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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002 39 Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle * Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung ** Nach Darstellung des Forschungsstandes zur Inneren Kündigung in Bezug auf Verbreitung, Bedingungen und Folgen wird ein eigenes regelungstheoretisches Er- klärungsmodell vorgestellt, das an einer Stichprobe von 115 Lehrern überprüft und mit Hilfe von zwei weiteren Stichproben validiert wurde. Die Befunde bestätigen die Annahme, dass Innere Kündigung eine (unter mehreren) mögliche Verhaltensweise darstellt, mit der ein Mitarbeiter auf ,Inequity’ reagieren kann, die für ihn einen Bruch des inneren bzw. psychologischen Arbeitsvertrages bedeutet. Die Reaktion ist darauf ausgerichtet, wahrgenommene Ungerechtigkeit auszugleichen und das Gleichgewicht wieder herzustellen. Bedingungsvariablen der Inneren Kündigung sind u.a. ein Mangel an kooperativer Führung, Mitbestimmung und Zuwendung. Ge- genindikatoren sind u.a. Involvement, Identifikation sowie Loyalität. Als resultieren- de Dimensionen des kausalen Strukturmodells ergeben sich Inequity, Persönliche Er- füllung sowie Innere Kündigung. Reliabilitäten und Validitäten sind gut belegt. Eine Modelltestung konnte das hypothetische, kausale Strukturmodell bestätigen. Structure analysis of ,inner resignation’ The article reviews empirical and theoretical research into ,inner resignation” amongst employees and presents our own control theoretical approach to this problem. The model was examined in a sample of 115 teachers and validated later by other samples. ,Inner resignation’ amongst employees was found to be a reaction to the disregard of the psychological contract between employer and employee – with the aim of re-establishing lost equity. Variables like lack of cooperative management, organizational participation and personal feedback were found to have an important impact. Contraindicated variables of ,inner resignation’ seem to be involvement, identification, and loyalty. Our model was found to be a three-dimensional construct, including ,inequity’, ,personal fulfilment’ and ,inner resignation’. Reliabilities and validities have been proved. The empirical data were found to fit the hypothetical, causal structure of the model. ____________________________________________________________________ * Gayler, Bärbel, Diplompsychologin, freie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim DIPF. Schloß- str. 29, 60486 Frankfurt am Main e-mail: [email protected] Dr. Peter Jehle, Leitung Referat Planung und Controlling, Deutsches Institut für Internationa- le Pädagogische Forschung. Schloßstr. 29, 60486 Frankfurt am Main. e-mail: [email protected] apl. Prof. Dr. Edgar Schmitz, Diplompsychologe, Institut für Psychologie und Erziehungswis- senschaften, Technische Universität München, Lothstr. 17, 80335 München. e-mail: [email protected] ** Artikel eingegangen: 11.5.2001 revidierte Fassung akzeptiert nach doppelt-blindem Begutachtungsverfahren: 26.10.2001
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Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle · Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002 39 Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle* Gütekriterien und Strukturanalyse

Jun 10, 2018

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Zeitschrift für Personalforschung, 16. Jg., Heft 1, 2002 39

Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle*

Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung** Nach Darstellung des Forschungsstandes zur Inneren Kündigung in Bezug auf

Verbreitung, Bedingungen und Folgen wird ein eigenes regelungstheoretisches Er-klärungsmodell vorgestellt, das an einer Stichprobe von 115 Lehrern überprüft und mit Hilfe von zwei weiteren Stichproben validiert wurde. Die Befunde bestätigen die Annahme, dass Innere Kündigung eine (unter mehreren) mögliche Verhaltensweise darstellt, mit der ein Mitarbeiter auf ,Inequity’ reagieren kann, die für ihn einen Bruch des inneren bzw. psychologischen Arbeitsvertrages bedeutet. Die Reaktion ist darauf ausgerichtet, wahrgenommene Ungerechtigkeit auszugleichen und das Gleichgewicht wieder herzustellen. Bedingungsvariablen der Inneren Kündigung sind u.a. ein Mangel an kooperativer Führung, Mitbestimmung und Zuwendung. Ge-genindikatoren sind u.a. Involvement, Identifikation sowie Loyalität. Als resultieren-de Dimensionen des kausalen Strukturmodells ergeben sich Inequity, Persönliche Er-füllung sowie Innere Kündigung. Reliabilitäten und Validitäten sind gut belegt. Eine Modelltestung konnte das hypothetische, kausale Strukturmodell bestätigen.

Structure analysis of ,inner resignation’ The article reviews empirical and theoretical research into ,inner resignation”

amongst employees and presents our own control theoretical approach to this problem. The model was examined in a sample of 115 teachers and validated later by other samples. ,Inner resignation’ amongst employees was found to be a reaction to the disregard of the psychological contract between employer and employee – with the aim of re-establishing lost equity. Variables like lack of cooperative management, organizational participation and personal feedback were found to have an important impact. Contraindicated variables of ,inner resignation’ seem to be involvement, identification, and loyalty. Our model was found to be a three-dimensional construct, including ,inequity’, ,personal fulfilment’ and ,inner resignation’. Reliabilities and validities have been proved. The empirical data were found to fit the hypothetical, causal structure of the model. ____________________________________________________________________ * Gayler, Bärbel, Diplompsychologin, freie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim DIPF. Schloß-

str. 29, 60486 Frankfurt am Main e-mail: [email protected]

Dr. Peter Jehle, Leitung Referat Planung und Controlling, Deutsches Institut für Internationa-le Pädagogische Forschung. Schloßstr. 29, 60486 Frankfurt am Main. e-mail: [email protected]

apl. Prof. Dr. Edgar Schmitz, Diplompsychologe, Institut für Psychologie und Erziehungswis-senschaften, Technische Universität München, Lothstr. 17, 80335 München. e-mail: [email protected]

** Artikel eingegangen: 11.5.2001 revidierte Fassung akzeptiert nach doppelt-blindem Begutachtungsverfahren: 26.10.2001

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1. Problemstellung

Der Begriff der ‚Inneren Kündigung’ (synonym ,innere Emigration’) wurde zu Beginn der 80er Jahre in die Forschung eingeführt (Höhn 1982) und löste seither ei-nige Aktivitäten, darunter auch empirische Studien, aus (Raidt 1987; 1989; Derschka 1988; Volk 1986; Nuber 1987; Löhnert 1990; Höhn 1989; Jochmann 1989; Rüber 1990; Sieland 1991; Halblützel 1992; Faller 1993; Riedl 1996). Allerdings gibt es bisher weder eine brauchbare theoretische Systematik noch eine hinreichende empiri-sche Fundierung; doch immerhin liegen erste wissenschaftliche Analysen vor, u.a. von Löhnert (1990), Faller (1993), Gestmann (1995), Krystek/Becherer/Deichelmann (1995a, b) Krenz (1996) und Krenz-Maes (1998), Nachbagauer/Riedl (1999) sowie Richter (1999).

Die Brisanz der Inneren Kündigung (IK) liegt nach Meinung der genannten Auto-ren (a) in der angeblich ‚umfassenden’ Verbreitung in allen Organisationen, sei es in privaten Unternehmen, sei es in der öffentlichen Verwaltung, sowie (b) in dem Problem der Abgrenzbarkeit zu anderen ähnlichen Phänomenen wie etwa dem Burnout.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit liegt darin, eine empirische Fundierung der Diagnose ,Innere Kündigung’ nachzuholen und zu einer theoretischen Systematik und Ursachenerklärung beizutragen.

2. Der Forschungsstand

Eine formale Begriffsbestimmung liefert Elsik (1994): „Im Gegensatz zur offe-nen Kündigung wird bei der inneren Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst, sondern die Erbringung jener Leistungen von ArbeitnehmerInnen aufgekündigt, die über das vorgeschriebene und mittels Sanktionen rechtlich durchsetzbare Mindestmaß hinausgehen.“ Die Kosten der Option einer formalen Kündigung können hoch sein: Ein Wechsel des Arbeitgebers kann unter gegebenen Bedingungen des Arbeitsmark-tes nicht leicht zu bewerkstelligen und für viele nahezu ausgeschlossen sein. Die Au-toren, die sich dazu geäußert haben, deuten an, dass es sich bei dieser unausgespro-chenen Aufkündigung um einen eher verdeckten Prozess handelt, womit sie sich auf psychologisches Terrain begeben, auch wenn es sich für das Individuum um einen „bewussten Verzicht auf Engagement und Eigeninitiative in der Unternehmung“ (Höhn 1982; Sieland 1991) handeln sollte. So bezeichnet Innere Kündigung mit Ech-terhoff et al. (1997, 33) einen „persönlichen Zustand, der durch innerliches Abrücken von der Arbeitsumgebung und durch Verweigerung von Eigeninitiative und Einsatz-bereitschaft in Unternehmen gekennzeichnet ist.“ Sie „erfolgt nicht offen oder gar formal, sondern informell und ohne Kenntnis des anderen Vertragspartners“ und „stellt ein unsichtbares und stilles Sich-Zurückziehen aus Engagement und Verant-wortung dar.“ Hilb (1992b, 18) assoziiert mit Innerer Kündigung auch Faktoren einer Persönlichkeitsveränderung, nämlich „Desinteresse“, „Leistungsminimalismus“, „Kreativitätsarmut“, „Passivität“, „Konformismus“, „Lustlosigkeit“, „Selbstachtungs-losigkeit“, „Stresstoleranzlosigkeit“ sowie – nicht näher bezeichnete – „psychosoma-tische Krankheiten“. Bei Lehrern sieht Sieland (1991, 142) eine Rollendistanzierung

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im Vordergrund. Gross (1992, 87) sieht IK als gesellschaftliches Phänomen. „Sie be-ginnt nicht mit einem geheimen Schwur zur Sabotage, sondern ähnelt am ehesten ei-ner schleichenden Krankheit, die weder vom Arzt klar diagnostiziert, noch vom Pati-enten bewusst reflektiert ist. Der Verlauf ist schwer fassbar, ihre Erscheinungsformen sind bunt und uneinheitlich, ihre Ursachen vielfältig. Die IK ist – kurz gesagt – kom-plex.“

Verhaltenstypisch ist nach Echterhoff u.a. (1997, 33), wenn jemand kein Interes-se mehr an Auseinandersetzungen hat, zum typischen Ja-Sager geworden ist, sich stets bei der Mehrheit befindet, keine Vorschläge und Kritik mehr einbringt, Ent-scheidungen von Vorgesetzten kommentarlos akzeptiert, die eigenen Kompetenzen nicht mehr ausschöpft, Eingriffe in den eigenen Delegationsbereich hinnimmt, doch äußerlich noch mitspielt und die Grenzen der Auffälligkeit geschickt unterschreitet. Mitarbeiter halten sich strikt an die Regelarbeitszeit, persönliche Gespräche außer-halb der Arbeitszeit werden vermieden, Freiräume während der Arbeitszeit für private Interessen genutzt, jede Gelegenheit zur Krankmeldung wird wahrgenommen und je-des Engagement vermieden (Höhn 1989, 22-23). Typisch für den sozialen Bereich sind Merkmale wie ,überangenehm im Umgang’, Unmutsäußerungen sowie man-gelndes Interesse an Betriebsfeiern und -ausflügen.

Indikatoren auf Unternehmensebene sind nach Krystek et al. (1995b, 656) u.a. hohe Fehlzeiten, Ablehnung von Fortbildungen, weiterhin sinkende Produktivitäts-kennzahlen bzw. steigende Bearbeitungszeiten und steigende Kundenreklamationen, bei Lehrern Absentismus an Tagen mit viel Unterricht (Sieland 1991, 145). Richter (1999, 120) unterscheidet mit Löhnert (1990, 32-34) eine aktive und eine passive Spielart. Bei der aktiven Inneren Kündigung versuche der Arbeitnehmer, der seine Arbeitssituation als ungerecht empfinde, die Schwächen des Unternehmens zu erken-nen und sie systematisch auszunutzen, um sie für sich gerechter und zur eigenen Zu-friedenheit zu gestalten. Diese aktive Spielart beinhaltet eine Handlungsorientierung (Löhnert 1990). Dem steht die passive Spielart gegenüber, die i.S. der beiden Autoren einer Lageorientierung entspricht. Aufgrund der damit verbundenen funktionalen und emotionalen Hilflosigkeit besteht auch eine Tendenz zum Burnout. Für die Innere Kündigung ist damit bereits eine Definition mit erklärender Funktion angedeutet, die wir später aufgreifen werden. Echterhoff et al. (1997, 34) verweisen darauf, dass auch Führungskräfte ihren Mitarbeitern innerlich kündigen können, wenn sie von ihnen enttäuscht sind. Der ,Gekündigte’ wird übergangen, an wichtigen Aktivitäten nicht beteiligt oder auch massiv eingeschränkt, meint Leymann (1993). Nachbagauer/ Riedl (1999) erörtern die Motivationsprobleme auf der Folie normativer Definitionsprozes-se von betrieblichen Organisationen.

Zur Verbreitung der Symptomatik der Inneren Kündigung liegen kaum empiri-sche Daten vor. Kirstges/Grieger (1999) berichten, dass 36,8% von 76 befragten Mit-arbeitern in 29 Reisebüros zur Inneren Kündigung tendiert haben sollen. Alle übrigen Zahlen scheinen auf Schätzungen von Personalverantwortlichen verschiedener Un-ternehmen zu beruhen und schwanken zwischen 2% und 80%. Dabei fielen die Schätzungen für das eigene Unternehmen geringer aus. In Richters (1999) Gesamter-

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hebung an 397 Personen einer öffentlichen Verwaltung hatten 62,5% noch nie inner-lich gekündigt; 16,6% hatten aktuell, d.h. zur Zeit der Befragung, innerlich gekün-digt, die anderen 20,9% berichteten über eine frühere Innere Kündigung. Für 9,3% hatte sich die Situation von allein gebessert, während 11,6% sie durch eigenes Bemü-hen hatten bessern können.

Krenz (1996), auf deren Fragebogen wir zurückgreifen, befragte eine Stichprobe von insgesamt 205 Personen (48% Frauen), die aus mehreren Berufsgruppen bestand (z.B. Führungskräfte im staatlichen Forstbereich, Beschäftigungslose in Fortbil-dungsseminaren, Mitarbeiter aus der Stahlbranche). Auf die direkte Feststellung ‚Ich habe innerlich gekündigt’ antworteten 108 (52,7%) mit nein; 23,4% mit eher nein; 9,8% bzw. 14,1% mit eher ja bzw. ja. (Der Mittelwert über die Skala von 1 (nein) bis 4 (ja) betrug x = 1,854). Etwas ausgeprägter war der Befund der Inneren Kündigung anhand der Gesamtskala zur Diagnose Innere Kündigung, bestehend aus 16 Items. 52 Vpn. (26,1%) antworteten mit nein; 42,7% mit eher nein; 21,6% bzw. 9,5% mit eher ja bzw. ja. (Der Mittelwert betrug bei gleichen Skalenstufen x = 2,146.). Den interes-santen Versuch, Innere Kündigung in den privaten Bereich von Partnerbeziehungen zu übertragen, unternimmt Luck (1995) anhand zahlreicher Fallbeispiele.

Die Diagnose Innere Kündigung: Wie die Innere Kündigung in den o.g. Studien diagnostiziert wurde, ist nicht immer klar. Richter (1999, 126) stellte lediglich die Frage, ob bereits irgendwann seit Eintritt in die Organisation eine Situation bestanden habe, in der die Kündigung ernsthaft erwogen worden sei. Zusätzlich versuchte er das Phänomen durch die Erfassung weiterer, damit verbundener Variablen abzusichern, z.B. über die Messung von Arbeitszufriedenheit, Kontrollüberzeugung oder Gesund-heit. Als Kriterium werden auch Fehlzeiten angeführt. Dagegen hatte Löhnert (1990, 222 f.) versucht, das Phänomen indirekt etwa über Freizeitorientierung, berufliche Schwierigkeiten und Zukunftsaussichten zu erheben.

Krenz (1996) setzte einerseits ein einzelnes Item ein, das direkt auf die Frage, ob sich eine Person in einem Zustand innerlicher Kündigung befinde, gerichtet war, ande-rerseits prüfte sie das Vorliegen von Innerer Kündigung mit einer Skala mehreren Fra-gen. Sie kam für die Hauptskala ,Diagnose Innere Kündigung’ mit 16 Items – ausge-hend von 27 Items – zu einem guten Ergebnis der Testgütekriterien: Interne Konsistenz Alpha = .897; Split-Half-Reliabilität r = .848; die Validität – gemessen an dem erwähn-ten Item ,Ich habe innerlich gekündigt’ – betrug r = .782 (Krenz 1996, 96 f.).

Zu möglichen Bedingungsfaktoren der Inneren Kündigung gibt es einige Anga-ben, die allerdings selten empirisch gesichert und oft mit Ursachen verwechselt wer-den. Sie werden gesucht „sowohl in der Person des Mitarbeiters (etwa in persönlichen Problemen), im unmittelbaren (mikro)sozialen Umfeld am Arbeitsplatz (etwa in Kon-flikten mit Kollegen), in Bedingungen auf der Organisationsebene (etwa in einer ver-fehlten betrieblichen Personalpolitik) oder in allgemeinen gesellschaftlichen Entwick-lungstrends (etwa im Wandel arbeitsbezogener Einstellungsmuster)“ (siehe Richter 1999, 114, der darin Löhnert 1990; Faller 1993; Krystek et al. 1995, folgt; vgl. auch Krenz 1996). Angegeben wurden von Betroffenen zu 50% geringe Aufstiegsmög-

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lichkeiten. Schon in den ersten Publikationen wurde Innere Kündigung als Auswir-kung nicht kooperativer Führung diskutiert (Höhn 1989; Raid 1987). Auch Krystek et al. (1995) fanden bei ihrer Befragung mit 81% hauptsächlich Fehler im Führungsver-halten. Im Einzelnen waren damit ein ungenügender Informationsaustausch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern (97%) gemeint, gefolgt von Entscheidungen über den Kopf der Mitarbeiter hinweg (95%) und mangelnde Gesprächsbereitschaft der Vorge-setzten (93%). Diese Angaben könnten anhand der Burnout-Literatur um folgende Merkmale erweitert werden: durch schlechte Bedingungen und Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, Über- oder Unterforderung bei der Arbeit, Probleme mit Vorgesetzten oder Kollegen, Belastungen, starre Führungsstrukturen, mangelnde Sinnstiftung usw. (u.a. Van Dierendonck et al. 1994). Die Abgrenzung zur Burnout-Symptomatik wird hier später geklärt. Auch das Alter als ein allgemeiner Bedingungsfaktor wurde ins Spiel gebracht. Doch die Befragung von 75 Beschäftigten zwischen 45 und 55 Jahren eines großen Unternehmens bestätigten nicht die Annahme, wonach ,ältere Arbeit-nehmer’ eher ihr berufliches Anspruchsniveau senken und in die Innere Kündigung eintreten (Maier 1997).

Die Folgen einer Inneren Kündigung sind nicht nur für das Unternehmen nega-tiv (siehe Krystek et al. 1995, die erwähnten Indikatoren wie sinkende Produktivitäts-kennzahlen), sie können auch für die Betroffenen selbst unangenehm sein. So gab in der Studie von Richter (1999, 130 f.) die Gruppe der aktuell innerlich Gekündigten bei neun von zehn psychosomatischen Beschwerden statistisch signifikant höhere Werte an als die Gruppe der innerlich noch nie Gekündigten, z.B. bezüglich Konzent-rationsproblemen, Abgespanntheit/Erschöpfung, Magen- und Verdauungsproblemen, Schlafstörungen oder Niedergeschlagenheit. Im Sammelband von Hilb (1992a) fin-den sich unterschiedliche Perspektiven bezüglich der Folgen Innerer Kündigung. Ei-ne Betroffene (Kündig 1992, 29) spricht von einem ständig sich verschlechternden Gesundheitszustand und reduzierter Kommunikationsfähigkeit; Weber (1992, 38) be-tont aus der Sicht der Arbeitnehmervertreterin, die Symptome von Suchttendenzen, Fettleibigkeit, schlechter Laune, Überreiztheit, Schlafstörungen oder psychosomati-schen Störungen.

Zur Modellkonzeption, d.h. zur wissenschaftlichen Erklärung der Inneren Kün-digung, haben sich bisher nur wenige Autoren geäußert. Faller (1993) setzt beim Konzept des ‚Inneren Vertrages’ an, wobei er annimmt, „dass sowohl das Individuum als auch die Organisation sich gegenseitig mit vielfältigen Erwartungen gegen-überstehen, die vertraglich nicht fixiert sind und auch rechtlich nicht gesichert werden können“, und folgert: „Innere Kündigung kann nun ... als eine Reaktion auf den Bruch von Inneren Verträgen betrachtet werden“ (Faller 1993, 32). Richter (1999, 119 f.) schließt sich dem an und führt aus, dass Innere Verträge seitens der Arbeitge-ber aus formal-vertraglich nicht festgelegten Erwartungen an den Arbeitnehmer hin-sichtlich seiner Loyalität und eines über ein gefordertes Minimum hinausgehendes Engagement bei der Arbeit bestünden. Arbeitnehmer ihrerseits zögen Ansprüche, Erwartungen und Forderungen hinsichtlich eines akzeptablen Arbeitsumfeldes, einer angemessenen Aufgabenbelastung, einer berufsadäquaten Verwendung und berufli-

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chen Entwicklungsmöglichkeiten in die inneren Vertragserwartungen mit ein. Mit dem Ausdruck ,Innerer Vertrag’ werden eine eigene Form und Qualität der Bezie-hung zwischen Mitarbeiter und Arbeitsgeber bzw. zwischen Organisationsmitglied und Organisation angenommen, die über den formalen Arbeitsvertrag hinausgeht. In-sofern ist die Wirklichkeit Innerer Verträge eine subjektive Konstruktion. Dies schließe (so Richter 1999) jedoch nicht aus, dass Innere Verträge sozial vermittelt sind und sich – auf der Zeitachse – über die berufliche Sozialisation und Organisati-onszugehörigkeit formen. Offenbar wird jedoch allgemein erwartet, so muss hinzu gefügt werden, dass Innere Verträge – trotz ihrer subjektiven Konstruktion – wie formale Verträge einzuhalten bzw. zu erfüllen sind.

Herriot et al. (1997) untersuchten bei unterschiedlichen Industriezweigen den Psychologischen Vertrag im Hinblick auf die Verpflichtungen beider Vertragspartner, nämlich der Leitung und der Arbeitnehmer. Zu den ‚ungeschriebenen’ Verpflichtun-gen des Arbeitnehmers waren sich beide Vertragspartner einig, dass ein Einhalten der Arbeitszeit, gute Leistung und Ehrlichkeit die entscheidenden Faktoren seien. Die Leitung erachtete an ihren eigenen psychologischen Verpflichtungen neben (wohl fi-nanziellen) Vorteilen vor allem Beziehungsaspekte wie Menschlichkeit, Fairness und Anerkennung als wichtig, bei den Arbeitnehmern standen dazu Arbeitsumfeld, Be-zahlung, Sicherheit und Fortbildung – letztlich Herzbergs Basisbedürfnisse – im Mit-telpunkt. Eine Ausnahme bildete die Fairness. Die Ergebnisse sind u.E. eher typisch für Wirtschaft und kaum auf Lehrkräfte übertragbar, da diese Ergebnisse vermutlich von Arbeitsplatzunsicherheit und einem damit verbundenen Mangel an Vertrauen in die Organisation beeinflusst waren.

Auch Coyle-Shapiro/Kessler (2000) betrachten beide Seiten des psychologi-schen Vertrags. Es wird ebenfalls unterschieden zwischen transaktionalen und relati-onalen Verpflichtungen. Untersuchungskontext sind hier jedoch Gemeindeverwal-tungen, die für den öffentlichen Dienst, d.h. Erziehung, Gesundheit und Soziales, Verwaltung und technische Bereiche verantwortlich sind. 25% der Befragten waren Lehrpersonen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Mehrzahl der Arbeitneh-mer einen Bruch des psychologischen Vertrags erlebt hat. Diese Ansicht wird auch von den Vorgesetzten – als Repräsentanten des Arbeitgebers – vertreten, die darüber hinaus darauf hinweisen, dass die Organisation ihre Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern nicht in dem Maß erfüllt hat, wie sie es könnte. Das führte wiederum dazu, dass diese die Bereitschaft, sich für die Organisation zu engagieren, reduziert haben. Nach Ansicht der Autoren sollte die Folgerung für die Organisation darin be-stehen, den psychologischen Vertrag so zu gestalten, dass die dysfunktionalen Kon-sequenzen eines Vertragsbruchs reduziert werden. In der Praxis bedeutet das, die In-halte des psychologischen Vertrags der Arbeitnehmer wahrzunehmen und Unterneh-menspraktiken wie Fortbildung und Personalentwicklung zu überdenken. Die bishe-rige ‚Nichterfüllung’ bestimmter Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern muss von Seiten der Organisation thematisiert werden, um dann einen ,neuen Inneren Vertrag’ entwickeln zu können.

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Hinter der Vorstellung vom Inneren Vertrag steht zweifellos das ‚Equity’-Prinzip (Adams, 1965), das Löhnert (1990) in die Diskussion zur Inneren Kündigung eingebracht hat, das Faller (1993) und Krenz (1996) genutzt und Van Dierendonck et al. (1994) im Zusammenhang mit Burnout erörtert haben. Danach erwarten Menschen für den Aufwand an Arbeit und Kosten, die sie in eine (betriebliche) Beziehung in-vestiert haben, einen entsprechenden Nutzen für sich. Sie erwarten, dass das, was sie investiert haben und erhalten, proportional zu dem steht, was die andere Seite inves-tiert und erhält. Bei Störung des Gleichgewichts wird versucht, dieses wieder herzu-stellen. Ob ein ‚objektiver’ Bruch des Inneren Vertrags bzw. eine ‚objektive’ Störung des Gleichgewichts vorliegt oder nicht, ist müßig zu fragen, da es sich um eine indi-viduelle Wahrnehmungskonstruktion handelt und auch nur diese für den Betroffenen von Bedeutung ist. Darin könnte sich im Einzelfall eine psychische Abwehr eigener Probleme, wie etwa eine Rationalisierung, verbergen. Auch diese wäre für den Ein-zelnen eine Realität, die sich auf das Verhalten auswirkt.

Krenz (1996) hat in ihrer empirischen Studie zur ‚Diagnose Innerer Kündigung’ festgestellt, dass Mitarbeiter eben dieses „Verhältnis von Geben und Nehmen am Ar-beitsplatz als unausgeglichen“ erlebten. Wie oben dargestellt weist schon Löhnert (1990, 32-34) darauf hin, dass innerlich Kündigende dazu tendieren, die Situation zu ihren Gunsten umzugestalten, um sie für sich wieder gerechter werden zu lassen. Die-se Wiederherstellung des Gleichgewichts erfolgt nach dem ‚Equity’-Prinzip.

3. Der Ansatz der Studie: Modellkonzeption

3.1 Strukturdynamische Aspekte der Inneren Kündigung

Ein theoretisches Modell hat die Funktion einer wissenschaftlichen Erklärung (Stegmüller 1982; Westermann 2000) anhand (1) empirisch belegter Bedingungen und (2) der Beschreibung der Prozesse, d.i. hier die Beschreibung des gesetzmäßigen psy-chischen Ablaufs, der zur Inneren Kündigung führt. Sobald beide Teile geklärt sind, liegt eine solide wissenschaftliche Erklärung vor. Die Differenzierung von (1) und (2) wird in den Sozialwissenschaften wie eben auch in der Forschung über die IK gelegent-lich übersehen, insbesondere wenn Bedingungen mit Ursachen verwechselt werden. Erst mit der Erklärung von (1) und (2) verfügt man über ein Ursachen-Modell. Zu-nächst sei der strukturdynamische Aspekt der Ursachenerklärung erläutert.

Unser theoretisches Konzept der IK knüpft an den Vorstellungen früherer Auto-ren an (insbesondere Faller 1993; Krenz 1996; Krenz-Maes 1998) und ist am hierar-chischen Regelungskonzept (Carver/Scheier 1981; 1994; 2001) orientiert. IK wird von uns als eine Reaktion auf den Bruch von Inneren Verträgen betrachtet. Ein sol-cher Bruch ist durch die Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Vertragspartnern gekennzeichnet. Ein Bruch des Inneren Vertrages liegt vor, wenn der Vertrag – genauer: wenn die subjektive Konstruktion des Vertrages – von einer der beiden Seiten nicht mehr erfüllt wird. Im Sinne des ‚Equity’-Prinzips ist damit das Gleichgewicht zwischen den Erwartungen der Vertragspartner gestört. Hierauf gibt es nun unterschiedliche Reaktionen; die Innere Kündigung ist nur eine davon:

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(1) Man steigt aus dem Inneren Vertrag aus und kündigt gleichzeitig den formalen Vertrag; damit liegt eine äußere Kündigung vor. Theoretisch ist damit der Ausstieg aus dem System vollzogen. Die weiteren Reaktionen stehen unter der Option der Er-füllung des äußeren Vertrages. (2) Man strebt an, durch Widerspruch (i.S. einer Reak-tanz) und durch aktive Veränderung der Situation die eigene Lage zu verbessern, in-dem etwa versucht wird, den Freiraum des eigenen Handelns zu erweitern. Doch in der Regel haben Mitarbeiter wenig Einflussmöglichkeiten. (3) Man hält an der sub-jektiven Konstruktion des Inneren Vertrages und den damit verknüpften Erwartun-gen, Wünschen und Zielen fest und bemüht sich weiterhin, das Gleichgewicht einzu-fordern. Dieser Weg kann in den Burnout führen. (4) Man versucht, das Gleichge-wicht dadurch herzustellen, dass man den eigenen Aufwand an Arbeit und Kosten senkt oder gar minimiert. Das ist der Tatbestand der Inneren Kündigung.

Reaktanz (Schwarzer 1981, 176) wie auch Burnout (Schmitz 1996) finden je-doch nur statt, wenn die subjektive Bedeutung der Ereignisse hoch ist, bei Burnout gilt das insbesondere vor dem Hintergrund unrealistischer bzw. überhöhter Erwartun-gen (Schmitz 1998; Schmitz/Leidl 1999). Was die Reaktanz anbetrifft, so siedelt Schwarzer (1981) sie in einem Entwicklungsmodell der Hilflosigkeit an. Sein Pha-senmodell geht davon aus, dass ein (anfängliches) geringes Ausmaß an erlebter Nichtkontrolle mit Reaktanz verbunden ist, ein (späteres) hohes Ausmaß jedoch mit Effekten der Hilflosigkeit einhergeht. Ist die subjektive Bedeutung der Ereignisse ge-ring, resultieren Interesselosigkeit, Langeweile und Überdruss.

3.2 Der regelungstheoretische Erklärungsansatz der Inneren Kündigung

Innere Kündigung wird von uns definiert als eine kognitiv-emotionale und be-haviorale Reaktion von Mitarbeitern bzw. Organisationsmitgliedern auf die subjektiv wahrgenommenen komplexen Ist-Soll-Diskrepanzen (vgl. Faller 1993), die eine lang-fristige Verletzung des Inneren Vertrages durch den Arbeitgeber oder die Organisa-tion ausdrücken. Der Arbeitgeber verhält sich nämlich – aus Sicht des Mitarbeiters – nicht so, wie er sich verhalten sollte; er hält sich nicht an die Soll-Vorstellungen, die der Mitarbeiter erwartet. Vertragsbruch bzw. die Ungleichheit und Ungerechtigkeit bestehen konkret darin, dass der Arbeitgeber nicht so in den Umgang mit dem Mitar-beiter investiert, wie es dieser für angemessen hält. Im Einzelnen heißt das, dass der Vorgesetzte sich nicht um kooperative Führung bemüht, um fachliche Einbindung seiner Mitarbeiter, um freundliche Zuwendung, Rückmeldung und Informationsaus-tausch, kurz: Der Führungsstil entspricht nicht den Erwartungen, die der Mitarbeiter mit dem Inneren Vertrag verknüpft.

Im Fall der beginnenden Inneren Kündigung werden nun seitens des Mitarbei-ters die eigenen intrapersonalen Soll-Vorstellungen und der damit erforderliche Auf-wand an Kosten und Arbeit überprüft. Unser regeltheoretisches Prozess-Modell ba-siert auf der Annahme, dass durch Wahrnehmung einer intrapersonalen Ist-Soll-Diskrepanz im Selbst-Fokus eine Handlungs-Tendenz angefacht wird, diese Diskre-panz zwischen dem derzeitigen Zustand und dem Ziel-Zustand zu reduzieren respek-

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tive zu minimieren. Dabei kann es sich um die Diskrepanz von überhöhten, ungenau-en Erwartungen und der rauen Wirklichkeit ebenso handeln wie um eine Diskrepanz aufgrund widriger Bedingungen, wie sie bei der Inneren Kündigung genannt wurden. Wenn dabei keine Schwierigkeiten auftreten, kommt es zur vollständigen und erfolg-reichen Diskrepanz-Reduktion. Treten jedoch Schwierigkeiten auf, z.B. wegen man-gelnder persönlicher Ressourcen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, so folgt eine Unterbrechung und Neubewertung der Ergebnis-Erwartungen. Fällt diese Bewertung zuversichtlich aus bzw. besteht Hoffnung auf Erfolg, so kommt es zu einem erneuten Versuch der Diskrepanz-Reduktion. Ist hingegen keine Zuversicht vorhanden, so folgt der Rückzug vom Versuch. Ist kein offener Rückzug möglich, so kommt es zu einem mentalen Rückzug. Das bedeutet, dass die eigenen bedeutsamen und ursprüng-lich verhaltensführenden Soll-Vorstellungen aufgegeben werden. Die Folge ist eine drastische Reduzierung oder Minimierung des persönlichen Einsatzes und ein Aufge-ben von Erwartungen, Wünschen und Ansprüchen sowohl an die eigene Person als auch an den Partner. Dies äußert sich bei unserer Befragung z.B. in Aussagen wie: ,Wenn ich kündigen könnte, würde ich kündigen’ bzw. in der Aussage, eine Kündigung schon einmal in Erwägung gezogen zu haben. ,Ich mache Dienst nach Vorschrift; habe mich genug – für den Betrieb, die Organisation – aufreiben lassen’ u.s.w.. Dass es sich tatsächlich um einen Rückzug handelt, zeigen Äußerungen wie: ,Im Laufe der Zeit ha-be ich das Interesse ... verloren’, ,Früher war ich viel engagierter’.

Manche Betroffenen akzeptieren nach meist mehreren Reduktionsversuchen die misslichen Gegebenheiten und ,erwarten nichts mehr’. Sie hören auf, weiterhin eigene Anstrengung und Kosten zu investieren. Sie geben die entsprechenden verhaltensfüh-renden Soll-Werte auf, so dass eine handlungsmotivierende Diskrepanz gar nicht mehr besteht. Insofern verzichten sie auf das Handeln, wie bereits Faller (1993) beobachtete. Dieser mentale Rückzug kann sich als Symptomatik äußern, die wir mit dem Begriff der ,Inneren Kündigung’ kennzeichnen. In diesem psychischen Zustand kann man den Beruf eine geraume Zeit durchstehen – und emotional überleben (Faller 1993); so kann Innere Kündigung im Einzelfall subjektiv durchaus eine ‚attraktive’ (Richter 1999, 121) Reaktionsform sein, wenn die Opportunitätskosten der Alternativen zu hoch sind.

3.3 Konstrukt und Bedingungsstruktur der Inneren Kündigung

Für den schulischen Bereich gilt, dass die Lehrer und Lehrerinnen sich ‚tagtäg-lich’ (Zitat eines Betroffenen) in ihrer Arbeit über die Institution Schule, über die Schulleitung, Verordnungen usw. ärgern, weil sie sich im Umgang mit den Schülern behindert fühlen und weil aus ihrer Sicht die Lehrer-Schüler-Interaktion durch diese Einmischung gestört wird. Infolgedessen ist auch das Erleben von beruflicher Erfül-lung zwiespältig, denn die Probleme der Lehrer liegen vorwiegend in der Interaktion mit dem System Schule bzw. mit der Schulleitung, nicht mit den Schülern (wenn-gleich sich dort nachfolgend Probleme ergeben können). Interessant ist in diesem Zu-sammenhang eine Beobachtung von Gross zur Inkohärenz von Lebens- und Arbeits-wirklichkeit (1992, 87): „Die sogenannte Misstrauenskultur, die Visionslosigkeit und die Palastorganisation als Ursachen der IK resultieren aus der Inkohärenz zwischen

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Anforderungen drinnen im Betrieb und aus der Blindheit der Führungsebene gegen-über der Inkohärenz“, eine Aussage, die im schulischen Alltag mindestens genauso zutrifft wie im Bereich der Wirtschaft. Die Voraussetzung einer Reaktion der Inneren Kündigung ist die Wahrnehmung von ‚Inequity’. Inequity als Vertragsbruch äußert sich in Aussagen wie: ,Ich fühle mich ungerecht behandelt’ oder in der Ablehnung einer Aussage wie: ,Das Verhältnis zwischen Geben und Nehmen am Arbeitsplatz ist ausgeglichen.’ Das Gegenstück ist die persönliche Erfüllung. Ob ‚Inequity’ wahrge-nommen wird oder nicht, wird durch die gegebenen Bedingungen bestimmt. Die Be-stimmungsstücke der Inneren Kündigung werden im Folgenden dargestellt:

Persönliche Erfüllung und Sinn werden dort erlebt, wo das Gleichgewicht zwi-schen den Vertragspartnern als gegeben wahrgenommen wird, ausgedrückt in Aussa-gen wie: ,Ich habe in dieser Arbeit viel lohnenswerte Dinge erreicht’; ,In meiner Ar-beitstätigkeit fühle ich mich alles in allem wohl und erfüllt’, ,Ich fühle mich tatkräf-tig’ und Ähnliches. Bei Wahrnehmung von sozialem Gleichgewicht zwischen den Vertragspartnern ist eine Reaktion wie die Tendenz zur Inneren Kündigung (oder zum Burnout) unwahrscheinlich. Die Bedeutung des Faktors ,Persönliche Erfüllung’ ist in der Burnout-Forschung belegt (Schmitz 1996; Schmitz/Hauke 1999; Busch-mann/Gamsjäger 1999).

Die Bedingungen für die Wahrnehmung von Inequity liegen (a) im Verhalten der Repräsentanten der Organisation (Vorgesetzte, Vertreter der Geschäftsführung und im vorliegenden Fall – wohl mit unterschiedlicher Bedeutung – Schulleiter, mögli-cherweise Kollegen, das Schulamt oder auch das System Schule an sich) und (b) vermutlich auch in der Art und Weise der subjektiven Konstruktion von Wahrneh-mungen dieses Verhaltens sowie in der Ursachenzuschreibung der Folgen des eige-nen Verhaltens. Diese komplexen attributionstheoretischen Aspekte der Inneren Kündigung wurden bisher wenig erwogen bzw. wegen der methodischen Schwierig-keiten nicht untersucht. Bisheriger Forschungsgegenstand war hingegen das unmit-telbar beobachtbare Verhalten der Repräsentanten von Organisationen.

Sicher kommt im Falle der IK bei Lehrpersonen erschwerend hinzu, dass im jah-relangen Umgang mit dem System Schule die Erfahrung gemacht wurde, dass von unten nach oben wenig verändert werden kann. Auf der anderen Seite hat diese Er-kenntnis jedoch nicht dazu geführt, die Erwartungen ,herunterzuschrauben’. Gerade diese Unfähigkeit, das Anspruchsniveau der Realität anzupassen, kann in die Innere Kündigung führen. Umgekehrt wäre eine Anpassung an die Realität eine mögliche Interventionsmethode.

3.4 Annahmen zum Konstrukt Innere Kündigung

Die Fragestellung orientiert sich an der Komplexität des Phänomens der IK. In erster Linie geht es um die Überprüfung der deskriptiven Skala der Diagnose Innere Kündigung sowie um deren Zusammenhang mit den Subskalen der explikativen Kon-strukte (Krenz 1996; Krenz-Maes 1998) und den Bedingungsfaktoren Persönliche Er-füllung (Schmitz 1996) und ,Inequity’.

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Annahmen zum deskriptiven Konstrukt der Inneren Kündigung Die Innere Kündigung lässt sich durch die Items der Skala zur Diagnose Innere

Kündigung (Krenz 1996; Jehle et al., in Vorb.) beschreiben (vgl. unten Tabelle 3).

Hypothesen zu den explikativen Konstrukten In der vorliegenden Arbeit postulieren wir folgende Faktoren, die mit der Inne-

ren Kündigung kovariieren: IK korreliert mit einem Mangel an kooperativer Führung, fachlicher Einbindung, Mitbestimmung, freundlicher Zuwendung, einem Mangel an Feedback (etwa für konstruktive Kritik) sowie einem Mangel an Equity. IK korreliert außerdem mit dem Bruch des psychologischen Arbeitsvertrags. IK steht in negativem Zusammenhang mit Job Involvement sowie mit Commitment und seinen Teilskalen: Loyalität, Involvement und Identifikation.

Hypothesen für den Bedingungsfaktor Persönliche Erfüllung Bei Abwesenheit von ,Mangel-Faktoren’ ist die Wahrscheinlichkeit für den Be-

dingungsfaktor Persönliche Erfüllung erhöht. Es wird erwartet, dass dieses Merkmal mit den Variablen der persönlichen Verantwortung (Commitment) wie persönliches Involviertsein, Identifikation und Loyalität in wechselseitiger Beziehung steht, for-malisiert in mathematischer Kovariation. Die Annahme von Kovarianz liegt darin be-gründet, dass Einbindung (Involvement), Identifikation und Loyalität ihrerseits das Merkmal der Persönlichen Erfüllung verstärken, während umgekehrt diese Merkmale die Persönliche Erfüllung bedingen. So wird hier eine klassische Wechselbeziehung erwartet.

Innere Kündigung im schulischen Bereich war bisher nicht Gegenstand empiri-scher Untersuchungen. In dieser Studie geht es uns zunächst um einen ersten Schritt in dieses Untersuchungsfeld. Das Ziel dieser Untersuchung liegt darin, eine Skala zur Diagnose der Inneren Kündigung, die in anderen beruflichen Feldern eingesetzt wor-den ist, hinsichtlich ihrer Faktorenstruktur und ihrer Testgütekriterien (Validität, Re-liabilität) zu überprüfen. Anschließend wird das kausale Strukturmodell der Inneren Kündigung dargestellt und anhand des Datenmaterials mathematisch geprüft. Eine umfassendere Berücksichtigung weiterer, differenzierender Variablen wird in diesem frühen Stadium der Erkundung noch nicht angestrebt.

4. Die Methode

Einer Stichprobe von 115 berufstätigen Lehrpersonen verschiedener öffentlicher Schulen (Grundschulen, Hauptschulen, Gymnasien, Berufsschulen), 36 (31,3%) Leh-rerinnen, 79 (68,7%) Lehrer mit einem durchschnittlichen Alter von 47 Jahren (min. 27, max. 62) bzw. einem durchschnittlichen Dienstalter von 19 Jahren (min. 2, max. 37) wurde unser Fragebogen zur IK1 vorgelegt. In einer Studie zur entstehenden Dienstunfähigkeit bei Lehrpersonen, die am Beginn einer stationären Behandlung

1 Wir bedanken uns bei Frau Dipl. Psych. Anja Krenz-Maes, Krenz-Maes GmbH, Düsseldorf, für die Möglichkeit, ihre Skalen in unserer Erhebung zu verwenden.

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standen, war dieser Fragebogen zur Diagnose Innerer Kündigung im Rahmen des ,Priener Lehrerprojekts’ bereits einer Gruppe psychosomatisch erkrankter Lehrperso-nen vorgelegt worden (Jehle et al., in Vorb.).

Der Fragebogen enthält neben der Hauptskala ,Diagnose Innere Kündigung’ ei-ne Anzahl von Skalen zur Erkundung der Unternehmenskultur, die als explikative Konstrukte vorwiegend Kontrollfunktion haben (vgl. Krenz, 1996). Die Skalen sind teilweise dem Kontext Schule angepasst worden. Die Aussagen waren durch Ankreu-zen der Skala: ,1 = ja; 2 = eher ja; 3 = eher nein; 4 = nein’, bzw. umgekehrt zu beant-worten. Weiterhin wurden in den Fragebogen Skalen zu Burnout (Maslach und Jack-son 1981) sowie Fragen zu Mangel an Kontrolle im Unterricht und über Persönliche Erfüllung (Schmitz 1996) aufgenommen. Die inhaltlichen Bereiche und die Herkunft der Skalen sind in Tabelle 1 mitgeteilt. Nachstehend seien die einzelnen Skalen für jeden Bereich charakterisiert.

Tab.1: Skalen, Subskalen und Außenkriterien zur Diagnose der Inneren Kündigung

Nr. der Skala

Bezeichnung der Skala Zahl der Items

Quelle

IK1 Diagnose von innerer Kündigung 14 Krenz 1996

IK2 Bruch des psychologischen Arbeitsver-trags

1 Krenz 1996

IK3 Inequity am Arbeitsplatz 3 Adams 1965, Faller 1993, Löhnert 1990, Krenz 1996

IK4 Mangel an kooperativer Führung 8 Krenz 1996, Echterhoff/Poweleit/ Schindler 1994

IK5 Mangel an fachlicher Einbindung in den Schulbetrieb

4 Krenz 1996, Echterhoff/Poweleit/ Schindler 1994

IK6 Mangel an Mitbestimmung und Beteili-gung

4 Fittkau-Garthe/Fittkau 1971

IK7 Mangel an freundlicher Zuwendung 3 Fittkau-Garthe/Fittkau 1971

IK8 Mangel in gegenseitigem Feedback 2 Krenz 1996

IK9 Job Involvement 8 Kanungo 1982, Krenz 1996

IK10 Identifikation mit der Schule 2 Cook/Wall 1980, Krenz 1996

IK11 Loyalität zur Schule 2 Cook/Wall 1980, Krenz 1996

Mangel an Kontrolle im Unterricht 4 Schmitz

Emotionale Erschöpfung MBI 5 Maslach/Jackson 1981

Dehumanisierung MBI 5 Maslach/Jackson 1981

Persönliche Erfüllung MBI 5 Maslach/Jackson 1981

Persönliche Erfüllung 1 Schmitz 1996

Die Skala ,Diagnose Innere Kündigung’ wurde anhand von Aussagen, wie sie in

Tabelle 3 (weiter unten) aufgeführt sind, erfasst. Mangel an kooperativer Führung

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wird ausgedrückt durch die Zustimmung zu Aussagen wie: ,Mein Vorgesetzter in-formiert unvollständig; ... befiehlt gern’ u. ä.. Die Items korrelieren r = .11 bis .73., der Konsistenzkoeffizient beträgt alpha = .79. Für Mangel an fachlicher Einbindung (etwa Ablehnung der Aussage: ,Vieles ... stammt von mir’) wurde ein alpha = .57 er-mittelt; für weitere Skalen: Mangel an Mitbestimmung (fehlende Absprachen, ,einsame’ Entscheidungen des Vorgesetzten), alpha = .84; Mangel an freundlicher Zuwendung (z.B. kein Interesse am persönlichen Wohlergehen der Mitarbeiter), al-pha = .85; Mangel an Rückmeldungen (etwa für konstruktive Kritik), alpha = .82. Für die Skala Identifikation mit der Schule beträgt alpha = .76; für Involvement und Loy-alität mit der Schule: alpha = .53.

Tab. 2: Die benutzten Skalen mit Angaben zur Anzahl der Items, Inter-Itemkorrelation, Item-korrelationen mit dem Gesamtwert der eigenen Skala und zur Inneren Konsistenz.

Skala

Anzahl der

Items

Inter-Item- korrelation

Korrelation mit Skalen-gesamtwert

alpha

M

Diagnose Innere Kündigung 10 .11 – .73 .16 – .67 .81 1,970

Bruch des psycholog. Arbeitsvertrags 1 2,035

Inequity am Arbeitsplatz 3 .35 – .67 .42 – .66 .74 2,060

Mangel an kooperativer Führung 8 .11 – .73 .25 – .65 .79 1,913

Mangel an fachlicher Einbindung 4 .02 – .44 .18 – .46 .57 2,122

Mangel an Mitbestimmung und Beteili-gung

4 .47 – .79 .57 – .79 .84 1,873

Mangel an freundlicher Zuwendung 3 .65 – .67 .71 – .73 .85 1,960

Mangel an gegenseitigem Feedback 2 .70 .70 .82 1,981

Job Involvement 6 .23 – .64 .39 – .68 .81 2,729

Identifikation mit der Schule 2 .61 .61 .76 2,857

Loyalität zur Schule 2 .36 .36 .53 2,891

Mangel an Kontrolle im Unterricht 3 .58 – .63 .66 – .71 .82 2,020

Emotionale Erschöpfung MBI 9 .28 – .73 .39 – .81 .90 2,715

Dehumanisierung MBI 7 .04 – .55 .15 – .60 .64 1,977

Persönliche Erfüllung MBI 5 .18 – .51 .38 – .66 .78 3,661

Persönliche Erfüllung (Schmitz) 1 3,122

Zusätzlich wurden die Burnout-Skala von Maslach und eine weitere Aussage zur

Persönlichen Erfüllung vorgelegt. Die Reliabilitätswerte betragen für die Emotionale Erschöpfung alpha = .90 (im Vergleich: bei Enzmann/Kleiber, 1989: alpha = .82; bei Gusy, 1995: alpha = .86); Dehumanisierung alpha = .64 und für die Skala persönliche Erfüllung alpha = .78; Bruch des psychologischen Arbeitsvertrages (1 Item); Inequity am Arbeitsplatz, alpha = .74; Bindung an die Arbeit (Job Involvement), alpha = .80. Die Einzelheiten sind in Tabelle 2 dargestellt.

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Die Inneren Konsistenzen der Skalen sind insgesamt sehr befriedigend. Die Aussagen zur Loyalität und zur fachlichen Einbindung haben zu niedrige Alpha-Werte, auch die Korrelationen sind zu gering. Doch insgesamt liegt ein recht brauch-bares Frageninventar vor.

5. Die Ergebnisse

5.1 Zur Qualität der eingesetzten Skalen

Von den ursprünglich 14 Items wurden 10 Kernitems als Grundlage der Diagno-se IK in die vorliegende Analyse aufgenommen. Eine Faktorenanalyse (Varimaxrota-tion mit Kaiser Normalisierung, 5 Iterationen, ohne Voreinstellung) hatte drei Fakto-ren ergeben, die die Beibehaltung von 10 Items, die mit SIK1 bis SIK10 bezeichnet werden, rechtfertigten (vgl. Tab. 3).

Tab. 3: Faktorenstruktur der Skala ,Diagnose Innere Kündigung’. Grundlage: 10 Items mit Trenn-schärfekoeffizienten .40 und Faktorladungen .60 sowie Zweitladungen .30.

Faktor Bezeichnung und Wortlaut der Items I II III

SIK5 Ich habe mich genug für die Schule aufreiben lassen .82 SIK1 Im Laufe der Zeit habe ich das Interesse an Auseinander- Setzungen in der Schule verloren .78 SIk4 Ich mache oft Dienst nach Vorschrift .75 SIK6 Früher war ich viel engagierter .70 SIK3 Wenn ich kündigen könnte, würde ich kündigen .61 SIK9 Im Kollegium unterhalten wir uns oft über die Macken des Schulleiters .86 SIK7 In der Schule mangelt es an Humor und Gelassenheit .33 .68 SIK2 Es ist einfacher, ja zu sagen, als immer wieder mit

meinen Ideen vor die Wand zu laufen .49 .65 SIK8 Ich freue mich auf die Pausen .83 SIK10 Ich bin froh, wenn ich nach der Arbeit...nach Hause

gehen kann .30 .73

Eigenvalue 3.93 1.33 1.06 Aufgeklärte Varianz 39,2% 13.3% 10.6%

Aufgeklärte Varianz insgesamt: 63.1 %

Anmerkung: zur besseren Übersicht sind die höchsten Ladungen kursiv gesetzt.

Zweifellos repräsentiert der Faktor I sowohl inhaltlich als auch statistisch die

Kernaussagen der Inneren Kündigung. Faktor II deutet mit den drei Aussagen, insbe-sondere mit: ,Im Kollegium unterhalten wir uns oft über die Macken des Schullei-ters’, den eher aktiven Aspekt der Inneren Kündigung an, nämlich den Versuch, mit Hilfe von Humor und Witz bzw. ,ja sagen’ die unangenehmen Situationen zu bewäl-

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tigen. Die beiden Aussagen des Faktors III können dagegen auch von Personen bejaht werden, die im Prozess der Inneren Kündigung nicht weit vorangeschritten sind.

Der Anteil der aufgeklärten Varianz des Faktor I beträgt 39,2%, insgesamt wer-den über 63% der Varianz aufgeklärt. Zum Vergleich seien die Daten des in der For-schung sehr viel häufiger verwendeten MBI-D (deutsche Fassung des Maslach Bur-nout Inventory) mitgeteilt: Die Faktorenladungen betragen dort maximal .44 (Dehu-manisierung), .63 (Persönliche Erfüllung) und .76 (Emotionale Erschöpfung) (vgl. Neubach/Schmidt, 2000). Die Anteile der aufgeklärten Varianz – in derselben Rei-henfolge – waren 5,16%, 10,22%, 16,98%, insgesamt 32,14%.

Die statistischen Parameter der gesamten Skala Innere Kündigung SIK haben die Werte: Mittelwert = 1,97 (min 1,0; max 3,75), Standardabweichung = 0.61, Schie-fe (skewness) = ,67 und alpha = .81, Guttman split-half für je fünf Items alpha = .81 und .63.

Reliabilitätsanalyse: Die Korrelationskoeffizienten der Items des Faktors I der SIK liegen zwischen r = .30 bis .60; die Reliabilitätsanalyse ergab für diesen Faktor eine innere Konsistenz von Cronbachs alpha = .82. Wenn die Faktoren I und II, ins-gesamt 8 Items, zu einer Skala mit 2 Dimensionen zusammengefasst werden, ergibt sich eine innere Konsistenz von alpha = .83; bei allen drei Faktoren beträgt alpha = .81; wir tendieren jedoch dazu, den 3. Faktor aus inhaltlichen Erwägungen nicht so hoch zu bewerten wie die anderen beiden Faktoren – die statistischen Werte wären durchaus befriedigend –, da die Aussagen ,Ich freue mich auf die Pausen’ und ,Ich bin froh, wenn ich nach der Arbeit ... nach Hause gehen kann’ durchaus auch ohne Tendenz zur Inneren Kündigung bejaht werden könnten. Die split-half-Werte nach Guttman der ganzen Skala sind .71; alpha = .81 für Teil 1 (5 Items), .63 für Teil 2 (5 Items). Die besten Reliabilitätswerte ergeben sich, wenn die Faktoren I und II mit insgesamt acht Aussagen berücksichtigt werden.

Validitätsanalyse: Die Konstruktvalidität der SIK wird bereits dadurch gestützt, dass die Inhalte von Aussagen, wie ,Wenn ich kündigen könnte, würde ich kündigen’, nach Meinung verschiedener, oben zitierter, Autoren eine Operationalisierung des zu erfassenden Kernstücks der Inneren Kündigung darstellen. Doch diese Feststellung allein genügt nicht. Als Hauptbestandteile der Konstruktvalidierung gelten die kon-vergente und divergente Validität (Westermann 2000, 217; 302 f.). Unseren theoreti-schen Annahmen entsprechend müssten mit der Inneren Kündigung die Skala ,Bruch des psychologischen Arbeitsvertrages’ (IK2) und ,Inequity am Arbeitsplatz’ (IK3) positiv korrelieren. Tatsächlich bestätigt die empirische Prüfung diese theoretische An-nahme durch Korrelationen in drei Stichproben zwischen .52 und .74, alle für sozial-wissenschaftliche Zusammenhänge hoch und statistisch sehr signifikant (Tab. 4). Ähn-liches gilt für die Skalen der Mangel-Faktoren, während umgekehrt die Commitment-Faktoren und die Skalen ,Persönliche Erfüllung’ negativ korrelieren müssten.

Für die konvergente Validität ergibt die Validitätsprüfung tatsächlich positive Korrelationen mit den Skalen der Mangelfaktoren (Mangel an kooperativer Führung, Mangel an Mitbestimmung usw.). Die Korrelationen fallen naturgemäß bei den grö-

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ßeren Stichproben deutlicher aus. Eine weitere Bestätigung bringen die Skalen ,Emo-tionale Erschöpfung’ und ,Dehumanisierung’ des MBI (Tab. 4).

Für die divergente Validität ergibt die Validitätsprüfung, wie theoretisch erwar-tet, negative Korrelationen mit den Skalen des Commitment-Faktors ,job involve-ment’, Identifikation mit der Schule und Loyalität zur Schule. Beide Skalen zur ,Persönlichen Erfüllung’ ergänzen diese Bestätigung (Tab. 4).

Diese empirischen und mathematischen Befunde stammen aus unserer vorlie-genden Erhebung, aus der ursprünglichen Erhebung von Krenz (1996) mit Personen ausserhalb des Schulbereichs und aus der erwähnten Erhebung mit psychosomatisch erkrankten Lehrpersonen von Jehle et al. (in Vorb.). Mit durchweg hoch signifikanten und sehr zufrieden stellenden Korrelationen darf die Validität der Skala Innere Kün-digung als gegeben betrachtet werden.

Tab. 4: Korrelationen der Skala Diagnose Innere Kündigung (SIK) mit den Skalen zur Erkundung der Schulkultur (** = p < .001).

Nr. der Skala

Diagnose innere Kündigung (IK1) korreliert mit

Prien (N = 29)

Krenz 1996

(N= 205)

München (N = 115)

IK2 Bruch des psychologischen Arbeitsvertrags .74** .55** .54**

IK3 Inequity am Arbeitsplatz .52** .58** .65**

IK4 Mangel an kooperativer Führung .25 n.s. .68** .56**

IK5 Mangel an fachl. Einbindung in den Schulbetrieb .59** .46** .44**

IK6 Mangel an Mitbestimmung und Beteiligung .22 n. s. .69** .64**

IK7 Mangel an freundlicher Zuwendung .26 n. s. .63** .65**

IK8 Mangel an gegenseitigem Feedback .30 n. s. .60** .57**

IK9 Job Involvement – .21 n. s. – .41** -.66**

IK10 Identifikation mit der Schule/dem Unternehmen – .43** – .48** -.54**

IK11 Loyalität zur Schule/zum Unternehmen – .51** – .63** -.63**

Mangel an Kontrolle im Unterricht .51**

Emotionale Erschöpfung MBI .67**

Dehumanisierung MBI .59**

Persönliche Erfüllung MBI -.47**

Persönliche Erfüllung (Schmitz) -.51**

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5.2 Das Strukturmodell

Sinn und Zweck einer kausalen Strukturanalyse liegen in der Darstellung und mathematischen Prüfung der kausalen Abhängigkeiten zwischen Variablen. Auf der Basis eines theoretisch fundierten Hypothesensystems wird mit Hilfe der kausalen Strukturanalyse überprüft, ob die theoretisch aufgestellten Beziehungen mit dem em-pirisch gewonnenen Datenmaterial übereinstimmen (Backhaus et al. 2000). Es wird angenommen, dass das Merkmal ,Innere Kündigung’ von der Wahrnehmung von ,Inequity’ direkt abhängig ist und durch die Mangelfaktoren (Mangel an kooperativer Führung, an fachlicher Einbindung, an Mitbestimmung und an Zuwendung) direkt oder indirekt ,gefördert’ wird, während die Commitment-Faktoren (Loyalität, Identi-fikation, Involvement), vermittelt durch die Variable Persönliche Erfüllung, mindernd auf das Ausmaß von Innerer Kündigung wirken. Da über die Unterschiede der Stärke der direkten und der vermittelten Beziehungen im gesamten Variablensystem nicht von vornherein Klarheit herrscht, hat die mathematische Kausalanalyse hier sowohl hypothesenprüfende als auch strukturgenerierende Ziele. Ein Sonderstatus kommt der Variablen Persönliche Erfüllung zu. Sie kann sowohl Bedingung als auch Folge von Commitment-Faktoren sein. Deshalb wird in unserem Modell eine Wechselbeziehung dieser Variablen dargestellt. Damit ist jedoch keineswegs eine Rückmeldungsschleife i.S. eines feedback angenommen. Das wäre ein völlig anderer Fall; unser Modell ist ein rekursives Modell. Darin wird lediglich angenommen, dass beide Bedingungs-möglichkeiten gegeben sind.

Das mathematische Struktur-Modell ist in Abbildung 1 graphisch dargestellt. Es enthält insgesamt 10 Variablen. Eine mathematische Unabhängigkeit der sieben be-obachtbaren exogenen Variablen untereinander wird als unwahrscheinlich betrachtet, vielmehr werden einerseits für die vier ,Mangel-Faktoren’ und andererseits für die Variablen Identifikation, Loyalität und Involvement des Bereichs Commitment je-weils Kovarianzen vermutet. Dagegen dürften die Mangelfaktoren und die Commit-ment-Faktoren jeweils zusammengefasst miteinander, falls überhaupt, eher negativ kovariieren. Gezielte Annahmen dazu erscheinen nicht notwendig. Die zwei beob-achtbaren endogenen Variablen ,Inequity’ und ,Persönliche Erfüllung’ werden im Modell als teilweise vermittelnde Zwischenvariable verortet. Darüber hinaus wird für die ,Persönliche Erfüllung’, wie im Theorieteil begründet, eine Wechselwirkung zu den Commitment-Variablen angenommen, ungeachtet der Einzelheiten. Die ,Diagno-se Innere Kündigung’ ist als kausaler Endpunkt des Modells eine beobachtbare, en-dogene Variable. Das Modell wurde mit der Maximum-Likelihood-Methode, dem am häufigsten angewandten Verfahren zur Schätzung von Modellstrukturen (Rechenpro-gramm AMOS für kausale Strukturanalysen, Arbuckle 1997) getestet. Die Vorausset-zungen der ML-Methode (Stichprobenumfang, multivariate Normalverteilung der be-obachtbaren Variablen, Kontinuität der faktorenbasierten Skalen und deren Validitä-ten) sind gegeben.

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56 Edgar Schmitz, Bärbel Gayler, Peter Jehle: Gütekriterien und Strukturanalyse zur Inneren Kündigung

Abb.1: Das kausale Strukturmodell der Inneren Kündigung

.07 .27 .11 .05 .10

.14 .26 .27 .22 .11 -.22 -.15 -.22 -.15 -.12 .11 .22 .57

Die Pfadkoeffizienten geben den Grad der Beeinflussung an. Streuungswerte und Covarianzen wurden aus Gründen der Übersicht fortgelassen. Theoriekonform sind auch die positiven bzw. negativen Wertungen der Beziehungen zwischen den Variablen. Zum Zweck der Beurteilung der Anpassung des Strukturmodells an die empirischen Daten unserer Erhebung werden in Tabelle 5 der Chiquadrat-Wert, die Zahl der Freiheitsgrade (df) und die Signifikanz (p), der Goodness-of-Fit-Index (GFI), der Adjusted Goddness-of-Fit-Index (AGFI), der Residualwert (RMR) und der Hoelter-Schätzwert simultan betrachtet.

Tab. 5: Ergebnisse der Modelltestung an N = 115 Lehrpersonen

X2 df p GFI AGFI RMR Hoelter

24,22 16 .09 .961 .870 .077 151

Die Ergebnisse der Modelltestung sind in Tabelle 5 dargestellt. Unser theoreti-

sches Modell stimmt gut mit den empirischen Daten überein: Der Fit, also die Über-einstimmung von Modell und Daten, ist gegeben, wenn die Differenzen zwischen Modell und Daten nicht signifikant sind. Da p > .05 ist, muss die Unterschiedshypo-these mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückgewiesen werden. Vier weitere Prüfindices

Mangel an Zuwendung

Loyalität

Mangel an ko-operativer Füh-rung

Identifikation

Involvement

Mangel an Mitbestimmung

,inequity’

Persönliche Erfüllung

Innere Kündigung

Mangel an fachl. Einbindung

Mangel an feedback

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werden herangezogen: Der Goodness-of-Fit-Index (GFI), der ebenfalls die Anpas-sung von empirischen Werten und erwarteten Modellwerten testet, bestätigt, dass die Null-Hypothese beibehalten werden kann; der GFI wird durch die Indices NFI: 0,97 und IFI: 0,99 voll bestätigt. Der Adjusted-Goodness-of-Fit-Index (AGFI), der die Freiheitsgrade in die Rechnung integriert, könnte besser sein. Der Residualwert RMR liegt unter dem kritischen Wert .08. Er umfasst mögliche Messfehler und/oder Effek-te von Drittvariablen; m.a.W. er repräsentiert die verbleibende Diskrepanz zwischen unserem theoretischen Modell und den empirischen Werten (vgl. Byrne, 2001). Schließlich gibt Hoelters ,kritisches N’ den Stichprobenumfang an, unter dem die Hypothese, dass unser Modell korrekt ist, angenommen werden kann. Der Wert über-steigt unsere Stichprobengröße.

6. Schlussfolgerungen und Diskussion

Die vorgestellten Ergebnisse zu Testgütekriterien und zur kausalen Struktur der Skala ,Innere Kündigung’ sind als zufrieden stellend zu bewerten. Es zeigt sich, dass die ,Innere Kündigung’ im Rahmen eines komplexen kausalen Struktur-Modells an-hand bestimmter Bedingungsvariablen und der vermittelnden Variablen ,Inequity’ und ,Persönliche Erfüllung’ eine brauchbare wissenschaftliche Erklärung findet. Ob-wohl der Hoelter-Schätzwert über unsere Stichprobe von 115 Lehrpersonen hinaus-weist und obwohl die Kriteriumsvalidität gesichert ist, hat das Strukturmodell zu-nächst nur unter den Bedingungen unserer Stichprobe bzw. einer erweiterten Stich-probe von berufstätigen Lehrpersonen Gültigkeit. Insgesamt lässt sich feststellen, dass nunmehr die Innere Kündigung ein operationalisierbares, d.h. auf Beobach-tungsdaten basierendes, theoretisches Konstrukt darstellt und dass mit der Skala Inne-re Kündigung (SIK) ein brauchbares Instrument zur Erhebung und Quantifizierung des Grades der Inneren Kündigung vorliegt.

Die Unterscheidung von Innerer Kündigung und Burnout dürfte weitgehend ge-klärt sein: Der Burnout betrifft per definitionem Berufe mit einer Helfer-Empfänger-Beziehung, wo vom Rezipienten u.a. auch emotionale Zuwendung erwartet wird. Die emotionale Beziehung spielt in wirtschaftlichen Unternehmen eher eine untergeord-nete Rolle, daher ist eine entscheidende Voraussetzung für das Ausbrennen nicht ge-geben. Dem entsprechend unterscheiden Pines/Aronso/Kafry (1981) zwischen Burn-out in helfenden bzw. sozialen Berufen und ,Tedium’ bei allen anderen. Tedium be-deutet jedoch Überdruss und hat eine enge Beziehung zur Inneren Langeweile (zum Bordom-Syndrom vgl. Schmitz/Hauke, 1999), ist also keineswegs mit Innerer Kündi-gung identisch. Die Innere Kündigung ist stets durch die Aufgabe der wesentlichen beruflichen, übergeordneten und bedeutsamen Soll-Vorstellungen gekennzeichnet. Da diese Vorstellungen eine verhaltensführende Funktion haben, ändert sich auch das Verhalten. Innere Kündigung führt, wie bereits Sieland (1991) und Krenz (1996, 12; Krenz-Maes 1998, 49) darlegen, zu einem Rückzug aus der Verantwortung am Ar-beitsplatz, während beim Burnout kein Rückzug aus der Verantwortung stattfindet. Der Ausgebrannte hält an den eigenen verpflichtenden Soll-Vorstellungen fest, aller-dings dekonstruiert er zeitweise seine Referenzwerte auf die bloße Handlungsausfüh-

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rung, so dass er vorübergehend das Gefühl hat, sich selbst untreu geworden zu sein. Ein innerlich Gekündigter kann sein Anspruchsniveau senken, ein Ausgebrannter nicht. Der Ausgebrannte kann nicht leisten, was er gerne leisten möchte, der Innerlich Kündigende könnte vielleicht, aber er mag nicht mehr.

Bei Lehr- und Sozialberufen betrifft die Innere Kündigung die Beziehung zur Schul- und Organisationsleitung, also zur höheren Hierarchieebene der Organisation, nicht zu den Schülern und Rezipienten, während der Burnout die Beziehung zu den Schülern, Patienten, Klienten und sonstigen Rezipienten betrifft. Der Ausgebrannte hält ,im Prinzip’ an den Idealen fest (an den Commitment-Faktoren), der Innerlich Gekündigte hat sie aufgegeben, er hat kein Identitätsgefühl mit der Schulleitung, wohl aber mit den Schülern. Der Ausgebrannte hält grundsätzlich an den Verpflich-tungen gemäß seiner beruflichen Selbstdefinition fest, der Innerlich Kündigende gibt sie auf und ändert seine berufliche Selbstdefinition.

Innere Kündigung ist also nicht einfach eine Vorstufe des Ausbrennens, wie ge-legentlich geäußert wurde. Jedoch weisen die relativ stabilen Korrelationen zwischen Innerer Kündigung und Burnout darauf hin, dass beide eine teilweise gemeinsame Symptomatik bilden können. Es gibt Lehrer und Sozialberufler, die innerlich gekün-digt haben, aber – eben deshalb – nicht ausbrennen. Das sind diejenigen, die zur akti-ven Form der Inneren Kündigung neigen, sich einen gewissen Freiraum des pädago-gischen Handelns erkämpfen und so – bei Erfolg – die Innere Kündigung überwinden können. Dieser Personenkreis vermag die Begeisterung für den Beruf, für den Um-gang mit Schülern bzw. Rezipienten, zu erhalten.

Für weitere Studien könnte der prozessuale Aspekt erweitert werden, etwa – wie bei Richter (1999) – durch Fragen, ob der/die Mitarbeiter sich bereits zu einem frühe-ren Zeitpunkt ihrer Organisationszugehörigkeit im Zustand der Inneren Kündigung befunden hätten und wie dieser Zustand geendet hat. Ferner könnte anhand einer dis-kriminanzanalytischen Studie geprüft werden, welche diskriminativen Werte den un-abhängigen Merkmalen der Inneren Kündigung zukommen. Interessant wird es sein, die Beziehungskonstellationen in den Tätigkeitssettings auszudehnen und im Schul-bereich die innere Kündigung z.B. von Lehrpersonen gegenüber ihren Schülern und umgekehrt oder im Wirtschaftsbereich die inneren Kündigung von Vertriebs- oder Dienstleistungsmitarbeitern gegenüber ihren Kunden zu untersuchen. Eine weitere Studie könnte den prozessualen Aspekt im Hinblick auf eine sich anbahnende Dienstunfähigkeit stärker beleuchten, wenn neben dem Fragebogen zur Inneren Kün-digung ein die Krankheitsgeschichte betreffendes, prozessorientiertes Frageninventar angegliedert würde.

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