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Joachim Emig, Volker Leppin, Uwe Schirmer (Hg.) Vor- und Frühreformation in thüringischen Städten (1470–1525/30) 2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
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Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg

Mar 12, 2023

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Page 1: Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg

Joachim Emig, Volker Leppin, Uwe Schirmer (Hg.)

Vor- und Frühreformation in thüringischen Städten (1470–1525/30)

2013

BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Page 2: Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg

Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation

Im Auftrag der »Historischen Kommission für Thüringen« herausgegeben von Werner Greiling und Uwe Schirmer

in Verbindung mit Joachim Bauer, Enno Bünz, Ernst Koch, Armin Kohnle, Josef Pilvousek und Ulman Weiß

Band 1

Page 3: Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: „Altenburg in Meißen“ Kupferstich eines unbekannten Meisters, vermutlich nach Matthäus Merian, um 1650 (Ausschnitt)

© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar WienUrsulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com

Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig.

Korrektorat: Charlotte BenschWissenschaftliche Redaktion: Falk BurkhardtGesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, KölnGedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier

ISBN 978-3-412-20921-6

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch: Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen, Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Sparkasse Altenburger Land, Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

SparkasseAltenburger Land

Page 4: Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg

Inhalt Vorwort ...................................................................................................................... VII In Memoriam Joachim Emig (1958–2012) ........................................................... IX Volker Leppin Gottes Heil vor Ort. Stadt und Reformation in Thüringen .................................. 1 Hartmut Kühne Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg ............................................................................................................... 19 Stephan Flemmig Der Deutsche Orden in Mitteldeutschland am Vorabend der Reformation (1485–1517) .................................................................................. 41 Dieter Stievermann Heilsverlangen und Freiheitsstreben. Bürgerschaft und Klerus in Erfurt zwischen 1450 und 1530 .......................................................................... 71 Julia Mandry Die Stiftungen für das Erfurter Predigerkloster von den Anfängen des Klosterbaus bis zur Reformation. Statistische Analyse und Beispielbetrachtung ........................................................ 99 Thomas T. Müller Ein ehrbarer Rat, entlaufene Mönche und streitbare Weiber. Zu den reformatorischen Bestrebungen in der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen bis zum Jahr 1525 ............................................................................. 143 Armin Kohnle Stadt und Reformation in Nordhausen. Eine Nachlese ..................................... 155 Matthias Ludwig Das Naumburger Benediktinerkloster St. Georg zwischen Reform und Reformation ....................................................................................................... 167 Johannes Mötsch Die Grafen von Henneberg-Schleusingen und ihre Städte ............................... 183

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VI INHALT

Martin Sladeczek Die frühe Reformation in Arnstadt im Spiegel der Kirchenrechnungen ........................................................................................... 203 Stefan Michel Ein religiöses Zentrum des Vogtlandes im Wandel. Institutionelle, sozial- und frömmigkeitsgeschichtliche Aspekte der Vorreformation in Weida ................................................................................. 233 Ulman Weiß Die albertinische Amtsstadt Weißensee am Ende des Mittelalters .................. 251 Hartmut Kühne Stadt, Residenz und Frömmigkeit am Vorabend der Reformation in Altenburg ................................................................................ 273 Ernst Koch Gotha im Umbruch zur Reformation ................................................................... 307 Joachim Bauer Die Stadt Jena in vor- und frühreformatorischer Zeit ....................................... 335 Enno Bünz Die Reformation in Neustadt an der Orla. Voraussetzungen und Verlauf (1518–1527) ......................................................... 351 Volker Graupner Städtisches und kirchliches Leben in Weimar kurz vor und während der Frühreformation ........................................................................ 377 Franziska Luther Die Klöster und Kirchen Eisenachs (1500–1530). Prologe zur Reformation und wie die Geistlichkeit vermeynen die Zinse aus etzlichenn armenn zu kelterenn ............................................................................... 403 Uwe Schirmer Vor- und Frühreformation in thüringischen Städten. Eine Zusammenfassung .......................................................................................... 437 Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................ 461 Abbildungsnachweis ................................................................................................. 462 Ortsregister ................................................................................................................ 463 Personenregister ........................................................................................................ 471

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HARTMUT KÜHNE Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg* Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam ist der einzige spätmittelalterliche Mirakelbuchdruck aus dem mitteldeutschen Raum, der nach Ausweis der verwendeten Drucktypen um 1498 in der Leipziger Offizin von Wolfgang Stöckel hergestellt wurde.1 Nur ein Exemplar dieses Druckes aus dem Besitz der Berliner Staatsbibliothek ist bisher bekannt geworden2 (Abb. 1). Das Büchlein blieb der thüringischen Regionalgeschichte lange verborgen. Im Jahre 2003 „entdeckte“ es der Verfasser zufällig bei einer eigentlich anderen Drucken gewidmeten Recherche und machte im Kontext eines Aufsatzes über mittel-deutsche Mirakelsammlungen des Spätmittelalters darauf aufmerksam.3 Die hier gebotene Edition des Textes und eine knappe Einleitung zum historischen Kontext soll die Beschäftigung mit dieser Quelle erleichtern.

Die Mirakelsammlung eröffnet einen Einblick in die Geschichte der Fron-leichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg und ihre Wallfahrt, der so durch andere Quellen bisher nicht möglich war. Freilich: Die Geschichte der Entstehung von Wallfahrt und Kapelle ist in der Altenburger Lokalchronistik seit dem 16. Jahrhundert immer wieder erzählt worden.4 Diese traditionelle Darstellung stimmt auch in den Grundzügen mit der im Mirakelbuch berichteten Ursprungserzählung überein: Der Diebstahl einer Hostienmonstranz aus der Altenburger Pfarrkirche St. Bartholomäus in der Fronleichnamsoktav des Jahres * Dieser Aufsatz geht auf einen Vortrag zurück, den ich am 30. April 2008 auf Einladung

von Joachim Emig als Leiter des Thüringer Staatsarchivs Altenburg und der Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes e.V. im Altenburger Schloss ge-halten habe. Seit dieser ersten Begegnung hat Joachim Emig mich bei der Beschäftigung mit Altenburger Archivalia immer wieder großherzig unterstützt und zur Weiterarbeit an der Altenburger Geschichte ermuntert. Daher sei dieser Beitrag seinem Andenken gewidmet.

1 Vgl. http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de/ die GW-Nr. 0000910N. 2 Signatur: Inc 1417.5; ehemalige Signatur: Dv 9120R. 3 Hartmut KÜHNE, „...das kint mit einen pfunt wacs zum heiligen leycnam yn diß capell

gelobt.“ Mitteldeutsche Mirakelbücher als Quellen zur Wallfahrtsgeschichte, in: Wallfahrten in der europäischen Kultur, hg. von Daniel DOLEŽAL/Hartmut KÜHNE (Europäische Wallfahrtsstudien; 1), Frankfurt am Main u.a. 2006, S. 347–366.

4 Julius Friedrich MEYNER, Nachrichten von Altenburg historischen und statistischen Inhalts, Altenburg 1786, S. 83–89; Julius LÖBE/Ernst LÖBE, Geschichte der Kirchen und Schulen des Herzogthum Sachsen-Altenburg mit besonderer Berücksichtigung der Orts-geschichte, Bd. I, Altenburg 1886, S. 476 f.; Julius WAGNER: Die dem Kollegiatstift St. Georg auf dem Schlosse zu Altenburg untergeordneten Kirchen und Kapellen, in: MittGAGO 3 (1853), S. 294–346, hier S. 323–333.

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20 HARTMUT KÜHNE

1434 durch einen aus Schlesien stammenden Knecht, die Deponierung der Hostie in einem Gehölz am Weg von Altenburg nach Zwickau, die Ergreifung des Täters beim Versuch, ein silbernes Bruchstück der Monstranz in Zwickau zu verkaufen, die Suche und feierliche Einholung der geschändeten Hostie und die Verurteilung des Täters zum Tod durch Verbrennen. Über die eigentliche Gründung der Kapelle schweigt sich das Mirakelbuch aber aus. Nur eine kurze Notiz deutet für den Eingeweihten auf ein hier nicht weiter ausgeführtes Legendenmotiv hin: Nach der Auffindung der Hostie am Weg nach Zwickau trug man „den heyligen warleicnam mitsampt dem rasen“ in die Altenburger Bartholomäuskirche zurück, wo „der raß“ also das Rasenstück, auf dem die Hostie lag, am Ende des 15. Jahrhunderts „noch vnversert“ bewahrt wurde. In den jüngeren Versionen der Gründungslegende der Kapelle ist davon die Rede, dass die Hostie aus der Bartholomäuskirche über Nacht immer wieder an den Ort ihrer Auffindung zurückkehrte, bis man sich dort zum Bau der Kapelle entschloss.5 Das Legendenmotiv der durch ein Kultobjekt erzwungenen Ortswahl für einen sakralen Bau ist weit verbreitet, in räumlicher und zeitlicher Nähe be-gegnet es z.B. für die Marienkapelle des Dorfes Eichen bei Mühlhausen.6

Der Ort der Kapellengründung lag ca. sechs Kilometer südlich von Altenburg, „im Walde bei Gardschütz“, an einer stark frequentierten Straße, die über Leipzig nach Norden und über Nürnberg nach Süden führte.7 Das Gebiet gehörte aller-dings zur Parochie der Pfarrkirche des Dorfes Saara, über die das Altenburger Maria-Magdalenen-Kloster das Patronat besaß. Daher hatte das Kloster auch die Rechte an der Kapelle. Zu welcher Zeit wer mit der Errichtung einer Kapelle am Ort der Auffindung der weggeworfenen Hostie begonnen hat, ist nicht gänz-lich geklärt. In der älteren Literatur wurde der wettinische Kurfürst Friedrich II.,

5 WAGNER, Kirchen und Kapellen, S. 323 f., bietet seine Version der Gründungslegende

nach der Überlieferung, die der bei Altenburg lebende Pfarrer und Chronist Johann Tauchwitz (1558–1633) in den vom ihm gesammelten Colectaneen mitteilte.

6 Den Bericht über die wundertätige Rückkehr des Marienbildes überliefert in polemischer Absicht der Mühlhäuser Superintendent Johannes PETREIUS, Ablas Büchlein. Erzelunge des Heilthumbs, Gnade und Ablaß, aller Kirchen in Rom. Ein altes Büchlein, für 90. Jharn zu Rom lateinisch, und hernachmals zu Nürnberg Deutsch ausgangen. Jetzt [...] auffs new gedruckt, Mülhausen 1571, Blatt D1v–D2r: „Etliche Bilder seint immerzu an einen gewissen ort wider komen/ ob man sie wol zum offtermal davon hinweg getragen hat/ Nemblich wenn sie von den betriegern des nachts wider hingetragen worden seint/ wie alhie inn meiner Herren eines Erbarn wolweisen Rads zu Mulhausen gebiete geschehen/ In einem Dorffe zur Eichen genandt/ da ein Marienbilde f(e)r zeiten immerzu in einen Eichen-baum wider komen/ unnd doselbst wollen angebetet sein wie offt mans auch von dannen hinweg getragen hat/ biß zu letzt eine Capell uber den Eichen stock darinnen das Bilde gestanden/ gebawet worden [...]“ Hieronymus Tilesius, der von 1557–1566 Superintendent von Mühlhausen war, holte das Marienbild nach Mühlhausen und machte damit der Wall-fahrt ein Ende.

7 Vgl. Friedrich BRUNS/Hugo WECZERKA, Hansische Handelsstraßen, 3 Bde. (Quellen und Darstellungen zur hanseatischen Geschichte NF; 13,1–3), Köln/Graz 1962–68, Bd. 1, Karte 27.

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DAS MIRAKELBUCH DER FRONLEICHNAMSKAPELLE VON HEILIGENLEICHNAM 21

der Sanftmütige (1412–1468), als Gründer der Kapelle bezeichnet,8 was auch mit einem späteren Selbtszeugnis des Fürsten übereinstimmt.9 Der recht häufig in Altenburg residierende Herrscher scheint seine Aufmerksamkeit von Beginn an auf diese Kapelle gerichtet zu haben.10 Er vermittelte am 16. August 1435 einen Vertrag, in welchem das Maria-Magdalenen-Kloster zugunsten des Georgenstiftes auf der Burg Altenburg auf seine Rechte an der Kapelle verzichtete und dafür durch die Verminderung einer jährlichen Zinszahlung an das Schloss Altenburg entschädigt wurde.11 Dieser Vertrag ist zugleich die erste urkundliche Erwähnung der Kapelle. Bei dieser Übertragung der Kapelle an das durch den wettinischen Markgrafen Wilhelm den Reichen (1371–1425) in seiner Residenz Altenburg im Jahre 1413 gegründete Residenzstift12 dürfte Kurfürst Friedrich II. die treibende Kraft gewesen sein. Die kirchenrechtlich verbindliche Inkorporation erfolgte durch eine Urkunde Papst Nikolaus V. am 21. November 1447, wobei Kurfürst Friedrich II. als Petent genannt wird.13 Am selben Tag erwarb Friedrich II. auch einen päpstlichen Ablass von sieben Jahren für den Besuch der Fronleichnams-kapelle.14

Nach der Abtretung der Kapelle an das Altenburger Stift im August 1435 wurde die wahrscheinlich ursprünglich provisorische Kapelle durch einen stei-nernen Neubau ersetzt.15 Der Bau war 1439 vollendet, da in diesem Jahre die Weihe erfolgt sein soll.16 Durch die Zerstörungen im 16. Jahrhundert ist weder vom Kapellenbau noch von der einstigen Ausstattung etwas erhalten geblieben.17

8 So bei MEYNER, Nachrichten, S. 84: „Kurfürst Friedrich der zweete ließ sich bereden, eine

kleine Kirche an dem Orte, wohin der Kirchendieb die Hostie gelegt hatte, zu erbauen.“ 9 Vgl. unten Anm. 22. 10 Zu den Residenzgewohnheiten des Kurfürsten Friedrich II. vgl. Brigitte STREICH, Zwischen

Reiseherrschaft und Residenzbildung. Der wettinische Hof im späten Mittelalter (Mittel-deutsche Forschungen; 101), Köln u.a. 1989, S. 285–295, zu Altenburg bes. S. 293 f.

11 Vgl. WAGNER, Kirchen und Kapellen, S. 325. 12 Vgl. zum Stift Markus ANHALT, Das Kollegiatstift St. Georgen in Altenburg auf dem

Schloß 1413–1537. Ein Beitrag zur Stiftsforschung, Leipzig 2004. 13 Repertorium Germanicum. Verzeichnis der in den päpstlichen Registern und Kameralakten

vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien vom Beginn des Schismas bis zur Reformation, hg. vom Deutschen Historischen Institut in Rom: Bd. 6: Verzeichnis der in den Registern und Kameralakten Nikolaus’ V. vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien, 1447–1455, bearb. von Josef Friedrich ABERT/Michael REIMANN, 2 Bde., Tübingen 1985–1989, Nr. 126, S. 12.

14 Ebd., Nr. 921, S. 95. Registriert unter „Corsitz“ für „Gardschütz“. 15 WAGNER, Kirchen und Kapellen, S. 330 f. 16 Ebd., S. 326 nach den Collectaneen des Johann TAUCHWITZ. In dem von August Karl

WAGNER angefertigten Auszug aus den TAUCHWITZ’schen Collectaneen heißt es, man habe dem Georgsstift „die Wallfahrtskirche zu Heil. Leichnam einverleibt, welche Wallfahrt 1435 aufkam und 1439 durch das Konzilium zu Basel konfirmirt wurde.“ ThStA Altenburg, Wagners Collectaneen Bd. 14, Nr. 6, S. 3.

17 WAGNER, Kirchen und Kapellen, S. 332 f.

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Die Kapelle wurde von zwei Geistlichen betreut; zumindest werden in einem Register des Georgenstiftes aus den Jahren 1513/14 die Einkünfte zweier Lehen in der Fronleichnamskapelle verzeichnet, von denen das zweite, das des St. Jobst-Altars, wahrscheinlich nicht in die Anfangszeit der Kapelle reicht.18 Diese Präbenden wurden wohl immer an Mitglieder des Georgenstiftes vergeben, jedenfalls gehörten die namentlich bekannten Inhaber dem Stift an.19

Der Besuch der Kapelle durch Wallfahrten bzw. Votanten führte zum Aufbau einer gewissen Infrastruktur im Umfeld der Kapelle. Dies betraf insbesondere die Errichtung eines Wirtshauses (Kretzschmar), so dass Kapelle und Kretzschmar den Nukleus für die daraus erwachsende Siedlung Heiligenleichnam bildeten. Obwohl alle Krüge im Raum einer Meile um Altenburg nur Altenburger Bier ausschenken durften, besaß der Kretschmar in Heiligenleichnam das Recht, im Zeitraum von acht Tagen vor und nach den Hauptwallfahrtsterminen auch fremde Biere und Wein auszuschenken.20 Der extraordniäre Bierverbrauch ist ein sicheres Indiz für eine florierende Wallfahrt, deren Getränkeverbrauch häufig nicht aus lokalen Ressourcen zu decken war, wie Thomas Müller in einer ein-schlägigen Untersuchung gezeigt hat.21

Kurfürst Friedrich II. versuchte auch nach der Gewährung des päpstlichen Ablasses vom Jahre 1447 in Rom weitere Indulgenzen für die Kapelle zu be-schaffen. Seine Gesandschaft zu den im Jahre 1459 nach Mantua von Papst Pius II. einberufenen Verhandlungen über die Türkengefahr erhielt den Auftrag, eine Vermehrung der Ablassgnaden und verschiedene Beichtfakultäten zu erwirken

18 Ebd., S. 329 f. Danach betrugen die Einnahmen des ersten Lehens 31 gute Schock Pfennige,

6 Pfennige und ein Pfund Wachs. Das St. Jobst-Lehen erbrachte jährlich 30 gute Schock Pfennige, 35 Groschen und 2 Pfund Wachs.

19 In einem Zinskauf der Altarleute der Altenburger Bartholomäuskirche vom Jahre 1457 erscheint Johann Marquard als Verweser der Fronleichnamskapelle; vgl. Eduard HASE, Zur Geschichte der St. Bartholomäikirche zu Altenburg, in: MittGAGO 5 (1862), S. 224–330, hier S. 251; zu Johann Marquard vgl. ANHALT, Das Kollegiatstift, S. 89. 1513/14 besaß Erhard Berger das eine Lehen (WAGNER, Kirchen und Kapellen, S. 329, vgl. zu Berger ANHALT, Das Kollegiatstift, S. 164), welches Ende 1514 auf den Kantor Leonhard Zcehender überging (WAGNER, Kirchen und Kapellen, S. 329, vgl. zu Zcehender ANHALT: Das Kol-legiatstift, S. 17, 38, 164).

20 Schied der Herzogin Margarete über Brauen, Maße und Gewichte vom 1. November 1473: „...der kreczschmar zcum Heiligen lichnam sal und mag fur itzlichen kirchferten acht tage und noch den kirchferten acht tage ungeverlich wyn und frembde byer schencken.“ Zit. nach Hans PATZE, Urkundenbuch der Stadt Altenburg, T. 2, Manuskript im Thüringischen Staatsarchiv Altenburg. Diese Bestimmung wurde im Schied über Brauen, Schenken etc. des Kurfürsten Friedrich d. Weisen und seines Bruders Herzog Johann vom 2. März 1488 wiederholt: „Item desgleichen sal es mit der sunderlichen satzunge des kretzschmars zum heiligen waren leichnam auch in seinem laut unvorruckt bleiben“, ebd.

21 Thomas T. MÜLLER, Wallfahrt und Bier. Untersuchungen zu einem bedeutenden Wirt-schaftsfaktor bei spätmittelalterlichen Wallfahrten, in: DOLEŽAL/KÜHNE (Hg.), Wallfahrten in der europäischen Kultur, S. 317–331.

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und Reliquien für die Kapelle und die Stiftskirche zu erbitten.22 Diese Verhand-lungen führten aber wohl nicht zum Erfolg.23 Erst gut 20 Jahre später sollte sein Sohn Kurfürst Ernst (1441–1486) während einer zu Ostern 1480 mit großem Aufwand unternommenen Pilgerfahrt nach Rom eine Reihe von päpstlichen Privilegien gewinnen, darunter auch die bereits von seinem Vater vergeblich erbetenen Ablassgnaden und Beichtfakultäten für das Georgenstift und ihre Fronleichnamskapelle.24 Die Empfängerausfertigung dieser Urkunde hat sich nicht erhalten, aber es existiert ein in lateinischer Sprache gedrucktes Ablass-summarium zugunsten der Fronleichnamskapelle und des Georgenstiftes, das die von Papst Sixtus IV. verliehenen Gnaden benennt.25 Dieser nur fragmentarisch erhaltene Einblattdruck nennt kein Datum, berichtet am Ende aber von der päpstlichen Erlaubnis, dass der Propst des Georgenstiftes an bestimmten Tagen „in pontificalibus“, also im Bischofsornat zelebrieren darf. Die entsprechende Urkunde findet sich mit dem Datum des 10. April 1480 in einer Abschrift von

22 Karl VON WEBER, Instruction des Kurfürsten Friedrich des Sanftmütigen für seine Ge-sandten an den Papst Pius II. zum Tag von Mantua, in: Archiv für Sächsische Geschichte 5 (1867), S. 113–129, stellte den historischen Kontext dieser Gesandschaft dar und tran-skribierte Teile der Instruktion für die Gesandten in modernisierter Rechtschreibung. In der Instruktion heißt es danach „Gott dem Allmächtigen zu Lobe, haben wir [Friedrich II.] eine ehrliche neue Capelle nahe bei unserm Schloß und Stadt zu Altenburg zu bauen haben lassen errichten, in der Ehren des heiligen wahren Leichnahms unseres Herrn Jesus Christi, wollet seine Heiligkeit demühtiglich von unseretwegen bitten, etliche Heiligthümer und merklichen Ablaß zu derselben Capelle zu geben und daß uns das bei euch senden, daß die Capelle förderlicher durch das Christenvolk zu Ablegung ihrer Sünde besucht werde.“ Zit. ebd., S. 124. In einer Erläuterung zu dieser Bitte heißt es, „daß die vorigen Päpste Ablaß zu selbiger Capelle haben gegeben, allein auf Donnerstag unsers Herren Leichnamstag, der im Jahr einmal kommt, wollet ferner arbeiten, daß derselbe gegebene Ablaß auf Donnerstag unseres Herrn Leichnamstag, erstrecket werde auf die ganze Wo-che aus und auf alle großen Feste das ganze Jahr in Ewigkeit. Auch ist dieselbe Capelle annectiert der Kirche St. Georgen auf unserm Schlosse Altenburg gelegen, daß solcher Ablaß auch der genannten Kirche Sanct Georgen werde gegeben, also der Capelle vorbe-rührt, und das das Capitel zu Altenburg in Sanct Georgens Kirche möge an des heiligen Leichnamstage und die ganze Woche und die großen Feste über Jahr Beichtväter setzen in Sanct Georgen Kirche und auch in des heiligen Leichnams Capelle, des Volk Beichte zu hören und zu entbinden a casibus papalibus also nächstens (vor Kurzem) er Marinus Sendbote unseres heiligen Vaters des Papstes Macht gehabt hat, wollet euch in dem ge-treulich befleißigen zu erlangen, an sr. Heiligkeit und auch um das Heiligthum wie gemeldet ist...“, ebd., S. 125. Der Verweis am Ende bezieht sich auf den päpstlichen Legaten Marinus de FREGANO, der 1458 in Mitteldeutschland einen Türkenkreuzzugsablass vertrieben hatte, wobei es zu einem Konflikt mit Kurfürst Friedrich II. gekommen war; vgl. ebd., S. 116–121.

23 Jedenfalls findet sich im Repertorium Germanicum, Bd. 6, kein entsprechender Nachweis. 24 Zur Romreise des Kurfürsten Ernst vgl. Franz THURNHOFER, Die Romreise des Kur-

fürsten Ernst von Sachsen im Jahre 1480, in: NASGA 42 (1921), S. 1–63. 25 Falk EISERMANN, Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts im

Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (VE 15), 3 Bde., Wiesbaden 2004, Nr. S. 147, S. 518. Eine digitale Aufnahme liegt vor unter http://inkunabeln.digitale-sammlungen.de/ Exemplar_S-634,1.html. Eine Transkription wird als Anhang zu diesem Beitrag geboten.

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24 HARTMUT KÜHNE

August Karl Wagner in seinen Collectaneen.26 Mit demselben Datum wurde von Papst Sixtus IV. auch eine Urkunde ausgestellt, mit der die Lehnsleute und Unter-tanen des Altenburger Georgenstiftes von der Gerichtsbarkeit des Magdeburger Metropoliten und des Naumburger Diözesanbischofs befreit wurden.27 Als Petenten werden in der Urkunde Kurfürst Ernst und seine Mutter Margaretha von Österreich (1416–1486) genannt. Herzogin Margaretha residierte nach dem Tode ihres Ehemannes im Jahre 1464 auf dem Altenburger Schloss und wurde auch hier in der Stiftskirche beigesetzt.28 Das Interesse der Kurfürstenwitwe an „ihrem“ Residenzstift dürfte auch das Engagement ihres Sohnes Ernst zugunsten der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam motiviert haben. Jedenfalls ist die Annahme naheliegend, dass Kurfürst Ernst neben den genannten beiden Urkunden für das Altenburger Stift auch die durch das Ablasssummarium be-legten Ablässe und Beichtfakultäten aus Rom mitbrachte. Die bisherige Datierung des Einblattdruckes auf die Zeit „um 1484“ sollte durch die nun gewonnene Datierung der zugrunde liegenden Urkunden nochmals überprüft werden. Zwar sind bisher keine Drucke von Konrad Kachelofen aus der Zeit vor Oktober 1483 bekannt, allerdings ist das letzte Wort über den tatsächlichen Beginn seiner Druckertätigkeit und die Herkunft der in seiner Officin verwendeten Typen noch nicht gesprochen.

Eine ähnliche Förderung wie durch den Kurfürsten Friedrich II. und seine Frau Margaretha hat die Fronleichnamskapelle später durch die Wettiner nicht mehr erfahren. Für ihre Enkel, den Kurfürsten Friedrich den Weisen und sei-nen Bruder Johann, ist lediglich ein Besuch der Fronleichnamskapelle im Jahr 1489 belegt, als die Brüder eine gemeinsame Wallfahrt unternahmen, die von Jena über Meißen nach Eicha bei Leipzig zu verschiedenen Heiligtümern führte,29 wobei sie an jedem Ort Pilgerzeichen erwarben.30 Originale Pilgerzeichen aus Heiligenleichnam sind bisher nicht bekannt. Allerdings existieren einige Abgüsse auf Glocken, die sehr wahrscheinlich das Pilgerzeichen von Heiligenleichnam wiedergeben. Dieses Pilgerzeichen stellt in einem spitzgiebligen Architektur-rahmen mit je einer seitlichen kreuzblumengeschmückten Fiale zwei Figuren dar, die eine Monstranz emporhalten, in deren Mitte eine kreisrunde Hostie zu

26 ThStA Altenburg, Wagners Collectaneen Bd. 8, Nr. 20, S. 150. Diese Abschrift stammt

nach Wagners Angaben „Aus einem Kopialbuche im Rathsarchiv zu Altenburg“, ebd., S. 147. 27 Abdruck in: MittGAGO 1 (1841–1844), Heft 1–2, S. 88–91. 28 Vgl. Reinhardt BUTZ, Art. „Altenburg“, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen

Reich. Ein dynastisch-topografisches Handbuch, Teilbd. 2: Residenzen, hg. von Werner PARAVICINI (Residenzenforschung; 15,1), Ostfildern 2003, S. 4–7, hier S. 4.

29 Zu dieser Wallfahrt vgl. Hartmut KÜHNE, Religiöse Mobilität zwischen Elbe und Saale am Ende des Mittelalters, in: Der Jakobuskult in Sachsen, hg. von Klaus HERBERS und Enno BÜNZ (Jakobus-Studien; 17), Tübingen 2007, S. 25–60, hier S. 50–53.

30 Die Opfer und Pilgerzeichenkäufe werden durch einen lückenhaften Auszug aus dem fürstlichen Rechnungsbuch dokumentiert, den Georg BUCHWALD, Zur mittelalterlichen Frömmigkeit am Kursächsischen Hofe kurz vor der Reformation, in: ARG 27 (1930), S. 62–110, hier S. 66, abdruckte.

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sehen ist. Abgüsse dieses Pilgerzeichens finden sich auf einer 1440 gegossenen Glocke in Droyßig (Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt), auf der 1450 gegossenen Glocke von Wittgendorf (Burgenlandkreis, Sachsen-Anhalt) (Abb. 2) und auf einer in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts datierten Glocke in Sietzsch (Saal-kreis, Sachsen-Anhalt).31

Neben der ikonografischen Analogie spricht auch die räumliche Verteilung der Abgüsse in einem Radius von 25 bis 50 km um Heiligenleichnam für die Herkunft aus dieser Kapelle. Die Datierung der Glocken in die Zeit zwischen 1440 und 1450 verweist wahrscheinlich auf die frühe Phase der Wallfahrt als eigentlicher Hochzeit.

Soweit die wenigen Informationen über die Fronleichnamskapelle und ihre Wallfahrt überhaupt eine Aussage über deren Entwicklung zulassen, scheint das Mirakelbuch zu einem Zeitraum gedruckt worden zu sein, als die Attraktion der Wallfahrt bereits nachgelassen hatte oder zumindest stagnierte. Die Entscheidung – wahrschienlich des Georgenstiftes –, ein gedrucktes Mirakelbuch herstellen zu lassen, folgte einem „Trend“, der mit dem Druck des ersten Mirakelbuches der Marienkirche von Altötting in Nürnberg bei Peter Wagner 1492 eingesetzt hat-te.32 Die Marienkirche von Altötting, bei deren Gnadenbild sich 1489 das erste Wunder ereignete, war wohl die erste Wallfahrt, deren Popularität sich im be-sonderen Maße auf die Verbreitung ihrer Wundererzählungen in gedruckter Form gründete. Das Vorbild der auch literarisch innovativen Altöttinger Mirakel-drucke machte im Süden des Reiches Schule, während er im Norden meines Wissens keine Nachahmung fand. Der Leipziger Druck für Heiligenleichnam ist also der nördlichste Ableger dieses neuen Typus der gedruckten Wallfahrts-werbung durch Wundererzählungen.

Der Druck gliedert sich inhaltlich in drei Teile: in ein Ablasssummarium, die Gründungslegende und 56 Mirakelnotizen. Bei dem ersten Teil, der fast vier Seiten füllt, handelt es sich um eine deutsche Fassung jenes lateinischen Ablass-summariums, das oben besprochen wurde. In ihm werden verschiedene Privilegien der Fronleichnamskapelle sowie des Georgenstiftes nach der Vermehrung der Gnaden durch Papst Sixtus IV. im Jahr 1480 zusammengefasst. Diese „Über-setzung“ aus dem Lateinischen erklärt einige sprachliche Schwächen des deutschen Textes, der allerdings auch kürzere Passagen der lateinischen Fassung auslässt.

31 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Hartmut KÜHNE/Carina BRUMME, Jenseits

von Wilsnack und Sternberg: Pilgerzeichen spätmittelalterlicher Heilig – Blut – Wallfahrten, in: Varia campanologiae studia cyclica. 25 Jahre Deutsches Glockenmuseum auf Burg Greifenstein. Zugleich FS für Jörg POETTGEN zur Vollendung des 70. Lebensjahres (Schriften aus dem Deutschen Glockenmuseum; 6), Greifenstein 2009, S. 129–142, hier S. 135 f.

32 Vgl. zu den Altöttinger Mirakeldrucken und dem von ihnen ausgelösten „Trend“ Gabriela SIGNORI, Kultwerbung – Endzeitängste – Judenhaß. Wunder und Buchdruck an der Schwelle zur Neuzeit, in: Mirakel im Mittelalter: Konzeptionen, Erscheinungsformen, Deutungen, hg. von Klaus HERBERS/Martin HEINZELMANN/Dieter R. BAUER, Stuttgart 2002, S. 433–473, hier S. 447 ff.

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26 HARTMUT KÜHNE

Um den Vergleich zwischen der deutschen Version und der lateinischen Vorlage zu ermöglichen, wird die Transkripion des Ablasssummariums im Anhang wieder-gegeben.

Zu der vom Mirakelbuch gebotenen Fassung der Gründungslegende sei auf die einleitenden Bemerkungen hingewiesen.

Zu den 56 Mirakelnotizen sollen einige wenige Hinweise genügen. In der Wiedergabe des Textes wurde auf Erläuterungen verzichtet. Lediglich die Her-kunftsorte der Votanten werden soweit möglich nach ihren heutigen Ortsnamen identifiziert.33 Die Herkunft der Votanten konzentriert sich in einem etwa 40 km großen Kreis um Altenburg, d.h. die Wallfahrt hatte einen regionalen Charakter. Die meisten Votanten konnten die Kapelle in einer Tagesreise erreichen. Die Heilung eines fünfjährigen Knaben mit einem Steinleiden aus Augsburg (Nr. 46) bildet in der Sammlung einen geographischen Ausreißer, ebenso wie die Heilung eines Studenten aus Böhmen (Nr. 51), dem nach der Kommunion sub utraque der Hals zugeschwollen sein soll, so dass er sein Verlöbnis nach Heiligenleichnam zugleich als Bußgang für seine utraquistische Gesinnung absolvieren musste. Diese Mirakelnotiz bietet als einzige eine Datierung, nämlich das Jahr 1493. Auch das darauf folgende Mirakel kann durch den Protagonisten, den Adligen Götz von Ende zu Rochsburg (1459–1502), in das späte 15. Jahrhundert datiert werden. Es bleibt aber offen, inwiefern sich in der Mirakelauswahl ein Quer-schnitt vom Beginn der Wallfahrt bis zur Entstehungszeit des Druckes spiegelt, oder ob vor allem „aktuelle“ Notizen aufgenommen wurden.

Auffällig ist die hohe Zahl von 21 Kindern, die damit mehr als ein Drittel der Votanten ausmachen. Bei elf Kindern wird das Geschlecht nicht angegeben, von den übrigen waren acht Knaben und zwei Mädchen. Von den restlichen Votanten waren 18 Frauen und 17 Männer, darunter nur ein Kleriker (Nr. 8). Der sozialen Herkunft nach handelt es sich hauptsächlich um Angehörige der städtischen und dörflichen Mittel- oder Unterschichten. Bei den Mirakeln werden fast aus-schließlich Heilungen von Krankheiten oder nach Unfällen geschildert. Ganz vereinzelt steht ein Verlöbnis in der Gefahr des Ertrinkens (Nr. 13), das Ver-löbnis eines Mannes, der in einem Brunnen verschüttet wurde (42), sowie die Befreiung eines zu Unrecht eingekerkerten Gefangenen (Nr. 50). Gleichgültig, ob die Berichte in der vorliegenden Form von den Votanten so vorgetragen wurden, ob sie als Einzelfälle überhaupt „historisch“ sind und nach welchen Interessen die Berichte stilisiert und für den Druck bearbeitet wurden: Greifbar werden durch die Notizen Ausschnitte aus dem Alltagsleben derjenigen Schichten, die sonst wenig Spuren in spätmittelalterlichen Quellen hinterlassen: Säuglinge, denen ein Schwein in der Wiege die Nase abbiss (Nr. 23), Kinder, die Geldstücke verschluckten (Nr. 4), von Scheunendächern fielen (Nr. 1) oder im Mühlteich von Wasserädern erfasst wurden (Nr. 36), ein betrunkener Mann, der seiner

33 Ich habe Günter Hummel (Neumark/Vogtland) und Frank Reinhold (Berga/Elster) für

ihre hilfreiche Überprüfung der identifizierten Orte zu danken.

Page 14: Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg

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Page 15: Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg

28 HARTMUT KÜHNE

Abb. 2 Pilgerzeichen von Heiligenleichnam

Glockenabguss auf der Glocke in Wittgendorf, Gipsabdruck Evangelisches Zentralarchiv Berlin, Bestand 525 „Glockenfassung Richard Heinzel“

Page 16: Das Mirakelbuch der Fronleichnamskapelle von Heiligenleichnam bei Altenburg

DAS MIRAKELBUCH DER FRONLEICHNAMSKAPELLE VON HEILIGENLEICHNAM 29

Das ist der applas vnd die genad mit den wundertzeichen. der Capellen des heyliegen warleichnams bey Allemburgck. [Blatt Aiv]: Summa freiheiten babestlicher bullen, applas vnd gnaden des waren leichnams vnnsers herren iesu cappellen bey allemburg mit etzlichen wunderwerken an-gedruckt wie nach volget. zu sunderlichem nutz und heyl allen menschen. Sixtus vnnser allerheiligster vater der vierde babest allen vnd igelichen applas der loblichen stiftkirchen des heiligen edeln ritters Geori auf dem Sloß allemburg numburgiß bistums.34 gepreit bestetiget gemert hat. wie man den teglich vnd ierlichen. auch am tag unsers herren himelfart. so man das wirdig heiligthum weysen ist. des nicht wenig ist sunder vil. do feindet allen christglaubigen zu heil die genant capellen am tag yrer weihungen auch nach osterlichzeit nestin sontag. Und auf sontag der czwissen. den achten tag des heiligen leichnams gefellet besuchen werden yr milt behulfliche hant zu enthaldung solcher cappellen zu ere vnd lob dem heiligen waren leichnam dohyn reichen. yn welcher vntzegen-liche wunderwerg tegelich erscheynen. allen applas alß yr bebstlichen bullen weisen gnediglichen mit geteilt hat zuuerdinen. [Blatt Aiir]

Darczu der Brobest capitel gnanter stiftkirchen freiheit vnd macht beichtueter da zu setzen die menschen beicht horen geben. Si von allen vnd itzlichen sunden. auch sweren lastern verlassung vbertretung verleumnissen wie sswer vnd groß auß bebstlicher gewalt so die also sein. vmb welcher nit not ist bebstlichen stul beratfragen oder besuchen mogen empinden. Und das alle gelobnis wie die gescheen. allein vber mer vnd zu den heiligen aposteln petri vnd pauli. vnd sant Jacob ym compostel. Auch einganck yn geistlichen orden ausgeslossen die ynander gute werck yn verandern vnd verwandeln mogen.

Auch nagelassen das solche bullen vnd bebstlicher applas an gunst des Bischofes vnd aller ander die besucht werden kraft vnd macht haben sol geoffen-bart vnd verkindiget mag werden.

Dartzu bey des bannes pein gefeltem vrteils verpeut. das nymandt durch sich oder einen andern solcher gnaden und freyheit verkundigung verhindern sol yn Bann sol man yn tun von christlicher gemeinschaft slissen die wider das fruchtbar wolverpracht werck diser genaden thun werden. [Blatt Aiiv]

Gibt auch dem Brobst bemelter stiftkirchen allemburg macht yn obge-nannten tagen yn der selbigen cappellen vnder Bistentumeglichem adelichem vnd wirdigen zeichen. infula vnd fingerlein andern zirheit mer das ampt der heiligen messen halden mag vnd volbrengen

Darvber yn seiner Bebstlicher bullen vber solchen gepreitten bestettigten ewiglichen applas zubleiben vnd weren viertzeen iar alßvil quadragen allen menschen die genant capellen besuchen hat gegeben. 34 Bistum Naumburg.

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30 HARTMUT KÜHNE

Nach cristi vnsers liben herren gepurt tausent vierhundert ym vierundreysigisten iaren. yn dem achten tag des heyligen warleicnams ist ein mussigeende ledig gesell wolgestalter person auß einer stad yn der Slesye genant Sweydenitz35 purtig. gen aldenburg kommen vnd also die selbige zeit ym furstum und landen groß teurung ist. hat sich der selbige ledig geselle yn seinem mussigeenden un-geordneten wesen so gar arm und durftig verzert. das er grossen kommer hat geliten. also ist er yn solch seiner ermut yn seinem gemute yn bosen vorsatz angereyst worden. die monstrancien die selbige zeit mit dem heyligen warleicnam vnsers liben herren und selimechers iesu cristi yn der [Blatt Aiiir] kirchen zu sant Bartolomeus zu aldenburg auf dem altar gestanden hat zu stelen vnd an seinen nuts zubringen. das er domit in seinem kommer vnd vngeordnetem mussigeenden wesen zerung zu seiner erwerben mochte mochte vnd na dem mussigeen vil lasters vnd vnzimliche tadt bringet so hat er nit geforcht seinen erloser vnd seligmecher vnsern herren iesum cristum Der waraftiglich im Sacrament vnder der gesteltnis des brots yn der Monstrancien auf dem altar gestanden ist. yn verstocktem gemute vnd verplentem gewissen dieplich vnd freuelich anzugreif-fen vnd weg zutragen Und ist also am sonabent yn der gemelten wochen yn die kirchen zu sant bartolomeus kommen yn meynung die tat zu verpringen vnd das heylig Sacrament mit der monstrancien zustelen. Das ist ym grausam er-schrocklich forcht zugefallen. Dar yn er hat bedacht sein vbermessig groß vor-nemen das er wider got seinen schopper tun wold Hat auch bedact ob er geseen vnd begriffen wurde wertliche schand vnd peinlichen harten todt den er darum leiden muste Eß sindt auch etlich leute wider vnd fort gegangen die er geforcht hat Und also zwey oder drey [Blatt Aiiiv] mal wider auß der kirchen gegangen. Zu letz do er kein hindernus hette. hat er yn vertzweifelicher verstockung seines gemutes vnd yn grosser frevelicher turstikeit die monstrancien mit dem heiligen sacrament von dem altar genommen. Hat die vnder seinen mantel mit dem heiligen sacrament got almectigen schopper himelreichs vnd ertreichs vnsern herren iesum cristum genommen vnd auß der kirchen vnd stat Allemburg dieplich vnd heimelich entragen. Also er domit ynß dorff Mogkern36 an der bleiß37 quam. Hat er eyn tugentsame frau ym selben dorff gebeten ym vmb gottes willen etwas zuessen geben Die frau hat von seiner tat nicht gewust. vnd ym milch vnd brot zuessen geben darnach er von dann vber die pleiß vnd furder an die stadt gegangen do der hochaltar yn diser Capel steet. vnd die zeit doselbst gestruche vnd gehultze gewest ist Do hat er das heilig sacrament den waren leichnam vnsers herren iesu cristi vnwirdiglich auf die erd vnd rasen auß der monstrancien geschut und das glas auß der monstrancien daruber gedacht. Hat doselbist die monstrancien mit einem stein zuslagen. Und forder domit gen zwickaw38 [Blatt Aiiiir] yn die stat kommen. Do die einwoner der stat Aldemburg 35 Schweidnitz (poln. �widnica), Niederschlesien. 36 Mockern, Dorf drei km südlich von Altenburg. 37 Pleiße. 38 Zwickau.

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DAS MIRAKELBUCH DER FRONLEICHNAMSKAPELLE VON HEILIGENLEICHNAM 31

geistlich vnd werntlich erfuren wie das heilig Sacrament auß yrer kirchen heimlich vnd dieblich genommen vnd entragen worden wer. Ist vnder yn allen als cristli-chem volck groß ersrecknus vnnd bekummernus erstanden vnd yn grosser sorgfeldigkeit So haben der Ersame Radt vermelter stat. allen anderen umb-ligenden steten dise ergangen geschicht zuerkennen geben. allenthalben zu erfaren zuhaben ob man irgent der ding yn wissen kommen mochte. binnen. Des ist der genant ledig geselle gen Zwickau zu einem Goltsmidt kommen vnd hat ym eyn stuck von der monstrancien wollen verkauffen. Do hat yn der Goltsmit mit worten aufgealden vnd das von stunt dem amptman vnd Radt doselbst zuwissen getan Die haben den gesellen also pald lassen greiffen vnd einsetzen. Do hat er alle vorberurte tat bekant. Also ist er wider herab nach der stat Aldemburg gefurt. die stadt und gelegenheit zuweisen do er den heiligen waren leichnam iesu cristi außgeschut hatte. Das hat er dann nicht konnen alßo palde findenn. [Blatt Aiiiiv] vnd gesagt man solde yn wider fur die stat Aldemburg furen so wolt er den weg suchen wo er von dann ausgangen sey. Das ist also gescheen Und am monta[g]. dornach hat er den heyligen warleicnam auf dem rasen vnnd erden Do er hyn geschitt worden ist. wider funden. Do selbst hat der heylig warleicnam die vorberurten zeyt Nemlich von Sonabent piß auf monta[g]. yn regen vnnd wint vnd nassem wetter auff dem rasen gelegen Do sint die geistlikeit vnd gemein volck von Aldemburc mit erlicher procession dartzu kommen. vnnd haben den heyligen warleicnam mitsampt dem rasen wirdiclic aufgeaben vnnd wider yen Aldemburc yn sandt Bartolomeus kirchen tragen Do der raß noch vnversert bealden ist. Der arm geselle hat vmb solcher tadt willen eyn peinlicen scemlichen todt nac ordenung der recht erliten Got ruche ym sein sund zuuergeben gnediclich vnnd barmhertzic zusein. Dornac do diß alles vor-berurt volbract ist sint von tag zu ta[g]. piß auf dise heutige stund an der selben stadt vil grosse unzeliche wunderwerc durc den heylyen warleicnam gescheen Und den heilyen warleicnam vnsers liben herren iesu [Blatt Avr] cristi Auch der heilyen Juncfrauen marie vnd allem himlischen her zu lob vnd ere Ist dise Cappelle angeaben zupauen. Die Got der almechty yn gutem wesen gnediclic vor aller widerwertikeit beware. Unnd alle die yr almusen hulff radt schutz vnd verteidung dartzu tun laugwiry [gemeint ist wohl: langwiry] yn gesunteyt zu-enthalden Und nac. disem verienclichen leben mit ewiger freyd ym himelreich zu belonen amen.

In disem Gotshauß seint von der zeyt also das aufkommen vnd eraben worden ist durch die almectikeit vnd craft des ewygen gutigen vnd barmertzyen gots an vyl ynnigen frommen cristenleuten die sich mit yrem opffer doyn ielobt vnd yn yren noten vnnd betrupnissen den almectyen Got ynniclichen angeruft han. mancerlei groß wunderwerc vnd zeichen gescheen der yrnach eins teils in kurtzen worten angescriben steen. auf das man dopey der gutikeit vnd grossen barmertzikeyt Gottes vnd seines eilyen warleicnams in andact dester fleissyer iedenken lob vnd ere und dancsaiung tun. vnd in anfectung noten vnd trubsalen zu ietlicher bescirmung zufluct haben mog[en]. vnd dise nacgescriben zeichen

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32 HARTMUT KÜHNE

[Blatt Avv] vnd wunderwerck gottes vnd seines heilligen waren leichnams seint von glaubhaftigen personen yn disem gottes hauß von iar zu iar geoffenbart angetzeichent vnd gescriben worden. Der auch sunst fast vil vnd vntzellig mer sint. Das alles zuscreiben vnd zu uerkundigen zulang were.

[1] Im dorff zu Nabitz39 ist ein iunger knab erbers geslechts funf iar alt von einem vberhang einer scheunen herab gefallen bey viertzick elbogen hoch. vnnd yn dem fallen hat des knaben muter den heiligen warleicnam angeruffen den knaben yn dise Capell mit einem opffer gelobt. Do hat ym der heilige warleicnam geolffen das im der val nit schedelich gewest ist.

[2] Im dorff Francstein40 bey freyberg ist ein frau an beiden armen so ge-brechlich vnd swach gewest grosses smertzen. das sy yn zweyn iaren nichts hat konnen getun noch rue gehan. alß bald sy sich zum heyligen leicnam gelobt und ir walfart volbract. sint yr die smertzen vergangen und hat gesuntheit empfangen.

[3] Zu Ronnenburg41 hat eyn schuler. xiij iar alt bey drithalb iaren auf krugken gangen der hat gehort sayen von den grossen wunderzeichen [Blatt Avir] die got yn diser capell schaft vnd sich dohyn gelobt So pald er yn dise capell kommen ist er gesunt worden und hat die krugken hie lassn

[4] Zu Naßhausen42 hat ein medichen zweyr iar alt eyn zalpfennig verslungen vnd ist davon entkvertzet vnd verstarret das eß fur tot gehandelt ist worden. Seyn muter hat das kint mit einen pfunt wacs zum heiligen leycnam yn diß capell gelobt. alsopald hat das kint angeaben zuhusten. vnd den zalpfennig auß dem halß mit blut geworfen vnd ist mit gottes hulff zugesunteyt kommen.

[5] Zu Fromelßtorff43 ist eyn medichen dreyr iar alt anwissen seiner eldern yn ein porren gefallen. diß kinds muter ist ungeuerlich zum porren kommen vnd wollen wasser holen do hat sy das kint ym porren auf dem wasser ligende am rugken sehen swimmen. sy hat yr das helffen lassen erauß zyen. Do hat man das kint langtzeit fur tot geandelt. alßo ist eß mit. iij. pfunt wacs die man zu frommen leuten gebeten hat yn dise capell zum heyligen leicnam gelobt. do hat das kint wider begunst adem zuholen. vnd ist frisch und gesunt worden. [Blatt Aviv]

[6] In der stadt Pegaw44 sint einem knaben zehen iar alt uon einem wutenden oder toricten hundt in das haupt vnd antlitz viij. wunden iepissen worden. daruon er so groß zuswollen iewest ist das man ym augen noc nasen nict hat mogen erkennen. Und yder man an ym tzweifelte er muste darvon sterben ader sein lebetag blindt beleiben. Des knabnn eldern aben yn dise Capellen ielobt Unnd selbest darpract. ist er gants iesunt worden.

39 Nobitz, Kreis Altenburger Land, Thüringen. 40 Frankenstein, Kreis Freiberg, Sachsen. 41 Ronneburg, Kreis Greiz, Thüringen. 42 Naschhausen, Stadt Orlamünde, Thüringen. 43 Frohnsdorf (Verwaltungsgemeinschaft Wieratal), Kreis Altenburg Land, Thüringen. 44 Stadt Pegau, Kreis Leipziger Land, Sachsen.

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DAS MIRAKELBUCH DER FRONLEICHNAMSKAPELLE VON HEILIGENLEICHNAM 33

[7] In der stadt Gera45 ist ein kindt acht Jar alt drey iar gants taub gewest yn dise Capellen ielopt vnd von stund wider horende worden.

[8] Einem prister zu merseburg46 ist der hals zuswollen iewest das er nit hat mogen essen noch trincken yn funff tagen dem hat der eilig warleicnam ieholffen so pald er sy yn dise capellen ielobt hat.

[9] Zu der Mitwede47 ist ein man seiner vernunft beraupt torict vnd vnsinnic worden. alßo das man yn mit snuren muste pinden. der ist yn dise Capellen ielopt vnnd durc macht und craft des heilyen warleicnams sopald er sich der globde vereyssen hat iesunt worden vnd zu vernunft kommen.[Blatt Aviir]

[10] Zu Eymersdorff48 ist ein knab an ein messer iefallen vnnd pey dem nabel vnd leib tieff verwunt also das er kaum ielebet hat durc anruffung des eilyen warleicnams ist er gesunt worden.

[11] Zu Weissenborn49 ist ein kint in einen tzuber iefallen vnd etzlich zeit darinne ielegen do ist seit muter dartzu kommen. vnd hat eß todt funden Do sy in solchem betrubnis was vnd yr nacpaur dartzu quamen. haben sy das kind zum heiligen leicnam ielopt alsopald begunst eß wider zuademen vnd ist iesundt worden.

[12] Zu weyda50 ist ein fraue yn grossem betrubnis vnnd anfectung gewest also das sy sey in zweifel iefallen sy den bosen geistern erieben vnd gescryen hat die bosen geist sollen sy mit leip vnd sele wec furen Also ist in der nact der boß geist zu der frauen kommen vnd hat sie grausamlic ieslagen gepeinigt vnd von einem winkel. auch einer want zu der andren im hauß ieworffen Do das iepulder screyen vnd weclagen der frauen also ieschac lieffen ander ynwoner diß hauß dartzu vnd fund[e]nn die frauen verstarret verkvartzet vnnd nact alß eyn todt mensch ligende Si ruffen den [Blatt Aviiv] heiligen leicnam an ynniglich fur das arm vertzweifelte weibeßbild. do verswant von yr der boß geist vnd begunst also pald wider zu vernunft und gesunteyt kommen.

[13] Es ist eyn gesell von Kemnitz51 etlich zeit zu Rom gewest und dornac. hat er bey einer stadt genandt Rymmdamer mit actzen andern personen auf dem wasser yn einem schiff gefaren. Das schiff hat yn ungestumen winden eyn steyn getroffen vnd ist tzubrochen. auch undergeen worden. Do hat der selb geselle ein pret von einem stuck des zubrochen schifs begriffen sich daran in noten des wassers gealden. vnd alsopald den eyligen leicnam angeruffen ynniglich. do hat ym der heilig warleicnam geolffen Das er mitsampt einen prister der sich an sein

45 Stadt Gera, Thüringen. 46 Stadt Merseburg, Kreis Merseburg-Querfurt, Sachsen-Anhalt. 47 Stadt Mittweida, Kreis Mittweida, Sachsen. 48 Wahrscheinlich Heyersdorf, Landkreis Altenburger Land, Thüringen. 49 Weißenborn (OT von Zwickau), Landkreis Zwickau, Sachsen. 50 Stadt Weida, Kreis Greiz, Thüringen. 51 Stadt Chemnitz, Sachsen.

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34 HARTMUT KÜHNE

kleider hat gealden Solang hat gefrist biß eyn anders schif kommen ist und yn auß geolffen. abder die andern. xvi. person sein alle ertruncken.

[14] Ein frau zu Lichtenstein52 ist wassersuctig vnd viertzen wochen lageraftig gewest. das sy nit hat konnen auß dem bette kommen. durc anruffung des hei-ligen waren leicnams ist sy gesunt worden. [Blatt Aviiir]:

[15] Ein erbar Frau hat den blutflus durch mund vnd nasen lenger dann eyn iar gehat der keyn artzt hat mogen geelfen. auß anweisung guter leute. anruffung des eyligen warleicnams ist gesunt worden.

[16] Zu Frawensteyn53 hat eyn man sein speis nit konnen gedauen die ym ein iar vngedaut zum mund wider seynt außgangen. dem ist durch den eyligen leicnam besserung verlyen.

[17] Ein man ist xx. iar zubrochen gewest vnd gesunt worden. [18] Zu Plawen54 hat eyn fraw yn geperunge eines kindes geerbeit. vnd das

ist von erst mit dem recten peyn vnd recten hand auß muterlichem leib kommen. Das ander teil hat die fraw yn grossem smertzen vnd wetagen in einem tag und nacht nit konnen geperen durch anruffung des eyligen sacrament ist die fraw yres smertzen vnd burden entlediget. vnd hat das kint mit gesunteyt tzu der werlde bracht.

[19] Zu wernßtorff55 ist ey kint yn eyn spindel gefallen vnd dem kint ist eyn stuck von der spindel vnder den arm yn den leib bliben drey wochen. durch anruffung des heiligen sacraments ist das kint gesunt worden. [Blatt Aviiiv]

[20] Zu scarlau56 hat ein man act iar wurm im haupt geapt der ist zu zeiten daruon durch grossen smertzen von seinen sinnen kommen do er sy zu dem eiligen leicnam ielobt seint die wurm von im kommen und ist g[esund]. w[orden].

[21] Zu Beltzilt57 ist ein kint in ein pfutz gefallen vnd lange zeit darinne gelegen das man eß fur todt funden das ist wider gesunt w[orden].

[22] In einem dorff pey Geitan58 hat ein want ein knaben vberfallen das man in alß todt funden hat ist wider gesunt worden.

[23] Zu bosen59 bei weissenfels hat ein swein einem kint in einer wigen ein backen mit einem augen und or piß aufs gepein abgepissen durc anruffung des Sacraments ist dem kint wider fleisch an den wang gewacssen vnd ist gesunt worden.

52 Stadt Lichtenstein, Kreis Chemnitzer Land, Sachsen. 53 Stadt Frauenstein, Kreis Freiberg, Sachsen. 54 Stadt Plauen/Vogtland, Sachsen. 55 Unsicher: Entweder Wernsdorf (OT von Glauchau), Landkreis Zwickau, Sachsen, oder

Wernsdorf (OT von Berga/Elster), Landkreis Greiz, Thüringen oder Wernsdorf (OT von Gera), Thüringen.

56 Zschorlau, Erzgebirgskreis, Sachsen. 57 Pölzig, Landkreis Greiz, Thüringen. 58 Stadt Geithain, Kreis Leipziger Land, Sachsen. 59 Großgrimma (OT von Bösau), Landkreis Weißenfels, Sachsen-Anhalt?

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DAS MIRAKELBUCH DER FRONLEICHNAMSKAPELLE VON HEILIGENLEICHNAM 35

[24] Zu Merseburg60 do es gebrandt hat. ist ein kint in einem bornenden hauß yn einer wigen gelegen vnd nymant hat vor feur darzu mogen kommen. also der heilig leicnam inniglich angeruffen wart. hat ein man das kint mit der wigen mit eynem hagken auß dem feur getzogen vnd ist vnuersert bliben.

[25] Ein erber knecht bey Rotau61 ym winter mit einem pferd under das eyß in der pleiß [Blatt B ir] gefallen und yn grosser ferlikeit gewest. durch anruffung des Sacraments ist der knecht außkommen. vnd das pfertt ist vnder dem eyß eines armbrost schuß weit geswummen. und außkommen.

[26] Zu Komptaw62 hat ein frau den steyn gehabt vnnd groß smertzen langtzeit dar an geliten durch anruffung des sacraments ist der steyn von yr kommen und gesunt worden.

[27] Zu Erffurt63 ist eyn man zubrochen vnd gichtbruchtig zwey iar gewest das er keyn hand hat mogen zu mund bringen vnd man hat yn mussen alß eyn kint eyssen ist g[esund]. w[orden].

[28] Zu Querffurt64 ist eyn fraw ym herbst alß new weyn oder most gerende waren yn ein keller gangen do ist sy von dem tampff oder broden der moste anmechtig worden vnd also nyder gefallen. yr man hat die frau fur tot ligende funden vnd auß dem keller getragen. sy hat also drey stunt alß eyn tot mensch gelegen vnd nymant kunt das leben an yr erkennen. sy ward mit eym pfunt waxcs zum heiligen leichnam gelobt do ist sy wider zu yr selbst kommen und gesunt worden.

[29] Zu Schellemberg65 ist eyn wassersuchtige Junckfraw gesunt worden. [Blatt Biv]:

[30] Ein man zu der Leßnitz66 ist bey funf iaren spitelisch ader aussetzig ge-west vnd hat sullen von den leuten zyen do ist er gesunt w[orden].

[31] Ein frau zu grossen Sommerde67 yn doringen ist zwey iar blint gewest der ist in der nacht furkommen sy solde sicj yn dise Capelle geloben do sy das getan und yr kirchfart volbracht hat ist sy gesunt worden.

[32] Im dorff Mosen68 bey weyda ist ein iunckfrau yn ein grossen hagken do man yn einem stall zeum vnd sattel anhengt gefallen durch den rugk zwo schuldern auß. vnd ist also am hagken hangen bliben durch anruffung des sacraments ist sy gesunt worden.

60 Stadt Erfurt, Thüringen. 61 Rötha, Landkreis Leipziger Land, Sachsen. 62 Komotau/Chomutov, okres Chomutov, kraj Ústecký, Tschechische Republik. 63 Stadt Erfurt, Thüringen. 64 Stadt Querfurt, Kreis Merseburg-Querfurt, Sachsen-Anhalt. 65 Schellenberg, seit 1572/73 Stadt Augustusburg, Kreis Freiberg, Sachsen 66 Lößnitz, Erzgebirgskreis, Sachsen oder Lößnitz (OT von Freiberg), Sachsen. 67 Stadt Sömmerda, Kreis Sömmerda, Thüringen. 68 Mosen (OT von Wünschendorf/Elster), Landkreis Greiz, Thüringen.

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36 HARTMUT KÜHNE

[33] Ein man ist yn einem felde mit eym grossen baum vberfallen das er fur tot ligende blibe. ist geolffen worden durch anruffung des heiligen sacraments.

[34] Ein man ist mit dem bosen geist besessen vnd daran toricht gewest dem hat der heylig leicnam geolffen.

[35] Ein man ist von einer kirchspitzen viertzigh ellen hoch gefallen. ym fall hat er den heiligen leicnam angeruffen vnd ym ist geholffen worden das der fal nit schedeliche gewest ist. [Blatt Biir]:

[36] Ein kint ist zu wasser gefallen vnd durch ein molrat geswummen das ist ein virteil einer stunt ym wasser gelegen. von seinen eldern fur tot funden worden dem hat der heilige leicnam wider zum leben und gesunteyt geolf[fen].

[37] Ein frau von der heyde bei Dresen69 mit swangerm leib hat ein rinde vnd ochs gestossen vnd mit den hornern ym bauch verwunt einer gantzen spann tieff. das man yr xv. hefte hat mussen thun. Die ist daran yn grosser kranckheit vnd ferlikeit yres leibes gewest do hat ir der heilig leicnam geolffen.

[38] Einem knaben virtzen iar alt ist das geweide langtzeit auß dem leib gangen. dem hat der heilig leicnam geolffen.

[39] Ein Junckfrau actzen iar alt hat orlein vnd naselen ym haupt geabt durch anruffung des sacraments sint yr die wurme bey eine ließe nepflin vol auß dem haupt gefallen vnd ist gesunt worden.

[40] Ein Junckfrau hat das wetter oder blic auf dem velde geslagen das sy von vespertzeit piß mitternacht fur tot gelegen ist Sy ist zum heiligen leicnam gelobt vnd wyder gesunt worden.

[41] Ein man ist ym winter yn grosser kelde [Blatt Biiv] auf dem felde nider gesessen vnd ein gantze nacht aldo sitzen bliben. den hat man starrende vnd also tot funden er ist auf ein steif geladen weg gefurt. vnd yn ein kalt wasser gelegt worden durch anruffung des heiligen leicnams hat ym das wasser die kelde ausgetzogen vnd ist gesunt worden.

[42] Zu Kouffungen70 ist einer frawen ein schaf yn ein porren xx. ellen gefallen die hat ein starken son geabt der ist yn den porren gestigen vnd hat das schaf wollen darauf gewinnen. do ist der porren gantz eingefallen vnnd der frawen son ist piß an andern tag verfallen gewest. man hat zu ym gereumet vnd den heiligen leicnam angeruffen do ist er gesunt vnd vnuerletzt funden worden.

[43] Ein fraw von Rochlitz71 hat die swindelsucht drey wochen gehat konde ir kein artz geelfen ist gesunt worden.

[44] Ein man von Kreybitz72 mit seiner elichen frawen seint vneyn worden vmb trunckenheit willen das der man die fraw mit einer geisel vmb das haupt slug.

69 Stadt Dresden, Sachsen. 70 Wolkenburg-Kaufungen, Kreis Chemnitzer Land, Sachsen. 71 Rochlitz, Kreis Mittweida, Sachsen. 72 Kriebitzsch, Kreis Altenburger Land, Thüringen.

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DAS MIRAKELBUCH DER FRONLEICHNAMSKAPELLE VON HEILIGENLEICHNAM 37

das yr zu peiden augen das blut ausgelauffen hat. hat sy den heiligen leicnam an-geruffen vnd ist wyder gesunt worden. [Blatt Biiir]

[45] Zu Braunstorff73 bey Lichtenwalde hat ein paurßman mit seinen pfer-den auf dem felde geackert. seint die pfert mit dem pflug vber den man gelauf-fen vnd hat in acttag fur tot geandelt. hat er den heiligen leicnam angeruffen ist gesunt worden.

[46] Zu Augspurg74 ym lant zu Swaben hat ein kint funff iar alt swerlich den steyn gehat. vnd etzliche zeit groß vnmesliche smertzen daran geliten. also hat eß sein muter mit einem opffer zum heilyen warleicnam gelobt von stunden hat sich der steyn mit dem mund seiner muter vom knaben leyctiklich lassen saugen vnd bat den steyn alher gebrat alßo ist das kint des smertzen loß worden.

[47] Im dorff zu Neber bei weida75 ist ein fraw in grossem wetag der tzen secxs wochen gelegen vnd die hende seint ir daruom verstarret. hat sich etlichen gelobt do sy genade zu bette ist ir kein hulff gescheen. Do hat sy den heilyen leicnam angeruffen ist di kranckheit von stundt von ir gnediglich gewichen.

[48] Zum Newendorff bei Beßnitz76 hat ein fraw ein kint gehat das ist drey stunt todt gewest da hat die muter den heilyen war [Blatt Biiiv] leicnam angeruffen ist dem kint das leben wider geben.

[49] Zum Newstetichen77 bey zwickaw hadt ein fraw leym graben ist der vffer auf sy gefallen vnd ist langtzeit fur tot geandelt hat sy ein ander frau zum heilyen leicnam gelobet mit einem opffer zuhandt hat sy erseufzt vnd ist zu ir selbest kommen.

[50] Zu Leibsigck78 ist eyn armer mensch gefangen vnd etlicher sach be-schuldiget darumb von dem zuchtiger sere gepeiniget. alßo das er hat bekant etliche ding vmb pein willen darumb ist er verurtelt zu dem feur darauß ist er gangen vnuersert. durch anruffung des heilyen warleicnams vnd hat das selber bekant in diser capelle.

[51] Ein schuler in Bemen79 hat das Sacrament nach yrer weis vnder peyder gestalt empfangen. vnd hat got gepeten ym zu erkennen geben durch ein zeichen ob der Bemisch gelaub waraftiger sey dann der cristliche. alsopald ist ym an dem halß ein groß geswolst aufgefarn alß ein faust. also das er meynt er muste sterben. do ruff er an den heiligen warleicnam vnnd gelobt zubesuchen dise capell. sich dartzu beclagen seiner sunden [Blatt B ivr] vnd buß zutun. Alsopald

73 Braunsdorf (OT von Niederwiesa), Landkreis Mittelsachsen, Sachsen. 74 Stadt Augsburg, Bayern. 75 Niebra (OT von Gera), Thüringen. 76 Gößnitz, Landkreis Altenburger Land, Thüringen. 77 Neustädtel, Stadt Schneeberg, Erzgebirgskreis, Sachsen. 78 Stadt Leipzig. 79 Böhmen.

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38 HARTMUT KÜHNE

er das gelobnis getan verswant die geswolst wider. Und ist gescheen Anno dni etc. xciii80 Dominica infra octavam corporis cristi.

[52] Dem gestrengen Getzen von ende zu wolkenberg81 ist ein knab. ix. jar alt von einem hohen gang gefallen. das kein leben an ym erschinen ist. nach dem gelobnis seiner eldern zu diser capellen mit einem opffer und zeichen ist das kint frisch und gesunt worden.

[53] Bey Blauch auf einem dorff82 hat ein kint sant Valtens seuch berurt nach dem gelobnis zu diser capell hat eß die seuch verlassen.

[54] Zu Gera83 seint zwey eeliche leute unfruchtpar. xviii. iar gewest. haben den heiligen warleichnam vmb ein frucht angeruffen. sint erhort worden In der zeit der geperung sint komen ander weiber yr beystant zuthun. hat sy yn. xxi. stunden der frucht nit entlegigen konnen werden. Die weiber vertzweifelten alle an yr vnd gingen von dann also das sy lang alleyn yn grossen noten vnd engsten lag. In solchem smertzen vnnd trubsal hat sy sich zum heiligen warleicnam gelobt alsopald ist sy der frucht genesen vnd dorna. yr opffer mit der frucht yn diß capell brat [Blatt B ivv]

[55] Ein kindt zu Brandiß84 xvi. wochen alt hat sant Valtens seuch eyn tag. ix. mal berurt Den andern tag. iiij. mal ist daruon enpunden.

[56] Ein pferdt zu Burckerßdorff85 eyn kindt geslagen hat das man eß zwo stunden vor todt gehandelt hat Haben die eldern das kint mit einem silberen opffer yn dise capell gelobt. do ist eß wider zum leben kommen.

Noch vil ander zeichen mer die gescheen seyn. vnnd noch von iar zu iar teglich yn dißer Capellen geschehen. welche alle zuuertzelen vast lang were. Darumb von kurtz wegen die selben vnuermelt bleiben. Durch welcher aller wegen das hochste gut (got selbst) vns allen wolle geben die freyden der ewigen seligkeyt Amen.

80 D.h. 1493. 81 Gemeint ist wohl Götz von Ende zu Rochsburg (1459–1502), vgl. zu seiner Person Uwe

SCHIRMER, Untersuchungen zur Herrschaftspraxis der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen. Institutionen und Funktionseliten (1485–1513), in: DERS./Jörg ROGGE, Hoch-adelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600). Formen, Legitimation, Repräsentation. Stuttgart 2003, S. 305–378, hier S. 355 f.

82 Ein Dorf bei Glauchau, Landkreis Zwickau, Sachsen. 83 Stadt Gera, Thüringen. 84 Brandis, Muldentalkreis, Sachsen. 85 Wahrscheinlich Burkersdorf (OT der Gemeinde Saara), Landkreis Altenburger Land,

Thüringen oder Burkersdorf (OT der Gemeinde Nöbdenitz), Landkreis Altenburger Land.

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DAS MIRAKELBUCH DER FRONLEICHNAMSKAPELLE VON HEILIGENLEICHNAM 39

Anhang

Summa bulle Indulgentiarum Capelle Corporis christi prope Aldemburg86

Dominus noster sanctissimus Sixtus papa quartus omnes et singulas indulgencias ecclesiae Collegiate sancti Georgii in castro Aldenburg Numburgesis diocesis singulis diebus et hincinde sparsim ac in ostensione reliquiarum ibidem concessas que multe sunt ad visitantes Capellam Corporis cristi prope Aldenburg. In qua hoc precelsus cristi corpus innumeris choruscat miraculis. In die dedicaconis87 eiusdem que est dominica Quasimodogeniti Et dominica infra octavas Corporis christi suasque ad eandam88 porrigentes manus adiutrices ampliavit illas eisdem concedendo. Item in eandem Bulla xiiij annos et totidem quadragenas eisdem elargitur. Item papa Martinus quintus similiter vii annos eisdem visitantibus concessit.89 Item papa Sixtus concessit facultatem praeposito et Capitulo prefate ecclesie in Cappella praefata premissis diebus ordinande90 confessores qui con-fluentium ibidem confessiones audire et eosdem ab omnibus et singulis p[e]ccatis criminibus excessibus et delictis quantumqumque gravibus et enormibus dummodo talia non fuerint propter91 que sedes appost[o]lica fuerit merito con-sulenda Auctoritate apostolica absolvere possint. Item quod possint quecumque vota qualitercumque missa in alia pietatis opera commutare vltramarino ac bea-torum appostolorum Petri et pauli atque iacobi Compostella necnon religionis exceptis dumtaxat. Item statuit idem dominus noster sanctissimus quod huis-modi gratie et indulgentie absque licentiam ordinarii et quorumcumque aliorum requisitorum publicari valeant et suum soriantur92 effectum. Item perhibet sub pena excommunicationis late sententie nequis impediat vel retardat per se vel alium publicacionem et effectum huismodi indulgenciarum et contrafacientes excommunicando. Et hee indulgentie supradicte perpetuis futuris temporibus durabunt. Item sanctissimus dominus noster papa supradictus dat facultatem praeposito prefate ecclesie Aldenburgensi prescriptis diebus in praefata Capella celebrando sub Infula Annulo Ac aliis insigniis Episcopalibus. 86 Die Transkription behält die Groß- und Kleinschreibung und alle Eigentümlichkeiten des

Druckes bei, löst aber die Ligaturen auf. Ich habe meinem Kollegen Jan HRDINA (Prag) für die kundige Überprüfung meines Transkriptionsversuches zu danken.

87 Statt des richtigen„dedicationis“. 88 Statt des richtigen „eandem“. 89 Dies bezieht sich wohl auf die am 8. Juli 1423 von Papst Martin V. ausgestellte Ablassur-

kunde, die sich im Thüringer Staatsarchiv Altenburg erhalten hat, die allerdings nur drei Jahre Strafnachlass verspricht; gedruckt in: MittGAGO 1 (1841); S. 81–83. Vgl. auch Re-pertorium Germanicum, Bd. 4: Verzeichnis der in den Registern und Kameralakten Martins V. vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien, 1417–1431, Bd. 1: (A–H), bearb. von Karl August FINK, Berlin 1943, Sp. 64.

90 Statt des richtigen „ordinandi“. 91 Statt des richtigen „preter“. 92 Der Druck ist an dieser Stelle unklar; „soriantur“ ist als der Bedeutung nach wahrschein-

lichste Form ergänzt.

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