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Die Finanzierungsverfahren der sozialen Sicherheit
in einer dynamischen Welt
Antrittsvorlesung, gehalten am 2. Dezember 1968 an der
Universität Zürich1
Von Peter Thullen, Termen VS
1. Einleitung
_L/as Thema umfasst einen weiten Komplex sowohl mathematischer
wie auch sozialer und wirtschaftlicher Aspekte der Sozialen
Sicherheit.
Zunächst muss ich bekennen, dass es keine explizite, allgemein
anerkannte Definition der «Sozialen Sicherheit» gibt. Doch
enthalten die Erklärung von Philadelphia der Internationalen
Arbeitskonferenz von 1944 und insbeson-dere das 1952 verabschiedete
Internationale Übereinkommen (102) über die Mindestnormen der
Sozialen Sicherheit eine konkrete aufzählende Beschrei-bung.
Demnach sehen wir die Soziale Sicherheit an als die Gesamtheit der
von der Gesellschaft und vorzüglich vom Staate getroffenen
Massnahmen, um eine geeignete ärztliche Betreuung sicherzustellen
und um die Sicherung des Lebensunterhaltes im Falle von Krankheit,
Mutterschaft, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, Arbeitslosigkeit,
Invalidität, Alter, Tod des Ernährers und im Falle der
Versorgungspflicht für Kinder zu gewährleisten. Wir werden uns auf
Systeme der Sozialen Sicherheit, deren Durchführung durch Gesetz
geschaf-fenen Trägern anvertraut ist, beschränken, also unter
Ausschluss der Privat-versicherung oder rein privatrechtlicher
Einrichtungen, auch wenn sie eines oder mehrere der aufgezählten
«sozialen Risiken» decken sollten.
Das hauptsächliche Mittel, die Soziale Sicherheit zu
verwirklichen, ist die Ihnen vertraute Sozialversicherung. Die
Finanzierung der ersten Sozialversi-cherungssysteme gründete auf
Hypothesen, die einer vorausschaubaren Zu-kunft entsprachen. Die
Dynamik der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der
letzten Dezennien — ebenso Krisen und Katastrophen der
Vergangenheit — haben jedoch auch innerhalb der Sozialen Sicherheit
das Idyll einer gesicherten und stabilen Welt zerstört 5 und die
Notwendigkeit, die Finanzierung der Sozialen Sicherheit jener
Dynamik anzupassen, hat zu neuen Fragestellungen, Lösungsversuchen
und Methoden geführt. Von die-sen soll im folgenden die Rede
sein.
1 Die vorliegende Wiedergabe enthält einige Erweiterungen sowie
unwesentliche Änderungen und Verbesserungen des Originaltextes.
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2. Die Grundhypothesen der Finanzierungsverfahren der Sozialen
Sicherheit
Unter den Finanzierungsverfahren seien die Methoden zur
Verwirklichung und Erhaltung des finanziellen Gleichgewichtes eines
Systems der Sozialen Sicherheit verstanden, insbesondere die
Methoden zur Bestimmung der finan-ziellen Mittel, in erster Linie
der Prämien oder Beitragssätze, die hierzu be-nötigt werden.
Die Frage nach dem geeigneten Finanzierungsverfahren der
sogenannten «kurzfristigen Risiken» — wie Krankheit, Mutterschaft,
teilweise auch Arbeitsunfall und Berufskrankheit, und die
Versorgungspflicht für Kinder -ist relativ leicht und meist
eindeutig zu beantworten, und ihre Versicherung ist kaum oder nur
in geringem Masse jener «Dynamik» ausgesetzt. Unsere
Hauptaufmerksamkeit wird sich daher auf die «langfristigen Risiken»
oder konkreter auf Systeme von Invaliden-, Alters- und
Hinterbliebenenrenten konzentrieren.
Es ist für unsere Zwecke müssig zu fragen, ob ein System der
Sozialen Sicherheit stets auch eine echte «Versicherung» sei5
wichtig ist, dass es in jedem Zeitpunkt der fundamentalen
Gleichgewichtsgleichung eines Versiche-rungssystems genügen
muss:
, .x f Vorhandene Mittel -{- Jetztwert der 1 _ | Jetztwert der
wahrscheinlichen) ^ ' {wahrscheinlichen zukünftigen Beiträge J
{zukünftigen Ausgaben J
und dass die Methoden der mathematischen Behandlung dem Arsenal
der Versicherungsmathematik angehören.
Wir werden das Erfülltsein der Gleichung (A) als erste
Grundforderung oder Grundhypothese aufstellen.
Die Gleichung (A) muss sich innerhalb einer Risikogemeinschaft
erfüllen. Eine solche Risikogemeinschaft, etwa die einer
Rentenversicherung, wird z. B. von einer geschlossenen Kasse
gebildet ; dies ist der im Zeitpunkt der Beobach-tung existierende
Bestand der aktiven Versicherten und Rentner bis zu dessen völligem
Erlöschen. Eine andere wichtige Risikogemeinschaft besteht aus der
Generation aller gleichaltrigen gleichzeitig in die Versicherung
eintretenden Personen.
Auf dem Begriff der Risikogemeinschaft gründet eine zweite
Grundhypo-these eines Systems der Sozialen Sicherheit, die der
unbeschränkten zeitlichen Dauer des Systems, das heisst, die
Hypothese der offenen Kasse, in welcher der Anfangsbestand von
Aktiven und Leistungsempfängern zusammen mit allen Neugenerationen
zukünftiger Versicherter eine einzige Risikogemeinschaft bilden.
Dieses Prinzip erlaubt es, in einem mathematischen Sinne Lasten,
die aus der Versicherung der Anfangsgeneration entstehen, teilweise
auf zukünf-
60 tige Generationen abzuwälzen. Hier liegt wohl einer der
hauptsächlichen Un-
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terschiede gegenüber e inem System der Pr ivatvers icherung und
im allgemei-
nen auch gegenüber den nicht-öffentlichen Pensionskassen, deren
Finanzie-
rungsverfahren meist die Möglichkeit einer zeitlichen
Beschränkung oder
einer Auflösung des Systems in R e c h n u n g stellen.
Neben diesen beiden Grundhypothesen möchte ich noch zwei
zusätzliche
Hilfshypothesen oder Forderungen aufstellen : als erstes ein
wichtiges Zeitele-
ment , die zeitliche Konstanz der Beitragssätze wäh rend bes t
immter Zeitperi-
oden, welche jeweils ein Jahr oder eine bes t immte Anzahl von
Jahren - z. B.
5, 10 oder m e h r Jahre - oder auch die ganze unbeschränkte
Dauer des
Systems umfassen können. Eine zweite zusätzliche Forderung ist
die der
Gleichförmigkeit der Beitragssätze, d. h . deren Unabhängigkei t
von individu-
ellen Risiken, wie sie e twa durch Alter, Famil ienstand u n d
Gesundheitszu-
stand gegeben sind.
Es sei der immerhin seltene Fall erwähnt, dass innerhalb eines
Systems der Sozialen Sicherheit verschiedene Beitragssätze für
bestimmte grosse Personengruppen bestehen. So kennt das britische
System nach Geschlecht und für Jugendliche und Erwachsene
dif-ferenzierte Beiträge; doch ist das Prinzip der Gleichförmigkeit
der Beitragssätze jeweils innerhalb einer solchen wohldefinierten
Personenkategorie verwirklicht.
Schliesslich ist es interessant, in der obligatorischen sozialen
Unfallversicherung die Tendenz zu beobachten, das Prinzip der
Gleichförmigkeit der Prämien oder die Unab-hängigkeit von
individuellen Risiken auch auf die Unabhängigkeit von dem jedem
In-dustriezweig inhärenten Risiko auszudehnen, indem man einen
gemeinsamen Prämien-satz für alle Industriezweige festlegt. Als
Beispiele seien Grossbritannien und Österreich innerhalb Europas
und die neueren Sozialversicherungssysteme der Mehrzahl der
Ent-wicklungsländer genannt, soweit sie jenen Versicherungszweig
decken.
Die Beitragssätze sind entweder in Absolutbeträgen der nat
ionalen W ä h -
rung — so im brit ischen System der gleichförmigen Leis tungen -
oder in
festen Prozentsätzen der versicherten Löhne oder E i n k o m m e
n ausgedrückt .
Oft werden letztere auch in eine beschränkte Anzahl von Lohn-
oder Ein-
kommensklassen eingestuft u n d jeder Klasse ein bes t immter
Beitragssatz zu-
geordnet.
Innerha lb der vier Hypothesen oder Forde rungen : Erfülltsein
der Gleich-
gewichtsgleichung (A), unbeschränkte Dauer des Systems,
zeitliche Konstanz
und Gleichförmigkeit der P r ämien - zugleich mi t dem Begriff
der Risikoge-
meinschaft - lässt sich eine genügend wei te u n d genügend
flexible Klassifizie-
rung der Finanzierungsverfahren der Sozialen Sicherheit aufstel
len2 .
2 Der hieran interessierte Leser sei auf eine detaillierte,
mathematisch begründete Klassifizierungsmethode von E.KAISER
hingewiesen ([1] und [2]), welche über die hier entwickelte, mehr
pragmatische Klassifizierung hinausgeht.
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3. Klassifizierung der Finanzierungsverfahren
Die Wahl des Jahres als Grundeinheit führt zum reinen
Umlageverfahren, dieses besteht darin, dass die Prämie jedes
einzelnen Jahres so bestimmt wird, dass sich die
Gleichgewichtsgleichung (A) jeweils in diesem einen Jahre erfüllt
derart, dass die Beitragseinnahmen - ohne zusätzliche Mittel zu
Beginn des Jahres - die effektiven Ausgaben des Systems im gleichen
Jahre decken. Allerdings kommt das Verfahren in dieser reinen Form
selten in der Praxis vor, wo es meist mit der Bildung einer
Sicherheitsreserve zum Auffangen zu-fälliger Schwankungen verbunden
ist. Das Umlage verfahren war ursprüng-lich zur Finanzierung der
schon erwähnten kurzfristigen Risiken gedacht, spielt aber heute
eine wichtige Rolle auch in der sozialen Rentenversiche-rung.
Auf dem gleichen Grundprinzip beruht das Umlageverfahren der
Dek-kungskapitale, nur dass man statt der effektiven Kassa-Ausgaben
die Kapital-werte der im Jahre zuerkannten Leistungen zugrunde
legt. Die Jahresprämie wird also so bestimmt, dass die
Prämieneinnahmen des Jahres genau den vol-len Wert der im Jahre
verursachten «Versicherungsschäden» einschliesslich der
Verwaltungskosten decken. Da das besondere Interesse und die
besondere Technik des Verfahrens sich auf die Rückstellung der
Reserven der neu an-gefallenen Renten beziehen, spricht man auch
von dem Rentenwert-Umlage-verfahren. Es kommt zur Ansammlung einer
technischen Reserve3, deren Höhe in jedem Zeitpunkt gleich der
Summe der Kapitalwerte der laufenden Leistungen ist, also die
Auszahlung dieser Leistungen bis zu ihrem Erlöschen garantiert.
Dieses Verfahren wird häufig in der sozialen Unfallversicherung
benutzt, neuerdings auch als ein Finanzierungsmodell der sozialen
Renten-versicherung.
Solange ein Rentensystem noch nicht einen sogenannten
Beharrungszu-stand erreicht hat, werden die Beitragssätze des
reinen Umlage verfahr ens, meist auch die des
Rentenwert-Umlageverfahrens4, von Jahr zu Jahr vari-ieren, und zwar
wird im allgemeinen zu Beginn der Versicherung die reine
Umlageprämie die weitaus niedrigere sein, später aber im
Beharrungszustand auf einem höheren Niveau als die Prämie des
Rentenwert-Umlageverfahrens enden.
3 Bei der Bestimmung der Prämie durch die Gleichung (A) gelten
diese Reserven for-mal nicht als « vorhandene Mittel », da die
entsprechenden Renten-Kapital werte vorher als «Ausgaben» gebucht
wurden.
4 In der sozialen Unfallversicherung — sofern deren Leistungen
von der versicherten Zeit unabhängig sind — kann man allerdings oft
von Beginn an das Bestehen eines ange-näherten Beharrungszustandes
bezüglich des Rentenwert-Umlageverfahrens und
62 damit eine angenäherte Konstanz der Prämiensätze
erwarten.
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Die Forderung des Erfülltseins der Gleichgewichtsgleichung (A)
bei kon-stantem Beitragssatz während der unbeschränkten Dauer der
offenen Kasse führt zum Verfahren der allgemeinen
Durchschnittsprämie, das als hauptsäch-liches
Finanzierungsverfahren der sozialen Rentenversicherung in der
Ver-gangenheit betrachtet werden kann.
Die Anwendung der allgemeinen Durchschnittsprämie besagt
keineswegs, dass in der Praxis die Prämie konstant bleibe. Das
Rentensystem als solches kann durch Gesetz ge-ändert werden, oder
es mag sich herausstellen, dass die Rechnungsgrundlagen und
-hypothesen dem tatsächlichen Verlauf der Versicherung nicht mehr
entsprechen. Doch ist vorausgesetzt, dass jede Neuberechnung der
Prämie wiederum auf dem Prinzip ihrer Konstanz während der
zukünftigen unbeschränkten Dauer des Systems beruht.
Zwischen den genannten Verfahren lässt sich eine ganze Skala von
Finan-zierungsverfahren einordnen, von denen wegen seiner
praktischen Bedeu-tung das Zeitabschnitts-Deckungsverfahren
besonders hervorgehoben sei. Man kann dieses Verfahren zunächst als
eine Verallgemeinerung des reinen Umla-geverfahrens ansehen $ es
vermeidet aber die jährliche Variation der Prämie, indem ein
grösserer Zeitabschnitt - etwa 5 oder 10 Jahre — als «
Deckungsab-schnitt» zugrunde liegt und für jeden solchen
Zeitabschnitt je ein konstanter Beitragssatz bestimmt wird. Gilt
die Gleichgewichtsgleichung (A) getrennt für jeden einzelnen
Deckungsabschnitt, etwa unter der Voraussetzung, dass die «
vorhandenen Mittel » zu Beginn des Abschnittes gleich Null sind,
und ist ferner der Beharrungszustand des Systems noch nicht
erreicht, so sind anfangs die Einnahmen grösser als die Ausgaben —
es wird sich also eine Reserve bil-den —, während in der zweiten
Phase die Ausgaben die Einnahmen überstei-gen werden, derart, dass
am Ende des Deckungsabschnittes die Reserve wie-der aufgebraucht
sein wird. Das aber macht eine langfristige Politik der
Kapitalanlagen unmöglich.
In der Praxis wird meist zugelassen oder es wird ausdrücklich im
Gesetze vorgeschrieben, dass am Ende eines Deckungsabschnittes eine
bestimmte Reserve vorhanden sei. Eines der bekanntesten Beispiele
ist wohl die allge-meine deutsche Rentenversicherung, welche
ursprünglich Deckungsab-schnitte von je 10 Jahren Dauer vorsah mit
der Bedingung, dass die Reserve am Ende eines solchen Abschnittes
mindestens gleich dem Rentenaufwand der Versicherungsträger im
letzten Jahre sein solle.
Eine schärfere Forderung ist, dass die einmal angehäufte Reserve
sich nie-mals vermindern dürfe, dass also jedesmal, wenn
voraussichtlich die Beitrag-seinnahmen plus Zinserträge nicht mehr
ausreichen, die Ausgaben zu dek-ken, der Beitragssatz erhöht werden
soll. Dieses Verfahren ist als das der ge-staffelten Prämien im
engeren Sinne ( « primes échelonnées ») bekanntgeworden.
Das Zeitabschnittsdeckungsverfahren und seine wichtigste Abart,
das der gestaffelten Prämien, zeichnen sich durch ihre
Anpassungsfähigkeit aus. Man 63
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kann ohne Übertreibung behaupten, dass das eine oder andere
heute in den meisten sozialen Rentensystemen explizit oder implizit
angewandt wird5. Es ist dies eine Folgeerscheinung vor allem der «
Dynamik » der modernen Ren-tensysteme, d.h. des Prinzips der
Anpassung der Renten an den steigenden Preisindex oder das
allgemeine Lohnniveau, das meist zur Aufgabe des Ver-fahrens der
allgemeinen Durchschnittsprämie zwang, wenn nicht schon der Verlust
der angesammelten Reserven durch Krieg und Inflation dazu geführt
hatte oder man bereits ganz zum Umlageverfahren übergegangen
war.
Ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung des wirtschaftlichen
Effektes eines Finanzierungsverfahrens ist der erreichte oder
erreichbare « Grad der Kapi-talisierung». Im Umlageverfahren und im
Rentenwert-Umlageverfahren ist dieser Grad eindeutig gegeben: im
ersten Falle ist der Grad der Kapitalisie-rung gleich Null, und im
zweiten Falle ist die technische Reserve gleich der Summe der
Deckungskapitale der bereits zuerkannten laufenden Leistungen.
Weniger eindeutig ist die Frage nach dem Grade der Kapitalisierung
in bezug auf das Verfahren der allgemeinen Durchschnittsprämie zu
beantworten. Dieses Verfahren kann zu jedem beliebigen Grad der
Kapitalisierung führen: zwischen dem oberen Extrem der « vollen
Kapitalisierung » und dem unteren Extrem des Grades «0» . Im ersten
Falle enthält die Reserve nicht nur die Deckungskapitale der
laufenden Renten, sondern deckt auch die vollen « An-wartschaften»,
das sind die durch Beiträge erworbenen Rechte der noch akti-ven
Versicherten. Nur im Zusammenhang mit diesem Grenzfall werden wir
auch von dem Anwartschaftsdeckungsverfahren sprechen oder dem
Verfahren der vollen Kapitalisierung ('full funding'), das auch
heute noch in den nicht öffentlichen Pensionskassen eine wichtige
Rolle spielt.
Ohne auf die mathematische Definition der Anwartschaften und des
Anwart-schaftsdeckungsverfahrens einzugehen, kann man sich
letzteres am theoretischen Fall der Liquidation einer Pensionskasse
verdeutlichen, welche nach diesem Verfahren in der Lage sein muss,
nicht nur die Reserven für die laufenden Renten sicherzustellen,
sondern auch jedem Aktiven eine dem Wert seiner bereits erworbenen
Rechte äqui-valente Einmalabfindung auszuzahlen, mit der dieser
sich in einer anderen Kasse die gleichen Rechte « einkaufen »
könnte.
Wohlgemerkt ist das Anwartschaftsdeckungsverfahren nur der eine
- obere — Grenzfall des Verfahrens der allgemeinen
Durchschnittsprämie, und man muss sich hüten, die beiden Verfahren
ohne weiteres einander gleichzuset-zen. Bei der häufig
anzutreffenden Verwirrung in diesem Punkte mag es wichtig sein,
sich auch den unteren Grenzfall - in welchem es überhaupt nicht
mehr zu einer Reservebildung kommt — an einem einfachen Beispiel
klarzumachen.
64 5 Vergleiche hierzu P. Thullen [4].
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Man betrachte hierzu eine Bevölkerung im absoluten
demographischen Be-harrungszustand, in welcher ein System von
gleichförmigen Altersrenten ein-geführt werde, die im Alter von 65
Jahren zuerkannt werden sollen. Das System möge sofort auch auf
alle Personen, die bei seiner Einführung das Alter von 65 Jahren
bereits erreicht oder überschritten haben, ohne vorherige
Beitragszahlung angewandt werden. Da im absoluten Beharrungszustand
die Anzahl der Aktiven und die der Rentner konstant bleiben, also
die gleiche Anzahl von Aktiven stets die Last für eine
unveränderliche Anzahl von Altersrenten zu tragen hat, muss im
Falle unseres Beispieles die reine Umla-geprämie zeitlich konstant
und daher die allgemeine Durchschnittsprämie mit der Umlageprämie
identisch sein: es werden keine Reserven, auch nicht zur Deckung
der laufenden Renten, angesammelt. Das Beispiel hat nicht nur
theoretische Bedeutung; es kann als ein angenähertes Modell für ein
bereits reifes Rentensystem dienen, das durch irgendeine
Katastrophe seine Reser-ven verloren hat und sozusagen neu beginnen
muss, ohne dabei die Zahlung der laufenden Renten einstellen zu
können.
Was das Zeitabschnitts-Deckungsverfahren betrifft, so haben die
verant-wortlichen Organe einen relativ grossen Spielraum, den Grad
der Kapitalisie-rung je nach den wirtschaftlichen Notwendigkeiten
und Möglichkeiten fest-zulegen.
Der Grad der Kapitalisierung bestimmt weitgehend die Höhe der
Prämie. So ergaben die auf ein konkretes europäisches System von
Invaliden-, Alters-und Hinterbliebenenrenten bezogenen Berechnungen
- unter der Vorausset-zung, dass alle Eintritte in das System im
Alter von 21 Jahren stattfinden, und des Rechnungszinsfusses von 4%
— die folgenden Prämien für versi-cherte Männer:
Prozente des versicherten Lohnes
Allgemeine Durchschnittsprämie (in diesem Grenzfall gleich der
Anwartschaftsdeckungsprämie) : 7,8 Prämie des Rentenwert-Umlage
Verfahrens nach Erreichen des ab-soluten Beharrungszustandes: 19,1
Reine Umlageprämie, ebenfalls nach Erreichen des absoluten
Be-harrungszustandes : 29,1
Die unerwartet hohen Unterschiede in diesen Zahlen weisen auf
die Schwierigkeit und auch auf die Verantwortung hin, welche die
Wahl des ge-eigneten Finanzierungsverfahrens impliziert.
Die gewonnene Klassifizierung umfasst in einer kontinuierlichen
Weise alle möglichen «vernünftigen» Finanzierungsverfahren der
Sozialen Sicher-heit und bildet das Rüstzeug, um ihre Finanzierung
den dynamischen Bedin-gungen anzupassen, deren Betrachtung wir uns
nun zuwenden wollen. 65
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4. Von den dynamischen Bedingungen, denen die Soziale
Sicherheit
unterworfen ist
Die wirtschaftlichen und demographischen Grundlagen, mit denen
man es um die Jahrhundertwende in der Zeit der ersten sozialen
Rentensysteme zu tun hatte, schienen weitgehend durch Konstanten
bestimmt zu sein: annä-hernd konstante Preise und konstante Löhne,
konstante Sterblichkeiten und andere konstante demographische
Grundlagen. Die Störungen in diesem kon-stanten Weltbild nach dem
Ersten Weltkrieg sahen viele wohl als vorüberge-hend an. Nach dem
Zweiten Weltkrieg setzte dann endgültig eine dynami-sche
Entwicklung in mehreren Richtungen ein, wobei wir die Frage
offenlas-sen, wieweit es sich um längst bestehende latente
Tendenzen handelt, deren Wirksamkeit nur auffälliger geworden und
ins allgemeine Bewusstsein ein-gedrungen ist.
So beobachtet man in der Nachkriegszeit in fast allen Ländern
einen mehr oder weniger stark ansteigenden Preisindex, zugleich
auch ein Anheben des allgemeinen Lohnniveaus, und zwar fast immer
in weit stärkerem Masse als das des Preisindexes, so dass auch die
Reallöhne eine steigende Tendenz auf-weisen. Diese Tendenzen
scheinen noch keineswegs zur Ruhe gekommen zu sein, und sie sind
nicht nur in den hochentwickelten Industrieländern, son-dern auch
in vielen Entwicklungsländern sichtbar.
Wenn ein Rentensystem seinen sozialen Sinn bewahren soll,
entsteht die Notwendigkeit einer periodischen Anpassung der
laufenden Renten und der Aufwertung der Bemessungsgrundlage6 der
Neurenten 5 ein Prinzip, das be-reits in das Internationale
Übereinkommen über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit
übernommen wurde. Ich kann leider nur in Stichworten das soziale
und wirtschaftliche Problem der Anpassung berühren. Es bieten sich
unmittelbar zwei Methoden an : einerseits die Anpassung an den
Preisin-dex, um die Kaufkraft der Renten zu erhalten; andererseits
die Anpassung an das allgemeine Lohnniveau oder an einen
äquivalenten Index, die auch den Altrentner an einer späteren
Hebung des allgemeinen Lebensstandards teilnehmen lässt. Der Effekt
anderer Methoden liegt meist zwischen dem Ausmass der durch diese
beiden Hauptmethoden erreichbaren Anpassungen.
Die Anpassungen können nach einem im Gesetz verankerten
Automatis-mus (z.B. in Frankreich) oder Halbautomatismus (wie in
Deutschland) oder
6 Eine Alters- oder Invalidenrente wird meist mit einem gewissen
Durchschnitt der versicherten Löhne, z.B. die der letzten (oder der
«besten») 5 oder 10 Jahre oder auch mit dem allgemeinen
Durchschnitt der versicherten Arbeitskarriere « bemessen » ; dieser
Durchschnitt wird die «Bemessungsgrundlage» genannt. Für die nach
einer Geldentwertung neu zuerkannten Renten ergibt sich die
Notwendigkeit, die weiter
66 zurückliegenden, in die Bemessungsgrundlage eingehenden Löhne
zuvor anzupassen.
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in gewissen Zeitabständen ad hoc durchgeführt werden, wie es in
der Ver-
gangenheit in den USA, in Grossbritannien und auch in der
Schweiz der
Fall war. Einige Beispiele mögen die Entwicklung
veranschaulichen7 :
Land
(R =
Bundesrepublik Deutschland
Frankreich
Grossbritannien
Niederlande
Norwegen
Schweiz
= Rentenindex,
Index
R P L
R P L
R8
P L
R8
P L
R P L
R9
P L
P =
1957
100 100 100
100 100 100
100 100 100
100 100 100
100 100 100
100 100 100
Preisindex,
1958
100 102 107
107 115 112
100 103 105
109 102 102
107 105 104
100 102 106
1959
106 103 112
122 122 119
125 104 107
113 104 105
120 107 111
100 101 109
L =
1960
112 105 124
155 127 128
125 105 116
113 105 113
120 108 115
100 105 114
Lohnindex)
1961
119 107 156
145 151 158
125 108 124
152 107 122
154 111 125
120 104 119
1962
125 110 152
167 137 149
145 115 129
158 110 127
164 116 155
120 109 150
1965
155 115 164
194 144 165
145 115 155
177 115 158
175 119 159
120 115 141
1964
141 116 178
217 149 175
169 119 146
167 116 154
In allen Fällen wächst der Lohnindex, aber auch der Rentenindex
stärker als der Preisindex. Wenn der Rentenindex oft ein steileres
Wachstum als der Lohnindex zeigt, so mag dies zum Teil auf die
fortschreitende « Reife » des Systems zurückzu-führen sein (d.h.
auf eine längere durchschnittliche Versicherungsdauer, falls die
Höhe der Rente von dieser mitbestimmt wird), zum Teil aber auch auf
einen gewis-sen Nachholbedarf gegenüber einer Rentenhöhe, die einem
entwickelteren sozialen Empfinden zu niedrig erscheint; letzteres
gilt insbesondere für gleichförmige, vom Lohne und von der
Versicherungsdauer unabhängige Renten (z.B. Grossbritannien und die
Mindestrenten der Schweiz). Im übrigen sind die Entwicklungen in
den ver-schiedenen Ländern nicht ohne weiteres miteinander
vergleichbar.
7 Internationales Arbeitsamt Genf: CSSE/Act. 7. 1964 (mit
einigen Ergänzungen). Die Löhne entsprechen den
nichtlandwirtschaftlichen Beschäftigungen (Männer und Frauen;
Grossbritannien und Schweiz: Männer).
8 (Gleichförmige) Renten für Nichtverheiratete. 9 Index der
Mindestrenten. Die Maximalrenten zeigen einen analogen Verlauf.
Es
sei bemerkt, dass nach der 7. Revision der Index der
Mindestrente auf 267 ansteigen wird. 67
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Die Notwendigkeit der Rentenanpassungen stellte den Mathematiker
der Sozialen Sicherheit vor neue Probleme : Das Prinzip der
Anpassung war fast nie in den ursprünglichen Berechnungen
berücksichtigt worden, und es ist auch heute unmöglich, das
wahrscheinliche Ausmass zukünftiger Anpassungen vor-auszusagen. Die
Beibehaltung des Verfahrens der allgemeinen Durchschnitts-prämie
(abgesehen vom Grenzfall ihrer Identität mit der Umlageprämie) oder
des Anwartschaftsdeckungs verfahr ens würde bei jeder Anpassung der
Renten auch zur Anpassung der technischen Reserven zwingen, sei es
durch Kapitalzu-schüsse, sei es durch jeweilige Erhöhung der
Beitragssätze. Es ist fraglich, ob sol-che Massnahmen - vor allem
im Hinblick auf ihre periodische Wiederholung -innerhalb einer
allgemeinen sozialen Rentenversicherung immer zweckmässig oder
überhaupt möglich sind.
Fast gleichzeitig setzte ein geradezu spektakuläres Abnehmen der
Sterblichkeit ein. Dass diese Tendenz nicht auf hoch entwickelte
Länder beschränkt ist, be-weist die sprichwörtliche
«Bevölkerungsexplosion» in den Entwicklungslän-dern, die ja nicht
so sehr einer grösseren Geburtenfreudigkeit, sondern dem Absinken
der Sterblichkeit zuzuschreiben ist. Hier ergibt sich ein
zweifaches Problem : sowohl in den Rechnungsgrundlagen die sich
ändernde Sterblichkeit zu berücksichtigen, wie auch die
Folgeerscheinungen der demographischen Expansion mathematisch zu
erfassen.
Eine ebenfalls unmittelbar nach dem Kriegsende einsetzende
Entwicklung betrifft die rasche schrittweise Ausweitung der
Kategorien der geschützten Personen: ausgehend von bestimmten
Arbeitnehmerklassen, z.B. den Ange-stellten, über die Masse aller
Arbeitnehmer, dann die Gesamtheit der wirt-schaftlich Beschäftigten
bis schliesslich zur Erfassung der ganzen Wohnbevöl-kerung. Diese
letzte Etappe einer weltweiten Entwicklung ist bereits in einigen
Ländern erreicht, so auch praktisch in der Schweiz bezüglich der
Rentenversi-cherung (AHV). Es ist zweifelhaft, ob die klassischen
Finanzierungsverfahren noch auf eine derartige allgemeine nationale
Rentenversicherung anwendbar sind.
Es ist eine relativ leichte Rechenaufgabe, die Höhe der Reserve
zu berechnen, die un-ter gewissen Hypothesen und gemäss dem
Anwartschaftsdeckungsverfahren einer auf die ganze Wohnbevölkerung
eines Landes ausgedehnten Altersversicherung im Behar-rungszustand
entsprechen würde. Zu diesem Zwecke stelle man sich eine
Bevölkerung vor, deren « aktiver » Teil (Alter zwischen 20 und 64
Jahren) drei Millionen Personen umfasse, was angenähert dem
entsprechenden Teil der Schweizer Stammbevölkerung Ende 1966
gleichkommen würde ; jedoch werde vorausgesetzt, dass die
Bevölkerung sich bereits im absoluten Beharrungszustand befinde und
dass ihre Altersstruktur in diesem Zustand der einer modernen
Absterbeordnung entspreche. In dieser Bevölkerung be-stehe ein
System von Altersrenten, in das jeder im Alter von 20 Jahren als
Beitragszah-lender eintritt und in dem er im Alter von 65 Jahren in
den unbedingten Genuss der
68 Altersrente von einheitlich Fr. 3600.- jährlich gelangt.
Unter diesen Voraussetzungen
-
und bei einem Rechnungszinsfuss von 3,5 % ergibt sich eine
Gesamtreserve in der Grös-senordnung von 70 Milliarden. Dieser
Betrag ist ungefähr das Neunfache der Ende 1967 in der AHV
angesammelten Reserve.
Glücklicherweise liegt es i m Wesen einer offenen Kasse, dass n
u r der Zinser-
trag des Reservekapitals, nicht aber dieses selbst gebraucht
wird , es sei denn i m
Falle einer rückläufigen versicherten Bevölkerung. Es m a g
paradox scheinen,
dass un te r der Voraussetzung eines niemals abnehmenden
Versichertenbestan-
des in letzter Konsequenz die reelle Existenz des
Reservekapitals überhaup t
nicht notwendig ist - sein Betrag m a g i rgendwo imaginär zu
Buche s tehen —,
wenn n u r der regelmässige Zinser t rag über diesen Betrag
realisiert wird. Kapital
hat hier also n u r e inen finanziellen Sinn, soweit sein Zinser
t rag reicht. Bei der
Neugründung einer nat ionalen Versicherung von der Art unseres
Beispieles10
könnte m a n also rein fiktiv jene Anfangsreserve von 70 Mill
iarden in die Passi-
ven der Bilanz ü b e r n e h m e n u n d andererseits die
gleiche S u m m e als Schuld
der Nation an die Versicherung u n t e r die Aktiven buchen ,
gleichzeitig aber
die effektive Zah lung der Zinsen über diese Schuld garant ie
ren , ohne deren
Amortisation zu ver langen. I n unse rem Beispiele ergäben sich
pro Kopf eines
aktiven Versicherten annähe rnd die folgenden, vorschüssig zu
zahlenden Jah-
resbeträge :
Die eigentliche Prämie (als Anwartschaftsdeckungsprämie zum
Eintrittsalter 20 berechnet) : 355. — Anteil am Zinsdienst über die
Anfangsschuld : 790. —
Total 1125.—
Gründe t m a n i m Gegensatz hierzu die F inanz ie rung von
vornhere in auf
das re ine Umlageverfahren , so e r rechnet sich eine
Umlageprämie von genau
dem Jahresbetrag von Fr. 1125 . - , die i m übr igen (bei einer
Anfangsreserve
« 0 » ) mi t der a l lgemeinen Durchschni t t sprämie identisch
is t ; dies alles ohne
die Fiktion von zu Buch s tehender Reserve oder Schuld. Dieses e
lementare
Beispiel m a g zu einer « Entmystif izierung » gewisser
Finanzierungsverfahren
dienen.
Ich kann leider n u r in aller Kürze auf e inen wei te ren
Faktor e ingehen, der
zum Verlassen alter Denkweisen zwingt . Es ist bekannt , dass
innerha lb eines
Systems der Sozialen Sicherheit eine gewisse Umver t e i l ung
der E i n k o m m e n
stattfindet. Die s teigenden Kosten der Sozialen Sicherheit
führen zu einer
immer s tärkeren Subvent ionierung durch die öffentliche Hand ,
welche die
entstehenden Kosten mit tels S teuern auf die Allgemeinhei t ver
te i l t , was je
nach der Art der Bes teuerung sich in einer ausgedehnten u n d s
tarken U m -10 Wie im Beispiel auf S. 65 werde angenommen, dass das
System von Beginn an
auch auf alle Personen vom Alter 65 und darüber angewandt werde.
69
-
Verteilung der E i n k o m m e n auswirken kann . Diese zunächst
na tür l iche Be-
glei terscheinung der Entwick lung der Sozialen Sicherheit ist
heu te vielfach
ein Teil e iner bewussten Sozial- u n d Wirtschaftspolitik
geworden, i n d e m also
bewusst die Soziale Sicherheit als ein I n s t r u m e n t einer
sozial ger ichte ten U m -
ver te i lung der E i n k o m m e n eingesetzt wird. Es ist e
inleuchtend, dass zur Fest-
setzung der Beiträge u n d Subvent ionen der öffentlichen H a n
d andere Kri ter ien
massgebend sein können , als sie für die Bes t immung der
Arbeitgeber- u n d
Arbei tnehmerbei t räge gel ten mögen.
Die Frage nach dem geeigneten Finanzierungsverfahren stellt sich
in En t -
wicklungsländern in verschärfter Form. Mi t Staatszuschüssen
kann selten ge-
rechnet werden . Die E in führung der a l lgemeinen Durchschni t
t sprämie eines
Rentensystems ergäbe eine zu hohe finanzielle Belastung für
Arbeitgeber u n d
Arbe i tnehmer in e iner noch u n g e n ü g e n d entwickel ten
Wirtschaft . Ausser-
dem besteht die Gefahr, dass eben dieser Entwicklungszustand oft
nicht die
Garant ie für eine geeignete Anlagepolitik e iner ungewohn ten
Anhäufung
von Kapitalien geben kann . Hie r bietet sich fast als einzig
mögliche Alterna-
t ive das Verfahren der gestaffelten P r ä m i e n an.
Folgende Zahlen, die der praktischen Berechnung eines
Rentensystems eines Ent-wicklungslandes entnommen sind, mögen die
Wirksamkeit des Verfahrens andeuten. Die allgemeine
Durchschnittsprämie wurde zu 11,8 % der versicherten Löhne
berech-net, doch für den Beginn ein Beitragssatz von nur 5,5 %
festgesetzt. Dieser reicht aus, um unter den gemachten
Voraussetzungen das finanzielle Gleichgewicht des Systems während
eines ersten Deckungsabschnittes von über 25 Jahren Dauer — für
welches eine Wachstumsrate des aktiven Versichertenbestandes von 3
% angenommen wurde — zu sichern und zugleich genügend
Reservekapitalien zur Entwicklung des Landes zur Ver-fügung zu
stellen. Ein solches Verfahren legt dem Lande erst dann höhere
Lasten auf, wenn man erwarten darf, dass die wirtschaftliche
Entwicklung weit genug fortgeschrit-ten ist, um diese zu
tragen.
5. Anpassung der Verfahren und Rechenmethoden an die
dynamischen Bedingungen
Die vorangehenden Ausführungen zeigen, dass m a n in der P l a n
u n g u n d
Kontrolle eines Rentensystems der Sozialen Sicherheit n icht auf
dynamische
Arbeitshypothesen verzichten kann . Aber gerade hier s teht m a
n vor der
grundsätzl ichen Schwierigkeit , w e n n nicht Unmöglichkei t ,
gül t ige Voraussa-
gen über langfristige zukünft ige Entwicklungen zu machen . So
können En t -
wicklungstendenzen, z. B. des Preisindexes oder des a l
lgemeinen Lohnniveaus
für e inen h inre ichend langen zukünft igen Zeitabschnit t
nicht ohne weiteres
aus der Er fah rung der Vergangenhei t extrapoliert werden .
Demographische
70 Tendenzen ändern sich zwar langsamer, aber auch hier kann
eine bewusste
-
Bevölkerungsplanung zu einem vollständigen Umbruch führen. Und
was wis-sen wir von den wirtschaftlichen und sozialen Wandlungen,
die eine verallge-meinerte friedliche Anwendung der Atomenergie und
die vielfach erst be-gonnene Automation bewirken werden?
Man könnte sich nun fragen, ob wir es nicht mit eigenständigen
Entwicklun-gen zu tun haben, die sich der mathematischen Kontrolle
entziehen. Dies ist nun keineswegs der Fall ; wohl aber haben sich
die Aufgaben und Arbeitsmethoden des Mathematikers der Sozialen
Sicherheit geändert. Ohne mich auf nur dem Fachmann vertraute
mathematische Methoden und Formulierungen zu bezie-hen, möchte ich
versuchen, eine Auswahl der wichtigsten Aspekte anzudeuten.
Zunächst einige Hinweise über die formale Methodik. Wir haben
schon die weite Skala der Finanzierungsverfahren behandelt und
insbesondere das Zeit-abschnitts-Deckungsverfahren und den
Sonderfall des Verfahrens der gestaf-felten Prämien hervorgehoben,
die sich innerhalb ihrer beiden Grenzfälle -der reinen Umlageprämie
bzw. der allgemeinen Durchschnittsprämie — flexi-bel den
verschiedenen Tendenzen und Situationen anpassen lassen.
Als nützliches Mittel, um die Auswirkungen von dynamischen
Entwicklun-gen während genügend langer Zeitperioden mathematisch zu
beschreiben, hat sich die Einführung des Modells der relativen
Beharrungszustände erwie-sen, die den früher meist nur benutzten
absoluten Beharrungszustand als Sonderfall umfassen. Der relative
demographische Beharrungszustand setzt voraus, dass die relative
Alters Verteilung der gegebenen Bevölkerung kon-stant bleibt, ihr
Umfang aber variieren darf. Analog wird auch der relative
finanzielle Behar rungs zustand definiert11, ohne dass ich hier auf
Einzelheiten eingehen könnte.
Als eine sehr fruchtbare Rechenmethode — die es erlaubt, unter
Variierung der Arbeitshypothesen deren Einfluss auf den Verlauf
einer Versicherung zu verfolgen — wird seit langem die
Projektionsmethode verwandt. Es werden Jahr für Jahr die
wahrscheinlichen Einnahmen und Ausgaben geschätzt und die Höhe der
Reserven berechnet, meist bis zur Erreichung eines den Hypo-thesen
entsprechenden Beharrungszustandes. Wohlbemerkt handelt es sich nur
um eine Rechenmethode, die zwar dem Umlageverfahren angepasst
er-scheint, jedoch bei jedem anderen Finanzierungsverfahren mit
Nutzen ange-wandt werden kann.
Im Hinblick auf die Unmöglichkeit, genügend sichere Voraussagen
über langfristige Entwicklungen zu machen, ist es von besonderer
Wichtigkeit, die Berechnungen stets unter mehreren
Arbeitshypothesen durchzuführen, die zwischen optimalen und
pessimistischen variieren. Es ist oft überraschend zu erfahren,
dass man trotz einer weiten Variation der Hypothesen zu recht
brauchbaren Ergebnissen gelangen kann.
"S iehe P.Thullen [3]. 71
-
Was die konkrete Behandlung der durch die dynamische Entwicklung
auf-geworfenen Probleme angeht, steht wohl die Frage nach den
finanziellen Auswirkungen der Anpassung der Renten an
wirtschaftliche Schwankungen im Vordergrund des Interesses. Setzt
man ein lohngebundenes Rentensystem mit Anpassung aller Altrenten
und der Bemessungsgrundlage der Neurenten an ein steigendes
allgemeines Lohnniveau voraus, so nehmen die durch die Anpassungen
verursachten Ausgaben im gleichen relativen Ausmass zu wie die
Absolutbeträge der lohngebundenen Beitragseinnahmen. Beruht die
Finanzierung des Rentensystems auf dem reinen Umlageverfahren, so
ist also (im absoluten oder relativen Beharrungszustand) eine volle
automatische An-passung aller Renten ohne zusätzliche Mittel
möglich. Liegt ein anderes Finanzierungsverfahren zugrunde, das
eine Anhäufung technischer Reserven vorsieht, so können — bei
Konstanz der übrigen Rechnungsgrundlagen — die Renten nicht mehr
voll aufgewertet werden, ohne dass zusätzliche Mittel zur Verfügung
ständen. Z.B. gestattet das Rentenwert-Umlageverfahren zwar die
volle Anpassung aller Neurenten, könnte aber keine Mittel zur
Aufwer-tung der Altrenten freimachen. Hierzu bedenke man, dass eine
Anpassung der Renten unter Beibehaltung eines bestehenden
finanziellen Gleichgewich-tes auch die Aufwertung der technischen
Reserven verlangt.
Mathematisch gesehen wirkt die Vermehrungsrate des allgemeinen
Lohn-niveaus bei automatischer Anpassung der Renten wie ein
negativer Zinsfuss, kann also auch durch erhöhten Zinsgewinn
aufgefangen werden. In Ziffern heisst das etwa folgendes : falls
der ursprüngliche Beitragssatz mit dem Rech-nungszinsfuss von 4%
berechnet wurde, tatsächlich aber ein permanenter Zinsertrag von 5%
erzielt wird, so kann die volle Anpassung aller Renten an ein um 1%
jährlich steigendes allgemeines Lohnniveau ohne Störung des
Gleichgewichtes und ohne Erhöhung des Beitragssatzes durchgeführt
werden.
Ist eine solche Kompensation nicht oder nur teilweise möglich,
können sich erhebliche Mehrkosten ergeben. Indem wir uns wieder auf
das schon be-nützte Beispiel eines europäischen Rentensystems
beziehen und annehmen, dass seine Finanzierung ursprünglich auf der
angegebenen Anwartschaftsdek-kungsprämie von 7,8% basierte, so
werden im Grenzfall der Gleichheit der jährlichen Steigerungsrate
des allgemeinen Lohnniveaus mit dem Rech-nungszinsfuss von 4% die
Zinserträge vollständig zur Aufwertung der Reser-ven verbraucht,
können also nicht zur Zahlung der Renten herangezogen werden, so
dass im Beharrungszustand die Ausgaben durch die Umlageprä-mie von
29,1% gedeckt werden müssen. Unter der theoretischen Annahme, dass
diese Steigerungsrate des allgemeinen Lohnniveaus ad infinitum
an-dauere, würden die Reserven - abgesehen von einer ungeheuren
Selbstauf-blähung — jede finanzielle Funktion verlieren.
72
-
Nicht minder wichtig ist es, die Auswirkungen demographischer
Schwan-kungen zu verfolgen. Das demographische Wachstum der
versicherten Bevöl-kerung kann zeitweilig eine spürbare finanzielle
Erleichterung bezüglich der Direktausgaben bedeuten. So erhält man
für obiges Rentensystem im relati-ven Beharrungszustand die
folgenden Umlageprämien als Mass der jährlichen Ausgaben :
Jährliche demograph. Wachstumsrate Umlageprämie (Prozente des
versicherten Lohnes)
3% 10,9% 2% 15,1% 1% 21,0% 0 29,1 %
Die Unkenntnis dieses Zusammenhanges kann während einer langen
Peri-ode demographischen Wachstums zu einem falschen Optimismus
über die Finanzlage eines Rentensystems führen und später - falls
das Wachstum sich verlangsamt oder gar zum Stillstand kommt - zu
einer für die Beteiligten un-angenehmen Überraschung, wenn die
Prämien in einem nicht vorhergesehe-nen Ausmass erhöht werden
müssen.
Diese Beispiele mögen genügen, um Ihnen zu zeigen, dass dem
Mathema-tiker der Sozialen Sicherheit auch heute ein wirksames
Instrumentar zur Ver-fügung steht ; und wenn dieses noch der
Vervollkommnung bedarf, so mag gerade das einen besonderen Reiz für
ihn haben. Er wird selten nach einem fertigen Rezept vorgehen
können; er muss die finanziellen Rückwirkungen nachweisen, die sich
aus den möglichen Varianten der demographischen und
wirtschaftlichen Rechnungsgrundlagen und Arbeitshypothesen ergeben.
Er wird Entwicklungstendenzen deuten müssen, vielleicht vor einem
verfrühten Optimismus warnen, wenn gewisse Tendenzen eine optimale
Finanzlage vor-täuschen, deren Dauer nicht gesichert ist. Über das
rein Mathematische hin-aus wird er sich um vertiefte Kenntnisse
wirtschaftlicher Zusammenhänge bemühen; er wird mehr als früher
auch Statistiker sein müssen mit einem Gefühl für die richtige
Auswahl und Deutung der demographischen und wirtschaftlichen
Unterlagen seiner Berechnungen.
Im übrigen gibt es keine eindeutige Anwort auf die Frage nach
dem best-möglichen Finanzierungsverfahren. Dessen Wahl ist zum Teil
ein eminent wirtschaftliches Problem von komplexer Natur: z.B. kann
die Notwendigkeit, über eine gewisse Höhe von Reserven als
Investitionskapitalien zu verfügen, eine Rolle spielen; oder die
Möglichkeiten, den Realwert der Kapitalanlagen und deren
Zinserträge zu erhalten; der zu erwartende inflationäre oder anti-
75
-
inflationäre Effekt eines Beitragssystems; die mögliche
Korrelation zwischen erhöhten Zinserträgen und einer schleichenden
Geldentwertung; die « Reife » des Rentensystems und das Schicksal
früher angesammelter Reser-ven; die bewusste Absicht, die Soziale
Sicherheit als Instrument einer sozial gerichteten Umverteilung der
Einkommen zu gebrauchen, usw. Auch mag die Antwort in einem
wirtschaftlich hoch entwickelten Lande anders ausfal-len als in
einem Lande, das am Beginn einer industriellen Entwicklung
steht.
Die Endentscheidung liegt in der Verantwortung politischer
Organe. Der Versicherungsmathematiker hat den Auftrag, diesen
Organen die notwendi-gen informativen Elemente zur Beurteilung der
Rückwirkungen und Folgen der möglichen Alternativlösungen zu
liefern. Hierbei wird es weniger auf die starre Kenntnis von
Formeln und Rechenrezepten ankommen als auf eine geistige
Anpassungsfähigkeit an neue Fragestellungen und eine echte
mathe-matische Denkweise und Intuition.
Verzeichnis der hauptsächlich benützten Literatur
E. Kaiser
[1] Die Finanzierungsverfahren der Rentenversicherung unter dem
Einfluss der wirtschaftlichen Entwicklung. Berichte der II.
Internationalen Konferenz der Ver-sicherungsmathematiker und
Statistiker der Sozialen Sicherheit; IVSS, Rom 1959.
[2] Funktionalgleichungen der Sozialmathematik. Internat.
Zeitschr. f. versiche-rungsmath. und statist. Probleme der Sozialen
Sicherheit; Nr.8, 1962 (IVSS, Genf).
[5] Von der politischen Arithmetik zur Wirtschafts- und
Sozialmathematik. Schweiz. Zeitschr. f. Volkswirtschaft und
Statistik 103, Heft 4, 1967.
P. Thullen
[1] Über den relativen Beharrungszustand einer Bevölkerung.
Mitteil. d. Vereini-gung Schweiz. Versicherungsmathematiker Bd. 58,
Heft 2, 1958.
[2] Über die Eintritts- und Abnahmeintensitäten einer
Bevölkerung und über das Verhalten der Bevölkerungsfunktion,
insbesondere relativ stationärer Bevölkerun-gen. Mitteil. d.
Vereinigung Schweiz. Versicherungsmathematiker Bd. 60, Heft 2,
1960.
[3] Anotaciones sobre el estado financiero relativamente
estacionario de un sistema de seguro. Berichte der II.
Internationalen Konferenz der Versicherungsmathematikei und
Statistiker der Sozialen Sicherheit; IVSS, Rom 1959.
[4] The Scaled Premium System for the Financing of Social
Insurance Pension Sche-mes : Maximum Period of Equilibrium.
Internat. Zeitschr. f. Versicherungsmath.
74 und statist. Probleme der Sozialen Sicherheit; Nr. 10, 1964
(IVSS, Genf).
-
A. Zelenka < [1] Sécurité sociale et les variations du niveau
général des salaires. Comptes rendus du
13e Congrès International des Actuaires, Scheveningen 1951. [2]
Quelques remarques sur le régime financier. Berichte der I.
Internationalen Kon-
ferenz der Versicherungsmathematiker und Statistiker der
Sozialen Sicherheit; IVSS, Brüssel 1956.
[3] Fonctions biométriques et économiques interchangeables dans
l'équation générale de l'équilibre financier. Berichte der II .
Internationalen Konferenz der Versiche-rungsmathematiker und
Statistiker der Sozialen Sicherheit; IVSS, Rom 1959.
Internationales Arbeitsamt (BIT), Genf: Problèmes actuariels
résultant d'une adapta-tion systématique des prestations aux
fluctuations du niveau général des salaires et du coût de la vie,
BIT: CSSE/Act 3. 1964.
- Gemeinsam mit der Conferencia Interamericana de Seguridad
Social (CISS): El equilibrio fînanciero de la seguridad social
frente a las depreciaciones monetarias. Primer Seminario Americano
de Actuarios de Seguridad Social, Paraguay 1957 (veröffentlicht
durch CISS, Mexico 1957).
Zusammenfassung
Die Finanzierungsverfahren der Sozialen Sicherheit in einer
dynamischen Welt
An die Finanzierungsverfahren der obligatorischen Systeme der
Sozialen Sicherheit werden - mit besonderer Berücksichtigung der
Rentenversicherung - vier Forderun-gen gestellt:
- Äquivalenz der wahrscheinlichen zukünftigen Beitragseinnahmen
und der wahr-scheinlichen zukünftigen Ausgaben
(Äquivalenzgleichung).
- Bestehen einer offenen, zeitlich unbegrenzten
Risikogemeinschaft. - Konstanz der Beitragssätze während bestimmter
Deckungsperioden (eine solche kann
ein Jahr, mehrere Jahre oder auch unbeschränkte Zeit dauern). -
Gleichförmigkeit der Beitragssätze, d.h. ihre Unabhängigkeit von
individuellen
Risiken.
Innerhalb dieser Forderungen bieten sich verschiedene
Finanzierungsverfahren an, die in der Folge klassifiziert
werden.
Die dynamische Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg vollzieht
sich in meh-reren Richtungen: Steigender Preisindex und steigendes
Lohnniveau machen eine periodische Anpassung der Renten zur
Notwendigkeit; die Sterblichkeit nimmt ab und führt zu einer
demographischen Expansion; der Anwendungsbereich der Sozia-len
Sicherheit wird schrittweise ausgeweitet und hat die Tendenz, die
ganze Wohn-bevölkerung zu erfassen. Ausserdem ist eine, durch die
steigenden Kosten der Sozia-len Sicherheit bedingte, immer stärkere
Subventionierung durch die öffentliche Hand festzustellen. Dies
trägt zu einer sozial gerichteten Umverteilung der Einkommen bei.
Auf internationaler Ebene, auch in den Entwicklungsländern, ist die
Entwick- 75
-
lung durch eine rasche Ausdehnung der Systeme der Sozialen
Sicherheit gekennzeichnet. Die Gesamtheit dieser Entwicklungen
zwang zum Umdenken in der Frage der Finanzierung der Sozialen
Sicherheit und teilweise zur Aufgabe klassischer
Finanzie-rungsverfahren.
Das zur Verfügung stehende Instrumentarium, das die
mathematische Behand-lung dieser Phänomene erlaubt und sich an die
notwendig gewordenen dynamischen Hypothesen anpassen lässt, wird
angedeutet; allerdings ist zu beachten, dass die Ent-wicklung der
mathematischen Methoden noch nicht abgeschlossen ist. Zum Schluss
wird auf die Verantwortung und die veränderten Aufgaben
hingewiesen, die sich hier dem Mathematiker stellen.
Résumé
Les systèmes financiers de la sécurité sociale dans un monde
dynamique
Quatre exigences se posent à l'organisation financière des
systèmes obligatoires de sécurité sociale, plus spécialement si on
considère l'assurance de rentes; ce sont:
— Equivalence des recettes futures probables et des dépenses
futures probables (équa-tion d'équilibre).
— Existence d'une communauté de risques ouverte, illimitée dans
le temps. — Constance des taux de contribution pendant certaines
périodes de couverture (cel-
les-ci pouvant être d'une année, de plusieurs années ou encore
d'une durée illi-mitée).
— Uniformité des taux de contribution, c'est-à-dire leur
non-dépendance des risques individuels.
Dans les limites de ces exigences, différents systèmes
financiers sont possibles, qui sont classés dans la suite.
L'évolution dynamique amorcée après la Deuxième Guerre mondiale
se poursuit dans plusieurs directions. La hausse de l'indice des
prix et le niveau ascendant des salaires rendent nécessaire
l'adaptation périodique des rentes; la mortalité en diminu-tion
entraîne une expansion démographique; le champ d'application de la
sécurité sociale s'étend peu à peu et a tendance à englober
l'ensemble de la population rési-dente. On constate en outre un
subventionnement toujours plus substantiel par l'Etat, du fait des
charges croissantes de la sécurité sociale. Cela contribue à une
répartition socialement plus équitable des revenus. Sur le plan
international et même dans les pays en voie de développement,
l'évolution est caractérisée par une rapide extension des systèmes
de sécurité sociale. L'ensemble de ces évolutions a entraîné
l'obligation de repenser le problème du financement de la sécurité
sociale et, le cas échéant, de renoncer aux systèmes traditionnels
de financement.
L '« instrumentarium » à disposition, qui permet le traitement
mathématique de ces phénomènes et qui se laisse adapter aux
hypothèses dynamiques devenues néces-saires est brièvement exposé ;
il convient, à vrai dire, de souligner que l'évolution des méthodes
mathématiques est loin d'être achevée. Pour terminer, l'auteur
attire l'at-tention sur la responsabilité qui pèse sur le
mathématicien et sur les tâches modifiées
76 qui lui incombent dans ce domaine.
-
Summary
Methods of financing social security in a dynamic world
For the financing of a compulsory social security system,
particularly of a pension scheme, four requirements are set up ;
these are:
- A balance between probable future receipts and probable future
expenditure (equation of equilibrium).
- The existence of an open community of risks, unlimited in
time. - Invariability of the rates of contribution during certain
periods of coverage (these
can be of a year, several years or even an unlimited period). -
Uniformity of the rates of contribution, i.e. their independence on
individual risks.
Within the limits of these requirements, different methods of
financing are possible, which are subsequently classified. The
dynamic evolution after the World War II developed in several
directions. The increase in the price level and the rising level of
wages made necessary a periodic adjustment of pensions ; declining
mortality rates caused a demographic expansion; the field of
application of social security extends little by little and has a
tendency to cover the whole of the resident popu-lation. An ever
more substantial subsidy from the state is noted, because of the
growing costs of social security. This contributes to a socially
more equitable distribu-tion of income. At the international level
and even in developing countries, the evo-lution is characterised
by a rapid extension of social security systems. These
develop-ments have made it necessary to re-think the problem of
financing social security, and where necessary to renounce
traditional methods of financing. The l instrumentarium' available
is briefly explained, which permits the mathematical treatment of
these phenonema and which is adaptable to the dynamic hypotheses
which have become necessary; however it is emphasized that the
evolution of mathematical methods is far from being complete. The
author finishes by drawing attention to the respons-ability which
rests on the mathematician and to his modified tasks in this
field.
77