238 recht 2010 Heft 6 Hans-Ueli Vogt/Thomas Enderli Die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen und die Anordnung einer «anderen sachge- mässen Lösung» (Art. 736 Ziff. 4 OR) Bemerkungen aus Anlass von BGE 136 III 278 ff. 1 Nach Art. 736 Ziff. 4 OR können Aktionäre, die zusammen mindestens zehn Prozent des Aktienkapitals vertreten, vom Richter die Auflösung der Gesellschaft aus wichtigen Gründen verlangen. Der Richter kann statt der Auflösung eine «andere sachgemässe Lösung» anordnen. In BGE 136 III 278 ff. macht das Bundesgericht deutlich, dass in der Aktiengesellschaft die Mehrheit das Sagen hat und dieses Fun- damentalprinzip nur in schweren Fällen eines Machtmissbrauchs und wenn keine weniger weitgehende Massnahme in Frage kommt ausnahmsweise nicht gilt. Mit dieser Begründung weist das Gericht in casu die Auflösungsklage ab. Es äussert sich jedoch nicht dazu, welche Bedeutung die «anderen sachgemäs- sen Lösungen» haben, wenn es an wichtigen Gründen für eine Auflösung fehlt, und demzufolge auch nicht zur Frage, wie in prozessualer Hinsicht eine «andere sachgemässe Lösung» überhaupt ins Spiel kommt. Diesen Fragen geht der vorliegende Beitrag nach. Inhaltsübersicht 1 I. Sachverhalt II. Erwägungen und Entscheid des Bundesgerichts 1. Tatsache, dass keine Dividenden ausgerichtet werden 2. Auflösung aus wichtigen Gründen 2.1Überprüfung von Ermessensentscheiden durch das Bundesgericht 2.2Voraussetzungen einer Auflösung aus wichtigen Gründen 2.3Beurteilung im vorliegenden Fall III. Bemerkungen 1. Grundsätzliches zur Auflösung einer Aktiengesell- schaft aus wichtigen Gründen 1.1 Zweck von Art. 736 Ziff. 4 OR 1.2 Die «wichtigen Gründe» 1.3 Die «andere sachgemässe Lösung» 1.4 Zusammenhang zwischenTatbestand und Rechtsfolge in Art. 736 Ziff. 4 OR 2. Die «andere sachgemässe Lösung» aus der Sicht der Rechtsanwendung durch das Gericht und des Prozessrechts 2.1Das Rechtsfolgeermessen des Gerichts 2.2Der Anspruch des Klägers auf Anordnung einer «anderen sachgemässen Lösung» 2.3Die Anordnung einer «anderen sachgemässen Lösung» durch das Gericht 3. Subsidiarität der Auflösungsklage gegenüber ande- ren Rechtsbehelfen 3.1Ausgangslage und Grundsatz 3.2Verhältnis zur Anfechtungsklage 3.3Verhältnis zur Klage auf Auskunft und Einsicht Dr. Hans-Ueli Vogt, LL.M., MBA, ao. Professor für Handels-, Wirt- schafts- und Immaterialgüterrecht an der Universität Zürich, Rechts- anwalt (Homburger, Zürich); lic. iur.Thomas Enderli, Assistent am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hans-UeliVogt. 1 Urteil 4A_475/2009 vom 5. März 2010. I. Sachverhalt DieY. SA ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Genf. Ihr Zweck besteht unter anderem in der Vermie- tung und Verwaltung von Liegenschaften sowie im Betrieb von Hotels. Das Aktienkapital der Y. SA ist eingeteilt in 100 Namenaktien à Fr. 1000.–. Aktio- näre sind die X. und ihr Neffe A. mit einer Beteili- gung von je 32% sowie B., der 36% der Aktien be- sitzt. A. ist alleiniges Verwaltungsratsmitglied. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens ist gut. Die Y. SA ist zahlungsfähig und wies in den Ge- schäftsjahren 2005–2007 Gewinne aus. Die Summe der Eigenmittel steigt stetig an. 2 Seit mehreren Jahren besteht zwischen der X. und A. ein Streit, welcher Anlass zu zahlreichen Prozessen gegeben hat. Die X. beschuldigte dabei den A., den B. zu seinen Gunsten zu manipulieren und sie so systematisch in die Minderheit zu ver- setzen. 3 X. hat verschiedentlich Generalversammlungs- beschlüsse derY. SA angefochten. Ein Beschluss der Generalversammlung vom 29. November 2002 wurde aufgehoben, und verschiedene Beschlüsse der Generalversammlung vom 14. November 2003 wurden auf Klage der X. hin für nichtig erklärt. Hin- gegen war die Anfechtung weiterer Beschlüsse vom 14. November 2003 und von Beschlüssen der Generalversammlung vom 22. November 2004 er- folglos. Auf eine Klage gegen einen Beschluss vom 26. August 2005 trat das Gericht nicht ein. Und die Beschlüsse der Jahre 2006 und 2007 hat X. nicht 2 Urteil 4A_475/2009, A. 3 Siehe im Einzelnen das Urteil 4A_475/2009, A.
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recht 2010 Heft6
Hans-Ueli Vogt/Thomas Enderli
Die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen und die Anordnung einer «anderen sachge-mässen Lösung» (Art. 736 Ziff. 4 OR)Bemerkungen aus Anlass von BGE 136 III 278 ff.1
Nach Art. 736 Ziff. 4 OR können Aktionäre, die zusammen mindestens zehn Prozent des Aktienkapitals vertreten, vom Richter die Auflösung der Gesellschaft aus wichtigen Gründen verlangen. Der Richter kann statt der Auflösung eine «andere sachgemässe Lösung» anordnen. In BGE 136 III 278 ff. macht das Bundesgericht deutlich, dass in der Aktiengesellschaft die Mehrheit das Sagen hat und dieses Fun-damentalprinzip nur in schweren Fällen eines Machtmissbrauchs und wenn keine weniger weitgehende Massnahme in Frage kommt ausnahmsweise nicht gilt. Mit dieser Begründung weist das Gericht in casu die Auflösungsklage ab. Es äussert sich jedoch nicht dazu, welche Bedeutung die «anderen sachgemäs-sen Lösungen» haben, wenn es an wichtigen Gründen für eine Auflösung fehlt, und demzufolge auch nicht zur Frage, wie in prozessualer Hinsicht eine «andere sachgemässe Lösung» überhaupt ins Spiel kommt. Diesen Fragen geht der vorliegende Beitrag nach.
Inhaltsübersicht1
I. Sachverhalt
II. ErwägungenundEntscheiddesBundesgerichts1. Tatsache,dasskeineDividendenausgerichtet
2.2 Voraussetzungen einer Auflösung aus wichtigen Gründen
InderAktiengesellschaftwerdendiewichtigstenEntscheidungendurchdieGeneralversammlungnachdemMehrheitsprinzip gefasst,dasgeradebei Meinungsverschiedenheiten und KonfliktenzwischendenAktionärendenAusschlaggibt.DassKonfliktevonDauersindodersichwiederholen,rechtfertigtgrundsätzlichkeineAuflösungderGe-sellschaft,denndieMinderheitmusssichdengül-tiggefasstenEntscheidungenderMehrheitunter-werfen.DasRechteinerAktionärsminderheit,auswichtigenGründendieAuflösungderGesellschaftzuverlangen,solldemMehrheitsprinzipetwasvonseinerStrengenehmen.WenndieAnwendungdesMehrheitsprinzipszueinerunerträglichenSituationineinerGesellschaftführt,solldieGesellschaft–
1. Tatsache, dass keine Dividenden ausge-richtet werden
DasKantonsgerichthattedasArgument,esseieninderGesellschaftseitmehrerenJahrenkeineDi-videndenmehrausgerichtetworden,nichtberück-sichtigt,weildieentsprechendenTatsachennachkantonalemRechtzu spät geltend gemachtwor-denwaren.8DasBundesgerichtschütztdiesenStandpunktimRahmenseinerWillkürprüfung.ImKantonGenfmüssendieParteiennachArt.126der Zivilprozessordnung9 Tatsachen im erstenSchriftenwechselvorderBeweisaufnahmevorbrin-genbzw.bestreiten.10DashatteX.versäumt,ob-schonsieumdieNichtausschüttungvonDividen-denschonzuBeginndesProzesseswusste. Ihr
als ultima ratio –aufgelöstwerden;dies imWe-sentlichendann,wenndieMehrheitsystematischentgegendenGesellschaftsinteressenoderdenRechtenundlegitimenInteressenderMinderheits-aktionärehandelt.15
Alstypische Umstände,diezueinerAuflösungauswichtigenGründenführenkönnen,nenntdasGerichtinersterLiniedassystematischeAusnüt-zenderMehrheitsmachtentgegendenInteressenderGesellschaftoderdenRechtenundlegitimenInteressenderMinderheitsaktionäre,sodannFällederMisswirtschaft,diewiederholteVerletzungderRechtevonMinderheitsaktionären,dieVereitelungdesGesellschaftszwecks,dieVerfolgungvonZie-len, die vom Gesellschaftszweck nicht gedecktsind,eineSituationderBlockierungderOrganeodereinefinanzielleAushöhlungderGesellschaft.19
2.3 Beurteilung im vorliegenden Fall
DasBundesgerichtweistdieBeschwerdederX.abundstellt fest,dassdieVoraussetzungenfüreine Auflösung der Gesellschaft aus wichtigenGründennichterfülltsind.X.hatzwardieAufhe-bungbzw.NichtigerklärungverschiedenerGene-ralversammlungsbeschlüssedurchentsprechendeKlageerwirkt,sieistjedochspätermitverschiede-nenKlagenunterlegenundhatesauchunterlas-
sen,dieGeneralversammlungsbeschlüssederletz-tenJahreanzufechtenundihrRechtaufAuskunftgerichtlichdurchzusetzen (wobeieineVerletzungdiesesRechtsnichtbewiesenwar).AusderNicht-anfechtungunddernichterfolgreichenAnfechtungverschiedenerGeneralversammlungsbeschlüssefolgertdasBundesgericht,dasssichnichtsagenlässt,dieMehrheithabemitNachdruckdasZielverfolgt,dieRechtederMinderheitsaktionärezuverletzen.Auchdiezahlreichenzivil-undstrafrecht-lichenVerfahrenzwischenX.undA.bzw.vonih-nen beherrschten juristischen Personen lassenkeineSchlüsseaufallfälligeVerletzungenvonAk-tionärsrechtenzu.DieBehauptungderX.,B.seidurchA.manipuliertwordenundzumZeitpunktderGeneralversammlungennichturteilsfähigge-wesen,istnichtbewiesenunddasdarausabgelei-teteArgumentnichtstichhaltig,weilB.jeweilsent-sprechendseineneigenenInteressenabgestimmthat.20
Zudem ist nicht bewiesen, dass die Y. SAschlechtgeführtwäre–wasineinerkapitalbezo-genenGesellschaftundangesichtsderdamitfürdieBeurteilungvorrangigen finanziellenAspektewesentlichist.DieY.SAerwirtschaftetjedesJahrGewinne, ihrVermögenwächstunddieGesell-schaftkommt ihrenverschiedenenZahlungsver-pflichtungennach.DiefinanziellenInteressenderX.sindsomitnichtgefährdet.21
PunktuelleRechtsverletzungenkannX.mittelsder für solche Fälle zur Verfügung stehendenRechtsbehelfegeltendmachen.DieBeteiligungs-verhältnissesindzudemnichtdergestalt,dassdieKonfliktezwischendenAktionärenzueinerPattsi-tuationunddamiteinerLähmungderGeschäfts-führungführenwürden.22
essenzubestimmen,zubewertenunddannge-geneinanderabzuwägen.29ImVordergrundstehendasInteressederMinderheitsaktionäreamSchutzvorMachtmissbrauchunddasInteressederGe-sellschaft bzw. derAktionärsmehrheit am Fort-bestandderGesellschaft.30Die InteressendesKollektivssinddabeinichtgenerelldemIndividual-interessederMinderheitvorzuziehen,sondernihmimAusgangspunktgleichwertig;einquantitativesElementderInteressenabwägungistmitdemBe-teiligungsquorumvonzehnProzentdesAktienka-pitalsbereitsberücksichtigt.31Eskanndarum–aberauchschonaufgrunddesZwecksdesMinderhei-tenschutzesschlechthin–beiderInteressenabwä-gungnichtdaraufankommen,dassdieMehrheitderAktionäre(natürlicherweise)denFortbestandderGesellschaftwill.32
AuchbeiBilligkeitsentscheidensinddie inei-nem bestimmten Rechtsgebiet massgeblichen Grundprinzipien und Wertungen zuberücksichti-gen.Ausihnenergibtsich,welcheInteressenrecht-lichgeschütztundwiesiegegebenenfallszuge-wichtensind.DieBedeutungderaktienrechtlichenGrundprinzipienundWertungenzeigtsichzumei-nen daran, dass als wichtige Gründe, die eineAuflösungderGesellschaftodereine«anderesach-gemässeLösung»rechtfertigenkönnen,haupt-sächlichsachliche GründeinFragekommen,unddas sind in einer Aktiengesellschaft vor allemGründe,diesichaufdievermögensmässigeStel-lungderAktionäreunddiefinanzielleSituationderGesellschaftbeziehen.35DasistimLichtedervorn
29Wilfried Bertsch,DieAuflösungderAktiengesellschaftauswich-tigenGründen,Diss.Zürich1947,98. 30BGE105II114E.6aundb,S.124f. 31BGE105II114E.7c,S.128f. 32AndersaberBGE136III278E.2.2.4,S.282. 33BGE136III278E.2.2.2,S.280. 34Hans Caspar von der Crone,LösungvonPattsituationenbeiZweimanngesellschaften,SJZ1993 37ff.,41. 35SieheetwaBGE136 III278E.2.2.2,S.280;67 II162E.b,S. 164f.Stattvon«sachlichen»würdemanbesservon«sachbezo-genen»Gründensprechen,dennauchdie«persönlichen»Gründe,umderenAusschlussesgeht,müssen,umrechtlichmassgeblichzusein,«sachlich»,beiobjektiverBetrachtungrelevantsein.
III. Bemerkungen
1. Grundsätzliches zur Auflösung einer Aktiengesellschaft aus wichtigen Gründen
DerHauptzweckdieserBestimmung ist derSchutz einer qualifizierten Aktionärsminderheit vor schwerem Machtmissbrauch durch die Aktionärs-mehrheit.25MitderAuflösungsklagewilldieMin-derheitdenMachtmissbrauchmittelsgerichtlicherAnordnungderBeendigungderGesellschaftstop-pen. Das sonst imAktienrecht vorherrschendeMehrheitsprinzip wird gegebenenfalls um denPreisdesFortbestandesderGesellschaftausserKraftgesetzt.26
EineAuflösungsklagewirdnurgutgeheissen(undeine«anderesachgemässeLösung»nurangeord-net),wenn«wichtigeGründe»vorliegen.DabeihandeltessichumeinenunbestimmtenRechts-begriff.GemässArt.4ZGBmussdasGerichtinei-nemsolchenFallnach«Recht und Billigkeit»ent-scheiden.EsmussaufalleUmständedesEinzelfallsabstellen,dieausobjektiverSicht relevantsind,mögensieauchnichtunbedingttypischsein.27
25BGE105II114E.6b,S.125;Böckli(Fn.13),§16N191;Philipp Habegger,DieAuflösungderAktiengesellschaftauswichtigenGrün-den,Diss.Zürich1996,S.10f.;Christoph Stäubli,in:Heinrich Hon-sell/Nedim Peter Vogt/Rolf Watter(Hrsg.),BaslerKommentarzumObligationenrechtII,3.Aufl.,Basel2008,Art.736ORN17. 26Wolfhart F. Bürgi,ZürcherKommentar,DieAktiengesellschaft,Art.698–738OR,Zürich1969,Art.736ORN 39. 27Arthur Meier-Hayoz,BernerKommentar,EinleitungundPerso-nenrecht,Art.1und4ZGB,Bern1966,Art.4ZGBN46. 28Meier-Hayoz,BernerKommentar,Art.4ZGBN47;siehehierzuundzumFolgendenauchLukas Beeler/Hans Caspar von der Crone,AuflösungsklagenachArt.736Abs.4OR,SZW2010329ff.,332f.
a. Voraussetzungeneiner«anderensachge-mässenLösung»
DerRichterkanndieAuflösungsklagenichtnurgut-heissenoderabweisen,sondernstattdessenauchauf eine «anderesachgemässeunddenBeteilig-tenzumutbareLösung» erkennen(Art.736Ziff.4OR).DasBundesgerichtsprichtdieseMöglichkeitimvorliegendenUrteilinzweiZusammenhängenan:zumeinenausdrücklich, indemesdie inderLehrevertreteneAuffassungreferiert,wonachderRichterimFalleinerwiederholtenWeigerungderGesellschaft,eineDividendeauszurichten,eineVer-fügunggegenüberderGesellschaftaussprechenkann,43zumandern implizit,wennesbeiseinerÜberprüfungderErmessensentscheidungderVor-instanzdaraufhinweist,dassA.derX.angebotenhabe,ihrdieAktienabzukaufenundihrsodenAus-stiegzuermöglichen.44EineAuseinandersetzungmitderBedeutungder«anderensachgemässenLösung»imKontexteinerAuflösungsklagebietetdasBundesgerichtjedochnicht.
Eine«anderesachgemässeLösung»setztvor-aus,dassauchmitihrdieInteressenderklagen-denMinderheitsaktionäreinausreichendemMassgeschütztwerden, auchwenndieGesellschaftnichtaufgelöstwird.DieAlternativlösungmussge-eignetsein,denkonkretbeanstandetenMacht-missbrauchderMehrheitsaktionärezubeendenund die Minderheitsaktionäre entsprechend zuschützen. In diesem Sinn muss die Alternativ-lösungsachgemässsein.45
Die«anderesachgemässeLösung»mussfürdieBeteiligtenzumutbarsein.Zumutbarkeitbe-deutetVerhältnismässigkeit,beurteiltausderOp-tikderübrigenAktionäreundderGesellschaft.Zu-mutbar ist eine Alternativlösung, wenn ihreAuswirkungenaufdieInteressenderübrigenAk-tionäreundderGesellschaftineinemangemesse-nenVerhältniszumInteressederMinderheitsakti-onäreamSchutzvordemMachtmissbrauchdurchdieMehrheitstehen.
ten der Rechtsgestaltung setzen indessen diezwingendenaktienrechtlichenVorschriftenderrich-terlichenGestaltungsautonomieGrenzen.
ImvorliegendenFallkamderSuchenacheiner«anderensachgemässenLösung»imRahmendesbundesgerichtlichenVerfahrensunteranderemdes-wegenkeineentscheidendeBedeutungzu,weilder(ansichzutreffende)Vorwurf,dieY.SAhabeschonseitmehrerenJahrenkeineDividendemehrausge-richtet,imProzesszuspätvorgebrachtwordenwarundweilverschiedeneandereVorwürfederX.ge-genüberA.sichalsnichtbewieseneBehauptungenherausstellten.52UnterstelltmandieRichtigkeitderBehauptungenvonX.,sowärealseine«anderesachgemässeLösung»eineAnordnung des Ge-richts betreffend die GewinnverwendunginFragegekommen,nachdemX.sichüberdieNichtaus-schüttungvonDividendenbeklagte.
WeiterwäreimPrinzipauchdieAnordnungei-nes Rückkaufs der AktienderX.durchdieGesell-schaft,dieY.SA,inFragegekommen.DamitwärejedochdieObergrenzebetreffendeigeneAktien(Art.659Abs.1OR)deutlichüberschrittenworden.AuchwennsienurdenCharaktereinerOrdnungsvor-schrifthat,53darfeinGerichtbeiseinerUmgestal-tungaktienrechtlicherVerhältnissedieeinschlägigenRegelnnichteinfachmissachten;die20-Prozent-GrenzegemässArt.659Abs.2OR(Übernahmeei-generAktienimZusammenhangmiteinerVinkulie-rung)zeigtwohldasÄusserstean,wasangeordnetwerdenkann.54ImvorliegendenFallkommthinzu,dassX.ein(offenbarangemessenes)KaufangebotvonB.abgelehnthat;55einegerichtlicheAnordnungdesRückkaufsdurchdieGesellschaftwürdedemWillenderX.widersprechen.56
Zu erwägen gewesen wäre angesichts derSchrankebetreffendeigeneAktieneinAusschei-denimRahmeneiner Kapitalherabsetzung imUm-fangderBeteiligungvonX.(oderineinemgerin-geren, ebenfalls ausreichenden Umfang). EineverbindlicheSchranke,diedasGerichtbeieinerentsprechendenAnordnung zubeachtenhätte,stellendieVorschriftenvonArt.732ff.ORdar.
X.hättetheoretischauchdadurchausderGe-sellschaftausscheidenkönnen,dassB.ihreAktienübernimmt (Übernahme der Aktien durch andere Aktionäre).MiteinerentsprechendengerichtlichenAnordnungwürdejedochderWillederX.missach-tet.57 Vor allem aber stösst eine Übernahme-
52SiehevornII.2.3. 53Christian Lenz/Andreas von Planta, in:Heinrich Honsell/Nedim Peter Vogt/Watter (Hrsg.),BaslerKommentarzumObligationen-rechtII,3.Aufl.,Basel2008,Art.659ORN11. 54SieheauchLukas Handschin,AuflösungderAktiengesellschaftauswichtigemGrundundanderesachgemässeLösungen,SZW199343ff.,45. 55BGE136III278E.2.2.4,S.282. 56SiehezudiesemGesichtspunktauchhintenIII.2.3. 57SiehezudiesemGesichtspunktauchhintenIII.2.3.
DieAuflösung ist subsidiär gegenüber jedersachgemässen,zumutbarenanderenLösung;gibteseinesolcheLösung,istdieAuflösungderGe-sellschaftnichtverhältnismässig.DasSubsidiari-täts-unddasVerhältnismässigkeitsprinzipgeltenaberauchfürdie«anderensachgemässenLösun-gen»unddamitimVerhältniszwischenverschie-denensolchenAlternativlösungen:EinebestimmteAlternativlösungmussangesichtsdesMachtmiss-brauchserforderlichundverhältnismässigsein;sieistsubsidiärgegenüberjederanderenMassnahme,diegegenüberderGesellschaftunddenanderenAktionärenwenigerweitgeht,aberdenZweckgleichwohlerfüllt.
b. MöglicheInhalteeiner«anderensachge-mässenLösung»
WasdasGerichtstattderAuflösungderGesell-schaftfüreine«anderesachgemässeLösung»an-ordnensoll,hängtentscheidendvomkonkret vor-geworfenen und bewiesenen Machtmissbrauch der Mehrheitsaktionäreab;denndieAlternativlö-sunghatdenZweckundmussgeeignetsein,die-senMissbrauchzubeenden.46
Als«anderesachgemässeLösungen»kommennamentlichaktienrechtlicheundschuldvertraglicheGeschäfteinBetracht,dieesdenMinderheitsak-tionären erlauben, aus der Gesellschaft auszu-scheiden:derRückkaufderAktiendurchdieGe-sellschaftoder, wenn dieVorschriften über dieeigenenAktieneserfordern,47eine(wirtschaftli-che)Teilliquidation im Wege der Kapitalherab-setzung.48WeiteristanAnordnungenzudenken,diesichgegen konkrete (Mehrheits-)Beschlüsse der Generalversammlung richtenundanderenStelletretensollen,etwaandieAnordnungderAufnahmeeinesVertretersderMinderheitsaktio-näreindenVerwaltungsrat(verbundenmiteinerRegelungderAmtsdauerundderAbberufungs-möglichkeiten)49 oder dieAnordnung einer be-stimmtenGewinnverwendung,wenneineGesell-schaftandauerndundsystematischkeineGewinneausschüttet.50SchliesslichkanneinePattsituationdadurchbeendetwerden,dassdieGesellschaft aufgespaltetodereinTeilihresVermögensundGe-schäftsabgespaltetwird.51BeialldiesenVarian-
46ZudemhierangesprochenenZusammenhangzwischendemTatbestandundderRechtsfolgeinArt.736Ziff.4ORausführlichernachstehendIII.1.4. 47SieheArt.659Abs.1OR. 48SiehezumGanzenBöckli(Fn.13),§16N200ff.,204f.;Stäubli,BaslerKommentar,Art.736ORN27. 49Habegger(Fn.25),S.249f. 50Jakob Höhn,AnderesachgemässeunddenBeteiligtenzumut-bareLösungenimSinnevonArt.736Ziff.4OR,in:Walter R. Schluep/Peter R. Isler(Hrsg.),NeueszumGesellschafts-undWirtschafts-recht,Zürich1993,113ff.,126f. 51Böckli(Fn.13),§16N207.
Auch eine «andere sachgemässe Lösung»kommtnurinBetracht,wenn wichtige Gründevor-liegen.Esistjedochnichtvorausgesetzt,dassdiewichtigenGründeauchdieAuflösungrechtfertigenwürden;64siemüssen(nur)diekonkretesachge-mässeLösungrechtfertigen.DerZweckder«an-derensachgemässenLösung»istes,denberech-tigten InteressenderMinderheitsaktionärezumDurchbruchzuverhelfengegenüberdeneinerAuf-lösungentgegenstehendenMehrheitsinteressen.DieserZweckwürdeverfehlt,wennaucheine«an-deresachgemässeLösung»diehoheHürdederwichtigenGründe füreineAuflösungpassierenmüsste.65
Sindindesdie Voraussetzungen einer Auflösung erfüllt–einschliesslich ihrerSubsidiaritätundVer-hältnismässigkeit–,dannmuss dasGerichtdemAuflösungsbegehrenstattgeben.IndiesemFallver-fügtesüberkeinAuswahlermessenbezüglichderRechtsfolge,auchdannnicht,wennderKlägereven-tualiter eineanderesachgemässeLösungbeantragthat.66 Das bringt die Formulierung vonArt.736Ziff.4ORzwarnichtzumAusdruck;mankönnteausihrschliessen,die«anderesachgemässeLösung»stehealsAlternativeaufgleicherStufeundunterdengleichenVoraussetzungenwieeineAuf-lösung.NachdemZweckderBestimmungunddemmitihrverbundenenSubsidiaritäts-undVerhältnis-mässigkeitsgrundsatztrifftdiesjedochnichtzu.
1.4 Zusammenhang zwischen Tatbestand und Rechtsfolge in Art. 736 Ziff. 4 OR
64Wennsieestun,mussdasGerichtdieAuflösungaussprechen;siehehierzusogleichimText. 65Habegger(Fn.25),S.164;imgleichenSinnauchStäubli,Bas-ler Kommentar, Art. 736 OR N 23; anderer Meinung Lüscher(Fn.45),179;zudemhierangesprochenenZusammenhangzwi-schenTatbestandundRechtsfolgeausführlicherhintenIII.1.4. 66Vgl.auchHabegger(Fn.25),S.43. 67SiehevornIII.1.3c.
verpflichtungzuLastendernichtamProzessbe-teiligten Aktionäre auf fast unüberwindbareprozessrechtlicheHindernisse (dieübrigensähn-lichauchbestehen,wenndieGesellschaftzumRückkaufderAktienverpflichtetwürdemitderAuf-lage,siedenübrigenAktionärenoderDrittenzuverkaufen).58
DieseHindernissekönntenprima vistadadurchumgangenwerden,dassdasGerichtdieAuflösung der Gesellschaft unterder Bedingung ausspricht,dassdieAktiennichtbiszueinembestimmtenZeit-punktvondenanderenAktionärenoderDrittenzumindestensdemwirklichenWertübernommenwerden.DasVerbot,denAktionärzuetwasande-remzuverpflichtenalszurLeistungdesAusgabe-betragesderAktien(Art.680Abs.1OR),schliessteinsolchesVorgehenjedochaus.ZwarwärediemitderbedingtenAuflösungfaktischverbundenePflicht,dieAktiendesAusscheidungswilligenzuübernehmen,dannmitArt.680Abs.1ORverein-bar,wenndenAktionärenandernfallsaufgrundderAuflösungohnehindroht,dasssiedieAktienüber-nehmenmüssen,wennsiedieGesellschaftfort-führenwollen.59SindaberdieVoraussetzungenei-nerAuflösunggegeben,dannmussdasGerichtsieanordnen(esseidenn,dieMinderheitsaktio-närehättennuraufAnordnungeineranderensach-gemässenLösunggeklagt);60sinddieVorausset-zungennichtgegeben,darfdieAuflösungauchnichtuntereinerBedingungausgesprochenwer-den,unddie faktischeÜbernahmeverpflichtungwürdegegenArt.680Abs.1ORverstossen.
c. VerhältniszwischenderAuflösungundeiner«anderensachgemässenLösung»
Wegen ihrerSubsidiaritätdarfdasGerichteineAuflösung grundsätzlich nicht anordnen, wenndemMachtmissbrauchderMehrheitsaktionäreauchmittelseiner«anderensachgemässenLö-sung» begegnet werden könnte. Damit aberkommteineGutheissungeiner Auflösungsklage ohneAuseinandersetzungdesGerichtsmitmög-lichenAlternativlösungennichtinBetracht.61Aus-nahmenkönnensichausGrundsätzendesPro-zessrechtsergeben.62EineandereFrageistes,obdasGerichteineAuflösungsklage abweisendarf,ohnedieMöglichkeiteiner«anderensachgemäs-senLösung»zuprüfen.BeiderBeantwortungdie-serFragespieltdasProzessrechteinebedeutendeRolle.63
2. Die «andere sachgemässe Lösung» aus der Sicht der Rechtsanwendung durch das Gericht und des Prozessrechts
DieMöglichkeitderAnordnungeiner«anderensachgemässenLösung»istAusdruckdesSubsidi-aritäts-undVerhältnismässigkeitsprinzips.Darumscheinteseigentlichunumgänglichzusein,dasseinesolcheAlternativlösung ineinemVerfahrenaufgrundeinerAuflösungsklagegeprüftwird.Dasistin casu –jedenfallsgemässdenAusführungenimUrteildesBundesgerichts–nichtgeschehen:WederhatdieKlägerineine«anderesachgemässeLösung»beantragt–sieverlangtedieAuflösungderGesellschaftbzw.dieAufhebungdesletztin-stanzlichenkantonalenUrteilsundeineEntschei-dunggemässderersten,dieAuflösungsklagegut-heissendenInstanz –,69nochhateinesderGerichteeinesolcheLösungvonsichausangeordnetoder,wieesscheint,auchnurerwogen.ImFolgendenwerdeneinigederFragenangesprochen,diesichdemGericht,dasdieRegelungbetreffenddie«an-deresachgemässeLösung»anwendenmuss,unddiesichausderSichtdesProzessrechtsstellen.
plexer,dassdieinderNormangeordneteRechts-folgeauseinemganzenKatalog von Rechtsfolgenbesteht:dieAuflösungderGesellschaftodereine«anderesachgemässeLösung»,wobeidieindie-semZusammenhangbestehendenGestaltungs-möglichkeitenimEinzelnenunbegrenztsind.Rich-terlicheRechtsanwendungundRechtsgestaltungist unter solchen Umständen ausserordentlichschwierig;richterlichesErmessenspielthierbeimTatbestand,beiderRechtsfolgeundbeiihrerAb-stimmungaufeinandereineherausragendeRolle.68Mit ihremVerhältnisvonTatbestandundRechts-folgedürftedieNormvonArt.736Ziff.4ORimschweizerischenAktienrechteinzigartigsein.
Etwaskonkreterbedeutetdies,dassbeiderIn-teressenabwägung,dieunterdemTitelderwich-tigenGründevorzunehmenist,einevorläufig ins Auge gefasste Rechtsfolge–namentlicheinebe-stimmte«anderesachgemässeLösung»–undihreAuswirkungenaufdieübrigenAktionäreunddieGesellschaftzudenBenachteiligungenderMinder-heitsaktionäreinBezugzusetzensind.ImLichtederkonkreten,alsMassnahmegegendenMacht-missbrauchausgestaltetenRechtsfolgeistzube-urteilen,obwichtigeGründevorliegen.
SollbeispielsweisedenMinderheitsaktionärendasAusscheidenmittelseinerKapitalherabsetzungermöglichtwerden,ist–innerhalbdesohnehinzubeachtendenRahmensvonArt.732ff.OR–zuprü-fen,obderfürdieseLösungerforderlicheMittel-abflussbeiderGesellschaft ihr(unddenverblei-bendenAktionären)ausbetriebswirtschaftlicherSichtzuzumuten ist.SollenAktien innerhalbderSchrankengemässArt.659ORübernommenwer-den,sinddieAussichteneinerVeräusserungderAktieninnertnützlicherFristundunterBeachtungdereinschlägigenaktienrechtlichenRegelnzuprü-fenundindieInteressenabwägungeinzubeziehen.WennsodannderMachtmissbrauchnurdieGe-winnverwendungbetrifftundimBesonderenda-rin besteht, dass andauernd und systematischkeineDividendenausgerichtetwerden,wirdeineAuflösung fast immeralsunverhältnismässiger-scheinen,sodassesinsofernanwichtigenGrün-denfehlt.UndallgemeinspieltschliesslichbeiAn-ordnungen,dienichtmiteinemAusscheidenderMinderheitsaktionäreverbundensind,derkonkretvorgeseheneEingriffimRahmenderInteressen-abwägungeineentscheidendeRolle,etwaderAn-teilanVerwaltungsratssitzen,dendieMinderheits-aktionäreerhalten,oderdieDauer,währendderAnordnungenüberdieGewinnverwendunggeltensollen.
68Vgl.zumGanzenauchBeeler/von der Crone(Fn.28),336f.
DieZurückhaltungbeiderÜberprüfungvonEr-messensentscheidenuntererGerichtebedeutet,dasseineRechtsmittelinstanz,namentlichdasBun-desgericht,nurganzausnahmsweisedieAuflö-sungderGesellschaftstattdervonderunterenIn-stanzverfügten«anderensachgemässenLösung»anordnen oder eine «andere sachgemässe Lö-sung»stattdieAuflösungverfügenwird.IndiesenFällenwirddieErmessensausübungdurchdieVor-instanzenvomBundesgerichtzuRechtgrundsätz-lichnichtinFragegestellt.DieZurückhaltungbeiderÜberprüfungvonErmessensentscheiden istdann jedochproblematisch,wenndieVorinstanzweder die Auflösung noch eine «andere sachge-mässe Lösung» angeordnethat.StelltdieRechts-mittelinstanznämlichfest,dassdieVorinstanzihrErmessenbeiderAnwendungvonArt.736Ziff.4ORnichtausgeschöpfthat–wofürdasFehlenjeg-licherdiesbezüglicherErwägungentrotzentspre-chenderVorbringendesKlägerseinIndizist–,soliegtdarineineRechtsverletzung,dienichtmitdemHinweisaufdieZurückhaltungbeiderÜberprüfungvonErmessensentscheidenzu rechtfertigen ist.EinGericht,das«anderesachgemässeLösungen»nichterwägtundprüft,verletztArt.736Ziff.4OR(esseidenn,eshabeaufgrundderVerhandlungs-maxime kein Anlass zu einer solchen Prüfungbestanden)77.DasgiltnichtnurfürGerichte,dieinderWürdigungdesSachverhaltsundinderRechts-anwendungfreisind,sondernauchfürRechtsmit-telinstanzen,diesichbeiderÜberprüfungvonEr-messensentscheidenZurückhaltungauferlegen,dennauchsiemüssengegenRechtsverletzungeneinschreiten.InsbesondereistdasBundesgerichtberechtigtundverpflichtet,sämtlicheRechtsfehlerdesangefochtenenEntscheideszukorrigieren.78
b. ZurückhaltendeÜberprüfungvonErmes-sensentscheidendurchdasBundesgericht
EineBeschränkungderrichterlichenPflichtzurEr-messensausübungergibtsichausderZurückhal-tung,diesichdasBundesgerichtbeiderÜberprü-fung von Ermessensentscheiden auferlegt. Esschreitetnurein,wenndiekantonaleInstanzgrund-losvonden inLehreundRechtsprechunganer-kanntenRegelnabgewichenist,rechtserheblicheTatsachenausserAchtgelassenhat,Umständeberücksichtigt hat, die für dieEntscheidung imEinzelfallkeineRollespielendürfen,odereinen«offensichtlichunbilligen»Ermessensentscheidge-troffenhat.DashöchsteGerichtwillnichtinErmes-sensentscheidekantonaler Instanzeneingreifen,
Unklar ist,obeine«anderesachgemässeLö-sung»ausGründendesProzessrechtseinentspre-chendesBegehren des Klägers voraussetztundwie genaueinsolchesgegebenenfallsumschriebenseinmuss.NachdenRegelndes(imMomentnochungeschriebenen,abdem1. Januar2011dannko-difizierten) Bundeszivilprozessrechts muss einRechtsbegehrensobestimmtsein,dassesbeiGut-heissungderKlagedenGegenstanddesrichterli-chenUrteilsbildenkann.80DieseRegelhatihrenGrundunterandereminderDispositionsmaxime,nachderderStreitgegenstandimProzessvomKlä-gerbestimmtwirdunddasGerichtihmnichtmehrzusprechendarf,alser fordert.ZudemmussesdemBeklagtenimRahmenseinesAnspruchsaufrechtlichesGehörmöglichsein,zudenForderun-gendesKlägersStellungzunehmen.81DiestrengeBeachtungdieserprozessrechtlichenGrundsätzehättezurFolge,dassdieAnordnungeiner«ande-rensachgemässenLösung»durchdasGerichtnurmöglichist,wennderKlägerdieAlternativlösunginseinemAntraghinreichendgenauumschreibt.
DasZivilprozessrechtdarfjedochdieVerwirkli-chung des aktienrechtlich gebotenen Minderhei-tenschutzesnichtvereiteln.82Dermateriellrechtli-chenPflichtzurErmessensausübungentsprichtdasGerichtdarumambesteneinerseitsdadurch,dassesvonseinerFragepflicht83Gebrauchmacht,undandererseits,indemeseinenAntragaufAuf-lösungderGesellschaftimLichtedervorgetrage-nenundbewiesenenTatsachenauslegtundsobeispielsweisezumSchlusskommt,dassdasBe-gehrenimGrundegenommen(nur)aufeineÜber-nahmederAktiendurchdieGesellschaftabzielt.Innerhalb dieses prozessrechtlichen RahmenskommtdiePflicht desRichters, das ihmdurchArt. 736Ziff.4OReingeräumteErmessenauszu-übenund«anderesachgemässeLösungen»zuer-wägenundzuprüfen,vollumfänglichzumTragen.84
DasBundesgerichtkanndieihmdamitobliegendeAufgabe,gegenUrteileeinzuschreiten,dieohneBe-gründung«anderesachgemässeLösungen»garnichtersterwägen,dadurcherfüllen,dasseseineBegründung nachliefertundimErgebniserklärt,dieAbweisungdesAuflösungsbegehrensohneAnord-nungeiner«anderensachgemässenLösung»be-wegesichimRahmendesdemGerichteingeräum-tenErmessens. In casu liefertdasBundesgerichtnurganzamRandeeineBegründung:IndemesdasderX.vonA.unterbreiteteKaufangebotanspricht,bringteszumAusdruck,dasseineAlternativlösungimRaumgestandenhat.DemgegenüberistderHin-weisaufdasInteressederanderenAktionäre,vonA.undB.,amFortbestandderGesellschaftkeinetaugliche(implizite)Begründungdafür,warum«an-deresachgemässeLösungen»nichterwogenwer-den;geradedann,wenndasInteresseanderFort-führungderGesellschaftüberwiegt,sindalternativeGestaltungsmöglichkeiten zuprüfen. ImÜbrigensiehtdasBundesgerichtoffenbarangesichtsdesinvielenPunktennichtbewiesenenbzw.zuspätvor-getragenenSachverhaltskeinenAnlass,selber«an-deresachgemässeLösungen»inErwägungzuzie-hen.HingegenmusstedasGenferObergericht–dasdenErmessensentscheiddeserstinstanzlichenGe-richtsaufgehobenhat–alleinFragekommenden«anderensachgemässenLösungen»erwägenundprüfen(unterBeachtungderprozessrechtlichenRah-menbedingungen),etwadieMöglichkeiteinesAus-scheidensimRahmeneinerKapitalherabsetzung.
2.2 Der Anspruch des Klägers auf Anordnung einer «anderen sachgemässen Lösung»
keiteinessolchenEingriffsdesGerichtsinden(vondenMehrheitsaktionärenmissbräuchlicheinge-setzten)aktienrechtlichenBeschlussfassungsme-chanismusliegtdereigentlicheKernder«anderensachgemässenLösung».DasGerichtunddiePar-teiensindjedochansAktienrechtgebunden.86Dastrifft insbesonderemitBezugaufallgemeingel-tendeRegelungenzu,dieeinergenerell-abstrak-ten statutarischen Grundlagebedürfen.SomusseinedauerhafteAnordnungzurDividendenpolitik–alsMassnahme,mitderdassystematischeZu-rückbehaltenderGewinneadressiertwerdensoll–indenStatutenfestgehaltenwerden.DasUrteilkanndasErforderniseinerstatutarischenGrund-lagenichtersetzen;87indermitdemUrteilgeneh-migtenVereinbarungkannsichdieGesellschaftaberverpflichten(undsiemusses,wenndasGe-richt dies im Rahmen der von ihm skizziertenGrundzügeeiner«anderensachgemässenLösung»verlangt),derGeneralversammlungeinenentspre-chenden Antrag zu unterbreiten (wobei in denStatutenselbstverständlichkeinevoraussetzungs-loseAusschüttungvonDividendenrechtswirksamfestgeschriebenwerdenkann)88.ÄhnlichesgiltfüreinestatutarischzuregelndeVertretungderMin-derheitsaktionäreimVerwaltungsrat.
UngeachtetdeshiervorgeschlagenenVerfah-rensmodellssinddiefolgendenGrenzen der An-ordnung einer «anderen sachgemässen Lösung» zubeachten:DasUrteilkannnichtamVerfahrenbeteiligteDrittenichtverpflichten;eskanndarumnichtdieübrigenAktionäre(wohlaberdieGesell-schaft)verpflichten,denMinderheitsaktionärendieAktienabzukaufen.90UndnachderDispositions-maximefallenals«anderesachgemässeLösun-gen»AnordnungenausserBetracht,dievonkei-nerParteigewolltsind;wenn,wie in casu,91dieMinderheitsaktionärenichtausscheidenwollen,darfdasGerichtauchnichtindiesemSinnrechts-gestaltendeingreifen.
86SiehehierzuauchschonvornIII.1.3b. 87AndererMeinungHabegger(Fn.25),S.245. 88SieheArt.674f.OR. 89Habegger(Fn.25),S.251f. 90Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel (Fn.38),§55N96;siehezudenMöglichkeiteneinerAnordnunggegenüberdenMehrheitsak-tionären,wennsieamProzessbeteiligtsind,Beeler/von der Crone (Fn.28),338f. 91SiehevornIII.1.3b.
Umdie richterlicheVerfahrensleitungundGe-staltungsautonomieimSinnederDispositionsma-ximeeinzugrenzen,aberauch,umdieAufgabedesGerichtsüberhaupterfüllbarzumachen,wäreessinnvoll,wenndasGerichtimRahmenderErfül-lungseinerProzessleitungs-undFragepflichtdenParteiendieGrundzügederseinesErachtenssach-gemässenLösungaufzeigenunddanndieParteienanhaltenwürde,aufdieserBasiseineVereinba-rungauszuarbeiten.DerenVereinbarkeitmitdenvomGerichtskizziertenGrundzügenunddemGe-setzvorausgesetzt,würdedasGerichtdieVerein-barung sodann zum Bestandteil seines Urteilsmachen.EinsolchesVerfahrenwäre–nicht zu-fällig–ähnlichdemderGenehmigungeinerVer-einbarungüberdieScheidungsfolgendurchdasGericht(Art.140ZGB).
NachbundesgerichtlicherRechtsprechungmusseineAuflösungsklageabgewiesenwerden,wenndieMinderheitsaktionäreauchmittelseinerAn-fechtungvonGeneralversammlungsbeschlüssengeschütztwerdenkönnen.Folglichkönntenan-fechtbare, aber nicht angefochtene Generalver-sammlungsbeschlüssenichtzurBegründungeinesAuflösungsbegehrensherangezogenwerden.UndohnehinkönntenBeschlüsse,dienichtanfechtbarsind,weil sieankeinemMangel imSinnevonArt. 706OR leiden,keinenwichtigenGrundzurAuflösungderGesellschaftdarstellen.97
DieserStandpunktfolgtunabweislichauseinerstrikten, formellenAnwendungdesGrundsatzesderSubsidiarität der Auflösungs- gegenüber der Anfechtungsklage.98DamitkannesabernichtseinBewendenhaben,manmusshierdifferenzieren.DerAusgangspunktistdabeidiePflichtdesRich-tersaufgrundvonArt.736Ziff.4OR,einenEnt-scheidnach«RechtundBilligkeit» (Art.4ZGB),alsounterWürdigungsämtlicherUmständezutref-fen.BeiseinerErmessensentscheidungmusssichderRichterandiegrundsätzlichenEntscheidungenundWertungendesGesetzgebershalten,er istalsoinseinemUrteilnichtvölligfrei.AberersollsichnichtsturaufformalePrinzipienabstützen,wieetwaeineapodiktischeAussageüberdasVerhält-niszwischenAuflösungs-undAnfechtungsklage;ermusseineEntscheidungtreffen,diedergesam-tenPrinzipien-undWerteordnungdesAktienrechtsentspricht.99Darummüssenauchunangefochtene Generalversammlungsbeschlüsse im Rahmen der Billigkeitsentscheidung im Auflösungsprozess be-rücksichtigt werden.DieTatsache,dasssienichtangefochtenwurden,rechtfertigtnicht,einAuflö-sungsbegehrenrundwegabzuweisen.
DasGewicht,dasnichtangefochtenenGeneral-versammlungsbeschlüssenimRahmenderErmes-sensentscheidunggemässArt.736Ziff.4ORzu-kommt, istunterschiedlich, jenachdem,obeinBeschlussüberhauptanfechtbar,alsogesetz-oderstatutenwidrigwarodernicht.Wareranfechtbar,sosolltedieTatsache,dasskeineKlageerhobenwurde,unterdemTitelvonArt.736Ziff.4ORnichtausschlaggebend sein. Die zweimonatige Ver-wirkungsfrist,100dieeinerAufhebungdesBeschlus-sesimZeitpunktdesAuflösungsbegehrensinderRegelentgegensteht,dientderVerkehrssicherheit
GrundsätzlichmussderKlägerdievonihmbe-hauptetenRechtsverletzungendurchdieAktionärs-mehrheitzunächstmittelsweniger einschneidender RechtsbehelfealsderAuflösungsklagegeltendma-chen.DieAuflösungderGesellschaftdurchdasGe-richtisteinradikaler,definitiverEingriffineinprivat-rechtlichesRechtsverhältnis,dernureine ultima ratioseinkann.DieAuflösungistdamitnichtnursubsidiärgegenübereiner«anderensachgemässenLösung»,94sondernauchgegenüberwenigerweitgehenden,abergleichwohlgeeignetenRechtsbehelfen,wieetwaeinerAnfechtungsklage.95MankönntedieAuf-hebungeinesGeneralversammlungsbeschlusseszu-folgeAnfechtungalseine«anderesachgemässeLö-sung»ansehen,dienachdemSubsidiaritäts-undVerhältnismässigkeitsgrundsatzderAuflösungderGesellschaftvorgeht.Daranzeigtsichaberauch,dassdieSubsidiaritätderAuflösungsklagegegenüberan-derenRechtsbehelfenjedenfallsdannnichtuneinge-schränktgeltenkann,wennmitderAuflösungsklageeine«anderesachgemässeLösung»anbegehrtwirdoderdasGerichteinesolcheerwägtundprüft.
3.3 Verhältnis zur Klage auf Auskunft und Einsicht
ImUnterschiedzurAnfechtungsklagekannmitderKlageaufErteilungvonAuskunftundGewährungvonEinsicht(Art.697Abs.4OR)nichteingesetz-oderstatutenwidrigerZustandbeseitigtwerden.MitderInformationsklagesollenvielmehrInforma-tionenerlangtwerden,diedieGrundlagefüreineanschliessendeGeltendmachungvonAktionärs-rechtensind.Esbestehtinsoweitkein Konkurrenz-verhältniszwischenderInformations-undderAuf-lösungsklage, die Subsidiaritätsfrage stellt sichdemnachnicht.106
Davonzuunterscheiden istdieFeststellung,dasseinedauernde ungerechtfertigte Verweige-rung von Auskünften imRahmenderWürdigungallerwesentlichenUmstände unterdemTitelder«wichtigenGründe»gemässArt.736Ziff.4ORdurchausvonBedeutungist.ImvorliegendenFallkonntedasBundesgerichtaufgrundderTatsache,dassX.ihrAuskunftsrechtniegerichtlichdurchzu-setzenversuchthatte,nicht feststellen,ob ihreRechte verletztwurden.107 Falls auch imAuflö-sungsprozesskeineTatsachenvorgebrachtwur-den,dieaufeinedauerndeungerechtfertigteAus-kunftsverweigerunghättenschliessenlassen,istgegendieBegründungdesBundesgerichtsnichtseinzuwenden.FallsdieAuskunftsverweigerungin-dessenimRahmenderAuflösungsklagebehaup-tetundbewiesenwird,darfdaraus,dassderbe-treffende Minderheitsaktionär keine Klage aufErteilungvonAuskunfterhobenhat,nichtszusei-nenUngunstenmitBezugaufseinAuflösungsbe-gehrenabgeleitetwerden.DieÜberlegungen,diefür dasVerhältnis vonAnfechtungs- undAuflö-sungsklagebestimmendsind,108sindsinngemässauch hier einschlägig.109Wenn der Machtmiss-brauch der Mehrheitsaktionäre einzig mit derAuskunftsverweigerungbegründetwird, isteineAuflösung freilich in aller Regel wegen Unver-hältnismässigkeitabzulehnen; ineinemsolchenFallbestehtdie«anderesachgemässeLösung»inderInformationserteilung,diederAktionär,wennnichteinFalleinerdauerndenungerechtfertigtenInformationsverweigerungvorliegt,gestütztaufArt.697ORdurchsetzenmuss.
undgewährleistet,dassdieSchwebe,indersichderBeschlusswährendderAnfechtungsfristbefin-det,nichtallzulangedauert.101DieserZweckderBe-fristungschliesstesnichtaus,dassdieRechtswid-rigkeitdesBeschlussesunddieUmständeseinesZustandekommensspäterimRahmeneinerAuflö-sungsklagegewürdigtwerden,wirddochdamitderBestanddesBeschlussesnichtunmittelbarinFragegestellt.RechtsverletzungenimRahmennichtan-gefochtenerGeneralversammlungsbeschlüssege-hörendarumzudennachArt. 736Ziff.4ORmass-geblichenUmständen.Dasgilt erst recht dann,wennderspäteraufAuflösungklagendeAktionärbegründetenAnlasshatte,trotzderAnfechtbarkeitdesBeschlusseskeineKlagezuerheben,etwa,weildieKonsequenzendesBeschlussesinnerhalbderAnfechtungsfristnochnichterkennbarwaren102oderderhoheStreitwertzueinernegativenBeurteilungdesProzessrisikosunterfinanziellenAspektenführ-te.103DerAnfechtungsverzichtsolltedemKlägernichtalsArgumentgegeneineAuflösungundschongarnichtgegeneine«anderesachgemässeLösung»entgegengehaltenwerden.
Aberselbstnicht anfechtbare (und nicht ange-fochtene) GeneralversammlungsbeschlüssekönnenbeiderBeurteilungeinesAuflösungsbegehrenseineRollespielen(sodassdasBegehrennichtmitdemschlichtenHinweisaufdieSubsidiaritätderAuflö-sungsklageabgewiesenwerdenkann).ZudenkenistetwaandievonMax Kummer104beschriebeneSituationeinerGesellschaft,inderdieMehrheitsak-tionärewiederholtgezieltBeschlüssefassen,diegegendieInteressenderMinderheitgerichtetundfürsichalleinzwargesetzes-undstatutenkonformsind,inihrerSummejedocheinenMachtmissbrauchdarstellen.WürdedasGerichtsichhier,obwohlzueinerEntscheidungunterBerücksichtigungallerUm-stände des Einzelfalls aufgerufen, strikt an dasDogmavonderSubsidiaritätderAuflösungs-gegen-überderAnfechtungsklagehalten,könntedieserMachtmissbrauchnichtberücksichtigtwerden,wasnichtalsrichtigerscheint.105