Die Macht und Ohnmacht der Bilder Einige Anmerkungen zum Reformationsjubiläum 1 von Andreas Pawlas I Bilder für menschliches Leben elementar Da Bilder in ihrer Macht und Ohnmacht, für menschliches Leben elementar sind, muss jede Beschäftigung mit ihnen bruchstückhaft bleiben. Allerdings ergibt sich eine spannende Beziehung zu den Bildern aus der Sicht der Reformation. Denn eigentlich will sich Reformation am „Wort” als Glaubensgrundlage orientieren 2 mit einer oft 1 Vortrag auf dem Einkehrtagung der Schleswigholsteinischen Genossenschaft des Johanniterordens am 20.9.2015 in Ueteresen 2 Vgl. z.B. Röm. 10,17 mit dem vielzitierten „Fides ex auditu” (So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.) von z.B. E. Bizer, Fides ex auditu. Eine Untersuchung über die Entdeckung der Gerechtigkeit Gottes durch Martin Luther. Neukirchen-Vluyn 1966 bis zu D. Gebhard, Glauben kommt vom Hörensagen, Göttingen 2010. Oder Ringleben kann betonen: „Wie Gott in der Sprache wohnt, so wohnt Gottes Wort im Geist und kommt im Wortgeschöpf(dem Menschen) in sein Eigentum (Joh 1,11a).” Vgl. J. Ringleben, Gott im Wort. Luthers Theologie von der Sprache her. Tübingen 2010, S. 119; Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 24; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN- KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 58
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Die!Macht!und!Ohnmacht!der!Bilder!!! IBilder ......Vgl. z.B. allein die repräsentative Einreihung von Ramses II. unter die Reihe der Götter in Abu Simbel. 29 Vgl. z.B. die Zerstörung
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Die Macht und Ohnmacht der Bilder Einige Anmerkungen zum Reformationsjubiläum1 von Andreas Pawlas I Bilder -‐ für menschliches Leben elementar Da Bilder in ihrer Macht und Ohnmacht, für menschliches Leben elementar sind, muss jede Beschäftigung mit ihnen bruchstückhaft bleiben. Allerdings ergibt sich eine spannende Beziehung zu den Bildern aus der Sicht der Reformation. Denn eigentlich will sich Reformation am „Wort” als Glaubensgrundlage orientieren2 mit einer oft
1 Vortrag auf dem Einkehrtagung der Schleswigholsteinischen Genossenschaft des Johanniterordens am 20.9.2015 in Ueteresen 2
Vgl. z.B. Röm. 10,17 mit dem vielzitierten „Fides ex auditu” (So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.) von z.B. E. Bizer, Fides ex auditu. Eine Untersuchung über die Entdeckung der Gerechtigkeit Gottes durch Martin Luther. Neukirchen-Vluyn 1966 bis zu D. Gebhard, Glauben kommt vom Hörensagen, Göttingen 2010. Oder Ringleben kann betonen: „Wie Gott in der Sprache wohnt, so wohnt Gottes Wort im Geist und kommt im Wortgeschöpf(dem Menschen) in sein Eigentum (Joh 1,11a).” Vgl. J. Ringleben, Gott im Wort. Luthers Theologie von der Sprache her. Tübingen 2010, S. 119; Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 24; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 58
beklagten (angeblichen) Betonung des Rationalen und Lehrhaften3. Trotzdem gibt es gegenwärtig Stimmen, die innerhalb der Geschichte der Bilder gerade der Reformationszeit eine „herausragende Stellung”4 zumessen. Sie wird sogar als die „Achsenzeit” im Umgang mit dem Bild angesehen5.
Denn in ihr hätten sich einerseits sowohl die Theologen als auch die Laien, Magistrate genauso wie der Gemeine Mann spirituell, emotional und rational intensiv mit dem Phänomen „Bild” beschäftigt. Darüber hinaus gelte aber auch das durchaus gemäßigte Urteil Martin Luthers: die Bilder seien „weder gut noch böse, man kann sie haben oder nicht haben”6, als „Freibrief“ verstanden, mit dem die Moderne beginne7, denn dadurch verlören Bilder ihre kultische Machtfunktion, weil sie nicht mehr angebetet würden.8 Das ist auch das Resümee der Reformationszeit.
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Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 23; bis dahin, dass das „Wort” im Protestantismus „nahezu zum Fetisch” erhoben wurde. Vgl. H.-M. Barth, Dogmatik. Evangelischer Glaube im Kontext der Weltreligionen. Gütersloh 20022, S. 582
4 Vgl. P. Blickle, Bilder und ihr gesellschaftlicher Rahmen. Zur Einführung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J.
Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 4.
5 So Hans Belting bestätigend P. Blickle, Bilder und ihr gesellschaftlicher Rahmen. Zur Einführung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/
H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 4.
6 Vgl. WA 10 III, 35,7-9 („... die bilder seindt weder sonst noch so, sie seindt weder gut noch bóße, man mag sie han oder nit
haben”) u.ö. 7
Vgl. W. Hofmann, Luther und die Folgen für die Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. München 1984, S. 70
8 Vgl. P. Blickle, Bilder und ihr gesellschaftlicher Rahmen. Zur Einführung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J.
Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 4.
Dennoch können dazu im Blick in die heutige Zeit Zweifel aufkommen. Denn wie soll man es verstehen, dass z.B. in Moskau Lenin nach dem Vorbild mittelalterlicher Reliquien einbalsamiert und nach wie vor zur Schau gestellt wird,9 oder dass in Deutschland Bildzeichen wie etwa das Hakenkreuz nach wie vor verboten sind10, oder auch dass in einem ganz anderen Sinne etwa solchen Philosophen wie Dewey und Habermas ein „iconoclastic view”11 unterstellt wird. Aber ein solcher Umgang mit dem Bildhaften darf es nicht verwundern. Denn offensichtlich ist das Bildhafte auf das Engste mit der menschlichen Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer inneren Verarbeitung verbunden. Es ist offenkundig, dass „der homo pictor immer schon in der Bildsphäre ist, lebt und sich vorfindet.“12 Ferner darf auch nicht übersehen werden, dass die Vernunft erst „durch die Vermittlung des Bildes ... sehend und beredt” wird.13 Und dennoch darf nicht vergessen werden, dass für ein menschliches Wesen Vernunft nicht alles ist, und dass das Hören entwicklungsmäßig vor dem Schauen kommt,
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Vgl. P. Blickle, Bilder und ihr gesellschaftlicher Rahmen. Zur Einführung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 2f. (insgesamt sollen 70000 Lenin-Denkmäler in Rußland gestanden haben)
10 Vgl. §86 Abs.1 S.4 StGB („Wer Propagandamittel ..., die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen
nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen, im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”)
11 Vgl. C. A. Finnegan/ J. Kang, “Sighting” the Public: Iconoclasm and Public Sphere Theory, in: Quarterly Journal of Speech Vol.
90, No. 4, November 2004, pp. 377-402 hier: S. 380 12
Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 141
13 Vgl. E. Biser, Art Bild, in: H. Krings/ H. M. Baumgartner/ C. Wild (Hrsg.), Handbuch philosophischer Grundbegriffe, Bd. 1
München 1973, S. 254
weshalb die Dimensionen des Glaubens mehr und auch Anderes umschließen muss als die Dimension der Vernunft. Und so ist Kunstmann zuzustimmen, der unter Bilder ebenso wie Luther14 auch Vorstellungen mit einschließen will, und damit die gesamte Lebenssteuerung, da sie letztlich nicht von Begriffen sondern von Vorstellungen geleitet werde.15 Andererseits ergibt sich gerade aus dieser zumindest möglichen Universalität und Potenz seit Menschengedenken16 die politische, religiöse oder wirtschaftliche Macht der Bilder, und als ihre Kehrseite der Streit um die Bilder. Und in der gegenwärtigen Postmoderne spricht man etwa vom „iconic turn”17, „imagic turn”18 oder „pictorial turn”19 oder gar vom „ikonischen Zeitalter”20 und von einer unübersehbare ‚Bilderflut‘, die auf uns eindringt. Dagegen war es in vergangenen Zeiten so, dass die Beschäftigung mit Bildern immerhin vergleichbar mit dem zu tun hatte, „was in einer Gemeinschaft wirklich wichtig war”21. Von diesem Gedanken her ist völlig konsequent, dass darum Bilder auch immer in Verbindung zu dem letztlich Lebensbestimmenden, also zum Göttlichen/ Religiösen gesehen wurden. Und ebenso konsequent war es, dass die Bilder und ihre Macht Grund für eine Fülle intensiver, bis hin in politische Unruhen reichende Massen-‐Auseinandersetzungen waren. Es ging dann dabei nicht – wie Belting vermerkt – um das „Bildsein der Bilder” im modernen Sinne, sondern um die „Repräsentation einer Idee”.22 Das war dann auch
14 Vgl. WA 14,622,14-24 15
Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 30f. 16
Zur politisch-religiösen (Propaganda-) Macht der Bilder im alten Orient vgl. z.B. I. Winter, On Art in the Ancient Near East: Of the First Millennium B.C.E, Band 1, Leiden 2010
17 Vgl. G. Boehm, Die Wiederkehr der Bilder, in: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 13
18 Vgl. Ferdinand Fellmann: Symbolischer Pragmatismus. Hermeneutik nach Dilthey. Hamburg 1991, S. 26
19 Vgl. W. J. T. Mitchell, The Pictorial Turn, in: Artforum, März 1992, S. 89-95, hier S. 89; vgl. dazu E. Führ, lkonik und
Architektonik, in: Die Realität des Imaginären. Architektur und das digitale Bild. 10. Internationales Bauhaus-Kolloquium, Weimar 2007, S. 49
20 Vgl. G. Boehm, Die Bilderfrage, in: Ders. (Hrsg.), Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 325 21
Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 11f.
22 Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und
Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 11f.
der Grund, weshalb Bilder als „Medium der Machtausübung”23 verstanden und etwa mit dem Ziel der Machtveränderung attackiert wurden. Dem liegt die Wahrnehmung Stoellgers zugrunde, dass Macht offenbar Manifestation braucht, wozu dann Bilder dienen können. Dabei sei das Sich-‐Zeigen von Macht theologisch traditionell eben die Offenbarung Gottes gewesen, „von der Schöpfung, dem(n) brennenden Dornbusch über die Geschichte Israels, dem(n) Tempelkult bis zu Inkarnation“ und Auferweckung. Und wenn weiter Sichtbarkeit und Macht zusammengehören, dann findet sich dort auch der Ort für den Kampf um „Aufmerksamkeit, öffentlichen Einfluß, Quoten und letztlich um Deutungsmacht.“24 Ist nun unser „säkulares” Zeitalter über solche Auseinandersetzungen erhaben? Oder könnte es etwa sein, dass hinsichtlich der Bilder nur alte Fragen von Religion und Macht in einem neuen Gewand erscheinen? Hier ist gefordert, verantwortlich Rechenschaft zu geben. Und da ist ein Blick auf die „Achsenzeit” im Umgang mit dem Bild unvermeidlich, nämlich ein Blick auf die von Bilderstürmen geschüttelte Zeit der Reformation mit der Position Luthers. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die dort angeführten Argumente kaum ohne die vorlaufenden Positionierungen, wie etwa dem alttestamentliche Bilderverbot25 und dem byzantinischen Bilderstreit26 verständlich sein können.27 23
Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 12
24 Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI
ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 143 25
So auch selbst im Blick auf die moderne Kunst der Argumentationsgang von G. Boehm, Die Bilderfrage, in: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 21995 (19994), S. 327-329
26 Vgl. auch W. Hofmann, Luther und die Folgen für die Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die
Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. München 1984, S. 68 27
Als geschichtlich entscheidende „Bilderstürme” werden von Asmuth gesehen und von Krüger offenbar akzeptiert: die Ausbildung des biblischen Bilderverbots, der byzantinische Bildersturm und der reformatorische Bildersturm. Vgl. M. D. Krüger, Rezension Asmuth, Christoph: Bilder über Bilder, Bilder ohne Bilder. Eine neue Theorie der Bildlichkeit. Darmstadt 2011, in: ThLZ 12/2012, Sp. 1383.
II Entmächtigung der Bilder durch das alttestamentliche Bilderverbot Schauen wir auf die altägyptischen Kultur, ist zu sehen, dass dort die unbedingte Verehrung der Bilder von Göttern und Pharaonen28 zum politischen Alltag gehörte. Allerdings entsprechend auch die Beschädigung oder Vernichtung der Bilder von „in Ungnade gefallenen” politischen Personen bis hin zum Pharao29. Denn offenbar sollte in der Alten Welt ein (Kult-‐) Bild grundsätzlich „das Heilige sichtbar erscheinen lassen und damit irdisch vergegenwärtigen”.30 Zu dieser Stufe des religiösen Verstehens gehörte dann auch „eine weitgehende oder vollständige Identifikation des Bildes mit der durch dieses repräsentierten Gottheit, deren Realpräsenz im Bild angenommen wird.” Und dem Bild wurde dann nicht mehr eine vermittelnde Funktion zugedacht, sondern „eine eigenständige sakrale Macht”. Die stellte dann die Grundlage der kultischen Verehrung des Bildes dar.31 Darum musste bei einem unfreundlichen Machtwechsel eine Zerstörung der bislang herrschenden Pharaonen-‐Bilder nur konsequent erscheinen. Es ist nun genau diese Gedankenwelt, die im Hintergrund steht, wenn Gott im Alten Testament seinem Volk am Sinai im Rahmen des Dekalogs verbietet, sich Bilder zu machen. In Erläuterung zu der Weisung „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.” heißt es weiter „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf
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Vgl. z.B. allein die repräsentative Einreihung von Ramses II. unter die Reihe der Götter in Abu Simbel. 29
Vgl. z.B. die Zerstörung des Gesichtes von Hatschepsut, Echnathon usw. in ihren Portraits und Statuen nach ihrem Tode 30
Vgl. G. Lanczkowski, Bilder I. Religionsgeschichtlich, in: TRE Bd 6, S. 516. Dabei wurde dem Bilde Heiligkeit zusätzlich durch eine Konsekration verliehen, die oft mit einer Salbung verbunden war.
31 Vgl. G. Lanczkowski, Bilder I. Religionsgeschichtlich, in: TRE Bd 6, S. 516. Allerdings verweist Thümmel im Blick auf die
(spätere) heidnische Antike auf Übergänge zwischen unreflektierter Identifizierung und vergeistigter Auffassung des dort unbestrittenen Zusammenhanges von Götterbild und Gottheit. Vgl. H. G. Thümmel, Bilder IV. Alte Kirche, in: TRE Bd 6, S. 525
Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!”32
Und unter Bildnis ( (לפם ist dabei präziser eine aus Stein gehauene oder aus Holz geschnitzte Götzenstatue, also ein „Kultbild”33, zu begreifen. Dessen Anbetung ist untersagt. Insofern verbietet das Bilderverbot nicht generell Bilder -‐ sondern das Bilderverbot wendet sich gegen die Idolatrie.34 Allerdings darf hier nicht übersehen werden, dass es vor der „Entzauberung der Bilder” in der Reformationszeit wohl kaum Bilder gab, die nicht Gottheiten und (göttlich verehrten) Herrschern sakral oder quasisakral gewidmet waren.35 Auf jeden Fall wird kulturgeschichtlich das dem Alten Gottesvolk vorgegebene und wohl auch durchgehaltene36 Bilderverbot als weitgehend einzigartig 32
Vgl. Ex 20, 3-5a, vgl. auch Dtn 4,15-19 oder Dtn 5,8-10 33
in: O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments. Bd. 2, Jahwe der Gott Israels, Schöpfer der Welt und der Menschen , Göttingen 1998, S. 173; Die appositionelle Erweiterung Dm 5,8aßb (»irgendeine[rJ Gestalt im Himmel, auf Erden oder im Wasser«, vgl. 4,16b-17) bezieht sich auf anthropomorphe und theriomorphe Größen als Vorbild einer Kultstatue.” Vgl. C. Uehlinger, Art. Bilderverbot, in RGG I4, Sp. 1575
34 Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 30f.
35 Es bleibt dahingestellt, ob E. Cancik-Kirschbaum, Religionsgeschichte oder Kulturgeschichte? Über das Verhältnis von Kunst
und Religion im Alten Orient, in: Richard Faber/Volkhard Krech (Hg.), Kunst und Religion. Studien zur Kultursoziologie und Kulturgeschichte, Würzburg (Königshausen & Neumann) 1999, 101-118 damit Recht hat, „dass bereits die altorientalischen Hochkulturen eine von ihren Religionen unterschiedene und mithin ,,autonome” Kunst besaßen und leitet daraus das Plädoyer ab, die Debatten über das Verhältnis von Religion und Kunst von religionsgeschichtlichen Perspektivbeschränkungen zu befreien und als kulturgeschichtliche Debatten zu führen.” Vgl. C. Albrecht, Kunst und Religion. Ein Forschungsüberblick, in: IJPT 2004, vol. 8, pp. 251-287, Hier 258
36 Stoellger meint hier betonen zu müssen, dass es im alten Israel faktisch Bilder gab. Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und
die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 27. O. Kaiser relativiert das jedoch: „Die in der Tat gefundenen Horte mit Terrakottafigurinen männlichen und weiblichen Geschlechts befinden sich sämtlich außerhalb der offiziellen Heiligtümer und
gewertet. Und faktisch führte es zu einer (gewollten) Absonderung dieses Volkes unter den Völkern der Alten Welt. Und später wusste man zu analysieren, dass wohl der „ferne und unnahbare, der unsichtbare jüdische Gott .. seine entscheidende Alterität gegenüber der Menschenwelt nur dann (behält), wenn gewährleistet wird, daß er in ihr keine mögliche Entsprechung besitzt. Jedes Bild müßte diesen prinzipiell fremden und abgründigen Gott verkürzen und mindern.”37 Gleichzeitig wird damit aber dem (Götzen-‐) Bild eine gewaltige Macht zuerkannt, nämlich tatsächlich die Fähigkeit, „ein ungreifbares und fernes Sein zu vergegenwärtigen”, gar eine „Gleichheit mit dem Dargestellten.” Aus dieser Perspektive ist dann das alttestamentliche goldene Kalb38 tatsächlich ein Gott. Denn das „Bild und sein Inhalt verschmelzen bis zur Ununterscheidbarkeit.”39 Und genau darum muss dem Alten Gottesvolk ein verfügbares Bild des unverfügbaren Gottes untersagt sein. Otto Kaiser bemerkt hierzu, dass die bildlose Verehrung Jahwes nach der Zerstörung der selbständigen Staatlichkeit Israels (722/587 v. Chr.) den Charakter des status confessionis erhielt. Denn sie verlieh sehr wohl dem „Unterschied zwischen Jahwe und den anderen Göttern auf unmittelbare Weise Ausdruck”, aber gab auch den Siegern, die zwar die goldenen und silbernen Tempelgeräte nach Babylon bringen konnten, keine Möglichkeit, ein Gottesbild aus Jerusalem und damit den Gott der Besiegten im Triumph nach Babylon fortzuschleppen.40
können als Zeugnisse der weiterhin kanaanänisch beeinflussten Volksreligion betrachtet werden.” Vgl. in: O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments. Bd. 2, Jahwe der Gott Israels, Schöpfer der Welt und der Menschen , Göttingen 1998, S. 172. Vgl. auch P. Welten, Bilder II. Altes Testament, in: TRE Bd 6, S. 520: „Angesichts des reichhaltigen Bildmaterials aus dem alten Israel könnte man vermuten, das Bilderverbot sei nur partiell und vielleicht auch erst spät bekannt geworden und zur Wirkung gekommen. Diese Vermutung wird allerdings dadurch, daß sich neben Ex 20,4-6 und der Parallele in Dtn 5,8-10 auch in allen anderen alten Gesetzeskorpora entsprechende Formulierungen finden (Ex 20,23; 34,14.17; Lev 19,4; Dtn 4, 16-19; 27,15), widerlegt.”
37 Vgl. G. Boehm, Die Bilderfrage, in: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 329
38 Vgl. 2. Mose 32
39 Vgl. G. Boehm, Die Bilderfrage, in: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 330
40 in: O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments. Bd. 2, Jahwe der Gott Israels, Schöpfer der Welt
und der Menschen , Göttingen 1998, S. 174
Und weiter hebt Kaiser hervor: „Der bildlos verehrte Gott steht nicht nur höher als alle anderen Götter, sondern er ist seit der Schöpfung der Welt der einzige Gott. Hat er Israels Väter und ihre Nachkommen erwählt und daher aus Ägypten befreit .. , so schulden sie ihm Gehorsam.”41 Gleichzeitig klingt damit der generell mit der Dimension der Hörens verbundene Aspekt des Gehorchens hindurch.42
So bleibt festzuhalten, dass im Alten Gottesvolk das Bilderverbot insgesamt eine massive Entmächtigung der Bilder bedeutete. Das schloss allerdings nicht aus, dass im „Wort Gottes”, also dem Alten Testament, durchaus von Erscheinungen Gottes die Rede ist43 und eine überwältigend Fülle von „Figurationen Gottes” benutzt wurden, wie etwa “Arm”, “Hand”, “Burg”, “Turm”, “Stein”, “Fels”, “Berg”, “Auge”, “Kreis”, “Rad”, “Feuer”, “Sonne”, “Kind”. Und in dieser
41
Vgl. O. Kaiser, Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments. Bd. 2, Jahwe der Gott Israels, Schöpfer der Welt und der Menschen , Göttingen 1998, S. 179 mit Bezug auf 5. Mose 4,36-40
42 Vgl. R. Bultmann, Der Begriff des Wortes Gottes im Neuen Testament, in: R. Bultmann, Glauben und Verstehen. Gesammelte
Aufsätze. Bd. I Tübingen 19666, S. 273: „Vom Hören hängt alles ab; wer Ohren hat zu hören, der höre! Seht zu, was ihr höhrt! Hört und erfaßt es! Das Hören ist also kein bloßes Anhören, sondern ein Gehorchen, das mit dem Tun verbunden ist”.
43 „Aber man sollte bemerken, Gott spricht nicht nur, Gott zeigt sich auch. Er zeigt sich biblischer Tradition zufolge nicht allein und
daher nicht exklusiv im Wort, sondern biblischer Narration zufolge durchaus auch visuell: vom Dornbusch zur Rauch und Feuersäule, von der Sintflut und dem Regenbogen bis zur Schönheit der Schöpfung.“ Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 28. Allerdings weist hier Stoellger gleichzeitig auf das Phänomen der „Präsenz im Entzug“ hin, denn als Mose Gott sehen soll, erhält er die „Schau des Vorubergegangenen, das nicht nichts sieht, aber sich doch mit den Spuren des Vorubergegangenen begnugen muss.“(S. 30)
Tradition stehend hat dann auch Jesus unbefangen in seinen Reich-‐Gottes-‐ Gleichnissen von Gottes Sein erzählt.44
III Der Streit um die Macht der Bilder in Byzanz In der heidnischen Umwelt des frühen Christentums wurde „das Fehlen eines Gottesbildes bei den Christen als etwas Seltsames und Anstößiges” wahrgenommen – und wird es in anderen religiösen Kontexten heute noch immer45. Aber auch aus der Perspektive des Neuen Gottesvolkes ließen Gottes Geistigkeit und Unfassbarkeit eine Darstellung nicht zu. Götterbilder seien etwas Geschaffenes, Gott aber sei der Schöpfer. In diesem Sinne waren die damaligen Sprecher der Christenheit gegen die Bilder46 und es wurde vor allem im apologetischen Schrifttum eine Polemik gegen die Götterbilder entfaltet, welches Argumente des alttestamentlichen Bilderverbotes gegen die Argumente der griechischen Popularphilosophie setzte.47 44
Vgl. R. Volp, Bilder VII. Das Bild als Grundkategorie der Theologie, in: TRE Bd 6, S. 562 45
Vgl. z.B. die hinduistische Kritik Vivekanandas: „Idolatry is condemned! Why? Nobody knows. Because some hundreds of years ago some man of Jewish blood happened to condemn it? That is, he happened to condemn everybody else's idols except his own. If God is represented in any beautiful form or any symbolic form, said the Jew, it is awfully bad; it is sin. But if He is represented in the form of a chest, with two angels sitting on each side, and a cloud hanging over it, it is the holy of holies. If God comes in the form of a dove, it is holy. But if He comes in the form of a cow, it is heathen superstition; condemn it!” Vgl. Swami Vivekananda, “Defence of Image Worship,” in Religion Today A Reader, ed. Susan Mumm (Aldershot, Hants.: Ashgate in association with The Open University, 2002), 22
46 Vgl. z.B. H. Koch, Die altchristliche Bilderfrage nach den literarischen Quellen, Forschungen zur .Religion und Literature des
Alten und Neuen Testaments, no. 27 (Göttingen, 1917); Walter Elliger, Die Stellung der alten Christen zu den Bildern in den ersten vier Jahrhunderten, Studien über christliche Denkmäler, no. 20 (Leipzig, 1930); vgl. aiuch R. Griggg, Aniconic Worship and the Apologetic Tradition: A Note on Canon 36 of the Council of Elvira, in: Church History Vol. 45, No. 4 (Dec., 1976), pp. 428-433 S. 428; vgl. auch C. Uehlinger, Art. Bilderkult III. Bibel, in RGG I4, Sp. 1570
47 Vgl. R. Griggg, Aniconic Worship and the Apologetic Tradition: A Note on Canon 36 of the Council of Elvira, in: Church History
Vol. 45, No. 4 (Dec., 1976), pp. 428-433 S. 428. Es kann also für die Frühzeit des Christentums keinesfalls behauptet werden, dass es sich „ursprunglich auch deshalb gegenuber anderen Religionen durchgesetzt“ habe, weil es „starke Bildprogramme -
Dabei wurde auch erstmals das Argument verwendet, dass der geistige Mensch das eigentliche Bild Gottes sei.48 Dann kam im Jahre 306 auf der Synode von Elvira (Spanien) ein Beschluss gegen Bilder in Kirchen zustande, bzw. dass sie nicht verehrt und angebetet werden sollten,49 und das lässt auf das Aufkommen christlicher Wandmalereien usw. schließen. Diese bildkritische Position bleibt im damaligen lateinischen Westen zunächst weitgehend bestimmend.50 Dagegen kommt es im griechischen Osten seit dem 6. Jahrhundert zu einem Veränderungsprozess. Dabei wird das christliche Bild zur Ikone. Darunter sind meist handliche Tafeln mit dem Bild eines Heiligen zu verstehen, die man derartig mit dem Dargestellten verbunden sieht, dass es sowohl die Hilfe des Heiligen vermitteln kann als auch die dem Heiligen zustehende Verehrung empfangen kann. Darin wirkt allerdings im Kern antikes paganes Denken ungebrochen weiter,51 dass die dem Abbild angetane Verehrung und Anbetung auf das Urbild übergeht.52 Aber durch die Wirkungsmacht der Bilder sahen es offenbar nicht nur einfache Gemüter53 ermöglicht, den Heiligen an allen Orten präsent zu haben, sei es in Häusern, Mönchszellen, Schiffen oder
Christus am Kreuz, Passionsgeschichte, Heiligendarstellungen - entwickelt“ hätte, wie H. Burda, Vom Wort zum Bild: Iconic Turn, in: forum 1/2013, S. 8 unterstellt.
48 Vgl. H.G. Thümmel, Bilder IV. Alte Kirche, in: TRE Bd 6, S. 525
49 Canon XXXVI: „Ne picturae in ecclesia fiant.” und „Placuit picturas in ecclesia esse non debere nec, quod colitur aut adoratur, in
parietibus depingatur.” Vgl. Concilium Eliberitanum - Documenta Omnia, in: http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_0306-0306__Concilium_Eliberitanum__Collectio_canonum_falso_Isidori_Mercatore_adscripta__LT.doc.html v. 30.10.2012, XXXVI, S. 2 u. S. 5
50 Allerdings besingt z.B. Paulinus v. Nola (354-431) selbst in Auftrag gegebene Bilddekorationen in den Basiliken zu Nola und
Fundi, oder Gregor I. d. Gr. (540-604) wendet sich gegen die Zerstörung von Heiligenbildern, da sie besonders für die Analphabeten belehrenden Wert hätten. Vgl. H.G. Thümmel, Bilder IV. Alte Kirche, in: TRE Bd 6, S. 528f.
51 Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 532
52 Eben analog dazu, wie man sich vorstellt, dass die einer Ikone dargebrachte Verehrung auf das Urbild übergeht. Vgl. H.G.
Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 536 53
Vgl. J. Papajohn, Philosophical and Metaphysical Basis of Icon Veneration in the Eastern Orthodox Church, in: Greek Orthodox Theological Review, 2 no 1 Easter 1956, p 84: „... it has to be conceded that many peasants conceived of the animation of the idols in its most realistic sense...”
Gefängnissen. Diese Ikonen wurden aber auch wie ein Amulett am Körper getragen oder über der Tür zum Schutz für das Haus angebracht. Und wenn man zu Ehren berühmter Bilder Kirchen errichtete und dort und an anderen Orten zur Verehrung des Heiligen etwa brennenden Kerzen oder Lampen aufstellte, oder wenn Bekränzung und Weihrauch, Kuß und Proskynese, Waschung und Salbung, Vergoldung und Anheften von Münzen dazugehörte, dann hatten alle „diese Formen der Verehrung .. heidnische Vorbilder.”54 Allerdings mag dabei auch die humane Grunderfahrung anklingen, dass die Ikone, die in aller Regel „gesichtshaft codiert ist”, auf die „ursprüngliche kindliche Erfahrung des Angeblicktseins zurückverweist” und dass dann die Wirkungsmacht von Ikonen offenbar darin bestehe, „uns unter ihrem Blick zu bannen”55 und damit uns der Orientierung, Hilfe oder gar Wundertätigkeit56 zu vergewissern. Wegen dieser Überzeugungen kam es schließlich in der Ostkirche zum sogenannten „Bilderstreit”, der im Jahre 726 damit begann, dass Kaiser Leon III. nicht nur Predigten gegen die Bilder hielt, sondern auch das Christusbild am Chalke-‐Tor des Palastes abnehmen ließ. Im Jahre 730 ließ er ein Gesetz zur Beseitigung aller Bilder folgen und den Patriarchen auswechseln.57 Und der Vorwurf war, dass ansonsten nicht der Dreieinige Gott58 verehrt würde, sondern falsche Götter.59 Dieser Angriff der Ikonoklasten auf die Macht der Bilder fand allerdings 54
Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 532 55
Vgl. Jacques Lacan, Was ist ein Bild/Tableau, in: Boehm, Was ist ein Bild? München 21995 (11994), S. 78 56
Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 533 57
Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 535 58
Gerade bezüglich des Monotheismus resümiert G. Young, Byzantine Iconoclasm: An Imperial Religious Policy Aimed At Unification? in: PHRONEMA, VOL. XXIII, 2008, S. 35-49, hier S. 45: „Nevertheless, both Leo III and Muslim opponents of Christianity utilised accusations of idolatry in order to assert a superior understanding of monotheism.”
59 Vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological
Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 hier S. 211: „ Idolaters, therefore, are those who believe and worship not the one God in the Trinity, but false gods.” Vgl. aber auch die Einwürfe von Vgl. G. Florovsky, Origen, Eusebius, and the Iconoclastic Controversy, in: Church history. 1950), p. 77-96 hier: S. 77: „It has been variously suggested that originally the conflict had nothing to do with doctrine, and theological arguments or charges were invented, as it were, post factum, as efficient weapons in the struggle. Some historians went so far as to suggest that the religious problem was simply a kind of a “smoke screen,” manufactured and employed by the rival parties as a disguise to conceal the true issue, which was economic.” Dagegen jedoch K. Baus, Art. Bilderstreit, in LThK II2, Sp. 461f.: „Drei Hypothesen scheiden aus: 1) die bilderfeindl(ichen) Kaiser sein rationalist(ische) Aufklärer gewesen,
weder die Billigung Roms noch der Franken60. Das beeinflusste aber den Bilderstreit im Osten wenig. Aber hier nötigten die von den Ikonoklasten erhobene Vorwürfe die gesamte Kirche, ihre Position zum Gebrauch der Bilder klarzustellen. Das geschah etwa durch Theodor Studites, das siebte Ökumenische Konzil von 78761 und vor allem durch Johannes von Damaskus. Gegenüber dem Vorwurf der Idolatrie62 betont Johannes ausdrücklich, dass ein Bildnis des unsichtbaren Gottes zu machen, eine Dummheit und Pietätlosigkeit sei, dennoch habe Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen.63 Auf keinen Fall bete Johannes die Schöpfung an, sondern den Schöpfer – den Schöpfer, der Mensch (in Christus) geworden sei.64 So ermögliche die Inkarnation die Darstellung Christi.65 Und wenn dann Christus von Paulus „Ebenbild Gottes”66 genannt werde, so habe Gott zuerst ein identisches Bild von sich gemacht,67 dessen Verehrung und Anbetung ohne Frage sei. Und mit Bezug auf St. Basilius wird im Konzil von 787 verglichen: wenn das Bild des Kaisers für den Kaiser stehe und es keine zwei Kaiser gebe und Herrschaft und Herrlichkeit nicht geteilt werde, so habe „unser Herrscher” (Christus) auch eine Macht und nicht mehrere, und so gebe es für ihn eine Herrlichkeit und nicht mehrere zerteilt zwischen ihm und dem Bild.68 Allerdings unterschied das Konzil hinsichtlich der Bilder, dass ihnen nur Verehrung (άσπασμον / τιμητικήν ιτροσκύνησιν) zukomme im Gegensatz zu wahrhaftiger
die jeden Aberglauben bekämpften; 2) der Kampf gegen die Bilder habe die rel(igiöse) u(nd) wirtschaftl(iche) Macht des Mönchtums brechen wollen; 3) Kaiser Leon III. ... sei von seiner syr(ischen) Heimat her von vornherein bilderfeindlich eingestellt gewesen.”
60 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder V/2. Im Westen, in: TRE Bd 6, S. 540; vgl. auch H.-G. Beck, Die griechische Kirche im Zeitalter
des Inkonoklasmus, in: H. Jedin(Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte Bd. III, Freiburg/ Basel/ Wien 1985, S. 35 61
Vgl. zuletzt E. Lamberz (Hrsg.), Concilium Universale Nicaenum Secundum. Concilii Actiones IV- V. Berlin u. a.: De Gruyter 2012
62 Vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological
Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 hier S. 210 63
De fide orthodoxa 4.16 vgl. http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_0675-0749__Ioannes_Damascenus__De_Fide_Orthodoxa__EN.pdf.html
64 Vgl. De Imaginibus, Oratio I, PG 94, 1236A-B. Vgl. ebenso De fide orthodoxa 4.16 vgl. http://www.documentacatholicaomnia.eu/04z/z_0675-0749__Ioannes_Damascenus__De_Fide_Orthodoxa__EN.pdf.html
65 nicht nach seiner Gottheit, sondern nur nach seiner Menschheit, mit der aber die Gottheit unzertrennlich verbunden sei Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 536
66 είκων του θεού Vgl. 2. Kor. 4,4 oder Kol. 1,15 67
Vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 S. 212
68 Mit Bezug auf Nicaeanum II, Actio IV, Mansi 13, 69D. Zugespitzt bei Johannes von Damaskus (PG 94, 1264A: „Ει η εικων του
βασιλεως εστι βασιλευς, και η εικων του Χριστου, Χριστος, και η εικων του αγιου αγιος. Και ουτε το κρατος σχιζεται, ουτε η δοξα διαµεριζεται, αλλ η δοξα της εικονος του εικοιζοµενου γινεται.” (The Emperor's image is the Emperor, and the image of Christ is Christ, and the image of the saint is the saint. And the power is not divided in two and the glory is not parted in two; but the glory of the image belongs to the painted.)
Anbetung (άληθινήν λατρείαν), welche allein der göttlichen Natur zustehe.69 Insgesamt war dann die Menschwerdung Gottes das Hauptargument der Ikonophilen gegenüber den Ikonoklasten.70 Denn wenn „das Wort Fleisch ward und wenn die Schöpfung das Medium der Versöhnung ist, wenn also die Welt gleichnisfähig wird fur Gottes Gegenwart (wie in den Reich-‐Gottes Gleichnissen Jesu) – dann wird das Sichtbare als Raum der Wahrnehmung des unsichtbaren Gottes gewürdigt; ... Das Wort wird konvertibel, konvertierbar ins Bild – weil das Sehen seiner Herrlichkeit und damit das Sichtbare zum gleichberechtigten Medium geworden ist – möglicherweise gar zum Heilsmedium. Nicht die Schrift allein oder nur das Wort sind Gottes wurdig, sondern auch das Bild. Christus als Bild Gottes.“71
Nach jahrzehntelanger Auseinandersetzung und wechselnder Herrschaft der Ikonophilen und Ikonoklasten stellte im Jahre 843 die Kaiserwitwe Theodora die Bilderverehrung wieder her -‐ zur großen Genugtuung des mit ihr auch durch die Produktion der Ikonen stark verbundenen Mönchtums72. Und so setzte schließlich eine Bilderfreudigkeit ein in der Verehrung der Ikonen zusammen mit der von Kreuzen, Reliquien und Evangelienbüchern, die ein in der Ostkirche verbindlicher und hoch affektiv73 wahrgenommener Bestandteil des Lebens wurde.74 Der ikonoklastische Anschlag gegen die Macht der Bilder durch eine Wiederbelebung des Bilderverbotes war damit abgewehrt, was am Ende einen erheblichen Machtzuwachs für Bilder bedeutete. Andererseits gab es eine gewisse Einschränkung der Macht der Bilder dadurch, dass es üblich 69
Mit Bezug auf Nicaeanum II, Actio IV, Mansi 13, 377D vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 S. 217; vgl. auch H.G. Thümmel, Der byzantinische Bilderstreit, in: ThR 61, 1996, S. 355-371, hier S. 360
70 Vgl. T. Sideris, The Theological Position of the Iconophiles during the Iconoclastic Controversy, in: St Vladimir's Theological
Quarterly, 17 no 3 1973, p 210-226 S. 215; Vgl. auch J. Papajohn, Philosophical and Metaphysical Basis of Icon Veneration in the Eastern Orthodox Church, in: Greek Orthodox Theological Review, 2 no 1 Easter 1956, p 85
71 Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 25; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER
SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 58
72 “Thus the victory of icon-veneration turned out to be also a victory for monasticism.” Vgl. A. Schmemann, Byzantium,
Iconoclasm and the Monks, in: St Vladimir's Seminary Quarterly, ns 3 no 3 Fall 1959, S. 29 73
Vgl. z.B. C. Barber, From Transformation to Desire: Art and Worship after Byzantine, in: The Art Bulletin, March 1993 Vol XXV, Number 1, S. 7-16 hier S. 7, der berichtet: „There are reports that worshippers talked to, embraced, and wept before these images.” Und er schlägt u.a. deshalb vor, eine Ikone als „ a site of desire” zu definieren (S. 11)
74 Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 536
wurde, die Bilder der Heiligen in einen festen Bildkanon zu fassen und durch eine kirchliche Weihehandlung75 zu installieren. Faktisch zeigte sich darin „ein gewisser Schwund der Repräsentationskraft”76 und damit wurde ein wichtiger Teil der Macht der Bilder in kirchliche Hände gegeben.77 Wie sollte aber kirchlicherseits sodann auf die maximale Wirkungsmöglichkeit eines Bildes verzichtet werden, nämlich wie „Christus ist, was er zeigt“, und damit insgesamt so geweihte Bilder nicht nur etwas bezeichnen oder auf anderes hinzeigen, sondern selbst sind, was sie zeigen und darstellen.78 Jedenfalls erfullt sich diese Logik im Osten in den Ikonen, später im Westen in den Reliquien, und wird nach Stoellger schließlich verdichtet in der Hostie des Abendmahls.79 Im Westen wurde nach einigen Wendungen gegenüber den Ikonoklasten immer wieder auf die (pädagogische) Nützlichkeit der Bilder verwiesen.80 Damit ist im Sinne der damaligen Volksfrömmigkeit81 der Weg zu einer Bilderverehrung vorgezeichnet, zu der man dann im Mittelalter kam, „wenn sie auch nicht dieselbe Bedeutung wie in der Ostkirche erhielt.”82 Dennoch wurden kirchlicherseits Konzessionen an die Volksfrömmigkeit gemacht, die sich wenig um feine theologische Distinktionen kümmerte. Es wurden sogar sogenannte „Gnadenbilder” akzeptiert, die als wundertätig galten. Wallfahrten zu diesen „Gnadenbildern” wurden gefördert, ohne dass der spätere Protest der Reformation daran etwas hätte ändern können.83 75 Vgl. J. Papajohn, Philosophical and Metaphysical Basis of Icon Veneration in the Eastern Orthodox Church, in: Greek Orthodox
Theological Review, 2 no 1 Easter 1956, p 89: „Finally, it should be mentioned that a portrait of Christ, or of the saints, does not become an “icon” in the sense taught by St. Theodore until it has been consecrated by the Church. Only when the Church through this consecration testifies to the correlation of an icon with the image of Christ is it established as a true “eikon.” Without this act of consecration, the reproduction remains only a religious picture.”
76 Vgl. H.G. Thümmel, Bilder V/1. Byzanz, in: TRE Bd 6, S. 538
77 Vgl. J. Papajohn, Philosophical and Metaphysical Basis of Icon Veneration in the Eastern Orthodox Church, in: Greek Orthodox Theological Review, 2 no 1 Easter 1956, p 89: „It is here that the permeating power of the spiritual existence of the Eastern Church is revealed”
78 Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 25; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER
SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 58
79 Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 25
80 Immer wieder wird in diesem Sinne Gregor I. aus seinem Brief an Bischof Serenus von Marseille zitiert und dann die Bilder
„laicorum litteratura” genannt: „Nam quod legentibus scripturae, hoc idiotis praestat pictura cernentibus, quia in ipsa ignorantes vident, quod sequi debeant, in ipsa legunt qui litteras nesciunt; unde praecipue gentibus pro lectione pictura est” [Was denen, die lesen können, die Bibel, das gewährt den Laien das Bild beim Anschauen, die als Unwissende in ihm sehen, was sie befolgen sollen, in ihm lesen, obwohl sie die Buchstaben nicht kennen; weshalb denn vorzüglich für das Volk das Bild als Lektion dient]: MGH. Ep II, 270,14-16 (Okt. 600).
81 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder V/2. Im Westen, in: TRE Bd 6, S. 543
82 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder V/2. Im Westen, in: TRE Bd 6, S. 542
83 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder V/2. Im Westen, in: TRE Bd 6, S. 543f.
Maßgeblich für das Mittelalter blieb die auch dem vorangegangenen Bilderkult zugrundeliegende Bildtheorie, in der durchaus das Schöne mit dem Wahren und Guten (Göttlichen) identifiziert wurde84 und insgesamt von einer unmittelbaren Beziehung des Heiligenbildes zum Ikonophilen durch das sogenannte “sakramentale Schauen” ausgegangen wurde. Es galt als eine “fundamentale spätmittelalterliche Frömmigkeitshandlung”, bei der man meinte, mittels eines Augenkontaktes mit dem abgebildeten Heiligen “eine kontemplative, im Extremfall eine ekstatische Begegnung” mit ihm haben zu können.85 Man meinte „Gott im Sehen fassen, im Fassen verzehren (zu) können und so in der Verkörperung körperlich bei ihm (zu) sein.“86 Insofern wurden Bilder als ‘Heilsmedien’ verehrt.87 Und selbst Luther berichtete, wie konkret er selbst diese später von ihm als unsinnig und finster beurteilte Verbindung vorreformatorisch fühlte: „Wir ließen uns dünken, daß St. Barbara, Anna, St. Christophel, jeder auf sein Bild sähe und unser Gebet erhörte.”88 Bezeichnend für das Zeitalter der Reformation ist dann, dass genau diese Bildtheorie in Frage gestellt wird und durch eine andere Sichtweise ersetzt wird.
84
Vgl. R. Sprenger, Weltanschauung des Mittelalters im Spiegel der Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die Kirchen. Der Streit um die Bilder heute.München 1984, S. 55
85 Vgl. H. Oelke, Luther und das religiöse Bild, in: in: Lutherjahrbuch 57. Jg 1990, S. 265. Vgl. auch Vgl. O.J. Bräunlein, ‘Bildakte.
Religionswissenschaft im Dialog mit einer neuen Bildwissenschaft’, in: Brigitte Luchesi & Kocku von Stuckrad (eds.), Religion im kulturellen Diskurs: Festschrift fur Hans G. Kippenberg zu seinem 65. Geburtstag / Religion in Cultural Discourse: Essays in Honor of Hans G. Kippenberg on the Occasion of His 65th Birthday, Berlin & New York: Walter de Gruyter 2004, 195-231 hier 215„Die Konfrontation mit Bildern wurde als elementarer Kommunikationsvorgang— als Tausch der Blicke—verstanden. Nicht nur der Betrachter erfasst das Bild mit seinen Augen, sondern er wird umgekehrt von diesem angeblickt. Das Beten und die Ausrichtung des Blickes—intentio . . . waren untrennbar verbunden, und die Erwiderung dieses Blickes galt als selbstverständlich. Angestrebt wurde uber den Augenkontakt eine physische Verbindung, in der es letztlich um die Übertragung von Kraft ging.”. Vgl. auch K. v. Stuckrad, VISUAL GODS: FROM EXORCISM TO COMPLEXITY IN RENAISSANCE STUDIES, in: Aries Vol. 6, no. 1. Leiden 2006, S. 70: „Hence, the practice of looking, displaying, visualizing, and imagination is a sensual action that creates a relationship between the observer and the object of observation.
86 Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI
ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 146f. 87
Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 160
88 Vgl. Walch 2,923 („Ac fingebamus S. Barbaram, Annam, Christophorum, singulos ad suas statuas respicere, et exaudire preces
nostras.” WA 44,176,22-24)
IV Luthers neue Entwertung und Bewertung der Bilder Offenbar kann Luther nicht für Bilderstürmereien verantwortlich gemacht werden89,
-‐ so umstürzend seine Veränderung in der Wertung der Macht der Bilder durch seine Veränderung der „Bedingungen der Wahrnehmung”90 auch war. Denn ihm ging es eben um eine Kirchenreform und nicht um eine „Sozialrevolution” wie etwa den Wiedertäufern in Münster, bei denen dann auch die Bilder, die Epitaphien und Statuen als “Herrschaftssymbole” angesehen wurden91 und deshalb der Entmachtung durch Zerstörung ausgeliefert wurden. In diesem Vandalismus sollte eine „öffentliche Bildstrafe“ vollzogen werden. Und wenn dann „die ‘enthaupteten’ und zu Tode ‘gefolterten’ Bilder sichtbar ausgestellt bleiben –
89
Nach A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 517 habe im Grunde „keinen „reformatorischen” Bildersturm gegeben, sondern nur einen „vorreformatorischen”. Der Bildersturm war Teil der Bewegung hin zur Reformation, aber nur selten Teil der institutionalisierten Reformation selbst (Goertz).”
90 Vgl. B. Roeck, Macht und Ohnmacht der Bilder. Die historische Perspektive. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J.
Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 33, der festhält: „... dass sich zwar die biologischen Voraussetzungen des Sehens zwischen Mittelalter und Neuzeit nicht verändert haben, wohl aber die Bedingungen der Wahrnehmung; sie waren anhängig von den Strukturen der Lebenswelt, die medial ganz anders strukturiert war als die der Moderne.”
91 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 550
werden Tote präsentiert (ähnlich der Exposition der toten Leiber der Münsteraner Täufer).“92 Und mit dieser Zerstörung der Bilder wird gleichzeitig evident gemacht, „dass kein Bild ‘sich selbst reparieren’ kann“. Diese banale Einsicht ist folgenreich, weil sie unübersehbar Zweifel streut „an der Lebendigkeit des Bildes als einem ‘leiblichen Selbst’.“93 Zu öffentlicher Stellungnahme bezüglich der Bilder sah sich Luther 1522 in den Wittenberger Wirren gezwungen, die sich aus den Maßnahmen Karlstadts ergaben, der Weihnachten 1521 in der Stiftskirche das Abendmahl unter beiderlei Gestalt feierte und zu dessen Programm zentral auch die Entfernung der Bilder als “Ölgötzen”94 gehörte. Dagegen war für Luther die Bilderfrage nur von sekundärer Bedeutung, denn, wie er bereits in seiner Römerbriefvorlesung von 1515-‐16 darlegte, sah er die Bilder als nicht heilsnotwendig an, aber auch als nicht als verboten95. Sie seien, wie andere kultische Einrichtungen, „umbra et signa rerum et puerilia”96. Und generell würden die Vorschriften des mosaischen Gesetzes nicht mehr für die Christenheit gelten.97 (In bleibendem Dissens zu dem reformierten Zweig der reformatorischen Bewegung98, weshalb bei Calvin das Bilderverbot als 2. Gebot des Dekalogs erscheint.99
92
Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 149
93 Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI
ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 155 94
„Das wir bilder in Kirchen un gots hewßern habe/ ist unrecht/ und wider das erste gebot. Du solst nich frombde gotter haben. Das geschnizte und gemalthe Olgotzen uff den altarien stehnd ist noch schadelicher und Tewfflischer. Drumb ists gut/ notlich/ loblich/ un gottlich/ das wir sie abthun/ un ire recht und urteyl der schrifft gebe.” Vgl. Karlstadt, Andreas: Von Abthuung der Bilder und das Keyn Bedtler unther den Christen seyn soll, Wittenberg 1522, S. 2,
95 Vgl. WA 56,493,32 - 494,17
96 Vgl. WA 56,494,3
97 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 546; vgl. WA 18, 76,6ff.; vgl.
auch WA 14,622,29ff.; vgl. auch WA 16,439,16-22 98
Zur Bilderfrage bei den Reformierten und ihrer generellen Ablehnung der Bilder siehe Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 551ff.
99 Vgl. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion = Institutio Christianae religionis/ Johannes Calvin. Nach der letzten Ausg.
übers. und bearb. von Otto Weber, Neukirchen-Vluyn 1997 (1955), (Institutio II,8,17), S. 228. Lateinisch: „Non facies tibi sculptile, neque similitudinem vllam eorum quae in caelo sunt sursum, vel in terra deorsum, vel in aquis quae sub terra sunt. Non adorabis neque coles. Vgl. J. Calvin, Institutio Christianae religionis, Genf 1569, (Institutio II,8,17), S. 224
Dagegen stimmen die tridentinischen Theologen in der Bildertheorie „weithin mit Luther überein.”100) V. Loewenich fasst die Ereignisse nach Luthers Rückkehr von der Wartburg am 6.3.1522 kurz zusammen. Denn da hatte Luther in der 3. und 4. Invocavitpredigt zum Bilderstreit Position bezogen. Und in der 3. Predigt (Dienstag, 11. März101) bezieht er sich auf die Bilder und sagt: „umb die bilder ist es auch so gethan, das sie unnoettig, sondern frey sein, wir mügen sie haben oder nicht haben, wie wol es besser were, wir hetten sie gar nicht. Ich bin jn auch nit holt”102. Aber man dürfe aus der Freiheit kein “müssen” machen103. Ferner sei in Ex 20,4 nicht das Machen, sondern das Anbeten von Bildern verboten104. Man müsse Vers 4 von Vers 5 her verstehen. Sonst habe Mose selbst mit der Errichtung der ehernen Schlange gegen sein Gebot verstoßen105. Außerdem seien auf dem Gnadenstuhl die zwei Cherubim angebracht gewesen106. Deshalb solle man nur, wo man die Bilder anbetet, „sie zerreyssen und abthun”107, allerdings nicht „mit eim sturm und frevel, sondern sollen der Oberkeit solchs zu thun befehlen”108. Man könne den Bilderfreunden auch nicht beweisen, dass sie die Bilder anbeteten, wenn sie das bestritten109. Man könne nur predigen, dass die Bilder nichts seien und dass man Gott mit ihrer Aufrichtung keinen Dienst tue; dann würden sie von selbst vergehen110. Vielmehr würde durch Bilderstürmerei die Bilderfreundschaft nur bestärkt111.112
100
Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 556 101 Vgl. WA 10 III,21ff. 102
Vgl. WA 10 III,26,6f.; vgl. auch WA 28, 716, 23f. „.. es sol einem Christen Menschen frey stehen Bilder haben und nicht haben.” vgl. auch WA 10 III, 35,7-9 „... die bilder seindt weder sonst noch so, sie seindt weder gut noch bóße, man mag sie han oder nit haben”.
103 Vgl. WA 10 III,26,12 104 Vgl. WA 10 III,27,4.2lf; vgl. auch WA 18, 69,5ff. 105 Vgl. WA 10 III,27,10f; vgl. auch WA 18, 70,1ff.; vgl. auch WA 14,621,20-29 106 Vgl. WA 10 III,27,34 107
Vgl. WA 10 III,28,5; vgl. auch WA 28, 716, 31-3; WA 28, 678, 31f.. Insofern richtete sich, wie Stoellger bemerkt, das Schriftprinzip (das sola scriptura) Luthers gegen die Tradition und die Herrschaft des Lehramts uber die Schrift und ebenfalls gegen den Bildkult des Spätmittelalters. Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 27
108 Vgl. WA 10 III,28,24; vgl. auch WA 18, 72,3ff.; vgl. auch WA 14,621,13-19; vgl. auch WA 28, 678,18
109 Vgl. WA 10 III,28,10 110 Vgl. WA 10 III,28,16ff.; vgl. auch WA 16,440,10-14 111 Vgl. WA 10 III,29,7ff. 112 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 548
In seiner nächsten Predigt113 wiederholt Luther noch einmal, dass die Bilder sollen nur abgetan werden sollten, wenn sie angebetet würden, sonst nicht, „wie woll ich wolt, sie weren in der gantzen weldt abgethann von wegen jres myßbrauchs, welchen mann jo nichts laügnen kan”114. Den eigentlichen Missbrauch sieht er aber in der mit den Bildern verbundenen Werkfrömmigkeit, da man meine, sich durch die Bilder ein Verdienst vor Gott erwerben zu können115. Insgesamt konnte Luther so mit seinen Invocavitpredigten dem Bildersturm des Jahres 1522 Einhalt gebieten.116 Zu vielen weiteren Gelegenheiten, aber auch mit Wiederholungen seiner Argumente nahm Luther zur Bilderfrage Stellung, am umfassendsten117 im 1. Teil seiner Schrift „Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament”118. Bemerkenswert hier die Auffassung, dass die Bilder zuerst aus den Herzen gerissen werden müssten, dann täten sie den Augen keinen Schaden119. Und Luther bekräftigte seine Überzeugung, dass mit der „Werkfrömmigkeit” auch der Bilderdienst falle120. Und er kritisierte, dass Karlstadts Anhänger unglaubwürdig seien, weil sie Bilder auf Münzen und Bechern duldeten121 und sogar seine Bibelübersetzung mit ihren Bildern benutzten122. Und gerade in diesem Einsatz von Bildern in seiner Bibelübersetzung nahm er den traditionellen123 pädagogischen Aspekt auf, Bilder als pädagogische und didaktische Hilfsmittel zu verwenden.124
113 Vgl. WA 10/3, 30-36 114 Vgl. WA 10/3, 31,1-3 115 Vgl. WA 10/3, 31,9-11 116 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 548 117 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 549 118 Ende Dez. 1524; WA 18,62-125; über die Bilder S. 67-84 119 Vgl. WA 18,67,9 ff.; vgl. auch WA 14,622,18 120
„Denn wo die hertzen unterrichtet sind, das man alleyn durch den glauben Gotte gefalle und durch bilde yhm keyn gefallen geschicht, sondern eyn verlorner dienst und kost ist, fallen die leute selbs williglich davon, verachten sie und lassen keyne machen.” Vgl. WA 18,67,18-21; vgl. auch WA 16,440,23ff.
121 Vgl. WA 18,70,37ff.; vgl. auch WA 14,622,14-16; vgl. auch WA 28, 677, 36f.; vgl. auch WA 16,442,30-33
122 Vgl. WA 18,82,21ff. 123
Im Sinne von Gregor I. Bilder als „laicorum litteratura” MGH. Ep II, 270,14-16. 124
Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 550
Und in gleichem Sinne diente seine unglaublich bilderreiche und gewaltige Sprache zu einer „grandiose(n) Überführung von visueller Vorstellungskraft in das Verbale.“125 In solcher Berücksichtigung des Bildhaften findet schlicht die von ihm persönlich erfahrene humane Grundkonstellation ihren Niederschlag, dass er, wenn er von Werken Gottes hört und liest, sich im Herzen ein Bild davon mache126:
„... ich wolle, odder wolle nicht, wenn ich Christum hore, so entwirfft sich ynn meym hertzen eyn mans bilde, das am creutze henget, gleich als sich meyn andlitz naturlich entwirfft yns wasser, wenn ich dreyn sehe, Ists nu nicht sunde sondern gut, das ich Christus bilde ym hertzen habe, Warumb sollts sunde seyn, wenn ichs (sein Bild) ynn augen habe?”127 Er bekennt unbefangen, dass der Mensch auch im religiösen Leben nicht auf Anschauung verzichten könne, “weil wir ja müssen gedancken und bilde fassen
125
J. Helmke/ A. Ströhl, DAS VERTRAUEN IN DIE BILDER ZERSTÖREN, UM MIT BILDERN ARBEITEN ZU KÖNNEN! EIN GESPRÄCH ÜBER DAS DISKURSIVE MEDIUM FILM. in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 75
126 Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 550
127 Vgl. WA 18,83,9-13
des, das uns jnn worten fürgetragen wird, und nichts on bilde dencken noch verstehen können”.128 So habe sich Gott uns in der Gestalt Christi gezeigt, sich zu unserer Natur herabgelassen und begegne uns im Sichtbaren und entsprechend sei die Bibel voller Anschaulichkeit129: „Das ist unseres herr Gots weise alzeit gewest, das ohren nicht allein horeten, sed etiam oculis viderent.”130 Insofern ist Volp Recht zugeben, dass Bilder für Luther kein „Appendix“ seien, „sondern die Kraft des Wortes, Zeugnis und Zeichen des Gedächtnisses Christi“.131 Insofern war es für Luther auch konsequent, katholische Bilder mit reformatorischen Bildern zu bekämpfen. Unterstützt durch den Maler Lukas Cranach wurden nun z.B. neue Altarbilder gemalt, auf denen die aktuelle Gemeinde und ihre wohlbekannten Prediger reportagehaft ins Bild zu gesetzt wurde, „womit man das Bild so diskursiv und realistisch machte, daß seine metaphysische Autorität dahinschwand.” Nach Belting war damit „die Hierarchie zwischen den beiden Medien gesichert: die Ohnmacht der Bilder stand gegen die Macht der Theologen.”
128 Vgl. WA 37,63,25-6; vgl. auch WA 46, 308,1-310,5 129
Vgl. W. v. Loewenich, Bilder VI. Reformatorische und nachreformatorische Zeit, in: TRE Bd 6, S. 550 130
Vgl. WA 49,74,39-75,1. Stoellger formuliert das für die Gegenwart so: „Die Formen christlichen Glaubens und Lebens sind, wenn auch nicht in jedem Fall und oft nicht gänzlich, so doch von visueller Gestalt. So wie das Wort sichtbar wird, so der Glaube manifest, sofern er sich zeigt.“ Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 28. Und er erläutert das Bildhaft weiter (S. 28f.): Was steht eigentlich im Zentrum eines christlichen Gottesdienstes? Wort und Sakrament, das heißt vor allem das Abendmahl bzw. die Eucharistie. Und was steht im Zentrum des Abendmahls? Brot und Wein als sichtbare, fuhlbare und schmeckbare Gegenwart des Herrn? Fur einen Beobachter könnte das hoch erhobene Brot, die Hostie, wie ein Kultbild erscheinen, in dem Gott real gegenwärtig sei - und das gesehen, gegeben, empfangen und verzehrt wird. Wie auch immer man das sieht, die Hostie ist ein sichtbares Artefakt, hoch erhoben, ehedem mit dem Kreuz gestempelt: ein Bild, das zum Verzehr gemacht ist. Im Abendmahl ist der entscheidende Augenblick die ,wunderbare Wandlung' im Erheben der Hostie, in der Elevation, oder protestantisch der Verzehr und Verbrauch dieses Bildes. Und das ist selbstredend ein ganz besonderes Bildereignis: ein Artefakt (die Hostie) wird zur allseitigen Schau hoch erhoben, auf dass sie verschwinde im Mund der Feiernden. ... „Denn, auch wenn es fast jeder Lutheraner leugnen wurde: Im Abendmahl geht es um ein Bild Gottes als reale Gegenwart Gottes - und um ein Bild, das mit den Zähnen zermalmt wird als Gipfel des Gottesgenusses. Nicht ohne spekulative Neigung könnte man sagen: Der Ikonoklasmus des Bildverzehrs ist der Gipfel dieser Bildverehrung. Im Genuss Gottes verschwindet sein Bild im Rachen des Gläubigen. Die ganze Frömmigkeit dieses besonderen Bilderkultes zeigt sich in der Vernichtung des Bildes: der Bildzerstörung - auf das der das Bild genießende Mensch selbst (wieder) zum Bild Gottes werde.“
131 Vgl. R. Volp, Die Reformatorischen Kirchen und das Bild, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die
Kirchen. Der Streit um die Bilder heute.München 1984, S. 35
Und das Bild würde so wie ein Text zu behandelt, „so daß es mehr an ein kognitives Verständnis als an den affektiven Eindruck appellierte.” Die Bilder hätten damit gleichsam Stichworte fur die Memorierung der Inhalte der Religion zu liefern und damit den Betrachter auf seine inneren Bilder zurückzulenken, „aber auch diese ähnlich zu steuern, wie es das Wort in der Predigt tat.”132 Sicherlich unterschätzt aber Belting mit dieser Auffassung einer blassen „Wort-‐ und Theologen-‐Hörigkeit” in der Reformation die erhebliche Macht reformatorischer Affektionen133, die sich allein in einer Fülle von neuen Kirchenliedern Ausdruck verschaffte. Aber wenn es davon abgesehen allein Aufgabe der reformatorische Bilder gewesen wäre, zur Memorierung der Inhalte der Religion beizutragen und damit den Betrachter auf seine inneren Bilder zurückzulenken, dann wäre es auf jeden Fall ein Beitrag zur wichtigsten theologischen Aufgabe der Bildkategorie nach Volp, nämlich „im Diesseits Gottes Jenseits evident werden (zu) lassen.”134
Allerdings muss zur Macht der Bilder in der Reformationszeit zugleich festgehalten werden, dass im Umkreis des Bilderstreits
132
Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 16f.
133 Vgl. Th. Kaufmann, Die Bilderfrage im frühneuzeitlichen Luthertum, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek
(Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 450
134 Vgl. R. Volp, Bilder VII. Das Bild als Grundkategorie der Theologie, in: TRE Bd 6, S. 566.
Bilder auch als Karikaturen verwandt wurden, „um die Macht des Gegners zu brechen.”
Ebenso waren Bilder zur Denunziation beliebt. Es hätten Papst-‐Karikaturen seit dem Ausbruch der Reformation mit gleicher Frequenz floriert wie Luther-‐Karikaturen.135 Und in dem Maße wie nun über Streitschriften und Flugblätter ausgetragen Bilder in jedermanns Hand kamen, wurden Bilder „demokratisiert”. Und dabei verloren sie gerade jene Aura, „von denen ihr Kult gelebt hatte.”136 Jedenfalls konnten nun nach der von Luther angestoßenen “Revolution der Zeichentheorie”137, in welcher die „Beziehung zwischen dem Ritual und dem geschriebenen Wort” verändert wurde138 und damit der Gebrauch der Bilder freigegeben war, Bilder einerseits didaktisch hilfreich für den Glauben an das „Wort” benutzt
135
Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 20
136 Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und
Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 23 137
Vgl. B. Stollberg-Rilinger, Zeremoniell, Ritual, Symbol. Neue Forschungen zur symbolischen Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Zeitschfrift für historische 27, 2000, S. 289-405, hier S. 392
138 Vgl. E. Muir, Ritual in Early Modern Europe. Cambridge u. a. 1997, S. 150: “The process of gaining access to the sacred shifted
from experiencing the divine body through sight, touch, and ingestion to interpreting the scriptural Word, a process that had wide-ranging implications for the status of ritual as weil as for the mentality of lay believers”.
werden, ohne sich von (sakraler) Macht gefangen nehmen zu lassen. Andererseits – und sofern die Voraussetzung stimmt, dass der Betrachter im Glauben gehaltenen ist – stand jeder anderer ästhetischer oder ornamentaler Gebrauch offen.139 Allerdings sei nach Stoellger (und wohl auch nach Ansicht mancher gegenwärtiger Kunstfreunde) diese Duldsamkeit Luthers „eigentlich das Ärgste, was man Bildern antun kann: sie nicht ganz für voll zu nehmen, als dekorativ, nutzlich und hilfreich, wenn sie gefugig gemacht werden, aber damit auch eigentlich entbehrlich.“ Jedoch Luther habe eben dadurch die Situation vor einem Bild „entspannt“: Denn damit gehe es nicht „um das Bild an sich, sondern um den rechten Gebrauch. Und der einzige falsche sei, sie anzubeten.“ Ansonsten sei alles erlaubt. Luther habe also dem Protestantismus, sofern er sich eben im Glauben gehalten weiß, eine sehr weitgehende Lizenz zum Bild erteilt, allerdings „um den Preis einer argen Depotenzierung.“ Dabei sollte jedoch nicht die Bemerkung Stoellgers verschwiegen werden, dass Bilder „oft raffinierter und bedeutsamer (seien) als gedacht“ und nicht selten kluger als ihre Betrachter oder gar “mächtiger als ihre Verwender.“140 Denn die‘Macht des Bildes’ sei „ebenso ‘Macht des Begehrens’ wie ‘Macht des Zeigens’, kurz gesagt:Deutungsmacht.“141
V Ausblick: Manipulation durch die Macht der Bilder in der Moderne? Nun lässt sich zur Macht des Begehrens, des Zeigens und der Deutung manches im Blick auf die umfangreichen 139
„Alias levi pictura imagines privata in domo non possum damnare.” (deutsch nach Walch 3,1438 „Sonst kann ich es nicht verdammen, daß man in einem Privathaus schön gemalte ... Bilder habe”) Vgl. WA 14,622,30f.; vgl. auch WA 16,441,28-30. Und was die bisherigen sakralen Bilder und ihren Gegenwert anbelangt, so sollte in Bezug auf 1. Mose 35, 4 Fremde Götter, Bilder, Silber Gold usw. nicht vergraben werden, sed hoc agimus, ut transferatur ad pium et logitimum usum, et quae hactenus data sunt sacrificulis idolatricis, deinceps distribuantur in pios doctores et ministros Euangelii - also lieber diakonisch verwendet und den Dienern des Evangeliums zugeteilt werden. Vgl. WA 44,178, 18-21 übersetzt nach Walch 2, 926: „sondern wir gehen damit um, daß es zum göttlichen und rechten Gebrauche gewendet werde, und was bisher den abgöttischen Meßpfaffen gegeben worden ist, hinfort unter die frommen gottseligen Lehrer und Diener des Evangeliums ausgetheilt werden möge.”
140 Vgl. P. Stoellger, Die Macht der Bilder und die Kraft des Wortes, in: forum 1/2013, S. 23; vgl. auch P. Stoellger, JENSEITS DER
SCHRIFT DER PROTESTANTISMUS NACH DEM ICONIC TURN, in: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 57
141 Vgl. P. Stoellger, AN DEN GRENZEN DES BILDES - POTENZEN UND IMPOTENZEN DES BILDES: PARADOXE MODI
ÄSTHETISCHER ERFAHRUNG, in: Lebenswelt, 1 (2011), S. 152
Auseinandersetzungen sagen, die sich dann nach Ausgang des Zeitalters der Reformation allein in den reformatorischen Kirchen142 oder bezüglich des Barock als „Kunst der Gegenreformation“143 oder dann in der Aufklärung hinsichtlich der Bilder und ihrer Macht ergaben.
Hier kann jedoch nicht der Ort sein, sich diesen umfangreichen Themen zu widmen. Es muss auch offen bleiben, wie sich nun Boehms These, dass die Sinndichte des Bildes prinzipiell über die Möglichkeiten sprachlicher Erfassung hinausgehe144, zu Luthers Position verhält. Jedenfalls war es damals Luther nicht gelungen – vielleicht gerade wegen seiner differenzierten Position zu den Bildern – , allen Bilderstürmern Einhalt zu gebieten. Das mag auch mit dem von Roeck beschriebenen Umstand zusammenhängen, dass eine Zerstörung der Bilder eine gewisse „Folge einer geistigen oder politischen Umwälzung, nicht deren Ursache” sein könne. Und in dieser Folge wurde der Prozess des Umsturzes weiter vorangetrieben. Und höhnisch demonstrierten dann die Bilderstürmer, „dass sie ihre Taten vollbringen können, ohne daß
142
Vgl. hierzu die sorgfältige Nachzeichnung durch Th. Kaufmann, der zunächst festhält: „In wissenschaftsgeschichtlichem im Horizont betrachtet scheint die Stellung des frühneuzeitlichen Luthertums zur Bilderfrage - wie auch zu anderen so genannten Adiaphora -eindeutig zu sein: Es steht gleichermaßen in Distanz zur römisch-katholischen Idiolatrie einerseits, reformiertem Ikonoklasmus andererseits. Das Luthertum behielt - so Zeeden - von den überkommenen „gottesdienstlichen Gegenständen, mit denen die Kirchen vor der Reformation ausgestattet zu sein pflegten”, neben manchen anderen „katholischen Überlieferungen” Altäre, Kerzen, Bilder und Skulpturen” bei und erwies - so Fritz - seine „bewahrende Kraft” in Bezug auf mittelalterliche Kunstwerke, für die sich weder in qualitativer und quantitativer Hinsicht überzeugende Analogien in den anderen abendländischen Konfessionkirchentümer aufweisen lassen.” Vgl. Th. Kaufmann, Die Bilderfrage im frühneuzeitlichen Luthertum, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 407f. Jedenfalls versteht er dann diesen Umgang mit den Bildern als ein „konfessionskulturelle(n)(s) Identitätsmerkmal des Luthertums par excellence.” (S. 410)
143 Vgl. W. Weisbach, Der Barock als Kunst der Gegenreformation, Berlin 1921. Vgl. auch die Analyse von H. Burda, Vom Wort
zum Bild: Iconic Turn, in: forum 1/2013, S. 8: „Und die Höhepunkte der visuellen Kunste um 1500, also Raffael, Leonardo und Michelangelo, sind im Kontext einer päpstlichen Offensive zu sehen, die christliche Lehre durch große Bildwände zu verbreiten. Das war, wenn man so will, eine fruhe Version von »Iconic Turn«.“
144 Vgl. B. Collenberg-Plotnikov, Bild und Kunst. Zur Bestimmung des ästhetischen Mediums. In: http://www.fernuni-
hagen.de/philosophie/team/lg3/bernadette.collenberg.shtml v. 25.10.2012, Hagen 2003, S. 9 mit Bezug auf z.B.: M. Imdahl: „Ikonik”.In: G. Boehm (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 19952 (19941)S. 300-324, hier: bes. S. 310.
Blitze vom Himmel regnen und das Firmament einstürzt.” Und dabei mochten sie glauben, ihre Welt habe sich geändert, dabei hat sich nur „deren symbolische Repräsentation gewandelt.”145 Und in diesem Wandel der symbolischen Repräsentation hatte sich dann am Ende des Reformationszeitalters eine relativ unabhängige, stark aufblühende Kunst der Malerei entwickelt.
Und das Kunstwerk – in den „Kirchen entbehrlich geworden, wenn nicht gar aus ihnen vertrieben“ – habe dann im Museum, eine neue Heimstatt gefunden. Nach Hofmann beginnt darum „theoretisch“ die „Musealisierung des Kunstwerks“ mit der Reformation.
145
Vgl. B. Roeck, Macht und Ohnmacht der Bilder. Die historische Perspektive. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 34
Das sei einerseits „Korrelat seiner Entideologisierung“, bringe aber mit sich, „dass eine neue Ideologie sich seiner bemächtigte“ – die dem Kunstwerk aber eine neue, „von Bildmagie unberührte Wirkungssphäre“ bot.146 Und für manche gehört in diesen Prozess auch die bildnerische Darstellung des sogenannten „Schönen”. In der christlichen Tradition mag sich damit eine Empfänglichkeit auftun, die sinnliche Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in der Natur wahrzunehmen147, zum Staunen und zum Lobpreis, woraus sich eine ganz eigene Macht und eigener Wahrheitsanspruch schöner Bilder ergeben kann.148 Allerdings muss theologisch entgegengehalten werden, dass der ästhetische Wahrheitsanspruch nur „ein abgeleiteter” relativer Wahrheitsanspruch sein könne. Das Schöne sei ,,hier und jetzt” nur erst der – aufleuchtende und wieder verblassende – Glanz des Wahren.”149 Und für andere bedeutet die Entwicklung einer 146
Vgl. W. Hofmann, Luther und die Folgen für die Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. München 1984, S. 74
147 Vgl. K. Huizing, Art. Bild III. Religionsphilosophisch, in RGG I4, Sp. 1561; vgl. auch EG 503
148 Vgl. z.B. M. Yoshida, The Power of Imaging - Art as Love and Struggle as Beauty, in: Asia Journal of Theology. Oct2008, Vol.
22 Issue 2, S. 288: „The power of art comes from the power of imaging in the midst of struggling. Seeing through the psyche's depth profoundly, beauty brings us God's re-velation and one can encounter God in the process of imaging to experience God's Love. Through imaging, God's Love is incarnated in the power of art. The power of the imaging becomes the power of art.”
149 E. Jüngel, „Auch das Schöne muß sterben” - Schönheit im Lichte der Wahrheit. Theologische Bemerkungen zum ästhetischen
Verhältnis, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 81 (1984), 106-126, hier S. 125. Und W. Gräb, Lebensgeschichten -
„autonomen” Kunst, dass man die Faszination oder Macht des Bildes der „persönlichen Erfindung eines Künstlers” zurechnet und sich über das Bild nicht mehr theologisch, sondern nur noch ästhetisch streitet.150 Für die Christenheit mag bedeutsamer sein, dass nun vielfach das Bild nicht mehr von der Präsenz des Jenseitigen zeugen will, sondern gänzlich zu Diesseits zu gehörten scheint151. Allerdings gibt es auch andere Versuche, die Beziehung von Bild bzw. Kunst zum Religiösen zu beschreiben, die nicht von Gegensätzlichkeiten, sondern eher von Verwandtschaften ausgehen. Denn nach Erne gebe es eine in ihrem Kern religiöse Bestimmung der modernen Kunst, weshalb er von „Familienähnlichkeiten” im Verhältnis von Kirche und Kunst”152 spricht. Das würde immerhin plausibel machen, weshalb offenkundig viele moderne Museen als Ausstellungsort für Bilder sakralen Räumen ähneln, womit sie bildhaft beanspruchten, zeitgenössische Kult-‐Orte zu sein, „die Ähnlichkeiten aufweisen mit kirchlich-‐ christlichen Ritualen und Liturgien”.153 Eine solche Plausibilität würde allerdings auch nach der Analyse von Roeck gelten, nach der postreformatorisch antireligiös bzw. Religion ersetzend der Künstler nunmehr von manchen als „inspirierter(n) Schöpfergott” verehrt wird, „der Werke hervorbringt, die ihrerseits Gegenstand religiöser Verehrung werden”.154
Lebensentwürfe - Sinndeutungen. Eine praktische Theologie gelebter Religion, Gütersloh (Chr. Kaiser/ Gütersloher) 1998, 100-118), S. 111 kann differnzieren: ,,Das Ästhetische richtet sich auf das Gefallen an der Gestalt, das Religiöse auf das Betroffensein durch den Gehalt, der sich erschließt.”
150 Vgl. H. Belting, Macht und Ohnmacht der Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und
Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 26 151
P. Sack, Die Macht der Bilder und die Bilder der Macht.Versuch zur Genealogie des White Cube. Heidelberg 2011 (in: http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=14&ved=0CDQQFjADOAo&url=http%3A%2F%2Farchiv.ub.uni-heidelberg.de%2Fartdok%2Fvolltexte%2F2011%2F1673%2Fpdf%2FSack_Die_Macht_der_Bilder_und_die_Bilder_der_Macht_2011.pdf&ei=9uygUNXeM8_Jswa3r4Aw&usg=AFQjCNG7BIQhFr-sJKk8zlfS7uHngw1UDw&sig2=YuerLJu7akh6NkRY-MG_9g), S. 43
152 Vgl. T. Erne, Formaufbau und Formzerstörung. Familienähnlichkeiten im Verhältnis von Kirche und Kunst. In: IJPT, vol. 10
2006, pp. 76–90, hier S. 78, der meint, „dass vieles ähnlich ist im Verhältnis von Kirche und Kunst, ähnlich, aber nicht gleich.” Er meint weiter: „„Familienähnlichkeiten” ist eine Metapher, die Ludwig Wittgenstein einfuhrt, um Beziehungen zu beschreiben, die logisch oder substanziell nichts gemeinsam haben und die doch irgendwie zusammengehören. Kunst wird nicht dadurch religiös, dass sie sich christliche Symbole bedient. Die Religion wird nicht dadurch zur Kunst, dass sie religiösen Sinn in Zeichen darstellt. Und doch haben beide irgendetwas gemeinsam.” Er bezieht sich auch auf D. Korsch, Herrschaft der Poesie. Eine kategoriale Deutung von Stefan Georges Kunstreligion, in: V. Drehsen/ W. Gräb/ D. Korsch (Hg.), Protestantismus und Ästhetik. Religionskulturelle Transformationen am Beginn des 20. Jahrhunderts, Gutersloh (Gutersloher Verlagshaus) 2001, 123-144, der vom „Bewusstsein der „Verwandtschaft” von Kunst und Religion, das eine „bleibende Differenz” einschließt, schreibt.
153 Vgl. Susanne Natrup, Ästhetische Andacht. Das postmoderne Kunstmuseum als Ort individualisierter und impliziter Religion, in:
J. Herrmann/A. Mertin/E. Valtink (Hg.), Die Gegenwart der Kunst in der Kunst der Gegenwart. Ästhetische und religiöse Erfahrung heute, Munchen (Fink) 1998, 74.
154 Vgl. B. Roeck, Macht und Ohnmacht der Bilder. Die historische Perspektive. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J.
Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 63; und U. Barth, Religion in der Moderne, Tübingen (Mohr Siebeck) 2003, 235-262, hier S. 261f. analysiert zu Recht, dass Kunst „vielerorts die Erbauungsfunktion der Religion übernommen hat.”
Aber auch ohne allen Künstlerkult verbleibt in der Moderne die Erfahrung, dass Bilder das „Unsagbare, Unfaßbare, Heilige in einer Weise sichtbar machen und zur Darstellung gelangen lassen (können), die auratischen und gar numinosen Charakter haben kann.”155 Denn ein Bild besitze die „merkwürdige Kraft, über sich selbst zu belehren”156 und zeige „einen anderen Anblick der Wirklichkeit.”157 Allerdings fasst Hofmann zusammen: „Auf die Kunst, die der Religion gehört, folgt die Religion der Kunst, deren Glaubensartikel der jeweilige Beschauer mit sich selbst auszumachen hat.”158 155
Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 33 156
M. Merleau-Ponty Der Zweifel Cézannes, in: G. Boehm (Hg.), Was ist ein Bild?, München 1995, S. 52 157
Vgl. J. Kunstmann, Bild und Religion, International Journal of Practical Theology, 2003, Vol. 7 Issue 1, p. 25 158
Vgl. W. Hofmann, Luther und die Folgen für die Kunst, in: R. Beck/ R. Volp/ G. Schmirber (Hrsg.), Die Kunst und die Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. München 1984, S. 74
Aber sollte Roeck Recht haben, dass quasi-‐religiöse Verehrung hierbei nicht erfolge, „weil man in den Bildern Gott vermutete oder weil sie auf Göttliches verwiesen“, sondern weil sie „in einer Welt, in der die Gottheit fern gerückt ist, das Verlorene”159 substituieren? Doch damit erhebt sich die Frage, was hier substituiert wird. Muss nicht damit gerechnet werden, dass in dem Moment, wo der bei Luther bei der „Freigabe der Bilder” noch vorausgesetzte tragfähige Glaube ignoriert wird, diese Leerstelle dann von anderen „Glaubensüberzeugungen” gern besetzt wird und dass die Bilder und ihre Macht damit letztlich vor den Karren anderer metaphysischer Theorien gespannt werden? Calvin hat die Gefahr des Eindringens quasi-‐ religiöser Mächte in die menschliche Seele nur zu deutlich gesehen , wenn er sagte, „daß der Menschengeist zu allen Zeiten sozusagen eine Werkstatt von Götzenbildern” gewesen sei.160 Oder aus anderer Perspektive meldeten sich hier ebenso Diskurs-‐Theoretiker wie Dewey and Habermas zu Wort, da offenkundig die Bilder der Medien den öffentlich nötigen Diskurs gefährden161 oder manipulieren162 würden. Ihnen stand noch nur zu deutlich vor Augen, wie besonders
159
Vgl. B. Roeck, Macht und Ohnmacht der Bilder. Die historische Perspektive. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 63
160 Vgl. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion = Institutio Christianae religionis/ Johannes Calvin. Nach der letzten Ausg.
übers. und bearb. von Otto Weber, Neukirchen-Vluyn 1997 (1955), (Institutio I,11,8), S. 45. Lateinisch: „Vnde colligere licet, hominis ingenium perpetuam, vt ita loquar, esse idolorum fabricam.” Vgl. J. Calvin, Institutio Christianae religionis, Genf 1569, (Institutio I,11,8), S. 44; psychologisch bekräftigt durch z.B. J. Yandell, Graven Images: Idol and Icon, in: Psychological Perspectives Volume 52, Issue 4/2009, S. 430: „Calvin's pronouncement that “the human mind ... is a perpetual forger of idols” is valid at least in the recognition that we are not just passive cameras but also active projectors. If the unconscious is the “always happening,” as Jung characterized it, then the conscious is the always projecting. Whatever is going on inside us, we find in the outer world.”
161 „Vision separates us; conversation unites us”. So Dewey nach. C. A. Finnegan/ J. Kang, “Sighting” the Public: Iconoclasm and
Public Sphere Theory, in: Quarterly Journal of Speech Vol. 90, No. 4, November 2004, pp. 377-402 hier: S. 383 162
The modernity project of Habermas „appears on its face to be iconoclastic. It proceeds with a will to purge images and vision and to open a path to a more rational, dialogic public sphere. ... Habermas believes that images in modern society reproduce the feudal system by producing passive subjects who are vulnerable to propaganda. Habermas attests that the modern public sphere has declined with the rise of images and representation. Contemporary society, in which mass media are a primal means of communication, operates through “manipulation and show” that can only create manipulative publicity.” Vgl. C. A. Finnegan/ J. Kang, “Sighting” the Public: Iconoclasm and Public Sphere Theory, in: Quarterly Journal of Speech Vol. 90, No. 4, November 2004, pp. 377-402 hier: S. 386
im 20. Jahrhundert Führerkulte Einzug gehalten hatten, deren multimedialer Einflussnahme kaum stand zu halten war. So war – abgesehen von der verspäteten „Heimholung” Napoleons nach Paris –
Lenin der erste moderne Herrscher, „der nicht nur einbalsamiert und in einem Mausoleum beigesetzt wurde, sondern dem eine dauerhafte, bis heute anhaltende kultische Verehrung durch Pilger aus seinem Land und aus aller Welt zu teil geworden ist.”163 In der sogenannten „aufgeklärten” Moderne wurden also nicht mehr Gestalten der Religion, sondern politische Führer als messianische Figuren und Heilande angesehen und ihre Portraits gewannen „magische Macht über die Menschen, sie zogen Bewunderung, Verehrung, Anbetung auf sich.” Und das nicht nur bei Demonstrationen und Gedenkfeiern und -‐märschen, sondern teilweise auch im häuslichen Alltag. Auf diese Weise wurde der ikonophile Personenkult zum „Kennzeichen der modernen politischen Religionen”. Mit Hitlers und Stalins Tod fanden diese modernen Bildreligionen, die das Heil auf Erden versprachen und nicht im Jenseits164, kein Ende, sondern wurden bis in die Gegenwart hinein durch Mao, Ho Tschi Minh, Kim-‐il-‐Sung, Che Guevara, Castro, Ceausescu und viele andere fortgeführt.165 163
Vgl. H. Maier, Die Politischen Religionen und die Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 486
164 Vgl. A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und
handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 526
165 Vgl. H. Maier, Die Politischen Religionen und die Bilder, in: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.),
Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 494
Und die Zerstörung der Bilder dieser “Heiligen” nach den Umbrüchen von 1945 und 1989 usw. wies durchaus „Parallelen zum reformatorischen Bildersturm auf.”166 Diese Bilder mussten ihre Entmächtigung durch Zerstörung genauso erdulden wie die damaligen Heiligenbilder, da ihren Verehrern der tragfähige Glauben abhanden gekommen war. Die Macht der Bilder ist dagegen keineswegs beschädigt bei der quasi-‐religiösen Verehrung für die „Stars” aus Politik, Kunst, Sport,
166
Vgl. A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 512
Mode oder Musik, mit ihren Fetischen und Emblemen, ihren Marken, und dem gläubigen Anbeten des Idols.167
Hier wird verschiedentlich in der modernen Gesellschaft einer „implizite Religion”168 in säkularem Gewand gehuldigt. Und aufmerksame Beobachter können wahrnehmen, wie stark „die modernen Bilderwelten in der Werbung und ihren Heilsversprechungen, im Film und vor allem im gesellschaftlichen Leitmedium, dem Fernsehen, religiös durchsetzt” sind und teilweise sogar mit „rituellem, d. h. kultischem Charakter” versehen sind169. Es wird eben nicht nur der „Blick aus dem Fenster .. durch den Fernsehapparat ersetzt, in dem alles geschieht: Musik, Nachrichten, Fußball, Gerichtsszenen, Hinrichtungen, Ehedrama, Hochzeit, Spaß, Spiel, Ernst und Tragik“, sondern durchaus „das Leben als Film, oft als Ersatz fur das eigene“170, in sich aufgenommen und evtll. noch durch moderne Programmier-‐ und Internet-‐Technik variiert und individualisiert.171 Die Sehnsucht der Menschen „nach einem Heil und einem Glück, das jenseits der dinglichen Welt angesiedelt sich in ihren Dingen real repräsentiert” ist offenkundig.172 Deshalb sind viele Unternehmen durchaus erfolgreich in ihrem Versuch, in
167
Vgl. A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 526f.
168 Vgl. U.H.J. Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen, Probleme, Perspektiven. Göttingen 2001, S. 250
169 Vgl. U.H.J. Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen, Probleme, Perspektiven. Göttingen 2001, S. 250; vgl. auch J.
Herrmann, FILM UND RELIGION. ERLEUCHTUNG GARANTIERT? In: Kulturbüro des Rates der EKD (Hrsg.), KIRCHEN-KULTUR-KONGRESS, Berlin 2012, S. 83
170 Vgl. H. Burda, Vom Wort zum Bild: Iconic Turn, in: forum 1/2013, S. 9f.
171 Vgl. H. Burda, Vom Wort zum Bild: Iconic Turn, in: forum 1/2013, S. 8f.
172 Vgl. A. Holenstein/ H.R. Schmidt, Bilder als Objekte – Bilder in Relationen. Auf dem Weg zu einer wahrnehmungs- und
handlungsgeschichtlichen Deutung von Bilderverehrung und Bilderzerstörung. In: P. Blickle/ A. Holenstein/ H.R. Schmidt/ F.-J. Sladeczek (Hrsg.), Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte. München 2002, S. 527
Markteting-‐Interesse mit Hilfe von Bildern173, welche z.T. sogar religiös oder quasi-‐religiös aufgeladenen sind, manipulativ174 den Verbraucher zu Kaufentscheidungen zu bringen und ökonomisch auszunutzen.
Dabei ist allein aus der Sicht der marktwirtschaftlichen ökonomischen Theorie Kritik zu erheben, denn am Ende sei „nicht das objektive Bild eines Produktes, sondern dessen Perzeption .. entscheidend für den Kaufprozess”175 , wodurch der wirtschaftliche Prozess ethisch fragwürdig verzerrt wird. Maßgeblicher muss aber die Frage sein, was ein solcher Bildgebrauch mit der Seele des Konsumenten macht, wenn es im Rahmen der
173
Offenbar ist der Anteil der Werbung, der auf visuelle Botschaften verzichten kann, minimal. Vgl. C. Homburg/ H. Krohmer, Marketingmanagement. Strategie - Instrumente . Umsetzung - Unternehmensführung. Wiesbaden 20072, S. 794
174 Vgl. J. Yandell, Graven Images: Idol and Icon, in: Psychological Perspectives Volume 52, Issue 4/2009, S. 427 mit Hinweis auf
Vance Packard’s “hidden persuaders” von 1957 175
Vgl. E. Göbel, Art. Werbung , in: Handbuch der Wirtschaftsethik hrsgg, im Auftrag der Görres-Gesellschaft von W. Korff u.a. Bd. 4.2 Konkrete wirtschaftsethische Problem!elder, Berlin 2009 (Gutersloh 1999) S. 653-670 hier S. 662
Entwicklung einer „customer relationship” nicht mehr darum geht, „to make a sale”, sondern „to create a customer”176? Denn wenn man ihn zu einem produkttreuen „customer” umgeschaffen hat, dessen Streben und Lebensorientierung und Lebenshoffnung sich jetzt nur noch nach dem ihm in den Bildern des Films und Fernsehens indoktrinierten „Idol” richtet, kann das überhaupt sein „wahrer” Lebenssinn sein? Wird hier nicht genau die Leerstelle des bei Luther bei der „Freigabe der Bilder” noch vorausgesetzten tragfähigen Glaubens von einer „Glaubensüberzeugungen” besetzt, deren manipulatives Ziel nur die ökonomische (und irgendwann dann wohl auch politische) Ausnutzung ihrer Glaubensanhänger ist? Um so wichtiger muss an dieser Stelle die bleibende „religionskritische Funktion einer bilderkritischen, negativen Theologie” sein, deren Aufgabe es sein muss, die „Unverfügbarkeit Gottes” und damit auch die Unzulänglichkeit aller weltlicher Versprechen von Heil und Erfüllung einzuschärfen, und damit auch die zweifelhafte Macht der Bilder genauso wie die Grenzen von Bilderverboten immer wieder neu zu reflektieren.177 Insofern bleibt die theologische, reformatorische Aufgabe unaufgebbar, „die Zweideutigkeit des schönen Scheins kritisch zu reflektieren,” und damit auch „zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.”178 Aber ist eine solche kritische Perspektive nun alles, was die evangelische Welt zur Bilderfrage beitragen kann? Oder haben wir denn als bildgeleitete Menschen überhaupt keine andere Wahl, als uns trotz aller „Unverfügbarkeit Gottes” und „Unverfügbarkeit des Glaubens” in den Unzulänglichkeiten unseres Lebens auf den Weg zu machen, um in evangelischer Freiheit unser Bild des Glaubens zu finden -‐ in Wahrhaftigkeit, Eindringlichkeit und Schönheit? Keinesfalls, um dieses Bild dann anzubeten, aber durch es zum Gebet angeregt zu werden und darin Gott loben und danken.
Vgl. U.H.J. Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen, Probleme, Perspektiven. Göttingen 2001, S. 250 178
Vgl. U.H.J. Körtner, Theologie des Wortes Gottes. Positionen, Probleme, Perspektiven. Göttingen 2001, S. 249
Jedenfalls wird der, der sich so hoffnungsvoll auf den Weg macht, um Glauben und sein Bild des Glaubens zu finden, nach Luther nicht enttäuscht werden. Denn -‐ so sagt er -‐ das dürfe man glauben, dass „der heilige Geist wircket in uns den glauben, do bekommen wir dan widder Gottes bild, so wir im Paradis verlorn hatten.”179