4.9 Training/Lehrtraining STEFANIE RATHJE Bei der Vermittlung interkultureller Kompetenz stellen Trainings innerhalb von Hochschulseminaren eine beliebte Alternative zu herkömmlichen Lehr- methoden dar. Ihr Einsatz in der Hochschullehre ist jedoch hinsichtlich ver- wendeter Trainingsformen und ihrer theoretischen Fundierung sowie didakti- scher Herausforderungen und Potenziale noch nicht systematisch ausgewertet worden (Heller 2000: 13ff.). Bisher liegen zahlreiche Einzeldarstellungen zur Konzeption interkulturel- ler Trainings für unterschiedliche Zielgruppen vor: z.B. für Mitarbeiter in Wirtschaftsunternehmen (vgl. Kumbruck/Derboven 2005; Tho- mas/Kinast/Schroll-Machl 2006: 96ff.), Mitarbeiter im öffentlichen Dienst (Amt für Multikulturelle Angelegenheiten Frankfurt 1995: 56ff.), Sozialarbei- ter (Freise 2005: 158ff.), Migranten (Schönpflug 2003: 328ff.), Schüler (Holzbrecher 2004: 125ff.) und Studierende (Heller 2000: 102ff.). Im interna- tionalen Zusammenhang gibt es darüber hinaus Trainingskonzepte für Tätig- keiten in der Entwicklungszusammenarbeit (Loch/Seidel 2003: 309ff.) und für Militäreinsätze (Kammhuber/Layes 2003: 319ff.). Daneben existieren Überblicksdarstellungen zur deutschen Trainingsland- schaft (vgl. O’Reilly/Arnold 2005). Diese beziehen sich jedoch in der Regel auf alle Einsatzgebiete interkultureller Trainings, insbesondere auf ihre An- wendung in der Personalentwicklung von Wirtschaftsunternehmen. Ziel des Artikels ist es, eine erste Grundlage zur Systematisierung von Trainings als Methode zur Vermittlung interkultureller Kompetenz zu liefern, die sich speziell auf ihren Einsatz in der Hochschulausbildung konzentriert. Hieraus sollen Schlussfolgerungen einerseits für die Planung von Studienpro- grammen in Bezug auf den sinnvollen Einsatz unterschiedlicher Trainings, andererseits hinsichtlich der Anforderungen an die mit der Vermittlung be- treuten Hochschuldozenten gezogen werden. Der Artikel greift auf die breite allgemeine Literatur zu interkultureller Trainingsdidaktik zurück, integriert jedoch darüber hinaus auch Erkenntnisse Erscheint in: Straub, J.; Weidemann, A.; Nothnagel, S. (Hg.): „Wie lehrt man interkultu- relle Kompetenz.Theorie und Praxis von Lehrmethoden in der Universitäts- und Hochschulausbildung“, 2009 (transcript)
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Vorabversion Training (Rathje)neu.integrationspotenziale.de/wp-content/uploads/2012/05/stefanie... · dienen z.B. die Attributionstheorie (vgl. Triandis 1984; Seewi 1995; Philipp
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4.9 Training/Lehrtraining
STEFANIE RATHJE
Bei der Vermittlung interkultureller Kompetenz stellen Trainings innerhalb
von Hochschulseminaren eine beliebte Alternative zu herkömmlichen Lehr-
methoden dar. Ihr Einsatz in der Hochschullehre ist jedoch hinsichtlich ver-wendeter Trainingsformen und ihrer theoretischen Fundierung sowie didakti-
scher Herausforderungen und Potenziale noch nicht systematisch ausgewertet
worden (Heller 2000: 13ff.).
Bisher liegen zahlreiche Einzeldarstellungen zur Konzeption interkulturel-
ler Trainings für unterschiedliche Zielgruppen vor: z.B. für Mitarbeiter in
(Amt für Multikulturelle Angelegenheiten Frankfurt 1995: 56ff.), Sozialarbei-
ter (Freise 2005: 158ff.), Migranten (Schönpflug 2003: 328ff.), Schüler
(Holzbrecher 2004: 125ff.) und Studierende (Heller 2000: 102ff.). Im interna-
tionalen Zusammenhang gibt es darüber hinaus Trainingskonzepte für Tätig-
keiten in der Entwicklungszusammenarbeit (Loch/Seidel 2003: 309ff.) und für Militäreinsätze (Kammhuber/Layes 2003: 319ff.).
Daneben existieren Überblicksdarstellungen zur deutschen Trainingsland-
schaft (vgl. O’Reilly/Arnold 2005). Diese beziehen sich jedoch in der Regel
auf alle Einsatzgebiete interkultureller Trainings, insbesondere auf ihre An-
wendung in der Personalentwicklung von Wirtschaftsunternehmen.
Ziel des Artikels ist es, eine erste Grundlage zur Systematisierung von Trainings als Methode zur Vermittlung interkultureller Kompetenz zu liefern,
die sich speziell auf ihren Einsatz in der Hochschulausbildung konzentriert.
Hieraus sollen Schlussfolgerungen einerseits für die Planung von Studienpro-
grammen in Bezug auf den sinnvollen Einsatz unterschiedlicher Trainings,
andererseits hinsichtlich der Anforderungen an die mit der Vermittlung be-
treuten Hochschuldozenten gezogen werden. Der Artikel greift auf die breite allgemeine Literatur zu interkultureller
Trainingsdidaktik zurück, integriert jedoch darüber hinaus auch Erkenntnisse
Erscheint in:
Straub, J.; Weidemann, A.; Nothnagel, S. (Hg.): „Wie lehrt man interkultu-
relle Kompetenz.Theorie und Praxis von Lehrmethoden in der Universitäts-
und Hochschulausbildung“, 2009 (transcript)
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aus Experteninterviews mit deutschen Hochschullehrern sowie eigene Lehrer-fahrungen, um dem spezifischen Theoriedefizit für den Bereich der Hoch-
schullehre Rechnung zu tragen. Die auf dieser Basis entwickelten Hypothesen
sollten idealerweise mit Hilfe empirischer Studien validiert werden.
Abgrenzung des Trainingsbegr i f fs
In der Literatur zu interkulturellen Trainings liegt eine Reihe sehr breiter De-
finitionen des Gegenstandsbereiches vor. Dabei werden unter dem Begriff
‚interkulturelles Training‘ üblicherweise alle Arten von Interventionsmaß-
nahmen zur Entwicklung interkultureller Kompetenz zusammengefasst.
Im englischsprachigen Bereich bezeichnet beispielsweise Albert „all acti-
vities designed to facilitate effective interactions between culturally different persons“ (1994: 153) als interkulturelles Training. Brislin und Yoshida
schränken diese Aktivitäten auf „formal efforts“ ein, „designed to prepare
people for more effective interpersonal relations when they interact with indi-
viduals from cultures other than their own“ (1994: 2f.). Paige und Martin be-
tonen zusätzlich den Ausbildungs- und Prozesscharakter und bezeichnen in-
terkulturelles Training als „educative processes intended to promote culture learning“ (Paige/Martin 1996: 36).
Auch im deutschsprachigen Bereich herrschen sehr breite Definitionen
vor, die einerseits versuchen, das Ziel des interkulturellen Trainings, nämlich
die Entwicklung interkultureller Kompetenz, mehr oder weniger treffend zu
beschreiben, andererseits jedoch hinsichtlich der Art möglicher Maßnahmen
keine Einschränkung treffen:
„Allgemein umfasst interkulturelles Training alle Maßnahmen, die darauf abzielen,
einen Menschen zur konstruktiven Anpassung, zum sachgerechten Entscheiden und
zum effektiven Handeln unter fremdkulturellen Bedingungen und in kulturellen Ü-
berschneidungssituationen zu befähigen“ (Thomas/Hagemann/Stumpf 2003: 238).
An dieser Stelle soll im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse des Artikels auf eine Diskussion des genauen Verständnisses von interkultureller Kompetenz
als Ziel interkultureller Trainingsmaßnahmen verzichtet werden (vgl. hierzu
Rathje 2006, 2007).
Stattdessen ist jedoch eine genauere Bestimmung möglicher Arten von
Maßnahmen notwendig, um den Begriff ‚interkulturelles Training‘ im Hoch-
schulbereich sinnvoll von anderen Vermittlungsmethoden wie z.B. Vorle-sung, Gruppendiskussion, Textanalyse etc. abzugrenzen.
Die Schwammigkeit herkömmlicher Definitionen begründet sich vor al-
lem im vorherrschenden Verständnis von interkulturellem Training als Teil
der Personalentwicklung von Unternehmen. Hier bezeichnet der Begriff des
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Trainings, im Gegensatz zu anderen Interventionsmaßnahmen wie Mitarbei-tergespräch oder Assessment Center, „off-the-job“-Maßnahmen (vgl. Bolten
2001a), die mit Kompetenzvermittlung aller Art verknüpft sein können. Es ist
zu vermuten, dass diese unspezifische Definition des deutschen Lehnworts
‚Training‘ auf die ursprünglich weite Bedeutung des Begriffs ‚training‘ im
angelsächsischen Raum zurückzuführen ist, die ‚Ausbildung‘ im weitesten
Sinn umfasst: „the process of bringing a person to an agreed standard of pro-ficiency by practice and instruction“ (Collins 2006).
Für den Bereich interkultureller Trainings in der Hochschuldidaktik ist
demgegenüber eine engere Begriffsabgrenzung notwendig, um nicht auch alle
anderen klassischen Vermittlungsmethoden miteinzuschließen. Die allgemei-
ne Pädagogik grenzt Training dementsprechend ab von anderen Methoden der
Unterrichtsgestaltung wie z.B. dem Vortrag oder der Gruppenarbeit, ohne al-lerdings eine trennscharfe Eingrenzung zu liefern (Kron 2000: 270). Als hilf-
reicher erweist sich hier der Blick in Wissenschaftsbereiche, die sich genuin
mit Trainingskonzepten auseinandersetzen: So versteht die Sportwissenschaft
unter Training einen komplexen Handlungsprozess, der mit Hilfe planmäßiger
und sachorientierter Einwirkung die Fähigkeit des Trainierenden zur best-
möglichen Leistungspräsentation in einer Bewährungssituation verbessert (Röthig et al. 1992: 519f.).
Auf dieser Grundlage lassen sich eine Anzahl sinnvoller Kritierien identi-
fizieren, die eine Definition von Training als Vermittlungsmethode im Hoch-
schulbereich umfassen müsste:
• Komplexität: Das Lernziel ist vielschichtig.
• Aktivität: Die Studierenden müssen selbst handelnd tätig werden.
• Systematik: Die einzelnen Aktivitäten sind aufeinander sowie auf das
Lernziel abgestimmt.
• Realitätsbezug: Die Aktivitäten wirken erfahrungsbildend in Bezug auf
konkrete Anwendungssituationen.
Als Training im Rahmen der Hochschulausbildung soll damit eine Lehrme-thode bezeichnet werden, die ein vielschichtiges Lernziel mit Hilfe planvoller,
aufeinander abgestimmter Anwendungsübungen vermittelt, die auf eine Be-
währungssituation vorbereiten. Interkulturelles Training im Hochschulbereich
kann dann analog definiert werden als eine Lehrmethode zur Vermittlung des
vielschichtigen Lernziels interkultureller Kompetenz mit Hilfe planvoller,
aufeinander abgestimmter Anwendungsübungen, die auf die Bewältigung in-terkultureller Interaktionssituationen vorbereiten.
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Training als Kombinat ion von Mater ial und Technik
Wie auch in anderen didaktischen Zusammenhängen üblich, sollte zur syste-
matischen Analyse und Bewertung von Vermittlungsmethoden der Entwick-
lung interkultureller Kompetenz unterschieden werden zwischen den gewähl-
ten Inhalten, im folgenden ‚Material‘ genannt, sowie den verwendeten
didaktischen Verfahren, im folgenden ‚Technik‘ genannt. So besteht z.B. die bekannte Vermittlungsmethode „Culture Assimilator“ aus einer Kombination
von sogenannten Critical Incidents (Beschreibungen ‚kritischer‘, als beson-
ders aussagekräftig für die behandelte Kultur betrachteter Interaktionssituati-
onen) als Material und Multiple-Choice-Fragebögen mit ausführlichen Auflö-
sungstexten, ggf. verknüpft mit einer moderierten Gruppendiskussion, als
Technik (s.a. Layes 2007; Utler/Thomas i.d.B., Kap. 4.1). Dabei lässt sich zwischen materialabhängigen und materialunabhängigen
Techniken unterscheiden. So kann beispielsweise die Fallstudien-Technik mit
ihrem Verfahren aus Lesen, Diskussion von Handlungsalternativen, Entschei-
dung für eine Alternative etc. (Flechsig 1999: 217) nur in Verbindung mit ei-
ner entsprechenden Fallstudien-Dokumentation als Material angewendet wer-
den. Die Technik des Rollenspiels ist demgegenüber materialunabhängig. So sind u.a. vergleichende Kultur-Skripte mit Verhaltensanweisungen, aber auch
Fallstudiendokumentationen oder offene Situationsbeschreibungen als Grund-
lage für ein Rollenspiel denkbar.
Betrachtet man bisherige Darstellungen unterschiedlicher Trainingsme-
thoden, sind diese häufig gekennzeichnet durch eine Vermischung von Mate-
rial und Technik. So listet beispielsweise Ehnert Bücher, Filme, Diskussio-nen, Fallstudien, Kulturassimilatoren, Rollenspiele, Videoanalyse, Coaching
u.a. als Methoden des interkulturellen Trainings auf und integriert dabei
spezifische Kombinationen von Material und Technik, die für die jeweils
praktische Anwendung sinnvolle Anregungen enthalten, sich einer systemati-
schen Bestandsaufnahme jedoch notwendigerweise entziehen.
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Im Folgenden soll daher eine systematische Trennung von Material und Technik vorgenommen werden. Die vorgeschlagene Definition von interkul-
turellem Training als Vermittlungsmethode im Hochschulbereich trifft dabei
bewusst keine Eingrenzung hinsichtlich des verwendeten Materials, sondern
stellt primär Kriterien zur Eingrenzung bestimmter Techniken auf (Komplexi-
tät, Aktivität, Systematik, Realitätsbezug). Der vorliegende Beitrag konzent-
riert sich im Folgenden auf die Analyse im Hochschulbereich angewandter Trainingstechniken sowie ihrer Bewertung und spart eine Analyse denkbarer
Materialien aus.
Dies liegt zum einen darin begründet, dass die theoretischen Fundierun-
gen zahlreicher Materialquellen seit langem bekannt und benannt sind. So
dienen z.B. die Attributionstheorie (vgl. Triandis 1984; Seewi 1995; Philipp
2003: 51ff.), die Schematheorie (vgl. Kelley 1973) oder das „face“-Konzept (vgl. Goffman 1967) als Grundlage für die Beschreibung (fiktiver) kontrasti-
ver Kulturszenarien in bekannten Rollenspieltechniken. Das Modell der Kul-
turstandards (vgl. Holzmüller 1997; Thomas 1996; Utler/Thomas i.d.B., Kap.
4.1) gilt als Grundlage für Critical-Incident-Beschreibungen. Die Sprechakt-
theorie wird als theoretische Basis für die Verwendung von Interview- bzw.
Gesprächstranskripten in der linguistischen Gesprächsanalyse angeführt (Au-ernheimer 2003: 113f.). Das Modell interkultureller Kompetenz als Transfer-
fähigkeit allgemeiner Managementkompetenzen (Bolten 1999: 70) dient als
Fundierung verschiedener Planspielszenarien.
Zum anderen sind auch die Probleme der Verwendung bestimmter Mate-
rialien, wenn auch nicht immer unter dieser Überschrift, bereits umfassend
diskutiert worden (vgl. Bolten 2001b: 130; Hansen 2000: 285; Rathje 2004 zum Einsatz von kulturellen Dimensionsmodellen). Auch der enge Zusam-
menhang zwischen Trainings-Material und zugrundeliegendem Kulturpara-
digma bzw. Verständnis von interkultureller Kompetenz ist bereits ausgelotet
worden. So verweist z.B. Auernheimer auf die Problematiken des Essentia-
lismus, der Ausblendung von Machtverhältnissen, der Identitätsvorschreibung
und des Ethnozentrismus (Auernheimer 2007: 120f.), die mit der Auswahl des Trainingsmaterials direkt verknüpft sind (vgl. auch Straub i.d.B., Kap. 2.1).
Kammhuber unterstreicht den Zusammenhang zwischen lerntheoretischem
Grundverständnis und Trainingsinhalten (2007: 19; Straub/Kölbl i.d.B., Kap.
2.2). Die Herausforderungen, die sich daraus für die Einordnung und Bewer-
tung von Trainingsmaterial ergeben, gelten jedoch für alle Formen der Ver-
mittlung interkultureller Kompetenz im Hochschulbereich und sollen daher an dieser Stelle nicht gesondert untersucht werden.
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Unterscheidung der Trainingstechniken
Im Folgenden soll eine Auswahl derjenigen Vermittlungstechniken interkultu-
reller Kompetenz vorgenommen werden, die den Kriterien der vorgeschlage-
nen Trainingsdefinition entsprechen und darüber hinaus auch im Hochschul-
bereich Verwendung finden. Es werden daher nur solche hochschultypischen
Techniken einbezogen, die es erlauben, das Lernziel interkulturelle Kompe-tenz mit Hilfe planvoller, aufeinander abgestimmter Anwendungsübungen zu
vermitteln, die auf die Bewältigung einer interkulturellen Interaktionssituation
vorbereiten.
Damit entfallen übliche Vermittlungsmethoden wie Vorlesungen und se-
minaristischer Unterricht, weil hier die erfahrungsbildende Verhaltensaktivität
in Bezug auf eine Bewährungssituation fehlt. Ebenfalls von der Definition ausgeschlossen werden analytische Verfahren (z.B. Literaturanalyse, Diskurs-
analyse, Filmanalyse), da die geforderten Aktivitäten hier ebenfalls nicht der
Übung einer Interaktionssituation entsprechen. Auch explorierende oder beo-
bachtende Techniken wie das Verfahren der Feldstudie können dann nicht als
Trainingstechnik für den Hochschulbereich im engeren Sinn gelten, da auch
die Erfahrung der Befragung oder der Beobachtung nicht notwendigerweise eine Übung interkultureller Interaktionssituationen darstellt (vgl. jedoch Wei-
demann i.d.B., Kap. 4.16).
Insgesamt lassen sich sechs voneinander abgrenzbare Trainingstechniken
identifizieren, die der Definition interkultureller Trainings im Hochschulbe-
reich entsprechen. Sie sollen im Folgenden hinsichtlich ihrer Charakteristika
und spezifischer Vermittlungspotenziale in Bezug auf das Lernziel interkultu-relle Kompetenz überblicksartig beschrieben werden.
Rollenspiel
Bei der Technik des Rollenspiels versetzen sich die Studierenden in vordefi-nierte Rollen hinein und interagieren entweder nach vorgegebenen Spielre-
geln oder hinsichtlich eines zu erreichenden Ziels (vgl. Puzberg/Kühne 1979).
Dabei lassen sich je nach verwendetem Material grundsätzlich zwei Formen
unterscheiden: „Cultural Awareness“ und simulatives Rollenspiel.
Die häufig als „Cultural Awareness“ bezeichnete Rollenspieltechnik ver-
wendet Skripte mit Verhaltensbeschreibungen von ausgedachten Kulturen:
„In einer definierten Spielsituation interagieren die Teilnehmer als Mitglieder unter-
schiedlicher Phantasie-Kulturen miteinander, ohne zunächst die Spielregeln zu ken-
nen, die das Verhalten der jeweils anderen Gruppe bestimmen. Sie sollen auf diese
Weise angeregt werden, sich eine fremde Kultur durch hypothesengeleitetes Explo-
rationsverhalten schrittweise zu erschließen.“ (Thomas/Hagemann 1996: 185)
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Die Technik des simulativen Rollenspiels konzentriert sich demgegenüber auf
die Nachstellung einer realen, ggf. kritischen Lebenssituation. Diese können
im Rahmen eines interkulturellen Trainings z.B. die Simulation einer ge-
schäftlichen Interaktion mit internationalen Gesprächspartnern oder eines
Streitgespräches mit Parteien aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten sein. Ziel ist in beiden Fällen die Erweiterung der interkulturellen Handlungs-
kompetenzen der Teilnehmenden, die durch unterschiedliche Teilziele er-
reicht werden kann:
• Erkennen und Verändern von Verhaltensmustern (z.B. durch Anwendung
einer bestimmten Interaktionsstrategie);
• Ausloten eigener Grenzen und angstbehafteter Fremdheitserfahrungen in einem geschützten Raum;
• Empathie-Entwicklung durch Rollentausch und Nachempfinden der Erfah-
rungen Anderer.
Planspiel/Simulation
Das Planspiel bzw. die Simulation (siehe ausführlich Strohschneider i.d.B.,
Kap. 4.10) stellen eine Erweiterung des Rollenspiels dar. Die begriffliche Ab-
grenzung untereinander ist nicht trennscharf, im Allgemeinen wird der Beg-
riff der Simulation häufiger im Zusammenhang mit computerbasierten Vor-
gehensweisen verwendet.
Planspiele und Simulationen zeichnen sich im Gegensatz zum Rollenspiel vor allem dadurch aus, dass typischerweise Gruppen von Teilnehmern als
Handlungsträger in wechselnden Szenen und Situationen agieren (Geuting
2000: 15f.). Ein häufiges Kennzeichen der Interaktion ist dabei ein beabsich-
tigtes Spannungs- oder Stressmoment, das einerseits durch die Dynamik in-
nerhalb der Teilnehmergruppen, andererseits durch Wettbewerbssituationen
zwischen den Gruppen entsteht. Planspielmaterialien geben in der Regel ein zentrales Problem, oft eine schwierige Entscheidungs- oder Konfliktsituation
vor. Die Teilnehmer erhalten die Aufgabe, in mehreren Spielrunden Lö-
sungsmöglichkeiten durchzuspielen. Dabei erweist sich der Faktor Zeit als
wichtige Grundlage für den beabsichtigten Lernerfolg:
„Gerade durch das Planspiel, in dem auch der Zeitablauf simuliert wird, können die
jeweiligen denkmöglichen Folgewirkungen und längerfristigen Konsequenzen der
verschiedenen Lösungsvorschläge und Handlungsalternativen zeitlich gerafft be-
wußt gemacht werden.“ (Geuting 2000:16)
Zusätzlich zu den Lernzielen des Rollenspiels bieten Planspiele und Simulati-
onen daher die Möglichkeit, komplexere Zusammenhänge in interkulturellen
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Interaktionssituationen zu veranschaulichen und darauf abgestimmte Hand-lungsstrategien auszuprobieren und hinsichtlich ihrer Angemessenheit zu ver-
gleichen (vgl. Strohschneider i.d.B., Kap. 4.10).
Teamzentrierte Prozessmoderation
Unter teamzentrierter Prozessmoderation wird eine spezielle Form der Grup-penarbeit verstanden, bei der die Studierenden unter realitätsnahen Bedingun-
gen eine komplexe Projektaufgabe bearbeiten. Anders als beim Planspiel fol-
gen die Teilnehmer einem transparenten Prozess aus aufeinander aufbauenden
Arbeitsschritten, der durch den Dozenten gruppenindividuell moderiert wird.
Dabei wechseln sich Einheiten von selbstständiger Gruppenarbeit mit Input-
und Reflexionsphasen ab. Mit Hilfe einer systematischen Prozessstruktur so-wie einem engen Coaching der Teams fängt der Dozent Frustrationserfahrun-
gen auf und stellt Erfolgserlebnisse sicher.
Als Material bietet sich eine ausführliche Fallstudie mit einer interkultu-
rellen Thematik, ergänzt durch umfangreiches Datenmaterial, an, wie z.B. die
Entwicklung eines Kommunikationsprodukts in einer internationalen Organi-
sation, ein interkultureller Mediationsprozess zwischen Interessengruppen o-der die Erfüllung einer Projektmanagementaufgabe in einem interkulturellen
Projektteam (vgl. exemplarisch Rathje 2005a für den Bereich des interkultu-
rellen Consultings).
Die teamzentrierte Prozessmoderation stellt eine komplexe Lernsituation
her, welche die Teilnehmer mit vielfältigen Anforderungen konfrontiert: Sie
müssen ihr Team koordinieren und Gruppendynamik bewältigen, während sie die Transferleistung der Anwendung einer ihnen bisher unbekannten Vorge-
hensweise erbringen. Sie arbeiten ggf. unter Zeitdruck und unter Berücksich-
tigung großer Mengen von Daten an der Erledigung ihrer Aufgabe und betrei-
ben kontinuierlich Qualitätssicherung in Bezug auf das Endprodukt.
Gleichzeitig müssen sie in jedem Arbeitsschritt auch interkulturelle Fragestel-
lungen berücksichtigen. Ziel ist es hier, anhand der Arbeit an konkreten Auf-gaben aus dem möglichen späteren Arbeitsalltag der Studierenden, Interkultu-
ralität als einen, oft impliziten, Einflussfaktor unter zahlreichen anderen zu
erfahren.
Lehrtraining
Lehrtrainings zeichnen sich durch ihr besonderes Lernziel der Erstellung ei-
nes interkulturellen Trainings aus. Mit Hilfe einer Kombination unterschiedli-
cher Trainings- und anderer Vermittlungstechniken wie z.B. E-Learning (s.a.
Bolten i.d.B., Kap. 4.11) werden die Studierenden bei ihrer Aufgabe begleitet,
selbst ein interkulturelles Training für eine Gruppe von Trainees zu erstellen.
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Hierfür erhalten sie vielfältigen inhaltlichen Input zu lerntheoretischen, didak-tischen und berufspraktischen Grundlagen, um auf dieser Basis eine eigene
Trainingssequenz zu entwickeln, die im Rahmen der Seminarsituation, ideal-
erweise unter Zuhilfenahme filmischer Aufzeichnung und anschließendem
Feedback, ausprobiert wird (vgl. Bolten 2008; Bolten/Müller-Jacquier 2008).
Als Material steht den Studierenden dabei typischerweise konkretes An-
wendungswissen zu Themen wie zielgruppengerechter Konzeption interkultu-reller Personalentwicklungsmaßnahmen, didaktischer Aufbereitung interkul-
tureller Trainingssequenzen, Durchführung, Nachbereitung und Evaluation
von interkulturellen Trainings oder Geschäftsmodellen der interkulturellen
Personalentwicklung zur Verfügung (vgl. Bolten 2007).
Die besondere Leistung von Lehrtrainings im Hinblick auf die Entwick-
lung interkultureller Kompetenz der Studierenden liegt in der methodisch ver-ankerten zusätzlichen Reflexionsebene. Andere Trainingstechniken arbeiten
üblicherweise mit Beobachtungen erster und zweiter Ordnung: Die Teilneh-
mer machen konkrete Erfahrungen, ‚beobachten‘ diese in Reflexionsphasen
nachträglich und werden dadurch zu Lernenden. Beim Lehrtraining hingegen
‚beobachten‘ die Studierenden anhand der zusätzlichen Reflexion der Lehr-
methode sich selbst beim Lernen interkultureller Kompetenz. Daraus ergeben sich nach Kriegel (2008) vielfältige Lernpotenziale: Auf
kognitiver Ebene kann die Erkenntnis der Kulturgebundenheit eigenen Den-
kens und Handelns anhand der Reflexion der eigenen Trainer-Rolle, des Ver-
haltens als Trainer sowie der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Lern-
stilen vermittelt werden. Das Problembewusstsein für die Auswirkungen
unterschiedlicher Kulturmodelle erhöht sich durch ihre für die Entwicklung einer Trainingseinheit notwendige Metathematisierung. Der Umgang mit
mehreren unterschiedlichen Beobachtungsperspektiven kann darüber hinaus
auf affektiver Ebene Ambiguitätstoleranz und Empathie fördern sowie hin-
sichtlich des Verhaltens eine Erhöhung der Flexibilität im Handlungsreper-
toire der Studierenden bewirken.
Laboratory Learning
Unter Laboratory Learning wird eine Trainingstechnik verstanden, bei der
Studierende in Kleingruppen an einem semi-realen Projekt arbeiten (vgl.
Rathje 2005b). Sie ist daher grundsätzlich auch unabhängig von der Vermitt-
lung interkultureller Kompetenz einsetzbar. Genau wie beim Lehrtraining er-folgt auch beim Laboratory Learning der Einsatz unterschiedlicher anderer
Trainingstechniken, wie z.B. teamzentrierte Prozessmoderation.
Das Besondere am Laboratory Learning ist das Verlassen der Ebene rein
fiktiver Problembearbeitung zugunsten eines direkten Anwendungsbezugs. So
führen die Studierenden kein ‚ausgedachtes‘ Projekt (z.B. auf Basis einer
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Fallstudiendokumentation) durch, sondern erhalten eine ‚echte‘ Aufgabe von einem ‚echten‘ Auftraggeber, dem sie ihre Projektergebnisse abschließend
präsentieren müssen (vgl. hierzu auch den Typus des interkulturellen Lern-
projekts aus der Jugendarbeit bei Flechsig 1999: 222, sowie Lehrforschungs-
projekte bei Weidemann i.d.B., Kap. 4.16). Hierzu wendet sich der Dozent
vorab an Unternehmen oder Organisationen als mögliche Seminarpartner. Die
Partner formulieren dann Aufgaben („Briefings“), die direkt oder indirekt in-terkulturelle Aspekte berühren, wie z.B. Gestaltung einer Webpage für ein
Migrationsbüro, Entwicklung eines Konzepts für die interne Kommunikation
eines Konzerns zur länderübergreifenden Visionsentwicklung, PR-Konzept
für die Initiative eines Orchesters zur Erschließung neuer Zuschauergruppen
mit Migrationshintergrund. Die Projektergebnisse werden abschließend vor
Ort von den Studierenden-Teams üblicherweise im Rahmen einer Exkursion vorgestellt. Der einzige Unterschied zu einer realen Auftragssituation ist das
geringere ‚Geschäftsrisiko‘ für die Beteiligten, da keine finanziellen Ver-
pflichtungen eingegangen werden und das Projekt normalerweise keinen her-
ausragenden Stellenwert beim Auftraggeber besitzt.
Die grundlegenden Lernziele des Laboratory Learning im Hinblick auf in-
terkulturelle Kompetenz sind ähnlich einzuschätzen wie bei der teamzentrier-ten Prozessmoderation. Zusätzlich bietet sich für die Studierenden beim La-
boratory Learning noch die Möglichkeit, Interkulturalität, wie sie z.B. beim
Aufeinandertreffen der Studierenden mit den unterschiedlichen Unterneh-
menskulturen der Auftraggeber entsteht, aus Erfahrung ‚am eigenen Leib‘
und nicht nur aus sicherer Beobachter-Perspektive zu spüren zu bekommen
und in diesem Zusammenhang die eigene Handlungsflexibilität auszuprobie-ren.
Einsatztraining
Ähnlich wie die teamzentrierte Prozessmoderation im Laboratory Learning
eine Erweiterung in die Realität erfährt, lässt sich auch die Technik des Lehr-trainings hinsichtlich des Realitätsbezugs hin zum sogenannten ‚Einsatztrai-
ning‘ ausweiten. Die Studierenden erhalten hier mittels unterschiedlicher
Techniken ein Training zur Verbesserung ihrer interkulturellen Kompetenz,
um anschließend selbst im Bereich des interkulturellen Trainings oder Coa-
chings im Rahmen der Hochschule tätig zu werden. Diese Form des realen
Einsatztrainings ist derzeit in der deutschen Hochschullandschaft noch wenig verbreitet, es liegen jedoch schon einzelne Modell-Projekte, wie beispielswei-
se das OPSIS-Projekt der Universität Jena zur verbesserten Integration inter-
nationaler Studierender (vgl. OPSIS 2006) vor, bei denen Studierende außer-
halb der eigentlichen Hochschulausbildung z.B. als Mentoren für
ausländische Studierende ausgebildet werden.
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Obwohl solche Einsatztrainings nicht primär auf interkulturelle Kompe-tenzentwicklung bei den Studierenden abzielen, sondern vor allem die allge-
meine Verbesserung des hochschulinternen Zusammenhalts fördern sollen,
liegt ihr großes Potenzial im Hinblick auf die individuelle Kompetenzent-
wicklung der Teilnehmer auf der Hand. So kann zusätzlich zu den vor allem
kognitiven Lernzielen von Lehrtrainings eine umfangreiche Basis an realen
positiven wie negativen Erfahrungen interkultureller Interaktionssituationen erworben werden, die unter Voraussetzung einer entsprechenden Betreuung
reflexiv für spätere Bewährungssituationen genutzt werden kann.
Lerntheoret ische Fundierung
Erfahrungslernen
Obwohl ihre lerntheoretische Basis grundsätzlich als vielfältig einzustufen ist,
gründen sich alle beschriebenen interkulturellen Trainingstechniken für den
Hochschulbereich schon aufgrund ihrer definitorischen Forderung nach Reali-
tätsbezug zwangsläufig auf das Primat des Erfahrungslernens. Erfahrungsler-nen kann abgegrenzt werden vom Lernen durch Habituation, Routinisierung,
Beobachtung und Nachahmung oder Versuch und Irrtum (Bittner/Reisch
1994: 105f.) und zeichnet sich grundsätzlich durch eine zyklische Abfolge des
Erfahrens und Reflektierens aus (s.a. Straub/Kölbl i.d.B., Kap. 2.2).
Eine philosophische Fundierung des Erfahrungslernens findet sich bei
Dewey, der Aktivität als verbindendes Glied zwischen dem Individuum und seiner Umwelt auffasst und Lernen damit untrennbar mit Erfahrung verknüpft
(vgl. Dewey 1938/1997): Nur wenn sich ein Mensch in einer ihm unbekann-
ten Situation befindet, wird er demnach zum Fragenden. Seine Erfahrung
wird auf diese Weise bewusstseinsfähig, der Erlebnisstrom reflexierbar und
zielgerichtetes Lernen möglich.
In der Entwicklungspsychologie gelten Piaget und seine Erforschung des Entwicklungsprozesses bei Kindern als Grundlage des Erfahrungslernens
(vgl. Piaget 1972). Demnach wird das Denken bei Heranwachsenden durch
Erfahrungen geformt, deren Verarbeitung an kognitive Reifungsprozesse ge-
knüpft ist. Intelligenz kann so als Produkt der Auseinandersetzung des Kindes
mit seiner Umwelt, der materiellen wie der sozialen, aufgefasst werden.
Für den Gestaltpsychologen Lewin, der ebenso als einer der Väter des Er-fahrungslernens gilt, besteht der Lernprozess für den Lernenden aus konkre-
ten Erfahrungen, die beobachtet und reflektiert werden, um anschließend dar-
aus abstraktere Generalisierungen zu gewinnen, die dann kontextunabhängig
für andere Situationen genutzt werden können. Kolb beschreibt Lewins Ent-
deckung des Feedback-Prozesses als Grundlage des Erfahrungslernens:
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„Thus the discovery was made that learning is best facilitated in an environment
where there is dialectic tension and conflict between immediate, concrete experience
and analytic detachment. By bringing together the immediate experiences of the
trainees and the conceptual models of the staff in an open atmosphere where inputs
from each perspective could challenge and stimulate the other, a learning environ-
ment occurred with remarkable vitality and creativity.“ (Kolb 1984: 10)
Ähnliches leistet auch Lewins Konzept des „Action Research“, das einen
Lern- bzw. Problemlösungsprozess propagiert, der die Elemente Ideensamm-
lung, Planung, Aktion, Reflexion und Analyse iterativ miteinander kombiniert
(Lewin 1948: 202f.).
Kolb, der sich mit seinem Konzept des „Experiential Learning“ auf Lewin
bezieht, beschreibt Lernen analog als „the process whereby knowledge is created through the transformation of experience“ (Kolb 1984: 38) und iso-
liert vier Prozessschritte des Erfahrungslernens: „concrete experience, reflec-
tive obeservation, abstract conceptualisation, active experimentation“ (ebd.:
42).
Grundsätzlich folgen alle beschriebenen interkulturellen Trainingstechni-
ken im Hochschulbereich diesen Prämissen, setzen darüber hinaus jedoch noch unterschiedliche individuelle Schwerpunkte, die sich auf verschiedene
weitere lerntheoretische Fundierungen stützen.
Rollentheorie
Vor allem bei Rollenspielen und Simulationen, in weit geringerem Umfang auch bei der teamzentrierten Prozessmoderation oder beim Lehrtraining, steht
die Surrogaterfahrung des Spiels als Ersatz für die Realität im Vordergrund.
Dabei ermöglichen Rollenspiel und Simulation die Einnahme einer fremden
Rollenidentität und das direkte Erleben von Rollenerwartungen und daraus
bedingten individuellen Handlungseinschränkungen.
Dieser Ansatz geht zurück auf die sozialwissenschaftliche Rollentheorie, bei der die soziale Rolle als Gesamtheit aller einem bestimmten sozialen Sta-
tus zugeschriebenen Ewartungen, Verhaltensweisen und Wertvorstellungen
aufgefasst wird (vgl. Linton 1979) Geht man davon aus, dass Kulturen soziale
Rollen konstruieren, kann die Verwendung von Rollenspielen und Simulatio-
nen als besonders geeignet angesehen werden, um über die Identifikation des
Lernenden mit seiner Spielrolle Rollendistanz, Ambiguitätstoleranz und Em-pathie zu fördern. Auch bei der teamzentrierten Prozessmoderation und beim
Lehrtraining versetzen sich die Studierenden in die Rolle des Projektteams,
bzw. des Lehrenden, allerdings steht hier stärker die inhaltliche Arbeit als die
Verinnerlichung und Reflexion über unterschiedliche Rollen im Vordergrund.
Eine Sonderstellung nehmen das Laboratory Learning und das Einsatztraining
4.9 TRAINING/LEHRTRAINING
13
ein, bei denen Aspekte der vorgegebenen Rollenerwartung (als interkulturel-ler Dienstleister für den Projektpartner oder für die Universität) im realen Le-
ben umgesetzt werden müssen.
Systemlernen
Vornehmlich bei der Technik der Simulation, aber auch bei der teamzentrier-ten Prozessmoderation und dem Laboratory Learning, müssen die Studieren-
den komplexe Situationen bewältigen, die ein Denken in systemischen Zu-
sammenhängen erfordern:
„Anstatt einzelne Probleme isolierend einseitig nur mit Hilfe eines linearen Kausal-
denkens zu untersuchen, also mit Blick auf Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge,
werden sie angeregt, die simulierte Welt in ihren vielfältigen kausalen und funktio-
nalen Wechselwirkungen zu betrachten.“ (Geuting 2000:15)
Systemlernen als die Fähigkeit zum ‚Umgang mit Komplexität‘ (vgl. Dörner
1995) muss dabei einerseits in der modernen Industrie- und Informationsge-
andererseits stellt Systemlernen besonders bei der Vermittlung interkultureller Kompetenz eine wichtige lerntheoretische Grundlage dar, um allein schon die
Komplexität des Lernziels sinnvoll abbilden zu können.
Die didaktische Aufbereitung eines Trainingsszenarios als ‚vernetztes
System‘ (vgl. Vester 2002) unterstützt entsprechend die Vermittlung systemi-
scher Erkenntnisprozesse wie z.B. die Multikausalität von menschlichem
Verhalten in systemischen Zusammenhängen oder die wechselseitige Interde-pendenz von kulturellen Aspekten und anderen kollektiven Phänomenen wie
Gruppenzugehörigkeit, Machtposition oder soziale Hierarchie. Damit ver-
knüpft ist ein lerntheoretisches Verständnis von interkultureller Kompetenz
als komplexer Transferkompetenz, die in unterschiedlichen Handlungsfeldern
wirksam werden kann.
Eine Sonderstellung in Bezug auf Systemlernen nehmen hier erneut das Laboratory Learning und das Einsatztraining ein, da deren Lernerfahrung vor
allem auf der Bewältigung des Umgangs mit ‚echten‘, nicht eigens zum Lehr-
zweck konstruierten Systemen beruht.
Learning by Doing / Projektmethode
Vor allem beim Laboratory-Learning und beim Einsatztraining steht die Ori-
entierung am „Learning-by-Doing“ im Vordergrund, einem Konzept, das be-
grifflich auf Baden-Powell, den Gründer der Pfadfinder-Bewegung (vgl. Ba-
den-Powell 1908) zurückgeht, und lerntheoretisch eng mit Deweys Ansatz
STEFANIE RATHJE
14
des Erfahrungslernens verknüpft ist. Noch stärker als ‚Lernen aus Erfahrung‘ betont das Konzept ‚Lernen durch Handeln‘ jedoch die Anwendung sozialer
und kognitiver Lerninhalte in der Öffentlichkeit. Die Lernenden treten aus
dem geschützten Lernkontext des Unterrichts heraus und werden öffentlich
tätig.
Weitere Wurzeln dieses Ansatzes finden sich zum einen in der Projektme-
thode (vgl. Kilpatrick 1918; Frey 2005), bei der sich schulischer Unterricht an der Bearbeitung produkt- und öffentlichkeitsorientierter Projekte ausrichten
und einem Phasenmodell der vollständigen Handlung aus Initiierung, Ein-
stieg, Durchführung, Präsentation und Auswertung folgen sollte (vgl. Len-
zen/Emer 2002 für die Berufspädagogik), und zum anderen im Konzept des
handlungsorientierten Unterrichts (vgl. Meyer 1988, 1989), der sich an der
Entwicklung von Handlungsprodukten als „veröffentlichungsfähigen mate-riellen und geistigen Ergebnissen der Unterrichtsarbeit“ (Meyer 1989: 158)
orientiert.
Hypothesen zur Bewertung der Trainingstechniken
Die Auswahl bestimmter Trainingstechniken zur Förderung interkultureller Kompetenz im Hochschulbereich sollte zum einen das Ziel eines für die Stu-
dierenden ausgewogenen Trainingsmix verfolgen und zum anderen sicherstel-
len, dass auf Seiten der Lehrkräfte die hierfür notwendigen Kompetenzen und
Ressourcen vorhanden sind. Um den Einsatz der Trainingstechniken in dieser
Hinsicht besser steuern zu können, bedarf es ihrer tiefergehenderen Einord-
nung und Bewertung nach sinnvollen Kriterien. Nahezu alle Überblicksdarstellungen zu interkulturellem Training bezie-
hen sich in ihrer Bewertung unterschiedlicher Trainingsformen auf die be-
kannte Einteilung nach Gudykunst und Hammer (1983) in einer Matrix mit
den Achsen „Didaktisch vs. Erfahrungsbildend“ bzw. „Kulturallgemein vs.
Kulturspezfisch“. Leider lässt sich diese Klassifikation für den Hochschulbe-
reich nicht sinnvoll anwenden, da im Sinne der oben getroffenen Definition rein ‚didaktische Trainings‘ ohnehin nicht Teil der Betrachtung sind und sich
die zweite Achse der Kulturspezifik vor allem auf den Trainingsinhalt und
nicht auf spezifische Techniken bezieht.
Daneben liegen weitere Einteilungen interkultureller Trainings nach viel-
fältigen Kriterien vor: So unterscheiden beispielsweise Krewer (1994), Fow-
ler und Mumford (1995) sowie Grosch, Groß und Leenen (2000) nach unter-schiedlichen didaktischen Ansätzen. Gaston (1984) bewertet interkulturelle
Trainingstypen nach Art der beabsichtigten Kompetenzentwicklung (z.B.
vorurteilsfreie Beobachtung, Umgang mit Mehrdeutigkeit etc.). Kohls und
Knight (1994) teilen unterschiedliche Trainingssequenzen nach ihrer Funktion
innerhalb eines Gesamtprogramms ein. Eine Unterscheidung nach dem
4.9 TRAINING/LEHRTRAINING
15
zugrundeliegenden lerntheoretischen Paradigma in kontrastive und interaktive Methoden findet sich bei Arzt (1994: 36f.). Leider lassen auch diese Ansätze
keine adäquate Einordnung der beschriebenen Trainingstechniken für den
Hochschulbereich zu, da ihr Bewertungsraster entweder so grobmaschig aus-
fällt, dass alle Techniken in einer Kategorie zusammenfallen, oder so kleintei-
lig ist, dass die meisten Trainingstechniken sich mehreren oder allen Katego-
rien zuordnen lassen. Eine aussichtsreichere Einteilung schlagen Black und Mendenhall (1991)
vor (vgl. Ehnert 2004: 21). Auch hier wird zwar keine Trennung zwischen
Trainingstechnik und Trainingsmaterial vorgenommen, aber die Bewertung
der Trainingsformen nach dem Beteiligungsgrad der Teilnehmer und der
Trainingsintensität führt in die gewünschte Richtung, Herausforderungen an
die Studierenden und Lehrenden im Hinblick auf das Untersuchungsziel bes-ser einschätzen zu können. Dieser Ansatz soll daher als Grundlage für eine
eigene Bewertungsmatrix verwendet werden. Hinsichtlich einer transparenten
Systematik empfiehlt es sich dabei, die einzelnen Kriterien analog zu den ein-
zelnen Forderungen der vorgestellten Trainingsdefinition zu formulieren:
• Realitätsbezug – Wie wahrscheinlich ist es, dass Studierende einmal eine
ähnliche Situation erleben? Wie nah kommt die Trainingssituation der re-alen Situation?
• Systematik – Wie stark lässt sich das Trainingsergebnis vorherbestimmen?
In welchem Maße ist es wiederholbar?
• Komplexität – Wie vielschichtig sind die Lernanreize ausgeprägt? Wie
hoch ist die Koordinationsanforderung unterschiedlicher Fähigkeiten?
• Aktivität – Wie intensiv werden die Studierenden im Trainingsablauf auf unterschiedlichen Ebenen involviert? Wie hoch ist das Risiko der Erfah-
rung eines persönlichen Scheiterns, bzw. die Chance eines persönlichen
Erfolgserlebnisses? (Unterschieden werden hier die kognitive, affektive
und konative Aktivität.)
Auf Basis dieses Bewertungsrasters kann eine vorläufige Einschätzung der vorgestellten Trainingstechniken vorgenommen werden. Die relative (nicht
absolute) Bewertung erfolgt mit Hilfe einer fünfteiligen qualitativen Skala,
wobei die Technik, die hinsichtlich eines Kriteriums am stärksten einge-
schätzt wird, die Höchstbewertung, die Technik, die entsprechend am
schwächsten eingeschätzt wird, die Niedrigstbewertung erhält. Die übrigen
Techniken werden jeweils entsprechend eingereiht. Zur weiteren Überprüfung der Hypothesen ist eine empirische Untersuchung notwendig. Die folgende
Tabelle (Abb. 1) stellt die Bewertung der Trainingstechniken im Überblick
dar.
Abbildung 1: Hypothesen zur Einzelbewertung der Trainingstechniken
Die Bewertungen im Einzelnen begründen sich wie folgt:
• Kriterium Realitätsbezug: Hinsichtlich der Frage, wie nah die Trainingssi-
tuation dem realen Leben der Studierenden kommt, muss das Einsatztrai-ning am höchsten bewertet werden, da hier die Trainingserfahrung direkt
in das Alltagsleben des Studierenden integriert wird. Auch beim Labora-
tory Learning wird der Realitätsbezug als hoch eingeschätzt, da die semi-
reale Projektsituation mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfahrungen der Stu-
dierenden im späteren Arbeitsalltag vorwegnimmt. Die teamzentrierte
Prozessmoderation, das Lehrtraining sowie das Rollenspiel liegen im Mit-telfeld, da auch hier zwar realitätsnahe Situationen eingeübt werden, ohne
allerdings die geschützte Trainingsatmosphäre zu verlassen. Am gerings-
ten erscheint in diesem Zusammenhang der Realitätsbezug bei der Simu-
lation, da die künstlichen, teilweise mit Hilfe von Computer-Feedback er-
stellten Planspielszenarien für die Teilnehmer sichtbar spielerischen
Charakter besitzen.
• Kriterium Systematik: Hinsichtlich der Planbarkeit der Trainingsergebnis-
se müssen aufgrund ihrer prozessorientierten Vorgehensweise und auf-
grund durchgehender Moderation durch den Dozenten die teamzentrierte
Prozessmoderation sowie das Lehrtraining, gefolgt vom Laboratory Lear-
ning am höchsten bewertet werden. Bei der Simulation sind die Steuer-
möglichkeiten des Dozenten durch die freien Spielphasen stärker einge-schränkt, die zwischengeschalteten Reflexions-Phasen eröffnen jedoch die
Möglichkeit der Kurskorrektur. Das höchste Risiko eines Scheiterns be-
sitzen das Einsatztraining aufgrund der Nicht-Planbarkeit der realen Inter-
4.9 TRAINING/LEHRTRAINING
17
aktionssituationen sowie das Rollenspiel aufgrund der Unvorhersehbarkeit des spielerischen Interaktionsverlaufs.
• Kriterium Komplexität: Hinsichtlich der Vielschichtigkeit der Trainings-
anforderungen müssen das Einsatztraining sowie das Laboratory Lear-
ning, gefolgt von der teamzentrierten Prozessmoderation, am höchsten
eingeschätzt werden, da hier das Lernziel interkulturelle Kompetenz mit
zahlreichen interdependenten Anforderungen verwoben ist. Die Simulati-on und das Lehrtraining stellen ebenfalls komplexe Herausforderungen an
die Teilnehmer, ihre Aufgabenstellung ist jedoch präziser und stärker ein-
gegrenzt. Den niedrigsten Komplexitätsgrad weist das Rollenspiel auf, da
es zumeist nur eine einzelne Situation bearbeitet und zeitlich sehr be-
grenzt ist.
• Kriterium kognitive Aktivität: Hinsichtlich kognitiver Aktivität erweist sich das Lehrtraining aufgrund seiner Metathematisierung interkultureller
Kompetenz als größte Herausforderung. Im Mittelfeld sind hier die team-
zentrierte Prozessmoderation, das Laboratory Learning sowie das Einsatz-
training aufgrund der geforderten Transferleistung bisher unbekannter
Prozesse und Aufgabenstellungen einzuordnen. Die eher einfachen Szena-
rien der Simulation und des Rollenspiels erfordern im Vergleich geringe-res kognitives Involvement der Teilnehmer.
• Kriterium affektive Aktivität: Die höchste affektive Aktivität ist beim La-
boratory Learning und beim Einsatztraining vor allem wegen des hohen
Risikos eines persönlichen Scheiterns zu vermuten. Auch die Simulation
kann aufgrund der ungeleiteten Gruppendynamik und der damit verbun-
denen Stressfaktoren hohes affektives Involvement erzeugen. Das Rollen-spiel liegt im Mittelfeld, auch hier kann die emotionale Einbindung auf-
grund der intensiven Spielsituation stark ausfallen, wird jedoch durch den
überschaubaren Zeitraum gemildert. Die niedrigste affektive Aktivität ist
demgegenüber aufgrund des systematisch moderierten Ablaufs bei der
teamzentrierten Prozessmoderation und dem Lehrtraining zu erwarten.
• Kriterium konative Aktivität: Hinsichtlich des Verhaltens wird beim Einsatztraining aufgrund des direkten Eingriffs in die Lebenswelt der
Teilnehmer die höchste Einbindung der Studierenden erwartet. Ebenfalls
intensiv scheint die verhaltensmäßige Aktivität bei der Simulation und
beim Laboratory Learning sowie etwas abgeschwächt beim Rollenspiel,
da hier ebenfalls von jedem einzelnen Teilnehmer konstante Beteiligung
eingefordert wird. Das niedrigste verhaltensbezogene Aktivitätsniveau weisen demgegenüber die teamzentrierte Prozessmoderation und das
Lehrtraining auf, wo umfangreiche Reflexionsphasen und moderierte Ar-
Dem Typus des ‚Denktrainings‘ ist dann v.a. die teamzentrierte Prozessmode-ration sowie das Lehrtraining zuzuordnen, Simulation, Laboratory Learning
und Einsatztraining lassen sich als ‚Intensivtrainings‘ einordnen, gleichzeitig
entsprechen Laboratory Learning und Einsatztraining ebenfalls dem Typus
des ‚Erlebnistrainings‘.
Schlussfolgerungen
Die Analyse zeigt, dass zur Vermittlung interkultureller Kompetenz mit Hilfe
von Trainings an der Hochschule bereits zahlreiche Trainingstechniken prak-
tiziert werden, die unabhängig von vermittelten Inhalten oder verwendetem
Material je nach Typus unterschiedliche Anforderungen an Studierende und
Dozenten stellen. Während die Simulation, die teamzentrierte Prozessmodera-tion und das Lehrtraining einen klaren Anforderungsschwerpunkt im Bereich
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affektiv-konativer bzw. kognitiv-systematischer Aktivität besitzen, erlauben das Einsatztraining und das Laboratory Learning, zwei Anforderungsschwer-
punkte miteinander zu kombinieren, erfordern entsprechend jedoch auch grö-
ßere Ressourcen. Das Rollenspiel entspricht zwar eher dem affektiv-
konativen Typus, stellt aber an Studierende wie auch an Dozenten keine so
hohen Anforderungen. Es lässt sich daher gut einsetzen, wenn Zeitraum
und/oder Ressourcen für ein umfangreicheres ‚Intensivtraining‘ zu einge-schränkt sind.
Für die adäquate Auswahl von Trainingstechniken im Rahmen der Pla-
nung eines Studienprogramms zur Vermittlung interkultureller Kompetenz ist
dann ein sinnvoller Mix aus Techniken anzustreben, der möglichst alle drei
Anforderungsbereiche abdeckt. Werden nur Erlebnistrainings oder Intensiv-
trainings praktiziert, fehlt die kognitive Anbindung: Es entsteht auf Seiten der Studierenden leicht der frustrierende Eindruck eines ziellosen ‚Selbsterfah-
rungs-Trips‘. Werden hingegen die herkömmlichen Vermittlungsmethoden
nur durch Denktrainings ergänzt, können die erfahrungsbildenden Potenziale
von Erlebnis- und Intensivtrainings nicht genutzt werden, die dafür sorgen,
dass Gelerntes in der Lebenswelt der Studierenden Bedeutung erhält bzw. di-
rekt zum Einsatz kommt. Für die Hochschuldozenten ergeben sich aus dem geforderten Technik-
Mix ungewohnte Anforderungen. Während Denktrainings mit ihren systema-
tisch-kognitiven Verfahren noch den üblichen fachlichen Anforderungen an
Hochschullehrer oder wissenschaftliches Personal entsprechen, erfordert die
Durchführung von Intensivtrainings oder Erlebnistrainings zusätzliche Kom-
petenzen. So müssen Dozenten von Intensivtrainings über breite Moderations- und
Coachingerfahrungen oder ggf. eine psychologische Ausbildung verfügen, um
emotionale Stress-Situationen im Hinblick auf das gewünschte Lernziel sinn-
bringend auffangen zu können. Leider gehört die Entwicklung dieser Kompe-
tenzen nicht zur allgemein üblichen Ausbildung von Hochschullehrern, und
die Möglichkeiten einer systematischen peer-bezogenen Aneignung (z.B. durch Hospitanzen oder Supervision) werden in der deutschen Hochschul-
landschaft nur selten genutzt.
Für die Durchführung von Erlebnistrainings ist die praktische Berufser-
fahrung des Dozenten in den entsprechenden Anwendungsbereichen der rea-
len Projektarbeit eine Grundvoraussetzung, um ein Mindestmaß an Produkt-
qualität sicherstellen zu können und so das Risiko eines persönlichen Scheiterns der Studierenden kalkulierbar zu halten. Auch diese Voraussetzung
ist aufgrund der üblichen Biographien deutscher Hochschullehrer häufig nicht
gegeben, so dass hier oft auf die Hilfe externer ‚Praktiker‘ ausgewichen wird,
was zu Kompromissen in der inhaltlichen Qualität der Veranstaltungen führen
kann.
4.9 TRAINING/LEHRTRAINING
21
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Vermittlung inter-kultureller Kompetenz im Hochschulbereich mit Hilfe innovativer Trainings-
techniken nur dann erfolgreich sein kann, wenn auch in der Ausbildung der
Dozenten innovative Wege beschritten werden.
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