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325 Cagaan Chad ENTDECKUNG UND FUNDORT Im Januar 2010 entdeckten B. Šoovdor und G. Batmunch unweit der Winterjurte ihrer Familie in einer Felshöhle einen großen Holzgegenstand, Lederreste und einige Knochen. Als die Finder auf eine mumifizierte Menschenhand stießen, been- deten sie die Durchsuchung der Höhle. Im Mai 2010 erfuhr ein Archäologenteam der Abteilung für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bonn, das zu dieser Zeit in der Mon- golei tätig war, von dem Fund. Daraufhin organi- sierten die Forscher gemeinsam mit ihrem mon- golischen Kollegen im Auftrag des Instituts für Archäologie der Mongolischen Akademie der Wis- senschaften eine Expedition zum Fundplatz, um die Bestattung im Rahmen einer fachgerechten Ausgrabung zu untersuchen und so vor der wei- teren undokumentierten Zerstörung zu bewahren. Die Feldarbeiten fanden im Mai 2010 statt 1 . Die Fundstelle liegt im Gobi-Altai 10 km west- lich der Kreisstadt Bogd auf 1684 m Höhe zwi- schen dem Bergmassiv Baga Bogd Uul im Westen und der Arc Bogdyn Nuruu-Bergkette im Süden (Abb. 1). Die Vegetation dieses dünn besiedelten Gebietes ist auf wenige Pflanzenarten beschränkt, die den extrem trockenen klimatischen Verhält- nissen und den kargen, sandigen Böden der Halb- wüste am Nordrand der Gobi angepasst sind. Die Bestattung wurde am sonnenbeschie- nenen Südhang des Felsrückens Cagaan Chad (mongol. Weißer Fels) in einer natürlichen Höhle niedergelegt (Abb. 2–3). Die Felsgrotte hat eine Länge von 3,1 m und eine Breite von 2,3 m und erreicht im hinteren Teil eine maximale Höhe von 1,8 m. Im Inneren war der Höhlenboden mit einer trockenen Schicht aus Tierkot, Zweigen und Wurzeln, Gras und kleinen Steinen bedeckt, die im Laufe der Jahrhunderte auf bis zu 0,7 m Stärke angewachsen war. In der Nähe des Eingangs hat- ten die Finder diese Ablagerungen teilweise bis auf den anstehenden Fels durchwühlt und zusam- men mit einigen Holzartefakten und Menschen- knochen aus der Höhle entfernt. DIE ARCHäOLOGISCHE NACHUNTERSUCHUNG Nachdem die Archäologen sowohl das gestörte Sediment als auch die unberührten Abla- gerungen abgetragen und gesiebt hatten, trat im hinteren Teil der Höhle die Bestattung zutage (Abb. 4–5). Man hatte den Toten in Rückenstreck- lage quer zur Längsachse der Höhle auf eine Fels- stufe gebettet. Sein Körper war durch die Trocken- heit teilweise mumifiziert. Der Schädel wurde bei der Ausgrabung nicht mehr in situ angetroffen, er lag im Bereich des linken Ellenbogens. An der Stelle, an der sich das Haupt des Toten ursprüng- lich befunden haben muss, konzentrierten sich grob gewebte Stofffragmente sowie größere Men- gen Textilfäden, bei denen es sich wohl um die Überreste eines Kissens handelt, wie es als Teil der Grabausstattung auch aus anderen mongoli- schen Felsspalten- und Höhlengräbern bekannt ist 2 . Die Kleidung des Bestatteten bestand aus ver- schiedenen Woll-, Seiden-, Leder- und Pelzlagen. Das Höhlengrab von Cagaan Chad, Bogd sum, Övörchangaj ajmag Gon igsüren Nomguunsüren, Birte Ahrens und Henny Piezonka Der mongolenzeit- liche Lederköcher aus Cagaan Chad.
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Das Höhlengrab von Cagaan Chad, Bogd sum. Övörchangaj ajmag. In: J. Bemmann (Hrsg.), Steppenkrieger. Reiternomaden des 7. - 14. Jahrhunderts aus der Mongolei (Bonn 2012) 325-349.

Mar 30, 2023

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325Cagaan Chad

EntdECkung und Fundort

Im Januar 2010 entdeckten B. Šoovdor und G. Batmunch unweit der Winterjurte ihrer Familie in einer Felshöhle einen großen Holzgegenstand, Lederreste und einige Knochen. Als die Finder auf eine mumifizierte Menschenhand stießen, been-deten sie die Durchsuchung der Höhle. Im Mai 2010 erfuhr ein Archäologenteam der Abteilung für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Bonn, das zu dieser Zeit in der Mon-golei tätig war, von dem Fund. Daraufhin organi-sierten die Forscher gemeinsam mit ihrem mon-golischen Kollegen im Auftrag des Instituts für Archäologie der Mongolischen Akademie der Wis-senschaften eine Expedition zum Fundplatz, um die Bestattung im Rahmen einer fachgerechten Ausgrabung zu untersuchen und so vor der wei-teren undokumentierten Zerstörung zu bewahren. Die Feldarbeiten fanden im Mai 2010 statt1.

Die Fundstelle liegt im Gobi-Altai 10 km west-lich der Kreisstadt Bogd auf 1684 m Höhe zwi-schen dem Bergmassiv Baga Bogd Uul im Westen und der Arc Bogdyn Nuruu-Bergkette im Süden (Abb. 1). Die Vegetation dieses dünn besiedelten Gebietes ist auf wenige Pflanzenarten beschränkt, die den extrem trockenen klimatischen Verhält-nissen und den kargen, sandigen Böden der Halb-wüste am Nordrand der Gobi angepasst sind.

Die Bestattung wurde am sonnenbeschie-nenen Südhang des Felsrückens Cagaan Chad (mongol. Weißer Fels) in einer natürlichen Höhle niedergelegt (Abb. 2–3). Die Felsgrotte hat eine

Länge von 3,1 m und eine Breite von 2,3 m und erreicht im hinteren Teil eine maximale Höhe von 1,8 m. Im Inneren war der Höhlenboden mit einer trockenen Schicht aus Tierkot, Zweigen und Wurzeln, Gras und kleinen Steinen bedeckt, die im Laufe der Jahrhunderte auf bis zu 0,7 m Stärke angewachsen war. In der Nähe des Eingangs hat-ten die Finder diese Ablagerungen teilweise bis auf den anstehenden Fels durchwühlt und zusam-men mit einigen Holzartefakten und Menschen-knochen aus der Höhle entfernt.

diE arChäologisChE naChuntErsuChung

Nachdem die Archäologen sowohl das gestörte Sediment als auch die unberührten Abla-gerungen abgetragen und gesiebt hatten, trat im hinteren Teil der Höhle die Bestattung zutage (Abb. 4–5). Man hatte den Toten in Rückenstreck-lage quer zur Längsachse der Höhle auf eine Fels-stufe gebettet. Sein Körper war durch die Trocken-heit teilweise mumifiziert. Der Schädel wurde bei der Ausgrabung nicht mehr in situ angetroffen, er lag im Bereich des linken Ellenbogens. An der Stelle, an der sich das Haupt des Toten ursprüng-lich befunden haben muss, konzentrierten sich grob gewebte Stofffragmente sowie größere Men-gen Textilfäden, bei denen es sich wohl um die Überreste eines Kissens handelt, wie es als Teil der Grabausstattung auch aus anderen mongoli-schen Felsspalten- und Höhlengräbern bekannt ist2. Die Kleidung des Bestatteten bestand aus ver-schiedenen Woll-, Seiden-, Leder- und Pelzlagen.

Das Höhlengrab von Cagaan Chad, Bogd sum,

Övörchangaj ajmag

gon igsüren nomguunsüren, Birte ahrens und henny Piezonka

Der mongolenzeit-liche Lederköcher aus Cagaan Chad.

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war, dass er den hinteren Teil der Höhle vom Ein-gangsbereich abschirmte (Abb. 6). Bei diesem mit roter und schwarzer Bemalung sowie Schnitze-reien verzierten Stück könnte es sich, wie eine Bildquelle vermuten lässt, um die Seitenwand eines Streitwagens handeln5.

Ebenfalls in den Bereich des Totenrituals gehört eine kleine Fundansammlung im vorderen Teil der Höhle, die für die Verpflegung des Toten im Jenseits gedacht war. Nahe dem Eingang an der südwestlichen Wand stand eine hölzerne Schale, neben der eine Schafs- oder Ziegen-Tibia mit dem zugehörigen Fußgelenkknochen senkrecht im Boden steckte (Abb. 7). Die senkrechte Deponie-rung einer Schafs-Tibia im Grab bildet ein sehr charakteristisches Merkmal im altmongolischen

Quer über die Beine des Toten waren verschie-dene Holzgegenstände gelegt, bei denen es sich wahrscheinlich um Wagen- und Jurtenteile han-delt. Den oberen Abschluss der Grablege bildete ein großes Holzobjekt mit einer Querstrebe und zwei Latten, welches die Körpermitte des Bestat-teten überdeckte. Auch dieses Stück stammt mög-licherweise von einem Wagen. All diese hölzer-nen Gegenstände weisen alte Bruchstellen auf, die auf eine absichtliche Zerstörung vor der Nieder-legung im Grab hindeuten. Für ein solches Ritual gibt es zahlreiche Belege aus anderen mongolen-zeitlichen Gräbern4. Sehr interessant ist des Wei-teren ein großer rechteckiger Holzgegenstand, der nach den Angaben der Finder, die ihn aus dem Grab entfernt hatten, ursprünglich so aufgestellt

Größere Partien haben sich am Oberkörper sowie im Becken- und Oberschenkelbereich erhalten. An den Knien und Unterschenkeln lagen stark vergangene Fell- und Filzstücke, die vielleicht Reste von Beinlingen oder Stiefeln darstellen.

Neben und über dem Leichnam waren zahlrei-che Ausstattungsgegenstände und Grabbeigaben arrangiert. Hinsichtlich ihres Erhaltungszustan-des einzigartig ist die Waffenausrüstung. Entlang der rechten Seite des Toten hatte man einen mit Intarsien verzierten Reflexbogen platziert, dessen Sehne bis heute gespannt ist. Rechts der Beine

1 Blick vom Höhlen-eingang des Grabes Cagaan Chad nach Süden auf die Arc Bogdyn Nuruu-Kette.

und den Bogen teilweise überdeckend lag der aus Leder gefertigte, mit Applikationen dekorierte Köcher mit sieben Pfeilen, deren Holzschäfte zum Kopfende des Grabes wiesen. Darunter kamen größere, allerdings aufgrund ihrer Lage direkt auf dem Felsen leider schlechter erhaltene Leder-fragmente sowie kleine Eisenartefakte zutage, bei denen es sich um die Reste eines Bogenfutterals handeln könnte3. Der einzige Bestandteil der Rei-terausstattung, der im Grab gefunden wurde, ist eine kleine Peitsche, welche in einer Nische der südwestlichen Höhlenwand lag.

5 Zeichnung der Bestattung nach der Freilegung.

2 Der Felsrücken Cagaan Chad von Südosten. Der Pfeil markiert die Lage der Grabhöhle.

3 Der Eingang der Höhle, der von den Findern wieder verschlossen worden war, vor Beginn der archäologischen Untersuchung.

4 Die Bestattung im hinteren Teil der Höhle nach der Entfernung der bis zu 0,7 m starken Schicht aus Tierexkrementen und Pflanzenresten.

knochen

Mumifiziertes gewebe

holz

leder

textil

Filz

Eisen

gräser, Zweige, tierkot, etc.

(schicht 3)

20 cm

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6 Rekonstruktion der Originallage des Holz-objektes nach den Angaben des Finders B. Šoovdor.

7 Holzgefäß und senkrecht im Boden steckende Tiertibia in Fundlage.

Bestattungsritus, das nicht nur in der Mongolei selbst, sondern auch in den angrenzenden Regi-onen Russlands, Chinas und Mittelasiens vielfach belegt ist6. Sowohl die hölzerne Schale als auch die Tier-Tibia konnten mithilfe der Radiokarbon-methode datiert werden7. Demnach wurde das Höhlengrab von Cagaan Chad im 14. Jh. n. Chr. angelegt, als das Mongolische Weltreich begann, in verschiedene Teilreiche zu zerfallen.

Anhand der Ausstattung mit Bogen und Köcher sowie Reitpeitsche kann man davon aus-gehen, dass es sich bei dem Bestatteten von Ca-gaan Chad um eine männliche Person gehandelt hat8. Der Verwachsungsgrad der Langknochenepi-physen erlaubt es, das Sterbealter auf etwa 19–20 Jahre einzugrenzen9. Für detaillierte Erkenntnisse zu Geschlecht, Alter, individuellen Besonderhei-ten, pathologischen Veränderungen sowie mögli-cherweise auch zur Todesursache bleibt die anthro- pologische Untersuchung des Leichnams durch B. Frohlich am National Museum of Natural His-tory, Smithsonian Institution, Washington D. C., abzuwarten.

Das Grab von Cagaan Chad stellt in mehrfa-cher Hinsicht einen außergewöhnlichen Fund unter den mongolischen Felsspalten- und Höhlen-bestattungen dar. Zum einen enthält es eine Reihe von Gegenständen, die in ihrer exzellenten Erhal-tung bislang ohne Parallelen sind. Dazu gehören der verzierte Lederköcher und der fast unbeschä-digt konservierte Reflexbogen mit gespannter Sehne. Zum anderen handelt es sich erst um das

zweite Höhlengrab dieser Zeitstellung10 und eines der wenigen mongolischen Felsspalten- und Höh-lengräber insgesamt, bei dem der weitgehend ungestörte Befund im Rahmen einer modernen archäologischen Untersuchung fachgerecht aus-gegraben, dokumentiert und geborgen werden konnte. Dadurch eröffnen sich für die weiterfüh-renden Analysen, aber auch für Restaurierung und Rekonstruktion wertvolle Perspektiven, eine umfassende Auswertung und kulturgeschichtli-che Einordnung des Grabes zu erreichen und ein detailliertes Bild des jungen Kriegers und seiner Lebenswelt zu zeichnen (s. Abb. 1 auf S. 72).

1 An der Expedition beteiligt waren G. Nomguunsüren (Ins-titut für Archäologie, Mongolische Akademie der Wissen-schaften), B. Ahrens (Abteilung für Vor- und Frühgeschicht-liche Archäologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), H. Piezonka (Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie, Universität Greifswald) sowie der Fahrer B. Suchbaatar.2 Erdenebat 2009, Bd. 1, 136–139.3 Vgl. Gorelik 2002, 60, Nr. 10, 12, 14.4 Erdenebat 2009, Bd. 1, 190–191.5 Vgl. hierzu die ausführliche Beschreibung unter Kat. V.13–Kat. V.15.6 Erdenebat 2009, Bd. 1, 121, 164–169; Projekt „Restaurie-rung von Kleidungsstücken aus Seide und Filz sowie Waffen aus mongolischen Gräbern“, Projektnr.: MNG 10/001. 7 Zu den Datierungsergebnissen vgl. Kat. V.12.8 Erdenebat 2009, Bd. 1, 127.9 Vgl. Herrmann u. a. 1990, 58–59.10 Nach dem 2005 untersuchten Grabfund von Nartijn Chad, Dornogov‘ ajmag (Erdenebat/Chürelsüch 2007).

braune, sackartig in Leinenbindung gewebte Stoffe unterscheiden.

Direkt unter dem Rücken befand sich als innerste Lage ein größeres Stück feinen Leders, an dem einige Nähte zu erkennen sind. Es scheint sich dabei um eine Art „Unterhemd“ zu han-deln. Darunter folgten als nächste Schicht meh-rere Lagen groben braunen Stoffes, die teilweise gefältelt, dabei aber relativ flexibel sind. Von der äußeren Schicht haben sich Reste eines sehr fes-ten groben Gewebes erhalten, an denen ein braun-schwarzes Streifenmuster zu erkennen ist. Ansons-ten konnten bisher keine farbigen Verzierungen nachgewiesen werden. Ebenfalls außen fand sich im Hüftbereich eine größere Partie aus feinem, dicht gewebtem, ehemals hellem Stoff, der ent-lang einer Naht in starke Falten gelegt ist und Teil eines elaboriert gefertigten Gewandes gewesen zu sein scheint. Ähnlich dichte Fältelungen charak-terisieren den Rockansatz dreier Mäntel aus dem

Fundkatalog

BEklEidung und tEXtiliEn

kat.V.1 kleidungsfragmente

Wolle, Seide, Filz, Pelz, Leder

Nur in Fragmenten erhalten

Die Kleidung des Toten besteht aus mehre-ren Lagen Stoff, Pelz, Filz und Leder, die durch Tierfraß stark beschädigt und fragmentiert sind (Abb. 8). Die größten zusammenhängenden Tex-tilstücke hatten sich unterhalb des Leichnams vor allem im Oberkörperbereich erhalten, weil hier offenbar der darauf liegende Körper des Bestat-teten die Zerstörung und Verschleppung durch Tiere verhinderte. Die Stoffe weisen unterschied-lich Webstrukturen und Farben auf. So lassen sich z. B. sehr fein gewebte weiße Fragmente, feine und grobe leuchtend blaue Gewebe sowie grobe

Kat. V.1, Blaue und bräunliche Stoff-fragmente und Detail einer äußeren Stoffschicht mit braun-schwarzem Streifenmuster.

8 Becken- und Oberschenkelbereich des Bestatteten mit Resten der Kleidung.

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13.–14. Jh., die im Grab von Buchijn Chošuu im Chentij ajmag gefunden wurden1. Im Bereich der Oberschenkel fanden sich unter dem Leichnam von Cagaan Chad sehr schlecht erhaltene Pelz-reste, die, wie unzählige Kotkügelchen der Larven vermuten lassen, offenbar durch Mottenfraß weit-gehend zerstört wurden.

Der Kleidung des Toten können außerdem zahlreiche Lesefunde zugewiesen werden, die beim Abtragen der das Grab überdeckenden Sedi-mente zum Vorschein kamen. Offenbar haben diese Gewandfragmente als Nestbaumaterial für die Tiere gedient, welche die Höhle nach der Grab-legung Jahrhunderte lang bewohnten. Die kleinen Stoff-, Leder-, Pelz- und Filzreste sind zum Teil durch Tierexkremente miteinander „verbacken“. Für eine zuverlässige Rekonstruktion der Klei-dung des jungen Mannes aus der Höhle von Cag-aan Chad bleiben die Ergebnisse der Restaurie-rung abzuwarten.

1 Oka 2009.

g.n., B.a., h.P.

BEWaFFnung und ausrÜstung

kat. V.2 Bogen

Holz, Birkenrinde, Tiersehnen, Horn, Seide, Blattgold

(Analyseergebnisse s. Anhang S. 380–393)

L 130,8 cm, B 19,0 cm, T 5,0 cm

Eines der herausragendsten Ausstattungsge-genstände im Höhlengrab von Cagaan Chad ist der vollständig erhaltene Reflexbogen. Es ist der ein-zige mongolische Bogenfund aus einem archäolo-gischen Zusammenhang, der die Jahrhunderte bis heute mit gespannter Sehne überdauert hat1. Im

Grab lag er an der rechten Seite des Bestatteten (s. Abb. 5, 9).

Die stark asymmetrische Form des Bogens ist wohl auf die lange Lagerung in der Höhle zurück-zuführen: Der obere Wurfarm weist eine viel ausgeprägtere Biegung auf als der untere Wurf- arm, der nur leicht geschwungen ist. Der Griff liegt daher nicht parallel zur gespannten Sehne, sondern ist etwas schräg gestellt. Es sind aller-dings auch Reflexbögen bekannt, die absicht-lich asymmetrisch konstruiert wurden, um eine bessere Handhabung vom Pferd aus zu gewähr-leisten2. Bei diesen Bögen sind die beiden Wurf- arme jedoch unterschiedlich lang, was hier nicht der Fall ist.

Der Bogen besteht aus mehreren Teilen: Vom Griffstück aus gehen die beiden mit Birkenrinde umwickelten Wurfarme ab, die in die hölzernen Wurfarmenden übergehen. Die Sehne besteht aus Seide und ist außerordentlich gut erhalten, selbst ihre Oberfläche hat ihren Glanz bis heute bewahrt. Sie wurde mit sorgfältig geknoteten Schlaufen an den Wurfarmenden befestigt. Zwischen der

9 Detail des Reflex-bogens in situ.

Kat. V.2, M. 1:5

Kat. V.2, Eines der Wurfarmenden des Bogens mit unter den Sehnenknoten geschobenem Leder-stück.

330 Fundkatalog

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Sehne und dem unteren Wurfarmende befin-det sich ein kleines Lederstück, welches verhin-dert, dass der Sehnenknoten hier direkt auf dem Bogenholz liegt. Dieser Auflieger diente mög-licherweise zur Dämpfung des Aufpralls beim Zurückschlagen der Sehne nach dem Schuss. Bei Bögen späterer Zeitstellung erreichte man diesen Effekt mit sogenannten Sehnenbrückchen bzw. Sehnenbänkchen3. Diese Bänkchen wurden aller-dings aus festen Materialien wie Holz, Horn oder Bein gefertigt und starr mit den Wurfarmenden verbunden.

Der Bogen von Cagaan Chad gehört zum Typ der Kompositbögen. Bei der Herstellung solcher Bögen wurden zahlreiche unterschiedliche Mate-rialien wie Holz, Horn, Sehnen, Birkenrinde, Bast und diverse Klebstoffe verarbeitet. Der Rahmen des Bogens besteht aus Holz, das in seinem Quer-schnitt an die funktionalen Anforderungen der ein-zelnen Bogenabschnitte angepasst ist. Die Endstü-cke der formal und auch bei der Verzierung (s. u.) zweigeteilten Wurfarmenden haben einen – in Bezug auf eine gedachte Mittellinie durch den Bogen – senkrecht rechteckigen Querschnitt, wäh-rend die zum Griff hin gelegenen Hälften der Wurf- arme ein dreieckiges Profil aufweisen, das eine besonders hohe Zugfestigkeit gewährleistet. Zur Bogenmitte hin gehen sie in die Schultern über, deren Profilierung breit und bandartig gestal-tet ist. Am Griff wird das Profil wieder schma-ler, um in der Mitte des Bogens die Form eines aufgestellten Ovals zu erreichen. Die Wurfar-menden bestehen fast vollständig aus Holz, ein-zige Ausnahme sind zwei schmale Plättchen aus anderem Material (evt. Horn), die im Bereich der

Sehnennocken von oben in das Holz eingelas-sen sind und wohl zur Verstärkung dieser bean-spruchten Stelle dienten4. Die Bogenschultern und der Griffbereich sind am Bauch mit einer ca. 0,5 cm starken Lage aus einem leicht transparen-ten, grau gebänderten Material belegt, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um Horn handelt und das an einigen beschädigten Stellen sicht-bar ist (Abb. 10a–b). Die Wurfarme wurden mit einer Lage aus Tiersehnenfasern belegt, bevor die abschließende Schicht aus Birkenrinde schräg aufgewickelt wurde. Nur der Griff und die End-stücke der Wurf-arme wurden dabei ausgespart. Der Griff erhielt eine separate Umwicklung mit Tiersehnenfasern als Untergrund für die Ver-zierung. An der Stelle der stärksten Krümmung des oberen Wurfarmes befindet sich eine dichte

10a/b, Detail der Bogenschulter mit beschädigter Stelle und darin erkennba-rer Auflage aus Horn.Abb. 14b. Röntgen-bild des Bogengriffes mit Verstärkungs-lamelle aus Horn und Intarsien an den beiden Seiten des Griffes.

Kat. V.2, Detail des Bogenwurfarmes mit Umwicklung aus feinen Lederstreifen.

Umwicklung aus feinen Lederstreifen, die an zwei Stellen geknotet sind.

Die Wurfarme und der Griff des Bogens sind mit aufwändigen Verzierungen versehen. Dabei handelt es sich um sehr sorgfältig ausgeführte geometrische Muster, die teilweise als Intarsien auf die Bogenoberfläche aufgebracht wurden (s. S. 335). Das Griffstück ist mit einem konzentrischen Rautenmuster in den Farben braun und schwarz verziert. Dieses Feld wird in Richtung der Wurf-arme durch umlaufende braune und schwarze Linien abgeschlossen. Das zentrale Rauten- und Linienfeld ist zu beiden Seiten von weiteren Ein-legearbeiten eingerahmt, bei denen es sich um besonders fein und aufwändig gestaltete geome-trische Muster handelt. Diese Intarsien bestehen aus sehr dünnen schwarzen, roten und gelben Fel-dern, die treppenartig versetzt auf die Bogenober-fläche aufgetragen sind, sodass sie je ein schmales, schräg gestreiftes Band bilden. Zu beiden Seiten werden die Bänder von feinen schwarzen Doppel-linien gerahmt.

Dasselbe zarte Intarsienornament findet sich auch an den beiden Wurfarmenden, wo jeweils eine Dekorationszone von diesem Muster ein-gerahmt wird. Diese Zonen umfassen die zum Griff hin liegende Hälfte der Wurfarmenden. Sie bestehen jeweils aus einem flächigen dunkelbrau-nen Feld, das auf der zur Sehne gewandten Flä-che mit einem lang gezogenen, sich in Richtung der Wurfarmspitze verjüngenden mittelbraunen

Viereck versehen ist. Um das Viereck sind insge-samt vier schmale Rahmen aus sich abwechseln-den schwarzbraunen und gelben Intarsien aufge-bracht. Die Einlegearbeiten am oberen Wurfarm haben sich schlecht erhalten und sind zum Teil stark beschädigt, während diejenigen am unteren Wurfarm einen sehr guten Erhaltungszustand aufweisen.

Beispiele gut erhaltener Bögen aus der Mon-golei sind vor allem aus Felsspalten- und Höhlen-gräbern mit ihren besonders günstigen, durch die trockene Lagerung bedingten Konservierungsvor-aussetzungen bekannt. In Erdgräbern finden sich meist nur knöcherne Versteifungen des Griffes und der Wurfarmenden5, welche bei den zeitge-nössischen innerasiatischen Bögen weit verbrei-tet sind, am Bogen von Cagaan Chad aber nicht vorkommen. Kompositbögen ohne Knochenver-steifungen sind zum Beispiel aus der mongolen-zeitlichen Phase der Undugun-Kultur, die in der Waldsteppen- und Waldzone Transbajkaliens ver-breitet war, nachgewiesen6. In ähnlicher Form haben sich solche Bögen bei dem sibirischen Jägervolk der Evenken bis in die ethnographische Zeit erhalten7.

Von dem Kompositbogen aus dem Felsspalten-grab von Arcat Del im Bajanchongor ajmag, das aus dem 10. Jh. stammt, wurde nur ein Arm voll-ständig überliefert, während das Ende des zwei-ten Wurfarmes abgebrochen ist; auch die Sehne

Kat. V.2, Griff des Bogens mit braun-schwarzer Rauten-verzierung sowie Intarsienbändern.

11 Ich Bajany Aguj, Ömnögov ajmag. Reflexbogen aus dem Höhlengrab.

10 cm

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fehlt. Möglicherweise hat man den Bogen vor der Grablegung absichtlich zerstört8. Aus dem eben-falls kitanzeitlichen Felsspaltengrab von Duguj Cachir (s. S. 285–313) in der Provinz Bajanchon-gor stammt ein in zwei Teile zerbrochener Reflex-bogen, bei dem sich an einem Wurfarmende noch ein Stück der Sehne findet. Sie ist mit einer Schlaufe in die Sehnennock eingehängt9.

Ein vollständig erhaltener M-förmiger Reflex-bogen ohne Sehne fand sich in der Felshöh-lenbestattung von Ich Bajany Aguj in der süd- mongolischen Provinz Ömnögov’ (Abb. 11)10. Hin-sichtlich seiner Form und Konstruktion weist die-ses Stück große Übereinstimmungen mit dem Bogen von Cagaan Chad auf. Ein Wurfarm ist hier ebenfalls mit dünnen Lederriemen umwickelt. Auch in Form und Größe ähneln sich die Bögen von Cagaan Chad und Ich Bajany Aguj. Mit einer Länge von ca. 130,8 cm ist der Neufund nur etwa 6 cm kürzer als der Bogen von Ich Bajany Aguj. Die Profilierung des Bogenkörpers ist bei beiden Exemplaren sehr ähnlich, was insbesondere für die Gestaltung der hölzernen Wurfarmenden gilt, deren Zugfestigkeit allein durch ihren dreiecki-gen Querschnitt und nicht durch zusätzliche Kno-chenversteifungen erreicht wird. Die von U. Erde-nebat vorgeschlagene typologische Datierung des Grabkomplexes ins 12.–13. Jh. bringt das Stück von Ich Bajany Aguj auch chronologisch in die Nähe des Fundes von Cagaan Chad11.

Aus dem 13.–14. Jh. stammt außerdem ein Fundkomplex aus dem Šiluustej sum, Zavchan ajmag, dessen genauer Auffindungsort und -kon-text nicht bekannt sind12. Er besteht aus zwei vollständig erhaltenen Reflexbögen ohne Sehne,

einem Birkenrindenköcher und neun Pfei-len mit eisernen Spitzen (Abb. 12). Der stärker gekrümmte Bogen stellt eine weitere sehr enge Parallele zum Bogen von Cagaan Chad dar. Vor allem die Form und Gestaltung der Wurfarmen-den bis hin zur farblichen Unterteilung in zwei Hälften ist fast identisch.

Nicht nur die gespannte Sehne, sondern auch die aufwändige Verzierung des Bogens von Ca-gaan Chad ist unter den bisher bekannten mongo-lischen Bögen des 10.–15. Jhs. einmalig. Anschau-liche Vergleiche bieten aber zeitgenössische Bildzeugnisse von mongolischen Reiterkriegern mit ihren Waffen. So zeigt das Gemälde „Qubilai Khan auf der Jagd“ des chinesischen Hofmalers Liu Kuan-tao aus dem Jahr 1280 einen berittenen Bogenschützen mit einem Reflexbogen, bei dem die Wurfarmenden wie beim Bogen von Cagaan Chad farblich abgesetzt sind (Abb. 13).

1 Vergleichbar vollständig erhaltene Bögen mit gespannter Sehne sind in Gräberfeldern am Nordrand der Wüste Takla-makan in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang zutage gekommen, z. B. im Grab 27 des Bestattungsplatzes Subexi (Janßen-Kim 2007, 177, Abb. 78; vgl. auch Werning 2007a, 176; Werning 2007b, 154, 155). Sie datieren allerdings in die Eisen-zeit und sind damit etwa 1500 Jahre älter als der Fund von Cag-aan Chad.2 Vgl. z. B. Janßen-Kim 2007, Abb. 78.3 Vgl. z. B. Weichao 1997, 161, Abb. 154–1. Für weiterfüh-rende Informationen zu bogenkundlichen Fragen, seine kom-petente Beratung und die gute Zusammenarbeit möchten die Autoren Herrn H. Riesch, Speyer, ihren Dank aussprechen.4 Die Röntgenbilder wurden von H. Becker, LVR-Landes-Museum Bonn, angefertigt, dem die Autoren für die gute Zusammenarbeit herzlich danken.5 Erdenebat 2009, Bd. 1, 72.6 Chudjakov 1997, 93.7 Kirillov 1983, 126.

12 Šiluustej sum, Zavchan ajmag. Fundkomplex mit Bögen, Köcher und Pfeilen.

die Zierornamente des reflexbogens – anmer-

kung zur herstellungstechnologie

Mit Ausnahme der Wurfarmenden ist der kunstvolle Reflexbogen mit zum Teil kleinteiligen und mit hoher handwerklicher Präzision anein-ander gefügten Rindenstücken überzogen. Unter-stützt durch mikroskopische Betrachtungen und naturwissenschaftliche Laboranalysen können Aussagen über den materialtechnologischen Auf-bau und die Herstellungstechnik dieser Verzie-rungen getroffen werden.

Das geometrische, aus schwarzen und brau-nen Linien bestehende Griffornament ist aus ins-gesamt zehn Rindenstücken zusammengesetzt, wobei jeweils seitlich vier rechteckige Stücke ein konzentrisches Rautenmuster bilden. Zu beiden Seiten in Richtung der Wurfarme sind diese Rau-ten von einem umlaufenden Rindenstück mit ebenfalls schwarzen und braunen Linien gerahmt. Die Linienmuster auf den Rindenstücken entstan-den dabei nach derzeitigem Kenntnisstand nicht durch Aufbringen von Farbmitteln, sondern sind als natürliche oder dem lebenden Baum durch Ritzungen beigefügte Verwachsungen der Rinde anzusprechen.

Die beiden Wurfarme sind vom Griff optisch durch ein umlaufendes Band getrennt. Dieses Band findet sich gespiegelt am jeweils anderen Ende der anschließenden hellen Birkenrindenflä-che wieder. Es besteht aus acht jeweils ca. 1 mm breiten Adern. Die seitlichen Adern bilden einen helldunkel Farbwechsel mit zwei bzw. drei umlau-fenden Adern. Besonderes Augenmerk verdienen jedoch die drei mittig laufenden Adern, welche ein abgetrepptes, mehrfarbiges Muster bilden. Die Farbabfolge ist: gelbliche Birkenrinde, rot

13 Ausschnitt aus dem Gemälde „Qubilai Khan auf der Jagd“ Gemälde des chinesischen Malers Liu Kuan-tao von 1280. Hängerolle, Tu-sche und Farben auf Seide, National Palace Museum Taipei.

14 Die Zierornamente des Reflexbogens in der farbigen Umzeichnung.

8 Erdenebat/Pohl 2005, 56; Erdenebat 2009, Bd. 1, 74.9 Erdenebat/Amartüvšin 2010, 157, Abb. 36.10 Erdenebat 2009, Bd. 1, 74, Erdenebat 2009, Bd. 2, 382; Atex/Menes 1995.11 Erdenebat 2009, Bd. 1, 74. Dem steht allerdings ein bei Atex/Menes (1995, 73) zitiertes Datum von AD 1720±100 ent-gegen, das aus dem Holz des Bogens gewonnen wurde und bei dem es sich offenbar um das Ergebnis einer 14C-Datierung handelt.12 May 2009, 196, Abb. 26.9.

g.n., B.a., h.P.

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337Cagaan Chad336 Fundkatalog

kat. V.3 köcher

Rötlich-braunes und schwarzes Leder, feiner gelber

Zwirn, gröberer ockerfarbener Zwirn

(Analyseergebnisse s. Anhang S. 380–393)

L (gesamt mit Pfeilen) 83 cm, L (Ledertasche) 52 cm,

B 30 cm, T 5 cm

Der dem Toten mit ins Grab gelegte lederne Köcher mit sieben Pfeilen stellt mit seinem exzel-lenten Erhaltungszustand bisher ein Unikat unter den archäologischen Hinterlassenschaften Inner-asiens dar. Er lag rechts neben den Beinen des Bestatteten. Die beiden Querlatten des großen Holzobjektes überdeckten die zum Kopfende des Grabes weisenden Pfeilschäfte (s. Abb. 5). Der Köcher war mit seiner unverzierten Rück-seite nach oben niedergelegt worden, so dass die aufwändige Dekoration der Vorderseite in situ zunächst nicht zu erkennen war.

Der Köcher besteht aus mehreren Leder-stücken, die mit starkem ockerfarbenem Zwirn zusammengenäht sind. Den Boden bildet ein ova-les Lederteil, an welches das Leder der Seiten-wände genäht ist. In der oberen Hälfte geht von der Tasche eine Lederklappe mit geschwunge-ner Kante aus, die 26 cm lang und bis zu 14 cm breit ist. Die Seitenwände der Köchertasche sind an mehreren Stellen beschädigt. Am oberen Ende sind auf der Vorderseite vier schmale, schlitzar-tige Öffnungen von ca. 9,5 cm Länge und ca. 1,4 cm Breite zu erkennen, die sorgfältig mit einer schmalen schwarzen Lederborte umrahmt wur-den. Eine der Öffnungen ist nur zur Hälfte erhal-ten. Am unteren Ende weisen sie jeweils eine

V-förmige Eisenverstärkung auf. Komplett erhal-ten hat sich diese Verstärkung nur an einer der Öffnungen, an den drei anderen sind nur noch Reste der Befestigungsnieten und wenige korro-dierte Eisenrückstände zu erkennen. Sehr deut-lich sichtbar werden diese kleinen Beschläge im Röntgenbild.

Im Zentrum der Vorderseite der Köcher-tasche unterhalb der schlitzartigen Öffnun-gen befindet sich ein kreuzförmiges Ornament, das von einem schmalen Kreis umgeben ist. Bei diesem Dekor handelt es sich um eine schwarze Lederapplikation, die mit gelbem Faden auf das rötlich-braune Leder der Köchertasche aufgenäht wurde. Unterhalb des Ornaments sind weitere schwarze Lederapplikationen zu erken-nen. Diese Verzierungen sind nur teilweise erhal-ten. An vielen Stellen weist nur noch eine dunkle Verfärbung des darunter liegenden Leders auf die ehemals aufgebrachte Applikation hin, z. T. ist auch nur die umrahmende Naht aus gelbem Faden erhalten geblieben, anhand derer sich der Verlauf des Ornaments nachvollziehen lässt. Es handelt sich um ein symmetrisch angeordnetes rankenartiges Motiv, das an den Längsseiten in eine schmale Randborte übergeht, welche bis zum oberen Abschluss des Köchers verläuft und so die gesamte Köchervorderseite umrahmt. Ganz ähnli-che vegetabile Ornamente, die allerdings aus Stoff gefertigt sind, finden sich auch auf zeitgenössi-schen Kleidungsstücken, so z. B. auf einem Frau-engewand aus dem Höhlengrab von Nartyn Chad im Dornogov’ ajmag1 sowie auf zwei der drei alt-mongolischen Mäntel, die im Grab von Buchijn

Kat V.3, Lederköcher mit Pfeilen, Vorder-seite.

kolorierte Rinde, bräunliche Rinde und schwarz kolorierte Rinde, wobei die einzelnen Farbberei-che jeweils durch kleine Rechtecke aus vergolde-ter Rinde voneinander getrennt sind (Abb.15).

Nicht nur optisch-ästhetisch, sondern vor allem auch technologisch sind diese Zierbänder hochinteressant: Die roten Farbstreifen bestehen aus einem Träger aus Rinde, welcher mit Zinno-berrot mit geringen Beimischungen aus Bleimen-nige und Eisenoxidrot überzogen wurde. Darüber liegt flächig ein rötlich-transparenter Überzug aus Schellack mit Lack-dye-Farbstoff, welcher unter UV-Licht typisch pinkfarben fluoresziert. Die tief-schwarze Farbschicht wurde ebenfalls auf einen Rindenträger aufgebracht und mit einem trans-parenten Überzug mit grünlicher UV-Fluoreszenz versehen. Bei dem Überzug handelt es sich um ein nicht näher charakterisierbares Terpenharz, bei dem Farbmittel um Beinschwarz mit kleinen Beimengungen beziehungsweise Verunreinigun-gen aus Bleiweiß, Tonerden und Ocker1.

Nach derzeitigem Kenntnisstand muss davon ausgegangen werden, dass die Herstellung die-ser Zierbänder in mehreren Schritten erfolgte: Zunächst wurden einzelne Rindenflächen mit Blattmetall vergoldet und rot bzw.schwarz kolo-riert sowie mit dem jeweiligen Überzug versehen. Anschließend wurden diese Flächen in entspre-chend dimensionierte Streifen oder Rechtecke zerteilt und gemeinsam mit den naturbelassenen Rindenstreifen auf dem Reflexbogen zu dem mit-tig getreppten und durch umlaufende Streifen begrenzten Zierband zusammengefügt.

In Richtung Wurfarmende schließt sich an die Zierornamente jeweils ein dunkler Rindenbereich an. An der zur Bogensehne zeigenden Fläche ist ein trapezförmiges Feld durch abwechselnd helle und dunkle Adern abgesetzt. IR-Spektroskopisch konnte auf der dunklen Rindenschicht ein Über-zug aus einem Wachs-Harz-Gemisch nachgewie-sen werden. Verleimt wurde die Rinde mit einem Glutinleim (Haut- oder Knochenleim).

Den Abschluss zum holzsichtigen Bogen-ende bilden wiederum umlaufende Zierbän-der, welche das hell-dunkel Farbspiel erneut auf-greifen und mittig eine Fläche einschließen, die ebenfalls farbig gestaltet gewesen ist. Das genaue Aussehen dieser Ornamentfläche ist anhand der erhaltenen Substanz nicht eindeutig zu klären. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich in der Fläche kleinste Blattgoldreste sowie zinnoberrote

Farbinseln eventuell mit einem Überzug befan-den (Abb. 16).

1 Die Farb- und Bindemittelanalysen an dem Reflexbogen wurden von Prof. Dr. Elisabeth Jägers, Bornheim, durchgeführt.

r.k.

15 Mikroskopische Streiflichtaufnahme des getreppten Zierornaments mit Blattgold-auflagen auf dem Rindenträger. Zustand während der Restaurierung.

16 Mikroskopische Streiflichtaufnahme des abschließenden Zierbandes mit Blattgold-resten und roten Farbinseln. Zustand während der Restaurierung.

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339Cagaan Chad338 Fundkatalog

Chošuu im Chentij ajmag zutage gekommen sind2. Auch heute sind stilistisch vergleichbare Verzierungen in der Mongolei und angrenzen-den Gebieten verbreitet, so etwa als Dekoration auf traditionellen Lederstiefeln3 oder in der rei-chen Ornamentik der kasachischen Nomaden im Westen des Landes und in den westlich anschlie-ßenden Regionen4. Die Rückseite des Pfeilköchers von Cagaan Chad ist unverziert.

Der Köcher enthält sieben Pfeile. Sechs davon befinden sich mit den Spitzen voran in der Köcher-tasche, sodass nur die Schäfte herausschauen. Drei dieser Pfeile wurden in die oben beschriebenen schlitzförmigen Öffnungen der Köchervorder-seite geschoben, die übrigen stecken in der Haupt-tasche. Durch die Beschädigung des Köchers im unteren Bereich sind drei der Spitzen zu erken-nen, drei weitere zeichnen sich im Röntgenbild ab. Bei allen sechs Exemplaren handelt es sich um

blattförmige eiserne Pfeilspitzen mit Dorn5. Wäh-rend fünf der Stücke relativ breit sind und eine flache, nur leicht abgerundete bzw. zugespitzte Schneide aufweisen, ist die sechste Spitze schma-ler und verjüngt sich im oberen Drittel zu einem dreieckigen Abschluss. Bei diesem Exemplar ist zudem der Übergang vom Blatt zum Dorn leicht verdickt, hohl und mit mindestens einem Loch versehen. Offenbar handelt es sich um den Heul-kopf eines „tönenden Pfeils“. Allerdings bestehen diese Heulköpfe bei den bekannten Exemplaren normalerweise aus einem separaten, aus Knochen gefertigten Aufsatz, so dass der Pfeil von Cagaan Chad in technologischer Hinsicht ein Unikat dar-stellt6. Die Dorne der eisernen Pfeilspitzen sind in das Holz der Schäfte gesteckt und im Schäftungs-bereich mit Bast oder Rinde umwickelt.

Den siebten Pfeil, der keine Eisenteile auf-weist, hat man andersherum, mit der Spitze nach

Kat. V.3, Detail der Schlitze mit V-förmi-gen Verstärkungen auf der Vorderseite der Köchertasche.

17 Röntgenbild der Köchertasche mit V-förmigen Verstär-kungen der Schlitze.

Kat. V.3

Kat. V.3, M. 1:2

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341Cagaan Chad340 Fundkatalog

außen, in den Köcher geschoben. Er ist aus ande-rem Holz als die übrigen Pfeilschäfte gefertigt. Sein Schaft ist oben kolbenförmig verdickt und mit einem kleinen runden Fortsatz versehen, der eventuell einmal für die Befestigung einer Spitze oder eines Aufsatzes gedient hat. Wahrscheinlich handelt es sich um einen sogenannten „Blunt-pfeil“7. Solche Geschosse kommen hauptsächlich bei Wettkämpfen, bei der Jagd auf Vögel und Pelz-tiere oder beim Training zum Einsatz, wenn das Ziel nicht zerstört werden soll. Sie können mit einem Aufsatz aus Horn, Knochen oder Eisen ver-sehen sein oder aber keine weitere Verstärkung der Spitze aufweisen8.

Die Befiederung der Pfeile hat die Jahrhun-derte nur schlecht überdauert. Sie bestand aus je drei Halbfedern, die durch radiales Umwi-ckeln mit einem Befestigungsstreifen am hölzer-nen Pfeilschaft angebracht wurden. An den sechs sichtbaren Pfeilenden ist eine Nock für die Auf-nahme der Bogensehne in das hintere Ende des Schaftes geschnitten. Dieser Bereich weist außen jeweils eine feine Auflage aus Birkenrinde auf.

Insgesamt entspricht die Zusammenstellung der unterschiedlichen Pfeilspitzen im Köcher von Cagaan Chad dem typischen Fundbild, denn in mongolenzeitlichen Gräbern Innerasiens finden sich fast regelhaft ganze Kollektionen verschiede-ner Pfeilspitzenformen9. Im Gegensatz dazu stellt der lederne Köcher von Cagaan Chad in seiner Ausführung und in seinem Erhaltungszustand eine Besonderheit unter den Pfeilköcherfunden aus der Mongolei dar. Mit einer Ausnahme sind alle bisher entdeckten Pfeilköcher aus altmongo-lischen Gräbern (insgesamt 27) aus Birkenrinde gefertigt10, obwohl auch die Verwendung lederner Köchertaschen durch zeitgenössische bildliche

Darstellungen belegt ist. So zeigt zum Beispiel das bereits erwähnte Gemälde „Qubilai Khan auf der Jagd“ eine Jagdszenerie, in der einer der beritte-nen Jäger einen Pfeilköcher aus Leder trägt (Abb. 19). Ein vergleichbarer Köcher ist auch auf einem der berühmten Berliner Diez-Alben dargestellt (s. S. 100). Auffallend sind die mit den Spitzen nach unten in die Köchertasche gesteckten Pfeile. Im Gegensatz dazu befanden sich bei Birkenrin-denköchern die Geschosse gewöhnlich anders herum, mit der Befiederung nach unten in der Köchertasche, während die Pfeilspitzen aus der oberen Öffnung ragten. Das ist sowohl durch archäologische Funde11 als auch durch bildli-che Darstellungen belegt, z. B. durch Miniaturen aus dem Monumentalwerk zur mongolischen Geschichte „ āmi‘ at-tawārī “ des persischen

Kat. V.3, M. 1:2

19 Ausschnitt aus dem Gemälde„Qubilai Khan auf der Jagd“.

Wesirs Rašīd al-Dīn Fażlallāh, das im ersten Vier-tel des 14. Jhs. entstand12.

Der archäologische Nachweis lederner Köcher gestaltet sich schwierig, weil sich das leicht ver-gängliche organische Material in den meisten Fäl-len nicht erhält. In der Mongolei kamen lediglich in Grab 2 des Gräberfeldes Muchdagijn Am im Bulgan ajmag Reste eines Köchers aus Leder sowie ein dazugehöriger eiserner Köcherhaken zutage13. Überreste von fünf ledernen Köchern des 12.–15. Jhs. wurden in Gräberfeldern an der Angara in Vorbajkalien ausgegraben, darunter ein Exemp-lar aus Grab 13 des Fundplatzes Šebuty-3, dessen Erhaltungszustand zumindest noch die Bestim-mung von Form und Größe erlaubte14. Mit dem ledernen Köcher von Cagaan Chad liegt nun erst-mals ein gut erhaltenes Exemplar solcher Pfeilta-schen aus einem archäologischen Kontext vor.

Die erwähnten vier V-förmigen Eisenver-stärkungen an den schlitzartigen Öffnungen der Köchervorderseite können möglicherweise Auf-schluss über eine Fundgattung geben, deren Funk-tion bisher nicht eindeutig geklärt war: Aus einer Reihe von mongolenzeitlichen Brandgräbern West- und Südsibiriens sind kleine V-förmige Eisenobjekte bekannt, die an den beiden Enden Durchlochungen für Nieten aufweisen. Solche Stücke fanden sich z. B. im Kurgan 5 des Gräber-feldes von Terben Chol im Minusinsker Becken15. Dort werden die Objekte als Schlaufen zur Befes-tigung von Sattelriemen angesprochen. Der Neu-fund von Cagaan Chad eröffnet dagegen eine andere Interpretationsmöglichkeit: Es könnte sich auch um Verstärkungen für Öffnungsschlitze an der Vorderseite eines ledernen Pfeilköchers han-deln. Dafür spricht die fast identische Form der

Artefakte aus Terben Chol und der eisernen Ver-stärkungen von Cagaan Chad. Beide Fundgrup-pen weisen an den Enden kreisförmige Ausspa-rungen für Nieten auf und sind jeweils etwa 3 cm groß. Aus Kurgan 65 des Gräberfeldes von Zmein-kinska am Mittellauf des Čulym, einem rechten Nebenfluss des Ob bei Tomsk, stammen ebenfalls mehrere kleine Beschläge in V-Form16. Auch diese zeigen an den Enden kreisförmige Öffnungen und Reste von Nieten. An zwei Stücken haben sich offenbar sogar Fragmente von Leder erhal-ten (Abb. 20). Aus dem oben erwähnten Grab 13 des Gräberfeldes Šebuty-3 an der Angara stammt ein ähnliches Stück, das aufgrund seiner Lage als zum Köcher gehörig erkannt wurde17. Mit dem Fund des Lederköchers von Cagaan Chad könnte sich also die Möglichkeit ergeben, lederne Pfeil-taschen auch dann archäologisch nachzuweisen, wenn die organischen Materialien nicht erhalten sind und lediglich die eisernen Verstärkungen der Schlitze an der Köchervorderseite die Jahrhun-derte überdauert haben.

1 Erdenebat/Chürelsüch 2007, 353 Abb. 6.2 Oka 2009; vgl. auch Baiarsaikhan 2009.3 Oka 2009, 501.4 Bunn 2010, 133 Abb. 9,4; Chang 2009, 175 Abb. 166.5 Erdenebat 2009, Bd. 1, 76: Typ 1.6 Erdenebat 2009, Bd. 1, 78.7 Von englisch blunt = stumpf.8 Kinseher 2003, 170–171.9 Vgl. z. B. Chudjakov 1982, Abb. 143; Erdenebat 2009, Bd. 2, 70. 10 Erdenebat 2009, Bd. 1, 72, 80.11 Der am besten erhaltene Birkenrindenköcher stammt aus dem Felsspaltengrab von Arcat Del, Provinz Bajanchongor: Erdenebat/Pohl 2005, 84.12 Hoffmann 2005, 246-248; Rührdanz 2005, 252 Abb. 279.13 Erdenebat 2009, Bd. 1, 80; Erdenebat 2009, Bd. 2, 59. Die Funde wurden weder als Foto noch als Zeichnung in den genannten Publikationen abgebildet, so dass keine Vergleiche zu dem Pfeilköcherfund von Cagaan Chad gezogen werden können.14 Nikolaev 2004, 87, 256 Abb. 75.15 Chudjakov 1982, 199–200 Abb. 146,2–3.16 Belikova 1996, 36, 217–219 Abb. 53–55.17 Nikolaev 2004, 87, 256 Abb. 75,3.

g.n., B.a., h.P.

20 Zmeinkinsker Kurgangräberfeld, Gebiet Tomsk, Russ-land. Fundauswahl aus Kurgan 65, M. 1:1.

Kat. V.3 Blattförmige eiserne Pfeilspitzen. 18 Röntgenbild des unteren Teils der Köchertasche mit sechs Pfeilspitzen.

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343Cagaan Chad342 Fundkatalog

sind. Auf dieser Lederzunge ist eine 3,0 cm lange eiserne Schnalle aufgebracht, unter der ein 6,0 cm langes und 1,1 cm breites bandförmiges Eisen-stück mit zwei Nieten und einem weiteren Leder-stückchen an der Unterseite des Riemens fixiert wurde. Der Rahmen der Schnalle ist D-förmig, der Dorn schmal und spitz gearbeitet. Das band-förmige Eisenstück ist im mittleren Teil brücken-artig nach oben gebogen, so dass an dieser Stelle ein Riemen zwischen dem Metall und dem dar-unter liegenden Leder hindurch gezogen wer-den konnte. Weil zum Nähen des Leders der-selbe gelbe Faden wie bei dem ledernen Köcher verwendet wurde, liegt der Schluss nahe, dass es sich ein zum Pfeil- oder Bogenköcher zugehöriges Objekt handelt.

g.n., B.a., h.P.

kat. V.8 Eisenbeschläge

Eisen

L 3,0 cm, B 1,6 cm

Die zwei Eisenbeschläge sind in Form und Größe nahezu identisch. Sie weisen in der Mitte eine rechteckige Öffnung von ca. 0,8 cm x 0,3 cm auf. Obwohl das Eisen des einen stark korro-diert ist, sind rechts und links der rechteckigen Öffnung zwei Nieten zu erkennen sowie eine flo-rale Profilierung des Randes. Der andere Beschlag ist wesentlich besser erhalten und war auch bei der Auffindung kaum korrodiert. Der Rand ist ebenfalls in stilisierter floraler Art ausgeschnit-ten und auch ein Niet, der noch mit einem klei-nen Lederstückchen verbunden ist, hat sich hier erhalten. Während es sich bei einem der Stücke um einen Lesefund handelt, dessen genaue Lage im Grab nicht mehr bestimmt werden kann, fand sich dieser zwischen dem linken Unterschenkel des Toten und den zusammenhängenden Holzlat-ten. Bei den beiden Eisenobjekten könnte es sich um Beschläge eines Gürtels oder der Riemen von Pferdegeschirr handeln1.

1 Chudjakov 1982, 65.

g.n., B.a., h.P.

kat. V.4 Bogenköcher (?)

Leder, gelber Zwirn, Eisen

L (Leder) ca. 32 cm, B (Leder) ca. 23 cm, L (Eisenobjekt)

8,4 cm, B (Eisenobjekt) 4,1 cm

Rechts der Oberschenkel des Bestatteten von Cagaan Chad fand sich ein größeres Leder-stück mit Resten einer mit gelbem Zwirn vernäh-ten Kante. Weil das Leder direkt auf dem anste-henden Felsen lag, ist es vergleichsweise schlecht erhalten, sehr brüchig und teilweise vergangen. Direkt daneben lag ein U-förmig geschwunge-nes Eisenobjekt mit einem kurzen Dorn neben der Mittelachse. Im Röntgenbild zeigt sich, dass ursprünglich noch ein zweiter Dorn auf der ande-ren Seite der Mittelachse vorhanden gewesen sein dürfte. In Form und Größe korrespondiert dieses Stück gut mit dem unteren Abschluss von Bogen-köchern auf zeitgenössischen Bildquellen (s. Abb. 13)1. Es erscheint daher möglich, dass es sich bei diesem Artefakt und den dazu gehörenden Leder- und Zwirnresten um Relikte eines Bogenfutterals handeln könnte. Dafür spricht auch die Lage im Grab genau unter dem Pfeilköcher, die Größe der Lederfragmente und die Verbindung des Leders mit gelbem Zwirn, was auf ein ähnliches Design wie beim Pfeilköcher schließen lässt.

Der bisher einzige archäologische Nachweis eines ledernen Bogenfutterals in der Mongolei stammt aus dem Männergrab von Char Argalant Uul im Ömnogov‘ ajmag. Unter den Beigaben die-ser Bestattung wird ein Reflexbogen in einem Lederfutteral erwähnt2.

1 Gorelik 2002, 60.2 Erdenebat 2009, Bd. 1, 79; Erdenebat 2009, Bd. 2, 226.

g.n., B.a., h.P.

kat. V.5 köcherhaken

Eisen

L 8,4 cm, B 1,8 cm

Zu den Lesefunden, die im aus der Höhle transportierten Sediment geborgen wurden, gehört ein eiserner Haken mit länglicher Platte, der aufgrund seiner Form und Größe als Köcher-haken identifiziert werden kann. Köcherhaken dienten zur Befestigung des Köchers am Gürtel. Das obere Ende der Befestigungsplatte ist leicht verbreitert und volutenartig geschwungen und wird nach unten hin schmaler. Kurz bevor die Platte in den Haken übergeht, verbreitert sich das Eisen wieder. Im Röntgenbild ist zu erkennen, dass in die Ränder dieser beiden verbreiterten Bereiche kleine, symmetrisch angeordnete Ker-ben geschnitten sind, bei denen es sich um eine Verzierung handeln dürfte. Die Platte weist zwei kleine Öffnungen zur Befestigung mit Nieten auf, die im Abstand von 3,2 cm auf der Mittelachse lie-gen. Der eigentliche Haken ist 3,5 cm lang.

Köcherhaken sind aus zahlreichen mongolen-zeitlichen Gräbern Innerasiens bekannt. Die deut-lichsten Übereinstimmungen mit dem Exemplar von Cagaan Chad finden sich bei den Köcherha-ken aus Bestattungen der Undugun-Kultur Trans-bajkaliens. Hinsichtlich ihrer Größe und Proporti-onen, der Form der Befestigungsplatten und der Gestaltung des eigentlichen Hakens sind sie dem mongolischen Neufund überaus ähnlich (Abb. 21)1. Auch im Bereich der Askizkerkultur im südsibi-rischen Chakassien gehören vergleichbare Stücke zum Fundrepertoire2. Die drei in der Mongolei gefundenen Haken, von denen publizierte Abbil-dungen existieren, stimmen mit dem Fund von Cagaan Chad dagegen weniger überein3.

1 Kirillov 1983, 131, Abb. 6.13; Chudjakov 1997, 100.2 Kyzlasov 1981, Abb. 74,36.3 Vgl. Erdenebat 2009, Bd. 2, 95, 277, 334.

g.n., B.a., h.P.

Kat. V.4, M. 1:1

Kat. V.5, M. 1:2.

21 Köcherhaken aus einem Grab der Undugun-Kultur, Transbajkalien, Russ-land, M. 1:2.

kat. V.6 Peitsche

Holz, Leder (Analyseergebnisse s. Anhang S. 380–393)

L 38,8 cm, B 1,3 cm

Zur Ausrüstung des Bestatteten gehört auch eine kleine Reitpeitsche, die im vorderen Bereich der Höhle an der südwestlichen Wand lag. Die Peitsche besteht aus einem Rundholz, des-sen Rinde noch nahezu vollständig erhalten ist. Das Holz weist fast keine Bearbeitungsspuren auf, lediglich die Enden sind zugerichtet. Durch ein kleines Loch, das durch eines der Enden in das Holz gebohrt wurde, hatte man einen Leder-riemen gezogen, von dem sich das in der Bohrung befindliche Stück und ein Knoten erhalten haben.

Während Sättel, Steigbügel und Zaumzeug als Ausstattungsbestandteile eines Reiters sehr häu-fig in Gräbern zu finden sind, ist eine Peitsche bis-her nur in einem weiteren altmongolischen Grab dokumentiert, und zwar im Felsspaltengrab von Arcat Del1. Dieses Stück wurde ebenfalls aus einem weitgehend unmodifizierten Zweig gefertigt und weist als einzige Bearbeitungsspur eine Einker-bung mit der Durchlochung für den Riemen auf. Mit 53,5 cm ist dieses Exemplar allerdings länger als die Peitsche von Сagaan Сhad. Fast identische Peitschen gehören bei den Nomaden der Mongolei bis heute zur alltäglichen Ausstattung.

1 Erdenebat/Pohl 2005, 85.

g.n., B.a., h.P.

kat. V.7 Eisenschnalle mit lederriemen

Eisen, Leder, gelber Zwirn

L 10,3 cm, B 1,3 cm

Ein kleines Riemenstück aus Leder mit Eisen-beschlägen kam im Bereich zwischen dem Bestat-teten und den Speisebeigaben nahe der südwest-lichen Höhlenwand zutage. Der Riemen, dessen eines Ende abgerissen ist, besteht aus zwei unter-schiedlich dicken Lagen Leder, die durch einen gelben Faden an den Rändern zusammengenäht

Kat. V.6, M. 1:2.

Kat. V.8, M. 1:1.

Kat. V.7, M. 1:2.

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345Cagaan Chad344 Fundkatalog

kat. V.9 Eisenbeschlag

Eisen

L 2,9 cm, B 2,3 cm

Der kleine blattförmige Eisenbeschlag weist auf der Rückseite eine durchbrochen gearbeitete Öse auf, durch die eine kleine eiserne Achse ver-läuft. Dieses Eisenartefakt lag auf dem Leder des möglichen Bogenfutterals und könnte daher mit diesem in Zusammenhang stehen.

g.n., B.a., h.P.

kat. V.10 Eisenbeschlag

Eisen

L 2,9 cm, B 2,5 cm

Bei diesem Stück handelt es sich ebenfalls um einen Lesefund. Der kleine Eisenbeschlag ist stark korrodiert und weist zwei schmale, rechteckige Öffnungen im Abstand von ca. 0,2 cm sowie eine mittig darüber liegende kleine runde Öffnung auf. Sein Umriss ist trapezförmig und läuft an einer Seite spitz zu.

g.n., B.a., h.P.

gEFäss- und FlEisChBEigaBEn

kat. V.11 schüssel

Holz

Randdurchmesser 14,8 cm, H ca. 8,8 cm, Randstärke 0,5

cm (Rand) – 1,9 cm (Boden)

(Analyseergebnisse s. Anhang S. 380–393)

Im vorderen Teil der Höhle in einer nischen-artigen Ausbuchtung der Westwand fand sich eine kleine hölzerne Schüssel. Bis auf ein paar leicht abgenutzte Stellen, die entweder von der ursprünglichen Benutzung herrühren oder aber durch die jahrhundertelange Lagerung im Grab entstanden sind, ist das Gefäß vollständig erhal-ten. Es ist aus einem Stück gedrechselt und weist keine Verzierungen auf. Es handelt sich um eine kleine Schüssel mit einem abgesetzten Fuß. Rönt-genaufnahmen lassen erkennen, dass die Wand-stärke im Bereich des Bodens am dicksten ist und sich zum Rand hin verringert. Das Gefäß wurde mitsamt seinem Inhalt geborgen, sodass die Mög-lichkeit besteht, bei einer Ausräumung im Restau-rierungslabor und mithilfe naturwissenschaftli-cher Analysen weitere Informationen zum Inhalt zu erlangen. Eine Probe des Holzes ergab bei der AMS-Datierung (Accelarator Mass Spectrome-try) ein Radiokarbonalter von 700±40 bp (Beta-287628), was einem Zeitraum vom letzen Drittel des 13. bis zum Ende des 14. Jhs. entspricht1.

Kat. V.9, M. 1:1.

Kat. V.11

Gefäßbeigaben sind in altmongolischen Grä-bern häufig belegt, wobei es sich allerdings meist um Keramikgefäße handelt. Oft sind diese zer-brochen, was als Hinweis auf eine intentionelle Zerstörung interpretiert wird2. Eines der wenigen erhaltenen Exemplare einer hölzernen Schüssel wurde im Höhlengrab von Nartyn Chad im Dor-nogov‘ ajmag gefunden, das typologisch ins 13.–14. Jh. datiert und damit auch zeitlich mit Cag-aan Chad vergleichbar ist3. In dem etwas älteren, kitanzeitlichen Grab von Duguj Cachir im Bajan-chongor ajmag fand sich neben einem Lackge-fäß ebenfalls eine vollständig erhaltene hölzerne Schale, die in ihrer Form der Schale von Cagaan Chad sehr ähnlich ist4.

1 Kalibriertes Alter 1 σ: 1280–1300 cal AD, kalibriertes Alter 2σ: 1260–1390 cal AD.2 Erdenebat 2009, Bd. 1, 95.3 Erdenebat/Chürelsüch 2007, 339, 359 Abb. 21.4 Erdenebat/Amartüvšin 2010, 36, 169 Abb. 51.

g.n., B.a., h.P.

kat. V. 12 Fleischbeigaben

Knochen, mumifiziertes Gewebe

(Analyseergebnisse s. Anhang S. 380–393)

Wenige Zentimeter neben dem Holzgefäß steckten die Tibia eines Schafes oder einer Ziege mitsamt dem zugehörigen Astragal senkrecht im Boden. Auch von diesem Fund wurde eine Probe für die AMS-Datierung entnommen. Sie ergab ein Alter von 580±40 bp (Beta-287627) und fällt damit in den Zeitraum vom Beginn des 14. bis zum ers-ten Drittel des 15. Jhs.1.

Diese Art der Deponierung des Unterschen-kels von Schaf oder Ziege ist sehr häufig in mon-golenzeitlichen Bestattungen zu beobachten. Nachweise sind sowohl aus der heutigen Mon-golei als auch aus der Inneren Mongolei, Kasach-stan, Kirgistan, Tuwa, Jakutien und Burjatien dokumentiert. Dem Unterschenkelknochen vom Schaf wurde eine hohe symbolische und rituelle

Bedeutung beigemessen. In den altmongolischen Gräbern wurden sie meist im Kopfbereich des Toten senkrecht in den Boden gesteckt2.

Auch Schulterblätter von Schafen oder Ziegen finden sich sehr häufig in den altmongolischen Gräbern3. Im Felsspaltengrab von Cagaan Chad wurde ein solcher Knochen neben dem rechten Arm des Toten unterhalb des Bogens gefunden. Dem Schulterblatt kam ebenso wie der Tibia eine hohe Bedeutung im Totenritual, aber auch im all-täglichen Leben zu4.

Im Fußbereich des Toten lag auf den zerbro-chenen Holzlatten außerdem der mumifizierte Schädel einer jungen Ziege. Auch dabei könnte es sich um eine Beigabe für den Toten handeln. Allerdings sind einzelne Schädel von Ziegen oder Schafen in anderen altmongolischen Gräbern bis-her nicht belegt. Es wäre auch denkbar, dass der Schädel sekundär von Tieren in die Höhle ver-schleppt wurde, doch finden sich keine Fraßspu-ren am Schädel und auch andere Knochen die-ser Ziege fehlten im Grab. Eine archäozoologische Untersuchung, bei der insbesondere die Frage nach Schnitt- bzw. Fraßspuren an der Schädel-basis zu klären wäre, sowie eine 14C-Datierung könnten Aufschluss darüber geben, ob der Schä-del als Beigabe im Grab deponiert wurde oder ob Tiere ihn später in die Höhle geschleppt haben.

1 Kalibriertes Alter 1 σ: 1310-1410 cal AD, kalibriertes Alter 2 σ: 1300-1430 cal AD.2 Dazu ausführlich Erdenebat 2009, Bd. 1, 164.3 Erdenebat 2009, Bd. 1, 160.4 Erdenebat 2009, Bd. 1, 163.

g.n., B.a., h.P.

WEitErE BEigaBEn

kat. V. 13 holzobjekt (Wagenteil?)

Holz, rote Farbe

L 93 cm, B 6 cm, T 6 cm (Vierkantholz); L 75 cm, B 10 cm,

T 2 cm (Latte 1); L 74 cm, B 10 cm, T 2 cm (Latte 2)

Zuoberst im Grab lag ein mehrteiliges Holz-objekt, dass aus einem langen, an einem Ende abgebrochenen Vierkantholz und zwei Quer-latten besteht. Während das Vierkantholz die Bestattung gleichsam vom Vorderteil der Höhle abgrenzte, erstreckten sich die Latten quer über den Hüftbereich des Toten. In das Vier-kantholz wurden verschiedene Aussparungen

Kat. V.13

Page 12: Das Höhlengrab von Cagaan Chad, Bogd sum. Övörchangaj ajmag. In: J. Bemmann (Hrsg.), Steppenkrieger. Reiternomaden des 7. - 14. Jahrhunderts aus der Mongolei (Bonn 2012) 325-349.

347Cagaan Chad346 Fundkatalog

eingearbeitet. Auf der dem Höhleneingang abge-wandten Seite sind sechs rechteckige Zapfenlö-cher für Blindzapfen zu erkennen, die in regelmä-ßigen Abständen von ca. 8 cm angeordnet sind und etwa 5–6 cm x 2 cm messen. Der Beginn eines siebten Zapfenloches ist am abgebrochenen Ende des Holzes sichtbar. Auf der im Grab oben liegen-den Seite des Vierkantholzes befindet sich nahe dem intakten Ende eine ca. 4 cm x 0,9–1,8 cm große schlüssellochförmige Öffnung, die durch das Holz hindurchgeht. Auf der Unterseite liegt unweit der abgebrochenen Stelle eine weitere kleine rechteckige Aussparung von 2 cm x 1 cm. Die beiden Latten sind in die fünfte und sechste Aussparung eingezapft. Sie haben einen recht-eckigen Querschnitt und sind an den Enden so zugerichtet, dass sie sich leicht verjüngen und dadurch in die Zapfenlöcher des Vierkanthol-zes passen. Auch an den nicht im Längsholz ste-ckenden Enden hat sich diese Zurichtung erhal-ten, allerdings ist diese Stelle bei beiden Latten leicht beschädigt. Spuren roter Farbe haben sich auf der im Grab nach oben liegenden und auf der zum Eingang gerichteten Seite des Vierkanthol-zes erhalten.

Die rostartige Erscheinung des Holzobjek-tes, die durch eine gedachte Ergänzung weite-rer Querlatten in den leeren Zapfenlöchern noch deutlicher wird, lässt verschiedene Vermutungen zur ursprünglichen Form und Funktion dieses Gegenstandes zu. Am wahrscheinlichsten dürfte die Interpretation als Wagenrost sein. Noch heute bestehen die Ladeflächen der traditionel-len zweirädrigen Karren mongolischer Nomaden aus fast identisch konstruierten Rosten1. Wagen-teile mit Spalthölzern wurden in zwei weiteren altmongolischen Felsspaltenbestattungen gefun-den. In einem der Gräber (Grab 2 von Chanaan, Chentij ajmag) waren die Wagenteile zu beiden Seiten der menschlichen und mit ihnen bestat-teten tierischen Überreste angeordnet, während von dem Grab Baga Gazryn Čuluu im Dundgov ̓ajmag berichtet wird, dass Spalthölzer von einem Wagen das Skelett des Bestatteten abdeckten2.

Besonders im Zusammenhang mit dem großen Holzobjekt, bei dem es sich um eine Wagenseiten-wand handeln könnte (s. Kat. V.15), erscheint die Ansprache des dreiteiligen Holzgegenstandes aus Cagaan Chad als Wagenbestandteil schlüssig.

Eine andere Möglichkeit ist die Interpreta-tion des Holzobjektes als Rest einer Totenbahre.

„Schlittenähnliche“ Totenbahren mit Böden aus weit auseinander liegenden Spalthölzern wur-den in mehreren altmongolischen Gräbern gefun-den, z. B. im Grab 5 des Fundplatzes Burchan Tol-goj in der Provinz Chentij (Abb. 22)3. Allerdings hätte im Fall des Grabes von Cagaan Chad nicht der Tote auf der Bahre, sondern die – lediglich als pars pro toto beigegebene – Bahre auf dem Toten gelegen.

1 Ronge 1989, 178–179.2 Erdenebat 2009, Bd. 2, 370, 381.3 Erdenebat 2009, Bd. 1, 126; Erdenebat 2009, Bd. 2, 116–119.

g.n., B.a., h.P.

Kat. V.13, Detail der Zapflöcher im Holzobjekt, M. 1:3

22 Burchan Tolgoj, Provinz Chentij. Schlittenähnliche Totenbahre aus Grab 5, M. 1:20.

kat. V.14 holzlatten

Holz

L 57 cm, B 6 cm, T 2 cm; L 73 cm, B 5 cm, T 2 cm;

L 72 cm, B 7 cm, T 2 cm

Es fanden sich außerdem drei einzelne Lat-ten im Grab, die den beiden Querlatten von Kat. V.13 in Bezug auf Größe und Bearbeitung stark ähneln. Diese drei Hölzer lagen quer über dem Fußbereich des Bestatteten (Abb. 5). Rechts des Toten waren sie vom Pfeilköcher überdeckt. Wäh-rend sich die ursprüngliche Länge einer der Lat-ten nicht mehr bestimmen lässt, weil ein Ende noch vor dem Ansatz der Zapfenverjüngung abgebrochen ist, sind die beiden anderen mehr oder weniger unbeschädigt ins Grab gelangt. In Form und Länge entsprechen sie sehr genau den beiden Querlatten des Holzobjektes Kat. V.13 und es ist anzunehmen, dass es sich bei diesen Holz-objekten um weitere Querstreben des möglichen Wagenrostes handelt.

g.n., B.a., h.P.

kat. V.15 holzobjekt (Wagenseitenwand?)

Holz, Eisen, Leder, rote und schwarze Farbe

L ca. 146 cm, B ca. 36 cm, T 6 cm

Ein großes, langrechteckiges Holzobjekt, das ursprünglich Teil der Grabausstattung war, befand sich bei der archäologischen Untersu-chung des Grabes von Cagaan Chad nicht mehr in situ. Die beiden Finder hatten es bei der ersten Öffnung der Höhle herausgenommen und später in einem ausgetrockneten Bachlauf am Fuße des Berges liegen lassen, sodass es mehrere Monate der Witterung unter freiem Himmel ausgesetzt war. Trotz dieser ungünstigen Umstände ist das Stück außerordentlich gut erhalten geblieben. Nach Aussage der Finder hatte es ursprünglich aufgerichtet auf einer der Langseiten hinter den großen Steinen gestanden und so den rückwärti-gen Teil der Höhle abgeschirmt (s. Abb. 6).

Es handelt sich um ein rechteckiges Holz-objekt, das aus mehreren Holzlatten gezim-mert wurde, die mit Steckverbindungen und

Kat. V.15, Holzobjekt in Fundlage am Fuß des Bergrückens (a); Detail der Vorderseite mit eingeritztem und bemaltem Zick-Zack-Muster (b); Detail mit wahrscheinlich nachträglich einge-brachtem Loch (c).

a

bc

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349Cagaan Chad348 Fundkatalog

Eisennägeln zusammengehalten werden. Zwi-schen die vierkantigen Längshölzer wurden ins-gesamt 14 etwa 20 cm lange Querlatten gesteckt und teilweise festgenagelt, die in der Mitte von einer etwa 20 cm x 20 cm großen Klappe unter-brochen werden. Sie wird von zwei schmalen, schwarz bemalten Querhölzern eingerahmt, von denen eines die Front der Klappe an der sich öff-nenden Seite darstellt. Dieses Holz ist mittig mit einer kleinen Eisenöse versehen, die auch auf der Innenseite zum Vorschein kommt. Die Klappe selbst besteht aus drei, bezüglich der ursprüngli-chen Lage im Grab horizontal verlaufenden, etwa 6–7 cm breiten Latten, von denen eine mit Hilfe eines Lederriemens repariert und mit der auf der Scharnierseite liegenden schwarzen Querlatte verbunden wurde.

An den vierkantigen Längshölzern sind eine Reihe von Zapflöchern und konstruktive Beson-derheiten zu erkennen. Das schwarz gefärbte Holz weist an seiner Unterseite wenige Zentimeter vor den Enden zwei dicke Holzstifte auf, die wahr-scheinlich als Zapfen zur Befestigung auf einem anderen Gegenstand dienten. Auf der Vorderseite sind zwei weitere Zapflöcher zu sehen, von denen eines durchgängig ist. Das andere Vierkantholz weist drei rechteckige, durchgängige Zapflöcher auf, von denen sich eines auf der Innenseite zu einer gerundeten Form erweitert.

Auffällig ist ein kleines, annähernd rechtecki-ges Loch in einer der Querlatten zwischen den Vierkanthölzern, das etwa 2,5 cm x 1,5 cm misst. Die Bearbeitungsspuren wirken im Vergleich zu den anderen Zapflöchern und Öffnungen hier sehr frisch. Das Holz ist hell und kaum abgerun-det, die Lochränder sind splittrig und die glatten Schnittspuren der Holzbearbeitungsgeräte, die ansonsten für die Herstellung des Objektes ver-wendet wurden, fehlen. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass dieses Loch nachträglich, eventu-ell im Zusammenhang mit der Grablegung, in das Objekt eingeschnitten wurde.

Diejenige Seite des Objektes, zu der sich die Klappe hin öffnet, ist mit Bemalungen und Schnit-zereien sowie Ritzlinien in schwarzen und roten Mustern dekoriert, während die andere Seite keine Muster aufweist, sondern komplett mit hellroter Farbe überzogen ist. Die beiden abschlie-ßenden Querlatten sind jeweils mit einem einge-ritzten und bemalten schwarz-roten Zick-Zack-Muster dekoriert. Eines der Vierkanthölzer ist

ebenfalls mit diesem Muster verziert, hier sind die Dreiecke allerdings nicht eingeritzt, sondern aufgemalt. Das andere Längsholz ist, wie bereits erwähnt, schwarz bemalt, an einigen Stellen ist auch hier ein Zick-Zack-Muster eingeritzt, das aber an dieser Seite keine Hervorhebung durch rote Farbe erfährt. Die Querlatten zwischen den Vierkanthölzern sowie die Längslatten der Klappe tragen eine rote Färbung.

Die Zapfen an der Unterseite des schwar-zen Vierkantholzes weisen darauf hin, dass das Objekt hier an einem Gegenstück befestigt war. Anhand der von den Findern angegebenen ursprünglichen Position im Grab könnte es sich bei diesem Gegenstück um das dreiteilige Holzob-jekt (Kat. V.13) handeln, das zumindest an seinem unversehrten Ende ein Zapfenloch genau an der richtigen Stelle aufweist. Folgt man nun der Ver-mutung, dass es sich um den Rost eines Wagens handelt, so könnte das schwarz-rote Objekt eine Seitenwand dieses Wagens gewesen sein, der in zerstörtem Zustand als pars pro toto über den Bestatteten gelegt wurde und gleichzeitig das Grab zum Höhleneingang hin abschirmte.

Die Interpretation dieser Funde als Wagen-reste erfährt eine interessante Bestätigung auf einem buddhistischen Tankha, das wahrschein-lich aus dem 17. Jh. stammt und das im Šanch-Kloster unweit von Charchorin, Övörchangaj ajmag, aufbewahrt wird (Abb. 23). Auf diesem Rollbild sind Kriegswagen abgebildet, deren Längsseiten sowohl in den Proportionen als auch aufgrund der Ausstattung mit Klappen frappie-rende Ähnlichkeit mit dem schwarz-rotem Holz-objekt von Cagaan Chad aufweisen. U. Erdenebat äußert die Vermutung, dass die in den altmongoli-schen Gräbern gefundenen Teile von Wagen, Tra-gegestellen und Packsätteln möglicherweise Reste der Transportmittel darstellen, mit denen die Lei-chen zu den Begräbnisplätzen gebracht wurden und die dann in den Gräbern teilweise zu Toten-bahren umfunktioniert wurden1.

Eine weitere Funktionsmöglichkeit weist in den Bereich der Jurte. Moderne Jurten vom türki-schen Typ, wie sie bei den kasachischen Nomaden der Westmongolei und Kasachstans verbreitet sind, haben im Gegensatz zum mongolischen Typ eine zweiflüglige Tür, deren Blätter in den Propor-tionen und auch in der Konstruktion aus zwei lan-gen Vierkanthölzern und dazwischen liegenden Feldern dem großen Holzobjekt aus Cagaan Chad

ähneln2. Gegen eine Interpretation als Jurtentür-blatt spricht allerdings die Tatsache, dass die bei-den hervorstehenden Holzzapfen bei einer Nut-zung als Tür keinerlei Funktion hätten, sondern im Gegenteil eine solche Nutzung behindern wür-den. Hinweise auf Türangeln oder ähnliches sind an dem Objekt nicht zu erkennen.

In die Begräbnissitten altmongolischer Höh-len- und Felsspaltenbestattungen würden sich beide Interpretationen gut einfügen. Häufig belegt sind in dieser besonderen Art der Beiset-zung auch Jurten- und Wagenteile, die unter dem Toten als Unterlage bzw. Bett oder auch neben oder über dem Leichnam platziert wurden3.

1 Erdenebat 2009, Bd. 1, 126.2 Für diesen Hinweis danken die Autoren A. Nagler, Deut-sches Archäologisches Institut Berlin. Vgl. Toktabai 2009, 79.3 Erdenebat 2009, Bd. 1, 126, 127.

g.n., B.a., h.P.

23 Šanch-Kloster, Övörchangaj ajmag. Buddhistisches Tankha mit Šambala-Darstellung, wahr-scheinlich 17. Jh.: Detail mit Wagen-kampfszene.

Kat. V.16, M. 1:4.

kat. V.16 gebogenes holzobjekt

Holz

L 76 cm, B 4,5 cm, T 5 cm

Ebenfalls am Fußende des Grabes fand sich ein vierkantiges, gebogenes Holzobjekt. Eine Seite des Holzstückes ist beschädigt und abgebro-chen, das andere Ende dagegen intakt geblieben. Ungefähr 10 cm vor dem erhaltenen Ende beginnt sich das Holz zu verjüngen, bevor es auf den letz-ten 2 cm einen Zapfen mit dreieckigem Längs-schnitt bildet. An allen vier Seiten des Objektes sind rechteckige Zapfenlöcher unterschiedlicher Größe zu sehen, die vollständig durch das Holz hindurch gehen. Quer zur Biegung des Holzes wurde ein Zapfloch etwa 25 cm von der Spitze entfernt durch das Vierkantholz getrieben, radial zur Biegung sind es vier rechteckige Zapflöcher im Abstand von etwa 12–15 cm. Eines dieser Löcher befindet sich bereits im zerstörten Teil des Stückes, es zeichnet sich aber noch deutlich ab.

Bei diesem Holzobjekt könnte es sich um ein Bauteil einer Jurte, beispielsweise für die Dach-kranzkonstruktion, handeln. Jurtenteile wie z. B. Scherengitter oder Filz finden sich relativ häufig in altmongolischen Felsspaltengräbern1.

1 Erdenebat 2009, Bd. 1, 126–127.

g.n., B.a., h.P.