. Das Leben eines Ichsubjektes als eine Einheit der Selbsterhaltung ist dadurch von Anfang an auf die Tätigkeiten, d.h. die Praxen im weitesten Sinne angelegt. Der Sonderhorizont der Lebenswelt ist danach nichts anderes als das noematische Korrelat des habitueller Systems der Praxis des Ichsubjektes im weitesten Sinne, wie wir sie im zweiten Teil bestimmt haben. Über die Bildung des Sonderhorizontes der Lebenswelt als eines habituellen Systems der menschlichen Praxis durch die Enthüllung der Urinstinkte schreibt Husserl: "Man kann sagen, das erste, was durch diese Alltäglichkeit und Alljährlichkeit des Instinktlebens begründet wird [ ... l, ist die aus der periodischen Wiederholung erwachsende praktische Horizontbildung [ ... ]." (A V 5, 139) Der Sonderhorizont der Lebenswelt ist seinem Wesen nach ein praktischer Horizont. Danach zeigt sich die Lebenswelt als eine praktische Umwelt.

Die Lebenswelt bestimmt sich also ihrem Wesen nach als ein Spielraum

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der Selbsterhaltung des Ichsubjektes und zugleich als ein Universalfeld der Praxis von diesem. Der Spielraum der Selbsterhaltung und das Universalfeld der Praxis sind die bei den Aspekte der Lebenswelt. Die Selbsterhaltung und die ichliche Praxis sind voneinander untrennbar. Sie stellen die bei den Aspekte ein und desselben Phänomens des menschlichen Lebens dar. Im Hinblick auf diese Untrennbarkeit beider Momente heißt es: "Der Begriff des 'praktischen Lebens' - die notwendig erste Lebensweise, mannigfaltige Interessen der 'Selbsterhaltung' als habituell geworden, in denen ich, der einzelne Mensch, ich bin, der seine alltäglich 'normale menschliche Befriedigung' sucht." (K III 7, 9) Danach verstehen wir, was mit der Bestimmung der Lebenswelt als einer axio-praktischen Umwelt im zweiten Teil eigentlich gemeint ist; es handelt sich dabei um einen universalen Spielraum der Selbsterhal­tungstätigkeit des Ichsubjektes. Die universale Lebenssorge als das noeti­schen Korrelat dieser axio-praktischen Umwelt zeigt sich danach schließlich als eine Sorge um die Selbsterhaltung.

Die Bestimmung der Lebenswelt als eines universalen Spielraums der Erhaltung des Ichsubjektes und zugleich als eines Universalfeldes der Praxis im allerweitesten Sinne läßt sich schon an der ersten Welt des Ichsubjektes im Mutterleib als dem "noematischen" Korrelat der Ganzheit der wachwer­denden angeborenen Urinstinkte feststellen. Diese erste Welt im Mutterleib hat nur die einzige Bedeutung, daß sie das Feld der Erhaltung und zugleich der "Tätigkeit" des Vor-Ich darstellt. Hinsichtlich der Bestimmung der Lebenswelt als eines Feldes der Tätigkeit des Vor-Ich sei darauf hingewiesen, daß wir in diesem Uranfang schon die ursprünglichen "Bewegungsgestalten" des Vor­Ich beobachten können, so dessen Strampelkinästhesen im Mutterleib, weIche sich als die genetischen Urformen aller menschlichen Praxen darstellen.

Die Entwicklung der Welt im weiteren Verlauf der transzendentalen Genesis ändert nichts an der Wesens bestimmung der Lebenswelt als des Spielraums der Erhaltung und der Praxis des Ichsubjektes. Das Auftreten der neuen Bewußtseinsgestalten und der damit verbundenen höheren Apperzeptions­systeme bedeutet lediglich einen Wandel des Modus der Erhaltung und der Praxis. Nun kommt bei der Selbsterhaltung nicht nur die Erhaltung des tierischen Daseins, also des eigenen Körpers, sondern darüber hinaus und vor allem die des personalen Daseins in Frage. "Normalerweise kommen schon", so heißt es in diesem Zusammenhang, "auf der niedersten Stufe menschlichen, ja tierischen Lebens die ursprünglich instinktiven, periodisch wiederkehrenden Bedürfnisse zur Befriedigung und folgt der Selbsterhal­tungstätigkeit und ihrer Erfüllung in dieser Hinsicht eine Muße, die also auch Periodizität ursprünglich und normal hat. In der höheren Stufe, der höheren Schichte menschlichen Daseins die entsprechende Schichte höherer Selbsterhaltungsinteressen und -akte auf diesem Untergrund." (A V 24, 18) Die Lebenswelt zeigt sich also auch im weiteren Verlauf der transzenden­talen Genesis immer noch als ein Universalfeld der Erhaltung des Ichsubjektes. Dementsprechend schreibt Husserl: "Alle Lebensinteressen, Interessen der 'Selbsterhaltung' gehören der Welt an. Die Welt trägt eine Schicht der

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Selbsterhaltungsbedeutsamkeit für mich, aber nicht nur als ein Bestim­mungsstück, wie wenn ich diese oder jene Nützlichkeit am Gegenstande [ ... ] vorfinde, sondern als personal gerichtete Aktivität." (A VII 13, 92) Gerade in demselben Zusammenhang heißt es dann an einer weiteren Stelle: "Für jeden hat die gemeinschaftliche Umwelt ein Gesicht, und in ihre Leben hat sie für ihn einen Horizont der Relevanz und Irrelevanz, den Horizont des für sein Dasein in Selbsterhaltung infrage kommenden." (E III 9, 56)

Die Wissenschaft und Philosophie2 bedeutet für Husserl eine Lebenstätigkeit und als solche stellt sie die radikalste Form der Erhaltungstätigkeit der Menschheit und zugleich die äußerste Form der menschlichen Praxis dar. Die wissenschaftliche Tätigkeit, wenn wir sie rein an sich, d.h. von den außer­wissenschaftlichen Lebenstätigkeiten getrennt, betrachten, ist schon, wie oben an verschiedenen Stellen dargestellt, eine Praxis im weitesten Sinne. Sie bedeutet zugleich insofern eine bestimmte Form der Erhaltungstätigkeit des betreffenden Ichsubjektes, als die Erfüllung der objektivierenden Instinkt­intention für es unvermeidlich und dringend ist. Dementsprechend bezeichnet Husserl "das Streben nach Urteilskonsequenz und Gewißheit", welches ein Wesensmerkmal der wissenschaftlichen Tätigkeit darstellt, als einen "Zug im allgemeinen Streben des Ich nach Selbsterhaltung" (EU, 351).

Die Philosophie und Wissenschaft, welche, da sie "auf einer willentlichen Epoche von aller natürlichen und damit auch höherstufigen, der Natürlichkeit dienenden Praxis im Rahmen ihres eigenen Berufslebens" (VI, 328) beruht, als "ganz und gar unpraktisch"3 im engeren Sinne bezeichnet werden kann, verliert ihre praktische Bedeutung im engeren Sinn nicht. Vielmehr zeigt sie sich als eine äußerste Form der Praxis und der Selbsterhaltung, und zwar dadurch, "daß die in geschlossener Einheitlichkeit und unter Epoche von aller Praxis erwachsende Theoria (die universale Wissenschaft) dazu berufen wird [ ... ], in einer neuen Weise der Menschheit, der in konkretem Dasein zunächst und immer auch natürlich lebenden, zu dienen." (VI, 329) Dies geschieht nach Husserl teilweise durch eine "neuartige Praxis", die "der universalen Kritik alles Lebens und aller Lebensziele, aller [ ... ] Kulturgebilde und Kultursysteme, und damit auch einer [ ... ] Kritik der Menschheit selbst und der sie [ ... ] leitenden Werte" (VI, 329) oder teilweise durch die Praxis der "Verwertung beschränkter Ergebnisse der Theorie" (VI, 329). Das Ziel von Wissenschaft und Philosophie liegt nach ihm darin, "durch die universale wissenschaftliche Vernunft die Menschheit nach Wahrheitsnormen aller Formen zu erhöhen, sie zu einem von Grund aus neuen Menschentum zu wandeln, befähigt zu einer absoluten Selbstverantwortung aufgrund absoluter theo­retischer Einsicht" (VI, 329). Es ist nach Husserl allein die durch die Idee der Vernunft und Wahrheit geleitete Wissenschaft und Philosophie, welche "eine Regeneration des Lebens in absoluter Echtheit und Ursprünglichkeit" (E III 4, 17) und dadurch die echte Selbsterhaltung der Menschheit möglich machen kann. Die Wissenschaft und Philosophie stellt also die radikalste Form der menschlichen Praxis und zugleich der menschlichen Selbsterhal­tungstätigkeit dar.

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Die Wissenschaft und Philosophie, welche durch die Idee der Vernunft und der Wahrheit geleitet werden soll, ist also vom ganzen Lebenszusam­menhang untrennbar. Es ist nach Husserl gerade der Verlust der "Lebens­bedeutsamkeit" (VI, 3) von Wissenschaft und Philosophie, welcher zu ihrer Krisis und schließlich zur "Krisis des europäischen Menschentums" selbst in der gesamten Sinnhaftigkeit seines kulturellen Lebens, in seiner gesamten 'Existenz'" (VI, 10) führt. Es handelt sich dabei um eine "Krisis", um eine "Erkrankung" (VI, 317), welche die Erhaltung des europäischen Menschentums bedroht. Diese Erkrankung ist nach Husserl nur durch die Wiederherstellung der verloren gegangenen Vernunft- und Wahrheitsidee zu überwinden, welche wiederum nur durch eine transzendental-phänomenologische Besinnung möglich sei.4 Dadurch zeigt sich. daß die transzendental-phänomenologische Besinnung "durch die unbefriedigende Praxis [motiviert ist], durch allge­meine Reflexion über die Möglichkeiten eines befriedigenden Lebens, oder zunächst als allgemeine [Besinnung] über die bestehenden Möglichkeiten [ ... ] der Hemmung, Störung eines befriedigten Daseins durch die Endlichkeit, Vorbehaltlichkeit, drohende Aufhebung alles 'Glücks'." (VIII, 343) Die transzendental-phänomenologische Besinnung ist also keine spielerische Angelegenheit der verspielten Geister, sondern eine allerernste Bemühung, "die zu vergleichen wäre zunächst mit einer religiösen Umkehrung, die aber darüber hinaus die Bedeutung der größten existenziellen Wandlung in sich birgt, die der Menschheit als Menschheit aufgegeben ist." (VI, 140) Es handelt sich dabei um einen Lebenskampf um die Erhaltung des ganzen Menschentums.

Da die Welt das universale Feld der Selbsterhaltung und zugleich der menschlichen Praxis bedeutet, bezeichnet Husserl sie in der Spätphilosophie spezifisch als eine Lebenswelt. Die Welt ist immer die Welt des Ichzentrums als eines Lebenszentrums, also die "Welt des Lebens, die alle praktischen Gebilde [ ... ] ohne weiteres in sich aufnimmt [ ... ]" (VI, 176). Über die Lebenswelt als ein noematisches Korrelat des Lebens sagt Hussserl: "Mit der Einheit des Lebens erwächst natürlich auch die Einheit meiner Lebensumwelt." (XV, 419-420) Dabei darf das Leben nicht im übertragenen, sondern muß im eigentlichen Sinne, also als eine Einheit der Selbsterhaltungstätigkeit im allerweitesten Sinne verstanden werden, welche nicht nur die des personalen Daseins, sondern auch die des dieses genetisch fundierenden tierischen Daseins umfaßt. "Auch das Weltverhalten des Subjektes", schreibt H.-G. Gadamer, "hat in dieser Weise seine Verständlichkeit nicht in den bewußten Erlebnissen und ihrer Intentionalität, sondern in den anonymen 'Leistungen' des Lebens. Das Gleichnis des Organismus, das Husserl hier gebraucht, ist mehr als ein Gleichnis. Er will, wie er ausdrück­lich sagt, wörtlich genommen werden."s Es handelt sich also beim Leben als einer Einheit der Selbsterhaltungstätigkeit um "das universale leistende Leben, in welchem die Welt als die für uns ständig in strömender Jeweiligkeit Seiende, die für uns ständig 'Vorgegebene' zustande kommt [ ... ]." (VI, 148) Danach verstehen wir nun klar, was Husserl vor Augen hat, wenn er in der Vorlesung

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über "Natur und Geist" von 1927 erklärt: "Der Grundcharakter der Phäno­menologie ist wissenschaftliche Lebensphilosophie." (F I 32, 110)

Dieser Grundcharakter der Phänomenologie als einer wissenschaftlichen Lebensphilosophie hat dabei seine letzte Ursache darin, daß das Leben, wie die Phänomenologie der Instinkte zeigt, die Grundkategorie der transzenden­talen Phänomenologie Husserls ist. Abweichend von dieser Feststellung vertritt H. Hohl aber die Ansicht, "daß innerhalb der Phänomenologie das Leben nicht thematisch werden kann, da es eine spekulative Voraussetzung ist.,,6 Diese Ansicht ist unhaltbar. Denn es handelt sich beim Leben, wie oben dargestellt, um eine Grundkategorie der transzendentalen Phänomenologie, welche durch die Reduktion aufweisbar ist, und damit keineswegs, wie H. Hohl meint, um "eine spekulative Voraussetzung". Im Hinblick auf den Lebensbegriff der tran­szendentalen Phänomenologie Husserls sagt E. Fink, der ehemalige Assistent und enge Mitarbeiter Husserls, der die Entfaltung der Spätphilosophie Husserls vor allem in den dreißiger Jahren miterlebt und mitbewirkt hat: "Es scheint mir, daß die Intentionalanalyse im Zuge ihrer methodischen Entfaltung zu einer Art von Lebensphilosphie wird. [ ... ] Der Lebensbegriff der Husserlschen Phänomenologie wird nicht spekulativ exponiert. ,,7

3. DIE LEBENSWELT ALS EINE INTERSUBJEKTIV BESTIMMTE GESCHICHTLICHE WELT

Durch die Aufbauanalyse zeigt sich die Lebenswelt eines Ichsubjektes als eine Einheit der beständigen Entwicklung. Sie ist in jedem Augenblick das Produkt der Enthüllung des universalen Instinkthorizontes, welcher als die Triebkraft der Entwicklung dem Vor-Ich im Uranfang vorgegeben ist. "Die konstitutive Genesis ist für jedes einzelne Ich die seine, von ihr muß sich, geleitet von den Instinkten - wir können sagen, geleitet von dem universalen Instinkt, der alle Sonderinstinkte synthetisch vereinheitlicht - korrelativ Ich als menschliche Person und Welt für dieses Ich konstituieren." (A VI 34, 37) Die Lebenswelt als die "erfüllende Explikation des universalen Instinkt­horizontes" (E III 9, 3) ist keine fertige Gegenständlichkeit, welche nicht mehr einem weiteren Wandel ausgesetzt ist. Sie befindet sich vielmehr auf einem Weg der weiteren Entwicklung; der Prozeß der Entwicklung der Lebenswelt setzt sich insofern fort, als der universale Instinkthorizont, welcher als die Triebkraft der Entwicklung dem Vor-Ich im Uranfang der transzendentalen Genesis vorgegeben ist, noch nicht vollständig enthüllt ist. Die Lebenswelt, welche sich als eine Einheit der beständigen Entwicklung auf dem Weg der ewigen Wandlung befindet, erweist sich danach als eine geschichtliche Welt.8

Um den wahren Sinn der Lebenswelt als einer geschichtlichen Welt zu begreifen, ist es nötig, ein wichtiges Moment in der genetischen Entwicklung der Lebenswelt, welches bis jetzt noch nicht berücksichtigt wurde, her­anzuziehen. Es handelt sich dabei um die Intersubjektivität als ein Wesens moment der genetischen Konstitution der Lebenswelt.

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Wie wir oben im Zusammenhang mit der Bestimmung der angeborenen Instinkte als der Instinkte der Weltlichkeit dargestellt haben, liegt das Wesen des Instinktes darin, sich beständig auf die Welt zu richten. Die Auswirkung und Erfüllung der Instinktintention ist ohne den beständigen Umgang mit der Welt unvorstellbar. Die Instinktintention eines Ichsubjektes richtet sich aber dabei nicht nur auf die weltlichen Gegenständlichkeiten, sondern auch auf Mitmenschen, mit denen es zur Erfüllung dieser Intention Umgang haben muß. Ein von Husserl bevorzugtes Beispiel dafür ist der Geschlechtsinstinkt, der auf das fremde Geschlecht gerichtet ist. "Im Fall des Geschlechtshungers in be­stimmter Richtung auf sein affizierendes, reizendes Ziel ist", so schreibt er, "dieses der Andere. Dieser bestimmte Geschlechtshunger hat Erfüllungsgestalt im Modus der Kopulation. Im Trieb selbst liegt die Bezogenheit auf den Anderen als Anderen und auf seinen korrelativen Trieb. Der eine und andere Trieb kann den Modus - Abwandlungsmodus - der Enthaltung, des Widerwillens haben. Im Urmodus ist er eben 'hemmungslos' unmodalisierter Trieb, der je in den Anderen hineinreicht und seine Triebintentionalität durch die korrelative [Triebintentionalität] im Anderen hindurchreichen[d] hat."9 (XV, 593-594)

Husserl bezeichnet die Instinkte, welche, wie der Geschlechtstrieb, unmit­telbar auf die Mitsubjekte gerichtet sind, spezifisch als die "sozialen" (A V 5, 134), oder die "intersubjektiven Instinkte" (IX, 486; E III 9, 18). Die soziale Instinktintention bildet, indem sie die Subjekte dazu zwingt, den Umgang miteinander zu suchen, die Grundlage für die Herstellung des intersubjek­tiven Zusammenhangs zwischen den Mitmenschen. "Wie die Einzelsubjekte ihre Aktivität auf dem Grund einer dunklen, blinden Passivität entfalten, so gilt dasselbe auch von der sozialen Aktivität. Aber schon die Passivität, das instinktive Triebleben kann intersubjektiven Zusammenhang herstellen. So ist eine Geschlechtsgemeinschaft in unterstem Grund schon hergestellt durch das geschlechtliche Instinktleben, mag es auch erst in der Erfüllung seine wesentliche Intersubjektivität enthüllen." (XIV, 405) Die konstitutive Funktion des intersubjektiven Instinktes für die Herstellung des intersubjektiven Zusammenhangs beschreibt Husserl an einer weiteren Stelle folgendermaßen: "Aber vor dem Willen und seinen Willenszielen liegen Vorformen des Ichstrebens, des affiziert Hingezogenwerdens, des Sich-entscheidens, die wir instinktiv nennen. So das ursprüngliche Sich-stiften der Geschlechtsgemein­schaft, wie es schon bei Tieren statthat, im Unterschied von der Ehe als einer durch willentliche Stiftung mit einem bestimmten Ziel, und hier mit dem Absehen auf den Zielhorizont des ganzen Lebens." (XV, 511)

Die Unterscheidung zwischen dem sozialen und dem asozialen Instinkt zeigt sich aber, näher betrachtet, als fragwürdig. Denn die scheinbar asozialen Instinkte, z.B. der objektivierende Instinkt, können nicht völlig "asozial" sein. Für die Auswirkung und Erfüllung der Intention der "asozialen" Instinkte ist es auch erforderlich, Umgang mit anderen zu haben. So wendet sich ein Kind, das vom Neugierinstinkt geleitet wird, an seine Eltern, wenn es auf etwas stößt, das es nicht begreift. Alle Instinkte zeigen sich danach prinzipiell als

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soziale, d.h. als intersubjektive Instinkte. Dementsprechend schreibt Husserl: "Die fortschreitende Vergemeinschaftung des Instinktlebens und nicht nur des unmittelbaren durch die sozialen (Geschlechts-) Instinkte." (A V 5, 134) Die Sozialität der "asozialen" Instinkte beruht darauf, daß das Bedürfnis nach Umgang mit anderen Ichsubjekten als das Wesensmerkmal aller Instinkte sich genetisch schließlich auf die Not der Selbsterhaltung zurückführen läßt. Der Bildungsprozeß desjenigen Apperzeptionssystems eines Subjektes, welches sich genetisch auf die wiederholte Auswirkung der objektivierenden Instinktintention zurückführen läßt, ist auch ohne beständigen Umgang mit den anderen Mitsubjekten unmöglich. Dies besagt zugleich, daß es kein habituelles Apperzeptionssystem eines Ichsubjektes gibt, welches ohne Umgang mit anderen ausgebildet wäre. Jedes Einzelsubjekt übernimmt im beständigen Prozeß der Entwicklung, was andere Mitsubjekte, denen es in der Welt begegnet, schon erworben haben, und umgekehrt übt es beständig auf diese Einfluß aus; das rein solipsistische Einzelsubjekt ist genetisch-phänomeno­logisch undenkbar.

Genetisch-phänomenologisch ist also der Solipsismus unhaltbar. So schreibt A. Aguirre zutreffend: "Die transzendental phänomenologische Monadologie leistet die restlose Anerkennung der Andersheit des Anderen [ ... ]."10 Trotzdem wird die transzendentale Phänomenologie Husserls in der Forschungsgeschichte von vielen Autoren ungerecht als ein schlechter Solipsismus verurteilt, der die Existenz des Anderen nicht anerkennen wolle. In diesem Zusammenhang lesen wir beispielsweise: "Die Anderen haben kein 'Sein im absoluten Sinn', für mich sind sie, was sie in sich sind [ ... ]."11 Man darf aber nicht vergessen, daß der Solipsismus in der Phänomenologie Husserls bloß methodischen Charakters und bloß im Umkreis der statischen Phänomenologie als einer Phänomenologie der Geltungsfundierung haltbar ist. "Es ist jedenfalls möglich, eine phänomenologische Abstraktion zu vollziehen oder die phänomenologische Erfahrung und auf Erfahrung beruhende Forschung so zu beschränken, daß man nur in dem konkreten Einheitszusam­menhang der eigenen transzendentalen Subjektivität sich bewegt und, von jeder Einfühlung absehend, keine fremde Subjektivität in Rechnung zieht. [ ... ] Aber das sagt nicht, daß die phänomenologische Reduktion nur das eigene ego ergibt, sondern daß sie eben beschränkt wird. Aus sehr wichtigen methodi­schen Gründen ist es sogar notwendig, in weiten Untersuchungsstrecken sich absichtlich so zu beschränken, also zunächst eine systematische Egologie, sozusagen als eine solipsistische Phänomenologie, zu entwerfen." (VIII, 176)

Die uranfängliche Gestalt der Intersubjektivität als die Urform aller Intersubjektivität läßt sich nach Husserl schon in der Anfangsphase der tran­szendentalen Genesis beobachten. "Mitteilung, Verkehr der Reifen, setzt voraus die Ausbildung der Mitteilung und eines Wechselverkehrs vor der Reife -zwischen Mutter und Kind. Ein ursprünglich instinktiv sich ausbildender Konnex, [ ... ]" (XV, 582). Im selben gedanklichen Zusammenhang fragt er an einer ManuskriptsteIle: "Das Kind in der Mutter - haben wir nicht ein Ineinander der Primordialitäten, das nicht auf Einfühlung beruht?" (0 14, 7)

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200 Dritter Teil

Um sich zu erhalten, ist es schon für das Vor-Ich im Mutterleib unumgänglich, mit der Mutter als einem "anderen" Ichsubjekt, beständigen Umgang zu haben. Das Mittel für diesen Umgang bilden dabei freilich die wach werdenden angeborenen Urinstinkte. Hierbei ist hervorzuheben, daß in dieser Anfangsphase der transzendentalen Genesis. da die Mutter bzw. der Mutterleib zugleich die Welt des Vor-Ich bedeutet, kein Unterschied zwischen dem Anderen und der Welt besteht; für das Vor-Ich ist das "Mitsubjekt" zugleich die Welt.

So ist der konstitutive Vorgang jedes einzelnen Ich in allen Entwick­lungsphasen von Anfang an ein intersubjektives Geschehen. Die Lebenssorge, welche wir im zweiten Teil als den axio-praktischen Aspekt des Welt­bewußtseins hervorgehoben haben, ist keine solipsistisch verstandene Sorge um meine Selbsterhaltung, sondern sie zeigt sich von Anfang an als eine intersubjektive Lebenssorge. welche die Sorge um meine Mitsubjekte schon impliziert. In diesem Sinne lesen wir: "Die ursprüngliche instinktive Bezogenheit jedes Ich auf die 'Seinen' als eine instinktive Implikation des 'Wohls' dieser anderen in dem seinen. Der Anderen 'Wohl' impliziert aber instinktiv wiederum das Wohl seiner Anderen (Verschwägerung der Kinder mit Fremden) oder besser, seiner 'Nächsten' im instinktiven ursprünglichen Sinn, die nicht ohne weiteres auch meine Nächsten sind. Das Erste ist also die generative Implikation. Sie erstreckt sich über Gegenwart und über je meine Lebensstrecke, also über meinen Tod hinaus. Meine Lebenssorge umfaßt meine Kinder, weiter meine wirklichen oder zu erhoffenden Kindeskinder. Mein Dasein in Selbsterhaltung [ ... ] umspannt, impliziert Selbsterhaltung etc. meiner Familie (in Verschwägerung), auch dann Geschwister etc. [ ... ]." (E III 4, 5) Oder "Hier bedingt die Sozialität, daß der objektive Wert für mich nicht nur Beziehung hat auf mich selbst, sondern meine Kinder, meine Familie überhaupt, dann aber auch für Andere, die Not leiden - hier kommt man schon in einer Verflechtung mit Interessen, die über den Nahrungsinstinkt hinausweisen. [ ... ] Der Instinkt zur Mutter hin, verflochten mit dem Nahrungsinstinkt und dem Instinkt der Objektivierung, verbreitet sich aus in der Erfüllung und ursprünglichsten Menschenliebe, als Liebe zur Mutter." (E III 9, 32). Dementsprechend beschreibt Husserl den konstitutiven Vorgang der Lebenswelt als einer intersubjektiven Welt folgendermaßen: "Das geschieht aber, wie wir schon wissen, als Welt für das Wir dieses Ich, als Welt, die Menschen in sich hat und zugleich Welt für diese Menschen ist. [ ... ] In seinem Urinstinkt trägt jedes einzelne Subjekt diese ganze Entwicklung als nicht seine solipsistische, sondern als Menschheitsentwicklung - als Entwicklung der transzendentalen Allgemeinschaft, der der transzendentalen Subjekte - in sich, also er trägt 'implizite' alle andere, die ihm entgegen­treten können, und alle ihre Leistungen, die gesamte Welt als humanisierte, als Kulturwelt in sich." (A VI 34, 37)

Die Bestimmung der Lebenswelt als einer intersubjektiven Welt darf allerdings nicht mißverstanden werden, als bestünde zwischen meiner Lebenswelt und den Lebenswelten der anderen Mitsubjekte kein Unterschied.

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Wesensbestimmung der Lebenswelt 201

Die notwendige Konsequenz dieser Ansicht wäre: die Lebenswelt wäre von Anfang an für jedes Subjekt identisch und homogen, darum gäbe es keine Lebenswelt im Plural, sondern von vornherein nur die eine Lebenswelt für alle Ichsubjekte. Diese These vertritt beispielsweise M. Theunissen: "Die kommunikative Umwelt kann nicht neben der jemeinigen bestehen oder sich gar erst nach ihr durch aktuelle Vergemeinschaftung bilden. Vielmehr ist die Welt der personalistischen Einstellung von vornherein die kommunikative Umwelt und keine andere. Die je nur mir gehörige und hörige Umwelt, gemeint als Welt der personalistischen Einstellung, ist mithin eine Abstraktion.,,12 Die Darstellung der Entwicklung der Welt zeigt, daß diese These unhaltbar ist. Es ist beispielsweise völlig unverständlich, wie die vorwissenschaftliche Lebenswelt eines Ichsubjektes mit dessen Lebenswelt mit den wissen­schaftlichen Horizonten identisch sein kann. Jedes Ichsubjekt hat einerseits seine eigene Lebensumwelt, andererseits die soziale Lebenswelt, welche es mit anderen Mitsubjekten gemeinsam hat. 13 "Und doch sagen wir, jeder hat die Welt vorgegeben, dieselbe Welt, jeder in seiner individuellen Horizonthaftigkeit hat eine anders bestimmte Welt aus anderen Vermögen und Zugänglichkeiten für ihn, doch dieselbe." (XV, 384) Die Lebenswelt eines Ichsubjektes als eine intersubjektive Welt besagt also: Die jemeinige Lebenswelt ist zwar das genetische Produkt des jemeinigen Ich, aber es handelt sich beim Ichsubjekt als dem Träger seiner Lebenswelt nicht um ein Ego, welches rein solipsis­tisch sein könnte, sondern ausschließlich um ein Ich, das von Anfang an mit anderen Ichsubjekten beständig umgeht.

Die transzendentale Geschichte eines Ichsubjektes, die erfüllende Explikation des universalen Instinkthorizontes, ist danach "von vornherein nichts anderes als die lebendige Bewegung des Miteinander und Ineinander von ursprünglicher Sinnbildung und Sinnsedimentierung." (VI, 380) Die Lebenswelt eines Ichsubjektes ist von Anfang an eine geschichtliche Welt, welche in jeder Phase der geschichtlichen Entwicklung durch den beständigen Umgang mit den Mitsubjekten bestimmt ist.

ANMERKUNGEN

1. Die Wendung "ihre 'angeborene' Systematik" finden wir an dieser ManuskriptsteIle: "Nun haben die kinästhetischen Erfüllungen, also die Verläufe von hyletischen Vorkommnissen der Kinästhese ihre 'angeborene' Systematik." (C 16 IV, 15) Im seI ben Zusammenhang lesen wir anderweitig: "[ ... 1 'angeboren' ist der Zusammenhang zwischen Kinästhese und Feld, durch Übung zu beherrschen." (C 13 11, 16) "Das Instinktive ('Eingeborene') geht in alle Apperzeptionen und Objektivationen nachher ein und nimmt die neue Gestalt der sich durch 'Einübung vervollkommnenden Tätigkeit' an." (E III 8, 23)

2. Nach Husserl gibt es zwischen der Sonderwissenschaft und der Philosophie keinen wesentlichen Unterschied, sondern die Wissenschaft ist, wie es an einer Stelle ausdrück­lich heißt, "nur lebendiger Zweig am Stamm und im Ganzen der einen Philosophie, als einer untrennbaren Lebenseinheit" (Vlll, 10).

3. An einer Stelle des Wiener Vortrages von 1935 wird "die theoretische Einstellung" als "ganz und gar unpraktisch" (VI, 328) im engeren Sinne bezeichnet, denn: "Sie beruht [ ... ]

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auf einer willentlichen Epoche von aller natürlichen und damit auch höherstufigen, der Natürlichkeit dienenden Praxis im Rahmen ihres eigenen Berufslebens." (VI, 328)

4. Zu Näherem vgl. die ausführlichen Darstellungen von K. Held in folgenden Schriften: "Heideggers These vom Ende der Philosophie" (1980); "Husserls These von der Europäisierung der Menschheit" (1989).

5. H.-G. Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen 1972, S. 235.

6. H. Hohl, Lebenswelt und Geschichte. Grundzüge der Spätphilosophie Husserls. Freiburg/München 1962, S. 47.

7. E. Fink, "Die intentionale Analyse und das Problem des spekulativen Denkens", in: Nähe und Distanz. Phänomenologische Vorträge und Aufsätze. Freiburg/München 1976, S. 152.

8. Unter der Geschichtlichkeit der Lebenswelt verstehen wir die Möglichkeit der weiteren Entwicklung, deren "Wandelbarkeit", weiche ihren letzten Grund in der transzendentalen Genesis des Ichsubjektes im weitesten Sinne hat. Husserl spricht in diesem Zusammenhang von der "immanenten Einheit der Zeitlichkeit des Lebens, das in ihr seine 'Geschichte' hat, derart daß dabei jedes einzelne Bewußtseinserlebnis als zeitlich auftretendes seine eigene 'Geschichte', d.i. seine zeitliche Genesis hat." (XVII, 316) Der ganze Vorgang der geneti­schen Entwicklung eines Ichsubjektes ist nichts anderes als ein Prozeß der Entfaltung seiner individuellen Geschichte. "Absolut betrachtet, hat jedes ego seine Geschichte, und es ist nur als Subjekt einer, seiner Geschichte." (VIII, 506) Über das Problem der Geschichtlichkeit in der Phänomenologie Husseris vgl. E. Fink: "Welt und Geschichte", in: Nähe und Distanz, S. 158-179; L. Landgrebe, Phänomenologie und Geschichte. Gütersloh 1968; ders., "Lebenswelt und Geschichtlichkeit des menschlichen Daseins", in: Phäno­menologie und Marxismus II. Hrsg. von B. Waldenfels / J. M. Broekrnan / A. Pahnin, Frankfurt/M. 1977; ders., "Die Phänomenologie als transzendentale Theorie der Geschichte", in: Phänomenologische Forschungen 3 (1976), S. 17-47; P. Janssen, Geschichte und Lebenswelt. Den Haag 1970; P. Ricoeur, "Husserl und der Sinn der Geschichte", in: Husserl. Hrsg. von H. Noack, Darmstadt 1973, S. 231-276; E. Ströker, "Zeit und Geschichte in Husseris Phänomenologie", in: Phänomenologische Forschungen 14 (1983), S. 117-137.

9. Die Ergänzungen in eckigen Klammern am Schluß des Zitates habe ich vorgenommen. Der Text, so wie er im Originalmanuskript steht und in Husserliana Bd. XV abgedruckt ist, ergibt keinen Sinn. Eine andere mögliche Lektüre wäre, das Work "hindurchreichen" im Zitat als "hindurchzureichen" zu lesen. In der Transkription von M. Biemel im Husserl­Archiv in Köln steht statt "hindurchreichen" "hindurch erreicht" (E III 5, 2).

10. A. Aguirre, Die Phänomenologie Husserls im Licht ihrer gegenwärtigen Interpretation und Kritik. Darmstadt 1982, S. 48.

11. B. Waldenfels, Das Zwischenreich des Dialogs, S. 21. 12. M. Theunissen, Der Andere. Studien zur Sozialontologie der Gegenwart. BerlinlNew York

1977, S. 125. 13. Die Frage, wie die beiden Welten zusammengehören, gehört in den großen Zusammenhang

der Intersubjektivitätsproblematik bei Husserl, auf den wir in dieser Arbeit nicht eingehen können.

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VIERTER TEIL

Die Phänomenologie der Instinkte und die transzendentale Phänomenologie

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KAPITELl

Die Phänomenologie der Instinkte und das Problem der Transzendentalität und des transzendentalen Ich

1. DIE BESTIMMUNG DER TRANSZENDENTALlTÄT UND DIE

TRANSZENDENTALIT Ä T DER INSTINKTINTENTION

Bei den Instinktintentionen, welche in den bei den vorangegangenen Teilen durch die Ab- und Aufbauanalyse der genetischen Konstitution der Welt zum Vorschein gekommen sind, handelt es sich nicht um psychologische Phänomene, sondern ausschließlich um transzendentale Phänomene. Für ihre Enthüllung bildet daher die universale transzendentale Reduktion mit verschiedenen Varianten die methodische Voraussetzung. Demnach versteht sich die Phänomenologie der Instinkte, welche wir dort entwickelt haben, nicht als eine psychologische, sondern als eine transzendentale Theorie. Dementsprechend haben wir immer von der transzendentalen Funktion oder Fähigkeit der Instinktintention gesprochen, ohne dabei darauf einzugehen, was eigentlich Transzendentalität in diesem Zusammenhang heißt und in welchem Sinne bzw. mit welchem Recht von der Transzendentalität der Instinktintention die Rede sein kann. So stellt sich die Aufgabe, darzulegen, was Transzen­dentalität in der transzendentalen Phänomenologie Husserls heißt und inwiefern von einer Transzendentalität der Instinktintention sinnvoll gesprochen werden kann.

Für die Bestimmung der Transzendentalität in der Phänomenologie Husserls ist eine Bemerkung L. Landgrebes von entscheidender Bedeutung. Er schreibt im Hinblick auf die Schwierigkeit der Bestimmung dieses Begriffes: "Diese Frage war bekanntlich bei den Husserl-Schülern schon umstritten, seitdem er in seinen Ideen, wie man so sagte, die 'transzendentale Wendung' vollzogen hatte. Aber die Schlichtung dieses Streites setzt voraus, daß geklärt ist, welche Bedeutung das Wort 'transzendental' bei Husserl hat, und diese Bedeutung ist nur aus dem Kontext seines Werkes selbst zu eruieren. Dem Ausdruck darf nicht einfach die Bedeutung unterlegt werden, die dieses Wort in der Philosophie vor Husserl hatte."l Wenn man sich bei der Bestimmung der Transzendentalität in der Phänomenologie Husserls an diese wichtige Anmerkung nicht erinnert, ist man immer der Gefahr ausgesetzt, nur das formale und allgemeine Moment, welches der Husserlsche Begriff der

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206 Vierter Teil

Transzendentalität mit demjenigen der Tradition gemeinsam hat, zu berühren und das Wesentliche des Husserlschen Begriffes der Transzendentalität zu übersehen. Die notwendige Folge davon wäre ein bloßer Vergleich des Husserlschen Begriffes der Transzendentalität mit dem traditionellen, welcher im schlimmsten Fall dazu führen kann, eine sachferne Spekulation über den Husserlschen Begriff der Transzendentalität anzustellen. 2 Husserl wußte auch in der Spätphilosophie, daß sein Begriff, der von dem traditionellen strikt unterschieden werden muß, trotzdem von anderen oft mißverstanden werden würde. So schreibt er an einer Stelle der Cartesianischen Meditation über die Notwendigkeit, den Begriff der Transzendentalität, wie Landgrebe for­muliert, nur aus dem Kontext seines Werkes selbst zu eruieren: "Dieser Begriff des Transzendentalen [ ... ] muß ausschließlich aus unserer philosophisch meditierenden Situation geschöpft werden." (I, 65)

Was ist denn unsere philosophisch meditierende Situation, aus der allein der Begriff der Transzendentalität gewonnen werden soll? Die philosophisch meditierende Situation liegt darin, die Möglichkeit der Konstitution der Gegenständlichkeit zu erklären. Die transzendentale Phänomenologie ist nichts anderes als die Phänomenologie des konstituierenden Bewußtseins.3 Der phänomenologische Begriff der Konstitution bestimmt sich formal, wie oben im ersten Teil dargestellt wird, als ein Übergreifen der niederen Einheiten auf eine höhere Einheit des gegenständlichen Sinnes. Da die übergriffene höhere Einheit des gegenständlichen Sinnes die Transzendenz darstellt, stellt sich heraus, daß die Aufgabe der transzendentalen Phänomenologie als einer konstitutiven Phänomenologie darin liegt, die Bedingung der Möglichkeit der Transzendenz zu erklären. Danach zeigt sich, daß der Begriff der Transzen­dentalität in der transzendentalen Phänomenologie nichts anderes als der "Korrelatsbegriff' (I, 65) der Transzendenz ist. "Zum eigenen Sinn alles Weltlichen gehört diese Transzendenz [ ... ]. Gehört zum eigenen Sinn der Welt diese Transzendenz irrealen Beschlossenseins, so heißt dann das Ich selbst, das sie als geltenden Sinn in sich trägt und von diesem seinerseits notwendig vorausgesetzt ist, im phänomenologischen Sinn transzendental; die aus dieser Korrelation erwachsenden philosophischen Probleme heißen dementsprechend transzendental-philosophische." (I, 65, Herv. v. Vf.) Die Transzendentalität in der transzendentalen Phänomenologie Husserls als der Korrelationsbegriff der Transzendenz besagt also die Funktion des Transzendierens im Sinne des mehrmeinenden Übergreijens.

So weit haben wir den formalen Begriff der Transzendentalität in der transzendentalen Phänomenologie bestimmt. An diesem formalen Begriff allein und an nichts anderem muß man zunächst in der Erörterung all dessen festhalten, was mit dem Begriff der Transzendentalität zu tun hat.

Der Begriff der Transzendentalität erfährt wie die anderen Grundbegriffe der transzendentalen Phänomenologie im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie einen tiefgreifenden Wandel. Der Wandel dieses Begriffs stellt aber dabei die letzte Quelle dar, auf die sich der im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie feststell bare Wandel aller

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Transzendentalität und das transzendentale Ich 207

Grundbegriffe der transzendentalen Phänomenologie schließlich zurückführen läßt.

In der statischen Phänomenologie, deren Aufgabe darin liegt, die über­zeitliche Struktur der Geltungsfundierung in der Konstitution als einer übergreifenden Mehrmeinung zu erklären, kann nur die doxische Vorstellungs­intention die transzendentale Funktion übernehmen. Denn diese allein ist vom Standpunkt der statischen Phänomenologie aus betrachtet fähig, die Funktion des Transzendierens als des mehrmeinenden Übergreifens zu übernehmen. Die höchste Form der doxischen Vorstellungs intention ist dabei das helle Selbstbewußtsein, welches mit apodiktischer Gewißheit erfahrbar ist und darum, mit Kant zu sagen, "alle meine Vorstellungen begleiten können [muß]"4. Dies besagt zugleich, daß das helle Selbstbewußtsein, statisch­phänomenologisch betrachtet, die letzte Quelle aller transzendentalen Funktionen darstellt.

Die Konstitution bedeutet genetisch-phänomenologisch, wie im ersten Teil dargestellt, das Übergreifen des zeitlich Früheren auf das zeitlich Spätere. Transzendental heißen genetisch-phänomenologisch alle Bewußtseinsgestalten, welche am Vorgang der genetischen Konstitution als des zeitlichen Übergreifens beteiligt sind. Genetisch-phänomenologisch kann nicht nur das helle Selbstbewußtsein mit allen von ihm begleiteten doxischen Vorstellungs­intentionen, sondern auch jede Form der Intention, welche nicht vom hellen Selbstbewußtsein begleitet wird, die transzendentale Funktion übernehmen. Danach zeigt sich, daß die apodiktische Gegebenheit genetisch-phänome­nologisch nicht mehr eine unentbehrliche Komponente des transzendentalen Bewußtseins ist. Dementsprechend heißen beispielsweise die Bewußtseins­gestalten auf den untersten Stufen der genetischen Konstitution, obwohl diese nicht wie das helle Selbstbewußtsein mit apodiktischer Notwendigkeit erfahrbar ist, mit gutem Grunde transzendental.

Erst durch die Vertiefung der genetischen Phänomenologie ist es möglich, allen Bewußtseinsgestalten, welche auf dem universalen Bewußtseinsfeld fest­stell bar sind, die transzendentale Funktion zuzusprechen. Als eine notwendige Folge davon ist es in der Spätphilosophie Husserls möglich, die Instinktin­tention als eine transzendentale Bewußtseinsgestalt zu bezeichnen. So schreibt er an einer ManuskriptsteIle von 1927 im Hinblick auf den Geschlechtsinstinkt, welcher die Grundlage für die Herstellung des intersubjektiven Zusam­menhangs bildet: "Dabei ist zu beachten, daß auch diese Passivität in den Rahmen der reinen Subjektivität gehört und in phänomenologischer Reduktion als solche erforschbar ist." (XIV, 405, Herv. v. Vf.) Diese Bemerkung Husserls, daß die Instinktintention "in den Rahmen der reinen Subjektivität gehört", gilt nicht nur für die Instinktintention der fertigen Subjektivität, sondern auch darüber hinaus für alle Instinktintentionen im fernen Vergangenheitshorizont, also auch für die angeborenen Urinstinkte im Uranfang der transzendentalen Genesis.

Die Instinktintentionen auf allen Stufen der genetischen Konstitution haben demnach die transzendentale Funktion, also die Funktion des Übergreifens

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208 Vierter Teil

des zeitlich Früheren auf das zeitlich Spätere. Aber die Instinktintention hat genetisch-phänomenologisch im Vergleich zu anderen Bewußtseinsgestalten einen Vorrang, denn sie stellen, wie durch die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte im II. und III. Teil gezeigt wurde, die Triebkraft aller transzen­dentalen Genesis dar. Der absolute Vorrang gilt vor allem für die angeborenen Urinstinkte im Uranfang der transzendentalen Genesis. Diese stellen die genetischen Urgestalten des transzendentalen Bewußtseins dar. Ohne die Intention der angeborenen Urinstinkte können auf dem universalen Bewußtseinsfeld die anderen Bewußtseinsgestalten nicht auftreten. Alle tran­szendentalen Bewußtseinsgestalten im weiteren Verlauf der transzendentalen Genesis bedeuten bloß die Enthüllungsgestalten der angeborenen ursprünglichen transzendentalen Instinkte.

2. DIE ZWEIDEUTIGKEIT DES TRANSZENDENTALEN ICH

Das transzendentale Ich können wir formal als das Ausstrahlungszentrum der transzendentalen Funktionen bestimmen. Wie der Darstellung im vorange­gangenen Paragraphen zu entnehmen ist, zeigt sich der Begriff des transzendentalen Ich als doppeldeutig.5 Da die transzendentale Funktion in der statischen und in der genetischen Phänomenologie jeweils etwas anderes bedeutet, ist es klar, daß das transzendentale Ich in der statischen und in der genetischen Phänomenologie jeweils als etwas anders bestimmt wird.

Statisch-phänomenologisch bestimmt sich das transzendentale Ich als das Ausstrahlungszentrum des hellen Selbstbewußtseins mit den von diesem begleiteten doxischen Vorstellungsintentionen. Genetisch-phänomenologisch bedeutet dagegen das transzendentale Ich das Ausstrahlungszentrum aller Bewußtseinsgestalten, das nicht nur das helle Selbstbewußtsein und die von ihm begleiteten doxischen Vorstellungsintentionen, sondern auch alle möglichen Bewußtseinsgestalten umfaßt, wobei es völlig gleichgültig ist, ob diese vom hellen Selbstbewußtsein begleitet werden oder nicht. Daraus ergibt sich, daß der statisch-phänomenologische Begriff sich in den genetisch­phänomenologischen Begriff des transzendentalen Ich auflöst; das transzen­dentale Ich in der statischen Phänomenologie stellt nur ein abstraktes Strukturmoment des im konkreten genetischen Zusammenhang begriffenen transzendentalen Ich dar. Es handelt sich bei diesem letzteren um nichts anderes als um "das in voller Konkretion genommene ego" (I, 102), "das gesamte wirk­liche und potentielle Bewußtseinsleben" (I, 102), welches Husserl in der Spätphilosophie als die transzendentale Monade bezeichnet. Das transzen­dentale Ich als "die Monade ist eine lebendige Einheit, die ein Ich als Pol des Wirkens und Leidens in sich trägt, und eine Einheit des wachen und des verborgenen Lebens, eine Einheit von Vermögen, von 'Dispositionen', und das Verborgene, 'Unbewußte' ist ein eigener Modus für monadische Beschlossen­heiten, dessen notwendigen Sinn man in eigenen Weisen ursprünglich schöpfen muß." (XIV, 34)

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Transzendentalität und das transzendentale Ich 209

Das transzendentale Ich in der statischen Phänomenologie als das Ausstrahlungszentrum der doxischen Vorstellungsintention ist gerade das Subjekt der logischen Vernunft im weitesten Sinne; die logische Vernunft ist also eine unentbehrliche Komponente des transzendentalen Ich in der stati­schen Phänomenologie. Dagegen stellt die logische Vernunft keine unentbehrliche Komponente für das transzendentale Ich in der genetischen Phänomenologie dar. Demnach ist es in der genetischen Phänomenologie notwendig, das Vor-Ich im Uranfang der transzendentalen Genesis oder das tierische Ich insofern als ein transzendentales Ich zu bezeichnen, als es möglich ist, bei diesem Ich die transzendentale Funktion, also die Funktion des Übergreifens in gewissem Sinne, festzustellen. Daher zeigt sich, daß das tran­szendentale Ich in der genetischen Phänomenologie Husserls, wie unten gezeigt wird, nicht mehr mit dem transzendentalen Ich, wie es in der traditionellen Bewußtseinsphilosophie verstanden wird, identifiziert werden darf. Durch die Vertiefung der genetischen Phänomenologie und vor allem durch die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte ist Husserl also zu einem gegenüber der Tradition völlig neuen, ja sicher revolutionären Verständnis des transzendentalen Ich gekommen. Wie die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte zeigt, bedeutet die genetische Phänomenologie Husserls einen radikalen Abschied von der neuzeitlichen Bewußtseinsphilosophie.

Auch E. Marbach ist die Doppeldeutigkeit des Ichbegriffes in der transzendentalen Phänomenologie Husserls aufgefallen. So schreibt er: "Diese bei den Auffassungen des Ich sind bei Husserl nicht klar gesehen, so daß sein Ichbegriff als ein zweideutiger zu bezeichnen ist. Er trifft einmal als Bezeichnung des Prinzips der Einheit des Bewußtseins die reine subjektive Einheit der aktuellen und der vergegenwärtigenden Akte, die nicht durch den Leib erfüllbar ist, das andere Mal als Bezeichnung des Einstrahlungs- bzw. Ausstrahlungszentrums der intentionalen Erlebnisse aber gerade das leiblich bestimmte Subjekt des aktuellen Bewußtseinsverlaufs, den fungierenden Leib."6 Die Doppeldeutigkeit des Ichbegriffs, weIche von Marbach festgestellt wird, deckt sich gewissermaßen mit der von uns festgestellten Doppeldeutigkeit zwischen dem statisch-phänomenologischen und dem genetisch-phänomeno­logischen Ichbegriff. Denn beim transzendentalen Ich in der statischen Phänomenologie als einem abstrakten Moment des ganzen konkreten Ich handelt es sich um dasjenige Ich, das, wie Marbach formuliert, "nicht durch den Leib erfüllbar ist", beim transzendentalen Ich in der genetischen Phänomenologie dagegen um "das leiblich bestimmte Subjekt des aktuellen Bewußtseinsverlaufs" .

Fragwürdig ist aber bei Marbach die Ansicht, daß im Hinblick auf das Ich eine Unterscheidung zwischen dem Ich als dem "Prinzip der Einheit des Bewußtseins" und als dem "Einstrahlungs- und Ausstrahlungszentrum der intentionalen Erlebnisse" zu treffen sei, wobei dieses mit dem leiblich be­stimmten Subjekt, jenes dagegen mit dem durch den Leib nicht erfüllbaren Ich zu identifizieren sein soll. Diese Unterscheidung und Identifizierung halten wir aber für unmöglich, denn die bei den Momente stellen bloß die bei den

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210 Vierter Teil

untrennbaren Aspekte des transzendentalen Ich dar. Sie gehen immer Hand in Hand, wobei es ganz gleichgültig ist, wie der Ichbegriff verstanden wird. D.h. ein Ich, sei es das durch den Leib nicht erfüllbare Ich, sei es das durch den Leib bestimmte Ich, kann gerade deswegen das Prinzip der Einheit des Bewußtseins sein, weil es das Einstrahlungs- und Ausstrahlungszentrum ist und vice versa. Sogar das Vor-Ich als der Ichpol der ursprünglichen Instinktintentionen ist das Ein- und Ausstrahlungszentrum der intentionalen Erlebnisse und zugleich gerade deswegen das Prinzip der Einheit des Bewußtseins als die Bedingung der Möglichkeit der vorbewußten Assoziation.

Zu dieser unhaltbaren Unterscheidung zwischen dem Ich als dem "Prinzip der Einheit des Bewußtseins" und als dem "Einstrahlungs- und Ausstrah­lungszentrum der intentionalen Erlebnisse" kommt Marbach deshalb, weil er nicht erkannt hat, daß es sich bei der von ihm festgestellten Doppeldeutigkeit des Ichbegriffs gerade um die Doppeldeutigkeit handelt, welche im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie ans Licht gekommen ist. Damit hängt zusammen, daß die Bestimmung des Ichbegriffs bei ihm vom Vorurteil der statischen Phänomenologie geleitet ist, demzufolge der objek­tivierende Akt, d.h. die logische Vernunft im weitesten Sinne, gegenüber dem nicht-objektivierenden Akt in jeder Hinsicht einen absoluten Vorrang haben soll und als eine notwendige Folge davon auch in der Bestimmung des Ichbegriffs. Dies führt ihn dazu zu behaupten, "daß strengen Sinnes von einem /chsubjekt nur da gesprochen werden darf, wo Akte der 'Vernunft' in Frage stehen"7. Dementsprechend glaubt er schließlich, die "Anzeige der möglichen Aufhebung der Zweideutigkeit von Husserls Ichbegriff,g darin zu finden, daß man das Ich als das "Prinzip der Einheit des Bewußtseins", also nach ihm "die reine subjektive Einheit, die nicht durch den Leib erfüllbar ist", das einzig legitime Ich gelten lassen soll. Daher zieht er die Schlußfolgerung, "daß hingegen der Begriff des 'Ich', den Husserl nach Analogie mit dem leiblich bestimmten Subjekt als Ausstrahlungs- bzw. Einstrahlungszentrum von Aktionen und Affektionen auch dort ansetzte, wo das Bewußtseinsleben in der Gegenwart verläuft, als Ichbegriff zu verwerfen ist.,,9 Es ist klar, daß sein Vorschlag, die Zweideutigkeit des Ichbegriffes bei Husserl aufzulösen, der von uns festgestellten These von der Auflösung des statisch-phänomenologischen Ichbegriffs in den genetisch-phänomenologi­schen schroff gegenübersteht. Nach Marbach darf das Vor-Ich im Uranfang der transzendentalen Genesis oder das tierische Ich, welches bloß ein "Einstrahlungs- und Ausstrahlungszentrum der intentionalen Erlebnisse", aber niemals das "Prinzip der Einheit des Bewußtseins" wäre, nicht als Ich gelten. Wir sind der Ansicht, daß Marbach dadurch das von uns festgestellte "revo­lutionäre" Moment, welches im Begriff des transzendentalen Ich bei Husserl gegenüber dem traditionellen Begriff enthalten ist, völlig verkennt. Wie Marbach wohl bekannt ist, versteht Husserl den Embryo im Mutterleib oder das tierische Subjekt, dem die Akte der Vernunft völlig fehlen, als Ich. "Tiere, animalische Wesen, sind", so führt Husserl einmal aus, "wie wir Subjekte eines Bewußtseinslebens, indem ihnen in gewisser Weise auch 'Umwelt' als die ihre

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Transzendentalität und das transzendentale Ich 211

in Seinsgewißheit gegeben ist. [ ... ] Auch das Tier hat so etwas wie eine Ich s t r u k t u r." (XV, 177)

3. DAS TRANSZENDENTALE ICH ALS EINE EINHEIT DER

SELBSTERHALTUNGSTÄTIGKEIT UND ZUGLEICH ALS EINE ENTWICKLUNGSEINHEIT:

DIE LEHRE VOM UNIVERSALEN TRANSZENDENTALEN INSTINKT ALS UNIVERSALER

TELEOLOGIE EINES ICHSUBJEKTES

Das transzendentale Ich ist genetisch-phänomenologisch betrachtet das Ausstrahlungszentrum "ins Endlose reichender, miteinander durchgängig verwobener transzendentaler Funktionen" (VI, 214). Die Phänomenologie der Instinkte als das Urstück der genetischen Phänomenologie bestätigt, wie oben gezeigt, daß die transzendentale Funktion genetisch-phänomenologisch nicht nur den erkennenden, sondern darüber hinaus allen wertenden und prak­tischen Bewußtseinsgestalten im oben im 11. und III. Teil bestimmten weitesten Sinne zukommt. Die erkennenden BewußtseinsgestaIten stellen bloß bestimmte Formen des transzendentalen Bewußtseins dar und als solche sind sie nicht einfach diesem gleichzusetzen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, daß die erkennenden Bewußtseinsgestalten, wie oben mehrmals gezeigt, in genetischer Hinsicht nicht die ursprünglichen, sondern bloß die abgeleiteten Gestalten des transzendentalen Bewußtseins sind. Die ursprünglichen Gestalten des transzendentalen Bewußtseins in genetischer Hinsicht stellen die axio­praktischen Bewußtseinsgestalten dar. Daraus zeigt sich, daß das transzen­dentale Ich nicht ein bloß ruhendes erkennendes Subjekt, sondern ursprünglich ein Subjekt der axio-praktischen Tätigkeiten ist. Das transzendentale Ich ist ein Strebensganzes. "Das Lebensganze ist ein Prozeß des ständigen Getriebenseins, Begehrens, Wünschens, bewußten HandeIns nach Zielen, ein Prozeß des Nachgebens an blinde Neigungen, des Nachgebens oder Sichhingebens an Antriebe von Wünschen, Begierden [ . . . ] und des spontanen Wertens und freien Sichentscheidens für Werte und gegen Unwerte [ ... ] - also ein sich mit dem Prozeß der blinden und vernunftlosen unfreien Tätigkeiten verflechtender Prozeß der freien Handlungen 'nach Pflicht'." (B I 211, 6) Die Kehrseite des transzendentalen Ich als eines Ichsubjektes der axio-praktischen Tätigkeiten ist gerade das transzendentale Ich als eine Einheit der Selbsterhaltung. Das transzendentale Ich ist ausschließlich "eine Einheit durch Tendenz auf Selbsterhaltung, es ist, indem es zu sein strebt und es selbst zu sein strebt. Es selbst ist eine Idee, entweder eine im Endlichen liegende Idee wie die des Tierindividuums vom Arttypus Leib oder eine im Unendlichen liegende Idee, die des individuellen Menschen[ ... ]. Und diese Idee ist selbst ein Ideal, dem sich das strebende Leben des Menschen mehr oder minder nähert. Die Tugend ist eine habituelle Richtung auf dieses Ideale, spezifisch menschliche Selbsterhaltung, und doch genauer, auf die Erhaltung seines eigenen, des eigenen Selbst." (F I 24, 51).

Aus dieser Überlegung bestätigt sich noch einmal die These, daß das tran-

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szendentale Ich bei Husserl kein solipsistisches Ego ist. Vielmehr handelt es sich beim transzendentalen Ich als einer Einheit der Praxis und der Selbsterhaltung ursprünglich um ein von Anfang an intersubjektiv bestimmtes Ego. Allerdings gibt es in den Schriften Husserls Ansätze, welche dazu verleiten, das transzendentale Ich bei ihm als ein solipsistisches Ego zu inter­pretieren. Diese Möglichkeit finden wir vor allem im Zusammenhang mit dem Moment des letzten Geltungsursprungs des transzendentalen Ich, also mit dem Ur-Ich, welches, wie unten gezeigt wird, den letzten Träger der Verantwortung darstellt. Dieses charakterisiert sich, wie unten gezeigt wird, durch die Einzigkeit und Unaustauschbarkeit, also durch einen solipsistischen Zug in gewissem Sinne. Es handelt sich dabei gerade um dasjenige Moment in der ganzen Struktureinheit des transzendentalen Ich, welches M. Theunissen irrtümlicherweise dazu führt, die Absolutheit des transzendentalen Ich bei Husserl als "die (Asozialität bedeutende) Absolutheit"IO zu bezeichnen.

Das transzendentale Ich als ein Strebensganzes bei Husserl ist eine Entwicklungseinheit, welche sich genetisch letztlich auf den angeborenen Urinstinkt im Uranfang der transzendentalen Genesis zurückführen läßt. Dabei bildet die Vernunft als die höchst entwickelte transzendentale Bewußtseins­gestalt keine Ausnahme; sie ist, wie im 111. Teil gezeigt, nichts anderes als die "Umwendung" des ursprünglichen Instinktes. Für die Bestimmung der Struktureinheit des transzendentalen Ich ist es wichtig, darauf zu achten, daß die Instinktintention als die Triebkraft der transzendentalen Entwicklung beim fertigen Subjekt nicht einfach verschwindet, sondern in einer neuen Form beständig weiter ihre transzendentale Funktion als die Triebkraft der tran­szendentalen Genesis ausübt. Dementsprechend ist es möglich, auch bei der Auswirkung der Vernunft als der höchst entwickelten transzendentalen BewußtseinsgestaIt einen instinktiven Zug festzustellen; die Kehrseite der Vernunft ist eine bestimmte Form des Instinktes, nämlich der Vernunftinstinkt. So zeigt sich das transzendentale Ich in jeder Entwicklungsstufe als ein Ichsubjekt der transzendentalen Instinkte, wie es an einer Manuskriptstelle heißt: "In diesem fortgehenden Interessenleben und Interessenerwerbe schon Haben und in Fortgeltung Haben unter Korrektur bleibt das Ich, was es war, Ich der 'Instinkte', der ursprünglich nur jetzt entwickelten, mit Zielvor­stellungen ausgestatteten Strebungen; immer neue besondere Ziele, immer neue Höherentwicklung der Interessen, und doch das Ich dasselbe, es ist Einheit eines Strebens, das in ihm treibend ist, ein totaler Instinkt sich in alIem Aktieben auswirkend, enthüllend und doch durch alle Vorhabe und Habe hindurch weiter treibend, neue Erfüllung bringend, mit denen sich das, worauf das Ich hinauswill, neu enthüllt." (e 13 I, 9)

Durch das Ganze eines fertigen transzendentalen Ich zieht sich also der totale Instinkt hindurch, welcher sich genetisch auf den angeborenen Urinstinkt im Uranfang der transzendentalen Genesis zurückführen läßt und alle seine Bewußtseinsgestalten einheitlich umspannt. Diesen totalen Instinkt eines tran­szendentalen Ich bezeichnet Husserl an einer Stelle des Spätmanuskriptes als den transzendentalen Instinkt. "Transzendentaler Instinkt - in einem Sinne

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Transzendentalität und das transzendentale Ich 213

die durch die Totalität der Intentionalität des Ego hindurchgehende univer­sale Tendenz - die ständige universale Teleologie." (C 13 I, 16) Die Auswirkung aller transzendentalen Bewußtseinsgestalten eines transzenden­talen Egos ist also von diesem transzendentalen Instinkt als einer universalen Teleologie geleitet. Das transzendentale Ich ist nichts anderes als das Ichsubjekte des transzendentalen Instinktes als der universalen Teleologie. Es handelt sich also beim transzendentalen leh um ein lehsubjekt, welches sich auf einem ewigen Weg zur durch den transzendentalen Instinkt geleiteten weiteren Entwicklung befindet.

Dadurch zeigt sich, daß das transzendentale Ich bei Husserl nicht ein überindividuelles, unpersönliches leh ist, welches dem Kantischen "Bewußtsein überhaupt" ähnlich wäre. Vielmehr handelt es sich beim transzendentalen leh bei Husserl zunächst um ein individuelles leh, welches auf dem ewigen Weg der transzendentalen Entwicklung ist über die Individualität des transzenden­talen leh schreibt Husserl an einer Stelle der Krisis-Abhandlung: "Das sich selbst setzende Ich, von dem Fichte spricht, kann es ein anderes sein als das FichtesT' (VI, 205) Abweichend von dieser Feststellung vertreten einige Interpreten die Ansicht, daß das transzendentale leh bei Husserl ein überindi­viduelles und unpersönliches Ich wäre, welches dem Schicksal des Wandels und der Entwicklung nicht ausgesetzt wäre. Diese Ansicht wird in der Forschungsgeschichte von vielen Interpreten in verschiedenen Variationen vertreten. So schreibt J. Thyssen: "[ ... ] das Subjekt jener reinen Akte ist also nicht der reale Einzelmensch, sondern ein sozusagen weit vor ihm liegender überindividueller Aktträger, dessen Gegenstand die ganze Welt­'Fulle' ist. [ ... ] Sehen wir davon ab und halten wir uns an die grundlegende phänomenologische Darlegung [ . . . ], so ist das Subjekt der reinen Anschauungsakte eine überindividuelle, vor allen realen Einzel-lehen beste­hende, in ihnen wirksame Subjektivität. [ ... ] Das ist die transzendentale Subjektivität Husserls [ ... ]."ll Im selben Sinne schreibt H. Drüe: "In der transzendentalen Stufe der Reduktion wird es auch klar, daß von der transzendentalen Subjektivität wie von einem personalen - auch einem reduziert gedachten - Einzelsubjekt zu sprechen sinnlos ist [ ... ]."12 A. De Waelhens spricht von einem "transzendentalen Ich [ ... ], welches als ein ursprüngliches Subjekt zu begreifen ist, das als Subjekt nicht dieser oder jener ist, welchen ich zu nennen vermöchte."l3 Hinsichtlich der Bestimmung des transzendentalen leh als eines überzeitlichen, überindividuellen und unper­sonalen leh, welches über den Wandel weit erhaben wäre, ist es unverkennbar, daß diese Auffassung sich auf die Idee des reinen leh in den Ideen beruft. Wie oben dargestellt, stellt das reine Ich in den Ideen bloß ein abstraktes Strukturmoment des ganzen und konkreten transzendentalen Ich dar. Die Auffassung des transzendentalen Ich als eines überzeitlichen, überindividu­ellen und unpersonalen Ich ist dadurch möglich, daß man in der ganzen Struktureinheit des konkreten transzendentalen Ich den reflektiven Blick ausschließlich auf dieses scheinbar überzeitliche Moment richtet; sie ist also bloß ein Resultat der Abstraktion.

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4. DIE STRUKTUREINHEIT DES TRANSZENDENTALEN ICH: DAS UR-IcH

UND DAS VOR-IcH

Das transzendentale Ich ist also ein Ausstrahlungszentrum "ins Endlose reichender, miteinander durchgängig verwobener transzendentaler Funktionen", von denen der ursprüngliche Instinkt im urpassiven Zeitstrom die unterste Gestalt, die wissenschaftliche Vernunft dagegen die höchste Gestalt der tran­szendentalen Funktion darstellt. Die Vernunft bildet dabei das Moment der Freiheit, der ursprüngliche Instinkt dagegen das Moment der Unfreiheit des transzendentalen Ich, also dessen "Naturseite": "Das alles hat seinen Naturlauf, also selbst jeder freie Akt hat seinen Kometenschweif Natur: [ ... ], und jeder Akt hat seine Naturseite, nämlich seinen Naturuntergrund: [ ... ]." (IV, 338) Das transzendentale Ich ist also nach Husserl kein unbedingt freies Wesen, wie es in der Tradition verstanden wird, sondern ausschließlich eine untrennbare Einheit von Freiheit und Unfreiheit. Die Naturseite ist also eine unentbehrliche Komponente des transzendentalen Ich. In diesem Zusam­menhang heißt es an einer Stelle der Ethik- Vorlesung von 1920: "Was unabhängig von der Freiheit festgesetzt und bestimmt ist, heißt Natur. Nun liegt im Menschen ein System von Trieben, Gefühlen und Empfindungen als ein Gegebenes, und da die Substanz, in der dieses System sich befindet, zugleich diejenige ist, welche denkt und will und die wir als uns selbst bestimmen, so ist dieses System zu denken als unsere Natur." (F I 24, 43)

In der Struktureinheit des transzendentalen Ich als einer Entwicklungseinheit stellt die Vernunft als der letzte Träger der Verantwortung den letzten Ursprung der Geltung dar, auf den sich alle Geltungen schließlich zurückführen lassen, der angeborene Urinstinkt im Uranfang der transzendentalen Genesis dagegen den letzten Ursprung der Genesis. Aus dem Unterschied zwischen beiden zeigt sich die Notwendigkeit, zwei Begriffe des Ich in der transzendentalen Phänomenologie Husserls strikt zu unterscheiden: das Ur-Ich und das Vor-Ich. Das Vor-Ich ist, wie wir oben an einigen Stellen herausgestellt haben, das blinde Ausstrahlungszentrum der ursprünglichen Instinkte. Darum unter­scheidet es sich strikt vom Ur-Ich, weIches, nach Husserl, den "Urboden aller Geltungen" ce 2 I, 10) darstellt. Das Ur-Ich als der "Urpol, als ursprünglich fungierendes Ich" ce 2 I, 3), ist das "urphänomenale Sein, [ ... ] das doch [ ... ] bewußt ist und zugleich anonym ist [ ... ]" ce 2 I, 14). Anders als das Vor-Ich als ein blindes Ichzentrum im urpassiven Zeitstrom und im fernen Vergangenheitshorizont zeigt das Ur-Ich den Wesenszug einer unmittelbaren Nähe des hellen Selbstbewußtseins. Als der Urboden aller Geltungen ist das Ur-Ich der ursprüngliche Ort der Auswirkung der Vernunft im Modus der Praereflexivität, welche sich durch den Einsatz der phänomenologischen Reduktion ontifiziert.

Das Ur-Ich als der letzte Geltungsursprung und das Vor-Ich als der letzte Genesisursprung unterscheiden sich voneinander strikt. Die wichtige Unterscheidung zwischen bei den ist in der Forschungsgeschichte nicht deutlich genug herausgestellt worden. Einige Autoren haben sogar beide miteinander

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Transzendentalität und das transzendentale Ich 215

identifiziert. In diesem Zusammenhang spricht A. Diemer davon, "daß in ihm [dem Ich] bereits 'Tendenzen' vorgegeben und vorgezeichnet sind, die als 'Triebe' und 'Instinkte' in ihrem ichlichen bzw. 'vor-ichlichen' Leben, als eine Art 'Ur-Ich' darauf angelegt sind,,14. Er versteht also unter dem Ur-Ich gerade das Vor-Ich als den Ichpol der ursprünglichen Instinkte. Dies geht vor allem deutlich daraus hervor, daß er als Beleg für seine These in einer Fußnote folgende Manuskriptstelle zitiert: "Auf der untersten Stufe ist das Ich Instinkt-Ich mit unenthüllten instinktiven Zielen. Der Instinkt durchläuft verschiedene Modi, erfüllt sich, und nun ist das Erfüllungsziel patent [ ... ]. Der Instinkt ist aber damit nicht zu Ende, er nimmt neue Modi an; ich bin weiter immerfort Instinkt-Ich [ ... ]."15 (C 13 I, 6) Dasselbe Mißverständnis unterläuft E. Holenstein, wenn er schreibt: "In Bezug auf das instinkthafte Geschehen spricht Husserl auch von einem 'Trieb-' und 'Instinktich' . Dieses 'Ur-Ich', dem das passive Streben entquillt, ist aber eher dem Bewußtseinsstrom als dem affizierten und motivierten Ichpol zuzuordnen, empfängt dieses doch von jenem seine Affektion.,,16. Bei der Identifizierung des Trieb- und Instinktich, also des Vor-Ich mit dem Ur-Ich beruft er sich, wie Diemer, auf die oben genannte Stelle aus dem Manuskript C 13 1. 17

Im Hinblick auf die Struktureinheit des transzendentalen Ich sei folgendes bemerkt.

1. Das transzendentale Ich bei Husserl ist nicht "das Ungegenständliche", "ein und dasselbe ungegenständliche Ich,,18, wie J. Thyssen unter Berufung auf Rickert und wie auch andere behaupten 19. Allerdings gibt es in der ganzen Struktureinheit des transzendentalen Ich ein Moment, welches nicht mehr objektivierbar ist; es handelt sich dabei um das Ur-Ich. Das Ur-Ich als das in der transzendentalen Reflexion dem reflektiven Blick sich entziehende letzte Fungieren charakterisiert sich dadurch, daß es "eigentlich nur durch äquivok 'Ich' [heißt], obschon es eine wesensmäßige Äquivokation ist, da, wenn ich es reflektierend benenne, ich nicht anders sagen kann als: ich bin es." (VI, 188) Unseres Erachtens ist es gerade diese SteHe aus der Krisis-Abhandlung, auf die sich die meisten Interpreten, die die Ungegenständlichkeit des transzen­dentalen Ich vertreten, implizit oder explizit berufen. Daraus daß es in der Struktureinheit des ganzen konkreten transzendentalen Ich ein Moment gibt, welches sich der Objektivierung entzieht, darf nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, daß das transzendentale Ich als ganzes sich der "Objektivierung" entzöge. Dann wäre es unmöglich, die transzendentale Phänomenologie als eine Wissenschaft vom transzendentalen Ich zu entwickeln, welche sich, wie Husserl meint, auf die Basis der Erfahrung im weitesten Sinne, also auf die Basis der transzendentalen Erfahrung, aber nicht auf die eines Rückschlusses, gründet. Das transzendentale Ich ist also durch die phänomenologische Reduktion erfahrbar. Die Selbsterfahrung des tran­szendentalen Ego in der transzendentalen Reduktion, also die transzendentale Erfahrung, bezeichnet Husserl als die "transzendentalen Apperzeptionen, durch die das transzendentale Ich mit allem, was es in sich ist, Stromform, tran­szendental apperzipiert und somit vorgegeben ist [ ... ]." (C 17 IV, 8) Dabei

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handelt es sich also um "all die neuartigen, an die phänomenologische Reduktion ausschließlich gebundenen Apperzeptionen" (VI, 214), also um die transzendentalen Selbstobjektivierungen, welche sich von den mundanen Selbst-objektivierungen strikt unterscheiden.

2. Auf Grund der unhaltbaren Bestimmung des transzendentalen Ich als eines Ungegenständlichen versuchen einige Interpreten2o, eine Unterscheidung zwischen der "transzendentalen Subjektivität" und dem "Subjekt" zu treffen. Dabei soll die "transzendentale Subjektivität" das Ungegenständliche, d.h. die nicht-objektivierte Gestalt, das "Subjekt" dagegen die objektivierte Gestalt von jener darstellen. Da diese Unterscheidung die falsche These vom transzendentalen Ich als einem Ungegenständlichen voraussetzt, ist es klar, daß sie einfach unhaltbar ist. Eine solche Unterscheidung, welche in der tran­szendentalen Phänomenologie Husserls nirgends zu finden ist, zeigt sich als eine bloße sachferne Vermutung und Spekulation. Jedenfalls ist uns aus den Schriften Husserls tatsächlich keine einzige Stelle bekannt, in der Husserl diese von diesen Autoren unterstellte Unterscheidung, sei es terminologisch, sei es sachlich, wirklich träfe.

3. Hinsichtlich der falschen Unterscheidung zwischen der "transzendentalen Subjektivität" und dem "Subjekt" behaupten einige Autoren darüber hinaus, daß das "Subjekt", also die objektivierte Gestalt der "transzendentalen Subjektivität" als des "Ungegenständlichen", das "empirische Subjekt" bedeuten würde, welches individuell, personal sein solle. Die Bestimmung des empirischen Ich als eines "objektivierten", "vergegenständlichten" Ich ist wiederum falsch, denn es handelt sich bei der Unterscheidung zwischen dem transzendentalen und dem empirischen Ich nicht darum, ob ein Ich objek­tiviert ist oder nicht, sondern ausschließlich darum, wie es objektiviert, d.h. apperzipiert wird. In diesem Zusammenhang können wir eine Unterscheidung zwischen der mundanen und der transzendentalen Apperzeption des Ich treffen.

4. Im Hinblick auf die Bestimmung des transzendentalen Ich ist es noch irreführender, wenn der Versuch unternommen wird und zwar auf Grund der soeben dargestellten falschen Ansichten über das transzendentale Ich zu zeigen, daß zwischen dem empirischen und dem transzendentalen Ich ein Zusammenhang der Teilhabe bestünde: "Ich - als konkretes ego - aber bin mit Sicherheit ein empirisches Subjekt und habe andererseits teil an der transzendentalen Subjektivität mindestens in dem Sinne, daß sie anonym in mir fungiert."21 Ebenfalls in diesem Sinne spricht Drüe davon, "daß sein empirisches Ego nur eine weltliche Fixierung des ihm transzendental vor­angehenden Ego ist, und weiter, daß sein und jedes transzendentale Ego eine individuierte Ausformung der transzendentalen Subjektivität ist.'022 Diese Ansicht erweist sich aber schlechterdings als unhaltbar. Denn, wie oben dargestellt, besteht zwischen der transzendentalen Subjektivität als der unge­genständlichen Subjektivität, also dem Ur-Ich, und dem transzendentalen Ego als dem Ausstrahlungszentrum der ganzen transzendentalen Funktionen kein Zusammenhang der Teilhabe. Das Bild der Teilhabe, welches von der Tradition übernommen wird, ist, wie unten gezeigt wird, für die Bestimmung des tran-

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Trallszendentalität und das transzendentale Ich 217

szendentalen Ich bei Husserl völlig unangemessen. Uns ist keine einzige Stelle bekannt, an der Husserl, um die Struktur des transzendentalen Ich zu erklären, mit diesem Schema der Teilhabe operierte.

5. Aus der Kritik der These vom transzendentalen Ich als einem überindi­viduellen, unpersonalen Ich darf man nicht zu schnell die Konsequenz ziehen, daß das transzendentale Ich bei Husserl nichts anderes als ein personales Ich wäre. Diese These vertritt beispielsweise E. Marbach: "Die entscheidende Vertiefung des Denkens über das reine Ich, das nicht bloß ein leerer Pol, ein Träger seiner cogitationes sein kann, erreicht Husserl aber mit der Lehre der Habitualitäten des reinen Ich, weIche zum Begriff des personalen Ich und in weiterer Konkretion zu dem der Monade führt.,,23 Die These von der Identität des transzendentalen Ich mit dem personalen Ich hat den oben ange­führten Thesen über das transzendentale Ich insofern etwas voraus, als sie auf den konkreten Zusammenhang des transzendentalen Ich aufmerksam macht. Aber diese These bereitet darin Schwierigkeit, daß sie auf die Verschiedenheit bei der Identität zwischen dem transzendentalen und dem personalen Ich keine Rücksicht nimmt. Zwischen den beiden Ich besteht also eine Identität, weIche auf die Parallelität zwischen beiden Ich beruht und den Übergang vom einen in das andere Ich und vice versa durch die bloße Einstellungsänderung möglich macht. Dabei darf aber die Verschiedenheit beider nicht übersehen werden, wonach das transzendentale Ich als das Ausstrahlungszentrum der mannig­faltigen transzendentalen Funktionen ausschließlich ein konstituierendes Ich ist, das personale Ich demgegenüber ein konstituiertes Ich, also eine konsti­tuierte Gegenständlichkeit auf dem universalen Boden der Welt, weIche sich in transzendentaler Hinsicht von anderen Weltgegenständlichkeiten nicht unterscheidet. Die These von der Identität beider, wie sie beispielsweise von E. Marbach vertreten wird, hat darüber hinaus die Schwierigkeit, daß sie den Bewußtseinsuntergrund nicht als ein unentbehrliches Strukturmoment des transzendentalen Ich betrachtet. Marbach vertritt tatsächlich die Ansicht, daß dasjenige Ich, weIches ohne Vernunft ist, d.h. bloß aus der Naturseite besteht, z.B. das Vor-Ich, oder das tierische Ich, nicht als ein Ich bezeichnet werden könne. "Ein 'reines Ich', das sich nicht als ein personales Ich in Husserls Sinn konstituieren kann, verdient eigentlich auch den Titel 'Ich' nicht; es ist Subjekt eines bloß in der Gegenwart verlaufenden Bewußtseinslebens mit passiven Habitualitäten und korrelativ sich konstituierender Umwelt (Habe).,,24 Das transzendentale Ich bei Husserl können wir aber als diejenige untrennbare Einheit von personalem Ich und dessen Bewußtseinsuntergrund bestimmen, welche von seiner Mundanität befreit ist und in ihrer konstituierenden Funktion aufgefaßt, also, wie oben gesagt, transzendental apperzipiert ist.

6. Das transzendentale Ich als das Ausstrahlungszentrum der mannigfaltigen transzendentalen Funktionen bei Husserl darf nicht mit dem "Subjekt der transzendentalen Reflexion,,25 identifiziert werden, also mit dem Subjekt, weIches durch die "Aktuosität des Bewußtseins"26, also durch die unmittelbare Nähe des hellen Selbstbewußtseins, ausgezeichnet ist. Dies geht vor allem deutlich daraus hervor, daß das helle Selbstbewußtsein, weIches der letzte

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Träger aller Geltungen ist, bloß ein bestimmtes Strukturmoment des ganzen transzendentalen Ich darstellt. So spricht Husserl an einer Manuskriptstelle ausdrücklich davon, "daß ich, dasselbe ich, auch 'früher' transzendentales Ich war, ehe ich die transzendentale Einstellung vollzog [ ... ]." (e 16 V, 10) Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang weiterhin darauf, daß das reflektierende Ich, das Ur-Ich oder das Selbstbewußtsein, ein Ich ist, welches für seine Genesis die unteren Stufen der genetischen Konstitution voraus­setzt. "Und zugleich sind wir auf den Untergrund der Intentionalität aufmerksam geworden, den alle Reflexionen letztlich voraussetzen. Die refle­xionslosen Bewußtseinsakte [ ... ] bezeichnen Formen, in denen reflexions­loses Leben wie alles Bewußtseinsleben verläuft. Aber das Reflexionslose bezeichnet eine Unterschicht, in der für uns 'bloße Sachen' da sind [ ... ]." (VII, 266) Wir müssen also mit E. Fink27 die drei Ich, welche zur Vollzugsstruktur der phänomenologischen Reduktion gehören, voneinander strikt unterscheiden: 1. das natürliche Ich als eine konstituierte weltliche Gegenständlichkeit, 2. das transzendentale Ich und 3. das phänome­nologisierende Ich, also der Epoche vollziehende Zuschauer. Zwischen dem ersten und dem zweiten Ich besteht, wie oben gesagt, eine Identität und zugleich eine Verschiedenheit, das phänomenologisierende Ich stellt genetisch betrachtet ein Strukturmoment des ganzen konkreten transzendentalen Ich dar.

5. HUSSERL UND KANT IN DER BESTIMMUNG DES TRANSZENDENTALEN

BEWUßTSEINS

Als wir oben mit L. Landgrebe für die Bestimmung des Begriffs der Transzendentalität bei Husserl eine methodische Maßnahme ergriffen haben, dergemäß diesem Begriff nicht einfach die Bedeutung unterlegt werden darf, welche dieses Wort vor Husserl in der Tradition hatte, hatten wir dabei vor allem die Transzendentalphilosophie Kants vor Augen. Nach der Bestimmung der Transzendentalität und dem Aufweis der Struktureinheit des transzen­dentalen Ich ist es angebracht, einen Vergleich zwischen Husserl und Kant in der Bestimmung des transzendentalen Bewußtseins zu ziehen, damit der Husserlsche Begriff der Transzendentalität und des transzendentalen Ich deut­licher hervorgehoben werden kann.

Husserl hat bekanntlich die Idee einer transzendentalen Phänomenologie durch die Auseinandersetzung mit der Transzendentalphilosophie Kants entwickelt. Es steht außer Zweifel, daß er in der Entfaltung der transzenden­talen Phänomenologie von Kant entscheidend beeinflußt ist. Über die Bedeutung der Kantischen Transzendentalphilosophie für die transzendentale Phänomenologie schreibt er an einer Stelle der Krisis-Abhandlung folgen­dermaßen: "Ich möchte hier gleich bemerken: das Wort 'Transzendental­philosophie' ist seit Kant gebräuchlich geworden, und dies auch als allgemeiner Titel für universale Philosophien, deren Begriffe man dann am Typus der

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Transzendentalität und das transzendentale Ich 219

Kantischen orientiert." (VI, 100) Ebenfalls im selben Zusammenhang im weiteren Verlauf des Textes: "Tatsächlich ist [ ... ] das Kantische System der erste, und in erhebendem wissenschaftlichen Ernste durchgeführte Versuch einer wirklich universalen Transzendentalphilosophie [ ... ]." (VI, 102) Dementsprechend bezeichnet Husserl ähnlich wie Kanes das transzendentale Motiv als "das Motiv des Rückfragens nach der letzten Quelle aller Erkenntnisbildungen, des Sichbesinnens des Erkennenden auf sich selbst und sein erkennendes Leben." (VI, 100)

Aber diese Bemerkung Husserls darf darüber nicht hinwegtäuschen, daß zwischen ihm und Kant in der konkreten Bestimmung des Begriffs der Transzendentalität und in der konkreten Entfaltung der Transzendental­philosophie ein wesentlicher Unterschied besteht. An derselben Stelle der Krisis-Abhandlung spricht Husserl davon, "daß Kants Philosophie auf dem Wege dahin ist, daß sie dem formal-allgemeinen Sinn einer Transzendental­philosophie unserer Definition gemäß ist." (VI, 102) Nach Husserl handelt es sich also bei der Übereinstimmung in der Bestimmung des Begriffs der Transzendentalität zwischen ihm und Kant bloß um den "allgemeinen Begriff des 'Transzendentalen'" (VI, 101), oder zugespitzt gesagt bloß um "das Wort 'transzendental' in einem weitesten Sinne" (VI, 101). Schon in den zwanziger Jahren ist Husserl klar geworden, daß die Übereinstimmung zwischen ihm und Kant in der Bestimmung der Transzendentalität und der Transzendental­philosophie "eine äußerliche" (VII, 386) ist.

Zunächst sei darauf hingewiesen, daß man den wesentlichen Unterschied zwischen Husserl und Kant in der Bestimmung des transzendentalen Bewußtseins insofern aus den Augen verliert, als man den Unterschied als einen bloßen Unterschied dessen, worauf der Begriff "transzendental" sich bezieht, versteht. In diesem Zusammenhang referiert und kritisiert I. Kern eine von G. Berger vertretene Ansicht, nach der der Unterschied zwischen bei den darin zu sehen sei, daß "'transzendental' bei Husserl eine Wirklichkeit bezeichne, nämlich das transzendentale Subjekt, und nur auf diese Wirklichkeit (das 'Ich') angewendet werden könne, während dieser Ausdruck bei Kant nur eine Betrachtungsweise ('une certaine maniere de voir les choses') charak­terisiere [ ... ].,,29 Kern vertritt anders als Berger die Ansicht, daß es sich in der Bestimmung des Begriffs "transzendental" bei Husserl wie bei Kant primär um "eine Problemstellung, nämlich die Frage nach dem apriorischen Fundament (Bedingung der Möglichkeit) der Transzendenz oder der Objektivität"30 handelt und versucht dadurch zu zeigen, daß Husserl "an einer Übereinstimmung in der Grundbedeutung"31 des Begriffs "transzendental" festhalte. Aber in diesem Zusammenhang haben sowohl Berger als auch Kern unrecht, denn zwischen Husserl und Kant besteht hier kein wesentlicher Unterschied. Erstens heißt nicht nur die Wirklichkeit, also das Ich, sondern auch die Problemstellung bei Husserl und Kant, anders als Berger meint, transzendental; und zweitens, zwischen der Wirklichkeit und der Problemstellung heißt, anders als Kern meint, die Wirklichkeit primär tran­szendental. Die transzendentale Fragestellung ist also darum möglich, weil

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es die transzendentale Wirklichkeit gibt. Mit dieser Diskussion verliert Kern - ebenso wie Berger - den wesentlichen Unterschied in der Bestimmung des transzendentalen Bewußtseins bei Husserl und Kant aus den Augen.

Das transzendentale Bewußtsein ist nach Kant die reine Apperzeption, die ursprüngliche Apperzeption als "dasjenige Selbstbewußtsein [ ... J, was, indem es die Vorstellung ich denke hervorbringt, die alle anderen muß begleiten können, und in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann."32 Kant nennt die Einheit der reinen oder ursprünglichen Apperzeption "die transzendentale Einheit des Selbstbewußtseins, um die Möglichkeit der Erkenntnis apriori aus ihr zu bezeichnen."33 Das transzen­dentale Bewußtsein unterscheidet sich dadurch von der anderen Bewußt­seinsgestalt, welche Kant empirisches Bewußtsein nennt. Über den Zusammenhang zwischen dem transzendentalen und dem empirischen Bewußtsein schreibt Kant: "Alles empirische Bewußtsein hat aber eine notwendige Beziehung auf ein transzendentales (vor aller Erfahrung vorherge­hendes) Bewußtsein, nämlich das Bewußtsein meiner selbst, als die ursprüngliche Apperzeption."34 Das transzendentale Bewußtsein ist nach Kant also, wie gezeigt, ein "vor aller Erfahrung vorhergehendes" Bewußtsein, also ein von aller Änderung losgelöstes Prinzip, "das transzendentale Prinzip der Einheit alles Mannigfaltigen unserer Vorstellungen"35, an dem das empirische Bewußtsein als ein der Änderung ausgesetztes Bewußtsein teilhat. Als solches ist es keine Entwicklungseinheit, wie es beim transzendentalen Bewußtsein bei Husserl der Fall ist.

Der Gegenbegriff zu "transzendental" ist also nach Kant "empirisch". Nach Husserl ist aber der Gegenbegriff "mundan" oder "konstituiert".36 Dies besagt zugleich, daß nach Kant eine Bewußtseinsgestalt eindeutig entweder in die Kategorie des empirischen oder in die des transzendentalen Bewußtseins gehört. Nach Husserl kann aber eine Bewußtseinsgestalt je nach der Einstellung und Auffassungsweise sowohl in die Kategorie des transzendentalen Bewußtseins als auch in die des empirischen Bewußtseins gehören. Beispielsweise kann das Selbstbewußtsein, welches nach Kant eindeutig und ohne Vorbehalt ein transzendentales Bewußtsein ist, nach Husserl je nach der Einstellung sowohl in die Kategorie des transzendentalen, d.h. des kon­stituierenden Bewußtseins als auch in die des mundanen, d.h. des konstituierten Bewußtseins gehören. Das nach Kant als empirisch bestimmte Bewußtsein kann sich nach Husserl je nach der Einstellung nicht nur als mundanes, sondern auch als transzendentales Bewußtsein zeigen. Danach erweist sich, daß alle Versuche, das transzendentale Ich bei Husserl mit dem Selbstbewußtsein zu identifizieren, schief sind.

Der Unterschied in der Bestimmung des transzendentalen Bewußtseins zwischen beiden spiegelt sich in der Bestimmung der Aufgabe der Transzendentalphilosophie zwischen bei den wider. Nach Kant ist die Transzendentalphilosophie nichts anderes als die Wissenschaft, welche das Selbstbewußtsein zum eigentlichen Forschungsthema hat. Das Selbst­bewußtsein als das transzendentale Bewußtsein bedeutet also, wie Kant sagt,

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Transzendentalität und das transzendentale Ich 221

den "höchsten Punkt, an dem man allen Verstandes gebrauch, selbst die ganze Logik, und, nach ihr die Transzendental-Philosophie heften muß [ ... ]. 37 Demgegenüber umfaßt die Transzendentalphilosophie Husserls nicht nur die Lehre vom transzendentalen Selbstbewußtsein, also vom Selbstbewußtsein, wie es in der phänomenologischen Reduktion aufgefaßt wird, sondern darüber hinaus aIle transzendentalen Bewußtseinsgestalten, welche nach Kant in den Bereich des empirischen Bewußtseins gehören. Danach leuchtet es ein, warum es in der Transzendentalphilosophie Kants keinen Raum für die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte gibt. Der Instinkt als ein blindes Begehrungsvermögen gehört nach Kant eindeutig nicht in die Kategorie des transzendentalen, sondern in die des empirischen Bewußtseins. Als solcher bildet er prinzipiell kein Thema der Transzendentalphilosophie. In der Transzendentalphilosophie Kants ist also die Möglichkeit der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte als einer transzendentalen Lehre prinzipiell ausgeschlossen. Die Phänomenologie der Instinkte ein reiner Widerspruch.

Husserl sympathisierte natürlich in der statischen Phänomenologie sehr mit der Transzendentalphilosophie Kants. Diese Sympathie läßt sich darauf zurückführen, daß ins Zentrum der statischen Phänomenologie Husserls, welche als die Anfangsgestalt der konstitutiven Phänomenologie zum eigentlichen Forschungsthema die überzeitliche Struktur der Geltung in der Konstitution hat, das Selbstbewußtsein als der letzte Geltungsursprung rückt. Die statische Phänomenologie ist also dem Grundgedanken nach mit der Transzendental­philosophie Kants als einer Wissenschaft vom Selbstbewußtsein ähnlich. Die Sympathie Husserls mit Kant vom Standpunkt der statischen Phänomenologie aus darf darüber nicht hinwegtäuschen, daß die Stellungnahme Husserls zu Kant sich, wie oben anhand einiger Stellen aus der Krisis-Abhandlung gezeigt, in der Spätphilosophie stark geändert hat. Die Spätphilosophie Husserls, vor allem die genetische Phänomenologie, ist also mit der Idee einer Transzendentalphilosophie Kants nicht völlig in Einklang zu bringen. Die Phänomenologie der Instinkte als das Urstück der genetischen Phänomenologie ist ein entscheidender Beleg dafür. Die Phänomenologie der Instinkte, welche den angeborenen Urinstinkt als die genetische Urgestalt des transzendentalen Bewußtseins erklärt, ist mit der Kantischen Idee einer Transzendental­philosophie vöIlig unvereinbar. Mit der Vertiefung der genetischen Phänomenologie und vor allem, was für unseren Problemzusammenhang her­vorgehoben werden soll, mit der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte distanzierte sich Husserl in der Spätphilosophie mehr und mehr von Kant. Statt dessen näherte er sich allmählich Leibniz, der die Vernunft und den Instinkt als die bei den Quellen der angeborenen Wahrheit38 betrachtet, dem Philosophen, der, indem er außer der Perzeption die Strebung zum Prinzip der Monade erklärt,39 als der Begründer der dynamischen Metaphysik in der neuzeitlichen Philosophie gilt. Es ist in diesem Zusammenhang kein Zufall, daß Husserl die Vorlesung über die Erste Philosophie von 1923/24 mit dem Satz abschließt: "So führt die Phänomenologie auf die von Leibniz in genialem aperru antizipierte Monadologie." (VIII, 190)

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222 Vierter Teil

ANMERKUNGEN

1. L. Landgrebe, "Die Phänomenologie als transzendentale Theorie der Geschichte", in: Phänomenologische Forschungen (3) 1976, S. 17.

2. Ein typisches Beispiel für diese Form schlechter Spekulation finden wir beispielsweise bei J. Thyssen, "Das Problem der transzendentalen Subjektivität und die idealistischen Theorien", in: Kam-Studien 50 (1958/59), S. 18-36. Er versucht in diesem Aufsatz den Begriff der transzendentalen Subjektivität bei Husserl zu bestimmen, indem er un­ternimmt einen Vergleich desselben mit demjenigen bei Rickert anstellt(?). Dadurch gelangt er, wie unten gezeigt wird, zu einer völlig unhaltbaren These von der transzendentalen Subjektivität bei Husserl.

3. Vgl. dazu vor allem Ideen I, S. 196-198, S. 228. 4. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B, S. 132. 5. K. Held hat schon im "Nachwort des Übersetzers" zu L. Robberechts, Edmund Husserl,

S. 140-144, die Doppeldeutigkeit des transzendentalen Ich in unserem Zusammenhang deutlich hervorgehoben.

6. E. Marbach, Das Problem des Ich in der Phänomenologie Husserls. Den Haag 1974, S. 299.

7. E. Marbach, S. 333. 8. a.a.O., S. 332. 9. a.a.O., S. 339.

10. M. Theunissen, Der Andere, S. 23. 11. J. Thyssen, "Das Problem der transzendentalen Subjektivität und die idealistischen

Theorien", S. 31. 12. H. Drüe, Edmund Husserls System der phänomenologischen Psychologie. Berlin 1963, S.

241. 13. A. De Waelhens, "Die phänomenologische Idee der Intentionalität", in: Husserl et la Pensee

moderne. Hrsg. von H. L. van BredalJ. Taminiaux, Den Haag 1959, S. 141. 14. A. Diemer, Edmund Husserl, S. 99. 15. ebd. 16. E. Holenstein, Phänomenologie der Assoziation, S. 221. 17. Vgl. ebd. 18. J. Thyssen, "Das Problem der transzendentalen Subjektivität und die idealistischen

Theorien", S. 20. 19. Beispielsweise G. Funke, Zur transzendentalen Phänomenologie, S. 146 ff; H. DTÜe, Edmund

Husserls System der phänomenologischen Psychologie, S. 283 ff. 20. H. DTÜe, a.a.O., S. 240. Dort schreibt er: "Die transzendentale Subjektivität ist eine tran­

szendentale und keine empirische oder eidetische, sie objektiviert, ist aber nicht objektiv. Was am phänomenal autokinetischen Individuum objektiviert, ist die Subjektivität; was daran selbst schon objektiviert ist, ist nicht mehr Subjektivität, sondern Subjekt." An diese Interpretationslinie schließen sich folgende Interpreten an: G. Funke, Zur transzenden­talen Phänomenologie. Bonn 1957, S. 9 ff, ders., Phänomenologie - Metaphysik oder Methode? Bonn 1972, S. 212 ff; M. Theunissen, Der Andere. S. 24.

21. H. DTÜe, a.a.O., S. 240. 22. a.a.O., S. 240-241. 23. E. Marbach, a.a.O., S. 305. 24. E. Marbach, a.a.O., S. 338. 25. U. Claesges, Edmund Husserls Theorie der Raumkonstitution. Den Haag 1964, S. 137.

Bei der Bestimmung der Transzendentalität bei Husserl vertritt E. Tugendhat dieselbe Ansicht. Nach ihm heißen die anderen wie ich darum transzendentale Ich, "weil auch sie für sich eine Urgegebenheit sind und eine ebensolche Epoche vollziehen können wie ich." (E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger. Berlin 1970, S. 223) Ebenfalls E. Ströker, "Intentionalität und Konstitution. Wandlung des Intentionalitäts­konzepts in der Philosophie Husserls", in: Dialectica 38 (1984), S. 193: "Denn Bewußtsein

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Transzendentalität und das transzendentale Ich 223

ist nicht bloß natürliches Bewußtsein, das mittels Bedeutung und Sinn Beziehung auf eine vorgegebene transzendente Wirklichkeit gewinnt. Vielmehr ist es als transzendentales Bewußtsein sinnstiftend spezifisch darin, daß es kraft seiner Noesen Wirklichkeit als seiende [setzt] und diese seine Setzungen transzendental durchschaut." K. Schuhmann, Die Fundamentalbetrachtung der transzendentalen Phänomenologie, versteht auch unter dem transzendentalen Ich vor allem das reflektierende Ich.

26. D. Henrich, "über die Grundlage von Husserls Kritik der philosophischen Tradition", in: Philosophische Rundschau 6 (1958), S. 20.

27. E. Fink, "Die phänomenologische Philosophie Edmund Husserls in der gegenwärtigen Kritik", in: Studien zur Phänomenologie 1930-1939. Den Haag 1966, S. 122.

28. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B, S. 25. "Ich nenne alle Erkenntnis transzendental, die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von Gegenständen, sofern diese apriori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt."

29. I. Kern, Husserl und Kant. Eine Untersuchung über Husserls Verhältnis zu Kant und zum Neukantianismus. Den Haag 1964, S. 243. Vgl. dazu G. Berger, Le cogito dans la philoso­phie de Husserl. Paris 1941, S. 123.

30. I. Kern, ebd. 31. a.a.O., S. 244. 32. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B, S. 132. 33. ebd. 34. a.a.O., A, S. 117. 35. a.a.O., A, S. 116. 36. Vgl. dazu E. Fink, "Die phänomenologische Philosophie Edmund Husserls in der gegen­

wärtigen Kritik", in: Studien zur Phänomenologie 1930-1939. 37. I. Kant, a.a.O., B, S. 134. 38. G. W. Leibniz, Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand. Übersetzt von E.

Cassirer, Harnburg 1971, S. 31-81. 39. G. W. Leibniz, Monadologie, § 14-15, in: Kleine Schriften zur Metaphysik. Philosophische

Schriften Bd. I. Hrsg. und übersetzt von H. H. Holz, Darmstadt 1985, S. 445. Vgl. dazu auch ders., Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand, S. 151 ff.

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KAPITELII

Die Lehre vom universalen transzendentalen Instinkt als universaler Teleologie des transzendentalen

Monadenalls

1. D AS WALTEN DES UNIVERSALEN TRANSZENDENTALEN INSTINKTES IM TRANSZENDENTALEN MONADENALL UND DAS PROBLEM DER

TRANSZENDENTALIT Ä T

Das transzendentale Ich bei Husserl ist eine Einheit der transzendentalen Entwicklung, durch die sich der universale transzendentale Instinkt als deren universale Teleologie hindurchzieht. Husserl versucht in der Spätphilosophie, den Gedanken des universalen transzendentalen Instinktes dahin zu erweitern, daß er nun nicht nur die Triebkraft der Entwicklung des einzelnen transzen­dentalen Ich, sondern die des transzendentalen Monadenalls sein soll. Dabei umfaßt das transzendentale Monadenall nicht nur die menschlichen Monaden, sondern darüber hinaus die Monaden der Tiere, der Pflanzen usw. Der Versuch der Erweiterung des Gedankens des transzendentalen Instinktes auf das tran­szendentale Monadenall, zu dem schließlich die Tiere, die Pflanzen und die noch niederen Lebewesen gehören sollen, stellt daher zugleich einen Versuch Husserls dar, die Phänomenologie der Instinkte zu vertiefen. Danach versteht sich dieses Kapitel über die Lehre vom transzendentalen Instinkt als ein Ausblick über die weitere Möglichkeit der Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, daß zwar an einigen Stellen der Spätmanuskripte einige Analysen über die Instinkt­phänomene der Tiere und Pflanzen vorkommen, daß aber diese Analysen sporadischen Charakters sind; sie sind eher Hinweise als konkrete Analysen. Husserl befindet sich also in diesem Bereich auch in der Spätphilosop~ie in einer völIigen Anfängerschaft. 1 Wir wollen im folgenden versuchen, die ver­streuten Bemerkungen Husserls zum Problem des transzendentalen Instinktes zu sichten und systematisch einzuordnen.

Die Phänomenologie der Instinkte in diesem Kapitel, welche sich als die Vertiefung der Ph"änomenologie der Instinkte der vorangegangenen Stufen versteht. stellt sich demnach die Aufgabe, die letzte Motivation der geneti­schen Konstitution zu erklären. Wenn sie diese Aufgabe konsequent bis zum Ende verfolgt, stößt sie schließlich, wie unten dargestellt wird, zum Problem

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einer "Logik der metaphysischen Motivation" (B 11 2, 25) vor, also einer Motivation, welche den letzten Grund aller genetischen Motivation darstellen soll. Die Phänomenologie der Instinkte als das Urstück der genetischen Phänomenologie geht also letzten Endes in eine Metaphysik als eine absolute Weltbetrachtung 2 über. "Vorangegangen ist die statische Aufklärung der Weltapperzeption und der in ihr vollzogenen Sinngebung, aber wie es scheint, ist es erst durch die genetische Betrachtung der Individuation möglich, eine absolute Weltbetrachtung, eine 'Metaphysik' durchzuführen und die Möglichkeit einer Welt zu verstehen." (XI, 343) Bei der Metaphysik als einer absoluten Weltbetrachtung handelt es sich aber nicht um eine bloß spekula­tive Metaphysik, sondern, wie Husserl sagt, ausschließlich um eine "transzendental-phänomenologisch fundierte Metaphysik" (B 11 2, 23), welche ihre letzte Evidenzquelle in den Phänomenologien der methodisch vorange­gangenen Stufen haben muß.

Ein transzendentales Ich ist, wie oben dargestellt, in keiner Phase seiner transzendentalen Entwicklung ein solipsistisches Ego, sondern dem Wesen nach ein durch die mannigfaltigen Instinktintentionen intersubjektiv bestimmtes Ich. Die Auswirkung der den intersubjektiven Zusammenhang herstellenden Instinktintentionen beschreibt Husserl an einigen Stellen folgendermaßen: "Der Totalinstinkt in jedem einzelnen Ich sich auswirkend als sein ursprünglicher Trieb. Aber in jeder Bewußtseinsbeziehung auf andere und schon in den sozialen (generativen) Instinkten geht der Totalinstinkt durch die Mitsubjekte hindurch, vom Ego in den Alter usw." (E III 9, 18) Oder: "Die Primordialität ist ein Triebsystem. Wenn wir sie verstehen als urtümlich stehendes Strömen, so liegt darin auch jeder in andere Ströme, und mit evtl. anderen Ichsubjekten, hineinstrebende Trieb." (XV, 594) Der intersubjektive Zusammenhang, welcher durch die beständige Auswirkung der mannigfaltigen Instinktintentionen der simultanen Einzelmonaden hergestellt wird, ist dabei, so Husserl, nicht chaotisch, sondern er ist ein strukturiertes Ganzes, welches darauf gerichtet ist, eine sich auf dem ewigen Weg zur weiteren Entwicklung befindende inter­subjektive Welt zu konstituieren. Dabei ist es, so Husserl, möglich, eine sich durch all die transzendentalen Monaden hindurchziehende universale Tendenz zur weiteren Entwicklung festzustellen. Es soll sich dabei um eine "universale Teleologie" (XV, 595) handeln, also um eine "universale Intentionalität als sich einstimmig in der Einheit eines totalen Erfüllungs­systems erfüllende" (XV, 595). Diese universale Teleologie umfaßt dabei alle möglichen transzendentalen Instinkte als die universalen Teleologien der Einzelmonaden einheitlich. Diese Teleologie bestimmt Husserl in der Spätphilosophie als "eine universale Triebintentionalität [ ... ], die jede urtümliche Gegenwart als stehende Zeitigung einheitlich ausmacht und konkret von Gegenwart zu Gegenwart forttreibt derart, daß aller Inhalt Inhalt von Trieberfüllung ist und vor dem Ziel intendiert ist, und dabei auch so, daß in jeder primordialen Gegenwart transzendierende Triebe höherer Stufe in jede andere Gegenwart hineinreichen und alle miteinander als Monaden verbinden [ ... ]." (XV, 595) Diese universale Triebintentionalität ist der universale

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Universaler Teleologie des transzendentalen Monadenalls 227

transzendentale Instinkt als die universale Teleologie im wahrhaften Sinne, zu dem alle möglichen transzendentalen Instinkte der Einzelmonaden als die Sonderteleologien sich zusammenschließen.

Der universale transzendentale Instinkt - Husserl vertritt diese Ansicht -zieht sich demnach durch das transzendentale Monadenall im Gegen­wartshorizont hindurch. Danach zeigt sich das transzendentale Monadenall als eine "universal konstituierte Triebgemeinschaft"3 (XV, 596). Zu dieser Triebgemeinschaft gehört zunächst das Ganze der menschlichen Monaden im Gegenwartshorizont. Darüber hinaus gehört das Ganze der organischen Natur im Gegenwartshorizont, die Tiere, die Pflanzen, usw. dazu, d.h., wie Husserl einmal schreibt, "die Unendlichkeit der Stufen von animalischen Monaden, der tierischen, vortierischen, andererseits bis hinauf zum Menschen, andererseits der kindlichen und vorkindlichen Monaden - in der Ständigkeit der 'ontogenetischen' <und> phylogenetischen Entwicklung." (XV, 595) Die dunklen Triebintentionen der Tiere oder der Pflanzen sind danach nichts anderes als die Orte der Auswirkung des universalen transzendentalen Instinktes.

Der universale transzendentale Instinkt zieht sich nach Husserl nicht nur durch das transzendentale Monadenall im Gegenwartshorizont, sondern auch im Vergangenheits- und Zukunftshorizont hindurch. Er zeigt sich also schließlich als eine geschichtliche Teleologie. Die transzendentale Geschichte stellt danach die Manifestation des sich durch das transzendentale Monadenall hindurchziehenden universalen transzendentalen Instinktes dar. Die transzen­dentale Geschichte als die Manifestation des universalen transzendentalen Instinktes umfaßt dabei nicht nur die Geschichte der menschlichen Monaden, sondern darüber hinaus die der Tiere und der Pflanzen. In diesem Zusammenhang schreibt Husserl: "In Erweiterung der Erfahrung zeigt sich, daß die organische Natur auch 'historisch' ist [ ... l." (B III 1,32) Dadurch zeigt sich, daß die ganze transzendentale Geschichte des transzendentalen Monadenalls aus den mannifgfaltigen "Stufen der Geschichtlichkeit" (VI, 502)4 besteht, wobei die Geschichte der Philosophie die höchste Stufe, die Geschichte der vernunftlosen organischen Natur die niederste Stufe sein soll.

Im Hinblick auf die transzendentale Geschichte sei darauf hingewiesen, daß hinter dem ganzen Gedanken von der geschichtlichen Teleologie in der Krisis­Abhandlung die Idee eines universalen Instinktes als einer das transzendentale Monadenall umspannenden universalen Teleologie steht. Die "einheitliche teleologische Struktur" (VI, 442), welche, wie Husserl dort beschreibt, als die Triebkraft die Entwicklung der ganzen Geschichte der Philosophie leitet und schließlich zur Entstehung der transzendentalen Phänomenologie führt, ist auch eine Manifestation des universalen transzendentalen Instinktes. Diese ist nach Husserl aber nicht nur in der Entfaltung der Philosophiegeschichte und in der Entstehung der transzendentalen Phänomenologie, sondern ursprünglich in der monadischen Geschichte festzustellen, wo die Wissenschaft und Philosophie noch nicht entstanden ist. D.h. die Genesis der wissenschaftlichen Vernunft aus der vorwissenschaftlichen Vernunft als die Bedingung der

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228 Vierter Teil

Entstehung von Wissenschaft und Philosophie ist dieser Auffassung nach die Manifestation des transzendentalen Instinktes als der universalen Teleologie. Husserl geht in der Krisis-Abhandlung auf diese Problematik zwar nicht ein, aber trotzdem finden wir dort einen Hinweis auf die Notwendigkeit, sie zu behandeln. So schreibt er an einer Stelle: "Stehen wir da vor dem großen und tiefen Problemhorizont der Vernunft, derselben Vernunft, die in jedem noch primitiven Menschen, dem 'animal rationale', fungiert? In diese Tiefen sich einzudringen, ist hier nicht der Ort." (VI, 385) In einem Manuskript, welches in dem Jahre 1935 entstanden ist und die Überschrift: "Noten zu Levi-Bruhls Schriften über Primitive"5 trägt, versucht Husserl dieses Problem zu behan­deln. Obwohl in diesem Manuskript nirgends der Ausdruck "universaler transzendentaler Instinkt", hingegen mehrmals das Wort Instinkt, zu finden ist, zielen die skizzenhaften Darstellungen dort alle darauf hin zu zeigen, daß der universale transzendentale Instinkt als die das transzendentale Monadenall umspannende universale Teleologie schon in der Welt der Primitiven vor der Genesis der wissenschaftlichen Vernunft waltet.

Husserl versucht an einigen ManuskriptsteIlen, den Gedanken des tran­szendentalen Instinktes dahin weiter zu vertiefen, daß er zeigt, daß dieser sich nicht nur durch die transzendentalen Monaden der organischen Natur, sondern auch durch "die anorganische Natur", d.h. "die materielle Natur" hindurchzieht. Es handelt sich bei der materiellen Natur in diesem Zusammenhang freilieh nicht um eine Natur als ein konstitutives Produkt des Regelsystems des transzendentalen Lebens, sondern ausschließlich um die Natur als den transzendentalen Vorgänger, also als die transzendentale Vorgeschichte der transzendentalen Monaden der organischen Natur, wie Husserl an einer ManuskriptsteIle fragt: "Was ist die Vorgeschichte meines Bewußtseins und menschlichen Bewußtseins überhaupt, das ja von 'Ewigkeit' her gewesen sein soll, vor der Erschaffung der Menschen und Tiere, und speziell vor meiner Erschaffung (Geburt)?" (B 11 2, 12, Herv. v. Vf.) Es geht dabei um die Natur, welche irrelativ auf das Regelsystem des sie konstitu­ierenden transzendentalen Lebens an sich aufgefaßt wird, also, wie Husserl sagt, eine "Natur an sich", also um "das An-sieh-Sein der Natur vor dem Sein von Erfahrungen und Erfahrungserkenntnissen in den wirklichen Monaden" (B 11 2, 15), oder um die "an sich seiende Natur vor dem Sein von erwachsenden Erfahrungen und Erfahrungserkenntnissen in den erwachten Monaden" (B 11 2, 15). Was mit dem An-sieh-Sein der Natur konkreter gemeint ist, können wir folgender Stelle entnehmen, wo vom An-sieh-Sein der organischen Natur die Rede ist: "Für die erwachten Monaden bedeutet das An-sich der [organischen] Natur jedenfalls eine Regel des Verlaufs möglicher Empfindungen und Auffassungen." (B 11 2, 15) Das An-sieh-Sein der materiellen Natur bedeutet dementsprechend ein konstituierendes Regelsystem, weIches der konstituierten materiellen Natur als deren transzendentale Parallele, d.h. als die konstituierende Natur entsprechen soll. Wie oben gesagt, handelt es sich dabei um die Natur als die transzen­dentale Vorgeschichte des transzendentalen Monadenalls der organischen Natur,

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welche Husserl in Anspielung auf Schelling "die vergangene Natur" (B 11 2, 12) nennt.6

Das An-sieh-Sein der materiellen Natur ist nach Husserl nichts anderes als das Ganze der schlafenden Monaden. "Natur vor allen Organismen, 'Natur vor dem Auftreten des Bewußtseins' besagt dann Wirklichkeit vor allem 'wachen' Bewußtsein, vor aller Natur-Erscheinung innerhalb der wirklichen Monaden. Es besagt, daß alle Monaden im Schlummerzustande, in dem der 'Involution' sich befanden." (B 11 2, 14) Dies besagt zugleich, daß das An-sieh-Sein der Natur in transzendentaler Hinsicht kein "totes Ding", sondern ein Lebensganzes bedeutet, welches sich bloß im Schlafzustand befindet. Das An-sieh-Sein der materiellen Natur als das Lebensganze der schlafenden Monaden stellt daher, so Husserl, die genetisch ursprünglichste Gestalt des absoluten, also des transzendentalen Seins dar: "Die physische Natur hat also ein An-sieh-sein in metaphysischem Sinne? Wir treiben hier keine Mystik. Was wir sagen wollen, ist nur dies, daß es gar niehts anderes gibt als 'Geister' im weitesten Sinne, wenn wir das 'gibt' im absoluten Sinn verstehen [ ... ]." (B 11 2, 17) Das An-sieh-Sein der materiellen Natur als die ursprünglichste Gestalt des absoluten, d.h. des transzendentalen Seins nennt Husserl an einigen Stellen die Urnebel. 7

Das An-sieh-Sein der materiellen Natur als das transzendentale Sein hat demnach wie andere transzendentale Bewußtseinsgestalten seine eigene transzendentale Gesetzmäßigkeit, welche mit dem Naturgesetz als einem den Gang der Natur als eines konstitutiven Produktes des transzendentalen Lebens regelnden Gesetz nieht verwechselt werden darf. "Aber die ewige Gesetzmäßigkeit waltet über den Monaden, und der Gang der Natur ist fest, oder Natur überhaupt ist eine feste Gesetzmäßigkeit, und reduziert auf das Bewußtsein besagt das: Naturobjekte und Natur überhaupt - das besagt eine gewisse absolute Regelung der mannigfaltigen Monaden." (B 11 2, 12, Herv. v. Vf.) Noch ausdrücklicher heißt es: "Selbstverständlich wäre dann die Natur als physische Natur eine Gesetzmäßigkeit, die zum Zusammenhang der Monade gehört. Und die Existenz der vergangenen Natur - vor allen Organismen, Tieren - besagte ebensogut eine Regelung der unerwachten Monade wie die Existenz der gegenwärtigen Natur eine Gesetzmäßigkeit der erwachten und zugleich noch unerwachten Monaden darstellt." (B 11 2, 12) Nach Husserl handelt es sich bei der das Ganze der schlafenden Monaden regelnden transzendentalen Gesetzmäßigkeit um diejenige Gesetzmäßigkeit, welche es möglich macht, daß die schlafenden Monaden erweckt werden und dadurch in die wachen Monade übergehen. Dementsprechend schreibt er: "Und Natur vor allem erwachten Bewußtsein besagt, daß für alle schlafenden Monaden gewisse Regeln des Zusammenhangs bestehen [ ... ], und daß eine Gesetzmäßigkeit besteht, welche die Monaden emporentwickelt [zu] 'wachem' Bewußtsein [ ... ]." (B 11 2, 16-17) Die über dem Ganzen der schlafenden Monaden waltende absolute Gesetzmäßigkeit soll also den beständigen ÜbergangS der schlafenden Monaden in die wachen Monaden regeln, welcher sich als eine triebhafte Tendenz zeigt.

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Mit der Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte scheint Husserl, diese Gesetzmäßigkeit als einen instinktiven Zusammenhang zu betrachten. "Die Allheit der Monaden in ursprünglich instinktiver Kommunikation, jede in ihrem individuellen Leben immerfort leben, und somit jede mit einem sedimentierten Leben, mit einer verborgenen Historie, die zugleieh die 'Universalhistorie' impliziert. Schlafende Monaden." (XV, 609, Herv. v. Vf.) Die absolute Gesetzmäßigkeit des An-sieh-Seins der Natur als ein instinktiver Zug stellt gerade die unterste Stufe der Gesetzmäßigkeit des universalen transzenden­talen Instinktes dar, welcher über dem transzendentalen Monadenall im vollkommenen Sinne waltet. Es handelt sich dabei um die Gesetzmäßigkeit der transzendentalen Naturhistorie: "Für eine vergangene bloße Dingwelt brauche ich nicht die menschliche Historie, ich habe dafür die 'Naturhistorie' ." (B III 1, 24)

Mit der Vertiefung der Phänomenologie der Instinkte zeigt sich die Notwendigkeit, den Begriff der Transzendentalität neu zu überdenken. Die Transzendentalität ist nun nicht mehr eine Fähigkeit, welche ausschließlich der transzendentalen Monade des Menschen zukäme, sondern insofern aller Lebewesen, als es möglich ist, bei diesen eine konstitutive Funktion als eine Funktion des Transzendierens im allerweitesten Sinne festzustellen. Danach ist es nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll und notwendig, mit Husserl vom "Transzendentalen der Tiere" (B III 3, 12) und weiter von Pflanzen zu sprechen. Im Hinblick auf die Transzendentalität der Tiere und der Pflanzen schreibt Husserl an einer Stelle der Krisis-Abhandlung: "Und wie steht es mit den Tieren? Es erwachsen die Probleme der intentionalen Modifikationen, in denen allen diesen Bewußtseinssubjekten, die für die Welt in unserem bisherigen (und für immer fundamentalen) Sinne nieht mitfungierende sind - d.h. für die Welt, die aus 'Vernunft' Wahrheit hat - ihre Weise der Transzendentalität zugemessen werden kann und muß [ ... ]. Das greift natürlich über in das Reieh der transzendentalen Probleme, die schließlich alle Lebewesen umfassen, soweit sie, noch so indirekt, aber doch bewährbar, so etwas wie 'Leben', auch Gemeinschaftsleben im geistigen Sinne, haben." (VI, 191) Da das An-sieh-Sein der Natur, wie oben dargestellt, in transzendentaler Hinsieht kein "totes Ding", sondern einen bloßen Schlafzustand der lebendigen Monaden darstellt, zeigt es sieh schließlich als ein transzendentales Leben. Dement­sprechend haben wir es in der vorangegangenen Darstellung immer implizit als ein absolutes oder transzendentales Sein bezeiehnet. Das An-sieh-Sein der materiellen Natur, durch das sieh der universale transzendentale Instinkt hindurchzieht, ist in transzendentaler, d.h. in konstitutiver Hinsicht nicht ein Nichts, sondern es stellt insofern eine bestimmte Form der Transzendentalität dar, als es eine triebhafte Tendenz zum Übergang in die wachen Monaden in sieh einschließt. Dementsprechend spricht Husserl von der "Naturhistorie in ihrer konstitutiven Funktion" (B III 1, 32).

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2. GOlT ALS DER LETZTE GRUND DES TRANSZENDENTALEN INSTINKTES

Der universale transzendentale Instinkt, welcher sich als die Triebkraft der transzendentalen Genesis durch das Monadenall hindurchzieht, bildet den letzten Grund der transzendentalen Geschichte, weIche all möglichen tran­szendentalen Sondergeschichten einheitlich umspannen soll und daher nach Husserl "das große Faktum des absoluten Seins" (VII, 506)9 ist. Aber das Faktum, daß es so etwas wie einen universalen transzendentalen Instinkt gibt, läßt sich rational nicht mehr erklären. Es stellt in diesem Sinne die letzte Faktizität dar, also das letzte Faktum,lO weIches im Hinblick auf seinen Seinsgrund keine weitere vernünftige Erklärung zuläßt. Dies besagt aber nicht, daß es sinnlos oder unmöglich wäre, nach dem Grund gerade dieses Urfaktums weiter zu fragen. "Vielmehr führt der Übergang in das reine Bewußtsein durch die Methode der transzendentalen Reduktion notwendig zur Frage nach dem Grunde für die nun sich ergebende Faktizität des entsprechenden konstituierenden Bewußtseins. Nicht das Faktum überhaupt, sondern das Faktum als Quelle sich ins Unendliche steigernder Wertmöglichkeiten und Wertwirklichkeiten zwingt die Frage nach dem 'Grunde' auf [ ... ]." (III,l, 125)

Hinsichtlich des universalen transzendentalen Instinktes stellt sich also eine wohl motivierte Frage nach dessen letztem Grund. Da der transzenden­tale Instinkt als die universale Teleologie über dem transzendentalen Monadenall waltet, formuliert Husserl - geleitet vom Gedanken der Ichzentrierung - diese Frage: "Ist ein Ich denkbar, das alle Ich übergreift, das alles und jedes [ ... ] in einem Leben umspannt [ ... ]?" (XIV, 302) Wegen der in der Auswirkung des universalen transzendentalen Instinktes feststellbaren teleologischen "Gesetzmäßigkeit [ . . . ], weIche alle Monaden übergreifend einigt" (B 11 2, 13), glaubt ll Husserl nun, daß es ein das transzendentale Monadenall übergreifendes Ich, also Gott, geben muß. Dementsprechend fragt er an einer Stelle: "Kann man bei dieser Sachlage sagen, diese Teleologie, mit ihrer Urfaktizität, habe ihren Grund in Gott?" (XV, 385) Nach Husserl ist also die transzendentale Phänomenologie ein "inkon­fessioneller Weg zu Gott" (E III 10, 18).12

Husserl bezeichnet an einigen ManuskriptsteIlen Gott als das "Allbewußt­sein"Y Diese Bezeichnung Gottes erweckt zwar den Eindruck, als handle es sich dabei um das transzendentale Monadenall. Diese pantheistische These weist Husserl aber zurück. "Gott ist das Monadenall nicht selbst, sondern in ihm liegende Entelechie, als Idee des unendlichen Entwicklungstelos, [ . . . ] als notwendig das monadische Sein regelnd, und regelnd aus freier Entscheidung." (XV, 610) Gott als die Entelechie der transzendentalen Entwicklung zeigt nach Husserl zwei Wesenszüge: 14 die göttliche Allwissenheit und den göttlichen Willen. Hinsichtlich seiner Allwissenheit ist Gott gerade "der absolute Logos, die absolute Wahrheit im vollen und ganzen Sinn, als das unum, verum, bonum [ ... ]." (E III 4, 36) Die Kehrseite der göttlichen Allwissenheit ist der göttliche Wille als das Mittel der Verwirklichung der göttlichen Wahrheit.

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232 Vierter Teil

Für unseren Problemzusammenhang, in dem es 'um die Frage nach dem Grund des universalen transzendentalen Instinktes geht, "ist der göttliche Wille von entscheidender Bedeutung. Mit seinem Willen ist Gott das Allgestaltende, d.h. der Schöpfer des transzendentalen Monadenalls. "Gott ist die Entelechie und außer ihm ist 'nichts', er ist das All-gestaltende [ ... ]. Und die Welt hat ihr Sein aus Gott und ist sonst 'nichts'. Und Gott ist nur als leistendes und 'beseelendes' Vollkommenheitsprinzip etc." (F I 24, 41) Die göttliche Schöpfung ist nach Husserl "die Schöpfung aus Nichts" (XV, 381), also creatio ex nihilo. Er versteht creatio ex nihilo im absoluten und relativen Sinne. Im absoluten Sinne bedeutet sie die Schöpfung des transzendentalen Monadenalls aus dem Nichts im wörtlichen Sinne, d.h. dessen absoluten Anfang aus dem absoluten Nichts. "Das Allbewußtsein soll aber alles Endliche wollend schaffen. Die Monaden sind seine Geschöpfe, somit muß sein Wille über den Monaden liegen [ ... ]." (B 11 2, 27) Im relativen Sinne bedeutet sie dagegen die beständige Erneuerung des transzendentalen Monadenalls, welches schon durch die creatio ,ex nihilo im ersten Sinne erschaffen ist. Gott ist danach der Schöpfer des transzendentalen Monadenalls in dem Sinne, daß er durch seinen Willen die immer neue Entwicklung des transzendentalen Monadenalls zustande bringt, welche vom Standpunkt der Einzelmonaden gesehen zugleich ihre beständige Erneuerung und Wiedergeburt bedeutet. "Die Welt ist in ewiger Schöpfung aus dem Nichts, weil sie ihr wahres Sein nur in dem Progressus der Seinsstufen hat, die Stufen der Relativität sind." (XV, 381)

Die Zweideutigkeit der crea~ioex nihilo besagt, daß man zwei Formen des göttlichen Willens unterscheiden muß: den göttlichen WiHen als das Mittel der creatio ex nihilo im absoluten Sinne und im relativen Sinne. Der göttliche Wille als das Mittel der creatio ex nihilo im absoluten Sinne ist der "Seins grund" (F I 14, 57) des transzendentalen Monadenalls, der göttliche Wille als das Mittel der creatio ex nihilo im relativen Sinne dagegen dessen "Werdensgrund"" d.h. dessen "Genesisgrund". Der universale transzenden­tale Instinkt, welcher sich als die Triebkraft der transzendentalen Entwicklung durch das transzendentale Monadenall hindurchzieht, zeigt sich danach ais der göttliche Wille als das Mittel der creatio ex nihilo im relativen Sinne. "Der universale absolute Wille, der in allen transzendentalen Subjekten lebt und der das individuell-konkrete Sein der transzendentalen Allsubjektivität möglich macht, ist der göttliche Wille." (XV, 381) Der universale transzen­dentale Instinkt ist also der "göttliche Trieb", 15 welcher, indem er kontinuierlich über dem transzendentalen Monadenall waltet, dieses beständig erneuert.

ANMERKUNGEN

1, Diese Bemerkung gilt auch für das Methodenproblem, Die Ausarbeitung einer angemessenen Methode der Enthüllung der unten in diesem Kapitel behandelten Instinktphänomene bleibt eine weitere Aufgabe der Phänomenologie,

2. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang darauf, daß die transzendentale Phänomenologie

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Universaler Teleologie des transzendentalen Monadenalls 233

nicht anti-metaphysisch ist. Vielmehr stellt die Ausarbeitung einer transzendentale-phänome­nologisch fundierten Metaphysik die letzte Aufgabe der transzendentalen Phänomenologie Husserls dar. Husserl schreibt in diesem Zusammenhang: "Schließlich möchte ich, um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, darauf hinweisen, daß die Phänomenologie [ ... 1 nur jede naive und mit widersinnigen Dingen an sich operierende Metaphysik ausschließt, nicht aber Metaphysik überhaupt, und daß sie nicht etwa die die alte Tradition in der verkehrten Fragestellung und Methode innerlich treibenden Problemmotive verge­waltigt und keineswegs sagt, daß sie vor den 'höchsten und letzten' Fragen halt macht." (I, 182)

3. Die "universal konstituierte Triebgemeinschaft" an dieser Stelle versteht S. Strasser, "Grundgedanken der Sozialontologie Edmund Husserls", in: Philosophisches Jahrbuch 67 (1959), S. 18, als eine Gemeinschaft, welche aus den niedersten Stufen von Monaden bestehen und sich schrittweise zu einer Gemeinschaft der vernünftigen Monaden entwickeln soll. Durch die Bestimmung des transzendentalen Instinktes als einer sich durch das transzendentale Monadenall hindurchziehenden universalen Teleologie zeigte sich schon, daß die Vernunftmonade auch ein Mitglied der Triebgemeinschaft in diesem Sinne ist; der Vernunftinstinkt ist also die Kehrseite der Vernunft in der Vernunftmonade.

4. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß an dieser Stelle aus der Krisis­Abhandlung nur die verschiedenen Stufen der Geschichte im eigentlichen Sinne, für die die Beteiligung der Vernunfttätigkeit unentbehrlich ist, nicht aber die Stufen der vemunft­losen passiven Geschichte behandelt werden.

5. KIll 7. 6. Die Natur wird in der Phänomenologie Husserls, wie B. Rang neuerdings in seiner instruk­

tiven Untersuchung über Husserls Phänomenologie der materiellen Natur. Frankfurt a. M. 1990 noch einmal hervorgehoben hat, vorwiegend als ein konstituiertes Korrelat der Naturerfahrung thematisiert. Wie die Phänomenologie der Instinkte zeigt, wird die Natur jedoch in der transzendentalen Phänomenologie Husserls nicht nur als das noematische Korrelat, sondern auch als das noetische Moment behandelt, welches beständig am Prozeß der transzendentalen Konstitution beteiligt ist. Hier stellen wir fest, daß die transzenden­tale Phänomenologie in Form einer radikalisierten genetischen Phänomenologie mit der spekulativen Naturphilosophie des Deutschen Idealismus in Einklang zu bringen ist.

7. XIII, 15-16. In der Überschrift des Manuskriptes B 11 2 lesen wir: "Die Welt vor Erwachen des Bewußtseins. 'Urnebel' ."

8. Diesen Übergang beschreibt Husserl: "Es ist eine physische Natur, und die physische Natur entwickelt sich empor zu Organismen und, schließlich zum menschlichen Organismen." (B II 2, 17)

9. Vgl. dazu L. Landgrebe, "Meditation über Husserls Wort 'Die Geschichte ist das große Faktum des absoluten Seins''', in: Faktizität und Individuation. Hamburg 1982, S. 38-57.

10. Über das Problem des Faktums vgl. K. Held, Lebendige Gegenwart, S. 178 ff.; L. Landgrebe, Faktizität und Individuation.

11. Den Glaubenscharakter in diesem Zusammenhang hebt auch S. Strasser, "Grundgedanken der Sozialontologie Edmund Husserls", in: Philosophisches Jahrbuch 67 (r959), S. 31 ff. hervor.

12. Bei Husserl stehen die transzendentale Teleologie und die Gottesproblematik in einem untrennbaren Zusammenhang. Es ist aber unklar, ob es sich bei der transzendentalen Phänomenologie als einem "inkonfessionellen" Weg zu Gott um einen phänomenologisch­teleologischen Gottesbeweis handelt oder um eine bloß nachvollziehende philosophische Rechtfertigung des Gottesglaubens, welcher vorher schon irgendwie gestiftet wurde.

13. Beispielsweise XIII, 9, 19, B IJ 2, 26-27. 14. Damit vertretell wir freilich nicht die Ansicht, daß bei Husserl andere Eigenschaften Gottes

nicht berücksichtigt worden wären. Von den Eigenschaften Gottes lesen wir beispiels­weise: "Natürlich kann das Allich [ ... 1 nicht wie ein empirisches Ich gedacht werden, es ist unendliches Leben, unendliche Liebe, unendlicher Wille, sein unendliches Leben ist

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234 Vierter Teil

eine einzige Tätigkeit, und da es unendliche Erfüllung ist, unendliches Glück." (B II 2, 27) Da wir es für die weitere Entfaltung der Lehre vom universalen transzendentalen Instinkt für nebensächlich halten, gehen wir auf das Problem der göttlichen Eigenschaften bei Husserl nicht ein.

15. Über den göttlichen Trieb äußert sich Husserl an einer ManuskriptsteIle folgendermaßen: "Das Ichall entbindet sich selbst in der freien Schöpfung seiner besten Welt, aber im göttlichen Trieb und aufgrund der göttlichen Schöpfung der unenthüllten wahren Welt." (A V 21, 102)

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KAPITELIII

Die Phänomenologie der Instinkte und die transzendentale Phänomenologie als ein

transzendental-phänomenologischer Idealismus

1. PHÄNOMENOLOGIE DER INSTINKTE UND GENETISCH-PHÄNOMENOLOGISCHER

IDEALISMUS

Die transzendentale Funktion bestimmt sich genetisch-phänomenologisch als die Funktion des Transzendierens im Sinne des mehrmeinenden Übergreifens im zeitlichen Horizont. Die transzendentale Funktion darf dabei nicht in dem Sinne verstanden werden, daß es vorher die Transzendenz als etwas vom Ichsubjekt völlig Unabhängiges geben müsse, auf das das Subjekt hintran­szendieren könnte. Vielmehr handelt es sich bei der transzendentalen Funktion ausschließlich um die Funktion des Transzendierens, welche, indem sie vom Ichsubjekt vollzogen wird, die Transzendenzen und damit die Welt als das Universum l der gesamten Transzendenzen konstitutiv zustande bringt. "Transzendental: die Welt ist die in der strömenden Lebendigkeit der tran­szendentalen Subjektivität sich konstituierende Geltung und Beharrungseinheit, strömend sich konstituierend in der Weise einer einheitlichen intentionalen Zeitigung [ ... ]" (C 13 I, 17) "Transzendenz in jeder Form ist", so heißt es in diesem Zusammenhang, "ein immanenter, innerhalb des ego sich konsti­tuierender Seinscharakter. Jeder erdenkliche Sinn, jedes erdenkliche Sein, ob es immanent oder transzendent heißt, fällt in den Bereich der transzenden­talen Subjektivität als der Sinn und Sein konstituierenden." (I, 117)

Die Welt als das Universum der Transzendenzen ist ausschließlich das konstitutive Produkt des transzendentalen Lebens. Die Welt verdankt diesem ihr Sein; sie ist seinsmäßig auf dieses zurückbezogen, insofern zeigt sie sich als relativ. Das transzendentale Leben mit seiner transzendentalen Funktion dagegen bildet den "tragenden Seinsgrund" (XIV, 292) der Welt als des Universums der Transzendenzen. Als der tragende Seinsgrund der Welt geht es dieser seinsmäßig voraus; dadurch zeigt es sich als absolutes Sein in dem Sinne, "daß es prinzipiell nulla 're' indiget ad existendum." (III,l, 104) Zwischen dem transzendentalen Leben und dessen Welt als dessen konstitu­tivem Produkt "gähnt ein wahrer Abgrund des Sinnes" (III,l, 105). Das transzendentale Leben und seine Welt "heißt zwar bei des 'seiend',

235

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236 Vierter Teil

'Gegenstand', und hat zwar bei des seinen gegenständlichen Bestim­mungsgehalt: evident ist aber, daß, was da beiderseits Gegenstand und gegen­ständliche Bestimmung heißt, nur nach den leeren logischen Kategorien gleich benannt ist." (III, 1, 105)

Die transzendentale Phänomenologie ist also ein Aufweis des .absoluten Vorrangs des transzendentalen Lebens gegenüber der konstituierten Welt. Als solche zeigt sie sich als ein Idealismus, den Husserl, um ihn von anderen Idealismen zu unterscheiden, spezifisch als den transzendental-phänomeno­logischen Idealismus bezeichnet. Der transzendental-phänomenologische Idealismus ist das Wesen der transzendentalen Phänomenologie als einer konstitutiven Phänomenologie. Daher ist es unmöglich, die transzendentale Phänomenologie und den transzendental-phanomenolo.gischen Idealismus voneinander zu trennen. Beide sind identisch. "Der transzendental-phänome­nologische Idealismus ist nicht eine philosophische Sonderthese und Theorie unter anderen, sondern die transzendentale Phänomenologie als konkrete Wissenschaft ist, auch wenn kein Wort über Idealismus gesagt wird, in sich selbst universaler Idealismus, als Wissenschaft durchgeführt." (V, 152) Die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte als des Urstückes der geneti­schen Phänomenologie zeigt sich danach als ein Weg des vollständigen Aufweises der transzendentalen Phänomenologie als eines transzendental­phänomenologischen Idealismus.

Im Hinblick auf den transzendental-phänomenologischen Idealismus ist es möglich, eine Doppeldeutigkeit festzustellen, welche im Übergang von der statischen zur genetischen Phänomenologie zum Vorschein kommt. Sie beruht darauf, daß der Begriff der Absolutheit des transzendentalen Lebens in der statischen und in der genetischen Phänomenologie verschiedene Bedeutungen hat. Hier gewinnen wir das entscheidende Kriterium für die Unterscheidung des statisch'-phänomenologischen und des· genetisch-phänomeno.logischen Idealisums.

Die Absolutheit bedeutet in der statischen Phänomenologie die Apodiktizität und Zweifellosigkeit, die Relativität dagegen Zuflilligkeit und Zweifelhaftigkeit der Gegebenheit bzw. Setzung. In diesem Sinne heißt es in den Ideen I: "Hier ein sich abschattendes, nie absolut zu gebendes bloß zufälliges und relatives Sein; dort ein notwendiges' und, absolutes Sein, prinzipiell nicht durch Abschattung und Erscheinung zu geben." (III,I, 105) Die Absolutheit des transzendentalen Lebens bedeutet danach in der statischen Phänomenologie dessen "gnoseologische Vorgängigkeit" (XV, XXXVII) gegenüber der Welt. Dementsprechend können wir den statisch-phänomenologischen Idealismus einen "gnoseologisclien" oder einen erkenntnistheoretischen Idealismus nennen.

Die Phänomenologie der Instinkte zeigt aber, daß die Identifizierung der Apodiktizität der Gegebenheit bzw. Setzung mit der konstitutiven Absolutheit nicht.aufgeht. Denn es gibt Bewußtseinsgestalten; z.B. die Instinktintentionen' auf den. untersten Stufen der genetischen Konstitution und im fernen Vergangenheitshorizont, welche, obwohl sie nur rekonstruktiv beschreibbar und

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Transzendental-phänomenologischer Idealismus 237

nicht in Apodiktizität anschaulich gegeben sind, sich trotzdem in konstitu­tiver Hinsicht darum als absolut zeigen, weil ohne sie· die Welt als das Universum der Transzendenzen konstitutiv nicht zustande gebracht werden kann. Dieses Bewußtseinsgestalten bilden also zusammen mit anderen den tragenden Seinsgrund der Welt. Genetisch-phänomenologisch müssen wir also die Absolutheit im Sinne der apodiktischen Gegebenheit eines Bewußtseins von der Absolutheit im Sinne der konstitutiven Absolutheit strikt unterscheiden.; Da die apodiktische Gegebenheit selbst ein Produkt der Genesis ist, zeigt sich die Absolutheit im Sinne der absoluten Gegebenheit bloß als ein Sonderfall der konstitutiven Absolutheit. Der genetisch-phänomenologische Idealismus ist danach, wie die Phänomenologie der Instinkte beispielhaft zeigt, mehr als ein bloß erkenntnistheoretischer Idealismus. Er ist ein Aufweis der Vorgängigkeit des transzendentalen Lebens gegenüber der Welt nicht nur;im Bereich der Erkenntnis, sondern im gesamten Bereich des transzendentalen Lebens. Der genetisch-phänomenologische' Idealismus ist also die Endgestalt des transzendental-phänomenologischen Idealismus, in den der erkenntnis­theoretische Idealismus als ein Sonderfall einmündet. Dies ist der eigentliche Grund dafür, daß die transzendentale Phänomenologie Husserls letzten Endes den -engen Rahmen der Erkenntnistheorie sprengen muß.

2. GENETISCH-PHÄNOMENOL0CilSC:HER IDEALISMUS UND DER SINN DER

KONSTITUTION

Genetisch-phänomenologischer Idealismus heißt, daß die Welt des jeweiligen transzendentalen Lebens dessen konstitutives Produkt ist. Die transzenden­tale Funktion bedeutet zugleich die Funktion des Produzierens der Transzendenz; ohne die produktiven transzen'cdentalen Funktionen kann die Welt als das Universum der Transzendenzen nicht bestehen. Dadurch zeigt sich die eigentliche Bedeutung der transzendentalen Konstitution, wie E. Fink und L. Landgrebe2 ,betonen, ursprünglich als die Schöpfung. Dabei .ist hervorzuheben, daß der schöpferische Charakter der :Konstitution in der statischen Phänomenol~ie völlig verborgen 'bleibt. Der schöpferische Charakter der Konstitution bleibt in der statischen Phänomenologie nur desha~b

. verborgen, weil sie bei ihrer Rückfrage nach der letzten Grundlage der Seinsgeltung das Sein der Welt als einen bereits fertigen Bestand voraussetzt. Es ist in der statischen Phänomenologie zwar möglich, die ,notw.endige Ko-rrelation von Ich und Welt aufzuweisen, aber nicht den schöpferischen

':Charakter des transzendentalen Lebens in der Konstitution der Welt. Dies bildet : den· Hauptgrund dafür, daß einige Interpreten3 die These von .der Konstitution als einem Prozeß der Schöpfung für unhaltbar halten. Erst durch eine genetische Betrachtung und vor allem durch die Entfaltung der P.hänomendlogie (der Instinkte kommt der schöpferische Charakter der Konstitution am deutlich­sten ·zum Vorschein. Auf den schöpferischen Charakter des transzendentalen Bewußtseinuind- wir oben bei der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte

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238 Vierter Teil

im 11. und III. Teil eingegangen. Dabei haben wir versucht, die Intentionalität überhaupt als eine praktische und schöpferische zu bestimmen. Der Prozeß der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte als des Urstückes der geneti­schen Phänomenologie versteht sich also in diesem Sinne als ein Prozeß des Erweises des schöpferischen Charakters des transzendentalen Lebens in der Konstitution der Welt.

Die Lehre vom universalen transzendentalen Instinkt in diesem Teil zeigt darüber hinaus weiter, was die Konstitution als Schöpfung phänomenolo­gisch konkreter bedeutet. Nach der Lehre des transzendentalen Instinktes ist das transzendentale Monadenall das "Mittel,,4 für die creatio ex nihilo im relativen Sinne. Da der Prozeß der genetischen Konstitution der Welt des jeweiligen monadischen Lebens gerade den Prozeß der Auswirkung des universalen transzendentalen Instinktes bedeutet, zeigt sich die ursprüngliche Bedeutung der transzendentalen Konstitution als die creatio ex nihilo im relativen Sinne, also als ein Prozeß der beständigen Erneuerung und Wiedergeburt des jeweiligen monadischen Lebens, welcher zugleich als ein Prozeß der Erneuerung seiner Welt als des Universums der Transzendenzen zu verstehen ist. Denn die Konstitution der Welt des jeweiligen monadischen Lebens und dessen Selbstkonstitution sind voneinander untrennbar; sie spiegeln sich wechselseitig wider. "Und diese Weltkonstitution ist Konstitution eines immer höheren Menschen- und Übermenschenturns, in dem das All seines eigenen wahren Seins bewußt wird und die Gestalt eines frei sich selbst zur Vernunft oder Vollkommenheitsgestalt konstituierenden annimmt." (XV, 610) Allerdings ist es möglich, dabei verschiedene Formen der Konstitution, z.B. passive und aktive, objektivierende und nicht-objektivierende, als verschiedene Weisen der creatio ex nihilo im relativen Sinn zu unterscheiden. Danach soll ein so winzig kleines konstitutives Geschehen wie z.B. die Wahrnehmung eines Würfels eine Weise der Schöpfung im Sinne der beständigen Erneuerung und Wiedergeburt des jeweiligen transzendentalen Lebens und seiner Welt sein.

3. DER TRANSZENDENT AL-PHÄNOMENOLOGISCHE IDEALISMUS ALS EINE TRANSZENDENT AL-PHÄNOMENOLOGISCH FUNDIERTE METAPHYSIK

Im Hinblick auf die vollständig durchgeführte Phänomenologie der Instinkte als das Urstück der genetischen Phänomenologie sehen wir dringend die Notwendigkeit, daß die Darstellung des transzendental-phänomenologischen Idealismus in einem wichtigen Punkt ergänzt werden muß. Denn wir haben bis jetzt im Zusammenhang mit dem Problem des transzendental-phänomenolo­gischen Idealismus nur die Beziehung zwischen der jeweiligen Einzelrnonade und deren Welt als deren konstitutivem Produkt betrachtet, wobei das Problem des transzendentalen Monadenalls außer Acht gelassen wurde. Nun müssen wir den transzendental-phänomenologischen Idealismus aus einem neuen Aspekt beleuchten, indem wir die Beziehung zwischen der jeweiligen

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Transzendental-phänomenologischer Idealismus 239

Einzelmonade, deren Welt und dem transzendentale Monadenall analysieren. Da wir schon das Verhältnis zwischen der jeweiligen Einzelmonade und deren Welt untersucht haben, müssen wir nun auf die übrigen bei den Zusammenhänge eingehen, nämlich die Beziehung zwischen transzendentalem Monadenall und der jeweiligen Einzelmonade einerseits und zwischen demselben und der jeweiligen Welt als dem Universum der Transzendenzen der jeweiligen Monaden andererseits.

Wenden wir uns zunächst dem Zusammenhang zwischen dem transzen­dentalen Monadenall und der jeweiligen Einzelmonade zu. Wie die Phäno­menologie der Instinkte zeigt, kann die jeweilige transzendentale Monade als eine Einheit der Selbsterhaltungstätigkeit ohne den beständigen Umgang mit anderen transzendentalen Monaden nicht existieren. Insofern ist sie in ihrem transzendentalen Sein von anderen Monaden abhängig, was vor allem beim Vor-Ich im Uranfang der transzendentalen Genesis am deutlichsten festzustellen ist. So heißt es bei Husserl; "Ebenso ist jedes ego, jede Monade konkret genommen Substanz, aber nur relative Konkretion, sie ist, was sie ist, nur als socius einer Sozialität, als 'Gemeinschaftsglied' in einer Totalgemeinschaft." (XV, 193) Oder: "Eine Substanz als Einzelmonade steht damit in Harmonie mit jeder Substanz. Jede ist von jeder 'abhängig'." (XIV, 293) Oder: "Jedenfalls, sind viele Monaden, so ist keine im vollen Sinn selbständig." (XIV, 295) Das im wirklichen Sinne Absolute ist nur das transzendentale Monadenall. Das transzendentale Monadenall bildet also den letzten genetischen Fundierungsboden der jeweiligen Einzelmonaden, wie es an einer Stelle ausdrücklich heißt: "Aber das ganze transzendentale Monadenall ist immer beteiligt als Fundierung." (XV, 609) Im Hinblick auf die Fundierung der Einzelmonade im transzendentalen Monadenall ist es darum möglich, dieses als den Lebenshintergrund der jeweiligen Monade zu bestimmen. Die jemeinige transzendentale Monade kann danach als das transzendentale Monadenall gedeutet werden, dessen Zentrum sie ist.

Gehen wir nun über zum Verhältnis zwischen transzendentalen Monadenall und der jeweiligen Welt der Einzelmonade. Beim Aufweis des universalen transzendentalen Instinktes als der universalen Teleologie haben wir beobachtet, daß jeder Form der mundanen Realität eine bestimmte Form des transzen­dentalen Lebens entspricht. Dies gilt nicht nur für die menschliche Monade, sondern für alle Formen der Monade und schließlich für die schlafenden Monaden der materiellen Natur. Dadurch zeigt sich, daß der Welt einer Einzelmonade als dem Universum der transzendenten Realitäten das tran­szendentale Monadenall als ihre transzendentale Parallele entspricht. Zwischen der Welt als der konstituierten Einheit und dem transzendentalen Monadenall besteht also ein Parallelismus, den Husserl an einer Stelle auf die Formel bringt: "Der Welt im gewöhnlichen Sinn, dem Universum der mundanen Realität, entspricht transzendental die absolute 'Welt', das Universum der tran­szendentalen Realität." (XV, 193) "Der zeitlich-weltliche Prozeß ist transzendental", so heißt es in diesem Sinne an einer weiteren Stelle, "ein Lebensprozeß der kommunizierenden Monaden, in denen dieselben Monaden

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240 Vierter Teil

verschieden kommunizierend fungieren." (XV, 609) Der oben mehrmals festgestellte Parallelismus zwischen dem psychologischen Ich und dem transzendentalen Ich erweist sich danach als ein Sonderfall des universalen Parallelismus zwischen der Welt der transzendenten Realitäten und dem transzendentalen Monadenall. Wie dem Parallelismus zwischen dem tran­szendentalen Ich und dem psychologischen Ich, bei dem dieses das Ergebnis der mundanen Selbstobjektivierung von jenem darstellt, zu entnehmen ist, stellt die jeweilige Welt der Transzendenzen das Ergebnis der mundanen Selbstobjektivierung oder der "Selbstentfremdung" des transzendentalen Monadenalls dar.

Aus dieser Überlegung erschließt sich nun die Möglichkeit, den Sinn des transzendental-phänomenologischen Idealismus noch tiefer einzusehen. Da das transzendentale Monadenall vom Standpunkt der jeweiligen Monade aus gesehen als ihr Lebenshintergrund angesehen werden kann, ist es möglich, die jeweilige konstituierte Welt der jeweiligen Monade, weIche sich soeben als die jeweilige Selbstobjektivierung des transzendentalen Monadenalls zeigt, als die "Selbstobjektivierung"S der jeweiligen transzendentalen Monade zu betrachten. Die unendlichen Welten als die unendlichen Weisen der Selbst­objektivierung der Einzelmonaden bedeuten demnach gerade die unendlichen Weisen der Selbstobjektivierung des transzendentalen Monadenalls.6

Die Phänomenologie der Instinkte als das Urstück der genetischen Phänomenologie zeigt also, daß die Grundthese von der konstitutiven Vorgängigkeit der Einzelrnonade gegenüber deren konstituierter Welt durch die These von der konstitutiven Vorgängigkeit des transzendentalen Monadenalls ergänzt werden muß. Das transzendentale Monadenall ist das einzig absolute Universum, also der im echten Sinne letzte tragende Seinsgrund aller Welten der Transzendenz. Ohne seine Beteiligung ist die Konstitution der Welt der jeweiligen Einzelrnonade unmöglich. Hierbei ist es wichtig, darauf zu achten, daß zwischen dem transzendentalen Monadenall als der "transzendentalen Überwelt" (XV, 591) und den unendlich vielen Welten der Transzendenzen als deren Objektivierung "ein wahrer Abgrund des Sinnes" besteht. Diese bei den müssen wir strikt auseinanderhalten. Die von K. Schuhmann vertretene These von der "mannigfaltigen Beziehung des Bewußtseins zur Welt,,)7 und die damit verbundene These von der angeblichen Dialektik zwischen dem Bewußtsein und der Welt, derzufolge einmal jenes von dieser, ein anderes Mal diese von jenem abhängig sein soll, beruht auf dem Mangel an einer klaren Unterscheidung zwischen den bei den Formen der Welt. Die einzelne Monade ist vom transzendentalen Monadenall absolut abhängig, sie kann aber von der Welt als dem Universum der Transzendenzen niemals abhängig sein; vielmehr stellt sie den tragenden Seinsgrund von dieser dar. Der "Abgrund" zwischen bei den Formen der Welt bildet außerdem den Grund dafür, daß jeder Versuch, ein das transzendentale Monadenall als die transzendentale Überwelt und die unendlichen Welten der Transzendenzen übergreifendes noch höheres Seinsuniversum anzusetzen, in transzendental-phänomenologischer Hinsicht verfehlt ist. 8

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Transzendental-phänomenologischer Idealismus 241

Im Hinblick auf den transzendental-phänomenologischen Idealismus sei zweierlei bemerkt:

1. Da die Welt als die mundane Selbstobjektivierung der Einzelmonade und zugleich als die des transzendentalen Monadenalls verstanden werden kann, ist es im Hinblick auf die Einzelmonade, deren Welt und das transzen­dentale Monadenall möglich, eine Struktur der Spiegelung festzustellen, wobei die jeweilige Einzelmonade den Ort der Spiegelung darstellt, das transzen­dentale Monadenall das, was gespiegelt wird, die Welt der transzendenten Realität schließlich das Ergebnis der Spiegelung. Diese Struktur der Spiegelung bildet gerade den letzten Grund für den im ersten Teil erörterten Parallelismus von Noesis und Noema als ein Verhältnis der Widerspiegelung zwischen beiden. Die in einer transzendentalen Monade beobachtbaren verschiedenen Formen der Hyle sind bei der Spiegelung des transzendentalen Monadenalls in einer einzelnen Monade die Mannigfaltigkeit des Gespiegelten; die entsprechenden verschiedenen Formen der Noesis sind demgegenüber die Weisen, wie sich die Spiegelung des transzendentalen Monadenalls im Gespiegelten vollzieht. Die Struktur der Spiegelung bietet darüber hinaus einen Schlüssel zum Verständnis des Ursprungs der ersten Hyle. Der genetische Ursprung der ersten Hyle zeigt sich danach als das transzendentale Monadenall, welches sich noch nicht in der Einzelmonade spiegelt; die erste Hyle ist demnach das Resultat der ersten Spiegelung des transzendentalen Monadenalls in der Einzelmonade.

2. Der transzendental-phänomenologische Idealismus, der das transzen­dentale Monadenall für den tragenden Seinsgrund der jeweiligen Welt erklärt, ist mit dem "Gedanken der 'Auflösung des Seins im Bewußtsein' unter Berufung auf Descartes",9 also mit einem Solipsismus im echten Sinne überhaupt unvereinbar. Der Solipsismus ist nur in der statischen Phänomenologie festzustellen, er hat bloß einen methodischen Charakter, er löst sich dementsprechend, wie die Phänomenologie der Instinkte zeigt, durch die Vertiefung der phänomenologischen Analyse auf. "Der Einwand des Solipsismus hätte", so schreibt Husserl 1930 im "Nachwort" zu den Ideen I, "nicht als Einwand gegen den phänomenologischen Idealismus erhoben werden dürfen, sondern nur als Einwand gegen die Unvollständigkeit meiner Darstellung." (V, 151) Darüber hinaus zeigt sich, daß der transzendental­phänomenologische Idealismus mit der Leugnung der Existenz der Welt überhaupt nichts zu tun hat. Denn die Welt ist nichts anderes als die Selbstobjektivierung des transzendentalen Monadenalls als des beständigen Fundierungsbodens der Einzelmonaden. "Daß die Welt existiert, daß sie in der kontinuierlichen immerfort zu universaler Einstimmigkeit zusammenge­henden Erfahrung als seiendes Universum gegeben ist, ist vollkommen zweifellos." (V, 152-153) Der transzendental-phänomenologische Idealismus hat mit dem sogenannten Weltverlust nichts zu tun; er ist vielmehr "durchaus Anerkennung dessen, was Wirklichkeit in und an sich iSt."1O

Der transzendental-phänomenologische Idealismus, der durch die Vertiefung der genetischen Phänomenologie schließlich dazu geführt wird, die unab-

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242 Vierter Teil

hängige Existenz der Mitsubjekte und schließlich die des An-sieh-Seins der materiellen Natur anzuerkennen, ist kein bloß "methodischer Idealismus".ll Vielmehr zeigt er sieh als eine Metaphysik, aber nieht von spekulativem Charakter, sondern eben als eine "transzendental-phänomenologisch fundierte Metaphysik" (B II 2,23) als eine absolute Weltbetrachtung. Der ganze Vorgang der Entfaltung der genetischen Phänomenologie und vor allem der Phäno­menologie der Instinkte als deren Urstückes ist gerade der Erweis dieser phänomenologisch fundierten Metaphysik als einer absoluten Weltbetrachtung, welche transzendental-phänomenologischer Idealismus heißt.

4. DER TRANSZENDENTAL-PHÄNOMENOLOGISCHE IDEALISMUS UND DER IDEALISMUS-REALISMUS STREIT

Die phänomenologische Reduktion mit ihren verschiedenen Wegen und Varianten als die methodische Grundlage für die Enthüllung des transzen­dentalen Lebens ist für den Aufweis des transzendental-phänomenologischen Idealismus unentbehrlich. Dadurch unterscheidet sich dieser scharf von jeglicher traditionellen Form des Idealismus, die von der phänomenologi­schen Reduktion nichts wußte. Nach Husserl fallen solche Formen des Idealismus in die Kategorie des Psychologismus, denn sie alle erklären nieht das transzendentale, d.h. das konstituierende Leben, sondern das konstitu­ierte, d.h. das psychologische Leben zum letzten Prinzip der Philosophie.

Der transzendental-phänomenologische Idealismus unterscheidet sieh darüber hinaus, wie die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte zeigt, von den meisten überkommenen Idealismen dadurch, daß er nieht die Vernunft, sondern den Instinkt und die Mitsubjekte und schließlich das An-sieh-Sein der materiellen Natur als den genetisch letzten Fundierungsboden aller tran­szendentalen Genesen betrachtet. Die Phänomenologie der Instinkte zeigt also, wie konkret der Lehrgehalt des transzendental-phänomenologischen Idealismus ist. "Kein gewöhnlicher 'Realist' ist", so schreibt Hussserl, "je so realistisch und so konkret gewesen als ich, der phänomenologische 'Idealist' (ein Wort, das ich übrigens nicht mehr gebrauche.) Die Methode der phänomenologi­schen Epoche und Reduktion setzt die Existenz der Welt, genau als was sie jeweils gilt und galt, voraus.,,12 Der Begriff des Idealismus, welcher in der Tradition durch Einseitigkeit und Abstraktheit belastet worden ist, erweist sich danach für die Bezeichnung der transzendentalen Phänomenologie eigentlich als unangemessen. Damit hängt zusammen, daß Husserl in den Spätschriften 13

das Wort "Idealismus" ab und zu in Anführungszeichen setzt. Dementsprechend kann man die Ansieht vertreten, daß Husserl, indem er

durch die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte den blinden Urinstinkt und schließlich die materielle Natur als den letzten genetischen Fundierungsboden aller transzendentalen Genesen entdeckt habe, vom tran­szendental-phänomenologischen Idealismus habe Abschied nehmen und eine realistische Wendung vollziehen müssen. 14 Aber diese denkmögliche Ansicht

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Transzendental-phänomenologischer Idealismus 243

ist wiederum unhaltbar. Denn sie beruht auf dem Mißverständnis über den echten Sinn des transzendental-phänomenologischen Idealismus; sie über­sieht also, daß der transzendental-phänomenologische Idealismus nicht die materielle Natur als die konstituierte Einheit, sondern deren An-sieh-Sein als ein transzendentales Sein, welches auf seine Weise die konstitutive Funktion ausübt, als den letzten Boden aller transzendentalen Genesen betrachtet. Die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte in der Spätphilosophie, die Husserl dazu führt, den Instinkt und die materielle Natur für den lezten geneti­schen Boden zu erklären, hat mit der angeblichen realistischen Wendung nichts zu tun. Vielmehr stellt sie den ernsten und hartnäckigen Versuch Husserls dar, die Idee einer transzendentalen Phänomenologie als eines transzendental­phänomenologischen Idealismus konkret und vollständig zu verwirklichen; sie stellt also den letzten "Gang des Erweises des transzendental-phänomenolo­gischen Idealismus" (I, 119) dar.

Der transzendental-phänomenologische Idealismus ist also weder eine bestimmte Form des Idealismus noch des Realismus im traditionellen Sinne, sondern er ist seinem Wesen nach im Hinblick auf diesen Unterschied sozusagen völlig indifferent, weil er ausschließlich mit einem Seinsbereich zu tun hat, weIcher diesem Unterschied vorausgeht, nämlich mit dem Bereich des transzendentalen Lebens. Dies ist gerade der Grund dafür, daß der transzendental-phänomenologische Idealismus, wie Husserl im "Nachwort" zu den Ideen I schreibt, "nichts weniger als eine der üblichen Verhandlungen zwischen Idealismus und Realismus" (V, 151) istY Wegen des eigentüm­lichen Charakters des transzendental-phänomenologischen Idealismus ist es möglich, daß er sich für das natürliche Bewußtsein, weIches von der transzendentalen Reduktion keine Ahnung hat, einmal als ein Idealismus und ein anderes Mal als ein Realismus im traditionellen Sinne zeigen kann; als ein Idealismus insofern, als er das transzendentale Leben zum Prinzip der Philosophie erklärt, als ein Realismus dagegen insofern, als er den genetischen Vorrang der "materiellen" Natur gegenüber der Vernunft und vor allem die unabhängige Existenz der "materiellen" Natur und der Mitsubjekte vom jeweiligen Ichsubjekte anerkennt. Dementsprechend können wir den tran­szendental-phänomenologischen Idealismus aus der Sicht des natürlichen Bewußtseins, dem die Methode der phänomenologischen Reduktion nicht bekannt ist, als einen "Real-Idealismus" oder "Ideal-Realismus" bezeichnen. Dabei dürfen wir nicht übersehen, daß dieser Begriff vom Standpunkt des transzendental-phänomenologischen Idealismus aus gesehen ein "hölzernes Eisen" ist. Es ist gerade dieser eigentümliche Charakter des transzendental­phänomenologischen Idealismus, der so viele Diskussionen über ihn und so viele Kritik an ihm aus verschiedenen Richtungen hervorgerufen hat, wobei die transzendentale Phänomenologie ebensooft als Idealismus wie als Realismus gedeutet wird. 16

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244 Vierter Teil

5. INTELLEKTUALISMUS UND VOLUNTARISMUS ALS DIE BEIDEN ASPEKTE DES TRANSZENDENT AL-PHÄNOMENOLOGISCHEN IDEALISMUS

Das transzendentale Monadenall als "die absolute Wirklichkeit", wie Husserl sagt, ist "nicht ein Haufen bloß aufeinander abgestimmter Monaden" (XIV, 270), sondern es zeigt eine wohlgeordnete Struktur. Darum ist es möglich, die "Stufen des Absoluten", also die Stufen der Monaden im tran­szendentalen Monadenall zu ermitteln. Wie man die Stufen des Absoluten betrachtet, davon hängt es ganz und gar ab, welche konkrete Struktur das transzendentale Monadenall zeigt und weiterhin welche Gestalt der transzen­dental-phänomenologische Idealismus als eine vollständig durchgeführte Enthüllung des transzendentalen Monadenalls einnimmt. Wir wollen das transzendentale Monadenall im Hinblick auf die Geltungsfundierung und die Genesisfundierung untersuchen, um den Intellektualismus und den Voluntarismus als die bei den untrennbaren Aspekte des transzendental-phäno­menologischen Idealismus zu zeigen.

Wenn wir das transzendentale Monadenall unter dem Aspekt der Geltungsfundierung betrachten, zeigen sich die Vernunftmonaden als der Fundierungsboden aller anderen Monaden. Sie sind der tragende Grund aller Geltungen. "Das Absolute als Vernunft und in der Zeitigung der Vernunft: Entwicklung der vernunftmonadischen Allheit: Geschichte im prägnanten Sinn. Dieses Absolute trägt in sich gezeitigt das Absolute als 'Unvernunft', als System des vernunftlosen absoluten Seins, ohne die Vernünftiges 'unmöglich ist'." (XV, 669) So bestimmt Husserl die Vernunftmonade als die "archontische Monade", welche in geltungsmäßiger Hinsicht als "das an sich Frühere im Absoluten" alle anderen Monaden impliziert. "Die archontische Monade impliziert alles wahre Sein nach dem, was sie erkannt hat, aktuell, nach dem, was sie als vorgezeichneten Horizont hat, potentiell [ ... ]." (XV, 669) Der letzte tragende Grund aller Geltungen, also der letzte Ursprung der Geltung ist dabei, wie schon gesagt, das helle Selbstbewußtsein des Ur-Ich. "Das absolute Ich, das in nie zerbrechlicher Ständigkeit vor allem Seienden ist und alles Seiende in sich trägt, in seiner 'Konkretion' vor allen Konkretionen, das alles und jedes erdenkliche Seiende in sich tragende, ist das erste 'ego' der Reduktion - ein ego, das fälschlich darum so heißt, weil für es ein alter ego keinen Sinn gibt." (XV, 586)

So stellt das helle Selbstbewußtsein als die höchstentwickelte Gestalt der Vernunft und des Bewußtseins überhaupt den höchsten Punkt dar, von dem alle Wissenschaft und Philosophie ausgehen müssen. Es ist die letzte Quelle aller gültigen Aussagen. "Vielleicht, daß es im strengsten Verständnis wahr ist, daß Selbsterkenntnis, aber dann nur radikal reine oder transzendentale Selbsterkenntnis, die einzige Quelle aller im letzten und höchsten Sinn echten, befriedigenden wissenschaftlichen Erkenntnis, der philosophischen, ist, die ein 'philosophisches' Leben möglich macht." (VIII, 167). Der transzendental­phänomenologische Idealismus bestätigt also den geltungsmäßigen Primat des Selbstbewußtseins und der doxischen Vernunft gegenüber anderen

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Transzendental-phänomenologischer Idealismus 245

Bewußtseinsgestalten und die damit verbundene "Universalität", "mit der das Reich der Erkenntnis alle Arten der aus Gemüts- und Willenssubjektivität stammenden Leistungen umspannt [ ... ]" (VIII, 194). Der transzen­dental-phänomenologische Idealismus erscheint so als ein Rationalismus oder als ein Intellektualismus. Er ist ein fester Glaube an Vernunft.

Andererseits ist es aber möglich, das transzendentale Monadenall unter dem Aspekt der Genesisfundierung zu betrachten. Dadurch zeigt es eine ganz andere Struktur. Die Vernunftmonaden, welche in geltungsmäßiger Hinsicht das an sich Erste darstellen, zeigen sich in genetischer Hinsicht als das Späteste im ganzen Zusammenhang der Genesisfundierung. Das an sich Erste in der genetischen Hinsicht ist das An-sieh-Sein der materiellen Natur, welches als ein Zustand des schlafenden transzendentalen Lebens die ursprünglichste genetische Gestalt des transzendentalen Lebens darstellt und auf das sich aller möglichen transzendentalen Genesen letztlich zurückführen lassen. So heißt es: "Entwicklung der monadischen Historie; erwachende Monaden und Entwicklung in der Wachheit mit einem Hintergrund schlafender Monaden als ständiger Fundierung." (XV, 609)

Wie oben dargestellt, zieht sich der universale transzendentale Instinkt als die Triebkraft aller möglichen transzendentalen Genesis durch das transzen­dentale Monadenall. Es handelt sich beim transzendentalen Instinkt als der universalen Triebkraft aller transzendentalen Genesen gerade um einen universalen Willenszug im allerweitesten Sinne. Das Ganze der transzenden­talen Genesis des transzendentalen Monadenalls kann als ein willentlicher Prozeß im allerweitesten Sinne verstanden werden. Dementsprechend erscheint der transzendental-phänomenologische Idealismus hier als ein transzendentaler Voluntarismus. Es ist gerade dieser universale transzendentale Voluntarismus als ein anderer Wesenszug des transzendental-phänomenologischen Idealismus, welcher den letzten Grund für das Phänomen der universalen "Umspannung" bildet, "durch die das wertende Gemüt und der Wille im Streben und Handeln über die gesamte Subjektivität und alle ihre intentionalen Funktionen hinüber­reicht" (VIII, 25, 194).

Der universale transzendentale Voluntarismus steht mit der Phänomenologie der Instinkte als dem Urstück der genetischen Phänomenologie in einem untrennbaren Zusammenhang. Die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte stellt gerade den Versuch Husserls dar, den transzendental-phäno­menologischen Idealismus als einen universalen Voluntarismus vollständig durchzuführen. Wenn Husserl in den dreißiger Jahren davon spricht, er wolle einen universalen Voluntarismus ausarbeiten,17 ist damit gemeint, daß er sich mit der Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte und vor allem mit der Entwicklung der Idee eines universalen transzendentalen Instinktes beschäftigt.

Der transzendental-phänomenologische Idealismus zeigt sich also als ein universaler Intellektualismus und zugleich als ein universaler Voluntarismus; er hat ein Doppelgesicht. Als ein Intellektualismus ist die transzendentale Phänomenologie mit der neuzeitlichen Bewußtseinsphilosophie, deren Hauptthema das helle Selbst-bewußtsein ist, in Einklang zu bringen. Sie ist

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246 Vierter Teil

nichts anderes als die weitere Fortführung des Denkansatzes dieser Philosophie. Als ein universaler Voluntarismus sprengt aber die transzendentale Phäno­menologie gerade den engen Rahmen der so verstandenen Bewußtseins­philosophie. Das helle Selbstbewußtsein ist nun nicht mehr ihr ausschließliches Arbeitsfeld, sondern als ihr universales Arbeitsfeld kommt nun das transzen­dentale Monadenall in Frage. Durch die Entfaltung der Phänomenologie der Instinkte zeigt sich also, daß die transzendentale Phänomenologie schließlich zu einer universalen Philosophie im echten Sinne wird, weIche nicht nur die Erkenntnistheorie, sondern auch darüber hinaus die praktische Philosophie im weitesten Sinne, die transzendentale Geschichtsphilosophie, die transzen­dentale Kulturphilosophie, die transzendentale Lebensphilosophie und schießlich die philosophische Theologie und die Metaphysik usw. als Teilgebiete umfaßt. Die transzendentale Phänomenologie als eine universale Philosophie im echten Sinne, weIche alle möglichen Positionen im Spannungsfeld zwischen transzendentalem Intellektualismus und Voluntarismus umspannt, nennt Husserl in der Spätphilosophie in Anlehnung an Leibniz die transzendentale Monadologie.

ANMERKUNGEN

1. Das Universum in diesem Zusammenhang darf als der universale Welthorizont, aber nicht als der Inbegriff der Gegenstände verstanden werden.

2. E. Fink, Studien zur Phänomenologie 1930-1939, S. 143; L. Landgrebe, Faktizität und Individuation, S. 71 ff.

3. Beispielsweise G. Funke, Zur transzendentalen Phänomenologie, S. 70 ff.; R. Boehm, Vom Gesichtspunkt der Phänomenologie, S. 99; I. Kern, Husserl und Kant, S. 298, S. 424; R. Sokolowski, The Formation 01 Husserl's Concept 01 Constitution, S. 137. S. 159, S. 216 ff.; E. Tugendhat, Der Wahrheitsbegrill bei Husserl und Heidegger, S. 175 ff.; Th. Seebohm, Die Bedingungen der Möglichkeit der Transzendental-Philosophie, Bonn 1962, S. 161.

4. "Für sein Wollen, für sein 'Ich', ist der ganze Monadengehalt bloß Mittel, und das Ziel sind die absoluten Werte und die Entwicklung auf sie hin." (B H, 2, 27)

5. "[ ... 1 nämlich die Welt - das sagt hier die transzendental-subjektive und in ihrem jeweiligen Stande Weltkonstitution als Selbstobjektivierung - ist, aber ist im 'Widerspruch' mit sich selbst [ ... ]." (XV, 380, Herv. v. Vf.)

6. Hier stellen wir fest, daß die transzendentale Phänomenologie sich, wie oben erwähnt, tatsächlich als eine transzendentale Monadologie erweist, in welcher wir die Weiterführung des monadischen Gedankens von Leibniz sehen können. Bei Leibniz lesen wir: "Und wie eine und dieselbe Stadt, die von verschiedenen Seiten betrachtet wird, als eine ganz andere erscheint und gleichsam auf perspektivische Weise vervielfacht ist, so geschieht es in gleicher Weise, daß es durch die unendliche Vielheit der einfachen Substanzen gleichsam ebenso viele verschiedenen Universen gibt, die jedoch nur die Perspektiven des einen einzigen gemäß den verschiedenen Gesichtspunkten jeder Monade sind." (G. W. Leibniz, Monadologie, § 57, in: Kleine Schriften zur Metaphysik. Philosophische Schriften Bd. I. Hrsg. und Übersetzt von H. H. Holz, Darmstadt 1985, S. 465.) Vgl. dazu die ähnliche Darstellung in: Metaphysische Abhandlung, § 9, in: Kleine Schriften zur Metaphysik. Philosophische Schriften Bd. I, S. 77-79.

7. K. Schuhmann, Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie, S. 14. 8. Diesen Versuch finden wir beispielsweise bei S. Strasser, "Der Gott des Monadenalls",

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Transzendental-phänomenologischer Idealismus 247

in: Perspektiven der Philosophie 4 (1978), S. 366. Dieser schreibt: "Das Seinsuniversum [ ... 1 enthält einerseits konstituierendes transzendentales Bewußtsein, andererseits konstituiertes Seiende jeder Art."

9. G. Patzig, "Kritische Bemerkungen zu Husserls Thesen über das Verhältnis von Wahrheit und Evidenz", in: Neue Hefte für Philosophie 1(1979), S. 30.

10. A. Aguirre, Die Phänomenologie Husserls im Licht ihrer gegenwärtigen Interpretation und Kritik, S. 20.

11. Th. Seebohm, a.a.O., S. 154. 12. In einem Brief Husserls vom 26. Mai 1934 an AbM Baudin. Kopie des Briefes im Husserl­

Archiv in Louvain unter der Signatur R. Dieser Brief ist noch nicht veröffentlicht. 13. Beispielsweise I, 176, V, 151. 14. Das Realismus-Verständnis von J. Thyssen läuft gerade in diese Richtung. Vgl. dazu ders.,

"Apriori, Unbewußtes und Heideggers Weltbegriff', in: Archiv für Philosophie 3-2 (1949), S.115-143.

15. Die Kritik, welche H. U. Asemissen, Strukturanalytische Probleme der Wahrnehmung in der Phänomenologie Husserls, S. 87 ff. am transzendental-phänomenologischen Idealismus übt, erweist sich danach als falsch. Wörtlich spricht er in diesem Zusammenhang von den "bei den repräsentativen Verhandlungen der Realismus-Idealismus-Alternative" (S. 93), wobei die transzendentale Phänomenologie Husserls ins Lager des Idealismus gehöre.

16. Da fast alle Interpreten in ihren Studien zur transzendentalen Phänomenologie diese Zentralproblematik behandelt haben und es als eine notwendige Folge davon reichlich Literatur darüber gibt, verzichten wir darauf, auf Einzelheiten der mannigfaltigen Ansichten näher einzugehen.

17. D. Cairns, Conversations with Husserl and Fink, S. 61.

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Literaturverzeichnis

Verzeichnet sind nur Schriften, die in der vorliegenden Arbeit zitiert wurden oder auf die implizit oder explizit Bezug genommen wurde.

I. SCHRIFrEN HUSSERLS

1. Husserliana

Edmund Husserl, Gesammelte Werke. Auf Grund des Nachlasses veröffentlicht vom Husserl-Archiv (Louvain) unter Leitung von H. L. van Breda und S. IJsseling, Den Haag bzw. DordrechtlBoston/London 1950 ff. (Husserliana­Bände sind mit Angabe der Bandzahl und Seitenzahl zitiert.)

Bd. I: Cartesianische Meditationen und Pariser Vorträge. Hrsg. von S. Strasser, 1950.

Bd. 11: Die Idee der Phänomenologie. Fünf Vorlesungen. Hrsg. von W. Biemel, 1950.

Bd. 111,1: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Erstes Buch: Allgemeine Einführung in die reine Phäno­menologie. I. Halbband. Text der 1.-3. Auflage. Neu hrsg. von K. Schuhmann, 1976.

Bd. 111,2: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Erstes Buch: Allgemeine Einführung in die reine Phäno­menologie. 2. Halbband. Ergänzende Texte (/912-1929). Neu hrsg. von K. Schuhmann, 1976.

Bd. IV: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Zweites Buch: Phänomenologische Untersuchungen zur Konstitution. Hrsg. von M. Biemel, 1952.

Bd. V: Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Drittes Buch: Die Phänomenologie und die Fundamente der Wissenschaften. Hrsg. von M. Biemel, 1953.

249

Page 244: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

250 Literaturverzeichnis

Bd. VI: Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie. Eine Einleitung in die phänomenologische Philosophie. Hrsg. von W. Biemel, 1954.

Bd. VII: Erste Philosophie (1923/24). Erster Teil: Kritische Ideengeschichte. Hrsg. von R. Boehm, 1956.

Bd. VIII: Erste Philosophie (1923/24). Zweiter Teil: Theorie der phänome­nologischen Reduktion. Hrsg. von R. Boehm, 1959.

Bd. IX: Phänomenologische Psychologie. Vorlesungen Sommersemester 1925. Hrsg. von W. Biemel, 1962.

Bd. X: Zur Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins (1893-1917). Hrsg. von R. Boehm, 1966.

Bd. XI: Analysen zur passiven Synthesis. Aus Vorlesungs- und Forschungs­manuskripten 1918-1926. Hrsg. von M. Fleischer, 1966.

Bd. XII: Philosophie der Arithmetik. Mit ergänzenden Texten (1890-1901). Hrsg. von L. Eley, 1970.

Bd. XIII: Zur Phänomenologie der Intersubjektivität. Texte aus dem Nachlaß. Erster Teil: 1905-1920. Hrsg. von I. Kern, 1973.

Bd. XIV: Zur Phänomenologie der Intersubjektivität. Texte aus dem Nachlaß. Zweiter Teil: 1921-1928. Hrsg. von I. Kern, 1973.

Bd. XV: Zur Phänomenologie der Intersubjektivität. Texte aus dem Nachlaß. Dritter Teil: 1929-1935. Hrsg. von I. Kern, 1973.

Bd. XVI: Ding und Raum. Vorlesungen 1907. Hrsg. von U. Claesges, 1973.

Bd. XVII: Formale und transzendentale Logik. Versuch einer Kritik der logischen Vernunft. Hrsg. von P. Janssen, 1974.

Bd. XVIII: Logische Untersuchungen. Erster Band: Prolegomena zur reinen Logik. Hrsg. von E. Holenstein, 1975.

Bd. XIX/1: Logische Untersuchungen. Zweiter Band: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Erster Teil. Hrsg. von U. Panzer, 1984.

Bd. XIX/2: Logische Untersuchungen. Zweiter Band: Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Zweiter Teil. Hrsg. von U. Panzer, 1984.

Bd. XXII: Aufsätze und Rezensionen (1890-1910). Hrsg. von B. Rang, 1979. Bd. XXIII: Phantasie, Bildbewußtsein, Erinnerung. Zur Phänomenologie der

anschaulichen Vergegenwärtigungen. Texte aus dem Nachlaß (1898-1925). Hrsg. von E. Marbach, 1980.

Bd. XXIV: Einleitung in die Logik und Erkenntnistheorie. Vorlesungen 1906/07. Hrsg. von U. MeIle, 1984.

Bd. XXV: Aufsätze und Vorträge (1911-1921). Hrsg. von Th. Nenon und H. R. Sepp, 1986.

Bd. XXVI: Vorlesungen über Bedeutungslehre. Sommersemester 1908. Hrsg. von U. Panzer, 1986.

Bd. XXVII: Aufsätze und Vorträge (1922-1937). Hrsg. von Th. Nenon und H. R. Sepp, 1989.

Page 245: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Literaturverzeichnis 251

Bd. XXVIII: Vorlesungen über Ethik und Wertlehre 1908-1914. Hrsg. von U. Melle, 1988.

2. Anderweitige Veröffentlichungen

"Grundlegende Untersuchungen zum phänomenologischen Ursprung der Räumlichkeit der Natur", in: Philosophical Essays in Memory of Edmund Husserl. Ed. by M. Farber, Cambridge, Mass. 1940, S. 307-325.

Erfahrung und Urteil. Untersuchungen zur Genealogie der Logik. Hrsg. von L. Landgrebe, 5. Auflage, Hamburg 1948 (zitiert als EU).

Philosophie als strenge Wissenschaft. Hrsg. von W. Szilasi, 2. Auflage, Frankfurt a. M. 1971.

Briefe an Roman Ingarden. Mit Ergänzungen und Erinnerungen. Hrsg. von R. Ingarden, Den Haag 1968.

"Phänomenologie und Anthropologie", in: Philosophy and Phenomenological Research 11-1 (1941), S. 1-14.

"Entwurf einer 'Vorrede' zu den 'Logischen Untersuchungen' (1913)", in: Tijdschrift voor Filosofie 1-1 (1939), hrsg. von E. Fink. S. 106-133, 319-339.

"Persönliche Aufzeichnungen", in: Philosophy and Phenomenological Research XVI-3 (1956), hrsg. von W. Biemel. S. 293-302.

3. Unveröffentlichte Manuskripte (Sektion A-K eingesehen im Husserl-Archiv der Universität zu Köln / Sektion Maus Louvain entliehen

und im Kölner Husserl-Archiv eingesehen. Zitiert nach der Signatur­und Seitenzahl)

Sektion A (Mundane Phänomenologie): A V 3 (1933), A V 5 (1927-1933), A V 7 (1920-1932), A V 10 (1920-1932), A V 13 (1934), A V 19 (1932), A V 20 (1934-1935), A V 21 (1924-1927), A V 22 (1931), A V 24 (1932-1935), A VI 14 (1930-1932), A VI 23 (1932), A VI 26 (1921-1931), A VI 31 (1928), A VI 32 (1920-1926), A VI 34 (1931), A VII 3 (1934), A VII 8 (1934), A VII 9 (1910-1933), A VII 11 (1925-1932), A VII 12 (1932), A VII 13 (1921-1930).

Sektion B (Die Reduktion): B I 4 (1908-1909), B 19 VI (1925-1928), B I 21 I (1917 oder 1918), B 128 (1923-1924), B 11 2 (1907-1908), B III 1 (1929), B III 3 (1931), B III 9 (1931-1934), B III 10 (1921-1923).

Sektion C (Zeitkonstitution als formale Konstitution): C 1 (1934), C 2 I (1931-1932), C 2 11 (1932), C 2 III (1932), C 3 11 (1930), C 3 III (1931), C 3 V (1931), C 3 VI (1931), C 6 (1930), C 8 I (1929), C 811(1929), C 11 I (vermutlich 1933), eIl 11 (1934), C 11 III (1934), C 11 IV (1931), C 11 V (1931), C 13 I (1934), C 13 11 (1934), C 13 III (1934), C 15 (ohne Datum), C 16 I (1931), C 16 III (1932), C 16 IV (1932), C 16 V (1931), C 16 VI (1932), C 16 VII (1933), C 17 IV (1930-1932), C 17 V (1931).

Sektion D (Primordiale Konstitution ["Urkonstitution"]): D 10 IV (1931), D

Page 246: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

252 Literaturverzeichnis

12 I (1932), D 1211 (1931), D 12 III (1931), D 12 IV (1931), D 12 V (vermutlich 1930-1931), D 13 IV (1921), D 14 (vor 1930-1934), D 15 (1932), D 19 (1922-1926).

Sektion E (Intersubjektive Konstitution): E III 1 (ca. 1930-1934), E III 2 (1920-1921, 1934-1936), E III 3 (1933-1935), E III 4 (1930), E III 5 (1933), E III 6 (1933), E III 7 (1934), E III 8 (1934), E III 9 (1931-1933), E III 10 (1930).

Sektion F (Vorlesungen und Vorträge): F I 14 (1911), F 124 (1909-1923), F 132 (1927), F I 33 (1926-1927), F I 37 (1920-1926), F I 38 (1920-1926).

Sektion K: KIll 4 (1934-1935), KIll 6 (1934-1936), KIll 7 (1935), KIll 11 (1935).

Sektion M: M III 3 I-III (Studien zur Struktur des Bewußtseins, 1900-1924): M III 3 I 1 I (1904-1914), M III 3 I 1 11 (1900-1914), M III 3 11 1 (1900-1914), M III 3 11 11 (1900-1914), M III 3 11 III (1900-1914), M III 3 III 1 1(1902-1924), M III 3 III 1 11 (1902-1924).

11. SEKUNDÄRLITERATUR

Adorno, Th. W., "Die Transzendenz des Dinglichen und Noematischen in Husserls Phänomenologie", in: Gesammelte Schriften 1. Philosophische Frühschriften. Frankfurt a. M. 1973, S. 7-77.

--, Zur Metakritik der Erkenntnistheorie. Studien über Husserl und die phänomenologischen Antinomien. Frankfurt a. M. 1990.

--, "Husserl and the Problem of Idealism", in: The Journal of Philosophy 37 (1940), S. 5-18.

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--, Die Phänomenologie Husserls im Licht ihrer gegenwärtigen Interpretation und Kritik. Darrnstadt 1982.

--, "Transzendentalphänomenologischer Rationalismus", in: Perspektiven transzendental-phänomenologischer Forschung. Hrsg. von U. Claesges und K. Held, Den Haag 1972, S. 102-128.

Almeida, G. A. de, Sinn und Inhalt in der genetischen Phänomenologie Husserls. Den Haag 1972.

Asemissen, H.- U., Strukturanalytische Probleme der Wahrnehmung in der Phänomenologie Husserls, in: Kant-Studien. Ergänzungshejt 73. Köln 1957.

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Asemissen, H. U. 12, 100, 111, 159, 161, 247.

Baudin, A. 247. Bello, A. 80. Berger, G. 219ff. Bernet, R. 12, 49. Biemel, W. 150. Boehm, R. ll, 48, 49, 246. Brentano, F. 35.

Cairns, o. 5, ll, 247. Claesges, U. 12, 125, 188, 189, 222.

Oe Almeida, G. A. 29. Oe Haan, J. A. B. 13. Oescartes, R. 241. Oe Waelhens, A. 11, 213, 222. Oiemer, A. 9, 13, 80, 132, 140, 170, 215,

222. Orüe, H. 72, 79, 213, 222.

Fein, H. 29. Fichte, I. H. 175, 189. Fichte, J. G. 115, 213. Fink, E. 5, ll, 12,57,60,63, 197,202,223,

246. Funke, G. 80, 222, 246.

Gadamer, H. G. 196,202.

Heidegger, M. 145ff., 150. Held, K. 4, ll, 12,29,114, 124ff., 132, 140,

161, 202, 222, 233. Henrich, O. 223.

271

Hoche, H. U. 41, 48. Hohl, H. 197, 202. Holenstein, E. 9, 13, 76, 80, 166, 170, 215,

222. Hoyos, A. G. 12, 140.

Ingarden, R. 49.

Janssen, P. 12, 140, 202.

Kant, I. 3ff., 29, 63, 137, 140, 207, 218ff. Kern, I. 79, 161, 219ff., 223, 246.

Landgrebe, L. 5, 12,29,49,63,78, 80, 115, 120, 124ff., 136, 137, 140, 141, 146, 159, 161, 202, 205, 218, 222, 233, 246.

Leibniz, G. W. 154,221,223,246. L6vi-Bruhl, L. 228.

Mahnke, O. 170. Marbach, E. 12, 209ff., 217, 222. Meile, U. 48. Merleau-Ponty, M. 119, 125, 159, 166.

Natorp, P. 158, 161.

Orth, E. W. 12.

Pato~ka, J. 41,48. Patzig, G. 247. P~anin, A. 12.

Rang, B. ll, 61, 79, 94, 233. Reiner, H. 29. Rickert, H. 215.

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272 Namenregister

Ricoeur, P. 29, 202.

Schelling, F. W. J. 229. Schuhmann, K. 12, 62ff., 150,223,240,246. Seebohm, Th. 246, 247. Smith, B. 139. Sokolowski, R. 246. Straßer, S. 233, 246. Ströker, E. 202, 222.

Theunissen, M. 79, 161,201,202,212,222.

Thyssen, J. 161, 213, 222, 247. Tugendhat, E. 149, 150, 159, 161,222.

Waldenfels, B. 125, 161,202. Welton, D. 12. Wundt, W. 8, 13.

Yamaguchi, I. 76, 80.

Zaner, R. M. 161.

Page 266: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Sachregister

Abbau 5, 74ff., 77ff., 83ff., 98ff., 113ff., 153ff.

Abgrund des Sinnes 235ff., 240. Abso1utheit, absolut 5, 66ff., 228ff., 236ff.,

244. Abstraktion, abstrahieren 77, 83, 97, 113,

115,199. Abwandlung 27. Affektion 34, 60, 92, 104ff., 110, 164ff.

Affektion als bewußtseins mäßiger Reiz 1 04ff. , 116ff.

angeborener Instinkt als Uraffektion 168.

Gefühlsaffektion und Lustaffektion 105. ursprüngliche Instinktaffektion 166ff.,

173. Affektion als Interessiertsein des Ich

104ff., 114. Tätigkeitsaffektion 106. unbewußte oder vorbewußte Affektion

121ff., 166ff. Urinstinkt als ursprüngliche Affektion

120ff., 165ff. ursprüngliche Affektion der Empfindungs­

hyle 110. voraffektive Assoziation 166.

Ahnung 122, 177. Akt 23,25,32,51, 138, 116ff., 173. Analogisierung 156ff., 165ff. Anfang

Anfang der Genesis 28, 155, 158ff., 163ff ..

Frage des Anfangs 27. Ursprung und Anfang 29.

angeboren angeborene Vorstellung 175ff. angeborener Instinkt 47, 163ff., 191ff.

273

angeborene Systematik 191ff., 201. angeborene Welt 191.

Apperzeption Apperzeption und Auffassung 31. Auswirkung des Apperzeptionssystems

18, 58ff., 75ff., 153ff. Bildung des Apperzeptionssystems 18,

58ff., 153ff., 173ff. Gegenstandsapperzeption 25. reine Apperzeption 220. transzendentale Apperzeption 215ff. apperzepti ve Übertragung 188. Weltapperzeption 117. Wertapperzeption 142, 18 lff. wissenschaftliche Apperzeption 188.

Apriori, apriorisch 28, 40ff., 60, 76, 105, 107, 115, 178,220.

Archäologie 5, 77ff. Assoziation

Assoziation zwischen den noetischen Momenten 178.

induktive Assoziation 91ff., 98. Phänomen der Assoziation, 10. reproduktive Assoziation 91ff., 98. Sedimentierung und Assoziation 165ff.,

174ff., 181ff. Assoziation als Prinzip der pass i ven

Genesis 34. Assoziation als ein Titel der Inten­

tionalität 34. Triebassoziation 56, 58, 93ff. ursprüngliche Assoziation in der Urkon­

stitution 98. Aufbau 78, 127ff., 173ff. Auffassung, auffassen 31, 38, 40, 47, 48, 68,

74, 188. Auffassung-Inhalt-Schema

Page 267: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

274 Sachregister

Auffassung-Inhalt-Schema und Bestim­mung der Intentionalität 31 ff.

Auffassung-Inhalt-Schema und Noesis­Noema-Parallelismus 37ff.

Revision des Auffassung-Inhalt-Schemas 42.

Auffassung-Inhalt-Schema und Teleo­logie I 37ff.

Auslegung, auslegen 73, 77, 115.

Bedingung der Möglichkeit 27, 65, 158, 165, 182,219ff.

Befriedigung 89ff., 107, 134ff., 142ff., 168, 185.

Begehren, Begehrung 36, 43ff., 88, 134, 137. Begierde 46. Begründung 23, 66. Bekanntheit 46, 47, 119, 174. Besinnung 196. Bestimmung, Bestimmtheit 132. Bewährung 156ff., 16\. Bewußtsein

anonyme Bewußtseinssphäre 155ff. Bewußtseinsanalyse 6. empirisches Bewußtsein 3, 220. dunkler Hintergrund des Bewußtseins

27ff.,31ff. Leerbewußtsein 46, 91. verschiedene Formen des potentiellen

Bewußtseins 33ff. transzendentales Bewußtsein 3, 65ff.,

156ff., 211ff., 220ff. Bewußtsein von etwas 17, 32, 35,48. Vordergrundbewußtsein 33. Bewußtsein überhaupt 213.

Bewußtseinshintergrund s. Hintergrund Bewußtseinsphilosophie 41,123, 159, 245ff.

Abschied von der Bewußtseinsphiloso­phie 209.

Vorurteil der Bewußtseinsphilosophie 159.

Cartesianismus, cartesianisch 40, 65ff., 78, 159.

Cogito 27, 32, 33, 35, 66.

Dabeisein 121, 124, 145, 150. Daseinsanalytik 145ff. Daten 40. Ding 28, 47, 56, 60, 108ff., 148. Doppeldeutigkeit 4ff., 17ff., 24ff., 29, 37ff.,

38,49, 52ff., 67ff., 77ff., 80, 87, 125, 137ff., 188ff., 207ff., 209ff., 232, 236ff.

Doppelgesicht der Phänomenologie 7, 24, 245.

Doxa, Vor-Doxa, Ur-Doxa, doxisch 51, 92, lOS, II\.

Dreidimensionalität 33, 34, 84, 99ff., 105. Disposition I, 57ff.

Ego 19,27,66,67, 103ff., 163ff., 169,208, 212,215,216.

Egologie 199. Einstellung

Einstellungsänderung 68ff., 75ff., 217. natürliche Einstellung 69ff., 115, 156ff. transzendentale Einstellung 69ff., 117,

156ff., 218. Einfühlung 73ff., I 56ff., 160 eingeboren s. angeboren Einströmung 188. Empfindung bzw. Empfindungsinhalt

Empfindungsinhalte als Grundlage der Konstitution 31 ff., 34ff.

Intentionalität der Empfindung 119. Empfindung und Noesis-Noema-Paralle-

\ismus 37. Empfindung und Hyle 42ff., 104ff. Instinkt und Begehrungsempfindung 43. Konstitution des Empfindungsdatums

124. Empfindungshintergrund 47. Empfindungsfeld 34ff., 97ff. Empirismus 177. Enthüllung

Enthüllungsgestalt der Instinktintention 47, I 86ff.

Enthüllung des angeborenen Urinstinktes 167, 173ff., 189.

Enthüllung der Bewußtseinsgestalten 7lff.

Enthüllung der gegenständlichen Rich­tung 117, 181.

Enthüllung des gegenständlichen Sinnes 92ff.

Erfüllungsenthüllung 181. Enthüllung der Vernunft 188.

Entwicklung Entwicklungsgestalt der Instinktintention

47. Entwicklung des Ich 155ff., 211ff. Welt als Entwicklungsglied 147, ISS. Monade und Entwicklungserbschaft 167. ontogenetische Entwicklung 227. phylogenetische Entwicklung 227. Entwicklung der transzendentalen All-

gemeinschaft 200.

Page 268: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Entwicklung der Welt 155, I 83ff., 197.

Epoche Epoch~ an dem Weltglauben 66. Phänomenologisch-psychologische Epoch~

69ff. transzendentale Epoch~ 69ff., 115. universale Epoch~ 69ff. willentliche Epoche 195.

Erbmasse I 64ff. Erfahrung

Einfühlung als Erfahrung 156ff. Erfahrungsniederschlag 165ff. innere Erfahrung 73. phänomenologische Erfahrung 199. Erfahrung des transzendentalen Ego 167. wirkliche Erfahrung 28. direkte und volle Erfahrung 28. transzendentale Erfahrung 67, 215.

Erfüllung Erfüllung der Instinktintention 45, 109,

130,139,141,168,169, 174ff., 179, 191.

zwei Bedeutungen der Erfullung 87. Erfüllung als Befriedigung 89ff., 133ff.

Erinnerung 26, 46, 91ff., 96, 183. Erkenntnis 27, 65ff., 244. Erkenntnistheorie 5, 246. Erlebnis 3lff., 35, 36, 37ff., 40, 52, 138. Erneuerung 232, 238. Erscheinung, Erscheinungswesen 42, 99. Evidenz 23, 27, 71, 157, 196. Existenz des Menschentums 196. Explikation

Explikation der Bewußtseinsgestalten, 67ff., 70ff., 157ff.

Explikation der Instinktintention 160. Explikation des Instinkthorizontes 191,

201.

Faktum, Urfaktum, Faktizität, 23lff. Fundierung

Doppeldeutigkeit der Fundierung 5. einseitige Fundierung 128ff. Geltungsfundierung 19ff., 52ff. Genesisfundierung 19ff., 52ff. verschiedene Fundierungsstufe 35. Fundierungszusarnmenhang zwischen

dem objektivierenden und dem nicht­objektivierenden Akt 35ff., 44ff., 128ff.

Fundierung der Instinktintention in der Vorstellungsintention 44ff.

transzendentales Monadenall als Fun-

Sachregister 275

dierungsboden der Einzelmonaden 239ff.

Funktion Bestimmung der Funktion 138. konsti tuierende Funktion 217. teleologische Funktion 137ff., 169. transzendentale Funktion 73, 206ff., 211,

235.

Gattung, Gattungsgemeinschaft, gattungs­mäßig 47, 88, 167.

Geburt Frage nach der Geburt 61, 170. Geburtsgestalt der Subjektivität 170. Geburt des menschlichen Kindes 163ff. Rekonstruktion und Geburt 161. transzendentale Geburt 163ff., 167. Wiedergeburt 232, 238.

Gefühl Instinktintention als Auslöser des Lust­

gefühls 134ff. Gefühlseinheit im Urstrom 12Iff., 125. lebensweltlicher Gegenstand als Gefühls­

korrelat 142. Gefühlsmomente der Empfindungsdaten

47, 100. Empfindungshyle und Gefühlsaffektion

105ff. Gefühl und Struktur der Praxis I 48ff. sinnliches Gefühl 100, l06ff., 129ff.

Gegebenheit, Gegebenheitsweise 2Iff., 25, 27,28,38,61.

Gegenstand, gegenständlich 28, 31, 32, 34, 39,48, 141ff., 215.

Gegenwart Doppeldeutigkeit der lebendigen

Gegenwart 5. lebendige Gegenwart als Geltungs­

ursprung 27, 66. lebendige Gegenwart als Quelle der

Motivation 55. urtümlich strömende Gegenwart 98,

113ff., 226. Gegenwärtigung 26ff. Geltung

Geltungsfundierung, Geltungsstruktur 19ff., 52ff., 244ff.

objektivierender Akt als Quelle der Geltung 51.

Vernunftakt als Träger der Geltung 54. Lebenswelt als Geltungsboden 148ff.

Gemüt 129. Genesis

strömende Genesis 52.

Page 269: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

276 Sachregister

Genesisfundierung 19ff., 52ff., 244ff. Phänomenologie der Genesis 54. transzendentale Genesis 30, 163ff., 197,

202, 208, 212, 214ff., 231, 245. Genesis und Triebsystem 58ff. Genesis der Vernunft 227ff.

genetische Phänomenologie genetische Phänomenologie als erklärende

Phänomenologie, 18. genetische Phänomenologie und Phäno­

menologie der Instinkte 51 ff., 220ff. innere Logik der genetischen Phäno­

menologie 7, 10. Idee einer genetischen Phänomenologie

7, 16ff. genetische Phänomenologie als universale

Phänomenologie 24, 58ff. Gerichtetsein-auf, 33ff., 36,46,87,89, 119,

169,173. Geschichte, geschichtlich, Historie

Entfaltung der Geschichte 202. geschichtliche Welt 61, 197,201. Naturhistorie 230. menschliche Historie 230. transzendentale Vorgeschichte 164, 167,

228ff. Geschichte der Philosophie 227. transzendentale Geschichte 227ff., 231. Universalhistorie 230.

Geschichtlichkeit, Historizität 61, 202, 227ff. Geschichtsphilosophie 5, 246. Gesetz, Gesetzmäßigkeit

Gesetz der Assoziation 34. Gesetzmäßigkeit der Genesis 28, 54. Naturgesetz 229. transzendentale Gesetzmäßigkeit 229ff.

Gesichtspunkt 20ff., 138. Gewohnheit 76, 179. Gott 231ff. Grund

Beweggrund 54ff. Geltungsgrund 27. Genesisgrund, Werdensgrund 28, 232. Gott als Grund des transzendentalen

Instinktes 231. Motivationsgrund 52ff. Seinsgrund 231ff., 235. teleologischer Grund 169.

Güter sinnliche Güter I 92ff. Konstitution des Reichs der Güter 127ff. Lebenswelt als Güterwelt 147.

Habitualität, Habitus, habituell

habituelles Apperzeptionssystem 18, 58ff., 75ff., 93, 153ff., I 73ff.

Habitus 18 doppelte Habitualität 170. erworbene Habitualität 52. Habitualität und Instinkt 163. höhere Habitualität 163. angeborener Instinkt als Habitualität 167.

Handlung, Handeln, 135ff., 141, 142 Handlungstheorie 136. Hemmung

Hemmung als Motivationsgrundlage 130, 182ff.

hemmungslos unmodalisierter Trieb 198. Möglichkeit der Hemmung 196.

Hintergrund Bewußtseinshintergrund 27ff., 3Iff., 217. Cogito und Bewußtseinshintergrund 32. gegenständlicher Hintergrund 32. genetischer Hintergrund 26. Wahrnehmungshintergrund 31ff., 47.

Horizont Bewußtseinshorizont 191. Vergangenheitshorizont 28, 55. Außenhorizont 33. 85. dunkler Horizont 42. Innenhorizont 85. Instinkthorizont 179. Interessenhorizont 183. Leerhorizonte 46,47, 85, 165, 177. Leervorstellungshorizont 46. Sonderhorizont der Lebenswelt 185ff. Triebhorizont 187. Willenshorizont 187.

Horizontintentionalität Horizontintentionalität als Bewußtseins­

hintergrund 33. Horizontintentionalität und unbewußte

Intentionalität 36. Horizontintentionalität und Noesis-

Noema-Parallelismus 41. noematische Interpretation der Horizont­

intentionalität 41. Horizontstruktur und Horizontinten­

tionalität 59, 85ff. Horizontintentionalität als praktische

Möglichkeit 89ff. Hyle

Doppeldeutigkeit der Hyle 5. erste Hyle 125, 174,241. Hyle und Auffassung-Inhalt-Schema 42. Hyle und Noema 49, 154. Hyle und Urimpression 49. naturale Hyle 84ff.

Page 270: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Empfindungshyle 97ff. Urhyle 113ff., 125, 136ff.

Ich, ichlich absolutes Ich 187. 244. Doppeldeutigkeit des Ichbegriffs 5,

209ff. ichliehe Momente 106, 122ff. Instinkt-Ich 182. natürliches Ich 218. phänomenologisierendes Ich 115, 187,

218. Ichpol 116. personales Ich 217ff. reines Ich als Affektionszentrum 165ff. reines Ich und Vor-Ich 113ff. Ichstruktur der Tiere 2lOff. transzendentales Ich 5, 11, 68ff., 205ff.,

212ff., 218. Ichzentrum 116, 196.

Ichfremdes 43, 101, 106ff., 117ff., 122ff. Idealismus

Deutscher Idealismus 233. Doppeldeutigkeit des transzendental­

phänomenologischen Idealismus 236ff. erkenntnistheoretischer Idealismus 236. genetisch-phänomenologischer Idealismus

237ff. transzendental-phänomenologischer

Idealismus 4, 11, 235ff. Real-Idealismus 243.

Idee voller gegenständlicher Sinn als eine Idee

85ff., 93. vollständige Reduktion als eine Limesidee

7 Off. , 75. Immanenz 5, I 56ff. Implikation, implizieren 200, 244. Impression, Urimpression, impression a1

Retention, Protention und Impression 26, 47, 97ff.

Übergang von Impression in Retention 54.

Inhalt 43. Instinkt

angeborene Instinkte als Intentionalität 47, 163ff., 191ff.

Instinkt als Thema der transzendentalen Phänomenologie, 3ff.

Instinkt als blindes Begehrungsvermögen 52.

Geschlechtsinstinkt 45. intentionaler und nicht-intentionaler

Instinkt 43ff.

Sachregister 277

intersubjektiver Instinkt 198ff. Nahrungsinstinkt 45, 120, 132ff. Instinkt der Neugier 108, 110, 133. nicht-objektivierende Instinkte 109,

119ff., 129ff. Instinkt der Objektivierung 108ff., 118ff.,

129ff., 170, 176, 177, 186. periodischer und aperiodischer Instinkt

192ff. psychologischer Instinkt 74ff. Instinkt der Selbsterhaltung 168ff. Sonderinstinkte 120, 177. sozialer Instinkt I 98ff. transzendentaler Instinkt 3, 74ff., 139,

213ff., 225ff. Sphäre der natürlichen Instinkte 43. totaler Instinkt 169, 213, 226ff. Instinkt der Weltlichkeit 168ff., 171,177. unerschlossener Instinkt 46. unenthüllter Instinkt 118ff. universaler Instinkt 168ff., 177,225ff. Urinstinkt 108. Vernunftinstinkt 186ff., 212. Instinkt als Vorform des Willens 184ff.

Instinkthandlung 8. Instinktintention, Instinktintentionalität 8.

Entdeckung der Instinktintentionalität 31 ff., 43ff.

handelnde Instinktintention 45. Instinktintention und Vorstellungs­

intention 45. nicht-objektivierende Instinktintention

180ff. Struktur der Instinktintentionalität 127ff. ursprüngliche

107ff. Intellekt 5.

Instinkti ntentionalität

Intellektualismus 4ff., 244ff. Intention

doxische Vorstellungsintention 36, 45, 86ff., 117, 128ff., 175ff.

Wahrnehmungsintention 17, 86ff. konkrete Intention 130ff. neutrale Intention 105. nicht-objektivierende Intention 23ff., 36,

128ff. objektivierende Intention 23ff., 36, 128ff. passive Intention 34, 104ff. praktische Intention 88ff., 135ff., 142ff. primäre und sekundäre Intention 36. produktive Intention 137. schöpferische Intention 137, 143. Strebensintention 46, 87ff. tätige Intention 136.

Page 271: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

278 Sachregister

tendierende Intention 88. unbewußte Intention 36. unselbständige Intention 130ff. wertende Intention 88, I 34ff., I 42ff.

Intentionanalyse 31, 43, 88. Intentionalität s. Intention

angeborene Instinkte als Intentionalität 47. Intentionalität als bewußte Beziehung auf

den identischen Gegenstand 31. Intentionalität als Interesse 143ff. Intentionalität des Leibes 119ff. Intentionalität als Grundthema der

Phänomenologie 17. Wandel des Begriffs der Intentionalität

31ff. Wesenstypen von Intentionalität 17. Intentionalität im Modus der Passivität

34. nicht-objektivierende Intentionalität und

Noesis-Noema-Parallelismus 41. Stimmung als eine Gestalt der Inten­

tionalität 36. Stromintentionalität 34. System der Intentionalität als System von

Triebassoziationen 59. Urintentionalität 57ff., 119ff.

Interesse allfundierendes Interesse 131ff. allgemeines Interesse 108ff. Interessenhorizont 183ff. instinktives Seinsinteresse 131. Intentionalität als Interesse 143ff. Interesse im weitesten Sinne 55, 149ff. Affektion und Interesse 114. Seinsinteresse 131, 134. Sonderinteresse 131. theoretisches Interesse (Kenntnis-

interesse) 134, 186ff. Intersubjektivität, intersubjektiv 157ff.

intersubjektive Instinkte 198ff. Intersubjektivitätsproblematik 73. Intersubjektivität und Lebenswelt 197ff. transzendentale Intersubjektivität 186.

Kausalität 25. Kern 43, 48, 84, 108, 132. Kinästhese

Affektion und Kinästhese 105ff., 117ff. Kinästhese und Dingkonstitution 56ff. kinästhetische Sphäre als instinktiver

Zusammenhang 179. passive Kinästhese 136. sinnliche Kinästhese 89, 100, 106ff.,

129ff., 135.

Urkinästhese 117ff. Kind, kindlich I 56ff., 163, 174, 176, 188,

200. Konstitution

Konstitution als übergreifende Mehrmei­nung 17ff., 52ff., 206ff.

Doppeldeutigkeit der Konstitution 5, 52ff.

genetische Konstitution 18, 58ff., 153ff. hyletische Urkonstitution 97. Konstitution der naturalen Hyle 83ff. Konstitution und objektivierender Akt 51. lebensweltliche Konstitution 141ff. ontologische Konstitution I 86ff. passive Konstitution 34, 127ff. Konstitution als Schöpfung 237ff. Selbstkonstitution des transzendentalen

Ego 19. Stufen der genetischen Konstitution 7,

76ff. Urkonstitution 9. Konstitution der Urhyle 113ff. Konstitution von Werten 23.

Korrelation, Korrelationsapriori 29ff., 60, 76, 85, 101, 105, 107, 147, 154ff., 178.

Krisis 196. Kritik 66, 70, 78, 195. Kultur 188ff., 195, 200, 246. Kunst 188.

Leben 166, 184, 195ff., 218. Leben als Grundkategorie der Phäno-

menologie 197. Lebensinteresse 194. Lebensprozeß der Monade 239. Lebenssorge 194. Regeneration des Lebens 195. tierisches Leben 67, 194. transzendentales Leben 69ff., 118, 169,

230,243. Ichzentrum als ein Lebenszentrum 196. Lebensphilosophie als Grundcharakter der

Phänomenologie 197, 246. Lebenswelt

Lebenswelt als eine Welt mit angeborener Systematik 191.

Doppeldeutigkeit der Lebenswelt 5, 188. Bestimmung des Begriffs der Lebenswelt

11. drei Aspekte der Lebenswelt 144ff. Entwicklungsphasen der Lebenswelt 188. Lebenswelt als geschichtliche Welt 197ff. Lebenswelt der Kindheit 188.

Page 272: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Lebenswelt als intersubjektive Welt 197ff. LebensweIt als Interessenwelt 144ff. Lebenswelt als periodisierte Welt 192ff. Lebenswelt als Feld der Praxis 193ff. Lebenswelt als Selbsterhaltungsfeld

193ff. Lebenswelt als universales Gefühls-

korrelat I 44ff. LebensweIt als Vorstellungswelt 144ff. vorwissenschaftliehe Lebenswelt 83. Wesensbestimmung der Lebenswelt

14lff., 173ff. Lebenswelt als Willensgebilde 147ff.

Leervorstellung 26, 46, 55, 92ff., 174ff., 177. Leib, leiblich 181, 209ff.

Intentionalität des Leibes 119ff. Leibkörper und Affektion Il7ff., I 65ff. leibliches Urgeschehen 119.

Logik Universalität der Herrschaft der Logik

51. innere Logik der genetischen

Phänomenologie \0, 145ff. Lust, lustvoll 89, \05, 134, 142, 183.

Materie, Material 40, 43, 84, \00, 108, 127. Metaphysik

Phänomenologie und Metaphysik 226, 232ff., 246.

spekulative Metaphysik 226. transzendental-phänomenologisch fun­

dierte Metaphysik 226, 238ff., 242. Methode

Methode der kinetischen Betrachtung 101ff., 111.

Methode des Abbaus 77. Methode als Norm 65. Methode der genetischen Phänome­

nologie 74. Methode der Phänomenologie der

Instinkte 65ff., 74ff. Methode der phänomenologischen Reduk­

tion 65ff. Methode der Rekonstruktion 158ff.,

165ff. Zugangsmethode zur Intersubjektivitäts­

problematik 73. Modus, Modi

Auswirkungsmodi der Instinkte 120. verschiedene Modi der Habitualität 167. Modi der Periodizität 192ff. Modus des instinktiven Strebens 181. verschiedene Modi der Triebverläufe 58. Modi der Triebintentionalität 90ff.

Sachregister 279

Möglichkeit angeborener Urinstinkt als urpraktische

Möglichkeit 167ff. Lebenswelt und offene Möglichkeit 147. praktische Möglichkeit 89ff., 135ff., 165,

174ff., 178ff. Spielräume praktischer Möglichkeit 180. Universalhorizont der praktischen

Möglichkeit 94ff. Monade

archontische Monade 244. erwachte Monade 225ff. menschliche Monade 225ff. Monade der Pflanzen 225ff. Prinzip der Monade 221. schlafende Monade 229ff. Stufenlehre von Monaden 154ff. tierische Monade 225ff. transzendentale Monade 67, 208ff. transzendentales Monadenall 70, 73, 170,

225ff., 238ff. Monadologie 199,221,246. Motivation

aktive Motivation 54. assoziative Motivation 54. Doppeldeutigkeit der Motivation 5, 53ff. genetische Motivation 25, 53ff., 225ff. metaphysische Motivation 226. Motivation der Instinktintentionalität 55. Motivation als Grundgesetzlichkeit des

geistigen Lebens 52ff. passive Motivation 54ff. Vernunftmotivation 53ff.

Nativismus 175ff. Natur

Natur an sich 228ff. anorganische Natur 228ff. Naturseite des Ich 214. Konstitution der Natur aus der hyletischen

Urnatur \08. Lebenswelt und Natur 149. materielle Natur 228ff., 243. organische Natur 227ff. pure universale Natur 83ff., 119, 128. Urobjektivation und Konstitution der

Natur 111. vergangene Natur 229.

Naturphilosophie 233. Neugier

Instinkt der Neugier \08, 133. Trieb der Neugier 134. ursprüngliche Neugier 131ff.

Noema 28, 37ff., 49, 117, 241.

Page 273: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

280 Sachregister

Noesis 37, 138, 24l. Noetik 138.

Objektivierung, Objektivation, objektivieren 35, 111, 181,240.

Optimum 105, 108, 134, 140.

Parallelismus, Parallele Noesis-Noema-Parallelismus, 5, 29, 37ff.,

48, 241. Doppeldeutigkeit des Noesis-Noema­

Parallelismus 5, 37ff. Zwei Formen des Parallelismus 38. Parallelismus von Einheit und Einheit

38ff. Parallelismus von Vielheit und Einheit

38ff. Parallelismus des transzendentalen und

des psychologischen 67, 240. Parallelismus des Monadenalls und der

konstituierten Welt 239ff. transzendentale Parallele der Natur

228ff. Periodizität, periodisch

Instinkt und Periodizität 168, 183. periodischer und aperiodischer Instinkt

I 92ff. periOdisierte Welt I 92ff. Modi der Periodizität 192ff.

Person, personal 164, 194ff., 217ff. Phänomenologie

Phänomenologie als deskriptive oder intentionale Psychologie 17.

Phänomenologie der Assoziation 9ff., 59, I 65ff.

Aufgabe der konstitutiven Phänome­nologie 17ff.

beide Ideen der konstitutiven Phäno­menologie 7, 10.

Gesamtsystem der transzendentalen Phänomenologie 4ff., 51 ff., 244ff.

Phänomenologie der Genesis 54. Phänomenologie der phänomenologi-

schen Reduktion 72ff., 79, 16l. Phänomenologie der Tendenzen 56. Progressive Phänomenologie 57. transzendentale Phänomenologie I, 3,

205ff. Phänomenologie der Instinkte

Phänomenologie der Instinkte als das Urstück der genetischen Phänome­nologie, 7, 28, 55.

Aufbruch der Phänomenologie der Instinkte 16ff., 57.

Phänomenologie der Instinkte und Assoziation I 66ff.

Aufgabe der Phänomenologie der Instinkte 58ff.

Phänomenologie der Instinkte als Phäno­menologie der Urintentionalität 57.

genetische Phänomenologie und Phäno­menologie der Instinkte 5lff.

Phänomenologie der Instinkte als eine transzendentale Theorie I, 3ff., 75ff., 153ff., 220ff., 225ff.

Potentialität, potentiell 33ff., 91ft., 168, 173, 176, 183, 208.

Praxis, praktisch habituelles System der Praxis 193. praktische Horizontbildung 193. praktisches Leben 194. Lebenswelt als praktische Umwelt 147ff.,

193ff. Praxis des Ichsubjektes 193. sinnliche Kinästhese als niederste Form

der Praxis 89, 135. theoretische Praxis 148. unbefriedigende Praxis 196. Urformen der Praxis 194. praktische Philosophie 246.

Primat des objektivierenden Aktes 46, 51, I 28ff., 140, 244ff.

Primordialität, primordial 27, 61, 120,199. Prinzip

Gott als Vollkommenheitsprinzip 232. Prinzip der absoluten Rechtfertigung 65. Prinzip der passiven Genesis 34. methodisches Grundprinzip der phäno-

menologischen Enthüllung 71ff., 160. Protention, protentional 26, 86ff., 98. Psychologie

deskriptive oder intentionale Psychologie 17,52, 65ff., 115, 155ff.

empirische Psychologie 69. Tiefenpsychologie 36. phänomenologische Psychologie 68ff. Psychologie der Frühkindheit 159. Tierpsychologie 13. Triebpsychologie 4, 10.

Psychologismus 242.

Raum, Räumlichkeit 28, 29, 30, 34, 99ff. Realismus, Realist, realistisch 4ff., 242ff. Realität 239ff. Recht 51, I 57ff. Reduktion

cartesianischer Weg zur Reduktion 65ff., I 55ff.

Page 274: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Doppeldeutigkeit der Reduktion 5. eidetische Reduktion 69ff., 79. Einzelreduktionen 70. phänomenologische Reduktion 72ff., 149,

215ff., 242. Phänomenologie der Instinkte und das

Problem der Reduktion 65ff. phänomenologisch-psychologische Re­

duktion 69. transzendental-phänomenologische Re­

duktion 69ff., 156ff. Weg zur Reduktion über intentionale

Psychologie 65ff., 115, 156ff. reell 37ff., 99, lOOff. Reflexion

allgemeine Reflexion 196. Reflexion im erweiterten Sinne 140. phänomenologische Reflexion 32, 116ff. egologische Reflexion 65ff., 115, 155ff. Reflexionsprodukt 132. transzendentale Reflexion 217.

Regel, Regelung 18, 159, 228ff. Regung 32, 33. Rekonstruktion 158ff., 161, 165ff. Religion 188. Retention 26. Rückfrage 28, 42, 115, 123, 237.

Schlaf 114, 170. Schöpfung, Schöpfer, schöpferisch

göttliche Schöpfung 232, 234. Gott als Schöpfer 232. Konstitution als Schöpfung 237ff. Schöpfungsstufen der Welt 60, 83, 117. Konstitution als Schöpfung I 36ff., 140. schöpferische Intention 143. schöpferische Leistung 189. urschöpferische Akte 170. Zweideutigkeit der creatio ex nihilo 232.

Sedimentierung, sedimentieren 90, l64ff., I 74ff., 18lff., 230.

sekundäre Passivität 188. Selbstbewußtsein 27,123,159,217. Selbsterhaltung

Ich als Selbsterhaltungseinheit 211ff. Instinkt der Selbsterhaltung 168ff. Lebenswelt als Feld der Selbsterhaltung

193ff. Sensualismus 48, 137. Setzung 53. Sinn 33, 38, 39, 49, 84ff., 137ff. Solipsismus, solipsistisch 67, 157, 159,

199ff., 241. Sorge

Sachregister 281

intersubjektive Lebenssorge 200. Lebenswelt und Lebenssorge 145ff., 194. Sorge bei Heidegger 146. Weltbewußtsein und Sorge 148ff., ISO.

Sozialität 199ff., 239. statische Phänomenologie

Idee einer statischen Phänomenologie 16ff., 22l.

statische Phänomenologie als Phänome­nologie der Leitfäden 18.

Stellungnahme 53ff., 73. Stimmung

Stimmung als eine Gestalt der Inten­tionalität 36ff.

dunkle Stimmung im urpassiven Zeit­strom 122ff.

Stimmung bei Husserl und Heidegger 145ff.

Weltbewußtsein als Stimmung I 44ff. Streben 54, 87ff., 105ff., 118ff., 123, 136,

145, 186. Subjekt 32, 67, 136, I 53ff., 200, 209, 216,

217. Subjektives und Asubjektives 4l. Subjektivität

Doppeldeutigkeit der transzendentalen Subjektivität 6, 67ff.

Gemütssubjektivität 129. gesamte Subjektivität 129. letztfungierende Subjektivität 60. psychologische Subjektivität 68ff. transzendentale Subjektivität 6, 66ff., 117,

137,213ff. Willenssubjektivität 129.

Substrat 131 ff. Synthesis, synthetisch, passive Synthesis 87,

10lff., 111, I 37ff.

Tätigkeit 167ff., 192, 193, 194, 195ff. Teilhabe 216. Teleologie

Teleologie der angeborenen Instinkte 169ff.

Doppeldeutigkeit der Teleologie 5. seelische Teleologie 189. geschichtliche Teleologie 227ff. transzendentale Teleologie 4, 75. 137ff. universale Teleologie 21Iff., 225ff.

Telos 137ff., 169, 187,231. Tendenz

dynamische Strebenstendenz in der Wahrnehmung 87ff.

Erwartungstendenz 55. Hinweistendenzen 55, 87.

Page 275: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

282 Sachregister

Tendenz, Trieb, Instinkt 62, 88. Phänomenologie der Tendenzen 56. Tendenz auf universale Einstimmigkeit

55. Tendenz zur Veranschaulichung 55. Vorstellungstendenzen 88. Wahrnehmungstendenzen 33. Wertungstendenzen 88. Tätigkeitstendenz 105. Tendenz zur Wiedererinnerung 55. Tendenz auf Wiederholung 179.

Thesis, These 47,105, 111, 175. Tier, tierisch 154, 157, 168, 196, 198, 21Off.,

225ff., 230. Tod 170. Transzendentalität, transzendental 3ff.

Bestimmung des Begriffs der Transzen­dentalität 11, 205ff., 225ff.

Doppeldeutigkeit des Begriffs der Transzendentalität 207ff.

Transzendentalität der Tiere bzw. Pflanzen 67, 230.

transzendentale Reduktion 70ff., 156ff. TranszendentalphiJosophie 3ff., 219ff. Transzendenz

Doppeldeutigkeit der Transzendenz 5. verschiedene Begriffe der Transzendenz

42. Transzendenz und transzendental 206,

235. Trieb, Triebgeflihl

Triebassoziation 56ff. Begehrungsempfindung als Triebgefühl

44. Erkenntnistrieb 186ff. göttlicher Trieb 232, 234. Triebgefühl im Urstrom 122. Triebgemeinschaft 227,233. instinktive und erworbene Triebe 45ff.,

55. intentionale und nicht-intentionale Triebe

49. Trieb der Neugier 134. sensueller Trieb 61. sinnlicher Trieb 142. Triebmomente der Empfindungsdaten 47. Triebsystem 59, 120. Trieb zur Wahrnehmung 88ff. Trieb zur Wiedererinnerung 9lff. Vernunfttrieb 186ff.

Triebintentionalität Entdeckung der Triebintentionalität 83ff. Triebintentionalität und Dingkonstitution

57, 58ff., 87ff.

Triebintentionalität und Intersubjektivität I 97ff.

Strebenstendenz und Triebintentionalität 87ff.

Triebintentionalität der Wahrnehmung 85ff.

Triebintentionalität zur Wiedererinnerung 91ff.

universale Triebintentionalität 226ff. Triebhandlung 45. Triebkraft 107, 139, I 69ff. Tun

instinktives Tun 45. vorichliches Tun 100. willentliches und unwillentliches Tun

118. kinästhetisches Tun 105. Tun im weitesten Sinne 135. passives Tun I 35ff. strebendes Tun 182. Urteilen als Tun 143.

Typik 191ff.

Umgebung 33. Umschlag des Psychologischen ins Transzen­

dentale 69ff., I 56ff. Unbestimmtheit 85, 175. Unbewußtes, unbewußt 36, 41, 59, 117ff.,

121, 123, 170,208. Universalität, universal 19, 24, 30, 54,

59ff., 61, 69ff., 93ff., 122, 129, 145ff., 168ff., 230, 235ff., 245.

Ur-Ich 212, 214ff., 244ff. Urnebel 229, 233. Ursprung, Ursprünglichkeit, ursprünglich 5,

24ff., 25, 27ff., 60, 125. Urstruktur der Konstitution 127ff.

Vergegenwärtigung 26ff., 46, 97ff., 156ff. Vermögen, Urvermögen 135, 136ff., 167ff. Vernunft

Erkenntnisvernunft 5. Idee der Vernunft 195ff. logische Vernunft 35, 51, 128, 209ff. praktische Vernunft 5, 51. verborgene Vernunft 187ff. Vernunft als Moment der Freiheit 214. vorwissenschaftliehe Vernunft 227ff. wertende Vernunft 35, 51. wissenschaftliche Vernunft 186ff., 195,

227ff. Verschmelzung

Fernverschmelzung 1Olff. Nahverschmelzung lOlff.

Page 276: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Verschmelzung der Eizelle und Samen­zelle 167.

Verschmelzung der Monade 170. Gefühlsverschmelzung 122, 125, 146.

Verweisung 20ff. Voluntarismus 4ff., 244ff. Vollzugsmodus 35, 47, 60, 77, 108ff., 118,

141. Vor-Ich

Vor-Ich als Affektionszentrum 165ff., 174.

Vor-Ich als letzter Genesisursprung 214ff. reines Ich und Vor-Ich 116, 123ff. Vor-Ich und Person 164. Vor-Ich als Pol von Urinstinkten 123,

136, 164. Vor-Ich als transzendentales Ich 209,

214ff. Vor-Ich, Urhyle und Stimmung 145.

Vorrang 26ff., 5Iff., 128ff., 139, 208, 236. Vorstellung 35, 44ff., 116, 144, 175ff., 207.

Wahrheit 55,148, 186ff., 195ff., 221, 231. Wahrnehmung 33, 34, 39, 47, 83ff., 135. Welt s. Lebenswelt

erste Welt des Vor-Ich im Mutterleib 173ff., 184.

Weltbezug 119ff. Eröffnung der Welt 61, 120ff. Güterwelt 128ff. hyletische Quasi-Welt, Vor-Welt 60. Objektivität-Welt 131. passive Welt 83. relative Welten 60. transzendentale Überwelt 240. Urhyle als unterste Form der Welt 117ff. Welt als noematisches Korrelat des

WeItbewußtseins 60, 83. Welt als Universalhorizont aller Gegen­

stände 33, 59ff., 63. Welt als Universum der Transzendenzen

235. Welt als intentionales Gebilde 33.

Sachregister 283

Vorstellungswelt 175. Weitbewußtsein

drei Komponente des Weitbewußtseins 144ff.

Weitbewußtsein als Intentionalität 33. Weitbewußtsein und Noesis-Noema-

Parallelismus 41. Weitbewußtsein und Dingbewußtsein 60. natürliches WeItbewußtsein 63. waches WeItbewußtsein 63.

Weltlichkeit 168ff., 171, 177, 198. Werden 23, 54, 232. Wert, werten 134, 142, 181, 192,200. W esen, Wesensbestimmung, Wesensstruktur

29, 34, 47, 127ff., 133ff., 141ff., 169ff., 173ff., 191ff.

Widerspiegelung 19,29, 38ff .. 238, 241. Wiedererinnerung 102, 178. Wiederholung 174ff., 177ff., 179, 183. Wille, Wollen, willentlich 5,118,123, 142ff.,

147ff., 245ff. göttlicher Wille 231 ff. Willensaktivität und Willenspassivität

184ff. Wollenszug 54. Willenssubjektivität 129. willentlicher Gegenstand 142. willentlicher Horizont 184ff. Wollen und Trieb 141, I 84ff., 245ff.

Wissenschaft Entstehung der Wissenschaft I 86ff. , 228. Phänomenologie und Einzelwissenschaft

159. universale Wissenschaft 195. Wesenswissenschaft 69ff. Wissenschaft und Philosophie 186ff.,

195ff., 201, 228. Wunsch 46.

Zeitbewußtsein 101ff., 111. Zeitlichkeit, Zeit, Vor-Zeit 18ff., 29, 114ff. Zeitstrom 34, 54, 113ff. Zuwendung 32.

Page 277: Edmund Husserls Ph¤nomenologie der Instinkte

Phaenomenologica 1. E. Fink: Sein, Wahrheit, Welt. Vor-Fragen zum Problem des Phänomen-Begriffs.

1958 ISBN 90-247-0234-8 2. HL van Breda and J. Taminiaux (eds.): Husserl et la pensee modeme / Husserl und

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8. E. Levinas: Totalite et Injini. Essai sur l'exteriorite. 4th ed., 4th printing 1984 ISBN Hb: 90-247-5105-5; Pb: 90-247-2971-8

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1l. A. Schutz: Collected Papers, I. The Problem of Sodal Reality. Edited and introduced by M. Natanson. 1962; 5th printing: 1982

ISBN Hb: 90-247-5089-X; Pb: 90-247-3046-5 Collected Papers, II see below under Volume 15

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Ich bei Edumund Husserl, entwickelt am Leitfaden der Zeitproblematik. 1966 ISBN 90-247-0254-2

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26. R. Boehm: Vom Gesichtspunkt der Phänomenologie (I). Husserl-Studien. 1968 ISBN Hb: 90-247-0259-3; Pb: 90-247-0258-5

For Band 11 see below under Volume 83 27. T. Conrad: Zur Wesenslehre des psychischen Lebens und Erlebens. Mit einem

Geleitwort von H.L. van Breda. 1968 ISBN 90-247-0260-7 28. W. Biemel: Philosophische Analysen zur Kunst der Gegenwart. 1969

ISBN Hb: 90-247-0263-1; Pb: 90-247-0262-3 29. G. Thines: La probJematique de la psychologie. 1968

ISBN Hb: 90-247-0265-8; Pb: 90-247-0264-X 30. D. Sinha: Studies in Phenomenology. 1969

ISBN Hb: 90-247-0267-4; Pb: 90-247-0266-6 31. L. Eley: Metakritik der formalen Logik. Sinnliche Gewissheit als Horizont der

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32. M.S. Frings: Person und Dasein Zur Frage der Ontologie des Wertseins. 1969 ISBN Hb: 90-247-0271-2; Pb: 90-247-0270-4

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34. M.M. Sarai"va: L'imagination selon Husserl. 1970 ISBN 90-247-0273-9 35. P. Janssen: Geschichte und Lebenswelt. Ein Beitrag zur Diskussion von Husserls

Spätwerk. 1970 ISBN 90-247-0274-7 36. W. Marx: Vernunft und Welt. Zwischen Tradition und anderem Anfang. 1970

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Goldstein Haudek and W.E. Haudek. Introduction by A. Gurwitsch. 1971 ISBN 90-247-5047-4

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