1 Die ersten Kolonistenfamilien der Esterhazyschen Neugründungen Saar und Boglar im Schildgebirge (Ungarn) Ein Beitrag zur donauschwäbischen Familien - und Sippenforschung sowie zur Wanderungsbewegung Von Anton Tafferner (München) Donauschwäbische Siedlungs und Familienforschung standen von Anfang an in enger Wechselbeziehung zueinander. Man wollte nämlich nicht nur erforschen, wann und von wem ein Dorf gegründet wurde, sondern auch die Namen der ersten Kolonisten, der eigentlichen Dorfgründer erfassen. In den meisten Fällen aber stellt in den Ansiedlungskontrakten nur der Name des Richters und der Geschworenen (Gemeinderäte) als Vertreter des neuen Gemeinwesens. Nur ganz selten sind darauf sämtliche Kolonisten angeführt. Die Masse der Dorfgründer, die einzelnen Familien, blieben unbekannt. Erst nach und nach, wie sich die Gemeinde festigte, traten die Namen im Rhythmus des Lebenslaufes, von der Geburt bis zum Tode, ins Licht. Das geschah im kirchlichen Bereich durch die Anlegung und Führung der Matrikeln. Von staatlicher bzw. herrschaftlicher Seite wurden von Zeit zu Zeit für Steuerzwecke Konskriptionen der Untertanen, d. h. der Bauern, durchgeführt. Die überragende Bedeutung der Matrikeln liegt in ihrer Kontinuität. Sie umfassen Jahrhunderte. Die Konskriptionen dagegen sind immer aus einer gewissen Notsituation heraus entstanden, nämlich um das Verhältnis zwischen Grundherrschaft und Gemeinde zu regeln bzw. neu zu ordnen. Die Konskriptionen führten nur den Haushaltvorstand an. Darin liegt ihr großer Nachteil für die Erfassung ganzer Familien oder Sippenzusammenhänge. Außer den Matrikeln und Konskriptionen gibt es noch eine dritte, nicht minder wichtige Quelle der Bevölkerungszusammenhänge und das sind die Beschreibungen des "See1enstandes" (conscriptiones statûs animarum), die aus einem besonderem Anlaß oder auf besonderen Befehl des Bischofs durchgeführt wurden. Im folgenden befasse ich mich mit den "Seelenbeschreibungen" zweier donauschwäbischer Gemeinden des SCHILDGEBIRGES, zwischen BUCHENWALD (nördlich des Plattensees) und OFNER BERGLAND gelegen. Das Schildgebirge ist der mittlere Teil des Südwestlichen Ungarischen Mittelgebirges zwischen Plattensee und Donauknie. Die neuzeitliche, also die donauschwäbische Besiedlung wurde ausschließlich durch Privatgrundherrschaften durchgeführt; sie beginnt bereits 1691, als Baron JOHANN VON HOCHBURG, die Herrschaft Csókakö (Dohlenstein) als königliche Donation erhielt. Die Wiederbesiedlung des Schildgebirges aber ist fast das alleinige Verdienst der Grafen ESTERHAZY mit dem Sitz in Totis (“Tottes", “Dotes" usw. ung. Tata). Graf JOSEPH ESTERHAZY VON GALANTHA erwarb 1727 vom Wiener Baron FRANZ JOSEPH VON KRAPFF die Herrschaft Totis und erhielt auch die königliche Donation darauf. Die ausgedehnten Besitzungen aber waren menschenleer. Als überzeugter Katholik
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Die ersten Kolonistenfamilien der Esterhazyschen ... · 2 und Förderer der katholischen Restauration ließ er die restlichen kalvinischen Madjaren z.T. an andere Orte transferieren
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Die ersten Kolonistenfamilien der EsterhazyschenNeugründungen Saar und Boglar im Schildgebirge (Ungarn)
Ein Beitrag zur donauschwäbischen Familien - und Sippenforschung
sowie zur Wanderungsbewegung
Von Anton Tafferner (München)
Donauschwäbische Siedlungs und Familienforschung standen von Anfang an in engerWechselbeziehung zueinander. Man wollte nämlich nicht nur erforschen, wann und von wemein Dorf gegründet wurde, sondern auch die Namen der ersten Kolonisten, der eigentlichenDorfgründer erfassen. In den meisten Fällen aber stellt in den Ansiedlungskontrakten nur derName des Richters und der Geschworenen (Gemeinderäte) als Vertreter des neuenGemeinwesens. Nur ganz selten sind darauf sämtliche Kolonisten angeführt. Die Masse derDorfgründer, die einzelnen Familien, blieben unbekannt.
Erst nach und nach, wie sich die Gemeinde festigte, traten die Namen im Rhythmus desLebenslaufes, von der Geburt bis zum Tode, ins Licht. Das geschah im kirchlichen Bereichdurch die Anlegung und Führung der Matrikeln. Von staatlicher bzw. herrschaftlicher Seitewurden von Zeit zu Zeit für Steuerzwecke Konskriptionen der Untertanen, d. h. der Bauern,durchgeführt.
Die überragende Bedeutung der Matrikeln liegt in ihrer Kontinuität. Sie umfassenJahrhunderte. Die Konskriptionen dagegen sind immer aus einer gewissen Notsituation herausentstanden, nämlich um das Verhältnis zwischen Grundherrschaft und Gemeinde zu regelnbzw. neu zu ordnen. Die Konskriptionen führten nur den Haushaltvorstand an. Darin liegt ihrgroßer Nachteil für die Erfassung ganzer Familien oder Sippenzusammenhänge.
Außer den Matrikeln und Konskriptionen gibt es noch eine dritte, nicht minder wichtigeQuelle der Bevölkerungszusammenhänge und das sind die Beschreibungen des"See1enstandes" (conscriptiones statûs animarum), die aus einem besonderem Anlaß oder aufbesonderen Befehl des Bischofs durchgeführt wurden. Im folgenden befasse ich mich mit den"Seelenbeschreibungen" zweier donauschwäbischer Gemeinden des SCHILDGEBIRGES,zwischen BUCHENWALD (nördlich des Plattensees) und OFNER BERGLAND gelegen.
Das Schildgebirge ist der mittlere Teil des Südwestlichen Ungarischen Mittelgebirgeszwischen Plattensee und Donauknie. Die neuzeitliche, also die donauschwäbische Besiedlungwurde ausschließlich durch Privatgrundherrschaften durchgeführt; sie beginnt bereits 1691,als Baron JOHANN VON HOCHBURG, die Herrschaft Csókakö (Dohlenstein) als königlicheDonation erhielt. Die Wiederbesiedlung des Schildgebirges aber ist fast das alleinigeVerdienst der Grafen ESTERHAZY mit dem Sitz in Totis (“Tottes", “Dotes" usw. ung. Tata).
Graf JOSEPH ESTERHAZY VON GALANTHA erwarb 1727 vom Wiener Baron FRANZJOSEPH VON KRAPFF die Herrschaft Totis und erhielt auch die königliche Donationdarauf. Die ausgedehnten Besitzungen aber waren menschenleer. Als überzeugter Katholik
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und Förderer der katholischen Restauration ließ er die restlichen kalvinischen Madjaren z.T.an andere Orte transferieren und all Ihre Stelle katholische Deutsche oder Slowaken setzen.Die deutschen Kolonisten standen bei allen ungarischen Grundherren hoch im Kurs. Umdeutsche Kolonisten aus dem Reich zu bekommen, ließ er seine Werber bis an den Rheinausströmen 1.
Noch waren die ersten Kolonistentransporte aus der Rhein- und Maingegend noch nichtangekommen, als der Graf seine öde Besitzung S a a r 2 1729 durch deutsche Siedler ausRothenburg (Vörösvár) im Ofner Bergland, das ebenfalls zu seinem Besitzkomplex gehörte,besiedeln ließ. In den theresianischen Urbarialakten heißt es ausdrücklich: Possessio Saar ...aestate anni 1729 impopulari coepta (est), d. h. also daß die Besiedlung Saars im Sommer1729 begann. Saar ist demnach eine Sekundärsiedlung Rothenburgs.
B o g 1 a r 3 und T a r j á n (Torjing) sind die zuletzt besiedelten Esterhazyschen Siedlungendes Schildgebirges. Boglar ist meine Geburts- und Heimatgemeinde. Ihr widmete ich meineDissertation 4. In dem siedlungsgeschichtlichen Teil (S. 8-41) befaßte ich mich ziemlichausführlich mit der Besiedlung der "Pußta Boglar" und setzte die Entstehung des Dorfes aufGrund der Kirchenarchivalien 1755-1760 fest. Auf Grund vieler Eintragungen in BanaterKirchenbüchern über Kolonisten, die sich zeitweilig in Boglar aufgehalten haben, d. h. vonhier nach dem Banat weiterwanderten, muß ich diese Jahre genau um ein Jahrfünftzurückschieben und die Entstehung Boglars 1750-1760 ansetzen. Über diese "Banatwanderer"des Schildgebirges werde ich an anderer Stelle in einem speziellen Aufsatz referieren.
Nun zu den zwei nachstehenden Seelen - Konskriptionen von Saar und Boglar. Aus welchemAnlaß mußten sie angelegt werden? Für B o g 1 a r kann die Frage eindeutig beantwortetwerden. Nachdem am 28. März 1760 mit Graf ESTERHAZY der Kontrakt geschlossenworden war, konstituierte sich 1761 die Pfarrei. Aber der Beweis einer geordneten Gemeindemußte durch einen "status animarum", einen Seelenstand erst erbracht werden. So schriebenes, wie mir scheint, die Kirchengesetze vor. Der vorliegende Seelenstand ist für das Jahr 1763gedacht, obwohl die Matrikeln bereits 1761 angelegt wurden. Im selben Jahr wurde derherrschaftliche Schafstall in ein geräumiges Pfarrhaus umgebaut. Auf der Innenseite des erstenTaufbuches ab 1761 stellt folgender Eintrag: "Anno Salutis Reparatae 1761 in PossessionemBoglar vocatus est primus parochus, nomine ABRAHAMUS REGULI". REGULI war zehnJahre lang Pfarrer von Boglar. Ihm verdanken wir die nachstehende Seelenbeschreibung.
Der Ansiedlungskontrakt von S a a r mit der Totiser Herrschaft kam ziemlich früh, nämlichschon 1732 zustande. 1735 war auch die Kirche erbaut, die jedoch im selben Jahr (oder etwasspäter) samt Pfarrhaus abbrannte. Die ersten Matrikeln wurden eingeäschert. Sie mußten vonPfarrer JOHANN LEBER, dem Verfasser der nachfolgenden Seelenbeschreibung, nochmalsangelegt werden. Boglar war in den ersten zehn Jahren seines Bestehens eine Filiale Saars 5.
Auch sonst bestanden sehr enge verwandtschaftliche Beziehungen zwischen beidenNachbarsgemeinden. Im Ansiedlungsvertrag 1760 wird auf Saar ausdrücklich Bezuggenommen.
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Zum besseren Verständnis der beiden Seelenbeschreibungen möchte ich kurz folgendesvorausschicken. Die Seelenbeschreibung von Saar: “Die Pfarrkinder des Dorfes Saar imWeißenburger Dekanat der heilspendenden Diözese Weißbrunn im Jahre 1746/47,zusammengeschrieben auf Befehl des Bischofs MARTIN BIRÓ" hat folgende Rubriken:
1: Laufende Zahl der Ehepaare;2: Namen der Ehepaare, ihrer Kinder und der ganzen Hausgemeinschaft;3: Ihr Alter;4: Ob beichtfähig?5: Ob gefirmt?6: Familienstand.
Die Seelenbeschreibung von Boglar umfaßt dagegen 15 Rubriken, und zwar:
1: Reihenfolge der Häuser oder der Familien;2: Familienstand der zusammengeschriebenen Seelen;3: Laufende Nummer der zusammengeschriebenen Seelen;4: Vor und Zunamen der katholischen Kolonisten, der Kolonisten verschiedener Konfession
und ebenso ihrer Kinder beiderlei Geschlechts sowie der ganzen Hausgemeinschaft;5: Zahl der katholischen Ehepaare;6: Zahl der Ehepaare verschiedener Konfession;7: Witwer und Witwen;8: Zahl der Kinder beiderlei Geschlechts;9: Alter der zusammengeschriebenen Seelen;10: Zahl der Beichtunfähigen;11: Zahl der Beichtfähigen;12: Zahl der Gefirmten;13: Coelibes et Puberes (Unverheiratete und Erwachsene);14; Konvertiten;15: Apostaten.
Die Rubriken 13 – 15 können wegbleiben, denn sie enthalten keine Zahlen bzw. Hinweise aufdie Fragestellung.
Die Handschrift der beiden Bände ist grundverschieden. Das Saarer Protokoll imVisitationsband ist in Minuskeln geschrieben und da die Handschrift durch die Ablichtungnoch mehr von ihrer Schärfe eingebüßt hat, ist sie nur mit der Lupe lesbar; der Boglarer Banddagegen kann bis auf einige Stellen bzw. Züge fließend gelesen werden. Die Schreibweise,Deutung etc. der einzelnen Familiennamen ist ein Kapitel für sich, worauf ich im Rahmendieses Aufsatzes nicht eingehen kann. Bemerken möchte ich jedoch, daß zwischen den Saarerund Boglarer Familiennamen ein deutlicher Zusammenhang besteht, d.h. daß einzelne SaarerFamilien zu den ersten Kolonisten Boglars gehören, und zwar 1) auf Grund derNachbarschaft und 2) der gleichen Familiennamen (HASENFRATZ, HERZIG, KÖGEL.,MALY, MACHER usw.).
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Viel wichtiger scheint mir zu sein, auf einige soziologische Aspekte in beidenSeelenbeschreibungen hinzuweisen. Trotz der kirchlichen Zweckbestimmung kann auch diedonauschwäbische Siedlungsgeschichte einige lehrreiche Erkenntnisse aus ihnen ziehen.
Der Bauer bzw. der Kolonist heißt in der Saarer Beschreibung an einigen Stellen ,hospes", inder Boglarer dagegen durchwegs "incola", d. h. dort ist der, Kolonist ein ,Gast", hier ein”Einwohner”. Beide Bezeichnungen drücken jedoch, keinen Wertunterschied aus. Sie sind nurein terminus technicus.Auffallend in beiden Beschreibungen ist die fast reine oder 99 % ige Bauernstruktur beiderDörfer. Es gibt in Saar nur zwölf "inquilini" (Kleinhäusler), in Boglar dagegen nur eine"inquilina" (Kleinhäuslerin) (s. Nr. 71). Der verhältnismäßig hohe Anteil der Dienstboten, der"servi" bzw. "famuli" (Knechte) und "ancillae" (Mägde) ist eine logische Folge derBauernstruktur beider Dörfer. In Saar liegt ihre Zahl fast dreimal so hoch wie in Boglar,nämlich dort sind es 58, hier 22. In Saar halten sich Knechte und Mägde mit 29 : 29 genau dieWaage; in Boglar steht dieses Verhältnis 16 : 6. Das Alter der Knechte in Saar reicht vorn 12.bis zum 28. Lebensjahr, das der Mägde vom 9. bis zum 20. Lebensjahr. Ein 55 jährigerKnecht bildet eine Ausnahme. In Boglar zählt der jüngste "Knecht" sieben (!) Lenze, derälteste 33. Auch in Boglar bildet ein 55 jähriger Knecht nur eine einsame Spitze. Unter denMägden ist die jüngste erst acht, die älteste aber 40 Jahre alt. Es ist dabei merkwürdig zubeobachten, daß sich in Boglar unter Hausnummer 49 fünf Knechte befinden. Was mag dieErklärung dafür sein?Allein Anschein nach haben sich diese Nachzügler in diesem Hause zu einerHausgemeinschaft zusammengefunden und gingen zu den Bauern arbeiten. Dienstboten imschulpflichtigen Alter konnten selbstverständlich nur als Hüterbuben bzw. Hütermädchenverwendet werden.
Das Fehlen der Handwerker in beiden Seelenbeschreibungen beweist natürlich nicht, daß essolche, z.B. Schmiede, Wagner und Schuster, nicht gegeben hat. Das ist unvorstellbar. AuchHebammen waren vorhanden. Hier liegt offensichtlich eine Nachlässigkeit der Konskriptorenvor.
Alleinstehende Personen: Witwer und Witwen gibt es kaum. Dieser Umstand erhärtet dieTatsache, daß Alleinstehende kaum die Aussicht hatten und auch nicht. das Wagnis auf sichnehmen konnten, den weiten Weg ins 'Hungarland" anzutreten. Diesen Weg konnten nurjunge, verheiratete Ehepaare im Fanillienverband wagen. Der Kinderreichtum einigerFamilien sowohl in Saar, als auch in Boglar ist auffallend. Die Zusammensetzung derFamilien- und Hausgemeinschaften in beiden Dörfern soll folgende Zusammenstellungverdeutlichen.
S a a r / B o g l a rH a u s g e m e i n s c h a f t
7 Personen 15 bzw. 118 Personen 10 bzw. 49 Personen 2 bzw. 110 Personen 1 bzw. 112 Personen - bzw. 113 Personen 1 bzw. -
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In Saar lebten 29 Personen in einer “Großfamilie", in Boglar dagegen nur 18, wohl darum,weil es eine jüngere Siedlung war.
In Saar waren nur 37 Personen über 45 Jahre alt, in Boglar 53. Eine Erklärung dafür gibt esnicht.
Trotzdem muß die Wohndichte in beiden Dörfern im allgemeinen als beängstigend, diesogenannte Alterspyramide aber als gesund angesehen werden.
Die Zahlen über die religiöse Situation sind eigenartig und nicht ohne weiteres zu deuten : Esgibt insbesondere in Saar eine große Anzahl von Nichtgefirmten. Das soll folgende Übersichtveranschaulichen.
Nichtgefirmte Erwachsene in Saar: 52 in Boglar nur 29
Dabei wäre zu bedenken, daß sowohl dem Protokollanten der Saarer Visitation als auch demPfarrer von Boglar einige Irrtümer unterlaufen sind: So soll in Saar (Nr. 64) bereits einNeunjähriger gefirmt und ein Zehnjähriger, Ungetaufter aber gefirmt worden sein (Nr. 69). InBoglar (Nr. 9) ließ der Pfarrer eine Vierjährige firmen und eine 22 jährige Mutter soll eine 16jährige Tochter gehabt haben (Nr. 14).
Laut Ansiedlungsplan der Totiser Herrschaft war die "Pußta Boglar" für 150 Hausplätzebestimmt, nämlich für 100 Bauernsessionen und 50 Kleinhäuslerplätze 6. “Eine fürprivatherrschaftliche Verhältnisse ungewöhnlich große Anlage", schrieb SCHÜNEMANN ineinem Brief vom 22. März 1936 an mich 7 . Es wurden aber nur 72 Halbsessionen ausgeteilt
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und die ausgezeichneten 61 Kleinhäuslerplätze blieben zunächst unbesetzt, wie die obigeSeelenzusammenschreibung beweist. Kurzum, es mangelte an Kolonisten. Die Lückenkonnten nur nach und nach ausgefüllt werden, erschwert durch den besonderen Umstand, daßdie überwiegende Mehrheit der ersten Kolonisten nicht an Ort und Stelle verblieb, sondern indie südlichen Regionen, vor allem aber ins Banat weiterzog.
Ein Vergleich der folgenden Seelenbeschreibungen bzw. Namenslisten mit späterenZusammenschreibungen bis zum Jahre 1828, der letzten Landeskonskription vor 1848,beweist das große Fluktuieren der Kolonisten im donauschwäbischen Siedlungsraum.
Die Gründe für die Weiterwanderung können im Grunde genommen von zweierlei Art sein:1) Unzufriedenheit mit den Bedingungen der Esterhazyschen Herrschaft in Totis und2) Verwandtschaftliche Beziehungen.
Für Punkt 1 fand ich im bekannten Ortsnamenverzeichnis Friedrich Pestys vom Jahre 1864einen deutlichen Hinweis. Unter Punkt 6 des genannten Verzeichnisses heißt es nämlich, daßdie ersten Kolonisten von Boglar den Rodungsarbeiten nicht gewachsen waren und darum ihrebereits fertigen Häuser über Nacht und Nebel “im Stich gelassen" hätten. Die nach dem ErstenWeltkrieg und besonders seit einigen Jahren wieder einsetzende donauschwäbischeFamilienforschung brachte ihre Namen z.T. zutage. Zu Punkt 2 wäre nur soviel zu bemerken,daß das Zusammenrücken von nachziehenden Verwandten und Bekannten aus menschlichenGründen verständlich ist.
Fußnoten:
1 Mit der deutschen Besiedlung des Schildgebirges werde ich mich in einer gesonderten Arbeitbefassen und darum an dieser Stelle aus Raumgründen auf weitere Ausführungen verzichten.
2 In den Urkunden und Lexika kommt der Ort allgemein in dieser deutschen Form vor. Auf derGeneralkarte 1795 (projiziert in der Vorhalle des Hauses der Donauschwaben in Salzburg) von F. A.SCHRAEMBL steht jedoch “Schaar".
3 Die Gemeinde hieß bis 1886 nur so. Seitdem heißt sie amtlich Vértesboglár (Boglar imSchildgebirge) zum Unterschied von Balatonboglár ( Boglar am Plattensee).
4 Vértesboglár. Egy hazai német település leirása. (Boglar im Schildgebirge. Beschreibung einerdeutschen Siedlung in Ungarn). Budapest (Ofenpest) 1940. 205 Seiten.
5 Die beiden Gemeinden gehörten bis 1777 zur Weißbrunner Diözese. Im nämlichen Jahr wurde ausder Weißbrunner Diözese die Stuhlweißenburger Diözese errichtet, der sie seitdem angehören, Derneueste “Schematismus venerabilis cleri almae dioecesis Albaregalensis anno Domini 1967"(Stuhlweißenburg 1967) in ungarischer Sprache bringt auch eine kurze Pfarrgeschichte. Die Angabenüber Szár (S. 79) stimmen mit obigen Ausführungen überein; die Ansiedlung Boglars (S. 45) wirdjedoch fälschlich bereits in die 1740er Jahre verlegt.
6 KONRAD SCHÜNEMANN: Österreichs Bevölkerungspolitik unter Maria Theresia. Berlin (1935),Seite 222.
7 Boglar im Schildgebirge. Beschreibung einer deutschen Siedlung in Ungarn. Seite 18.
Die ersten Kolonistenfamilien in Saar und Boglarvon Anton Tafferner (München)
Parochiani Possessionis Saar in Districtu Albensi Almae DioecesisWesprimiensis anno 1746 / 47 ad Mandatum Episcopi Martini Biró Conscripti *8
1 2 3 4 5 6Numerus Conjugati eorumque Proles Anni Con- Con- Status
Conjugatorurn et Tota Familia Dornestica eorum fessi firmati Familiaris
1 Augustinus Maal 34 conf. conf. -uxor ejus Elisabetha 30 conf. conf. -filius Georgius 6 - - -filia Maria Anna 1 - - -famulus Christianus Brendner 18 conf. conf. puberancillae Catharina Schubeyerin 17 conf. conf. puberSusanna Huberin 15 conf. - puber
84 inquilinus Georgius Huber 45 conf. conf. viduusfilia Anna Maria 10 conf. - -Joannes Freß 30 conf. conf. -uxor ejus Anna Maria 25 conf. -filius Georgius
85 Thomas Hinderstein 45 conf. conf. -uxor ejus Eva Margaretha 42 conf. conf. -filius Georgius 15 conf. - -filiae Barbara 15 conf. conf. puber (!)Magdalena 11 conf. - -
86 inquilinus Adarnus Wolmrad 29 conf. conf. -uxor ejus Catharina 24 conf. - -filius Simon 3 - - -
101 Michael Brauneck 30 conf. conf. -uxor ejus Catharina 26 conf. conf. -filius Georgius 4 - - -
102 Henricus Sintz 28 conf. conf. -filius ejus Maria Anna 24 conf. conf. -filius Gregorius 1 - - -famulus Michael Krens 28 conf. conf. -
Catholicorum Conjugatorum paria 102Disparis Religionis Conjugatorum paria ...Confessionis Capaces 370Confessionis non Capaces 129Confirmatorum Numerus 280Puberum et Coelibum Numerus 68Impuberurn et Incoelibum Numerus 206Viduorurn Numerus 5Viduarum Nurnerus 5Convertitarum Numerus ...Apostataruin Numerus ...Calvinistarum Nurnerus ...Lutheranorum Nurnerus ...Schismaticorum Nuinerus ...
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Der Nachteil beider Seelenbeschreibungen, sowohl in Saar als auch in Boglar, besteht darin,daß die Familiennamen der verheirateten Frauen fehlen. Man kann jedoch in einigen Fällendarauf schließen (Nr. 5: geb. Fux(in); 22: geb. Scholl; 49: geb. Jungbluth(in) usw.)."Coelebs«und "puber" werden für den Familienstand willkürlichgebraucht.
*8 Faksimile-Band der Visitationes Canonicae Dioecesis Vesprimienis, tomus 1, in derBibliothek des Gerhardswerkes in Stuttgart. Folio 13-26.
Seelenbeschreibung von Saar Seite 11 von 11
Die ersten Kolonistenfamilien in Saar und Boglarvon Anton Tafferner (München)
Status animarum Parochiae Boglariensis anno 1761. neo-erectaepro anno 1763. á primo parocho Adamo Reguli confectus * 9
1. Series donorum seu familiarum2. Status animarum conscriptarum3. Numerus currens animarum conscriptarum4. In Parochia Matre
Boglariensi nomina etcognomina hospitumcatholicorum, disparisreligionis, item prolesutriusque sexûs totiusquefamiliae domesticae
Summa totius Statûs animarum in parochia Boglariensi:Catholicorum Conjugatorum paria 90Disparis Religionis Conjugaterum paria ----Confessionis Capaces 209Confessionis non Capaces 138Confirtnatorum Numerus 250Proles utriusque sexüs 238Viduorum Nunierus ----Viduarum Nurnerus 7Servorum Numerus 16Ancillarum Numerus 6Coelibum et Puberum Numerus: vide numerum prolium! ----Conversorum Numerus ----Apostatarum Numerus ----
Numerus animarum in Parochia Boglariensi existentium 451
Die beiden Gemeinden hielten sich sowohl in bezug auf ihre Bevölkerungs als auch Seelenzahlfast die Waage. Sie wurden in geometrischer Form angelegt. Saar hatte eine Bauerngasseund zwei Kleinhäuslergassen. Boglar zwei Bauerngassen (davon die eine allerdings nur miteiner Häuserreihe) und ebenfalls zwei Kleinhäuslergassen.
( * 9 Seelenstand der im Jahre 1761 neuerrichteten Pfarrei Boglar für das Jahr 1763, erstelltvom ersten Pfarrer Adam Reguli." Konskriptionsband in Foliogröße im Archivschrank derPfarrei, der noch weitere ähnliche Zusammenschreibungen bis zum Ende des 19. Jahrhundertsenthält.