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Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft Pankahyttn (Hrsg.)
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Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft

Jun 24, 2022

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Page 1: Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft

Die klassenlose

postkapitalistische Gesellschaft

Pankahyttn (Hrsg.)

Page 2: Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft

Hrsg. PankahyttnWien 2020

edition [email protected]

ISBN 978-3-9501925-9-9

Die Texte in diesem Buch unterliegen dem Copyleft-Prinzip. Sie dürfen unter Angabe der

Autorinnen, Titel und Quelle des Originals sowie Erhalt des Copylefts frei verwendet,

kopiert und weiterverbreitet werden.

Gedruckt im selbstverwalteten, nichtkommerziellen Druckraum Ottakring

Page 3: Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft

Inhalt

VorwortSeite 5

Teil 1die klassenlose postkapitalistische

GesellschaftSeite 7

Teil 2Diskussionsbeiträge und

ErgänzungenSeite 35

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Page 5: Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft

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Vorwort

Das Buch „Die klassenlose postkapitalistischeGesellschaft“ versteht sich als Dis-kussionsanstoß und besteht aus zwei Teilen.

In Teil 1, verfasst von der Pankahyttn, wirddurch die Analyse der wirtschaftlichen Mecha-nismen die Unmöglichkeit einer ökologischenWirtschaftsweise im Kapitalismus aufgezeigt.Als Alternative wird das Wirtschafts- und Ge-sellschaftsmodell der klassenlosen post-kapitalistischen Gesellschaft entwickelt undvorgeschlagen.

In Teil 2 liefern die Initiative für den Aufbaueiner Revolutionär-Kommunistischen Partei(IA/RKP) und das Wiener ArbeiterInnen-Syndikat (WAS) jeweils einen Diskussionsbei-trag. Darin gehen sie auf den Diskussionspro-zess, den die Pankahyttn mit ihnen über diesesModell führte, ein und stellen ihre Positionenzu einzelnen Aspekten dar.

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Die Plattform Radikale Linke, ebenfalls an denDiskussionen beteiligt, trägt einen ergänzen-den Text zum Themenkreis Technologisierungund Arbeit bei.Die Graphiken sind ein im Rahmen des Pro-zesses entstandener Versuch der Pankahyttn,das Modell für verschiedene Strömungen verständlich zu machen.

Viel Spaß!

Pankahyttn

Plattform Radikale Linke

WASWiener ArbeiterInnen Syndikat

IA/RKPInitiative für den Aufbau einer

Revolutionär-Kommunistischen Partei

Danke ans Lektorat!Danke für Abb. 2!

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Teil 1

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Pankahyttn

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8

PankahyttnJohnstr.45, 1150 Wien

www.pankahyttn.at

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Inhalt

Einleitung 11

Zettel 1 13Diktatur des Kapitals 13Ökologische Selbstzerstörung 17

Zettel 2 - Grundzüge der klassenlosen postkapitalistischen Gesellschaft 19

Grundlagen 19Gesellschaftsorganisation 23

The Making–of 27

Glossar 32

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Einleitung

Wir sind die Pankahyttn. Dies ist unser ideologischer Beitrag für die Zukunft.

Wir sind Punks, die seit 2007 in einem von unserkämpften, selbstorganisierten und kollektivgenutzten Haus leben. Der von uns verfassteKerntext gliedert sich in zwei Teile: Zettel 1 undZettel 2.Zettel 1 beinhaltet die Analyse des Kapitalis-mus vor allem in Hinblick auf die gegenwärti-gen ökologischen Fragen. Zettel 2 beschreibtdie Strukturen einer ökonomisch klassenlosenGesellschaft. Im Anschluss befinden sich noch The Making–of, ein Text über die Entstehungs-geschichte dieses Werks, sowie ein Glossar.

Wir hoffen, dass Euch unsere Arbeit von Nutzen sein wird!

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Zettel 1

Ein Wirtschaftssystem dient der Produk-tion und der Verteilung von Gütern. Da diemateriellen Grundlagen die möglichen Bezie-hungen der Menschen zueinander bestimmen,hat das Wirtschaftssystem das Gesellschaftssys-tem in der Hand. Die Menschheit bediente sichin der Geschichte gemäß der Entwicklung ihrerProduktivkräfte unterschiedlicher Wirtschafts-ordnungen. Diese sind nichts „Statisches“, son-dern befinden sich im Wandel und sindletztlich austauschbar.

Diktatur des Kapitals

Der Kapitalismus ist das globale Wirt-schaftssystem von heute.

Er ist eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, Eigentümer auf der einen und zum Verkaufihrer Arbeitskraft Gezwungene auf der anderenSeite. Es handelt sich um eine gewinnorien-

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tierte Wirtschaftsform, die auf Privateigentumund Lohnarbeit1 basiert. Das Ziel der Eigentü-mer ist Kapitalwachstum. Bei fehlendemWachstum drohen Konkurs, Übernahme undAbstieg in die andere Klasse². In einer gewinn-orientierten Wirtschaft ist Wachstum alsoÜberlebensbedingung. Denn dadurch ver-bessert sich die Konkurrenzfähigkeit.

Diese Mechanik von andauernder Konkur-renz untereinander und stetigem Zwang zum1) Die Arbeitenden bekommen nie den ganzen Wert, den ihreArbeitskraft erzeugt. Es wird mehr erwirtschaftet als aus-bezahlt. Diese Differenz, der Mehrwert, ist die Quelle vonProfit, da nur menschliche Arbeitskraft Wert schafft.Der Preis der menschlichen Arbeitskraft wird möglichst ge-drückt, um den Profit zu erhöhen und konkurrenzfähig zubleiben. Je mehr Menschen lohnarbeiten, desto mehr Profitkann generiert werden. Der Profit wird wieder in weitereProduktion, also weitere Mehrwertabpressung, investiert.Daraus folgt auch der völlig irrationale Arbeitskult, der denZwang zur Lohnarbeit natürlich erscheinen lassen soll.Da das Konkurrenzprinzip auch die Ware Arbeitskraft um-fasst, sind die Arbeitenden gezwungen, gegen ihre Interessenzu handeln (z.B. ihre Arbeitskraft billig zu verkaufen). DieseKonkurrenz zwischen den Arbeitenden erzeugt Vereinze-lung, Isolation und erschwert Zusammenschlüsse.

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Wachstum erzeugt eine enorme Entwicklungder Produktivkräfte und eine gewaltige Stei-gerung der Produktion. Bei Erreichen von Bedarfsdeckung ist weitere Produktions-steigerung nicht mehr sinnvoll, sondern nurzerstörerisch.

Schon lange wäre die Produktion für denWeltbedarf ausreichend. Im sogenannten „Westen“ wurde ein Zustand der Überproduk-tion³ in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhun-derts erreicht. Wachstum wird durch negative2) Repräsentiert ein Kuchen das gesamte Kapital, gilt:wächst das Gesamtkapital, wächst der Kuchen. Bleibt dasKapital eines Eigentümers gleich, wird sein Teil vom Kuchen im Verhältnis zu denen der Konkurrenten kleiner,d.h. er wird ärmer. Zu Ende gedacht: wer mehr wächst,wird reicher, wer weniger wächst, ärmer.3) Sie ist begleitet vom Auftauchen des „Konsumenten“, des-sen Aufgabe es ist, zu konsumieren um seine Produktivkraftund seine Konkurrenzfähigkeit zu steigern. Der Kapitalis-mus beginnt, Bedürfnisse zu schaffen anstatt sie zu decken.Außerdem sehen wir das Auftauchen arbeits- und konsum-feindlicher Subkulturen als Folge einer überproduzierendenGesellschaft.

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Entwicklungen, z.B. exzessive Umweltzer-störung, Krieg, sinnlose Arbeit, schlechte Pro-duktqualität, Boden- bzw. Börsenspekulationsamt dazugehöriger Krisen („Blasen“), sinkende Reallöhne, steigende Mieten, immerhöhere Mehrwertabpressung (siehe Fußn.1)usw. erzeugt. Auch durch die Übernahme an-derer Produktionen kann Wachstum erzieltwerden. Der Endpunkt dieser Entwicklungwäre die monopolkapitalistische Konzerndik-tatur, das heißt ein Konzern besitzt alles undhat daher alle Macht. Die heutigen Vorzeichensind z.B. Konzerne mit stärkerer Wirtschafts-kraft als Staaten, steigende Eigentums- undMachtkonzentration sowie die Anfänge vonKonzerngerichtsbarkeit.

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Kapitalismus ist ökologische Selbstzerstörung

Der dem Kapitalismus als gewinnorientier-tes Wirtschaftssystem innewohnende Zwangzum Wachstum beschleunigt unaufhaltsam dieVernichtung unserer Lebensgrundlagen. Die-ser Prozess der ökologischen Selbstzerstörungder Menschheit ist nur durch eine Umstellungder Wirtschaftsweise aufzuhalten. In einerWirtschaftsform, deren Ziel Kapitalwachstumist, können ökologische Kriterien nie im Zen-trum der Entscheidungsfindung stehen. Auchführt das kapitalistische Konkurrenzprinzipdazu, dass Wissen und Produktions-technologien allen anderen vorenthalten wer-den müssen. Die Grundlage einer ökologischenProduktion kann keine kapitalistische sein.

Ist das Ziel der Produktion die Deckungder menschlichen Bedürfnisse, also auch derökologischen, werden ökologische Pro-duktionstechnologien entwickelt und ange-wendet werden. Aufgrund der weltweiten

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Klimakatastrophe muss die Möglichkeit welt-weiten gemeinschaftlichen Vorgehens geschaf-fen werden. Nötig sind Kooperation stattKonkurrenz und Entwicklung statt Wachstum.Nötig ist also eine bedürfnisorientierte Wirt-schaft, keine kapitalorientierte. Eine von denkapitalistischen Zwängen befreite klassenloseGesellschaft ist zur Existenzbedingung ge-worden. Ihre Errichtung ist die Notwendigkeitder Gegenwart.

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Zettel 2Grundzüge der

klassenlosen postkapitalistischen

Gesellschaft

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Grundlagen

Dieses Modell beschreibt die Struktureneiner ökonomisch klassenlosen Gesellschaftmit bedürfnisorientierter Produktion undfreiem Zugang zu den verfügbaren Produkten,also ein Wirtschaftssystem mit entsprechenderGesellschaftsorganisation. Es handelt sichdabei nur um Grundzüge. Weiterentwicklun-gen und lokale Adaptionen sind nicht nur sinnvoll, sondern nötig und erwünscht. Anderegesellschaftliche Klassenverhältnisse wie Patriarchat, Rassismus, Religionen usw. sind

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dadurch nicht automatisch beseitigt. Jedochwird durch die Herstellung ökonomischerGleichheit eine materielle Basis für emanzipa-torische Entwicklungen geschaffen.

Unter bedürfnisorientierter Produktionverstehen wir eine Wirtschaftsform, die sichnicht an Kapitalwachstum, sondern an denMenschen und ihren Bedürfnissen orientiert.Das bedeutet Wegfall überflüssiger Arbeit unddes Geldsystems, keine Armutsproduktion, dieMöglichkeit ökologischer Produktionsweisen,keine Überproduktion, bessere Produktquali-tät, Müllreduktion, keine erzwungene Mobilitätvon Menschen und Gütern (z.B. Pendlertum),etc..

Aus dem hohem Entwicklungsstand der ge-sellschaftlichen Produktivkräfte folgt, dassnicht mehr alle Menschen an Produktions-prozessen mitwirken sollten. Im Zentrum derGesellschaft stehen die Menschen und nicht dieProduktion. Die postkapitalistische Gesell-

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schaft lässt sich daher auch nicht über die Produktion abbilden oder organisieren.

Die Entprivatisierung, also die Vergesell-schaftung von Boden, Produkten und Produk-tionsmitteln ist eine Grundvoraussetzung fürdie Beseitigung der Klassengesellschaft. Sie istauch die notwendige Voraussetzung für einebedürfnisorientierte Produktion, da Privat-eigentum zu gewinnorientierter Produktions-weise zwingt. Eigentum ist ein Herrschaftsver-hältnis, das auf Vorenthaltung beruht.Vergesellschaftung ist nicht Ent-, sondern An-eignung. Im Gegensatz zur heutigen Ent-eignungsstruktur des Kapitalismus gibt eskeine Vorenthaltung des vorhandenen Überflusses.

Die freie Zugänglichkeit der Produkte er-übrigt sämtliche auf Eigentum begründetenTauschverhältnisse wie Geld, Handel, Lohn-arbeit, Ehe, etc. Das heißt, alle haben die gleiche Zugangsberechtigung zur Teilhabe am

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gesellschaftlichen Wohlstand. Alle vorhande-nen Produkte sind für alle verfügbar, da jedesProdukt letztlich ein Produkt der gesamtenMenschheit ist.

Ohne gesellschaftlichen Arbeitszwang kön-nen die Arbeitenden ihre Arbeitsbedingungenselbst bestimmen. So werden auch Definitio-nen und Kategorisierungen der Arbeit (wie z.B.produktive/reproduktive Arbeit), die Klassen-verhältnisse ausdrücken und reproduzieren,aufgehoben.4 Erst dann ist auch eine Über-windung anderer, z.B. patriarchaler, Ausbeu-tungsverhältnisse möglich.

4) Wir betrachten Arbeit als eine zur Problemlösung/zumErreichen eines Ziels notwendige Tätigkeit. Damit wird Arbeit zum individuellen Aufwand bei einem zu lösendenProblem.Die Tätigkeit „Arbeit“ wird auch als „Interaktion des Menschen mit der Natur“ oder als „Transformation vonNatur zu Kultur“ definiert. Arbeit erfolgt also auf Kostender Natur. Daher sollte die Menschheit dazu übergehen, Arbeit so effizient und schadlos wie möglich zu halten.

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Gesellschaftsorganisation

Die Gesellschaftsorganisation basiert aufRäten. Diese organisieren sich nach Wohnortund sind die zentrale gesellschaftliche Ent-scheidungsinstanz. Entscheidungen der Rätesind bindend. Die Teilnahme ist allen möglich,aber sie ist nicht verpflichtend. Die Räte tragendie Verantwortung für den Boden. So ist sichergestellt, dass die Gesellschaft die Produk-tion bestimmt und reguliert. Bei Problemenkönnen gemeinschaftliche Lösungen gesuchtwerden.

Entscheidungen werden auf der kleinst-möglichen Ebene getroffen. Es bleibt den je-weiligen Räten überlassen, welche Prinzipienfür die Beschlussfassung angewendet werden.Es gibt keine Vorgaben, da Einigungen vonallen getragen und umgesetzt werden müssen.Unlösbare Fragen und Konflikte in bzw. zwischen Räten werden an die nächst-größere Ebene übertragen. Es braucht keine

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übergeordnete oder parallele Struktur wieStaat, Partei, Gewerkschaft, Föderation, etc..

Die Räte vernetzen sich untereinandersowie zu größeren Ebenen (Regionen,..., Welt)durch Delegierte mit imperativem Mandat. Das heißt, die Delegierten sind nicht ent-scheidungsbefugt, sondern an die Beschlüsseder Räte, die sie entsenden, gebunden. Sie sindjederzeit neu bestimmbar. Ihre Hauptaufgabenbestehen in der Herstellung eines Informati-onsflusses und der Koordination. Diese Methode behindert die Entstehung neuer Klassen (Politik, Bürokratie).

Weltrat

Individuum

gesellschaftlicheBedeutung derEntscheidung

Anzahl an der Ent-scheidung Beteiligter

Abb. 1: Entscheidungspyramide der klassenlosenpostkapitalistischen Gesellschaft

Rat

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Ebenen derVernetzung

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Die Produktion5 wird von Produktions-kollektiven durchgeführt. Die Produktionskol-lektive gehen aus den Räten hervor, dieTeilnahme ist freiwillig. Räte sind die politische und Kollektive die wirtschaftlicheOrganisationsform. Die Kollektive sind zustän-dig für Planung und Umsetzung der Pro-duktionsprozesse. Sie organisieren sich nachdem gleichen Schema wie die Räte, vernetzensich nach Regionen und Branchen und inter-agieren mit den Räten auf den jeweiligen Ebenen. Da die Produktion der Befriedigungder menschlichen Bedürfnisse dienen soll, entscheidet im Konfliktfall die durch die Räterepräsentierte Gesamtgesellschaft.

Pankahyttn, 15.12.20195) Unter Produktion verstehen wir hier jegliche gesellschaft-liche Tätigkeit. Bildung, Gesundheit, Sicherheit, etc. werdenbehandelt wie andere Produktionen. Was die Räte für sinn-voll erachten, wird produziert werden. Wenn die Menschenz.B. Polizei wollen, wird es sie geben. Im Gegensatz zu heutesteht sie aber nicht mehr im Sold des Kapitals, sondern wirddurch die Räte kontrolliert.

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Wir rufen alle dazu auf, die klassenlose postkapitalistische

Gesellschaft durchzusetzen!

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The Making–ofAbschließend wollen wir kurz auf die Ent-

stehungsgeschichte des Textes sowie auf die beiseiner Erarbeitung angewendeten Methodeneingehen.

Alles begann vor rund einem Jahr, als wiruns entschlossen, uns mit den Themen Kapitalismus, ökologische Zerstörung und Kapitalismuskritik auseinanderzusetzen. Es erschien uns sinnvoll, im ersten Schritt den Kapitalismus zu analysieren, auch in Hinblickauf die Klimakatastrophe.

Im nächsten Schritt versuchten wir, Lösungsansätze zu entwickeln. Dabei merktenwir, dass sich unsere Vorstellungen im Leerenverliefen. Unsere Ansätze von gesellschaftli-chen Veränderungen waren nicht mehr alsskizzen- oder parolenhaft. Sie stellten nichtnäher definierte Utopien dar. Nachdem wir unsgegenseitig unsere schönen Vorstellungen zer-trümmert hatten, mussten wir anerkennen,

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dass wir offensichtlich jegliches Ziel weit-gehend aus den Augen verloren hatten. Ausdiesem Diskurs heraus konnten wir auch fest-stellen, dass erst aus einem konkreten ZielHandlungsfähigkeit entstehen kann. Ohneüberzeugendes Ziel gibt es auch keine Motivation etwas so Mühsames wie einen Gesellschaftsumbau anzugehen.

Anschließend orientier-ten wir uns an der „Trias despolitischen Kampfes“, dieden politischen Kampf ineiner Abfolge von Analyse,Ziel und Weg definiert. Beiuns bekannt als „Zettel1/2/3“. Die drei Pole sindpermanent im Wandel, stehen in Bezug zueinanderund schaffen so einen dynamisch-dialektischenProzess.

Abb. 2: Trias des po-litischen Kampfes

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Wir versuchten „Zettel 2“, also ein kon-kretes Ziel, zu definieren und grundlegend neuzu erarbeiten. Wir wollten keine weitere Utopieentwickeln, sondern eine unseren Ansprüchenentsprechende Struktur, die nach Stand der gesellschaftlichen Entwicklung dazu geeignetist, das kapitalistische Wirtschaftssystem abzu-lösen. Dabei war uns bewusst, wie wichtig esist, dass die Struktur eines Gesellschaftssystemsin Konfliktfällen funktionieren und auch aufsensible Bereiche anwendbar sein muss.

Um uns auf die Entwicklung eines Gesell-schaftsmodells konzentrieren zu können,haben wir „Zettel 3“, den Weg, bewusst ausge-klammert. So war es möglich, die Schwierig-keiten, die ein gesellschaftlicher Umbau mitsich bringt, nicht bedenken zu müssen. Es istalso ein Gesellschaftsmodell entstanden undkeine Revolutionsstrategie.

Wir sahen die Notwendigkeit, ein an dieheutigen Verhältnisse angepasstes Modell einerpostkapitalistischen Gesellschaft zu entwickeln.

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Bei seiner Entwicklung haben wir versucht,historische und gegenwärtige Erfahrungensowie praktizierte Methoden zu berück-sichtigen. Auch aufgrund unserer eigenen Er-fahrungen in kollektiven Entscheidungsstruk-turen ist die auf Räten basierende klassenlosepostkapitalistische Gesellschaft entstanden. Sieist das Modell einer Wirtschafts- und Gesell-schaftsorganisation und keine revolutionäreStrategie. Klarerweise ist auch sie nicht dasEnde der Geschichte.

Anschließend haben wir mehrere Monatelang Diskussionsprozesse mit verschiedenenrevolutionären Gruppen geführt. Unser Zielwar es, das Modell zu verbessern, also es kon-kreter und verständlicher zu machen. Außer-dem wollten wir Schwachstellen und möglicheProblemfelder erkennen, sowie andere Modellekennenlernen.

Die Diskussionsrunden waren für uns sehrlehrreich und bereichernd und haben zur Qualität des vorliegenden Textes beigetragen.

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Wir danken allen Beteiligten: Wiener ArbeiterInnen Syndikat, Plattform Radikale Linke, Initiative für den Aufbau einer Revolutionär- Kommunistischen Partei, ArbeiterInnen Standpunkt.

Kein Weg ohne Ziel. Aus dem Ziel entsteht die Handlungsfähigkeit.

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GlossarAdaption: Anpassung, UmarbeitungDelegierte: Entsandteemanzipatorisch: auf gesellschaftliche und politische Selbstbefreiung abzielendKapital: Eigentum, das zum Zweck der Ver-mehrung des Eigentums eingesetzt wirdKlasse: Einteilung, die die gesellschaftliche Stel-lung von Menschen bestimmtKollektive: (hier: Produktionskollektive) ArbeitsgemeinschaftenKonkurrenz: Rivalität, WettbewerbKonzerngerichtsbarkeit: Konzerne über-nehmen überstaatliche Rechtssprechungs-funktionenökologische Bedürfnisse: die Beziehung derMenschheit zu anderen Lebewesen und zur unbelebten Natur betreffende Bedürfnisseökologische Selbstzerstörung: Selbstzerstörungder Menschheit durch ihre Beziehung zu anderen Lebewesen und zur unbelebten Natur

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Glossarökonomisch: wirtschaftlichPatriarchat: Gesellschaftssystem von, mit undfür Männerpostkapitalistisch: zeitlich dem KapitalismusnachfolgendProduktivkräfte: Entwicklungsstand dermenschlichen Fähigkeiten (Wissen) und derProduktionsmittel (Werkzeuge, Maschinen,Technik,...) innerhalb einer GesellschaftRäte: (hier: lokale Räte) aus der Bevölkerungbestehende Versammlungenreproduktive Arbeit: Arbeit, die zur Auf-rechterhaltung der Arbeitskraft der Lohn-arbeitenden nötig ist. Daher auch Synonym fürHausarbeit, Kinderaufzucht, etc.Transformation: UmwandlungUtopie: gesellschaftliche Umwandlung, die fürunmöglich gehalten wirdVergesellschaftung: Umwandlung von Eigen-tum in gesamtgesellschaftlichen Besitz

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Teil 2

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IA/RKPInitiative für den Aufbau einer

Revolutionär-Kommunistischen Partei

WASWiener ArbeiterInnen Syndikat

Plattform Radikale Linke

Pankahyttn

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Page 37: Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft

Inhalt

Diskussionsbeiträge

Diskussionsbeitrag zur Frage der klassenlosen Gesellschaft 39(IA/RKP)Diskussionsbeitrag 49(WAS)

Ergänzungen

Roboter Kommunismus 57(Plattform Radikale Linke )Graphiken 67(Pankahyttn)

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Page 39: Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft

Diskussionsbeitrag zurFrage der klassenlosen

Gesellschaft

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IA/RKP

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IA/RKPInitiative für den Aufbau einer

Revolutionär-Kommunistischen Partei (Österreich)

www.iarkp.wordpress.com

Proletarische RevolutionRevolutionär-kommunistische Zeitung

www.prolrevol.wordpress.com

Page 41: Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft

Diskussionsbeitrag derIA.RKP zur Frage der

klassenlosen GesellschaftDer vom Hauskollektiv Pankahyttn veröf-

fentlichte Text und die vorangegangenen Dis-kussionen bilden einen durchaus erfrischendenAnsatz zur ideologischen Debatte innerhalbder österreichischen Linken, weshalb wir auchdie Einladung zur Diskussion annahmen. Füruns als Organisation stellt der wechselseitigeMeinungsaustausch, Kritik und konstruktiveDebatte mit antikapitalistischen Orga-nisationen verschiedenster Strömungen immerauch klar einen Lern- und Erkenntnisprozessdar, den wir gerne fortsetzen möchten. Wasselbstverständlich nicht heißen soll, dass keineunterschiedlichen Auffassungen bestehen. Zieldes Hauskollektivs war es aber anhand von Gemeinsamkeiten ein Diskussionspapier zu erstellen, welches sich zum Ziel gesetzt hat, weniger über den Weg zu „streiten“ als zu

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versuchen, ein Modell einer klassenlosen Gesellschaft zu skizzieren.

So erfasst der erste Textabschnitt (Diktaturdes Kapitals) richtig das bereits jetzt zer-störerische Wesen des kapitalistisch-imperia-listischen Weltsystems und dessen Profitlogikin Form von Ausbeutung, Unterdrückung,Krieg und Umweltzerstörung. Wobei vor allemletzterer große Bedeutung zugemessen wirdund die klare Erkenntnis folgt, dass ein öko-logisch vertretbares Gesellschaftssystem nur imZuge einer sozialen Revolution geschaffen werden kann.

Was den Abschnitt Grundzüge der klassen-losen postkapitalistischen Gesellschaft anbe-langt, so waren die Themenkomplexe derjeweiligen Revolutionsstrategie und jener derFrage nach der Notwendigkeit einer Über-gangsgesellschaft zur Transformation von öko-nomischer Basis und gesellschaftlichemÜberbau nicht Teil des unmittelbaren Diskus-sionsprozesses und des Textes. Der unter-

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schiedliche politische Hintergrund der ver-schiedenen Gruppen führte selbstverständlichauch zu einigen Hürden und unterschiedlichenVerständnisansätzen in der Frage, wie mensch-liches Zusammenleben in der klassenlosen Ge-sellschaft strukturiert sein wird. Für uns alsIA.RKP ist klar, dass wir diese Frage nicht ab-schließend und im Detail beantworten können.Für uns ist der Weg zum Kommunismus eineschwierige Periode der Umgestaltung und desscharfen Klassenkampfs gegen die ‚alte‘ und‚neue‘ Bourgeoisie. Prozesse und Strukturenmüssen sich stets revolutionieren, um nichtGefahr zu laufen stecken zu bleiben und denWeg zur Restauration des Kapitalismus zuebnen. Fakt ist, dass auch der Kommunismusnicht das ‚Ende der Geschichte‘ sein wird.

Die Revolution, welche den Sturz des kapi-talistischen Systems einläuten wird, hat für unsin den imperialistischen Ländern einen sozialistischen Charakter. Ziel der Übergangs-gesellschaft, in welcher die Diktatur des Pro-letariats in Form von Räten verwirklicht wird,

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welche aber unsere Auffassung nach nochimmer eine Klassengesellschaft sein wird, istdie Beseitigung der antagonistischen Wider-sprüche, die den Kapitalismus charakterisieren.Was keinesfalls heißen soll, dass Relikte derKlassengesellschaften wie Patriarchat, Wider-sprüche zwischen Stadt und Land, Hand- undKopfarbeit, Warencharakter der Produktionu.dgl. unmittelbar und vollständig verschwun-den sein werden. Weiters besteht die Frage vonnichtantagonistischen Widersprüchen, welcheunserer Meinung auch in einer klassenlosenGesellschaft weiterbestehen.

Ein Punkt, welcher die verschiedenen An-sichten zwischen einem im Text eher indivi-dualanarchistischen und einem marxistischenAnsatz verdeutlicht, ist unserer Meinung nachder verwendete Arbeitsbegriff und die Fragenach der Bewertung verschiedener Formenvon Arbeit in der Gesellschaft. Im Papier wirdklar die richtige Position des Kampfes um dieReduzierung der notwendigen Arbeit propa-

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giert. Wir können erst vom Reich der Freiheit,und damit vom Kommunismus, sprechen,wenn wir über die Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion hinausgegangen sind.Die im Text angesprochene hohe Produktiv-kraftentwicklung der kapitalistischen Gesell-schaft verringert bereits jetzt die notwendigeArbeit. Da Kapitalisten aber danach trachtenmehr Mehrwert und damit Profit zu erzielen,stehen sie einer allgemeinen und umfassendenVerringerung notwendiger Arbeit im Wege.

Dennoch muss differenziert werden zwi-schen der im Kapitalismus vorherrschendenLohnarbeit, welche sukzessive zurückgedrängtwerden muss, und einer Arbeit für den gesamt-gesellschaftlichen Reichtum, d.h. Aufbau derkommunistischen Gesellschaft. Nach Marx istArbeit an sich nur die Äußerung menschlicherArbeitskraft und Interaktion mit der Natur,also der Umwelt (Vgl. MEW Bd.19, S.15f). Eineallgemeine Arbeitspflicht, die wir zumindest inden ersten Abschnitten einer Übergangs-gesellschaft als notwendig erachten, ist nicht

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identisch mit der Zwangsarbeit für irgendeinenKapitalisten und dessen Profit, sondern sie sollVerschwendung und Überarbeitung auf gesamtgesellschaftlichem Niveau verhindern.Weiters ist sie ein Mittel um die Bourgeoisieselbst in den Produktionsprozess zu be-kommen.

Ein abschließender Punkt, auf den wir hin-weisen möchten, ist die Frage nach der unter-schiedlichen Gewichtung von lokalen Räten,welchen die zentrale gesellschaftliche Ent-scheidungsinstanz zugesprochen wird, und untergeordneten Produktionskollektiven. Wasdie Einordnung des Pankahyttn–Konzepts alsunmittelbare Stufe vor der voll entwickeltenkommunistischen Gesellschaft anbelangt, sokönnen wir nicht mit absoluter Sicherheitsagen, ob diese noch in Form von Räten organisiert sein wird oder es sich um eineKommunenstruktur handeln wird. Was dieÜbergangsgesellschaft anbelangt, so halten wirdie im Text vorgenommene Gewichtung

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jedoch für nicht richtig. Unserer Auffassungnach gehen zentrale gesellschaftliche Ver-änderungen stets von einer Transformation derökonomischen Basis aus. Daher nehmen füruns die Produktionsräte und deren Rolle in derProduktion auch eine zentrale Rolle im Aufbauder klassenlosen Gesellschaft ein.

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Page 49: Die klassenlose postkapitalistische Gesellschaft

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Diskussionsbeitrag

WAS

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WASWiener Arbeiter*innen Syndikat

Anarchistische Gewerkschaft fürArbeiter*innen aller Berufe und sonstige Ausgebeutete

https://[email protected]

0664/8743434

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WAS — Wiener ArbeiterInnen–SyndikatWir sind das Wiener ArbeiterInnen–Syn-

dikat, eine anarchistische Gewerkscha inWien, die Teil einer herrschasfrei-sozial-istischen ArbeiterInnen-Bewegung ist, die seitüber hundert Jahren und weltweit existiert:dem Anarchosyndikalismus.

Anfang des Jahres wurden wir von derPankahyttn eingeladen an deren Zieldiskussionmitzuwirken und festzustellen, wo die Gemein-samkeiten liegen. Von Beginn an waren wirsehr positiv beeindruckt, dass zwei wichtigePunkte ema waren, die unserer Meinungnach in Wien momentan doch stark fehlen:Eine Zieldefinition an sich, um überhaupt ein-mal zu wissen, wohin es gehen soll. Und an-dererseits ein klarer Klassenstandpunkt, derebenfalls von zu wenigen Menschen offen eingenommen wird.

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Diese Gemeinsamkeiten (vorerst unterAusklammerung des Weges zu diesen Zielen)haben wir sehr positiv wahrgenommen unddiese Initiative begrüßt, welche zu konstruk-tiven Debatten führte. Wir denken, dass solcheundogmatischen kollektiven strömungsüber-greifenden Gespräche sehr positiv für uns allesind und alle Lohnabhängigen weiter bringen.

Spannenderweise konnten wir mit Grup-pen, von denen wir es vorerst nicht erwartethätten, weite Überschneidung feststellen, wassehr wohltuend war und viel öer notwendigwäre. Ausformulierte Ziele sind der ersteSchritt in Richtung einer befreiten Gesellscha.Und diese Schritte wollen wir, wo immermöglich, weitergehen.

Bei folgenden Punkten würden wir unsfreuen auch weiterhin zusammen Gespräche zuführen, um den angestoßenen Prozesslangfristig fortzusetzen.

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Arbeitsbegriff

Wenn wir die derzeitige kapitalistischeLohnarbeit als überwunden betrachten, wird esauch in der befreiten Gesellscha Arbeit, imSinne von Tätigkeit (oder gar Tatendrang),geben. Wir denken, dass diesbezüglich nochweiter aus der momentanen entfremdetenWahrnehmung von Arbeit an sich, hinaus-gedacht werden muss. Der Arbeitsbegriff istnicht nur über „Übel“ und „Notwendigkeit“ zudefinieren, sondern sollte unserer Meinungnach breiter und befreiter definiert werden.Selbstverständlich wollen auch wir keinen Arbeitszwang.

Duales Rätesystem

Auch wir sehen eine Schlüsselrolle einesfunktionierenden Gesellschasentwurfs ineinem dualen Rätesystem. Dabei müssen alleRäte, also auch die der Produktion,vollinhaltlich autonom, also herrschasfrei

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organisiert sein. Die Implementierung einerjeglichen Machtstruktur von Räten über andereoder auch von Menschen über andere Men-schen ist unserer Analyse nach zum Scheiternverurteilt. Im Diskussionsprozess sind wir dies-bezüglich gar nicht so weit auseinander.

Sicherheitsproduktion bzw. Gewaltmonopol

Gleiches gilt unserer Meinung nach für„Sicherheitsproduktion“ in jeglicher Aus-formung. Auch hier würden wir uns freuen mitallen beteiligten Gruppen weiterhin zusprechen und eine wirklich herrschasfreieZieldefinition zu erarbeiten, die die Entstehungvon Machtstrukturen weitestgehend verun-möglicht.

Abschließend gibt es auch noch Gesprächs-bedarf in kleineren Bereichen, bei denen wirmit allen Beteiligten auch schon sehr ähn-liche Zielvorstellungen haben. Das wären

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„Bedeutung von Produktion in der befreitenGesellscha“, „Gesellschasorganisation undimperative Mandate“, „Kollektive und Hier-archisierung der Gesellscha“, „vermeintlicheÜberproduktion“ und „Notwendigkeit vonStrukturen wie Gewerkschaen in der befreiten Gesellscha“.

In allen Bereichen sehen wir aber durchausdas Potential, zu gemeinsamen Definitionen zugelangen und einen Gesellschasentwurf derfür alle beteiligten Menschen erstrebenswertist, zu entwickeln.

Generell waren wir sehr freudig überrascht,dass wir so nahe beieinander liegen und unsereZiele mit mehreren anarchistischen und kommunistischen Organisationen teilen. Wirhoffen, dass dieser notwendige und mo-tivierende Prozess langfristig fortgeführt wirdund noch weitere zu uns stoßen. Dann könnenwir uns auch an den viel größeren Brockenwagen: Wie der Weg zum Ziel aussehen soll,wie wir also alle zusammen für dieses am sinnvollsten kämpfen können.

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Roboter Kommunismus

Plattform Radikale Linke

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Plattform Radikale Linkewww.radikale-linke.at

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Roboter KommunismusDie Plattform Radikale Linke ist ein Zu-

sammenschluss von unterschiedlichen politi-schen Gruppen. Trotz der verschiedenenZugänge, die Gruppen und Einzelpersonen zuPolitik haben, teilen wir eine radikale Kritik anden bestehenden Verhältnissen. Wir sindgemeinsam politisch aktiv — sowohl aktionis-tisch, zum Beispiel durch das Organisieren vonDemos und anderen Protestformen, als auch inder Theoriearbeit, also beispielweise mit derAnalyse von Rechtsextremismus.

Wir beschäftigen uns aber auch konkretmit der Vorstellung, wie eine befreiteGesellschaft jenseits von Staat, Nation, Patriar-chat und Kapitalismus aussehen kann. Vielesdavon konnten wir im Austausch mit den an-deren beteiligten Gruppen rund um denEntstehungsprozess dieses Buches einbringen.Dabei gab es Widersprüche, die lustvoll ausdiskutiert wurden, aber auch viele

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Überschneidungen und Gemeinsamkeiten, wasuns natürlich besonders gefreut hat.

Im Folgenden gehen wir auf die Chancen,die Technologisierung im Kampf gegen die Arbeit und für die befreite Gesellschaft bietet,ein. Wenn wir uns der Frage nach einer post-kapitalistischen Gesellschaft stellen, ist die Organisierung der Produktion und Arbeit zentral. Somit ist es auch die Möglichkeit, Arbeit zu minimieren durch bedürfnis-orientierte Produktion und durch die Nutzungdes technischen Fortschritts.

Die zunehmende Tendenz zur Auto-matisierung und Digitalisierung der kapitalis-tischen Produktion stößt immer mehr Men-schen als Überflüssige aus dem Prozess derMehrwertproduktion aus. Ihre Arbeitskraftwird nicht mehr benötigt, sobald unermüd-liche Maschinen ihre Aufgaben übernehmenkönnen. Doch anstatt daraus eine Perspektivejenseits der Zumutungen der modernen

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Arbeitsgesellschaft zu entwickeln, soll derReichtum, der ja trotzdem erwirtschaftet wird,verteidigt werden. Er wird nicht verteilt, sondern durch Repression zusammengehalten,sodass der Konkurrenzkampf der Verbliebenennoch verschärft wird.

So unterschiedlich die Antworten der ver-schiedenen politischen Spektren auf diesenUmstand auch sein mögen, sie haben einen gemeinsamen Nenner: Sie streiten nicht mehrdarüber, ob immer größere Teile der Be-völkerung an den Rand gedrängt und von jedergesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen werden, sondern nur noch darüber, wie dieseSelektion durchgepeitscht werden soll. Einmalangeblich humaner, einmal gnadenloser. Wernicht dankbar für den eigenen Arbeitsplatzesist, vielleicht keinen findet oder sogar keinenwill, wer sich also nicht als produktiv für Staatund Kapital erweist, sei selber schuld undkönne mit gutem Gewissen abgeschrieben oder abgeschoben werden. Gesellschaftliche

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Teilhabe und die Wertigkeit des einzelnen Menschen sind untrennbar mit dieser Pro-duktivität verbunden.

Die neoliberale Fraktion überlässt dasschmutzige, sozialdarwinistische Geschäft ver-trauensvoll der „unsichtbaren Hand“ desMarktes. In diesem Sinne werden die sozial-staatlichen Netze abgebaut um all diejenigen,die in der Konkurrenz nicht mehr mithaltenkönnen, möglichst geräuschlos zu marginali-sieren. Die anti-neoliberalen Fraktionen distanzieren sich zwar phrasendrescherhaftvon dieser, aber gerade für sie steht auch unhinterfragt fest, dass ein Mensch ohne Arbeit kein Mensch sei, dass hart arbeitendeMenschen wertgeschätzt gehören und eins von Arbeit leben können muss. Arbeit schaffenstatt Arbeit abschaffen ist immer noch der beliebteste Slogan. Dabei soll der Staat docheinfach richten, wozu der Markt nicht in derLage ist. Gerade in ihrer Hoffnungslosigkeit istdie daraus resultierende Praxis alles andere als

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emanzipatorisch. Dabei steht das „Bedürfnisnach Arbeit“ der „eigenen“ Bevölkerung im Vordergrund, Nicht-Staatsbürger*innen werden dabei konsequent ausgeklammert. Diesoziale Selektionslogik wird also nicht infragegestellt, sondern nur anders definiert. DieSchlussfolgerung des Rechtsextremismus istalso die ethnische Säuberung der schrumpfen-den Zonen des kapitalistischen Reichtums.

In naher Zukunft könnten bis zu 80% derjetzigen Lohnarbeiten durch Maschinen ersetztwerden. Es ist keine deterministische Prognose,dass es so kommen muss, sondern zeigt denHorizont eines Projekts gegen die Arbeit. DieAutomatisierung zeigt sich in zunehmend allenBereichen der Wirtschaft, auch bei Dienst-leistungen. Das muss die radikale Linke auf-greifen und vorantreiben. Denn ob und vorallem wie sich die Wirtschaft automatisiert, istkein zwangsläufiger Prozess, sondern vor allemeine politische Frage.

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Es ist also wichtig, diese Forderungen nachmehr Automatisierung mit weiteren Ford-erungen zu komplementieren, damit aus demÜberflüssigwerden der Arbeit für die Mehrheitder Menschen eine Utopie der Arbeitsfreiheitanstatt einer Dystopie der Existenzangst er-wächst. Darunter könnten sich etwa die Ford-erungen nach einem allgemeinen undbedingungslosen Grundeinkommen sowie Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnaus-gleich finden. Ebenso braucht es an allen Fronten einen ideologiekritischen Angriffgegen das Arbeitsethos der Gesellschaft!

Denn es scheint sich mit den Lohn-abhängigen ähnlich zu verhalten wie mit denGefangenen, die ihre Zelle zu lieben beginnen,weil ihnen nichts anderes zu lieben gelassenwird. Sie internalisieren den gesellschaftlichenZwang, um ihn ertragbarer zu machen.

Dennoch lässt sich ein breites gesellschaft-liches Bündnis gegen die Arbeit etablieren: von

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antirassistischen Kämpfen gegen das Grenz-regime, gegen Ausbeutungsverhältnisse undEntrechtung, über feministische Kämpfe gegendie Ausschlüsse von der Lohnarbeit undKämpfe um und in der Reproduktions- undCarearbeit bis zu Arbeitslosen- und Ge-werkschaftsinitiativen. Es muss der Versuch unternommen werden, Gegenhegemonie auf-zubauen um Kräfteverhältnisse zu verschieben.Dazu braucht es auch strategische Inter-ventionspunkte und eine globale Perspektive,denn der Gegner — der komplexe, abstrakte,globale Kapitalismus — kann nur durch einekomplexe, abstrakte und globale Antwort herausgefordert werden. Es geht um einenneuen Universalismus und eine emanzi-patorische Moderne, die Freiheit und Gleich-heit einzulösen vermag. Die überschießendenPotentiale der Digitalisierung und der Automa-tisierung müssen für die Linke der Ansatz-punkt sein, eine Gesellschaft ohne Arbeit unddamit ein Ende der kapitalistischen Pro-duktions- und Lebensweise denkbar zu

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machen. Statt dem Slogan „Vollbeschäftigung“sollte endlich die Forderung „Niemand sollmehr arbeiten müssen“ stehen.

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In diesem Sinne:Keine Arbeit, trotzdem Lohn! Maschinen in die Produktion!Automatisierung vorantreiben!

Lohnarbeit abschaffen! Kommunismus aufbauen!

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Graphiken

Pankahyttn

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Partei

bürgerlicheDemokratie

Föderation (Armee)

Sozialismus

Anarchie

Kapitalis-mus

Ä

Kommunismus

Partei (Volksmilizen/R.Armee)

Revolu-tion

Diktatur d. Proleta-riats, Sozialismus

Marxismus-Leninismus

Ä

früher Sozialismus/Anarchismus/Syndikalismus

Sozialismus, AnarchieÄ

demokratischer Sozialismus

föderativer Anarchismus

Die Graphiken zeigen Vorschläge der Panka-hyttn, in welcher Phase der gesellschaftlichenUmgestaltung das Modell für verschiedene Strömungen zu diskutieren wäre.

freie Vereinba-rung zw. freien

Individuen

WahlenÄ

Revolution

(soziale)Revolution

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soziale Revolution

Revo-lution

Kommunis-mus

Diktatur d.Proletariats Sozialismus

Partei (Rote Armee)

Gewerkschaft (Arbeitermilizen)

Ordnung d.prod. Klasse

Ä

libertärer Kommunismus

Ä

„Postmarxismus“ Wertkritik, Frankfurter Schule

KommunismusbürgerlicheDemokratie

bürgerlicheDemokratiezivilgesellschaftliche Initiativen, Bewegungen

soziale & politischeKämpfe

Anarchie,Kommunismus

Marxismus-Leninismus Komintern

Kommunalismus

Anarchosyndikalismus IAA

von links nach rechts: Prozess ges. UmgestaltungBalken links: KapitalismusBalken rechts: „freie Vereinbarung zw. freien Individuen“Kästen: Phasen d. ges. Umgestaltungschw. Pfeil: maßgebl. Organisation, ihre ExistenzdauerKlammer: bewaffneter Arm d. Organisationkein Pfeil: versch. Kräfte der Umgestaltung Ä: Position der klassenlosen postkapitalistischen Ges.

Ä

soziale & politischeEmanzipation

Ä

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edition grundrisseISBN 978-3-9501925-9-9