Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung gemäß § 327c Abs. 2 S. 2 AktG anlässlich der beabsichtigten Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der AUDI Aktiengesellschaft, Ingolstadt, auf die VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT, Wolfsburg
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AUDI Aktiengesellschaft VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT · 2021. 2. 20. · Abs. Absatz AEV Audi Electronics Venture GmbH, Gaimersheim AG Aktiengesellschaft AID Autonomous Intelligent
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Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der
Barabfindung gemäß § 327c Abs. 2 S. 2 AktG
anlässlich der beabsichtigten Übertragung der Aktien
der Minderheitsaktionäre der
AUDI Aktiengesellschaft,
Ingolstadt,
auf die
VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT,
Wolfsburg
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung I
Inhaltsverzeichnis
1. Auftrag und Auftragsdurchführung 1
2. Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung 6
3. Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 8
3.1. Angaben zur Angemessenheit der Bewertungsmethode 8
3.1.1. Bewertungsgrundsätze 8
3.1.2. Berücksichtigung des Börsenkurses 12
3.1.3. Relevanz von Vorerwerben 12
3.1.4. Kapitalisierung der Ausgleichszahlung 13
3.1.5. Angemessenheit der Bewertungsmethode 14
3.2. Prüfungsfeststellungen zur Ableitung der Barabfindung im Einzelnen 16
3.2.1. Bewertungsobjekt 16
3.2.2. Markt- und Wettbewerbsumfeld 24
3.2.3. Bewertungsstichtag 52
3.2.4. Ermittlung der zu diskontierenden Ertragsüberschüsse 53
3.2.5. Kapitalisierungszins 91
3.2.6. Ertragswert 114
3.2.7. Sonderwerte und nicht betriebsnotwendiges Vermögen 115
3.2.8. Unternehmenswert und Wert je Aktie 117
3.2.9. Plausibilisierung des Unternehmenswerts 118
3.2.10. Börsenkurs 120
3.2.11. Kapitalisierung der Ausgleichszahlung 123
3.3. Besondere Schwierigkeiten der Bewertung 127
4. Festgelegte Barabfindung 128
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung II
5. Abschließende Erklärung zur Angemessenheit der festgelegten
Barabfindung 129
Wir weisen darauf hin, dass aus rechentechnischen Gründen in den Tabellen Rundungs-differenzen in Höhe von einer Einheit (€, % usw.) auftreten können.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung XI
WLTP Worldwide harmonized Light-Duty Vehicles Test
Procedure
WKN Wertpapierkennnummer
WPg IDW, Die Wirtschaftsprüfung
WPH IDW, WP Handbuch
WpÜG Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz
WpÜG-AngebotsVO Verordnung über den Inhalt der Angebotsunter-
lage, die Gegenleistung bei Übernahmeangebo-
ten und Pflichtangeboten und die Befreiung von
der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur
Abgabe eines Angebots
XETRA Exchange Electronic Trading
xKD Knocked Down [Teilelieferungen]
z.B. zum Beispiel
zzgl. zuzüglich
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 1
1. Auftrag und Auftragsdurchführung
Auf Verlangen der
VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT,
Wolfsburg
(im Folgenden auch „VOLKSWAGEN“ genannt; gemeinsam mit ihren unmittelbaren
und mittelbaren Tochtergesellschaften auch „VOLKSWAGEN-Konzern“ genannt)
vom 28. Februar 2020 als Hauptaktionärin der
AUDI Aktiengesellschaft,
Ingolstadt
(im Folgenden auch „AUDI“ genannt; gemeinsam mit ihren unmittelbaren
und mittelbaren Tochtergesellschaften auch „AUDI-Konzern“ genannt)
soll die ordentliche Hauptversammlung von AUDI, die von der Gesellschaft für den
31. Juli 2020 geplant wird, gemäß § 327a AktG über die Übertragung der Aktien der
übrigen Aktionäre (im Folgenden auch „Minderheitsaktionäre“) von AUDI auf VOLKS-
WAGEN als Hauptaktionärin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung be-
schließen.
Nach § 327a Abs. 1 S. 1 AktG kann die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft auf
Verlangen eines Aktionärs, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von mindestens 95 %
des Grundkapitals gehören (Hauptaktionär), die Übertragung der Aktien der Minderheits-
aktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung
beschließen (sog. aktienrechtlicher Squeeze-out).
VOLKSWAGEN hält ausweislich einer Depotanzeige vom 24. März 2020 42.847.251 der
insgesamt 43.000.000 auf den Inhaber lautenden Stückaktien der AUDI Aktiengesell-
schaft. AUDI hält keine eigenen Aktien. Damit beträgt der Anteil von VOLKSWAGEN
rd. 99,64 % des Grundkapitals der AUDI Aktiengesellschaft.
Nach § 327c Abs. 2 S. 2 AktG ist die Angemessenheit der Barabfindung durch einen
oder mehrere sachverständige Prüfer zu prüfen.
Mit Beschluss vom 6. März 2020 hat die 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
München I gemäß § 327c Abs. 2 S. 3 AktG die Baker Tilly GmbH & Co. KG Wirtschafts-
prüfungsgesellschaft (im Folgenden auch „Baker Tilly“), Düsseldorf, zum
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 2
sachverständigen Prüfer ausgewählt und bestellt (vgl. Anlage 1). VOLKSWAGEN hat
uns daraufhin mit der Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung, die an die Minder-
heitsaktionäre gewährt werden soll, beauftragt.
Die Festlegung der Höhe der Barabfindung durch VOLKSWAGEN beruht auf einer Un-
ternehmensbewertung von AUDI, die auf Basis allgemein anerkannter Unternehmens-
bewertungsgrundsätze durchgeführt wurde. Der Unternehmenswert von AUDI wurde im
Auftrag von VOLKSWAGEN durch die PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprü-
fungsgesellschaft (im Folgenden auch „PwC“ oder „Bewertungsgutachter“), München,
ermittelt.
Die zu gewährende Barabfindung wurde ausgehend von dieser Bewertung durch
VOLKSWAGEN festgelegt. Die Ausführungen zur Ermittlung des Unternehmenswertes
von AUDI auf den Stichtag 31. Juli 2020 sowie die Festlegung der Barabfindung gemäß
§ 327b AktG sind im Bericht der VOLKSWAGEN AKTIENGESELSCHAFT als Hauptak-
tionärin der AUDI Aktiengesellschaft über die Voraussetzungen für die Übertragung der
Aktien der Minderheitsaktionäre der AUDI Aktiengesellschaft auf die VOLKSWAGEN
AKTIENGESELLSCHAFT sowie die Angemessenheit der festgelegten Barabfindung ge-
mäß § 327c Abs. 2 S. 1 AktG vom 16. Juni 2020 nebst Anlagen (nachfolgend auch
„Übertragungsbericht“) wiedergegeben.
Bei der Durchführung der Prüfung haben uns insbesondere die folgenden wesentlichen
Unterlagen vorgelegen:
• Übertragungsbericht vom 16. Juni 2020 sowie die vorangegangenen Entwürfe;
• Gutachtliche Stellungnahme zum Unternehmenswert der AUDI AG, Ingolstadt,
und zur Ermittlung der angemessenen Barabfindung anlässlich der geplanten
Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre gemäß § 327a ff. AktG zum 31.
Juli 2020 als Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung von PwC vom 16.
Juni 2020 (nachfolgend auch „Bewertungsgutachten oder „Gutachtliche Stellung-
nahme“ genannt) sowie die vorangegangenen Entwürfe;
• Prüfungsberichte von PwC zu den testierten und mit nicht modifizierten (unein-
geschränkten) Bestätigungsvermerken versehenen Konzernabschlüssen und
Konzernlageberichten der AUDI Aktiengesellschaft für die Geschäftsjahre 2017,
2018 und 2019;
• Prüfungsberichte von PwC zu den testierten und mit nicht modifizierten (unein-
geschränkten) Bestätigungsvermerken versehenen Jahresabschlüssen und La-
geberichten der AUDI Aktiengesellschaft für die Geschäftsjahre 2017, 2018 und
2019;
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 3
• Konsolidierte Mehrjahres-Unternehmensplanung des AUDI-Konzerns vom 20.
April 2020 („PR69.SP“) sowie ergänzende Informationen hinsichtlich zwischen-
zeitlicher Veränderungen;
• aktuelle Vorausschätzungen für das Geschäftsjahr 2020 (Szenario „VS 4+8“);
• Protokolle der Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen der AUDI Aktiengesell-
schaft der drei vergangenen Geschäftsjahre (zur Einsichtnahme);
• Global Sales Forecast der IHS Markit Automotive Advisory Services, IHS Markit
Ltd., London, England;
• Auszüge aus den Arbeitspapieren des Bewertungsgutachters;
• Öffentlich zugängliche Informationen zum Markt- und Wettbewerbsumfeld sowie
Kapitalmarktdaten.
Als Auskunftspersonen standen uns neben dem Vorstand der AUDI Aktiengesellschaft
von diesem benannte Mitarbeiter von AUDI, vom Vorstand der VOLKSWAGEN AKTI-
ENGESELLSCHAFT benannte Mitarbeiter von VOLKSWAGEN, Mitarbeiter von PwC
sowie Mitarbeiter der Linklaters LLP, Düsseldorf, als vom Hauptaktionär beauftragten
rechtlichen Berater, zur Verfügung. Alle erbetenen Auskünfte sind uns erteilt worden.
Der Vorstand der AUDI Aktiengesellschaft hat uns gegenüber unter dem Datum dieses
Prüfungsberichts eine berufsübliche Vollständigkeitserklärung abgegeben und darin
schriftlich versichert, dass die Erläuterungen und Auskünfte, die für die Prüfung der An-
gemessenheit der Abfindung von Bedeutung sind, vollständig und richtig erteilt wurden.
VOLKSWAGEN hat uns gegenüber ebenfalls unter dem Datum dieses Prüfungsberichts
unter Bezug auf die Vollständigkeitserklärung der AUDI Aktiengesellschaft erklärt, dass
keine abweichenden oder darüber hinausgehenden Informationen vorliegen, die für die
Bestimmung des Unternehmenswertes von AUDI oder die Festlegung der Barabfindung
relevant wären.
Bei unserer Prüfung haben wir den Standard „Grundsätze zur Durchführung von Unter-
nehmensbewertungen“ des Institutes der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW
S 1) in der Fassung vom 2. April 2008, Stand vom 4. Juli 2016, (im Folgenden auch
„IDW S 1“) berücksichtigt.
Wir haben unsere Prüfung vom 23. März 2020 bis zum Tag der Zeichnung dieses Prü-
fungsberichts am Sitz der AUDI Aktiengesellschaft in Ingolstadt sowie in unseren Büros
in Düsseldorf, Dortmund, Frankfurt am Main und München durchgeführt. Unsere Prü-
fungsarbeiten haben wir vor Abschluss der Bewertungsarbeiten des Bewertungsgutach-
ters aufgenommen. Diese Vorgehensweise ist im Rahmen von Prüfungen üblich und
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 4
durch die Rechtsprechung anerkannt. Sie ist in der Notwendigkeit begründet, zeitnah
zum Abschluss der Bewertungsarbeiten ein endgültiges Prüfungsurteil abzugeben.
Sollten sich zwischen dem Abschluss unserer Prüfung und dem Zeitpunkt der beabsich-
tigten Beschlussfassung der Hauptversammlung von AUDI am 31. Juli 2020 über den
Ausschluss der Minderheitsaktionäre wesentliche Änderungen in der geplanten Vermö-
gens-, Finanz- und Ertragslage oder sonstiger Grundlagen der Bewertung von AUDI er-
geben, wären diese bei der Beurteilung der Angemessenheit der Barabfindung noch zu
berücksichtigen.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass wir keine Prüfungen der Buchführung, der Jah-
resabschlüsse, der Konzernabschlüsse oder der Geschäftsführung von AUDI vorge-
nommen haben. Solche Prüfungen sind nicht Gegenstand einer Angemessenheitsprü-
fung der Barabfindung von Minderheitsaktionären. Die Übereinstimmung der Jahresab-
schlüsse und der Lageberichte bzw. der Konzernabschlüsse und der Konzernlagebe-
richte von AUDI zu den Stichtagen 31. Dezember 2017, 2018 und 2019 mit den jeweili-
gen rechtlichen Vorschriften wurden von den Abschlussprüfern von AUDI nicht modifi-
ziert (uneingeschränkt) bestätigt. Hinsichtlich der Vollständigkeit der Jahresabschlüsse
und der Lageberichte bzw. der Konzernabschlüsse und der Konzernlageberichte sowie
der Beachtung bilanzieller Bewertungsvorschriften gehen wir daher von der Korrektheit
der uns vorgelegten Unterlagen aus.
Dieser Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung wurde aus-
schließlich für den vorstehend dargestellten Zweck erstellt. Dies umfasst die Bereitstel-
lung des Prüfungsberichts im Vorfeld der über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre
beschlussfassenden Hauptversammlung von AUDI (einschließlich dessen Veröffentli-
chung auf den Internetseiten der Gesellschaft) sowie die Vorlage in etwaigen Gerichts-
verfahren im Zusammenhang mit dem aktienrechtlichen Squeeze-Out. Der Bericht ist
nicht zur Veröffentlichung, zur Vervielfältigung oder zur Verwendung für einen anderen
Zweck bestimmt und darf ohne unsere vorherige schriftliche Zustimmung nicht außer-
halb dieses Zwecks an Dritte weitergegeben werden.
Für die Durchführung unseres Auftrages und unsere Verantwortlichkeit sind, auch im
Verhältnis zu Dritten, die als Anlage diesem Bericht beigefügten Allgemeinen Auftrags-
bedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in der Fas-
sung vom 1. Januar 2017 (nachfolgend auch „AAB“ genannt) maßgebend.
Wir weisen darauf hin, dass der Haftungsrahmen gem. Ziffer 9 (2) der AAB nur insoweit
zur Anwendung kommt, wie nicht gesetzliche Haftungsregeln, insbesondere §§ 327c
Abs. 2 S. 4, 293d Abs. 2 AktG sowie § 323 Abs. 2 HGB, eine niedrigere
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 5
Haftungsbegrenzung vorsehen. Klarstellend weisen wir darauf hin, dass abweichend
vom Wortlaut der AAB hinsichtlich der Nr. 9 (2) bis einschließlich Nr. 9 (6) gilt, dass die
dort vorgesehenen Haftungsbeschränkungen nicht für grob fahrlässig verursachte Scha-
densfälle Anwendung finden.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 6
2. Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung
Gegenstand unserer Prüfung ist gemäß § 327c Abs. 2 S. 2 AktG die Angemessenheit
der vom Hauptaktionär festgelegten Barabfindung.
Dementsprechend haben wir geprüft, ob die von VOLKSWAGEN festgelegte Barabfin-
dung unter Berücksichtigung der Verhältnisse bei AUDI als angemessen anzusehen ist.
Eine weitergehende rechtliche Prüfung, insbesondere der Voraussetzungen und Recht-
mäßigkeit für eine Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre und der steuerlichen
Auswirkungen, haben wir nicht vorgenommen.
Der gemäß § 327c Abs. 2 S. 3 AktG bestellte sachverständige Prüfer hat nach §§ 327c
Abs. 2 S. 4, 293e AktG über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten. Der Prü-
fungsbericht ist mit einer Erklärung darüber abzuschließen, ob die festgelegte Barabfin-
dung angemessen ist. Im Prüfungsbericht ist in sinngemäßer Anwendung von § 293e
AktG anzugeben:
• nach welchen Methoden die Abfindung ermittelt worden ist;
• aus welchen Gründen die Anwendung dieser Methoden angemessen ist;
• welche Abfindung sich bei der Anwendung verschiedener Methoden, sofern
mehrere angewandt worden sind, jeweils ergeben würde; zugleich ist darzule-
gen, welches Gewicht den verschiedenen Methoden bei der vorgeschlagenen
Abfindung und der ihnen zugrunde liegenden Werte beigemessen worden ist und
welche besonderen Schwierigkeiten bei der Bewertung aufgetreten sind.
Die Angemessenheit der Barabfindung lässt sich auf der Basis einer Überprüfung der
Bewertung von AUDI durch PwC, die die Grundlage für die Festlegung der Barabfindung
durch VOLKSWAGEN darstellt, beurteilen. Eine eigenständige Bewertung der Gesell-
schaft durch den sachverständigen Prüfer ist dazu grundsätzlich nicht durchzuführen.
Der Prüfer hat die der Ermittlung der Abfindung zugrunde liegende Bewertung hinsicht-
lich ihrer methodischen Konsistenz und inhaltlichen Prämissen zu beurteilen. Basiert die
Bewertung auf einer zukunftsbezogenen analytischen Unternehmensbewertung, ist ins-
besondere zu untersuchen, ob die bewertungsrelevanten Faktoren sachgerecht abge-
leitet worden sind und die geplanten Zukunftsergebnisse plausibel erscheinen. Sofern
für die Bewertung Börsenkurse herangezogen werden, ist die Ableitung des Börsenkur-
ses zu beurteilen.
Die als Bewertungsbasis dienende Unternehmensplanung der Gesellschaft sowie Ar-
beitspapiere des Bewertungsgutachters zur Bewertung haben wir erhalten, in
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 7
Gesprächen im Wesentlichen mit Vertretern der Gesellschaft und PwC erörtert und auf
ihre Plausibilität überprüft. Als Maßstäbe für die Plausibilitätsbeurteilung haben wir ent-
sprechend des IDW Praxishinweises 2/2017 „Beurteilung einer Unternehmensplanung
bei Bewertung, Restrukturierungen, Due Diligence und Fairness Opinion“ mit Stand vom
2. Januar 2017 auf die rechnerische und formelle Plausibilität, die materielle interne
Plausibilität (d.h. insb. die Nachvollziehbarkeit gegebener Erläuterungen und Planungs-
prämissen, Konsistenz mit Ist-Entwicklung und Unternehmenspotenzial) sowie die ma-
terielle externe Plausibilität (d.h. insb. Konsistenz zu Marktanalysen und Wettbewerb)
abgestellt.
Gemäß § 327c Abs. 2 S. 1 AktG hat der Hauptaktionär der Hauptversammlung einen
schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem die Voraussetzungen für die Übertragung dar-
gelegt und die Angemessenheit der Barabfindung erläutert und begründet werden (Über-
tragungsbericht). Die Vollständigkeit und Richtigkeit des Übertragungsberichts waren,
ebenso wie die Zweckmäßigkeit der beabsichtigten Übertragung der Aktien der Minder-
heitsaktionäre, nicht Gegenstand unserer Prüfung. Im Rahmen unserer Tätigkeit haben
wir uns nur insoweit mit dem Übertragungsbericht befasst, als er relevante Angaben über
den Prüfungsgegenstand, die methodische und rechnerische Erläuterung und Begrün-
dung des Unternehmenswertes von AUDI und die darauf aufbauende Ableitung der
Barabfindung enthält.
Art und Umfang unserer Prüfungshandlungen haben wir in unseren Arbeitspapieren fest-
gehalten.
Unser Prüfungsbericht gibt das Ergebnis unserer Prüfung der Angemessenheit der fest-
gelegten Barabfindung wieder.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 8
3. Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung
3.1. Angaben zur Angemessenheit der Bewertungsmethode
3.1.1. Bewertungsgrundsätze
3.1.1.1. Zukunftserfolgswert
Als Grundlage für die Ermittlung der Barabfindung werden die Ergebnisse einer Unter-
nehmensbewertung verwendet. Die hierbei zugrunde gelegte Methodik ist vom Prüfer
hinsichtlich der Art und Gründe für ihre Anwendung sowie ihrer Angemessenheit zu über-
prüfen.
Der Gesetzgeber schreibt keine bestimmte Methode für die Bewertung des Unterneh-
mens vor.
In der Betriebswirtschaftslehre, in der Rechtsprechung und in der Bewertungspraxis ha-
ben sich allgemein anerkannte Bewertungsgrundlagen herausgebildet, die auf die Be-
wertung von Unternehmen angewandt werden.
Die bei der Unternehmensbewertung von deutschen Wirtschaftsprüfern anzuwendenden
Bewertungsgrundlagen und Methoden sind im Standard „Grundsätze zur Durchführung
von Unternehmensbewertungen“ des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.
(IDW S 1) in der Fassung vom 2. April 2008, Stand vom 4. Juli 2016, festgelegt.
Die im IDW S 1 verankerten Grundsätze zur Unternehmensbewertung beruhen auf der
herrschenden Meinung in der betriebswirtschaftlichen Literatur und Bewertungspraxis.
Die in den Verlautbarungen des IDW niedergelegten Methoden und Grundsätze zur Un-
ternehmensbewertung stellen eine in der Rechtsprechung anerkannte Expertenauffas-
sung für ein methodisch zutreffendes Vorgehen bei der Ermittlung von Unternehmens-
werten dar. Sie werden, anders als etwa die „Best-Practice-Empfehlungen Unterneh-
mensbewertung“ des Arbeitskreises „Corporate Transactions und Valuation“ der Deut-
schen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (sog. „DVFA-Empfeh-
lung“) und trotz aller im Allgemeinen oder in Einzelfragen dagegen vorgebrachten Kritik
bei Unternehmensbewertungen im Zusammenhang mit aktien- und umwandlungsrecht-
lichen Strukturmaßnahmen in der Praxis ganz überwiegend beachtet.1
Der Wert eines Unternehmens ergibt sich nach IDW S 1 – unter der Voraussetzung aus-
schließlich finanzieller Ziele – grundsätzlich durch den Barwert der mit dem Eigentum an
1 Vgl. hierzu grundlegend bereits u.a. OLG Stuttgart v. 15. Oktober 2013, 20 W 3/13 m.w.N.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 9
dem Unternehmen verbundenen finanziellen (Netto-)Überschüsse an die Unterneh-
menseigner, die bei Fortführung des Unternehmens und Veräußerung etwaigen nicht
betriebsnotwendigen Vermögens erwirtschaftet werden (Zukunftserfolgswert). Nach
IDW S 1 wird der Wert des Unternehmens damit regelmäßig aus seiner Ertragskraft, d.h.
seiner Eigenschaft, finanzielle Überschüsse für die Unternehmenseigner zu erwirtschaf-
ten, abgeleitet.
Hierbei ist es herrschende Auffassung, die Barabfindung aus einem sog. objektivierten
Unternehmenswert abzuleiten. Der objektivierte Unternehmenswert stellt regelmäßig ei-
nen intersubjektiv nachprüfbaren Zukunftserfolgswert aus Sicht der Anteilseigner dar.
Dieser ergibt sich bei Fortführung des Unternehmens auf Basis des bestehenden Unter-
nehmenskonzepts und mit allen realistischen Zukunftserwartungen im Rahmen der
Marktchancen, -risiken und finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens sowie sonsti-
gen Einflussfaktoren.
Die Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte erfolgt entsprechend der ständigen
Rechtsprechung auf „stand-alone-Basis“, d.h. Überschüsse aus Synergieeffekten, die
erst aus dem Bewertungsanlass entstehen, sind nicht zu berücksichtigen (sog. echte
Synergien). Sog. unechte Synergieeffekte sind hingegen dadurch gekennzeichnet, dass
sie sich ohne Durchführung der dem Bewertungsanlass zugrunde liegenden Maßnah-
men realisieren lassen. Die Überschüsse aus unechten Synergieeffekten sind insoweit
abzubilden, als die Synergie stiftenden Maßnahmen zum Bewertungsstichtag bereits
eingeleitet oder im Unternehmenskonzept dokumentiert sind.
3.1.1.2. Ertragswertverfahren
Der Unternehmenswert als Zukunftserfolgswert kann nach dem Ertragswertverfahren
oder nach einem sog. Discounted-Cash-Flow-Verfahren ermittelt werden.
Das Ertragswertverfahren ermittelt den Unternehmenswert durch Diskontierung der den
Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse, wobei diese übli-
cherweise aus den für die Zukunft geplanten Jahresergebnissen abgeleitet werden. Die
dabei zugrunde liegende Planungsrechnung kann nach handelsrechtlichen oder ande-
ren Vorschriften aufgestellt sein. Die Finanzierbarkeit der geplanten Ausschüttungen ist
hierbei zu beachten.
Bei den alternativ im IDW S 1 dargestellten Discounted-Cash-Flow-Methoden erfolgt
eine Diskontierung der zukünftig geplanten Finanzmittelüberschüsse unter der Neben-
bedingung der handelsrechtlichen Ausschüttungsfähigkeit. Bei gleichen Bewertungsan-
nahmen und -prämissen, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung, führen beide Be-
wertungsverfahren grundsätzlich zu gleichen Unternehmenswerten.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 10
Wir haben uns davon überzeugt, dass der vorliegenden Bewertung neben der Ertrags-
planung auch eine abgestimmte Bilanzplanung zugrunde liegt und damit die zuvor dar-
gestellten Voraussetzungen für die Äquivalenz von Ertragswertverfahren und Discoun-
ted-Cash-Flow-Verfahren grundsätzlich gegeben sind.
Wir halten die Entscheidung des Bewertungsgutachters, bei der Bewertung von AUDI
das Ertragswertverfahren anzuwenden, für sachgerecht. Das Ertragswertverfahren ist
ein in der Bewertungstheorie und -praxis im Zusammenhang mit der Bewertung von Un-
ternehmen im Rahmen aktien- und umwandlungsrechtlicher Strukturmaßnahmen über-
wiegend gebräuchliches 2 und in der Wissenschaft, Betriebswirtschaftslehre sowie
Rechtsprechung anerkanntes Verfahren.3
In dem nach der Ertragswertmethode ermittelten Barwert werden die zukünftigen prog-
nostizierten Erwartungswerte der finanziellen Überschüsse berücksichtigt, die aus dem
betriebsnotwendigen Vermögen des Bewertungsobjekts abgeleitet werden. Sachver-
halte, die im Rahmen der Ertragswertermittlung nicht oder nur unvollständig abgebildet
werden können, sind grundsätzlich gesondert zu bewerten und dem Ertragswert hinzu-
zufügen. Neben dem nicht betriebsnotwendigen Vermögen können dafür verschiedene
Sonderwerte in Frage kommen. Das etwaige vorhandene nicht betriebsnotwendige Ver-
mögen umfasst solche Vermögensgegenstände, die frei veräußert oder verwendet wer-
den könnten, ohne dass davon der eigentliche Unternehmenszweck berührt wird.
Im Hinblick auf die Ableitung des Unternehmenswerts über das Ertragswertverfahren
verweisen wir im Ergebnis auf Abschnitt 3.2.8. dieses Berichts.
3.1.1.3. Liquidationswert
Der Liquidationswert ergibt sich durch Diskontierung der sich im Rahmen einer Liquida-
tion des Bewertungsobjekts ergebenden finanziellen Überschüsse. Der Liquidationswert
kommt gemäß IDW S 1 als Wertuntergrenze für die Unternehmensbewertung in Be-
tracht, wenn er den Zukunftserfolgswert übersteigen würde.
Im vorliegenden Fall wurde vom Bewertungsgutachter der Liquidationswert für den
AUDI-Konzern überschlägig ermittelt und dem nach dem Ertragswertverfahren ermittel-
ten Unternehmenswert gegenübergestellt.
Wir haben die überschlägige Ermittlung des Liquidationswerts für den AUDI-Konzern
von PwC methodisch und inhaltlich nachvollzogen. Es ergibt sich ein indikativer
2 Vgl. hierzu etwa I-Advise AG, Düsseldorf, Studie zur Bewertungspraxis bei gesellschaftsrechtlichen Anlässen, 6.
Auflage 2010 - 2019, Februar 2020, S. 7. 3 BGH v. 29. September 2015, II ZB 23/14.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 11
Liquidationswert, der insbesondere aufgrund der zu berücksichtigenden Liquidations-
kosten und des im Falle einer Liquidation zukünftig entfallenden nachhaltigen Ertragspo-
tenzials von AUDI unterhalb des nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Unterneh-
menswertes liegt. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass aufgrund der bestehenden
Einbindung von AUDI in den VOLKSWAGEN-Konzern eine (einseitige) Liquidation von
AUDI nicht ohne wesentliche weitere negative Folgen für den übrigen VOLKSWAGEN-
Konzern möglich wäre.
Nach Auskünften des Vorstands von AUDI bzw. VOLKSWAGEN ist aufgrund des erwar-
teten Ertragspotentials eine Liquidation von AUDI nicht beabsichtigt. Es ist daher sach-
gerecht, für die Bemessung der Abfindung nicht auf den Liquidationswert abzustellen.
3.1.1.4. Substanzwert
Der Substanzwert ergibt sich als Rekonstruktions- oder Wiederbeschaffungswert aller
im Unternehmen vorhandenen Werte und Schulden. Aufgrund der Schwierigkeiten, nicht
bilanzierungsfähige, vor allem immaterielle Werte eines Unternehmens zu ermitteln, wird
in der Regel ein Substanzwert im Sinne eines (Netto-)Teilrekonstruktionszeitwertes er-
mittelt. Da diesem Substanzwert grundsätzlich der direkte Bezug zu künftigen finanziel-
len Überschüssen fehlt, kommt ihm bei der Ermittlung des Unternehmenswertes keine
eigenständige Bedeutung zu.
Es ist daher angemessen, dass ein Substanzwert nicht ermittelt wurde.
3.1.1.5. Vergleichsorientierte Bewertungen
In der Bewertungspraxis werden neben den vorstehend beschriebenen Zukunftserfolgs-
wertverfahren verbreitet sog. Multiplikator-Methoden angewendet. Hierbei wird ein ge-
eigneter Vervielfältiger aus Kapitalmarktdaten von zum Bewertungsobjekt vergleichba-
ren börsennotierten Gesellschaften oder Transaktionen ermittelt und auf das Bewer-
tungsobjekt übertragen.
Multiplikatorverfahren kommen zur Beurteilung der Plausibilität anderer Bewertungsver-
fahren zum Zuge. Sie zielen auf die Ermittlung von Vergleichswerten ab, indem sie an-
hand marktbasierter Kennzahlen anderer, vergleichbarer Unternehmen einen Marktpreis
schätzen, wobei Vereinfachungsregeln mit einer geringeren Komplexität verwandt wer-
den. Der so ermittelte Wert bzw. die ermittelte Wertbandbreite stellt keinen objektivierten
Unternehmenswert dar, kann jedoch im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Plausibilitäts-
kontrolle der Ergebnisse der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren bieten. Nach
IDW S 1 können diese Verfahren nicht an die Stelle einer Unternehmensbewertung auf
Grundlage des Ertragswertverfahrens treten.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 12
Der Bewertungsgutachter hat daher unseres Erachtens sachgerecht den über das Er-
tragswertverfahren abgeleiteten Unternehmenswert von AUDI mit Hilfe von Multiplikato-
ren plausibilisiert.
Wir haben die vergleichsorientierte Bewertung von PwC nachvollzogen und eigenstän-
dige Analysen dazu durchgeführt und verweisen hierzu auf Abschnitt 3.2.9. dieses Be-
richts.
3.1.2. Berücksichtigung des Börsenkurses
Sofern für Unternehmensanteile Börsenkurse vorliegen, sind diese nach IDW S 1 zur
Plausibilitätsbeurteilung des nach Ertragswert- oder Discounted-Cash-Flow-Verfahren
ermittelten Unternehmenswertes heranzuziehen. Hierbei sind besondere Einflüsse, die
sich möglicherweise auf die Börsenkursbildung ausgewirkt haben, sorgfältig zu analy-
sieren und darzustellen.
Nach einer Entscheidung des BVerfG4 ist der Börsenkurs der Aktie eines Unternehmens
dem nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Wert je Aktie gegenüberzustellen. Das
BVerfG fordert, dass ein existierender Börsenkurs bei der Ermittlung des Wertes der
Unternehmensbeteiligung grundsätzlich nicht unberücksichtigt bleiben darf. Dabei ist die
Abfindung so zu bemessen, dass die Minderheitsaktionäre jedenfalls nicht weniger er-
halten, als sie bei einer freien Desinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der aktien-
rechtlichen Strukturmaßnahmen erhalten hätten.
Die Aktien der AUDI Aktiengesellschaft sind börsennotiert. Bei der Bemessung der Ab-
findung wurde daher geprüft, ob im Hinblick auf die Entwicklung der Aktienkurse auf den
Börsenkurs abzustellen ist.
Im Hinblick auf die Maßgeblichkeit des Börsenkurses für die Abfindung verweisen wir
auf Abschnitt 3.2.10. dieses Berichts.
3.1.3. Relevanz von Vorerwerben
Der Preis für Unternehmen und Unternehmensanteile bildet sich auf freien Kapitalmärk-
ten aus Angebot und Nachfrage. Er wird wesentlich von der Nutzenschätzung (Grenz-
nutzen) der jeweiligen Käufer und Verkäufer bestimmt und kann je nach dem mengen-
mäßigen Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage sowie den Einflussmöglichkeiten
der Unternehmenseigner auf die Unternehmenspolitik (Alleineigentum, qualifizierte oder
einfache Mehrheit, Sperrminorität oder Streubesitz) mehr oder weniger stark von dem
4 BVerfG v. 27. April 1999, 1 BvR 1613/94, AG 1999, S. 566, 568.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 13
Wert des gesamten Unternehmens oder dem quotalen Anteil am Unternehmensgesamt-
wert abweichen.
Tatsächlich gezahlte Preise für Unternehmen und Unternehmensanteile können – sofern
Vergleichbarkeit mit dem Bewertungsobjekt und hinreichende Zeitnähe gegeben sind
(nachfolgend auch „Vorerwerbe“) – zur Beurteilung der Plausibilität von Unternehmens-
werten und Anteilswerten dienen, sie ersetzen aber keine Unternehmensbewertung.5
VOLKSWAGEN war zum 28. Februar 2020, mithin bei Übermittlung des Übertragungs-
verlangens, mit rd. 99,64 % am Grundkapital der AUDI Aktiengesellschaft beteiligt. Die
Höhe dieser Beteiligung ist seit dem 31. Dezember 2018 unverändert. Insoweit liegen
keine Käufe von Aktien der AUDI Aktiengesellschaft innerhalb der letzten 14 Monate vor
dem Übertragungsverlangen vor. Lediglich bei einer zeitlich weiter zurückreichenden Be-
trachtung wurden im Geschäftsjahr 2018 39.454 Aktien der AUDI Aktiengesellschaft von
VOLKSWAGEN zu einem durchschnittlichen Preis von € 710,19 erworben. Der Anteil
von VOLKSWAGEN am Grundkapital der AUDI Aktiengesellschaft, der zum 31. Dezem-
ber 2017 ca. 99,55 % betrug, war dann weiter vorgelagert über Jahre unverändert (31.
Dezember 2008 ebenfalls ca. 99,55 %).
Ungeachtet der ohnehin fehlenden Zeitnähe, hat das Bundesverfassungsgericht mit sei-
ner Entscheidung vom 27. April 1999 festgestellt, dass die von einem Mehrheitsaktionär
tatsächlich gezahlten Preise für Aktien einer abhängigen Gesellschaft bei der Bewertung
des Aktieneigentums zur Bemessung der Barabfindung gemäß § 305 AktG unberück-
sichtigt bleiben können.6 Diese Entscheidung entspricht der herrschenden Meinung in
der Literatur und der höchstrichterlichen Rechtsprechung.7 Eine vergleichbare Entschei-
dung hat der EuGH getroffen.8
Vor diesem Hintergrund halten wir es für sachgerecht, bei der Ableitung der Abfindung
nicht auf die Vorerwerbe der Hauptaktionärin abzustellen.
3.1.4. Kapitalisierung der Ausgleichszahlung
Nach § 327b Abs. 1 AktG muss die Barabfindung die Verhältnisse der Gesellschaft im
Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigten, hier also des
31. Juli 2020.
5 IDW S 1, Tz. 13. 6 BVerfG vom 27. April 1999, 1 BvR 1613/94, AG 1999, S. 566, 568. 7 Vgl. van Rossum, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 5. Aufl., 2020, § 305, Tz. 91 m.w.N.; BGH v. 19.
Juli 2010, II ZB 18/09, AG 2010, S. 629, 632. 8 EuGH vom 15. Oktober 2009, Rs. C 101/08, AG 2009, S. 821ff.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 14
Unter dem Datum vom 23. April 1971 mit Ergänzungsvereinbarung vom 27. April 1990
wurde ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der VOLKSWAGEN
AKTIENGESELLSCHAFT und der AUDI Aktiengesellschaft (damals firmierend als
„AUDI NSU AUTO UNION AKTIENGESELLSCHAFT“), abgeschlossen, der auch aktuell
besteht. Eine Beendigung des bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsver-
trages ist zum Bewertungsstichtag auskunftsgemäß nicht vorgesehen. Der Beherr-
schungs- und Gewinnabführungsvertrag sieht eine Ausgleichzahlung an die außenste-
henden AUDI-Aktionäre für jede AUDI-Aktie in Höhe des Betrags vor, der für das gleiche
Geschäftsjahr auf eine Stammaktie der VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT glei-
chen Nennbetrags ausgeschüttet wird. Die Ausgleichszahlung ist gleichzeitig mit der an
die Stammaktionäre der VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT zu zahlenden Divi-
denden fällig.
In der Rechtsprechung, Literatur und Bewertungspraxis ist nicht abschließend geklärt,
ob dem Barwert einer kapitalisierten Ausgleichszahlung aus einem bestehenden Beherr-
schungs- und Gewinnabführungsvertrag für die Bemessung der Barabfindung bzw. de-
ren Angemessenheitsbeurteilung im Rahmen eines im Anschluss an den Beherr-
schungs- und Gewinnabführungsvertrag folgenden Ausschlusses von Minderheitsaktio-
nären Relevanz beizumessen ist.
Bei der Beurteilung der Abfindung für die Minderheitsaktionäre der AUDI Aktiengesell-
schaft wurde vom Bewertungsgutachter daher vorsorglich und zutreffend analysiert, ob
der Kapitalisierung der Ausgleichszahlung aus dem mit der VOLKSWAGEN AKTIENGE-
SELLSCHAFT bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag im Rahmen
der Festsetzung einer angemessenen Barabfindung für die Minderheitsaktionäre von
AUDI Relevanz beizumessen ist; wir verweisen hierzu auf Abschnitt 3.2.11. dieses Be-
richts.
3.1.5. Angemessenheit der Bewertungsmethode
Die vorstehenden Bewertungsgrundsätze und -methoden – namentlich das Ertrags-
wertverfahren – gelten heute in Theorie und Praxis der Unternehmensbewertung als ge-
sichert und haben ihren Niederschlag in der Literatur und in den Verlautbarungen des
Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) gefunden. Sie werden grund-
sätzlich auch von der Rechtsprechung anerkannt.
Vorliegend wurde der Unternehmenswert von AUDI über das Ertragswertverfahren unter
Berücksichtigung von Sonderwerten sowie des Werts des nicht betriebsnotwendigen
Vermögens abgeleitet. Bei der Festlegung der Barabfindung wurde zudem entsprechend
der Rechtsprechung des BVerfG der relevante Börsenkurs als etwaige Untergrenze
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 15
berücksichtigt und – vorsorglich – ein möglicher Barwert der kapitalisierten Ausgleichs-
zahlung aus dem mit der VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT bestehenden Be-
herrschungs- und Gewinnabführungsvertrag beurteilt.
Nach dem Ergebnis unserer Prüfung ist die Anwendung der Methoden zur Ermittlung
der Höhe der Barabfindung angemessen.
Zu Einzelheiten unserer Prüfungsfeststellungen zur Ableitung der Barabfindung verwei-
sen wir auf den nachfolgenden Abschnitt.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 16
3.2. Prüfungsfeststellungen zur Ableitung der Barabfindung im Einzelnen
3.2.1. Bewertungsobjekt
3.2.1.1. Rechtliche Grundlagen
Die AUDI Aktiengesellschaft hat ihren Sitz in Ingolstadt und ist im Handelsregister B des
Amtsgerichts Ingolstadt unter HRB 1 eingetragen.
Der satzungsmäßige Gegenstand des Unternehmens ist die Entwicklung, Herstellung
und der Vertrieb von Kraftfahrzeugen sowie Fahrzeugen und Motoren aller Art, deren
Zubehör sowie aller Maschinen, Werkzeuge und sonstigen technischen Artikeln. Die Ge-
sellschaft ist berechtigt, alle Geschäfte vorzunehmen und Maßnahmen zu ergreifen, die
mit dem Zweck des Unternehmens zusammenhängen oder ihm förderlich erscheinen.
Sie kann dazu andere Unternehmen gründen erwerben oder sich an solchen Unterneh-
men beteiligen und auch im In- und Ausland Zweigniederlassungen errichten.
Das Geschäftsjahr der Gesellschaft entspricht dem Kalenderjahr.
AUDI verfügt über ein Grundkapital in Höhe von € 110.080.000, das in 43.000.000
Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil von je € 2,56 am Grundkapital eingeteilt ist.
Die Aktien lauten auf den Inhaber. Die Gesellschaft hält keine eigenen Aktien. Zum Zeit-
punkt des Abschlusses unserer Arbeiten hält VOLKSWAGEN 42.847.251 Aktien der
AUDI, was einem Anteil von rd. 99,64 % am Grundkapital der AUDI entspricht. Die rest-
lichen Aktien befinden sich im Streubesitz.
Die Aktien von AUDI werden unter der Wertpapierkennnummer („WKN“) 675700 und
675702 sowie der International Securities Identification Number („ISIN“) DE0006757008
und DE0006757024 im regulierten Markt an den Wertpapierbörsen Frankfurt am Main
(General Standard), Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München und Stuttgart sowie im Han-
delssystem XETRA einbezogen.
Zwischen der AUDI Aktiengesellschaft und der VOLKSWAGEN AKTIENGESELL-
SCHAFT besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag; wir verweisen
hierzu auf Abschnitt 3.1.4. dieses Berichts.
Die VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT ist die Muttergesellschaft des VOLKS-
WAGEN-Konzerns und hält in dieser Funktion neben der Beteiligung an AUDI unmittel-
bar beziehungsweise mittelbar Beteiligungen an der SEAT S.A., der SKODA AUTO a.s.,
der Dr. Ing.h.c.F. Porsche AG, der TRATON SE, der Volkswagen Financial Services AG,
der Volkswagen Bank GmbH sowie an zahlreichen weiteren Gesellschaften im In- und
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 17
Ausland. Ausweislich des Konzernlageberichts von VOLKSWAGEN für das Geschäfts-
jahr 2019 arbeitet der VOLKSWAGEN-Konzern neben den Geschäftsbereichen Finan-
zen & IT, Personal sowie Integrität & Recht über sechs operative Einheiten und die Re-
gion China hinweg zusammen: Die Markengruppen „Volumen“, „Premium“, „Sport & Lu-
xury“ und „Truck & Bus“ sowie die operativen Einheiten Komponenten & Beschaffung
und Finanzdienstleistungen. Jede Marke des VOLKSWAGEN-Konzerns wird von einem
Markenvorstand geleitet, der die unabhängige und eigenständige Entwicklung sowie den
Geschäftsbetrieb der Marke sicherstellt. Die Gesellschaften des VOLKSWAGEN-Kon-
zerns werden von ihrer jeweiligen Geschäftsleitung in eigener Verantwortung geführt.
3.2.1.2. Abgrenzung des Bewertungsobjekts
Die AUDI Aktiengesellschaft ist Muttergesellschaft des AUDI-Konzerns und stellt in die-
ser Eigenschaft jährlich einen Konzernabschluss auf.
Im Konzernabschluss von AUDI wurden zum 31. Dezember 2019 10 Unternehmen mit
Sitz im Inland und 30 Unternehmen mit Sitz im Ausland vollkonsolidiert. Darunter fallen
auch drei Unternehmen, an denen AUDI keine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung
hält, jedoch über vertragliche Vereinbarungen einen beherrschenden Einfluss (Kontrolle)
ausübt. Hierbei handelt es sich um die Vertriebsgesellschaften Audi Canada, Inc., Ajax,
Kanada, Audi of America, LLC, Herndon, USA und Automobili Lamborghini America,
LLC, Herndon, USA, deren jeweiliger Geschäftszweck im Wesentlichen darin besteht,
Fahrzeuge der Marken Audi bzw. Lamborghini und andere Produkte zu vertreiben. Die
Anteile anderer Gesellschafter am Eigenkapital und Ergebnis der jeweiligen Gesellschaft
werden den jeweiligen Gesellschaftern der drei Unternehmen jeweils zu 100 % zuge-
rechnet.
41 Unternehmen, davon 23 mit Sitz im Inland und 18 mit Sitz im Ausland, an denen AUDI
unmittelbar oder mittelbar Mehrheitsbeteiligungen hält, wurden aufgrund ihrer unterge-
ordneten Bedeutung hinsichtlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nicht in den
Konzernabschluss zum 31. Dezember 2019 einbezogen.
Bis zum 31. Dezember 2018 wurden die zu 100 % im Anteilsbesitz von AUDI stehenden
sog. „Mehrmarken-Vertriebsgesellschaften“ Audi Volkswagen Korea Ltd., Seoul, Süd-
korea, Audi Volkswagen Middle East FZE, Dubai, Vereinigte Arabische Emirate, Audi
Volkswagen Taiwan Co., Taipeh, Taiwan, und Volkswagen Group Italia S.p.A., Verona,
Italien, im Konzernabschluss von AUDI vollkonsolidiert. Aufgrund von Verträgen mit
VOLKSWAGEN, die im Dezember 2018 unterzeichnet wurden und die es der VOLKS-
WAGEN AKTIENGESELLSCHAFT mit Wirkung zum 1. Januar 2019 uneingeschränkt
erlauben, die für die Finanz- und Geschäftspolitik relevanten Organe bei den
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 18
Gesellschaften zu besetzen, war ab diesem Zeitpunkt kein beherrschender Einfluss
durch die AUDI Aktiengesellschaft mehr gegeben und diese Gesellschaften wurden zum
1. Januar 2019 entkonsolidiert und seitdem nach der Equity-Methode bilanziert.
Als assoziierte Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen wurden zum 31. De-
zember 2019 insgesamt 8 Gesellschaften mit Sitz im Ausland at-Equity im Konzernab-
schluss von AUDI berücksichtigt.
Neben den 4 Mehrmarken-Vertriebsgesellschaften wurden auch die Anteile an den drei
chinesischen Gesellschaften, der FAW-Volkswagen Automotive Co., Ltd. (im Folgenden
auch „FAW-VW“ genannt), Changchun, China, der SAIC Volkswagen Automotive Com-
pany Ltd. (im Folgenden auch „SAIC-VW“ genannt), Shanghai, China, und der Volkswa-
gen Automatic Transmission (Tianjin) Co., Ltd. (im Folgenden auch „Tianjin“ genannt),
Tianjin, China, nach dieser Methode im Konzernabschluss von AUDI berücksichtigt.
An der FAW-VW hielt die AUDI Aktiengesellschaft zum 31. Dezember 2019 eine Betei-
ligung in Höhe von 5 %. Durch die Repräsentanz im Geschäftsführungs- und Aufsichts-
organ der FAW-VW ist AUDI in der Lage, einen maßgeblichen Einfluss auf diese Gesell-
schaft auszuüben. Die FAW-VW produziert und vertreibt Fahrzeuge unter anderem der
Marke AUDI für den chinesischen Markt. An der SAIC-VW, die Automobile entwickelt,
produziert und vertreibt, ist AUDI seit 2018 mit 1 % beteiligt. Der AUDI-Konzern ist auf-
grund eines Organbesetzungsrechts in der Lage, einen maßgeblichen Einfluss auf diese
Gesellschaft auszuüben. Für die beiden chinesischen Gesellschaften besteht zwischen
AUDI und VOLKSWAGEN eine Vereinbarung auf einen finanziellen Ausgleich, der sich
nach der wirtschaftlichen Leistung der jeweiligen Marke bei den chinesischen Gesell-
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 26
Gleichwohl startete die Weltwirtschaft vor dem Hintergrund der Entspannung zwischen
China und den USA zunächst mit positiven Vorzeichen in das Jahr 2020, bevor die glo-
bale Ausbreitung des Coronavirus und die in der Folge ergriffenen Gegenmaßnahmen
die Konjunkturerwartungen in einem bis dahin in der Nachkriegsgeschichte ungekann-
tem Ausmaß veränderten.
Anfangs bestand die Hoffnung, dass die Infektionsausbreitung im vermutlichen Entste-
hungsland China gestoppt werden könne, und damit die schwerwiegenden ökonomi-
schen Folgen der Krankheitsbekämpfung vor allem auf China und den mit China wirt-
schaftlich eng verflochtenen asiatischen Raum begrenzt werden könnten. Im Zuge der
weltweiten Ausbreitung des Virus und bedingt durch die damit verbundenen restriktiven
Maßnahmen, welche nahezu in jedem Land ergriffen wurden um die Ausbreitung zu ver-
langsamen, wurden die wirtschaftlichen Aktivitäten jedoch weltweit massiv gebremst.
Infolgedessen steuert die Weltwirtschaft im Jahre 2020 auf einen deutlichen Einbruch
der weltweiten Produktion zu, der mit dem Wirtschaftsrückgang infolge der Finanzkrise
im Jahre 2009 zumindest vergleichbar, in vielen Bereichen der Wirtschaft allerdings auch
deutlich schwerwiegender ist.14
Das Ausmaß und die Dauer des globalen weltweiten Abschwungs hängen maßgeblich
von der Entwicklung der Pandemie ab. Es herrscht große Unsicherheit, wie lange die bei
der ersten erfolgreichen Eindämmung der Ausbreitungszahlen des Coronavirus verab-
schiedeten Maßnahmen notwendig bleiben, zumal die Ausbreitung regional versetzt er-
folgt und so die Gefahr eines Wiederaufflammens vorher vermeidlich unter Kontrolle ge-
brachter Ansteckungszahlen droht. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Ge-
fahr weiterer Infektionswellen bestehen bleibt, solange wirksame Medikamente sowie
Impfstoffe fehlen.15 Bezüglich des Zeitpunkts, ab dem diese verfügbar sind, besteht in
Politik und Wissenschaft Uneinigkeit und Unsicherheit – die Vorhersagen reichen von 6
bis 18 Monaten.
Aufgrund dieser Unsicherheit stellte der IMF seine im April veröffentlichte Wirtschafts-
prognose ausschließlich für die Jahre 2020 und 2021 bereit. Aufgrund der zuvor geschil-
derten Umstände im Hinblick auf das Coronavirus sah sich der IMF gezwungen, das
zuletzt im Januar 2020 prognostizierte relativ starke Wachstum des realen Bruttoinlands-
produktes der Weltwirtschaft für das Jahr 2020 in Höhe von 3,3 % signifikant auf einen
Rückgang von 3,0 % anzupassen. Jedoch geht der IMF gegenwärtig im Jahre 2021 von
einer deutlichen Gegenbewegung des realen BIP in den vom Coronavirus betroffenen
14 Vgl. Gemeinschaftsdiagnose, Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, 1-2020, S. 13. 15 Vgl. Gemeinschaftsdiagnose, Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, 1-2020, S. 13; IMF, World Eco-
nomic Outlook – The Great Lockdown, April 2020, S. 1.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 27
Ländern aus. Für das Jahr 2021 wird daher weltweit ein Anstieg des realen BIP um 5,8 %
und somit deutlich oberhalb der Wachstumsraten in der Vergangenheit bzw. vor Be-
kanntwerden des Coronavirus erwartet.16
Im Jahr 2019 haben sich die Verbraucherpreise auf der Welt um rd. 3,6 % erhöht.17 Zu
Jahresbeginn 2020 haben sich die Rohstoffpreise angesichts der abzeichnenden Bele-
bung der Weltkonjunktur zunächst eher gefestigt. Nachdem Ende Januar jedoch deutlich
wurde, dass die Produktion in China aufgrund der Pandemie spürbar beeinträchtigt
würde, sind die Rohstoffpreise stark gesunken. So ist die chinesische Wirtschaft bei vie-
len Rohstoffen für den größten Teil der Nachfrage verantwortlich.18 Mit der weltweiten
Ausbreitung des Coronavirus hat sich der Preisrückgang bei Rohstoffen nochmal be-
schleunigt.19 Hinzu kam, dass die Reisebeschränkungen in vielen Ländern und die ne-
gative Aussicht für die globale Weltwirtschaft infolge des Corona-Ausbruchs die Rohöl-
nachfrage einbrechen ließen. Verstärkt wurde der Preisrückgang beim Rohöl im ersten
Quartal zusätzlich durch Förderausweitungen infolge der gescheiterten Produktionskür-
zungs-Verhandlungen der OPEC mit Russland. So notierte der Preis für die Rohölsorte
Brent nach rd. 70 US-Dollar je Barrel Anfang des Jahres im März 2020 bei nur noch rd.
25 US-Dollar je Barrel. Der starke Rückgang des Öl-Preises wirkte sich unmittelbar auf
einen Rückgang der Inflationsrate in den entwickelten Volkswirtschaften aus.20 Darüber
hinaus wurde der Inflationsdruck noch durch Verhaltensänderungen, sinkende Einkom-
men und Vorsichtssparen der Konsumenten erhöht. Zwar wirkten dem die Angebotseng-
pässe bzgl. der Gesamtproduktion, die aus den Maßnahmen zur Eindämmung des
Coronavirus resultieren, entgegen, jedoch ist vorerst der deflationäre Effekt auf die In-
flation überwiegend. Langfristig ist es ungewiss, ob infolge des umfangreichen, überwie-
gend durch Zentralbanken finanzierten Transfers von Kaufkraft des Staates zum priva-
ten Sektor der Preisanstieg wieder beschleunigt wird.21 Der IMF prognostiziert für das
Jahr 2020 ein Wachstum der weltweiten Verbraucherpreise in Höhe von 3,0 % und damit
nur leicht unterhalb der ursprünglichen Schätzung in Höhe von 3,6 %.22
In der Europäischen Union setzte sich auch im Jahr 2019 die eher verhaltene Expan-
sion des Jahres 2018 fort; das reale BIP stieg mit einer Rate von rd. 1,7 % an. Aufgrund
16 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020. 17 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020. 18 Vgl. Gemeinschaftsdiagnose, Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, 1-2020, S. 14; ifW, Kieler Kon-
junkturberichte - Weltkonjunktur im Frühjahr 2020, 2020/Q1, S. 7. 19 Vgl. Hamburgisches WeltWirtschafts Institut, Preissturz auf den Rohstoffmärkten setzt sich fort, Pressemitteilung
vom 9. April 2020. 20 Vgl. Gemeinschaftsdiagnose, Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, 1-2020, S. 14; Deutsche Bun-
desbank, Monatsbericht Februar 2020, S. 12 f. 21 Vgl. Gemeinschaftsdiagnose, Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, 1-2020, S. 14. 22 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020; IMF, World Economic Outlook – Global Man-
ufacturing Downturn, Rising Trade Barriers, Oktober 2019 mit Update Januar 2020.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 28
der kraftlosen globalen Investitionsdynamik, auch infolge der erhöhten Risiken durch
Handelskonflikte, wurde die Industrie geschwächt. Demgegenüber wirkten sich die güns-
tigen Finanzierungsbedingungen und die robusten Einkommenszuwächse der privaten
Haushalte positiv aus.23 Im vergangenen Dezember hat das eindeutige Votum bei den
Wahlen für Premierminister Johnson und die Konservative Partei dazu geführt, dass
Großbritannien am 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union ausgeschieden ist.
Dennoch bleibt die Ungewissheit bezüglich der genauen institutionellen Ausgestaltung
der zukünftigen Wirtschaftsbeziehung von Großbritannien mit der EU vorerst bestehen,
bis die Regeln nach dem Ablauf der Übergangsfrist Ende 2020 festgelegt werden. Der
voraussichtliche Abschluss der Verhandlungen bis zum Ende des Jahres 2020 bleibt
relativ unwahrscheinlich; zum Vergleich: In der Vergangenheit dauerten bspw. allein die
Verhandlungen zwischen der EU und Japan bezüglich eines Freihandelsabkommens
rund vier Jahre. Zudem würde ein umfassendes Abkommen mit Ausgestaltungen zu
Dienstleistungen, Finanzgeschäften, Daten und Investitionsschutz, die Zustimmung aller
erhebliches Verzögerungspotenzial vorgegeben ist. So ist ein Auslaufen der Übergangs-
regeln mit einem harten Brexit weiterhin möglich.24
Der IMF prognostiziert aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des Pandemie-Ausbruchs
einen Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes in Höhe von rd. 7,1 % für das Jahr
2020. Im Jahr 2021 wird hingegen ein überdurchschnittlicher Wiederanstieg in Höhe von
rd. 4,8 % erwartet. Vor dem Ausbruch der Pandemie hatte der IMF für die Jahre 2020
bis 2024 noch ein jährliches reales BIP-Wachstum zwischen 1,5 % und 1,7 % erwartet.
Der ohnehin vom IMF moderat erwartete Anstieg der Verbraucherpreise soll sich im ak-
tuellen Jahr und 2021 nochmal verlangsamen.25
In China wird mittelfristig grundsätzlich mit einem allmählichen Abflachen des Wachs-
tumspfads gerechnet. Nach einem Rückgang des realen BIP-Wachstums von rd. 6,8 %
im Jahre 2018 auf rd. 6,1 % im Jahre 2019, der auf rückläufige Investitionen und einen
geringen Außenbeitrag zurückzuführen war, wurde im Oktober 2019 vom IMF ein weite-
rer Rückgang des realen, jährlichen BIP-Wachstums bis zum Jahr 2024 auf dann rd.
5,5 % erwartet. Zwar war aufgrund der Handelsvereinbarung mit den USA und den damit
verbundenen niedrigeren Zöllen mit positiven Entwicklungen des Außenhandelsbeitrags
zu rechnen, jedoch werden auch im Jahre 2020 in China die Auswirkungen des
23 Vgl. IfW, Kieler Konjunkturberichte – Weltkonjunktur im Herbst 2019, S. 17; Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2019:
Industrie in der Rezession – Wachstumskräfte schwinden, S. 26 f. 24 Vgl. Gemeinschaftsdiagnose, Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, 1-2020, S. 14. 25 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020; IMF, World Economic Outlook – Global Man-
ufacturing Downturn, Rising Trade Barriers, Oktober 2019 mit Update Januar 2020.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 29
Coronavirus vorherrschend sein.26 So befanden sich im ersten Quartal 2020 zeitweise
77 Millionen Einwohner (rd. 5,5 % der chinesischen Bevölkerung) in Quarantäne bzw.
waren etwa 500 Millionen Einwohner in ihrer Bewegungsfreiheit aufgrund der beschlos-
senen Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung des Virus, eingeschränkt. Infol-
gedessen zeichnete sich in den betroffenen Regionen (vorherrschend Hubei) im ersten
Quartal 2020 eine erhebliche Beeinträchtigung der Wirtschaftsaktivität ab. Der Einkaufs-
managerindex brach von seinem hohen Niveau im Januar 2020 deutlich ein; insbeson-
dere der Dienstleistungssektor wurde hiervon hart getroffen. Zudem waren auch die Auf-
tragseingänge und der Pkw-Absatz von einem Rückgang in einem zuvor nicht dagewe-
senen Ausmaß betroffen. Die Produktion in China wird zwar aktuell offenbar wieder ge-
steigert,27 jedoch erwartete der IMF im April 2020 für das Jahre 2020 lediglich einen
geringen Anstieg des realen Bruttoinlandsproduktes von rd. 1,2 %. Für das Jahr 2021
erwartet der IMF eine Ausgleichsbewegung und damit ein Anstieg des realen BIP in
Höhe von rd. 9,2 %.
Wesentliche Veränderungen in der Entwicklung der Verbraucherpreise in China werden
vom IMF durch den Ausbruch der Corona-Pandemie nicht erwartet.28
In Deutschland ist die Industrieproduktion seit Mitte des Jahres 2018 stark rückläufig.
Vor allem in der exportorientierten Industrie und im Automobilsektor verringerte sie sich
merklich.29 Der binnenwirtschaftlich orientierte Sektor wurde hingegen durch die weiter-
hin günstige Einkommenssituation der Beschäftigten gestützt. Für deutlich positive Im-
pulse sorgte der Handel. Nicht nur der Einzelhandel, sondern auch der Großhandel
legte, gestützt durch die hohen privaten und staatlichen Konsumausgaben trotz der In-
dustrieschwäche zu. Insgesamt blieb die Expansion der deutschen Wirtschaft im Jahre
2019 aber relativ schwach und das reale BIP stieg lediglich mit einer Rate von rd. 0,6 %.
Trotz der geschwächten Konjunktur blieb der Arbeitsmarkt robust. Die Beschäftigung
nahm weiter zu, im Vergleich zum Vorjahr verlangsamte sich dieser Anstieg allerdings.30
Im Oktober 2019 mit dem Update im Januar 2020 erwartete der IMF für die Jahre 2020
bis 2024 einen jährlichen realen BIP-Anstieg zwischen 1,1 % und 1,4 %.
In Folge der Corona-Pandemie waren im ersten Quartal des Jahres 2020 extrem nega-
tive wirtschaftliche Entwicklungen festzustellen. So brach z.B. laut dem Verband der
26 Vgl. EZB, Wirtschaftsbericht – Wirtschaftliche und monetäre Entwicklungen, 2 / 2020, S. 14; IMF, World Economic
Outlook – Global Manufacturing Downturn, Rising Trade Barriers, Oktober 2019 mit Update Januar 2020. 27 Vgl. Gemeinschaftsdiagnose, Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, 1-2020, S. 20. 28 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020; IMF, IMF, World Economic Outlook – Global
Manufacturing Downturn, Rising Trade Barriers, Oktober 2019. 29 Vgl. Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2019: Industrie in der Rezession – Wachstumskräfte schwinden, S. 27. 30 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht November 2019, S. 47; IMF, World Economic Outlook – The Great Lock-
down, April 2020.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 30
Automobilindustrie die Pkw-Stückfertigung saisonbereinigt um gut ein Drittel ein.31 Der
IMF rechnete im April 2020 mit einem deutlichen Rückgang des realen BIP um rd. 7,0 %
im Jahr 2020 und einer deutlichen Zunahme im darauffolgenden Jahr von rd. 5,2 %.32
Die Verbraucherpreise zogen im letzten Quartal des Jahres 2019 in Deutschland gegen-
über dem vorangegangenen Dreimonatsabschnitt weiter moderat an. Dabei dämpften
vor allem die Preise für Energie aufgrund spürbar niedriger Rohölnotierungen. Auch die
Preise für Nahrungsmittel stagnierten nahezu. Im Vergleich dazu zogen die Preise für
Dienstleistungen kräftiger an; hierfür war insbesondere der spürbare Preisanstieg für
Flugreisen verantwortlich. Für das aktuelle Jahr wird einhergehend mit den dargestellten
Rohstoffpreisrückgängen eine annähernde Stagnation der Verbraucherpreise in Höhe
von rd. 0,3 % über dem Vorjahresniveau erwartet. Im Jahr 2021 wird zwar ein Anstieg
der Verbraucherpreise um rd. 1,2 % prognostiziert, jedoch liegt dieses weiterhin unter
dem Inflations-Ziel der Europäischen Zentralbank (im Folgenden auch „EZB“ genannt)
sowie den Erwartungen des IMF vor dem Ausbruch des Coronavirus, die für die Jahre
2020 bis 2024 einen jährlichen Anstieg zwischen 1,7 % und 2,1 % vorhersagten.33
Im letzten Quartal 2019 herrschte in Großbritannien aufgrund des Referendums im
Jahre 2016 und des damit verbundenen Brexits im Jahr 2020 hohe Unsicherheit. So
stagnierte das Wachstum des realen BIP im Schlussquartal auf dem Stand vom Sommer
2019. Bezogen auf das Gesamtjahr stieg das reale BIP im Jahr 2019 um rd. 1,4 %. Die
Unsicherheit eines ungeordneten Austritts aus der Europäischen Union belastete insbe-
sondere das verarbeitende Gewerbe. Allerdings war auch im Dienstleistungssektor eine
Eintrübung der Dynamik zu verzeichnen. Demgegenüber stellte sich die Lage am Ar-
beitsmarkt sehr positiv dar. Die saisonbereinigte Erwerbslosenquote konnte sich auf
dem vorläufigen zyklischen Tiefstand von rd. 3,8 % im Durchschnitt in den Monaten Sep-
tember bis November halten. Des Weiteren hatte sich zum Jahresbeginn 2020 die Stim-
mungslage vieler Unternehmen bezüglich der Geschäftsentwicklung wieder deutlich ver-
bessert, vor allem dadurch bedingt, dass durch die klaren Mehrheitsverhältnisse im neu-
gewählten britischen Unterhaus die Voraussetzungen für einen geordneten Austritt aus
der Europäischen Union Ende Januar 2020 erheblich verbessert wurden.34
31 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020; IMF, World Economic Outlook – Global Man-
ufacturing Downturn, Rising Trade Barriers, Oktober 2019 mit Update Januar 2020; Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, April 2020, S. 7.
32 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020. 33 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht November 2019, S. 54; IMF, World Economic Outlook – The Great Lock-
down, April 2020; IMF, World Economic Outlook – Global Manufacturing Downturn, Rising Trade Barriers, Oktober 2019.
34 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Februar 2020, S. 15.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 31
Im Hinblick auf den unsicheren Verlauf der Corona-Krise und einen weiterhin möglichen
harten Brexit prognostiziert der IMF einen deutlichen Rückgang von rd. 6,5 % des realen
Bruttoinlandproduktes im Jahre 2020 und eine folgende Erholungsbewegung im Jahr
2021 von rd. 4,0 %.
Bezüglich der Entwicklung der Verbraucherpreise werden moderate Steigerungsraten
von 1,2 % und 1,5 % für die Jahre 2020 und 2021 in Aussicht gestellt. Diese liegen deut-
lich unterhalb der ursprünglichen Erwartungen des IMF.35
Im Jahre 2019 stagnierte die Wirtschaftsleistung in Italien und konnte nach einem leich-
ten Rückgang im vierten Quartal um rd. 0,3 % zulegen. Aufgrund der Folgen der Corona-
Pandemie geht der IMF in seinem aktuellsten Report aus April 2020 von einem starken
Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes in Höhe von rd. 9,1 % im laufenden Jahr
aus. Trotz des prognostizierten Wirtschaftswachstums im Jahre 2021 in Höhe von rd.
4,8 %, wird die gegenwärtig erwartete Gegenbewegung den vorausgegangenen Rück-
gang im Jahre 2020 bei weitem nicht ausgleichen können. Für die Verbraucherpreise
erwartet der IMF für die Jahre 2020 und 2021 nur einen leichten Anstieg in Höhe von rd.
0,2 % und rd. 0,7 %.36
In Ungarn befand sich die Wirtschaft im Jahre 2019 aufgrund einer robusten Binnenkon-
junktur sowie der Abkopplung von der mäßigen internationalen Entwicklung in relativ
guter Verfassung. Zudem konnte sich das Coronavirus in Ungarn bis Anfang April ins-
gesamt deutlich weniger ausbreiten als in Westeuropa. Allerdings bestehen für das ver-
arbeitende Gewerbe hohe Abhängigkeiten in die westlichen EU-Staaten. Somit dürfte
Ungarn gegenwärtig sowie im weiteren Verlauf des Jahres 2020 von hohen Nachfrage-
einbrüchen und Produktionsstopps in ähnlichem Umfang betroffen sein.37 Vor diesem
Hintergrund rechnete der IMF auf Basis des veröffentlichten Reports im April 2020 mit
einem starken Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes in Höhe von rd. 3,1 % für
das Jahr 2020 sowie einer Erholungsbewegung in Höhe von rd. 4,2 % für das Jahr 2021.
Bezüglich des Wachstums der Verbraucherpreise wurden nur marginale Anpassungen
des IMF vorgenommen; so rechnet der IMF für die folgenden zwei Jahre mit einem jähr-
lichen Anstieg von rd. 3,3 % und rd. 3,2 %.
In den USA sahen US Unternehmen gemäß Umfragen unter Einkaufmanagern vor dem
Hintergrund abnehmender Handelsspannungen mit China zu Beginn des Jahres 2020
wieder positiver in die Zukunft. Ebenfalls unterstützte die gute Arbeitsmarktlage zu
35 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020; IMF, World Economic Outlook – Global
Manufacturing Downturn, Rising Trade Barriers, Oktober 2019. 36 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020. 37 Vgl. Gemeinschaftsdiagnose, Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen, 1-2020, S. 20.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 32
Jahresbeginn 2020 mit einer Erwerbslosenquote in der Nähe des historischen Tiefstan-
des der letzten 50 Jahre den privaten Verbrauch.38
Jedoch hat sich im Zuge der Corona-Krise die Arbeitsmarktsituation in den USA drama-
tisch umgekehrt, die Arbeitslosenquote lag Ende April 2020 bei 14,4 % nach 3,4 % zum
Jahresende 2019.39 Der IMF erwartete für das Jahr 2020 eine negative Entwicklung des
realen Bruttoinlandproduktes in Höhe von rd. 5,9 % und im darauffolgenden Jahr mit
einer Gegenbewegung in Höhe von rd. 4,7 %.
Bevor sich die Wachstumsrate der Verbraucherpreise im Jahr 2021 in Höhe von rd.
2,2 % wieder normalisieren soll, erwartet der IMF für das aktuelle Jahr signifikante De-
flationseffekte, welche sich in einer Wachstumsrate der Verbraucherpreise in Höhe von
rd. 0,6 % niederschlagen.40
Die von VOLKSWAGEN für die Planung von AUDI vorgegebenen gesamtwirtschaftli-
chen Rahmendaten aus Dezember 2019 orientieren sich der Höhe nach in etwa an den
vorstehend erläuterten, vom IMF getroffenen Vorhersagen vor Berücksichtigung der
Corona-Pandemie mit nur geringfügigen Abweichungen. Sie sind insoweit nach unserer
Beurteilung grundsätzlich angemessen. In Folge der Corona-Pandemie erfolgte eine Ak-
tualisierung der Planung; wir verweisen hierzu auf Abschnitt 3.2.4.1.1. dieses Berichts.
Der AUDI-Konzern ist mit seinem Geschäftsmodell global ausgerichtet, demnach unter-
liegen das operative Geschäft und die Ertragslage des Unternehmens sowohl Risiken
als auch Chancen aus Wechselkursschwankungen. Dies betrifft insbesondere die Wäh-
rungen GBP, USD, CNY, CAD und KRW. Mögliche Fremdwährungsrisiken werden
unter anderem durch Natural Hedging abgesichert, das heißt Umsätze, die in Fremd-
währungen lauten, stehen Aufwendungen der gleichen Währung gegenüber. Darüber
hinaus werden Risiken aufgrund von Fremdwährungspositionen durch laufende Siche-
rungsrisiken im AUDI-Konzern. Im Rahmen unserer Prüfungstätigkeit haben wir für die
aufgeführten Währungen die aus Terminkursen abgeleiteten, aktuell erwarteten Wech-
selkurse (Forward Rate) den in der Planung von AUDI berücksichtigten Wechselkursen
gegenübergestellt.
Das Ergebnis des AUDI-Konzerns ist ferner auch von Rohstoffpreisentwicklungen ab-
hängig. Wesentliche Rohstoffe für den AUDI-Konzern sind auskunftsgemäß Aluminium,
Kupfer, Blei und Nickel. Für diese Rohstoffe werden regelmäßig Sicherungsgeschäfte
38 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Februar 2020, S. 15. 39 Vgl. Statista, USA: Arbeitslosenquote von April 2019 bis April 2020. 40 Vgl. IMF, World Economic Outlook – The Great Lockdown, April 2020.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 33
nach den Organisationsrichtlinien des VOLKSWAGEN-Konzerns abgeschlossen. Hier-
durch soll Planungssicherheit gewährleistet und Preisschwankungsrisiken teilweise be-
grenzt werden. Eine vollständige Absicherung wird jedoch nicht vorgenommen. Im Rah-
men unserer Prüfungstätigkeit haben wir daher für die genannten Rohstoffe die aus Ter-
minkursen abgeleiteten, aktuell erwarteten Wechselkurse (Forward Rate) sowie Analys-
teneinschätzungen den in der Planung von AUDI berücksichtigten Rohstoffpreisen ge-
genübergestellt.
3.2.2.2. Branchenspezifisches Umfeld
3.2.2.2.1. Strukturwandel der Automobilindustrie
Die fortschreitende Urbanisierung, das zunehmende Bewusstsein für Umweltschutz und
Klimawandel, Digitalisierung und der demographische Wandel führen zu einem tiefgrei-
fenden Strukturwandel der Automobilindustrie. Die künftige Mobilität wird von alternati-
ven Antriebstechniken, insb. der Elektrifizierung der Fahrzeuge, Vernetzung, Shared
Mobility-Konzepten und Automatisierung geprägt werden. Diese Entwicklungen können
in Zukunft zu erheblichen, und aktuell noch nicht abschließend vorhersehbaren, Nach-
frage- und Angebotsveränderungen in der Automobilwirtschaft führen und den Erfolg
bisheriger Geschäftsmodelle etablierter Automobilhersteller in Frage stellen. Zudem se-
hen sich etablierte Automobilhersteller aufgrund des Strukturwandels mit einer künftig
grundsätzlich geringeren Wertschöpfungstiefe bei der klassischen Automobilherstellung
sowie dem potenziellen Eintritt neuer Wettbewerber, etwa aus der Internet-/IT-Branche,
konfrontiert.41
Elektrifizierung
Das wachsende Bewusstsein für Umweltschutz und Klimawandel hat in den vergange-
nen Jahren dazu geführt, dass vorwiegend die verkehrsbedingten CO2-Emissionen in
den Mittelpunkt der gesellschaftlichen und politischen Diskussion gelangt sind. Der Ver-
kehrssektor gehört zu den größten Verursachern von Treibhausgasen, insbesondere der
Straßenverkehr ist für einen großen Teil aller CO2-Emissionen verantwortlich. Fahr-
zeuge mit Verbrennungsmotoren verursachen gesundheitsschädliche Luftschadstoffe
wie Stickoxide und Feinstaub, welche besonders in Städten und Ballungsgebieten eine
hohe Konzentration aufweisen. Die Reduktion von Treibhausgas- und Schadstoffemis-
sion stellt daher ein zentrales Handlungsfeld für die Automobilindustrie dar.42 Die wich-
tigsten Treiber dieser Entwicklung sind die zunehmend strengeren regulatorischen
41 Vgl. Friedrich Ebert Stiftung, Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie – Transformation by Disaster oder by
Design?, 03/2018, S. 3; Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wert-schöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 26, 31, 80 u. 90.
42 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050, 02/2020, S.31.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 34
Vorgaben der einzelnen Länder bzw. Regionen. So hat z.B. die EU im Zeitablauf ver-
schärfende sowie bindende Vorgaben für die durchschnittliche CO2-Emission der Her-
stellerflotten verabschiedet. Hiernach sieht die Verordnung Reduktionen der Flotte-
nemissionen ausgehend vom Jahr 2021 bis zum Jahr 2025 um 15,0 % und bis zum Jahr
2030 um 37,5 % vor. Auch in den anderen regional bedeutsamen Teilmärkten wie China,
Großbritannien und den USA gibt es entsprechende Verschärfungen der regulatorischen
Vorgaben.43
Mit der Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte ist bereits festzustellen, dass sich die
OEMs vermehrt auf die Elektrifizierung ihrer Fahrzeuge fokussieren, da die Vorgaben
mittels rein verbrennungsmotorischer Fahrzeuge (im Folgenden auch „ICE“ für „Internal
Combustion Engine“ genannt) faktisch nicht erfüllt werden können.44 Hierbei stehen bei
der Zielerreichung neben der Kombination von klassischen Verbrennungsmotoren mit
Elektromotoren (Hybridlösungen, im Folgenden auch „HEV“ für „Hybrid Electric Vehicle“
genannt), synthetische Treibstoffe, Brennstoffzellenfahrzeuge (Wasserstoffantriebe, im
Folgenden auch „FCEV“ für „Fuel Cell Electric Vehicle“ genannt) sowie batteriebetrie-
bene Elektroautos (im Folgenden auch „BEV“ für „Battery Electric Vehicle“ genannt) in
der Diskussion.45
Im Jahr 2019 lag der Anteil der Neufahrzeuge, die keinen Verbrennungsmotor enthalten,
in China, der EU, Großbritannien und den USA im Durchschnitt bei lediglich rd. 2,4 %.
Mit rd. 99,7 % entfiel davon der weit überwiegende Teil auf batteriebetriebene Elektro-
fahrzeuge (BEV) und nur ein sehr kleiner Teil auf Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV).
Der Anteil der Neufahrzeuge ohne Verbrennungsmotor soll in diesen Märkten bis zum
Jahr 2030 auf rd. 26,8 % steigen. Hiervon soll weiterhin der weitaus größte Teil auf bat-
teriebetriebene Fahrzeuge entfallen. Bei den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor wird
eine Verschiebung zu den sogenannten Mild-Hybrid-Fahrzeugen (MHEV) erwartet, die
im Jahr 2030 einen Anteil an den Neufahrzeugen von rd. 43,9 % haben sollen. Mild-
Hybrid-Fahrzeuge können nicht vollelektrisch gefahren werden, da der Verbrennungs-
motor lediglich durch einen Elektromotor unterstützt wird. Der Anteil der sogenannten
Plug-in-Hybridfahrzeuge, die mit geringer Reichweite auch ausschließlich elektrisch
43 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050,
02/2020, S.37. 44 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050,
02/2020, S. 37f. u. 73; Heiner Stemmer (Baker Tilly), Disruptive Mobilitätstrends – Einsteigen oder auf der Strecke bleiben, 02/2020, S.10.
45 Vgl. Trendwatch des IDW, Die neue Mobilität – Trends und Herausforderungen im Automobilsektor, Positionspa-pier, 02/2020, S. 7.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 35
fahren können, soll bis zum Jahr 2025 auf rd. 5,5 % zunehmen und im Jahr 2030 noch
rd. 5,0 % betragen.46
Auf dem Premiummarkt47 wird in den vorstehend genannten Regionen im Jahr 2030
mit einem Anteil von rd. 38,0 % bzw. rd. 8,2 % ein deutlich höherer Anteil von batterie-
betriebenen Elektrofahrzeugen und Plug-in-Hybridfahrzeugen erwartet. Insbesondere in
China wird mit rd. 46,2 % ein deutlich überdurchschnittlicher Anteil von batteriebetriebe-
nen Elektrofahrzeugen prognostiziert.
Die nachfolgende Abbildung zeigt die Entwicklung der Antriebstechnik auf den Anteil an
Neufahrzeugen auf dem Premiummarkt in China, EU, Großbritannien und USA.48
Für eine erfolgreiche Marktdurchdringung der Elektrofahrzeuge ist die Akzeptanz der
Verbraucher entscheidend. Gegenwärtig werden meist noch die hohen Anschaffungs-
kosten als Grund gegen ein Hybrid- oder Elektrofahrzeug und für ein Fahrzeug mit Ver-
brennungsmotor genannt. Vor allem die signifikanten Kosten für die Batterie treiben die
Preisentwicklung der elektrifizierten Fahrzeuge. Mittelfristig wird aufgrund von Skalenef-
fekten und technologischen Entwicklungen der Lithium-Ionen-Akkumulatoren hier mit
sinkenden Kosten gerechnet.49
46 IHS Markit, Oktober 2019. 47 Premiummarkt hier definiert über die Marken Acura, Audi, BMW, Infiniti, Jaguar, Land Rover, Lexus, Maserati, Mer-
cedes-Benz, Mini, Porsche, Tesla und Volvo. 48 IHS Markit, Oktober 2019. 49 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050,
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 36
Der Umstieg in die Elektromobilität wirkt sich allerdings nicht nur auf das Neufahrzeug-
geschäft, sondern auch auf den sog. Aftersales-Bereich aus. So besteht beispielsweise
der Verbrennungsmotor je nach Komplexität aus ca. 1.400 Teilen, wohingegen sich der
Elektroantrieb aus lediglich ca. 210 Teilen zusammensetzt. Elektrofahrzeuge sind damit
weniger komplex aufgebaut und besitzen grundsätzlich weniger Verschleißteile, welche
im Zeitablauf ersetzt werden müssen.50 Zwar entstehen auch neue Serviceaufgaben,
wie z.B. die regelmäßige Kontrolle der Leistungselektronik und der Austausch der Bat-
teriekühlmittel, jedoch wird in Summe damit gerechnet, dass der Wartungs- und Repa-
raturumfang bei einem Elektrofahrzeug niedriger ausfallen wird, als bisher bei Fahrzeu-
gen mit Verbrennungsmotor.51
Vernetzung
Der demografische Wandel führt neben der Zunahme des Anteils älterer Menschen an
der Gesamtbevölkerung auch zu veränderten Nachfragegewohnheiten der Automobil-
kunden. So werden die künftigen Fahrzeugkäufe vermehrt von Nachfragern dominiert,
welche im Zuge der Digitalisierung mit IT-basierten Angeboten aufgewachsen sind und
den Umgang mit diesen als selbstverständlich ansehen. Infolgedessen werden künftige
Fahrzeuge und Mobilitätsangebote vermehrt mit der Übertragung von Informations- und
Kommunikationsmöglichkeiten und dem damit einhergehenden gesteigerten Komfort
ausgestaltet.52 Hierbei betrifft die Vernetzung der Fahrzeuge zum einen die Kommuni-
kation von Fahrzeugen untereinander sowie mit der Verkehrsinfrastruktur und zum an-
deren die Vernetzung des Fahrzeugführers mit der Außenwelt. Die Kommunikation der
Fahrzeuge mit der Außenwelt stellt zudem die Basis für das autonome Fahren und die
damit verknüpften neuen Mobilitätskonzepte dar.53
Im Zuge der Digitalisierung ist zu beobachten, dass die etablierte Automobilindustrie seit
einigen Jahren bereits mit Internet-/IT-Unternehmen konkurriert. Diese Wettbewerber
verfolgen auf Grundlage ihrer digitalen Kompetenz neue Nutzungskonzepte von Fahr-
zeugen.54 Schätzungen gehen aktuell davon aus, dass der Anteil des Umsatzes durch
50 Vgl. Trendwatch des IDW, Die neue Mobilität – Trends und Herausforderungen im Automobilsektor, Positionspa-
pier, 02/2020, S. 7 und Heiner Stemmer (Baker Tilly), Disruptive Mobilitätstrends – Einsteigen oder auf der Strecke bleiben, 02/2020, S.12; Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 82.
51 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 82.
52 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 32.
53 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 35; Friedrich Ebert Stiftung, Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie – Transformation by Disaster oder by Design?, 03/2018, S. 14.
54 Vgl. Friedrich Ebert Stiftung, Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie – Transformation by Disaster oder by Design?, 03/2018, S. 14; Trendwatch des IDW, Die neue Mobilität – Trends und Herausforderungen im Automobil-sektor, Positionspapier, 02/2020, S. 9.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 37
datenbezogene Dienstleistungen, wie bspw. Apps oder die Nutzung von Entertainment-
angeboten, am Gesamtumsatz der Automobilindustrie künftig deutlich zunehmen
könnte. Insbesondere der Zugang zu großen Datenmengen, welche unter anderem
durch die Vernetzung entstehen, bildet die Grundlage für neue Geschäftsmodelle mit
neuen Umsatz- sowie Wertschöpfungsquellen. So könnte künftig die Möglichkeit beste-
hen, im gesamten Lebenszyklus von Kraftfahrzeugen Kunden individuell zugeschnittene
Fahrzeugfeatures anzubieten, welche wiederum den Automobilmarken zu einer erhöh-
ten Kundenbindung verhelfen könnten.55
Automatisierung
Die zunehmende Ausbreitung und Verstärkung des städtischen Lebens wird bei gegen-
über der Vergangenheit unveränderter Mobilitätsnachfrage zu zunehmenden lokalen
Verkehrsproblemen führen. Mit einer vollautomatisierten Fahrzeugführung könnte hier in
der Zukunft der Verkehrsfluss deutlich verbessert werden. Bereits heute können rein
technologisch homogene und regelhafte Fahrszenarien, wie das Fahren auf Autobahnen
sowie kreuzungsfreien Bundesstraßen, gut umgesetzt werden. Jedoch steht im Ver-
gleich dazu die Ausbreitung des autonomen Fahrens in dichter bewohnten, urbanen Re-
gionen noch vor bedeutenden Hindernissen. Zwar wären hier die Effekte einer effizien-
ten Infrastrukturauslastung und der ökologischen Einsparungen am größten; allerdings
erweist sich gegenwärtig die technologische Umsetzbarkeit aufgrund der komplexen und
gemischten Verkehrssituation als schwierig.56 Zur Etablierung teil- und vollautomatisier-
ter Automobile müssten zudem abschließend gesetzliche Rahmenbedingungen, u.a.
bzgl. Datenschutz, Datensicherheit, Datenzugangsgesetzgebung sowie die Anpassung
von Haftungs-, Zulassungs- und dem Verkehrsrecht geregelt werden. Auch ethische
Grundsatzfragen sind als Voraussetzung für die Umsetzung höherer Stufen des auto-
matisierten Fahrens noch offen.57
Im Hinblick auf die mögliche zukünftige Automatisierung stellt auch der zu erwartende
demografische Wandel eine relevante Einflussgröße dar. Die Veränderung der Alters-
struktur in der Bevölkerung wird auch zu einer Verschiebung der Anforderungen an Mo-
bilitätslösungen führen. So wird etwa für die EU erwartet, dass der Anteil der über 65-
jährigen von ca. 19,0 % im Jahr 2015 auf rd. 30,0 % im Jahr 2050 ansteigen wird. Durch
die Automatisierung von Fahrzeugen könnte die Nutzung von Fahrzeugen auch für ältere
55 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050,
02/2020, S. 92. 56 Vgl. Friedrich Ebert Stiftung, Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie – Transformation by Disaster oder by
Design?, 03/2018, S. 15; Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wert-schöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 32.
57 Vgl. Friedrich Ebert Stiftung, Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie – Transformation by Disaster oder by Design?, 03/2018, S. 15; Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wert-schöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 87.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 38
Menschen länger möglich sein. Dies könnte den Absatz der Automobilhersteller grund-
sätzlich positiv beeinflussen.58
Jedoch sehen sich etablierte Automobilhersteller im Zuge des vernetzten und automati-
sierten Fahrens zunehmend branchenfremden Wettbewerbern sowie einem erhöhten
Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Hier werden auch große Technologiekonzerne unter an-
derem die Software für das autonome Fahren sowie Anwendungen entlang der gesam-
ten Wertschöpfungskette anbieten. So gehen Schätzungen zwar davon aus, dass mit
automatisierten sowie vernetzten Fahrzeugen in ihrer Lebenszeit deutlich mehr Umsatz
erwirtschaftet werden könnte als mit heutigen Fahrzeugen.59 Fraglich ist jedoch, ob die
zusätzliche Wertschöpfung bei den klassischen Automobilherstellern stattfindet.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungstendenzen werden sich erste vollautomati-
sierte sowie insbesondere autonome Automobile wohl erst in der Zukunft nach dem Jahr
2030 etablieren.60 Dennoch sind bereits gegenwärtig Investitionsausgaben sowie ent-
sprechende Kooperationen der OEMs notwendig, um langfristig ihre Position als Inno-
vationstreiber nicht zu verlieren.61
Shared Mobility
Im Zuge von Shared Mobility-Konzepten könnten die zuvor erläuterten Entwicklungsli-
nien in der Automobilbranche zielführend kombiniert werden. So könnten Car-Sharing-
Modelle dazu führen, dem gesteigerten Bewusstsein für Umwelt und Klimawandel ge-
recht zu werden sowie die Herausforderungen einer zunehmenden Urbanisierung bei
begrenzter Verkehrsinfrastruktur Herr zu werden.
Besonders bei der jüngeren Bevölkerung tritt die Bedeutung des Eigentums am Auto-
mobil zunehmend hinter diejenige einer flexiblen Nutzung des Automobils zur Befriedi-
gung der Mobilitätsbedürfnisse.
58 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050,
02/2020, S. 33 und 115; Trendwatch des IDW, Die neue Mobilität - Trends und Herausforderungen im Automobil-sektor, Positionspapier, 02/2020, S. 17.
59 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 90 u. 92.
60 Vgl. LMC, Autonomous Vehicles – The outlook for Autonomous Vehicle sales and their impact to 2050, November 2018, S. 3.
61 Vgl. Friedrich Ebert Stiftung, Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie – Transformation by Disaster oder by Design?, 03/2018, S. 17f.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 39
Bereits heute konnten sich vor allem sog. Carsharing-, Ridesharing- und Ridepooling-
Konzepte als mögliche Mobilitätskonzepte herausbilden.62
So ist etwa in Deutschland die Zahl der Nutzer von Carsharing in den Jahren 2015 bis
2019 stetig um durchschnittlich jährlich rd. 24,0 % gewachsen. Prognosen zu Folge ist
davon auszugehen, dass in der EU bis zum Jahr 2025 voraussichtlich rd. 15,0 % der
verkauften Fahrzeuge gemeinschaftlich über Carsharing-Konzepte genutzt werden
könnten; für China wird sogar mit einem Anteil von mehr als einem Drittel gerechnet.63
Der entscheidende Durchbruch der Shared Mobility-Konzepte wird jedoch erst durch das
vollautomatisierte sowie autonome Fahren erwartet.
Für die Automobilindustrie bedeutet diese Entwicklung, dass künftige Fahrzeugklassen
zunehmend an die neuen Shared Mobility-Konzepte angepasst werden müssen und
künftig ein signifikanter Anteil der automobilen Wertschöpfung im Rahmen dieser neuen
Geschäftsmodelle entstehen könnte.64
Generell führt die Verlagerung vom Fahrzeugbesitz hin zur flexiblen Fahrzeugnutzung
dazu, dass tendenziell mit einem Rückgang des privaten Fahrzeugbesitzes und damit
des Motorisierungsgrades (Bestand Automobile im Verhältnis zu Bevölkerung) zu rech-
nen ist, welche sich im Ergebnis in einer geringeren Absatzzahl der Automobilhersteller
niederschlagen wird. Demgegenüber könnte jedoch die vorstehend dargestellte gestei-
gerte Nutzungsintensität der vorhandenen Fahrzeuge dem Absatzrückgang entgegen-
wirken. Im Ergebnis sind die Auswirkungen neuer Mobilitätskonzepte auf das Konsum-
entenverhalten sowie die Umsätze der Automobilindustrie gegenwärtig noch schwer ab-
schätzbar.65
62 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050,
02/2020, S. 32f. und Trendwatch des IDW, Die neue Mobilität - Trends und Herausforderungen im Automobilsektor, Positionspapier, 02/2020, S. 8.
63 Vgl. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 94f.
64 Vgl. Trendwatch des IDW, Die neue Mobilität – Trends und Herausforderungen im Automobilsektor, Positionspa-pier, 2020, S. 9 und Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöp-fung 2030/2050, 02/2020, S. 32f. u. 53.
65 Vgl. Trendwatch des IDW, Die neue Mobilität – Trends und Herausforderungen im Automobilsektor, Positionspa-pier, 2020, S. 17; Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Automobile Wertschöpfung 2030/2050, 02/2020, S. 53 u. 98f.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 40
3.2.2.2.2. Prognostizierte Absatzentwicklung
Gesamtmarkt
Der Gesamtabsatz66 an Pkws betrug im Jahr 2010 weltweit rd. 72,7 Mio. Fahrzeuge und
konnte sich bis zum Ende des Jahres 2019 auf rd. 89,7 Mio. Fahrzeuge erhöhen. Nach
einem kontinuierlichen Anstieg der jährlichen Absatzzahlen war in den Jahren 2018 und
2019 ein Rückgang fast auf das Niveau des Jahres 2015 zu beobachten. Die jährliche
durchschnittliche Wachstumsrate (CAGR) betrug im Zeitraum der Jahre 2010 bis 2019
rd. 2,4 %.
Vor Berücksichtigung der Auswirkungen aus der weltweiten Corona-Pandemie67
wurde für das Jahr 2025 ein Gesamtabsatz an Pkws in Höhe von rd. 99,8 Mio. Fahrzeu-
gen erwartet. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate im Zeit-
raum der Jahre 2019 bis 2025 in Höhe von rd. 1,8 %. Für den Zeitraum der Jahre 2025
bis 2030 wurde zwar ein weiterer Anstieg erwartet, jedoch soll das durchschnittliche jähr-
liche Wachstum dann auf rd. 1,6 % abnehmen. Im Ergebnis wurde für das Jahr 2030
eine Absatzmenge in Höhe von rd. 108,2 Mio. Fahrzeugen erwartet.
66 Die dargestellten prognostizierten Absatzentwicklungen basieren auf Daten des Informationsdienstleisters IHS
Markit, im Folgenden auch „IHS“ genannt. IHS ist im Bereich Automotive ein führender Anbieter von Branchenda-ten; IHS Daten bilden auskunftsgemäß auch die Grundlage für die Markteinschätzungen im VOLKSWAGEN-Kon-zern. Der Gesamtmarkt umfasst in dem hier dargestellten Umfang auch die Light Commercial Vehicles.
67 Die nachfolgend dargestellten Entwicklungen basieren auf IHS-Daten aus Januar 2020, also vor Berücksichtigung der möglichen Auswirkungen aus der Corona-Pandemie.
70 BMW AG, Geschäftsbericht 2019, S. 84. 71 Vgl. Friedrich Ebert Stiftung, Die Zukunft der deutschen Automobilindustrie – Transformation by Disaster oder by
Design?, 03/2018, S. 3 sowie S. 13; Universität des Saarlandes, Automobile Wertschöpfung 2030/ 2050, Dezember 2019, S. 21 - 23; McKinsey & Company, Race 2050 – A VISION FOR THE EUROPEAN AUTOMOTIVE IN-DUSTRY, Januar 2019, S. 14 -17.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 48
Gemessen an den Absatzzahlen haben nur die Bayerische Motoren Werke Aktienge-
sellschaft (im Folgenden auch „BMW AG“ genannt), München, mit den Marken BMW
und Mini, sowie die Daimler AG (im Folgenden auch „Daimler“ genannt), Stuttgart, mit
der Marke Mercedes-Benz, größere Marktanteile auf dem weltweiten Premium-Automo-
bilmarkt als AUDI.
Der weltweite Marktanteil der drei deutschen Unternehmen verteilte sich im Jahr 2019
wie folgt:
Die BMW AG und Daimler sind nicht nur gemessen an den Marktanteilen die größten
Wettbewerber von AUDI, sondern auch im Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung.
So werden in Fachzeitschriften häufig die äquivalenten Fahrzeugmodelle (z.B. AUDI A6,
BMW 5er und Mercedes E-Klasse) der drei Marken miteinander verglichen.72
Zur BMW AG gehört neben den Premium-Automarken BMW und Mini auch die Luxus-
Automarke Rolls Royce sowie die Motorradmarke BMW.73 Die weltweiten Umsätze der
BMW AG teilten sich nach Geschäftsbereichen ohne Konsolidierungsbereinigungen im
Jahre 2019 wie folgt auf: Automobil € 91.682 Mio. (74,14 %); Motorräder € 2.368 Mio.
Das Produktportfolio der Marke BMW deckt ein breites Spektrum, angefangen von der
Kompaktklasse über SUVs und Sedans der Mittel- und Oberklasse bis hin zu Sportwa-
gen, ab. Neben Fahrzeugen mit reinen Verbrennungsmotoren, werden auch Plug-in-
Hybride sowie rein elektrische Modelle, z.B. der BMW i3, angeboten. Die Marke Mini
konzentriert sich hauptsächlich auf das Premium-Kleinwagensegment und bietet neben
Modellen mit Verbrennungsmotoren ebenfalls Fahrzeuge als Plug-in-Hybrid und mit rein
elektrischen Antrieben an. Das Luxus-Automobilsegment wird wesentlich durch die
Marke Rolls Royce repräsentiert und definiert sich neben dem hohem Qualitäts- sowie
Serviceniveau durch die Spezialisierung auf besondere Kundenwünsche.75 Im Jahre
72 Vgl. Automobilwoche vom 18. Mai 2018: Konkurrenz für Fünfer und E-Klasse - Neue Audi A6 Limousine startet im
Juli. 73 Vgl. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, Geschäftsbericht 2019 – Power of Choice, S. 26. 74 Vgl. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, Geschäftsbericht 2019 – Power of Choice, S. 5. 75 Vgl. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, Geschäftsbericht 2019 – Power of Choice, S. 27.
Ist
2019
Audi 17,9%
BMW (incl. Mini) 25,3%
Mercedes-Benz 26,6%
Insgesamt 69,8%
Quelle: IHS Markit.
Marktanteile im weltweiten
Premium-Automobilmarkt
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 49
2019 wurden rd. 2.538 Tsd. Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert, die sich wie folgt auf die
Marken der BMW AG verteilten: BMW rd. 2.186 Tsd. Fahrzeuge (86,1 % der gesamten
Auslieferungen), Mini rd. 347 Tsd. Fahrzeuge (13,7 % der gesamten Auslieferungen)
und Rolls Royce rd. 5 Tsd. Fahrzeuge (0,2 % der gesamten Auslieferungen).76
Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der BMW AG konzentrieren sich auf die
nomes Fahren, Digitalisierung und Connectivity.77 Bis zum Jahr 2025 möchte die BMW
AG ein Drittel und im Jahre 2030 die Hälfte ihrer Neuwagenflotte in Europa elektrifizie-
ren.78
Das Motorradgeschäft der BMW AG konzentriert sich mit dem Modellangebot derzeit auf
Premium-Motorräder aus den Bereichen Sport, Tour, Roadster, Heritage, Adventure und
Urban Mobility.79 Insgesamt konnten im Jahr 2019 rd. 175 Tsd. Motorräder an Kunden
ausgeliefert werden.80
Daimler ist weltweiter Premiumhersteller von Pkw, Lkw und Bussen. Darüber hinaus bie-
tet Daimler Finanzdienstleistungen und Mobilitätsangebote ergänzend zu ihren Fahr-
zeugprodukten an.81 Daher lässt sich der Konzern, ausgehend von den weltweit erziel-
ten Umsätzen (ohne Konsolidierungen) im Jahre 2019, in fünf Segmente differenzieren:
Mercedes-Benz Cars mit Umsätzen in Höhe von rd. € 93.877 Mio., Daimler Trucks mit
Umsätzen in Höhe von rd. € 40.235 Mio., Mercedes-Benz Vans mit Umsatzerlösen in
Höhe von rd. € 14.801 Mio., Daimler Buses mit Umsätzen in Höhe von rd. € 4.733 Mio.
und Daimler Mobility mit Umsätzen in Höhe von rd. € 28.646 Mio.82
Unter dem Segment Mercedes-Benz Cars werden die Marken Mercedes-Benz und
Smart gefasst. Das Produktportfolio der Marke Mercedes-Benz umfasst ein breites
Spektrum an Fahrzeugen der Kompaktklasse, Sportwagen, Geländewagen und SUVs
sowie Sedans der Mittel- und Oberklasse. Hierbei konzentriert sich Daimler unter ande-
rem auf SUVs, die im Jahr 2019 rd. 33,1 % der abgesetzten Fahrzeuge im PKW-Seg-
ment beider Marken ausmachten. Die Marke Smart bietet hierbei hauptsächlich hoch-
wertige Kleinwagen an. Insgesamt wurden im Jahre 2019 im Mercedes-Benz Cars Seg-
ment rd. 2.385 Tsd. Fahrzeuge ausgeliefert, davon rd. 4,5 % der Marke Smart.83 Die
76 Vgl. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, Geschäftsbericht 2019 – Power of Choice, S. 4. 77 Vgl. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, Geschäftsbericht 2019 – Power of Choice, S. 28 f. 78 Vgl. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, Geschäftsbericht 2019 – Power of Choice, S. 20. 79 Vgl. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, Geschäftsbericht 2019 – Power of Choice, S. 27. 80 Vgl. Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft, Geschäftsbericht 2019 – Power of Choice, S. 4. 81 Vgl. Daimler AG, Geschäftsbericht 2019, S. 60. 82 Vgl. Daimler AG, Geschäftsbericht 2019, S. 70. 83 Vgl. Daimler AG, Geschäftsbericht 2019, S. 60 sowie S. 158.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 50
Fahrzeugmodelle beider Fahrzeugmarken werden zudem unter den Zusatz-Marken
AMG als Performance und Sportwagenmarke, Mercedes-Maybach als Mercedes-Luxus-
marke und EQ als Technologiemarke für die Elektromobilität geführt.84
In der Vergangenheit hat sich das Mercedes-Benz Car Segment auf Fahrzeuge mit Ver-
brennungsmotoren konzentriert, jedoch werden jüngst auch Fahrzeuge mit alternativen
Antriebstechnologien unter dem EQ-Label vertrieben. Das EQ-Label entwickelt die Plug-
in-Hybrid Pkws des Konzerns und bietet seit Mitte 2019 das erste voll elektrische Fahr-
zeug (EQC) der Marke Mercedes-Benz an. Neben den Plug-in-Hybrid Fahrzeugmodel-
len in Verbindung mit Verbrennungsmotoren wird seit November 2018 zudem ein Plug-
in-Hybrid angeboten, der die Brennstoffzellentechnologie mit einer Lithium-Ionen-Batte-
rie kombiniert.85
Daimler möchte im Segment Mercedes-Benz Cars mehr als 50 % des Portfolios bis zum
Jahre 2030 mit Plug-in-Hybriden sowie rein elektrischen Antrieben ausstatten. Hierbei
setzt der Konzern unter anderem auch auf brennstoffzellen-/ wasserstoffbasierte An-
triebssysteme.86
Die Tesla Inc. ist in erster Linie Entwickler und Hersteller von innovativen Elektrofahr-
zeugen und elektrischen Antriebskomponenten im Premiumsegment.87 Im Jahr 2019 bot
Tesla folgende Personenkraftwagen an: Model 3 als Mittelklasse-Elektrolimousine, Mo-
del S als Oberklasse-Elektrolimousine und Model X ein Oberklasse-Elektro-SUV. Kumu-
liert konnte Tesla rd. 368 Tsd. Fahrzeuge im Jahr 2019 absetzen; davon entfielen über
81,8 % auf die Mittelklasse-Limousine Model 3.88 In naher Zukunft soll das Produktport-
folio durch folgende Modelle ergänzt werden: Modell Y, ein Mittelklasse-Elektro-SUV und
Tesla Roadster, ein elektrischer Sportwagen. Neben den Personenkraftwagen möchte
Tesla zukünftig auch zwei Nutzfahrzeuge, den Cybertruck (Pick-Up) und den Tesla Semi
(Truck), anbieten.89 Der Jahresumsatz im Jahr 2019 in Höhe von rd. € 21.901 Mio. wurde
zu 93,8 % im Automotive-Geschäftsbereich erzielt.90 Mit den jährlichen Gesamtabsatz
an Fahrzeugen und den bislang erzielten negativen EBIT-Margen wird deutlich, dass
sich Tesla noch in einer Entwicklungsphase befindet. Im Jahr 2019 hatte Tesla dennoch
bereits einen Marktanteil auf dem weltweiten Premiummarkt von rd. 3,8 %. Im chinesi-
schen Markt entfielen sogar rd. 95,1 % der batteriebetriebenen Elektrofahrzeuge im
84 Vgl. Daimler AG, Geschäftsbericht 2019, S. 60. 85 Vgl. Daimler AG, Geschäftsbericht 2019, S. 160 f. 86 Vgl. Daimler AG, Geschäftsbericht 2019, S. 161. 87 Vgl. Tesla Inc., Form 10- K 2019, S. 1. 88 Vgl. Tesla Inc., Presentation: Q4 and FY 2019 Update; S. 6. 89 Vgl. Tesla Inc., Form 10- K 2019, S. 2. 90 Vgl. Tesla Inc., Form 10- K 2019, S. 49.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 51
Premiumsegment auf Tesla. Bis zum Jahr 2025 wird ein Anstieg des Marktanteils von
Tesla auf dem weltweiten Premiummarkt auf rd. 5,5 % erwartet.91
Für Lamborghini sind unter anderem die Luxus-Marken Ferrari, Aston Martin, McLaren
und Porsche wesentliche Wettbewerber. Die Marke Ferrari ist mit seinem Produktange-
bot an Supersportwagen in jedem Preissegment von Lamborghini vertreten, darüber hin-
aus soll zusätzlich bis spätestens Ende 2022 der Ferrari Purosangue (SSUV) als ein
Konkurrenzprodukt zum Lamborghini Urus auf den Markt kommen.92 Aston Martin bietet
ähnlich wie Lamborghini seine Luxusmodelle in vergleichbaren Preissegmenten an, ist
jedoch im Hinblick auf das Produktportfolio mehr auf Gran Turismo als Supersport aus-
gerichtet; mit dem Aston Martin DBX wird auch ein SSUV angeboten.93 Im Gegensatz
dazu ist der Luxushersteller McLaren mit seinem Produktportfolio ausschließlich auf den
Super-Sportwagenmarkt spezialisiert.94 Ähnlich wie seine Wettbewerber ist Porsche mit
seinen Super-Sportwagen und Super SUVs in diversen Preisklassen vertreten.95 Jedoch
bietet die Marke Porsche neben dem Luxus-Segment auch Fahrzeuge im gehobenen
Premiumsegment an, wie z.B. den Porsche Boxster oder Cayman, weshalb eine unmit-
telbare Vergleichbarkeit mit Lamborghini nicht gegeben ist.
Die Motorräder der Marke Ducati erzielten nach unternehmenseigenen Analysen im
Jahr 2019 einen weltweiten Marktanteil von rd. 5,3 %. Nach den uns vorliegenden Un-
terlagen von Ducati hatten die Marken Harley-Davidson (22,4 %), BMW (14,0 %), Ya-
maha (11,9 %), Kawasaki (11,6 %) und Honda (9,9 %) im Jahr 2019 zusammen rd. 70 %
Anteil am weltweiten Markt für Motorräder mit mehr als 500ccm. Im Jahr 2019 konnten
insbesondere BMW, Honda und KTM Marktanteilsgewinne verzeichnen. Der Marktführer
Harley-Davidson verlor hingegen Marktanteile. Dies resultierte unter anderem aus der
negativen Entwicklung des US-amerikanischen Marktes, dem Hauptmarkt von Harley-
Davidson.96
Einen Großteil des Ergebnisses erzielt Ducati mit großen Motorrädern, bei denen BMW
der zentrale Wettbewerber ist. Bei den kleineren Motorrädern sind als direkte Wettbe-
werber insbesondere Yamaha, Kawasaki und KTM zu nennen.
91 Quelle: IHS Markit. 92 Vgl. auto motor sport vom 21. September 2018, Die ersten Infos zum SUV von Ferrari. 93 Vgl. Aston Martin Lagonda Global Holdings, Annual Report 2019, S. 16. 94 Vgl. McLaren Holdings Limited, Interim financial statement 31 December 2019, S. 3. 95 Vgl. Porsche AG, Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht, 2019, S. 19. 96 Vgl. Thomson Reuters vom 28. Januar 2020, Harley-Davidson´s sales growth struggle sends shares tumbling.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 52
3.2.3. Bewertungsstichtag
Nach § 327b Abs. 1 S. 1 AktG ist maßgeblicher Bewertungsstichtag der Tag der Haupt-
versammlung der AUDI Aktiengesellschaft, in der der Beschluss zur Übertragung der
Aktien gefasst werden soll. Die Hauptversammlung von AUDI ist für den 31. Juli 2020
vorgesehen.
Als technischer Bewertungsstichtag wurde vom Bewertungsgutachter der 31. Dezember
2019 gewählt. Dementsprechend wurden die geplanten ausschüttungsfähigen Ertrags-
überschüsse zunächst auf diesen Tag abgezinst und anschließend auf den 31. Juli 2020
mit dem maßgeblichen Diskontierungssatz aufgezinst.
Diese Vorgehensweise ist unseres Erachtens sachgerecht.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 53
3.2.4. Ermittlung der zu diskontierenden Ertragsüberschüsse
3.2.4.1. Unternehmensplanung
3.2.4.1.1. Planungssystematik und -prozess
Der AUDI-Konzern ist in den Steuerungsprozess des VOLKSWAGEN-Konzerns, wel-
cher alle konsolidierten Gesellschaften des VOLKSWAGEN-Konzerns beinhaltet, einge-
bunden. In diesem Zusammenhang initiiert und gibt der VOLKSWAGEN-Konzern grund-
sätzlich den Planungsprozess vor, welcher in sogenannten Planungsrunden (im Fol-
genden auch „PR“ genannt) mit jährlich fortlaufender Nummerierung stattfindet. Dabei
werden die Wertschöpfungsketten und Organisationsstrukturen, sowie die in Abstim-
mung definierten Vorgaben und Planungsinhalte des VOLKSWAGEN-Konzerns ent-
sprechend berücksichtigt. In einem Prämissen-Set gibt VOLKSWAGEN in diesem Zu-
sammenhang konzernweit Vorgaben an die Konzerngesellschaften, u.a. in Bezug auf
die anzusetzenden, aufgrund von Analysen erwarteten makroökonomischen Daten, wie
etwa die erwarteten Zins-, Währungs- und Rohstoffpreisentwicklungen.
Im Rahmen der Planungsrunde wird grundsätzlich zwischen der strategischen Planung
(im Folgenden auch „SP“ genannt), die einen Zeitraum von zehn Jahren umfasst, und
der daraus abgeleiteten operativen Planung (im Folgenden auch „OP“ genannt), die ei-
nen Zeitraum von fünf Jahren umfasst, unterschieden. Die strategische Planung wird
jeweils vom letzten Quartal des Vorjahres bis Ende April des laufenden Geschäftsjahres
vom AUDI-Konzern entwickelt. Nach Freigabe der SP an VOLKSWAGEN schließt sich
die operative Planung an, welche im zweiten und dritten Quartal des laufenden Ge-
schäftsjahres entwickelt und schließlich im Herbst für die nächsten fünf Jahre vom Vor-
stand der AUDI Aktiengesellschaft bestätigt und vom Aufsichtsrat der AUDI Aktienge-
sellschaft zur Kenntnis genommen wird.
Seit 2019 werden im sog. „Strategy Summit“ die strategischen Ziele des Konzerns eruiert
und in der langfristigen Absatzplanung von zehn Jahren fixiert. Im sogenannten „Target
Summit“ werden die dafür notwendigen Ressourcen im Rahmen der Mittelfristplanung
validiert.
Die strategischen Planungen werden im VOLKSWAGEN-Konzern am sog. Markengrup-
pentag präsentiert, eine Verabschiedung durch den VOLKSWAGEN-Konzern findet nur
für die operative Planung statt.
Die Planungsrechnungen resultieren grundsätzlich aus einem mehrstufigen Top-Down-
Bottom-Up-Prozess, der in die Geschäftsfelder und zugehörigen Bereiche bzw. inner-
halb der Bereiche in die jeweiligen nachgelagerten strategischen Geschäftsbereiche/-
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 54
einheiten unterteilt wird. Sie werden nach den Bilanzierungsvorschriften der International
Financial Reporting Standards („IFRS“) erstellt, wobei die strategische Planung eine
Plan-Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine Plan-Kapitalflussrechnung umfasst, für
die operative Planung wird zusätzlich eine detaillierte Bilanzplanung erstellt.
Wesentliche Elemente der strategischen Planung sind das Produktprogramm, die Ab-
satzplanung sowie die Planung der Produktion an den verschiedenen Standorten.
Im sogenannten „Cycle Plan“ werden die einzelnen Modelle mit Start und Ende der Pro-
duktion sowie den grundsätzlichen Produktprämissen festgelegt. Der Cycle Plan ist Ba-
sis der langfristigen Absatzplanung (im Folgenden auch „LAP“ genannt) und wird für die
regionalen Märkte in Deutschland, USA, Brasilien, China und Indien detailliert geplant.
In der LAP werden daraus für einen Zeitraum von zehn Jahren die Absatzvolumina für
diese sowie weitere 63 Märkte ausgeplant. Die für die LAP relevanten zukünftigen Er-
wartungen zur Entwicklung der Marktvolumina für einzelne Regionen werden von
VOLKSWAGEN anhand von Marktstudien analysiert und AUDI für die Ableitung der Ab-
satzplanung zur Verfügung gestellt.
Ausgehend von der Absatzplanung erfolgt die Kapazitäts- und Auslastungsplanung für
die Belegung der einzelnen Produktionsstandorte. Bei auftretenden Kapazitätsengpäs-
sen werden entweder Erweiterungsinvestitionen eruiert oder der Absatzplan entspre-
chend angepasst.
In einem nächsten Schritt erfolgt die Planung der Investitionen sowie der Forschungs-
und Entwicklungsprojekte unter Beachtung des Cycle Plans sowie des Produktions-
plans. Budgetbeschränkungen hinsichtlich der Investitionen und Forschungsaufwendun-
gen können wiederum zu Anpassungen der anderen Planungsbestandsteile u.a. auch
des Cycle Plans führen.
Die Personalplanung basiert auf dem abgeleiteten Produktionsplan, wird auf Konsistenz
zu den übrigen Teilplänen geprüft und führt dort ggf. zu weiteren Anpassungen.
Die in einem iterativen Prozess aufeinander abgestimmten Teilpläne werden in den Fi-
nanzplan, welcher aus der Planung der Gewinn- und Verlustrechnung, der geplanten
Kapitalflussrechnung – und im Fall der OP der Bilanzplanung – besteht, übertragen. Im
gesamten Planungsprozess werden auch verschiedene Szenarien und Sensitivitäten
wichtiger Einflussfaktoren, bspw. Währungs-, Volumen- und Mix- und Substitutions-Ef-
fekte, betrachtet.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 55
Analog zu dem Planungsprozess bei AUDI erstellen auch Ducati und Lamborghini zu-
nächst jeweils eigenständige Planungen. Diese orientieren sich grundsätzlich an den
Vorgaben und Erstellungsprämissen im VOLKSWAGEN-Konzern und in Abstimmung
mit AUDI.
Gleiches gilt grundsätzlich für die at-Equity bilanzierten Gesellschaften FAW-VW, SAIC
und Tianjin (vgl. Abschnitt 3.2.1.2. dieses Berichts zu diesen Gesellschaften). Diese Ge-
sellschaften werden dezentral geplant und fließen mit ihrem anteiligen Ergebnisbeitrag
in die AUDI Unternehmensplanung ein. Die Ergebnisplanung dieser Gesellschaften wird
dabei vom jeweiligen lokalen Board mit den chinesischen Joint-Venture-Partnern abge-
stimmt. Die ebenfalls als at-Equity bilanzierten AUDI Mehrmarken-Vertriebsgesellschaf-
ten Audi Volkswagen Korea Ltd., Audi Volkswagen Middle East FZE, Audi Volkswagen
Taiwan Co., Ltd. und Volkswagen Group Italia S.p.A. werden von AUDI hinsichtlich der
Absatzdaten für Fahrzeuge der Marke Audi und vom Konzernvertriebscontrolling von
VOLKSWAGEN hinsichtlich der übrigen Marken des VOLKSWAGEN-Konzerns geplant
(vgl. Abschnitt 3.2.1.2. dieses Berichts zu diesen Gesellschaften).
Aus der verabschiedeten operativen Planung wird für das erste Planjahr ein verbindli-
ches Budget zur finanziellen Steuerung abgeleitet und auf Monatsbasis detailliert aus-
geplant. Mithilfe von verschiedenen Steuerungsinstrumenten – wie etwa Soll-Ist-Analy-
sen, Vorjahresvergleichen oder Abweichungsanalysen – wird der Zielerreichungsgrad
des Budgets dann monatlich im Rahmen einer Vorausschätzung verfolgt und überprüft.
Die aktuell vorliegende operative Planung der letzten Planungsrunde (im Folgenden
auch „PR68.OP“), wurde im Sommer 2019 durch den AUDI und VOLKSWAGEN Vor-
stand verabschiedet und im November 2019 durch den AUDI und VOLKSWAGEN Auf-
sichtsrat zur Kenntnis genommen. Die PR68.OP beruht demnach auf allgemeinen Prä-
missen aus dem Frühjahr 2019. Zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Squeeze-Out Ver-
langens am 28. Februar 2020 hat sich AUDI bzw. der VOLKSWAGEN-Konzern im Rah-
men der Planungsrunde 69 in der strategischen Planung (im Folgenden auch „PR69.SP“
genannt) befunden. Die Corona-Pandemie hat den Planungsprozess im VOLKSWA-
GEN-Konzern beeinflusst. In Folge der erhöhten Prognose-Unsicherheit durch die Pan-
demie hat der VOLKSWAGEN-Konzern auf den üblichen Detaillierungsgrad der strate-
gischen Planung verzichtet und ein reduziertes Datenpaket von AUDI angefordert. Zu
diesem Zeitpunkt waren für den gesamten Planungsprozess der PR69.SP wesentliche
Teilpläne, wie der Cycle Plan und die langfristige Absatzplanung, welche in die strategi-
sche Planung einfließen, bei AUDI bereits fertiggestellt. Ausgehend von den bereits er-
stellten Teilplanungen hat AUDI die strategische Planung im Rahmen des üblichen
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 56
Vorgehens daher vervollständigt. Die strategische Planung wurde am 20. April 2020
durch den AUDI Vorstand verabschiedet.
Für Zwecke der Bewertung wurde die strategische Planung PR69.SP um eine Konzern-
Bilanzplanung bis zum Jahr 2025 von AUDI ergänzt.
Die PR69.SP berücksichtigte noch keine Auswirkungen der Corona-Pandemie. Der Vor-
stand von AUDI hatte bereits vor Freigabe der PR69.SP eine Überplanung (sog. „Over-
lay-Planung“) beauftragt, welche dann im Mai 2020 zur Verfügung gestellt wurde. Die
Overlay-Planung berücksichtigt insbesondere vom Vertrieb abgeschätzte, regional diffe-
renzierte Volumenanpassungen für die Jahre 2021 und 2022. Die Overlay-Anpassungen
basieren auf der Entwicklung der ersten vier Monate des Jahres 2020 sowie erweiterten
Markteinschätzungen aufgrund der Corona-Pandemie. Die Ergebnisse des ersten Quar-
tals 2020 haben die Vorstände von VOLKSWAGEN und AUDI am 16. April 2020 dazu
veranlasst, ihre Ausblicke für das laufende Geschäftsjahr 2020 zurückzunehmen und
eine Gewinnwarnung auszusprechen.
Die angepasste strategische Planung von AUDI wurde auf dem Markengruppentag am
26. Mai 2020 dem VOLKSWAGEN-Konzern vorgestellt.
Vor diesem Hintergrund hat der Bewertungsgutachter zur Ableitung des Ertragswerts auf
eine Detailplanungsphase abgestellt, die die Jahre 2020 bis 2025 umfasst. Die Detail-
planungsphase beruht dabei für die Planjahre 2021 bis 2025 auf der zuvor beschriebe-
nen PR69.SP unter Berücksichtigung des Corona-Overlay vom 26. Mai 2020. Die Be-
schränkung der verwendeten Planzahlen der PR69.SP auf den Zeitraum bis 2025 be-
gründet PwC damit, dass die strategische Planung danach nur noch mit vereinfachen-
den Prämissen ausgeplant ist. Für das erste Jahr des Detailplanungszeitraums stellt der
Bewertungsgutachter auf die Vorausschätzung Szenario 4+8 (im Folgenden auch „VS
4+8“ genannt) ab, die auf der eingetretenen Ergebnisentwicklung bis April 2020 aufsetzt.
Wir haben die Planungssystematik nachvollzogen und in Stichproben auf rechnerische
und inhaltliche Konsistenz in zeitlicher Hinsicht, im Hinblick auf den Zusammenhang zwi-
schen Plan-Gewinn- und Verlustrechnung und Planbilanz sowie den Zusammenhang
zwischen Detailplänen geprüft. Die materiellen Planungsprämissen haben wir uns von
Mitarbeitern der Gesellschaft erläutern lassen und – soweit möglich – gegen die Markt-
und Wettbewerbserwartung gespiegelt sowie auf inhaltliche Konsistenz geprüft. Ebenso
haben wir analysiert, ob sich aus der vergangenen Entwicklung Anhaltspunkte gegen
die Plausibilität der Planung ergeben.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 57
Wir halten die Entscheidung des Bewertungsgutachters, grundsätzlich auf die PR69.SP
abzustellen und dabei den Zeitraum bis 2025 zu berücksichtigen für sachgerecht.
Vor dem Hintergrund des anlassunabhängigen Planungszyklus von AUDI liegt bis zum
Bewertungsstichtag am 31. Juli 2020 keine verabschiedete aktuelle PR69.OP vor. Ein
anlassbezogenes Vorziehen der operativen Planung ist vor dem Hintergrund der kom-
plexen und aufwendigen Planungsschritte praktisch nicht umsetzbar. Zwar ist der Ag-
gregationsgrad der strategischen Planung gegenüber der operativen Planung grund-
sätzlich höher; der Informationsgehalt der einzelnen Teilpläne der strategischen Planung
ist nach unserer Einschätzung für die vorzunehmende Unternehmensbewertung jedoch
ausreichend. Aufgrund der Aktualität der strategischen Planung PR69.SP unter Berück-
sichtigung des Corona-Overlay ist diese der auf veralteten Prämissen basierenden
PR68.OP vorzugswürdig. Die Beschränkung der Detailplanung bis zum Jahr 2025 ist vor
dem Hintergrund, dass die Ausplanung der PR69.SP für die Folgejahre mit vereinfacht
abgeleiteten Prämissen erfolgt (beispielsweise berücksichtigt die strategische Planung
nur bereits beschlossenen Modellen im Cycle-Plan und enthält keine weiteren Überle-
gungen zu zukünftigen Modellen; auch weitere Programme zur Kostenreduzierung oder
Effizienzsteigerung sind in den Folgejahren nicht explizit enthalten) sachgerecht.
Soweit der Bewertungsgutachter aus bewertungssystematischen Gründen oder im Rah-
men seiner Plausibilisierung Anpassungen der Planung von AUDI vorgenommen hat,
verweisen wir auf die Abschnitte 3.2.4.4., 3.2.4.5. und 3.2.4.6. unseres Prüfungsberichts.
Für die zweite Phase der sog. ewigen Rente hat PwC in Abstimmung mit AUDI das ab
dem Jahr 2026 nachhaltig erwartete Ergebnisniveau abgeleitet; wir verweisen auf Ab-
schnitt 3.2.4.7. unseres Prüfungsberichts.
Insgesamt halten wir die der Bewertung von AUDI zugrunde gelegte Planungsrechnung
vor dem Hintergrund des Geschäftsmodells sowie unserer Analysen zum Planungspro-
zess und zur Planungssystematik grundsätzlich für geeignet, um daraus den Zukunfts-
erfolgswert von AUDI abzuleiten.
3.2.4.1.2. Analyse der Planungsgüte
Im Rahmen unserer Prüfungstätigkeit haben wir die Planungsgüte der Gesellschaft in
der Vergangenheit analysiert. Hierzu haben wir die Budgetwerte der Geschäftsjahre
2017 bis 2019 den realisierten Ist-Werten gegenübergestellt:
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 58
Die Dieselthematik hat im betrachteten Zeitraum die Ergebnisse von AUDI deutlich ne-
gativ beeinflusst und war so in den Budget-Planungen nicht vorhergesehen worden. Aus
diesem Grunde haben wir neben dem operativen Ergebnis das in den Geschäftsberich-
ten von AUDI dargestellte Ergebnis vor Sondereinflüssen in die Darstellung aufgenom-
men (vgl. auch Abschnitt 3.2.4.2.3. dieses Berichts).
Im Geschäftsjahr 2017 erzielte der AUDI-Konzern Umsatzerlöse in Höhe von
€ 59.789 Mio. und lag damit rd. 2,9 % unter dem geplanten Budget in Höhe von
€ 61.600 Mio. Die Abweichung resultierte mit rd. € - 2.300 Mio. im Wesentlichen aus
einem geringeren Fahrzeugvolumen, was teilweise durch andere Sachverhalte, insbe-
sondere Währungseffekte in Höhe von € 578 Mio., kompensiert wurde. Statt des geplan-
ten Absatzes von rd. 1.943 Tsd. Fahrzeugen wurden im Geschäftsjahr 2017 insgesamt
rd. 1.878 Tsd. Fahrzeuge abgesetzt. Die Abweichung resultierte insbesondere aus Aus-
lieferungen in Südkorea, wo es zu zulassungsbedingten Verkaufsbeschränkungen kam,
sowie China und Russland.
Das operative Ergebnis des AUDI-Konzerns erreichte im Geschäftsjahr 2017
€ 4.671 Mio., dies entspricht einer operativen Umsatzrendite von rd. 7,8 %. Darin ent-
halten sind Sondereinflüsse im Zusammenhang mit der Dieselthematik von insgesamt
€ − 387 Mio. Bereinigt um diese Sondereinflüsse lag das operative Ergebnis bei
€ 5.058 Mio. und die operative Umsatzrendite bei rd. 8,4 %. Im Budget 2017 wurde eine
operative Umsatzrendite von rd. 8,5 % geplant. Die Abweichung zwischen dem um Son-
dereinflüsse bereinigten Ergebnis und dem budgetierten Ergebnis liegt bei € 203 Mio.
Im Geschäftsjahr 2018 lag der Umsatz des AUDI-Konzerns mit € 59.248 Mio. insgesamt
€ - 5.852 Mio. unter den geplanten Umsatzerlösen in Höhe von € 65.100 Mio. Die nega-
tive Abweichung resultierte im Wesentlichen aus einem reduzierten Absatz sowie Ver-
änderungen im Modellmix. Als Folge der Einführung des Prüfzyklus WLTP kam es zu
einer Anpassung des Modellportfolios sowie einem temporär eingeschränktem Ver-
kaufsangebot. Insgesamt wurden rd. 110 Tsd. Fahrzeuge weniger abgesetzt wie budge-
tiert.
Der AUDI-Konzern erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2018 ein operatives Ergebnis in
Höhe von € 3.529 Mio., was einer operativen Umsatzrendite von rd. 6,0 % entspricht.
koprämie und Betafaktor), die Ertragssteuerbelastung des Investors und einen Wachs-
tumsabschlag korrigiert wird.
In den unter dem Datum vom 25. März 2020 veröffentlichten „Fachlichen Hinweisen des
Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (im Folgenden
auch „FAUB“), Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf Unternehmensbe-
wertungen“ wird darauf hingewiesen, dass bisher keine Gründe für eine Änderung der
Methodik zur Ableitung des Kapitalisierungszinssatzes erkennbar sind.
Wir haben uns mit der Vorgehensweise des Bewertungsgutachters zur Ermittlung des
Kapitalisierungszinses wie folgt auseinandergesetzt:
3.2.5.2. Basiszins
Die Bemessung des Basiszinssatzes orientiert sich nach herrschender Auffassung an
den zu erwartenden Renditen von festverzinslichen Wertpapieren der öffentlichen
Hand.97 Bei der Ableitung einer quasi-risikolosen Alternativanlage ist zusätzlich zu be-
achten, dass diese auch fristenadäquat zu einer zeitlich unbegrenzten Unternehmensin-
vestition ist. Da solche Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit am deutschen Kapitalmarkt
97 Vgl. u.a. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 8. Auflage, S. 163.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 92
nicht vorliegen, kann nach Empfehlungen des FAUB (vormals Arbeitskreis Unterneh-
mensbewertung oder auch „AKU“) aus der zum Bewertungsstichtag beobachtbaren
Zinsstrukturkurve eine Schätzung des Basiszinssatzes auf der Grundlage von aktuellen
Zinsstrukturdaten abgeleitet werden.98
Für die Ableitung des Basiszinssatzes im Rahmen der Bewertung von AUDI wurde von
einer Schätzung der künftigen durchschnittlichen Zinsstrukturkurve auf Grundlage von
Zinsstrukturdaten ausgegangen, die von der Deutschen Bundesbank bereitgestellt wer-
den. Hierzu wurden entsprechend der Empfehlung des FAUB Durchschnittsgrößen über
einen Dreimonatszeitraum erhoben.99
PwC ermittelt auf diese Weise entsprechend den berufsständischen Empfehlungen ei-
nen gerundeten einheitlichen Basiszins in Höhe von 0,00 %.
Wir haben den angesetzten Basiszins durch eigene Berechnungen entsprechend den
Empfehlungen des FAUB anhand der Zinsstrukturkurve auf Grundlage der Zinsstruktur-
daten der Deutschen Bundesbank überprüft.
Bei den veröffentlichten Zinsstrukturdaten handelt es sich um Schätzwerte, die auf der
Grundlage beobachteter Umlaufrenditen von Kuponanleihen (Bundesanleihen, Bun-
desobligationen, Bundesschatzanweisungen) ermittelt werden.
Um kurzfristige Marktschwankungen sowie mögliche Schätzfehler insbesondere im Be-
reich der langfristigen Zinssätze zu glätten, haben wir eine Durchschnittsbildung vorge-
nommen. Hierzu wurden entsprechend der Empfehlung des FAUB Durchschnittsgrößen
über einen Dreimonatszeitraum erhoben.100
In der Bewertungspraxis wird in der Regel vereinfachend aus der Zinsstrukturkurve ein
für alle Perioden einheitlicher Basiszinssatz abgeleitet.
In den Empfehlungen des FAUB wird zur Ableitung eines einheitlichen Basiszinssatzes
aus der Zinsstrukturkurve ein typisierter, durchgängig um 1 % p.a. wachsender Ertrags-
strom unterstellt. Wir haben in eigenen Berechnungen überprüft, inwieweit sich der hie-
raus abgeleitete barwertäquivalente einheitliche Basiszinssatz von dem Basiszinssatz
unterscheidet, der sich auf Basis des individuellen Ertragsstroms von AUDI ergibt.
98 IDW-Fachnachrichten Nr. 1-2/2005, S. 70. 99 IDW-Fachnachrichten Nr. 8/2005, S. 555. 100 IDW-Fachnachrichten Nr. 8/2005, S. 555.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 93
Für einen Dreimonatszeitraum unmittelbar vor Abschluss unserer Prüfungstätigkeit,
ergibt sich nach unseren Berechnungen nach der zuvor beschriebenen Methodik ein
einheitlicher Basiszinssatz in Höhe von - 0,01 %.
Der aus den veröffentlichten Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank für die Er-
mittlung des einheitlichen Basiszinssatzes im Rahmen objektivierter Unternehmensbe-
wertungen abgeleitete Basiszins wird nach Empfehlungen des FAUB grundsätzlich auf
¼ %-Punkte gerundet, um den Eindruck einer Scheingenauigkeit zu vermeiden. Auf-
grund des anhaltenden Niedrigzinsumfeldes empfiehlt der FAUB bei einem aus den
Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank abgeleiteten Zinssatz von weniger als
1,0 % eine Rundung auf 1/10-Prozentpunkte vorzunehmen.101
Unter Berücksichtigung der berufsständischen Rundungsregeln auf 1/10-Prozentpunkte
ergibt sich nach unseren Berechnungen ein Basiszins von 0,00 %.
Im Ergebnis halten wir den bei der Bewertung von AUDI angesetzten einheitlichen Ba-
siszinssatz in Höhe von 0,00 % vor persönlichen Ertragsteuern für sachgerecht.
Zum Zeitpunkt der Hauptversammlung der AUDI Aktiengesellschaft sind unter anderem
die aktuellen Zinskonditionen erneut zu ermitteln, um zu prüfen, ob sich aufgrund zwi-
schenzeitlich eingetretener Zinsänderungen eine geänderte Beurteilung der Angemes-
senheit der Barabfindung ergibt.
Vor dem Hintergrund der Höhe des mit 0,00 % ermittelten einheitlichen Basiszinssatzes
vor persönlichen Ertragsteuern, ist der im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigende
einheitliche Basiszinssatz nach persönlichen Ertragsteuern ebenfalls bei 0,00 %.
3.2.5.3. Risikozuschlag
3.2.5.3.1. Vorbemerkungen
Ein unternehmerisches Engagement ist stets mit Risiken und Chancen verbunden, so-
dass sich die künftigen finanziellen Überschüsse nicht mit Sicherheit prognostizieren
lassen. Aus Sicht eines risikoaversen Anlegers hat ein unsicherer Zahlungsstrom einen
geringeren Wert als ein sicherer Zahlungsstrom mit identischem Erwartungswert. Die
Übernahme dieser unternehmerischen Unsicherheit bei der Geldanlage in Unternehmen
(Anlagerisiko) lassen sich Marktteilnehmer durch Risikoprämien (Risikozuschläge) auf
den Basiszinssatz abgelten.
101 IDW life, Ausgabe 8/2016, S. 623, „Rundung beim Basiszinssatz vor dem Hintergrund des Niedrigzinsumfeldes“.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 94
Zur Bemessung des Risikozuschlags wäre grundsätzlich auf die individuelle Risikoprä-
ferenz eines Anteilseigners abzustellen. Bei einer Vielzahl von Anteilseignern ist es prak-
tisch unmöglich, die individuelle Risikoeinstellung jedes einzelnen Anteilseigners abzu-
fragen. Daher ist es im Rahmen der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte üblich,
zur Bemessung des Risikozuschlags auf Kapitalmarktmodelle zurückzugreifen. Hier-
durch wird es möglich, die Risikopräferenz einer Vielzahl von Anlegern, die sich über
Angebot und Nachfrage in den Preisen für Wertpapiere niederschlägt, abzubilden.
Die marktgestützte Ermittlung des Risikozuschlags erfolgt in Theorie und Bewertungs-
praxis sowie entsprechend IDW S 1 regelmäßig unter Anwendung des Capital Asset
Pricing Model (CAPM). Das CAPM beruht auf einem Vergleich der unternehmensindivi-
duellen Aktienrendite und der Rendite des Marktportfolios. Hiernach wird der unterneh-
mensindividuelle Risikozuschlag als Produkt aus der sog. Marktrisikoprämie und der un-
ternehmensindividuellen Risikohöhe, dem sog. Betafaktor, berechnet.
3.2.5.3.2. Marktrisikoprämie
Die Marktrisikoprämie entspricht der Differenz aus der Rendite eines Marktportfolios und
einer quasi-risikolosen Wertpapieranlage und stellt praktisch die vergütete Überrendite
dar, die für die Anlage in riskanten Wertpapieren gegenüber quasi-risikolosen Anleihen
vom Markt gewährt wird.
Die Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte beruht bei gesetzlichen Bewertungs-
anlässen entsprechend IDW S 1 auf einer Betrachtung nach persönlichen Ertragsteuern
der Anteilseigner, da nur die Ertragsströme bewertungsrelevant sind, die den Anlegern
tatsächlich zugutekommen. Als Anteilseigner wird dabei typisierend eine inländische,
unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person unterstellt, die die Anteile im Privatver-
mögen hält.
Das CAPM berücksichtigt in seiner ursprünglichen Ausprägung keine persönlichen Er-
tragsteuern. Diese wirken sich aber auf die zu beobachtenden Aktienrenditen und damit
die Marktrisikoprämie aus. Eine Erklärung der empirisch beobachtbaren Aktienrenditen
erfolgt durch das Tax-CAPM, welches das CAPM um die explizite Berücksichtigung der
Wirkungen persönlicher Ertragsteuern erweitert.
Im Schrifttum und in der Bewertungspraxis ist seit Jahren umstritten, welche Kapital-
marktuntersuchungen eine geeignete Grundlage für die Ableitung einer im Rahmen von
Unternehmensbewertungen unter Anwendung des CAPM zu berücksichtigende Markt-
risikoprämie darstellen.102 Die Höhe der aus beobachtbaren historischen Marktdaten
102 Vgl. IDW, WPH Edition, Bewertung und Transaktionsberatung, 2018, Abschnitt A, Tz. 382ff. m.w.N.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 95
ableitbaren Marktrisikoprämie ist von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, so z.B. von
der Art der Durchschnittsbildung, dem Betrachtungszeitraum, dem Renditeintervall und
der Berücksichtigung der Ertragsteuern.103 Die zu bestimmende zukünftige Marktrisi-
koprämie stellt damit infolge der Uneinheitlichkeit in Bezug auf die Erhebung der Ver-
gangenheitsdaten und der Unsicherheit bezüglich der Fortschreibbarkeit der ermittelten
Werte in der Zukunft stets eine Schätzgröße dar.
Der FAUB hielt es auf Basis empirischer Untersuchungen, die explizit die Auswirkungen
des Halbeinkünfteverfahrens auf die Höhe der Marktrisikoprämie berücksichtigen, für
sachgerecht, wenn bei Unternehmensbewertungen mit Stichtagen ab dem 1. Januar
2005 eine Marktrisikoprämie nach Steuern von 5 % bis 6 % für den deutschen Markt
zugrunde gelegt wurde.104 Diesen empirisch ermittelten Schätzwerten liegt eine Auftei-
lung der Gesamtrendite eines Aktienportfolios in eine beim Aktionär steuerpflichtige Di-
videndenrendite und eine steuerfreie Kursrendite zugrunde. Dies entspricht nicht mehr
dem seit dem Veranlagungszeitraum 2009 und danach aktuell gültigen Steuersystem
der Abgeltungssteuer, in dem Kursgewinne mit dem gleichen Nominalsteuersatz belegt
sind wie Dividendenerträge. Die Effektivbesteuerung von Kursgewinnen liegt jedoch
(aufgrund längerer durchschnittlicher Haltedauern) unterhalb der von jährlich anfallen-
den Dividendenerträgen.
Am 3. Dezember 2009 veröffentlichte der FAUB Hinweise zu den Auswirkungen der Fi-
nanzmarkt- und Konjunkturkrise auf Unternehmensbewertungen.105 In diesem Zusam-
menhang führte er aus, dass seit Einführung der Abgeltungssteuer durch die Unterneh-
menssteuerreform 2008 eine Marktrisikoprämie von 4,0 % bis 5,0 % nach persönlichen
Ertragsteuern für sachgerecht erachtet wird. Der FAUB stellte weiter dar, dass die Band-
breite der Marktrisikoprämie unter Bezugnahme auf einen langfristigen Betrachtungs-
zeitraum abgeleitet worden sei, in dem unterschiedliche Konjunkturzyklen bereits be-
rücksichtigt seien. Er sehe deshalb vor dem Hintergrund der seinerzeitigen Entwicklun-
gen an den Kapitalmärkten keinen Anlass, die Höhe der Marktrisikoprämie anzupassen.
Im Ergebnisbericht über die 104. Sitzung des FAUB vom 22. März 2011 wurde die Höhe
der Marktrisikoprämie erneut problematisiert. Unter Bezugnahme auf einen im Dezem-
ber 2010 bei 3,0 % liegenden Basiszins bestand nach Ansicht des FAUB kein Grund,
die Vorgehensweise bei der Ermittlung des Basiszinssatzes oder der Marktrisikoprämie
zu verändern.
103 Vgl. Reese, Schätzung von Eigenkapitalkosten für die Unternehmensbewertung, 2007, S. 30. 104 IDW-Fachnachrichten Nr. 1-2/2005, S. 71. 105 IDW-Fachnachrichten Nr. 12/2009, S. 696 ff.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 96
In den Hinweisen „zu den Auswirkungen der aktuellen Kapitalmarktsituation auf die Er-
mittlung des Kapitalisierungszinssatzes“ vom 10. Januar 2012106 empfahl der FAUB im
Zusammenhang mit der damals beobachtbaren erhöhten Unsicherheit am Kapitalmarkt
und der damit zum Ausdruck kommenden gestiegenen Risikoaversion zu prüfen, ob die-
ser Situation mit dem Ansatz der Marktrisikoprämie am oberen Rand der bis dahin emp-
fohlenen Bandbreite von 4,0 % bis 5,0 % (nach persönlichen Ertragsteuern) Rechnung
zu tragen war. Dies sollte grundsätzlich für alle Bewertungsanlässe gelten, jedoch konn-
ten abhängig von der Situation des einzelnen Bewertungsfalls im Rahmen der eigenver-
antwortlichen Beurteilung durch den Bewerter weitergehende Überlegungen angezeigt
sein.
In seinen Hinweisen „zur Berücksichtigung der Finanzmarktkrise bei der Ermittlung des
Kapitalisierungszinssatzes in der Unternehmensbewertung“ vom 19. September 2012107
erläuterte der FAUB, dass die damalige Situation an den Kapitalmärkten nicht der Kons-
tellation, wie sie im Durchschnitt für die Vergangenheit zu beobachten war, entspräche.
Bei der Prognose der Marktrisikoprämie seien durch die Finanzmarktkrise veränderte
Einflussparameter, insbesondere eine veränderte Risikotoleranz, zu berücksichtigen, so
dass sich im Vergleich zu den letzten Jahren derzeit höhere Marktrisikoprämien recht-
fertigen ließen. Der FAUB hielt es vor diesem Hintergrund für sachgerecht, sich damals
bei der Bemessung der Marktrisikoprämie nach persönlichen Steuern an einer Band-
breite von 5,0 % bis 6,0 % zu orientieren. Er werde schließlich die Einflussfaktoren zur
Bemessung des Kapitalisierungszinssatzes auch weiterhin regelmäßig in seinen Sitzun-
gen analysieren und bei Veränderungen die Empfehlung entsprechend aktualisieren.
Der Basiszins lag im unmittelbaren zeitlichen Umfeld zu diesem FAUB-Hinweis bei rd.
2,25 % vor persönlichen Ertragssteuern (vereinfachend auf das Ende des dritten und
vierten Quartals 2012 berechnet).
Insbesondere vor dem Hintergrund eines abermals seitdem stark gesunkenen Basis-
zinssatzes und der damit zum Ausdruck kommenden gestiegenen Risikoaversion stellte
der FAUB in seiner 134. Sitzung am 29. Mai 2019 die Frage, ob sich Handlungsbedarf
dahingehend ergab, die Empfehlungen zur Marktrisikoprämie anzupassen. Nach der
Analyse des FAUB wurde danach in der Gesamtschau noch kein Handlungsbedarf ge-
sehen, die Empfehlungen zur Marktrisikoprämie anzupassen. Vor dem Hintergrund der
aktuellen Kapitalmarktsituation empfahl der FAUB, bei Unternehmensbewertungen vor
persönlichen Steuern zu prüfen, ob dieser Situation mit dem Ansatz der Marktrisikoprä-
mie am oberen Rand der empfohlenen Bandbreite Rechnung zu tragen sei.
106 IDW-Fachnachrichten Nr. 2/2012, S. 122. 107 IDW-Fachnachrichten Nr. 10/2012, S. 568 f.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 97
Am 25. Oktober 2019 wurden schließlich „Neue Kapitalkostenempfehlungen des FAUB“
veröffentlicht,108 in denen erläutert wird, dass die Kapitalkostenempfehlungen anzupas-
sen sind, wenn die bisherigen Empfehlungen insgesamt zu Kapitalkosten führen, die
nicht mehr zu den empirischen Beobachtungen am Kapitalmarkt passen. Der risikolose
Zinssatz (Basiszins) von rd. null Prozent würde auf Grundlage der alten Empfehlung für
die Marktrisikoprämie vor persönlichen Steuern von 5,5 % bis 7,0 % gleichzeitig bedeu-
ten, dass im Bewertungskalkül von einer Gesamtrenditeerwartung für den Markt in eben
dieser Höhe ausgegangen würde. Nach Ansicht des FAUB liegt bei vorsichtiger Gesamt-
würdigung aller Analysen die nominale Gesamtrendite des Marktes indes eher in einer
Bandbreite von 7,0 % bis 9,0 %. Aus diesem Grund hat der FAUB in seiner Sitzung am
22. Oktober 2019 beschlossen, seine Empfehlung für die Marktrisikoprämie vor persön-
lichen Steuern auf 6,0 % bis 8,0 % anzuheben. Der FAUB weist darauf hin, dass er sich
damit tendenziell am unteren Ende beobachtbarer Gesamtrenditen orientiert, um der
Möglichkeit Rechnung zu tragen, dass diese im Zeitablauf wieder leicht nachgeben
könnten. Dies führte auch zu einer entsprechenden leichten Anpassung der Empfehlung
für die Marktrisikoprämie nach persönlichen Steuern auf eine Bandbreite von nunmehr
5,0 % bis 6,5%.
Der Bewertungsgutachter hat eine Marktrisikoprämie nach persönlichen Steuern in Höhe
des Mittelwertes der vom FAUB aktuell empfohlenen Bandbreite in Höhe von 5,75 %
angesetzt.
Zur Höhe der bei der Bewertung von AUDI angesetzten Marktrisikoprämie haben
wir folgende Feststellungen getroffen:
Nach unserer Einschätzung ist derzeit in Theorie und Bewertungspraxis nicht abschlie-
ßend geklärt, wie sich das gegenüber der Vergangenheit deutlich verringerte Zinsniveau
auf die Höhe der Marktrisikoprämie nach persönlichen Steuern auswirkt.
Veröffentlichte Untersuchungen109 stützen die Auffassung des FAUB, dass das gegen-
über der Vergangenheit gesunkene Zinsniveau eine gegenüber der Vergangenheit ge-
stiegene Marktrisikoprämie bedeutet.
In der Rechtsprechung liegt mittlerweile eine Reihe von oberlandesgerichtlichen Ent-
scheidungen vor, die die Anhebung der Marktrisikoprämie im Zuge der Finanz- und
108 IDW, Neue Kapitalkostenempfehlung des FAUB vom 25.10.2019, https://www.idw.de/idw/idw-aktuell/neue-kapi-
talkostenempfehlungen-des-faub/120158. 109 Wagner/Mackenstedt/Schieszl/Lenckner/Willershausen, Auswirkungen der Finanzmarktkrise auf die Ermittlung des
Kapitalisierungszinssatzes in der Unternehmensbewertung, WPg Heft 19/2013, S. 948 ff.; Gleißner, Die Marktrisi-koprämie: stabil oder zeitunabhängig, WPg Heft 5/2014, S. 258 ff.; Castedello/Jonas/Schieszl/Lenckner, Die Marktri-sikoprämie im Niedrigzinsumfeld, WPg Heft 13/2018, S. 806 ff.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 98
Wirtschaftskrise akzeptieren.110 Darüber hinaus wird in der überwiegenden Rechtspre-
chung betont, dass eine eindeutige Festlegung der Marktrisikoprämie nach dem aktuel-
len Stand der Wirtschaftswissenschaften empirisch nicht möglich sei111 bzw. dass es
keine mit Eindeutigkeit festzustellende Marktrisikoprämie gebe.112 Deshalb handele es
sich bei der Marktrisikoprämie stets um eine mit Zweifeln behaftete Schätzung, deren
tatsächliche Höhe nicht abschließend ermittelt werden könne und die dementsprechend
trotz jahrelanger intensiver Diskussion in betriebswirtschaftlichen Kreisen weiterhin un-
geklärt sei.113
Wir haben die vom Bewertungsgutachter angesetzte Marktrisikoprämie nach persönli-
chen Steuern daher durch eigene Berechnungen zu tatsächlich erzielten und implizit
erwarteten Marktrenditen in der Vergangenheit unter Heranziehen der deutschen Indizes
CDAX und DAX plausibilisiert.
Die grundlegende Problematik der Analysen zur Marktrisikoprämie liegt – abgesehen
von eher technischen Fragestellungen zur konkreten Berechnung – zum einen darin,
dass die Marktrisikoprämie als Differenz von Marktrenditen und risikolosem Zins nur in-
direkt, d.h. über die Parameter Marktrendite und risikoloser Zins, ableitbar ist und am
Markt nicht unmittelbar gemessen bzw. beobachtet werden kann. Zum anderen ist für
Zwecke der Unternehmensbewertung nicht die aus historischen Daten ableitbare Markt-
risikoprämie relevant, vielmehr die künftig erwartete.
Betrachtet man Studien zu historischen Marktrisikoprämien, werden in diesen die Markt-
risikoprämien im Allgemeinen aus historischen Marktrenditen und historischen Renditen
für Staatsanleihen abgeleitet. Historische Renditen würden sich dann als Schätzer für
die Zukunft eignen, wenn zum Bewertungsstichtag eine zur betrachteten Vergangenheit
vergleichbare Situation erwartet wird. Der risikolose Zinssatz liegt aktuell für viele Lauf-
zeiten im negativen Bereich; der einheitliche Basiszinssatz liegt im Bereich von null. Dies
ist keine zur längeren Vergangenheit vergleichbare Situation. Die unreflektierte Übertra-
gung des aus historischen Daten abgeleiteten Niveaus der Marktrisikoprämie als
110 Vgl. z.B. Hanseatisches OLG vom 30. Juni 2016, 13 W 75_14 (Bewertungsstichtag 18. Dezember 2012); OLG Celle
vom 17. Juni 2016, 9 W 42_16; OLG Frankfurt am Main v. 26. Januar 2017, 21 W 75/15; OLG Dresden vom. 16. August 2017, 8 W 244/17; OLG Düsseldorf vom. 30. April 2018, I 26 W 4/16 AktE.
111 Vgl. OLG Düsseldorf vom 14. Dezember 2017, I-26 W 8/15 [AktE]; OLG Düsseldorfvom 15. August 2016, I-26 W 17/13 [AktE]; OLG Düsseldorf vom 25. Mai 2016, I-26 W 2/15 [AktE]; OLG Karlsruhe vom 23. Juli 2015, 12a w 4/15; OLG Stuttgart vom 4. Mai 2011, 20 W 11/08.
112 Vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 8. September 2016, 21 W 36/15; OLG Karlsruhe vom 23. Juli 2015, 12a w 4/15; KG Berlin vom 19. Mai 2011, 2 W 154/08.
113 Vgl. OLG Düsseldorf vom 14. Dezember 2017, I-26 W 8/15 [AktE]; OLG Düsseldorf vom 15. August 2016, I-26 W 17/13 [AktE]; OLG Frankfurt am Main vom 7. Juni 2011, 21 W 2/11; OLG Karlsruhe vom 18. Mai 2016, 12a W 2/15; vom 23. Juli 2015, 12a w 4/15.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 99
Schätzung der künftigen Marktrisikoprämie ist daher aktuell aus unserer Sicht kritisch zu
sehen.
Bei einem alternativen Ansatz wird zunächst die künftige reale bzw. nominale Marktren-
dite geschätzt und anschließend aus dieser die künftige Marktrisikoprämie unter Berück-
sichtigung des zum Bewertungsstichtag bestehenden Zinsniveaus abgeleitet. 114 Die
Schätzung der künftigen realen bzw. nominalen Marktrendite erfolgt hierbei in der Regel
ebenfalls auf Grundlage von historischen Daten oder „ex-ante“ anhand von impliziten
Marktrenditen. Eine sachgerechte Schätzung der künftigen Marktrisikoprämie auf Basis
historischer Marktrenditen setzt voraus, dass sich die Marktrenditen trotz des deutlichen
Rückgangs des Zinsniveaus im Zeitablauf nicht entsprechend verringert haben.
Vor diesem Hintergrund haben wir, wie nachfolgend dargestellt wird, zunächst die zu-
Auch vor diesem Hintergrund halten wir es daher für vertretbar, von zukünftig konstanten
realen Marktrenditen im Vergleich zur Vergangenheit auszugehen.
Unter Berücksichtigung von aktuellen langfristigen Inflationserwartungen in Deutschland
zwischen rd. 0, 5 % und rd. 0,9 %117 ergibt sich somit eine Bandbreite für die nominale
Marktrendite von rd. 7,0 % bis rd. 8,4 %. Unter Berücksichtigung des aktuellen Basis-
zinssatzes von rd. 0,00 % erhält man damit Marktrisikoprämien vor persönlichen Steuern
zwischen ebenfalls rd. 7,0 % und rd. 8,4 %.
Unsere Analysen bestätigen somit zum Bewertungsstichtag grundsätzlich in etwa die
vom FAUB hierzu aktuell genannte Bandbreite von 7,0 % bis 9,0 % für die nominale
Gesamtrendite vor persönlichen Steuern.
Da die Ableitung der Barabfindung auf Grundlage einer Unternehmensbewertung nach
persönlichen Steuern erfolgt, haben wir ergänzend analysiert, ob der vom
116 Deutsche Börse AG, Leitfadem zu den Aktienindizes der Deutschen Börse AG, Mai 2018, S. 15. 117 Abgeleitet aus der Renditedifferenz von inflationsindexierten Staatsanleihen und nicht-inflationsindexierten Staats-
anleihen.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 102
Bewertungsgutachter angesetzte Wert zur Marktrisikoprämie nach persönlichen
Steuern in Höhe von 5,75 % zu unseren vorstehend dargestellten Analyseergebnissen
der Marktrendite bzw. Marktrisikoprämie vor persönlichen Steuern überleitbar ist.
Ausgehend von einer angenommenen Ausschüttungsquote des Marktes in Höhe von
50 % und unter Berücksichtigung des aktuell gültigen Abgeltungssteuersystems sowie
des ermittelten einheitlichen Basiszinssatzes ergibt sich die in der folgenden Tabelle
dargestellte Überleitung:
Die angesetzte Marktrisikoprämie nach persönlichen Ertragssteuern in Höhe von 5,75 %
entspricht nach dieser Überleitung einer nominalen Marktrendite vor persönlichen Steu-
ern in Höhe von 7,17 %, die am unteren Ende der sowohl von uns plausibilisierten als
auch vom FAUB aufgezeigten Bandbreite liegt.
Unter der nach unserer Ansicht begründbaren Annahme langfristig weitgehend konstan-
ter bzw. im Vergleich zum Basiszinssatz deutlich unterproportional sinkender realer
Marktrenditen ist die angesetzte Marktrisikoprämie in Höhe von 5,75 % somit in dem
aktuellen Zinsumfeld angemessen innerhalb einer vertretbaren Bandbreite.
3.2.5.3.3. Betafaktor
Die für ein Marktportfolio geschätzte Risikoprämie ist entsprechend dem CAPM im Hin-
blick auf die spezielle Risikostruktur des zu bewertenden Unternehmens anzupassen.
Die unternehmensindividuelle Risikohöhe ermittelt sich aus der Korrelation der Rendite
1 erwartete nominale Marktrendite vor pers. Steuern 7,17%
2 pers. Steuer (19,78 %) * 1,42%
3 erwartete nominale Marktrendite nach pers. Steuern 5,75%
4 Basiszinssatz vor pers. Steuern 0,00%
5 pers. Steuer (26,375 %) ** 0,00%
6 Basiszinssatz nach pers. Steuern 0,00%
7 erwartete Marktrisikoprämie nach pers. Steuern (= 3-6) 5,75%* Unterstellt, dass die Marktrendite zu 50 % als Dividende ausgekehrt wird und insoweit der
Abgeltungssteuer in Höhe von 26,375 % (incl. SolZ) unterliegt und zu 50 % als
Kursgewinn dem hälftigen Abgeltungssteuersatz in Höhe von 13,1875 % unterliegt.
** Unterstellt, dass ein positiver Basiszins vor persönlichen Ertragssteuern um 26,375 %
Abgeltungssteuer zu kürzen ist, um den Basiszins nach persönlichen Ertragssteuern zu
erhalten. Bei einem negativen Basiszinssatz erfolgt keine Berücksichtigung von
persönlichen Steuern.
AUDI
Erwartete Marktrisikoprämie
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 103
des Bewertungsobjekts zur Rendite des Marktportfolios und wird im sog. Betafaktor aus-
gedrückt.
Die auf Grundlage von Kapitalmarktdaten erhobenen Betafaktoren umfassen sowohl die
operativen Risiken als auch die Finanzierungsrisiken eines Unternehmens. In der Be-
wertungspraxis ist es daher grundsätzlich üblich, zunächst einen sog. unverschuldeten
Betafaktor abzuleiten, der ausschließlich die operativen Risiken eines Unternehmens
widerspiegelt (sog. „unlevern“). Der Einfluss der Finanzierung auf die Unsicherheit der
künftigen finanziellen Überschüsse wird dann in einem zweiten Schritt unter Berücksich-
tigung der individuellen Verschuldungssituation des Bewertungsobjektes berücksichtigt
(sog. „relevern“).
Bei der Bewertung von AUDI wurde von PwC ein Betafaktor in Höhe von 0,9 zugrunde
gelegt.
Hierzu haben wir folgende Feststellungen getroffen:
Eigener Betafaktor der AUDI Aktiengesellschaft
Für die AUDI Aktiengesellschaft ist es aufgrund der am Kapitalmarkt gebildeten Aktien-
kurse grundsätzlich möglich, Betafaktoren für die Vergangenheit abzuleiten.
Der Bewertungsgutachter kommt zu dem Ergebnis, dass der originäre Betafaktor von
AUDI angesichts des geringen Streubesitzes, geringen Handelsvolumens und relativ ho-
hen Geld-Brief-Spanne nicht als aussagekräftig aufgefasst werden kann. Weiterhin weist
er darauf hin, dass aufgrund des bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungs-
vertrags zwischen VOLKSWAGEN und AUDI der eigene Betafaktor nicht das operative
Risiko von AUDI reflektiert. Er ist damit konzeptionell nicht sachgerecht, um einen risi-
koäquivalenten Kapitalisierungszins zu dem zu bewertenden Zahlungsstrom von AUDI
zu ermitteln.
Wir haben eigene Analysen zum Betafaktor der AUDI Aktiengesellschaft durchgeführt.
Die Ermittlung des historischen Betafaktors erfolgt grundsätzlich durch Regression zwi-
schen Aktienrenditen und der Rendite eines Index als Schätzer für das Marktportfolio.
Bei der Nutzung historischer Betafaktoren als Anhaltspunkt ist zu beobachten, dass
diese je nach gewähltem
• Beobachtungszeitraum,
• Renditeintervall (auf Tages-, Wochen- oder Monatsbasis) und
• Vergleichsindex
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 104
zum Teil stark schwanken und daher in Bezug auf die Abschätzung für die Unterneh-
mensbewertung gegebenenfalls anzupassen sind.
Die Wahl des Renditeintervalls ist mit der Festlegung des Beobachtungszeitraums ver-
bunden, da zur Ermittlung eines aussagekräftigen Betafaktors über eine Regressions-
analyse mindestens eine bestimmte Anzahl von Datenpunkten benötigt wird. Aufgrund
schwankender Umsätze und möglicher Sondereinflüsse wird einerseits von der Verwen-
dung täglicher Renditen abgeraten. Bei längeren Intervallen – etwa Monaten oder Jah-
ren – können andererseits hingegen nur bei sehr langen Beobachtungszeiträumen aus-
reichend viele Datenpunkte ermittelt werden. Diese bergen wiederum die Problematik in
sich, dass aufgrund struktureller Brüche der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder
der sich im Zeitablauf ändernden Unternehmensstrategie keine Vergleichbarkeit für die
Zukunft unterstellt werden kann.
Bei der Ermittlung des Betafaktors der AUDI Aktiengesellschaft haben wir auf Beobach-
tungszeiträume von zwei bis fünf Jahren mit wöchentlichen Renditeintervallen und auf
einen Beobachtungszeitraum von fünf Jahren mit monatlichen Renditeintervallen abge-
stellt. Als Endpunkt der betrachteten Beobachtungszeiträume haben wir den 27. Februar
2020 berücksichtigt, da ab dem folgenden Handelstag der Aktienkurs der AUDI Aktien-
gesellschaft durch die Bekanntgabe des Übertragungsverlangens von VOLKSWAGEN
beeinflusst wurde und insoweit von der allgemeinen Marktentwicklung abgekoppelt
war.118
Durch den Vergleichsindex soll das in der Theorie des CAPM unterstellte Marktportfolio
näherungsweise abgebildet werden. Das Marktportfolio besteht modelltheoretisch aus
allen weltweit vorhandenen riskanten Anlagemöglichkeiten, die mit ihrem Anteil am
Marktwert des gesamten Portfolios gewichtet sind. Da es nicht beobachtbar ist, wird in
der Praxis der Unternehmensbewertung auf einen möglichst breiten Aktienindex abge-
stellt. Hinsichtlich der Eignung unterschiedlicher Indizes besteht in Theorie und Bewer-
tungspraxis keine Einigkeit. Die Bezugnahme auf einen breiten deutschen Index hat den
Vorteil, Konsistenz zur Ableitung der Marktrisikoprämie zu erlangen. Die Bezugnahme
auf einen weltweiten Index hat den Vorteil, dass dieser relativ breit und damit einem
Marktportfolio im theoretischen Sinne angenähert ist. Durch Bezugnahme auf einen
möglichst breiten Landesindex wird regionalen Schwankungen entsprochen und Verzer-
rungen aus Wechselkursverwerfungen zwischen der Aktiennotierung und dem Index
werden vermieden.
118 Großfeld/Egger/Tönnes, Recht der Unternehmensbewertung, 8. Auflage, S. 229.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 105
Als Vergleichsindex haben wir sowohl auf den CDAX als landesbreitesten Aktienindex
in Deutschland als auch den MSCI World Index, einen weltweiten Index, abgestellt.
Zur Beurteilung der Belastbarkeit eines ermittelten Betafaktors wird in Teilen von Litera-
tur, Rechtsprechung und Bewertungspraxis auf den so genannten t-Test abgestellt, um
die statistische Signifikanz des Betafaktors abzuleiten. Andere Literaturmeinungen119
lehnen die Bewertung der Belastbarkeit eines Betafaktors anhand des t-Tests ab. Der t-
Test gibt Auskunft darüber, inwieweit die unabhängige Variable (Marktrendite) Einfluss
auf die abhängige Variable (Aktienrendite) hat. Ein t-Wert für den jeweiligen Regressor
(Rendite des Aktienindexes) wird empirisch aus dem Regressionskoeffizienten Betafak-
tor und dessen Standardfehler berechnet.
In der Bewertungspraxis wird die statistische Signifikanz von Betafaktoren oftmals auch
anhand des Bestimmtheitsmaßes R² überprüft. R² ist ein Maß für die Güte der statisti-
schen Regression. Es beschreibt, welcher Teil der Aktienrendite durch die Marktrendite
erklärt wird. Ein R² in Höhe von beispielsweise 0,4 bedeutet, dass ein Anteil von 40 %
der Variation der Aktie durch den Markt erklärt wird.
Unabhängig von der Frage, ob die Heranziehung des t-Tests und die daraus abgeleitete
statistische Signifikanz als Gütekriterium der Belastbarkeit eines Betafaktors geeignet
sind, haben wir die ermittelten Beta-Werte der AUDI Aktiengesellschaft anhand des t-
Tests auf statistische Signifikanz überprüft.
Die folgenden Tabellen zeigen die von uns ermittelten Betafaktoren der AUDI Aktienge-
sellschaft:
119 Vgl. z.B. Franken/Schulte, Beurteilung der Eignung von Betafaktoren mittels R2 und t-Test: Ein Irrweg?, WPg 2010,
S. 1110 ff.
AUDI
Betafaktorenanalyse, 1 Jahr, wöchentlichRaw Beta Beta (unv.) t-Test R
2 Standardfehler
CDAX Index (Total Return) 0,08 0,10 nicht sig. 0,02 0,08
MSCI World Index 0,00 0,00 nicht sig. 0,00 0,10
Arithmetisches Mittel 0,04 0,05 0,01 0,09
AUDI
Betafaktorenanalyse, 2 Jahre, wöchentlichRaw Beta Beta (unv.) t-Test R
2 Standardfehler
CDAX Index (Total Return) 0,49 0,60 sig. 0,18 0,10
MSCI World Index 0,53 0,65 sig. 0,15 0,12
Arithmetisches Mittel 0,51 0,63 0,17 0,11
AUDI
Betafaktorenanalyse, 3 Jahre, wöchentlichRaw Beta Beta (unv.) t-Test R
2 Standardfehler
CDAX Index (Total Return) 0,47 0,59 sig. 0,16 0,09
MSCI World Index 0,53 0,67 sig. 0,14 0,10
Arithmetisches Mittel 0,50 0,63 0,15 0,10
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 106
Der Betafaktor der AUDI Aktiengesellschaft ist in jedem der betrachteten Beobachtungs-
zeiträume, die mit dem 27. Februar 2020 enden, statistisch signifikant.
Sowohl in der aktuellen Literatur als auch in der Bewertungspraxis und Rechtsprechung
wird ergänzend bzw. an Stelle der statistischen Gütekriterien auf die Liquidität der be-
trachteten Aktie abgestellt, wenn die Eignung eines Betafaktors beurteilt werden soll.120
Wir haben daher für die Aktien der AUDI Aktiengesellschaft eine Liquiditätsanalyse
durchgeführt. Hierbei haben wir für den Zeitraum von 5 Jahren vor dem 28. Februar
2020, getrennt nach Jahresscheiben, folgende Liquiditätskennziffern ermittelt:
• Relation aus Tagen mit Handel der Aktie der AUDI Aktiengesellschaft zu mögli-
chen Börsentagen
• Relative Geld-/Briefspanne (Bid-Ask-Spread) im arithmetischen Mittel
• Täglicher Handelsumsatz in Euro im arithmetischen Mittel
Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse der Liquiditätsanalyse:
Wenngleich es keine Vorgaben für absolute Grenzwerte der betrachteten Liquiditäts-
kennziffern in Literatur und Rechtsprechung gibt, kann die so gemessene Liquidität der
Aktie der AUDI Aktiengesellschaft dahingehend interpretiert werden, dass die
120 Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, 2. Auflage, S. 167 ff.; OLG
Stuttgart, 4. Mai 2011, 20 W 11/08; OLG Stuttgart, 17. März 2010, 20 W 9/08.
AUDI
Betafaktorenanalyse, 4 Jahre, wöchentlichRaw Beta Beta (unv.) t-Test R
2 Standardfehler
CDAX Index (Total Return) 0,37 0,48 sig. 0,12 0,07
MSCI World Index 0,46 0,59 sig. 0,12 0,09
Arithmetisches Mittel 0,42 0,53 0,12 0,08
AUDI
Betafaktorenanalyse, 5 Jahre, wöchentlichRaw Beta Beta (unv.) t-Test R
2 Standardfehler
CDAX Index (Total Return) 0,39 0,50 sig. 0,10 0,07
MSCI World Index 0,43 0,56 sig. 0,07 0,10
Arithmetisches Mittel 0,41 0,53 0,09 0,08
AUDI
Betafaktorenanalyse, 5 Jahre, monatlichRaw Beta Beta (unv.) t-Test R
2 Standardfehler
CDAX Index (Total Return) 0,43 0,55 sig. 0,15 0,13
MSCI World Index 0,43 0,55 sig. 0,10 0,17
Arithmetisches Mittel 0,43 0,55 0,12 0,15
AUDI
Liquidität der Aktie
27.02.2020 bis
28.02.2019
27.02.2019 bis
28.02.2018
27.02.2018 bis
28.02.2017
27.02.2017 bis
28.02.2016
27.02.2016 bis
28.02.2015
Handelstage in % der Börsentage 98,8% 98,4% 96,4% 99,6% 100,0%
Ø Bid-Ask Spread pro Tag in % 1,08% 1,19% 0,79% 0,51% 0,70%
Handelsumsatz pro Tag in € 49.205 64.809 88.062 87.826 140.010
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 107
Aussagekraft des Betafaktors aufgrund der geringen absoluten Handelsumsätze und
des an nicht allen Handelstagen erfolgenden Handels, eingeschränkt sein kann.
Nach unserer Einschätzung ist der unternehmenseigene Betafaktor der AUDI Aktienge-
sellschaft jedoch unabhängig von den Ergebnissen der vorstehenden Analysen kein ge-
eigneter Maßstab, um die mit dem Geschäftsmodell von AUDI einhergehenden künftigen
systematischen Risiken abzuleiten.
Wie unter Abschnitt 3.1.4. dieses Berichts dargestellt, besteht seit dem Jahr 1971 ein
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der VOLKSWAGEN AKTIEN-
GESELLSCHAFT und der AUDI Aktiengesellschaft. Der unternehmenseigene Betafak-
tor von AUDI spiegelt insoweit die Risiken wider, die sich hieraus ergeben. Wenngleich
in dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag eine variable Ausgleichszahlung
vereinbart wurde, hängt die Höhe dieser nicht unmittelbar von der Geschäftsentwicklung
von AUDI, sondern von den Dividendenzahlungen der VOLKSWAGEN AKTIENGE-
SELLSCHAFT ab. Selbst bei einem Jahresverlust der AUDI Aktiengesellschaft wäre so-
mit eine positive Ausgleichszahlung möglich. Im Gegensatz zum Jahresergebnis von
AUDI kann die Ausgleichszahlung nicht negativ werden. Somit ist festzustellen, dass der
Betafaktor von AUDI nicht die Risiken des Geschäftsmodells von AUDI widerspiegelt,
sondern lediglich indirekt aufgrund der Abhängigkeit der Ausgleichszahlung von der Di-
vidende von VOLKSWAGEN, die zwar auch von der Geschäftsentwicklung von AUDI –
aber eben auch von der Geschäftsentwicklung der übrigen Aktivitäten im VOLKSWA-
GEN-Konzern abhängt.
Im Rahmen von Unternehmensbewertungen ist unter anderem das Prinzip der Risi-
koäquivalenz zu beachten, d.h. der zu diskontierende Zahlungsstrom und die Rendite
der Alternativanlage, ausgedrückt im Kapitalisierungszins, müssen hinsichtlich ihres Ri-
sikos vergleichbar sein.121 Dieses Prinzip der Risikoäquivalenz wäre bei der Verwen-
dung des unternehmenseigenen Betafaktors der AUDI Aktiengesellschaft nach unserer
Einschätzung nicht gegeben.
Im Ergebnis ist daher der Betafaktor der AUDI Aktiengesellschaft nicht geeignet, die Ri-
siken des Geschäftsmodells der AUDI Aktiengesellschaft angemessen abzuschätzen.
Peer Group Analyse
PwC hat den im Rahmen der Bewertung angesetzten Betafaktor aus einer Gruppe bör-
sennotierter Vergleichsunternehmen (Peer Group) ermittelt. Auf Basis der Analyse der
Vergleichsunternehmen durch den Bewertungsgutachter ergab sich, dass kein einzelnes
121 IDW, WPH Edition, Bewertung und Transaktionsberatung, 2018, Abschnitt A, Tz. 215.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 108
Vergleichsunternehmen ein mit dem AUDI-Konzern in jeder Hinsicht vergleichbares Ri-
sikoprofil aufweist. Dies resultierte insbesondere daraus, dass AUDI – anders als viele
andere Unternehmen im Automobilsektor – kein Finanzdienstleistungsgeschäft betreibt.
Als Auswahlkriterium der Peer Group stellte PwC auf Unternehmen aus dem Bereich der
Premium- oder Luxusfahrzeuge, Elektrofahrzeuge und Motorräder ab. Um dem regiona-
len Risikoprofil Rechnung zu tragen, wurden auch in China ansässige Unternehmen der
Automobilindustrie in die Peer Group aufgenommen. Im Ergebnis ermittelt PwC eine
Peer Group von insgesamt 12 Unternehmen. Es wurden nur Unternehmen betrachtet,
deren Aktien einen ausreichend liquiden Handel aufwiesen. PwC ermittelt über einen
Beobachtungszeitraum von 5 Jahren bei monatlichen Renditeintervallen sowie über ei-
nen Beobachtungszeitraum von zwei Jahren bei wöchentlichen Renditeintervallen un-
verschuldete Betafaktoren im arithmetischen Mittel von 0,83 bis 0,92 bzw. 0,79 bis 0,95.
Hierbei regressiert PwC gegen globale und lokale Aktienindizes. Bei der Überleitung der
verschuldeten in unverschuldete Betafaktoren berücksichtigt PwC betriebsnotwendige
Liquidität in Höhe eines Monatsumsatzes.
Vor dem Hintergrund, dass einheitliche Vorgaben hinsichtlich der Auswahlkriterien mög-
licher Peer Group Unternehmen in Literatur, Rechtsprechung und Bewertungspraxis
nicht vorliegen, haben wir ergänzend und unabhängig vom Vorgehen des Bewertungs-
gutachters eigene Analysen zu einer möglichen Peer Group vorgenommen.
Im Rahmen unserer Analysen konnten wir ebenfalls kein börsennotiertes Unternehmen
mit einem in jeder Hinsicht vergleichbaren Geschäftsmodell identifizieren. Auf Grundlage
einer detaillierten weltweiten Analyse börsennotierter Automobilkonzerne (Longlist) sind
wir zu dem Ergebnis gekommen, dass die größte Vergleichbarkeit insbesondere im Hin-
blick auf die Produktionsstandorte, die Produkte und die geographische Ausrichtung mit
den deutschen börsennotierten Automobilkonzernen BMW AG, Daimler und VOLKSWA-
GEN besteht. Dies gilt vor allem auch vor dem Hintergrund der bestehenden Wettbe-
werbssituation von AUDI (vgl. Abschnitt 3.2.2.3. dieses Berichts) bzw. der Konzernein-
bindung.
Die Vergleichbarkeit dieser drei Unternehmen zu AUDI ist zwar aufgrund dessen, dass
AUDI kein Finanzdienstleistungsgeschäft betreibt, grundsätzlich eingeschränkt. Dieser
Aspekt wurde von uns bei der Ableitung der unverschuldeten Betafaktoren jedoch da-
hingehend berücksichtigt, dass neben den damit einhergehenden Verbindlichkeiten
auch die Forderungen aus Finanzdienstleistungen dem Finanzierungsbereich zugeord-
net wurden. Da sich unsere Vorgehensweise insoweit von der Vorgehensweise von PwC
unterscheidet, haben wir von PwC abweichende unverschuldete Betafaktoren für diese
drei Unternehmen ermittelt.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 109
Bei Daimler ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass diese zwar mit der Premiummarke
Mercedes-Benz vergleichbare Produkte zu AUDI auf denselben Märkten anbieten, zu-
sätzlich jedoch auch signifikante Umsatzerlöse als Hersteller von kommerziellen Nutz-
fahrzeugen (Lkw und Busse) erzielt.
VOLKSWAGEN als Muttergesellschaft von AUDI ist insb. mit den Marken Audi und Por-
sche ebenfalls im Premiummarkt tätig. Allerdings erzielt der VOLKSWAGEN-Konzern
den überwiegenden Teil der Umsatzerlöse auch außerhalb des Premiummarktes insb.
mit den Marken Skoda, Seat und Volkswagen sowie kommerziellen Nutzfahrzeugen
(Lkw und Busse), insb. mit den Marken Scania und MAN. Der VOLKSWAGEN-Konzern
umfasst zudem das Geschäftsfeld Power Engineering (u.a. Großdieselmotoren, Tur-
bomaschinen) und ist damit insgesamt deutlich breiter aufgestellt als AUDI.
Trotz der insoweit dargestellten Einschränkungen sind wir der Meinung, dass neben der
BMW AG auch Daimler und VOLKSWAGEN grundsätzlich vergleichbare Risikotreiber
aufweisen.
Die unverschuldeten Betafaktoren der drei deutschen börsennotierten Automobilkon-
zerne sind daher aus unserer Sicht bei sachgerechter Zuordnung der Forderungen aus
Finanzdienstleistungen zum Finanzierungsbereich grundsätzlich geeignet, die operati-
ven Risiken von AUDI abzuschätzen.
Wir haben – entsprechend der Vorgehensweise zur Ermittlung der Betafaktoren der
AUDI Aktiengesellschaft – auf Beobachtungszeiträume von zwei bis fünf Jahren mit wö-
chentlichen Renditeintervallen und fünf Jahren mit monatlichen Renditeintervallen abge-
stellt. Die Beobachtungszeiträume enden am 31. Mai 2020.
Im Rahmen unserer Analysen haben wir nur Betafaktoren berücksichtigt, die im Hinblick
auf die Liquidität der zugrunde liegenden Aktie aussagekräftig sind. Bezüglich der ver-
wendeten Indizes haben wir – insoweit ebenfalls entsprechend der Vorgehensweise zur
Ermittlung des eigenen Betafaktors der AUDI Aktiengesellschaft – sowohl auf den MSCI
World Index als auch einen möglichst breiten lokalen Index abgestellt.
Als Ergebnis unserer Analyse haben wir für die vorstehend dargestellte Unternehmen
122 Die Netto-Verschuldung wurde beim Unlevern unter Berücksichtigung von Finanzverbindlichkeiten, Pensionsrück-
stellungen, Leasingverbindlichkeiten abzüglich Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten sowie Forderungen aus Finanzdienstleistungen ermittelt. Hierbei wurden die vor Umsetzung von IFRS 16 nicht bilanzierten operativen Leasingverbindlichkeiten im Hinblick auf eine Vergleichbarkeit zur Planung von AUDI, die operative Leasingverbind-lichkeiten berücksichtigt, vereinfachend auch in der Vergangenheit berücksichtigt. Die Zahlungsmittel wurden ver-gleichbar zum Vorgehen in der Planung von AUDI teilweise als operativ angesehen und nicht in Abzug gebracht.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 110
Der arithmetische Mittelwert der dargestellten Betafaktoren beträgt 0,96, die Bandbreite
reicht von 0,92 bis 1,04. Eine Analyse zur Stabilität der Betafaktoren im Zeitablauf der
letzten sechs Monaten vor dem 31. Mai 2020 bestätigt diesen Wert grundsätzlich.
Aufgrund der vorstehend dargestellten eingeschränkten Vergleichbarkeit der drei Unter-
nehmen im Hinblick auf den Finanzdienstleistungsbereich haben wir zur Plausibilisie-
rung ferner mit der Mazda Motor Corporation (im Folgenden auch „Mazda“ genannt),
Fuchū, Japan, und Tesla zwei internationale Automobilkonzerne betrachtet, die keinen
Der Bewertungsgutachter leitet für die ewige Rente wie unter Abschnitt 3.2.4.7. dieses
Berichts dargestellt ein nachhaltig eingeschwungenes Ergebnis ab. Ausgehend von die-
sem nachhaltigen Niveau ist es sachgerecht anzunehmen, dass in der ewigen Rente
kein weiteres mengen- und strukturbedingtes Wachstum auftritt.
Vor diesem Hintergrund ist im Wachstumsabschlag das preisbedingte Wachstum abzu-
bilden.
123 Tschöpel/Wiese/Willershausen, Unternehmensbewertung und Wachstum bei Inflation, persönlicher Besteuerung und
Verschuldung, WPg 2010, S. 349 ff; 405 ff. sowie Saur/Tschöpel/Wiese/Willershausen, Finanzieller Überschuss und Wachstumsabschlag im Kalkül der ewigen Rente – Ein Beitrag zur Umsetzung aktueller Erkenntnisse in die Praxis der Unternehmensbewertung WPg 2011, S. 1017 ff.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 112
Hinsichtlich des preisbedingten Wachstums bildet die allgemeine Inflationserwartung ei-
nen ersten Anhaltspunkt. Für Deutschland werden im historischen Vergleich aktuell ge-
ringe langfristige Inflationsraten zwischen rd. 0,5 % und rd. 0,9 % erwartet.124
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die konkreten Preissteigerungen, denen AUDI
unterliegt, von der allgemeinen Geldentwertungsrate abweichen. Ferner weichen auch
die Preissteigerungen, die AUDI gegenüber ihren Kunden erzielt, von der allgemeinen
Geldentwertungsrate ab. In den letzten 5 bzw. 10 Jahren sind in Deutschland die Erzeu-
gerpreise für PKW zum Beispiel um rd. 1,1 % bzw. rd. 0,9 % gestiegen, während die
Inflationsrate mit rd. 1,2 % bzw. rd. 1,4 % jeweils höher lag.
Eine Überwälzbarkeit der aus der Inflation abgeleiteten relativen Preissteigerungen in
voller Höhe auf die Kunden von AUDI kann zudem aufgrund des Wettbewerbsumfelds
und des automobilen Transformationsprozesses (vgl. Abschnitt 3.2.2.2.1. dieses Be-
richts) und des daraus resultierenden Preisdrucks und der Gefahr neuer Wettbewerber
nur begrenzt unterstellt werden.
In der Rechtsprechung im Zusammenhang mit aktien- und umwandlungsrechtlichen
Strukturmaßnahmen wurden in der Vergangenheit regelmäßig Wachstumsfaktoren in
einer Bandbreite zwischen 0 % und 2 % als sachgerecht erachtet, soweit es sich nicht
um Unternehmen mit ungewöhnlichen Wachstumsperspektiven handelt, wovon im vor-
liegenden Fall nicht auszugehen ist.
Vor diesem Hintergrund halten wir den von PwC angesetzten Wachstumsabschlag in
Höhe von 0,5 % für angemessen.
124 Abgeleitet aus der Renditedifferenz von inflationsindexierten Staatsanleihen und nicht-inflationsindexierten Staats-
anleihen.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 113
3.2.5.5. Angesetzter Kapitalisierungszinssatz
Die bei der Bewertung von AUDI durch den Bewertungsgutachter angesetzten Kapitali-
sierungszinssätze ergeben sich damit wie folgt:
Wir halten die von PwC dargestellte Methode zur Ableitung des Kapitalisierungszinssat-
zes für sachgerecht sowie den angesetzten Kapitalisierungszins für angemessen.
Aktie der AUDI AG CDAX (Performance) Stammaktie der VW AG
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 123
Vor diesem Hintergrund halten wir es für grundsätzlich sachgerecht, auf den Börsenkurs
als Untergrenze einer möglichen Barabfindung abzustellen.
Der BGH129 hält ein alleiniges Abstellen auf den durchschnittlichen Börsenkurs vor Be-
kanntgabe der Strukturmaßnahme dann für nicht geboten, wenn zwischen der Bekannt-
gabe der Strukturmaßnahme und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeit-
raum verstreicht und die Entwicklung der Börsenkurse eine Anpassung geboten erschei-
nen lässt. Dann ist der Börsenwert entsprechend der allgemeinen oder branchentypi-
schen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung hoch-
zurechnen. Der BGH sah einen Zeitraum von siebeneinhalb Monaten als längeren Zeit-
raum an. Ausgehend von den Meinungen in Literatur und Rechtsprechung wird zumin-
dest ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten als unkritisch im Hinblick auf eine erforder-
liche Hochrechnung des Börsenkurses angesehen.130
Bei der AUDI Aktiengesellschaft liegt zwischen der Bekanntgabe der Maßnahme am
28. Februar 2020 und dem Tag der geplanten Hauptversammlung am 31. Juli 2020 als
maßgeblichem Bewertungsstichtag ein Zeitraum von fünf Monaten und 3 Tagen.
Eine Hochrechnung des Börsenkurses halten wir vor diesem Hintergrund für nicht erfor-
derlich.
Im Ergebnis bestätigen unsere Analysen damit die von PwC getroffene Feststellung zur
grundsätzlichen Relevanz des 3-Monats-Durchschnittskurs der AUDI Aktiengesellschaft
in Höhe von € 813,15 für die Bestimmung der Barabfindung.
3.2.11. Kapitalisierung der Ausgleichszahlung
Im Hinblick auf die Kapitalisierung der Ausgleichszahlung an die Aktionäre der AUDI
Aktiengesellschaft aus dem mit der VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT beste-
henden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (vgl. Abschnitt 3.1.4. dieses Be-
richts) hat PwC unbeschadet der Frage, ob dem diskontierten Ausgleich im vorliegenden
Fall eine Relevanz für die angemessene Barabfindung beizumessen ist oder nicht fest-
gestellt, dass der diskontierte Ausgleich selbst bei einer optimistischen Parameterset-
zung den ermittelten Unternehmenswert je Aktie nicht übersteigt.
Der BGH hat mit Beschluss vom 12. Januar 2016 festgestellt, dass für die Angemessen-
heit der Barabfindung im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären bei Vorlie-
gen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, der auf den Anteil des
129 BGH v. 19. Juli 2010, Az. II ZB 18/09. 130 So z.B. Koch in Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl. 2018, § 305 Rn. 44 (m.w.N.); OLG Stuttgart v. 1. April 2014, 20 W 4/13;
LG Stuttgart v. 7. Oktober 2019, 31 O 36/16 KfH SpruchG, Rn. 459 (bis zu 7,5 Monate).
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 124
Minderheitsaktionärs entfallende Anteil des Unternehmenswerts jedenfalls dann maß-
geblich ist, wenn dieser höher ist als der Barwert der aufgrund des Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrags dem Minderheitsaktionär zustehenden Ausgleichszahlun-
gen.131 Damit ist dann nicht auf den Barwert der Ausgleichszahlung abzustellen, wenn
dieser unterhalb der festgelegten Barabfindung liegt. Der BGH hat bisher nicht entschie-
den, ob der Barwert der Ausgleichszahlung ähnlich dem Börsenwert als Mindestwert der
angemessenen Abfindung zugrunde zu legen ist, wenn er den anteiligen Unternehmens-
wert zum Zeitpunkt des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre übersteigt. Das Ober-
landesgericht Frankfurt am Main hat diese Rechtsfrage dem BGH zur Entscheidung vor-
gelegt.132
Die Ermittlung des Barwerts der Ausgleichszahlung erfolgt grundsätzlich durch die
Diskontierung der den Aktionären aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabfüh-
rungsvertrags zukünftig zufließenden Ausgleichszahlungen des herrschenden Unter-
nehmens. Die Diskontierung muss mit einem zur Risikostruktur dieses Zahlungsstroms
äquivalenten Diskontierungszinssatz erfolgen. Hierbei wird – soweit zum Bewertungs-
stichtag keine gegenteiligen Erkenntnisse vorliegen – grundsätzlich von einer zeitlich
unbeschränkten Fortführung des bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungs-
vertrags ausgegangen. Für die zufließenden Ausgleichszahlungen und die Diskontie-
rungszinssätze werden jeweils Werte nach Abzug persönlicher Ertragsteuern berück-
sichtigt. Im Fall einer festen Ausgleichszahlung kann damit grundsätzlich auf ein einfa-
ches Rentenmodell zurückgegriffen werden, um den Barwert der Ausgleichszahlung zu
bestimmen. In Bezug auf den hierbei zur Anwendung kommenden Diskontierungszins
wird – regelmäßig ausgehend vom risikolosen Basiszins – in der Bewertungspraxis üb-
licherweise auf den halben vollen Risikozuschlag abgestellt. Abweichungen von dieser
Vorgehensweise können sich je nach der spezifischen Ausgestaltung des Beherr-
schungs- und Gewinnabführungsvertrags ergeben.
Im vorliegenden Fall ist in Bezug auf die Höhe des Ausgleichs zu berücksichtigen, dass
kein fester Ausgleich für die Aktionäre der AUDI Aktiengesellschaft vorgesehen ist. Der
Ausgleich erfolgt in Höhe der jährlich den Stammaktionären der VOLKSWAGEN AKTI-
ENGESELLSCHAFT gezahlten Dividende.
Die Dividende an die Stammaktionäre von VOLKSWAGEN betrug für das Geschäftsjahr
2017 € 3,90 und für das Geschäftsjahr 2018 € 4,80. Im Durchschnitt der letzten 10 Jahre
betrug sie € 2,99. Für das Geschäftsjahr 2019 beträgt der Dividendenvorschlag ausweis-
lich der Einladung zur ursprünglich für den 7. Mai 2020 geplanten Hauptversammlung
131 BGH v. 12. Januar 2016, II ZB 25/14. 132 OLG Frankfurt am Main v. 20. November 2019, 21 W 77/14.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 125
der VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT € 6,50. Die Hauptversammlung wurde
wegen der Corona-Pandemie verschoben. Ein neuer Termin und ein ggf. adjustierter
Dividendenvorschlag stehen bisher nicht fest.
Zur Ermittlung der Ausgleichszahlung stellt sich damit grundsätzlich die Frage nach der
zukünftigen Höhe der Dividende, die an die Stammaktionäre der VOLKSWAGEN AKTI-
ENGESESLLSCHAFT ausgeschüttet wird. Diese ergibt sich aus den zukünftigen Bilanz-
gewinnen der VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT und der zukünftigen Ausschüt-
tungspolitik der VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT.
In Bezug auf den relevanten Diskontierungszins ist für die Ableitung des Barwerts der
Ausgleichszahlung zu berücksichtigen, dass dieser sich an der Risikoposition orientieren
muss, der die Dividende von VOLKSWAGEN unterliegt.
Vor dem Hintergrund der ungeklärten Rechtsfrage sowie der Besonderheiten der
Ausgestaltung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags haben wir
analysiert, unter welchen Annahmen ein Barwert der Ausgleichszahlung auf Höhe
des von PwC ermittelten Unternehmenswerts je Aktie läge:
• Ausgehend von dem Dividendenvorschlag von VOLKSWAGEN für das Ge-
schäftsjahr 2019 in Höhe von € 6,50 und des aktuellen Abgeltungssteuersatzes
zzgl. SolZ müsste der Diskontierungszins deutlich unter 1 % liegen, um einen
rechnerischen Wert in Höhe des ermittelten Unternehmenswerts je Aktie zu er-
halten.
Der Diskontierungszins läge damit deutlich unterhalb des Kapitalisierungszins-
satzes für die Ableitung des Unternehmenswerts von AUDI (vgl. Abschnitt
3.2.5.5. dieses Berichts). Ein Diskontierungszins in dieser Höhe würde die Risi-
koposition nicht wiederspiegeln, die mit der Ausgleichszahlung verbunden wäre.
• Würde umgekehrt von einem Diskontierungszins in Höhe des für die Phase der
ewigen Rente zur Anwendung kommenden Kapitalisierungszinssatzes in Höhe
von rd. 4,83 % ausgegangen, müsste die Dividende von VOLKSWAGEN nach-
haltig mehr als € 100 betragen, mithin mehr als das 15-fache des Dividendenvor-
schlags für das Geschäftsjahr 2019, um auf einen Wert in Höhe des ermittelten
Unternehmenswerts je Aktie zu kommen.
Unsere Analysen bestätigen die von PwC getroffene Feststellung, dass unbeschadet der
Rechtsfrage, ob dem diskontierten Ausgleich im vorliegenden Fall eine Relevanz für die
angemessene Barabfindung beizumessen ist oder nicht, der Barwert der kapitalisierten
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 126
Ausgleichszahlung selbst bei optimistischer Parametersetzung den ermittelten Unter-
nehmenswert je Aktie nicht übersteigt.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 127
3.3. Besondere Schwierigkeiten der Bewertung
Gemäß §§ 327c Abs. 2 S. 4, 293e Abs. 1 AktG ist im Prüfungsbericht über besondere
Schwierigkeiten zu berichten, die bei der Bewertung aufgetreten sind.
Aufgrund unserer Tätigkeit zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung stel-
len wir fest, dass keine besonderen Schwierigkeiten im Sinne von § 293e Abs. 1 AktG
bei der Bewertung von AUDI aufgetreten sind.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 128
4. Festgelegte Barabfindung
Die VOLKSWAGEN AKTIENGESELLSCHAFT hat am 16. Juni 2020 die Barabfindung,
die den Minderheitsaktionären der AUDI Aktiengesellschaft für die Übertragung ihrer Ak-
tien angeboten wird, auf € 1.551,53 je Aktie festgelegt.
Hierzu haben wir folgende Feststellungen getroffen:
Der durch PwC aus dem Ertragswert unter Berücksichtigung von Sonderwerten sowie
des Werts des nicht betriebsnotwendigen Vermögens abgeleitete Unternehmenswert
von AUDI auf den 31. Juli 2020 beträgt € 66.716 Mio. Hieraus ergibt sich ein rechneri-
scher Wert in Höhe von € 1.551,53 je Aktie.
Der überschlägig ermittelte Liquidationswert von AUDI liegt unterhalb des nach dem Er-
tragswertverfahren ermittelten Unternehmenswerts.
Der rechnerische durchschnittliche Börsenkurs für einen dreimonatigen Zeitraum vor
dem Tag der Mitteilung über den beabsichtigten Ausschluss der Minderheitsaktionäre,
dem 28. Februar 2020, beträgt € 813,15 (gültiger Mindestpreis lt. Mitteilung BaFin) je
Aktie und liegt damit unterhalb des ermittelten Unternehmenswertes je Aktie.
Ein Barwert der diskontierten Ausgleichszahlung aus dem zwischen der VOLKSWAGEN
AKTIENGESELLSCHAFT und der AUDI Aktiengesellschaft bestehenden Beherr-
schungs- und Gewinnabführungsvertrags liegt unbeschadet der Rechtsfrage, ob dem
Barwert grundsätzlich eine Relevanz für die Höhe der Barabfindung beizumessen ist
oder nicht, auch bei optimistischer Parametersetzung unterhalb des nach dem Ertrags-
wertverfahrens ermittelten Unternehmenswerts.
Im Ergebnis stellen wir daher fest, dass die von der VOLKSWAGEN AKTIENGESELL-
SCHAFT festgelegte Barabfindung in Höhe von € 1.551,53 je Aktie angemessen ist.
Für den Fall, dass die Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister
zeitlich vor der Zahlung der Dividende für eine Stammaktie der VOLKSWAGEN AKTI-
ENGESELLSCHAFT für das Geschäftsjahr 2019 erfolgen sollte, wird die VOLKSWA-
GEN AKTIENGESELLSCHAFT die festgelegte Barabfindung pro Aktie um den Betrag
der Ausgleichszahlung für das Geschäftsjahr 2019 erhöhen.
Bericht über die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung 129
5. Abschließende Erklärung zur Angemessenheit der festge-
legten Barabfindung
Als gerichtlich bestellter Prüfer haben wir die Angemessenheit der von der VOLKSWA-
GEN AKTIENGESELLSCHAFT, Wolfsburg, als Hauptaktionärin festgesetzten Barabfin-
dung für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der AUDI Aktiengesell-
schaft, Ingolstadt, geprüft.
Wir geben gemäß §§ 327c Abs. 2 S. 4, 293e AktG folgende abschließende Erklärung
ab:
„Nach unseren Feststellungen ist aus den dargelegten Gründen die von der
Hauptaktionärin festgelegte Barabfindung für die Minderheitsaktionäre der AUDI
Aktiengesellschaft, Ingolstadt, in Höhe von € 1.551,53 je Aktie angemessen.“
Düsseldorf, den 17. Juni 2020
Baker Tilly GmbH & Co. KG
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
(Düsseldorf)
Jochen Breithaupt
Wirtschaftsprüfer
Sylvia Fischer
Wirtschaftsprüferin
ANLAGEN
Anlage 1
Landgericht München Justizgebäude Lenbachplatz 7 80316 München 5 HK O 2836/20
B e s c h l u s s vom 6.3.2020:
1. Auf Antrag der
Volkswagen Aktiengesellschaft Berliner Ring 2
38440 Wolfsburg
bestellt der Vorsitzende der 5. Kammer für Handelssachen beim LG München I gem. §§ 327 c Abs. 2 Satz 3 und Satz 4, 293 c Abs. 1 AktG die
Baker Tilly GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Cecilienallee 6 - 7 40474 Düsseldorf
zum Prüfer für die Überprüfung der Angemessenheit einer von der Antragstellerin zu gewährenden Barabfindung an die Aktionäre der AUDI AG mit Sitz in In-golstadt, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts – Registergericht – Ingolstadt, HRB 1.
2. Der Geschäftswert wird auf € 5.000,-- festgesetzt, § 36 Abs. 3 GNotKG.
G r ü n d e : Ein Hinderungsgrund für die Bestellung des als Abfindungsprüfer genannten Wirt-schaftsprüfers ist nicht erkennbar, so dass dieser vom Gericht entsprechend der Anre-gung der Antragstellerin aus den zwei genannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ausgewählt werden konnte. Dr. Krenek Vorsitzender Richter am Landgericht
Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
vom 1. Januar 2017
1. Geltungsbereich
(1) Die Auftragsbedingungen gelten für Verträge zwischen Wirtschaftsprüfern oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (im Nachstehenden zusammenfas- send „Wirtschaftsprüfer“ genannt) und ihren Auftraggebern über Prüfungen, Steuerberatung, Beratungen in wirtschaftlichen Angelegenheiten und sonsti- ge Aufträge, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich schriftlich vereinbart o-der gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist.
(2) Dritte können nur dann Ansprüche aus dem Vertrag zwischen Wirt- schaftsprüfer und Auftraggeber herleiten, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist oder sich aus zwingenden gesetzlichen Regelungen ergibt. Im Hinblick auf solche Ansprüche gelten diese Auftragsbedingungen auch diesen Dritten gegenüber.
2. Umfang und Ausführung des Auftrags
(1) Gegenstand des Auftrags ist die vereinbarte Leistung, nicht ein bestimm- ter wirtschaftlicher Erfolg. Der Auftrag wird nach den Grundsätzen ordnungs- mäßiger Berufsausübung ausgeführt. Der Wirtschaftsprüfer übernimmt im Zusammenhang mit seinen Leistungen keine Aufgaben der Geschäftsfüh- rung. Der Wirtschaftsprüfer ist für die Nutzung oder Umsetzung der Ergebnis- se seiner Leistungen nicht verantwortlich. Der Wirtschaftsprüfer ist berechtigt, sich zur Durchführung des Auftrags sachverständiger Personen zu bedienen.
(2) Die Berücksichtigung ausländischen Rechts bedarf – außer bei betriebs- wirtschaftlichen Prüfungen – der ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung.
(3) Ändert sich die Sach- oder Rechtslage nach Abgabe der abschließenden beruflichen Äußerung, so ist der Wirtschaftsprüfer nicht verpflichtet, den Auftraggeber auf Änderungen oder sich daraus ergebende Folgerungen hin-zuweisen.
3. Mitwirkungspflichten des Auftraggebers
(1) Der Auftraggeber hat dafür zu sorgen, dass dem Wirtschaftsprüfer alle für die Ausführung des Auftrags notwendigen Unterlagen und weiteren Informa- tionen rechtzeitig übermittelt werden und ihm von allen Vorgängen und Um-ständen Kenntnis gegeben wird, die für die Ausführung des Auftrags von Be-deutung sein können. Dies gilt auch für die Unterlagen und weiteren Informationen, Vorgänge und Umstände, die erst während der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers bekannt werden. Der Auftraggeber wird dem Wirtschafts- prüfer geeignete Auskunftspersonen benennen.
(2) Auf Verlangen des Wirtschaftsprüfers hat der Auftraggeber die Vollstän- digkeit der vorgelegten Unterlagen und der weiteren Informationen sowie der gegebenen Auskünfte und Erklärungen in einer vom Wirtschaftsprüfer formu- lierten schriftlichen Erklärung zu bestätigen.
4. Sicherung der Unabhängigkeit
(1) Der Auftraggeber hat alles zu unterlassen, was die Unabhängigkeit der Mitarbeiter des Wirtschaftsprüfers gefährdet. Dies gilt für die Dauer des Auftragsverhältnisses insbesondere für Angebote auf Anstellung oder Über- nahme von Organfunktionen und für Angebote, Aufträge auf eigene Rech- nung zu übernehmen.
(2) Sollte die Durchführung des Auftrags die Unabhängigkeit des Wirtschafts- prüfers, die der mit ihm verbundenen Unternehmen, seiner Netzwerkunter-
nehmen oder solcher mit ihm assoziierten Unternehmen, auf die die Unab- hängigkeitsvorschriften in gleicher Weise Anwendung finden wie auf den Wirtschaftsprüfer, in anderen Auftragsverhältnissen beeinträchtigen, ist der Wirtschaftsprüfer zur außerordentlichen Kündigung des Auftrags berechtigt.
5. Berichterstattung und mündliche Auskünfte
Soweit der Wirtschaftsprüfer Ergebnisse im Rahmen der Bearbeitung des Auf-trags schriftlich darzustellen hat, ist alleine diese schriftliche Darstellung maß-gebend. Entwürfe schriftlicher Darstellungen sind unverbindlich. Sofern nicht anders vereinbart, sind mündliche Erklärungen und Auskünfte des Wirtschafts-prüfers nur dann verbindlich, wenn sie schriftlich bestätigt werden. Erklärungen und Auskünfte des Wirtschaftsprüfers außerhalb des erteilten Auftrags sind stets unverbindlich.
6. Weitergabe einer beruflichen Äußerung des Wirtschaftsprüfers
(1) Die Weitergabe beruflicher Äußerungen des Wirtschaftsprüfers (Arbeits- ergebnisse oder Auszüge von Arbeitsergebnissen – sei es im Entwurf oder in der Endfassung) oder die Information über das Tätigwerden des Wirtschafts- prüfers für den Auftraggeber an einen Dritten bedarf der schriftlichen Zustim- mung des Wirtschaftsprüfers, es sei denn, der Auftraggeber ist zur Weiter- gabe oder Information aufgrund eines Gesetzes oder einer behördlichen Anordnung verpflichtet.
(2) Die Verwendung beruflicher Äußerungen des Wirtschaftsprüfers und die Information über das Tätigwerden des Wirtschaftsprüfers für den Auftragge- ber zu Werbezwecken durch den Auftraggeber sind unzulässig.
7. Mängelbeseitigung
(1) Bei etwaigen Mängeln hat der Auftraggeber Anspruch auf Nacherfüllung durch den Wirtschaftsprüfer. Nur bei Fehlschlagen, Unterlassen bzw. unbe- rechtigter Verweigerung, Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Nacherfül- lung kann er die Vergütung mindern oder vom Vertrag zurücktreten; ist der Auftrag nicht von einem Verbraucher erteilt worden, so kann der Auftraggeber wegen eines Mangels nur dann vom Vertrag zurücktreten, wenn die erbrach- te Leistung wegen Fehlschlagens, Unterlassung, Unzumutbarkeit oder Unmög-lichkeit der Nacherfüllung für ihn ohne Interesse ist. Soweit darüber hinaus Schadensersatzansprüche bestehen, gilt Nr. 9.
(2) Der Anspruch auf Beseitigung von Mängeln muss vom Auftraggeber unverzüglich in Textform geltend gemacht werden. Ansprüche nach Abs. 1, die nicht auf einer vorsätzlichen Handlung beruhen, verjähren nach Ablauf eines Jahres ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn.
(3) Offenbare Unrichtigkeiten, wie z.B. Schreibfehler, Rechenfehler und for-melle Mängel, die in einer beruflichen Äußerung (Bericht, Gutachten und dgl.) des Wirtschaftsprüfers enthalten sind, können jederzeit vom Wirtschaftsprüfer auch Dritten gegenüber berichtigt werden. Unrichtigkeiten, die geeignet sind, in der beruflichen Äußerung des Wirtschaftsprüfers enthaltene Ergebnisse in-frage zu stellen, berechtigen diesen, die Äußerung auch Dritten gegenüber zu-
rückzunehmen. In den vorgenannten Fällen ist der Auftraggeber vom Wirt-schaftsprüfer tunlichst vorher zu hören.
8. Schweigepflicht gegenüber Dritten, Datenschutz
(1) Der Wirtschaftsprüfer ist nach Maßgabe der Gesetze (§ 323 Abs. 1 HGB, § 43 WPO, § 203 StGB) verpflichtet, über Tatsachen und Umstände, die ihm bei seiner Berufstätigkeit anvertraut oder bekannt werden, Stillschweigen zu bewahren, es sei denn, dass der Auftraggeber ihn von dieser Schweigepflicht entbindet.
(2) Der Wirtschaftsprüfer wird bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten die nationalen und europarechtlichen Regelungen zum Datenschutz be-achten.
9. Haftung
(1) Für gesetzlich vorgeschriebene Leistungen des Wirtschaftsprüfers, insbe- sondere Prüfungen, gelten die jeweils anzuwendenden gesetzlichen Haf- tungsbeschränkungen, insbesondere die Haftungsbeschränkung des § 323 Abs. 2 HGB.
(2) Sofern weder eine gesetzliche Haftungsbeschränkung Anwendung findet noch eine einzelvertragliche Haftungsbeschränkung besteht, ist die Haftung des Wirtschaftsprüfers für Schadensersatzansprüche jeder Art, mit Ausnah- me von Schäden aus der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit, sowie von Schäden, die eine Ersatzpflicht des Herstellers nach § 1 ProdHaftG begründen, bei einem fahrlässig verursachten einzelnen Scha- densfall gemäß § 54a Abs. 1 Nr. 2 WPO auf 4 Mio. € beschränkt.
(3) Einreden und Einwendungen aus dem Vertragsverhältnis mit dem Auf- traggeber stehen dem Wirtschaftsprüfer auch gegenüber Dritten zu.
(4) Leiten mehrere Anspruchsteller aus dem mit dem Wirtschaftsprüfer beste-henden Vertragsverhältnis Ansprüche aus einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Wirtschaftsprüfers her, gilt der in Abs. 2 genannte Höchstbetrag für die betreffenden Ansprüche aller Anspruchsteller insgesamt
Anlage
(5) Ein einzelner Schadensfall im Sinne von Abs. 2 ist auch bezüglich eines aus mehreren Pflichtverletzungen stammenden einheitlichen Schadens gege-ben. Der einzelne Schadensfall umfasst sämtliche Folgen einer Pflichtverlet-zung ohne Rücksicht darauf, ob Schäden in einem oder in mehreren aufei-nanderfolgenden Jahren entstanden sind. Dabei gilt mehrfaches auf glei-cher oder gleichartiger Fehlerquelle beruhendes Tun oder Unterlassen als ein-heitliche Pflichtverletzung, wenn die betreffenden Angelegenheiten miteinan-der in rechtlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. In diesem Fall kann der Wirtschaftsprüfer nur bis zur Höhe von 5 Mio. € in Anspruch genommen werden. Die Begrenzung auf das Fünffache der Mindestversiche-rungssumme gilt nicht bei gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfungen.
(6) Ein Schadensersatzanspruch erlischt, wenn nicht innerhalb von sechs Monaten nach der schriftlichen Ablehnung der Ersatzleistung Klage erhoben wird und der Auftraggeber auf diese Folge hingewiesen wurde. Dies gilt nicht für Schadensersatzansprüche, die auf vorsätzliches Verhalten zurückzufüh- ren sind, sowie bei einer schuldhaften Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit sowie bei Schäden, die eine Ersatzpflicht des Herstellers nach § 1 ProdHaftG begründen. Das Recht, die Einrede der Verjährung geltend zu machen, bleibt unberührt.
10. Ergänzende Bestimmungen für Prüfungsaufträge
(1) Ändert der Auftraggeber nachträglich den durch den Wirtschaftsprüfer ge-prüften und mit einem Bestätigungsvermerk versehenen Abschluss oder La-gebericht, darf er diesen Bestätigungsvermerk nicht weiterverwenden.
Hat der Wirtschaftsprüfer einen Bestätigungsvermerk nicht erteilt, so ist ein Hinweis auf die durch den Wirtschaftsprüfer durchgeführte Prüfung im Lage- bericht oder an anderer für die Öffentlichkeit bestimmter Stelle nur mit schrift- licher Einwilligung des Wirtschaftsprüfers und mit dem von ihm genehmigten Wortlaut zulässig.
(2) Widerruft der Wirtschaftsprüfer den Bestätigungsvermerk, so darf der Bestätigungsvermerk nicht weiterverwendet werden. Hat der Auftraggeber den Bestätigungsvermerk bereits verwendet, so hat er auf Verlangen des Wirt-schaftsprüfers den Widerruf bekanntzugeben.
(3) Der Auftraggeber hat Anspruch auf fünf Berichtsausfertigungen. Weitere Ausfertigungen werden besonders in Rechnung gestellt. 11. Ergänzende Bestimmungen für Hilfeleistung in Steuersachen
(1) Der Wirtschaftsprüfer ist berechtigt, sowohl bei der Beratung in steuerli- chen Einzelfragen als auch im Falle der Dauerberatung die vom Auftraggeber genannten Tatsachen, insbesondere Zahlenangaben, als richtig und vollstän- dig zugrunde zu legen; dies gilt auch für Buchführungsaufträge. Er hat jedoch den Auftraggeber auf von ihm festgestellte Unrichtigkeiten hinzuweisen.
(2) Der Steuerberatungsauftrag umfasst nicht die zur Wahrung von Fristen erforderlichen Handlungen, es sei denn, dass der Wirtschaftsprüfer hierzu ausdrücklich den Auftrag übernommen hat. In diesem Fall hat der Auftragge- ber dem Wirtschaftsprüfer alle für die Wahrung von Fristen wesentlichen Un-terlagen, insbesondere Steuerbescheide, so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Wirtschaftsprüfer eine angemessene Bearbeitungszeit zur Verfügung steht.
(3) Mangels einer anderweitigen schriftlichen Vereinbarung umfasst die lau-fende Steuerberatung folgende, in die Vertragsdauer fallenden Tätigkeiten:
a) Ausarbeitung der Jahressteuererklärungen für die Einkommensteuer, Kör-perschaftsteuer und Gewerbesteuer sowie der Vermögensteuererkl rungen, und zwar auf Grund der vom Auftraggeber vorzulegenden Jahresabschlüsse und sonstiger für die Besteuerung erforderlicher Aufstellungen und Nachweise
b) Nachprüfung von Steuerbescheiden zu den unter a) genannten Steuern
c) Verhandlungen mit den Finanzbehörden im Zusammenhang mit den unter a) und b) genannten Erklärungen und Bescheiden
d) Mitwirkung bei Betriebsprüfungen und Auswertung der Ergebnisse von Betriebsprüfungen hinsichtlich der unter a) genannten Steuern
e) Mitwirkung in Einspruchs- und Beschwerdeverfahren hinsichtlich der
unter a) genannten Steuern.
Der Wirtschaftsprüfer berücksichtigt bei den vorgenannten Aufgaben die wesentliche veröffentlichte Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung.
(4) Erhält der Wirtschaftsprüfer für die laufende Steuerberatung ein Pau- schalhonorar, so sind mangels anderweitiger schriftlicher Vereinbarungen die unter Abs. 3 Buchst. d) und e) genannten Tätigkeiten gesondert zu honorie- ren.
(5) Sofern der Wirtschaftsprüfer auch Steuerberater ist und die Steuerbera- tervergütungsverordnung für die Bemessung der Vergütung anzuwenden ist, kann eine höhere oder niedrigere als die gesetzliche Vergütung in Textform vereinbart werden.
6) Die Bearbeitung besonderer Einzelfragen der Einkommensteuer, Körper- schaftsteuer, Gewerbesteuer, Einheitsbewertung und Vermögensteuer sowie aller Fragen der Umsatzsteuer, Lohnsteuer, sonstigen Steuern und Abgaben erfolgt auf Grund eines besonderen Auftrags. Dies gilt auch für
a) die Bearbeitung einmalig anfallender Steuerangelegenheiten, z.B. auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer, Kapitalverkehrsteuer, Grunderwerbsteuer,
b) die Mitwirkung und Vertretung in Verfahren vor den Gerichten der Finanz- und der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie in Steuerstrafsachen,
c) die beratende und gutachtliche Tätigkeit im Zusammenhang mit Umwand-lungen, Kapitalerhöhung und -herabsetzung, Sanierung, Eintritt und Ausschei-den eines Gesellschafters, Betriebsveräußerung, Liquidation und dergleichen und
d) die Unterstützung bei der Erfüllung von Anzeige- und Dokumentations- pflichten.
(7) Soweit auch die Ausarbeitung der Umsatzsteuerjahreserklärung als zu-sätzliche Tätigkeit übernommen wird, gehört dazu nicht die Überprüfung et-waiger besonderer buchmäßiger Voraussetzungen sowie die Frage, ob alle in Betracht kommenden umsatzsteuerrechtlichen Vergünstigungen wahrgenom-men worden sind. Eine Gewähr für die vollständige Erfassung der Unter- lagen zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs wird nicht übernommen. 12. Elektronische Kommunikation
Die Kommunikation zwischen dem Wirtschaftsprüfer und dem Auftraggeber kann auch per E-Mail erfolgen. Soweit der Auftraggeber eine Kommunikation per E-Mail nicht wünscht oder besondere Sicherheitsanforderungen stellt, wie etwa die Verschlüsselung von E-Mails, wird der Auftraggeber den Wirt- schaftsprüfer entsprechend in Textform informieren. 13. Vergütung
(1) Der Wirtschaftsprüfer hat neben seiner Gebühren- oder Honorarforderung Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen; die Umsatzsteuer wird zusätzlich berechnet. Er kann angemessene Vorschüsse auf Vergütung und Auslagen- ersatz verlangen und die Auslieferung seiner Leistung von der vollen Befrie- digung seiner Ansprüche abhängig machen. Mehrere Auftraggeber haften als Gesamtschuldner.
(2) Ist der Auftraggeber kein Verbraucher, so ist eine Aufrechnung gegen For-derungen des Wirtschaftsprüfers auf Vergütung und Auslagenersatz nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig. 14. Streitschlichtungen
Der Wirtschaftsprüfer ist nicht bereit, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle im Sinne des § 2 des Verbraucherstreitbeile- gungsgesetzes teilzunehmen.
15. Anzuwendendes Recht
Für den Auftrag, seine Durchführung und die sich hieraus ergebenden An- sprüche gilt nur deutsches Recht.