Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. med. Eckhard Klieser Dienstort: Evangelische Kliniken Gelsenkirchen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Berufsunfähigkeit psychisch kranker Ärzte - eine empirische Analyse Inaugural-Dissertation zur Erlangung eines Doktorgrades der Medizin einer Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum vorgelegt von Julia Bozena Pach aus Oberhausen (Rhld) 2012
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Berufsunfähigkeit psychisch kranker Ärzte : eine … · Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Berufsunfähigkeit psychisch kranker Ärzte - eine empirische Analyse
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Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. med. Eckhard Klieser
Dienstort: Evangelische Kliniken Gelsenkirchen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Berufsunfähigkeit psychisch kranker Ärzte - eine empirische Analyse
Inaugural-Dissertation zur
Erlangung eines Doktorgrades der Medizin einer
Hohen Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von Julia Bozena Pach
aus Oberhausen (Rhld) 2012
Dekan: Prof. Dr. med. K. Überla Referent: Prof. Dr. med. E. Klieser Korreferent: Prof. Dr. med. M. Brüne Tag der mündlichen Prüfung: 04.07.2013
kein FacharztInnerenervenärztlichesFachgebietAnästhesieAllgemeinmedizinHNODermatologieRadiologieOrthopädieOphtalmologieChirurgieArbeitsmedizinUrologieStrahlentherapiePädiatrieLabormedizinGynäkologieTotal
ValidFrequency Percent Valid Percent
CumulativePercent
4.1.4 Diagnosen
Die überwiegende Anzahl der 90 Begutachteten hatte eine (22 Antragssteller,
24,4% entsprechend) oder zwei (21 Antragssteller, 23,3% entsprechend)
Diagnosen zur Begründung der Arbeitsunfähigkeit geltend gemacht. Drei
Diagnosen machten 17 Ärzte geltend (18,9%), vier Diagnosen (7,8%) wurden
von sieben Antragsstellern angeführt, fünf Diagnosen von acht Begutachteten (8,9%). Mehr als fünf
Diagnosen waren bei insgesamt 15 Personen (16,7%) der Stichprobe
angegeben worden.
29
Anzahl der Diagnosen
>554321
Anz
ahl d
er A
ntra
gsst
elle
r
30
20
10
0
Abbildung 4: Anzahl der geltend gemachten Diagnosen
Bezüglich der Einordnung der an erster Stelle bei Antragsstellung angeführten
Diagnosen nach der ICD-10 überwogen Krankheiten aus dem Kapitel V -
psychische und Verhaltensstörungen, darunter wiederum deutlich die Gruppe
der affektiven Störungen (F30 – F39) mit 51 Nennungen (56,7%). Mit 14
Nennungen (15,6%) folgt die Gruppe der neurotischen, Belastungs- und
somatoformen Störungen (F40 – F48), danach die Gruppe der organischen,
einschließlich symptomatischer, psychischer Störungen (F00 – F09) mit noch
sieben Nennungen (7,8%). Aus der Gruppe Schizophrenie, schizotype und
wahnhafte Störungen (F20 – F29) wurden drei Diagnosen angeführt (3,3%),
aus den psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
(F10 - F19) zwei Diagnosen (2,2%). Je einmal (1,1%) wurden Diagnosen aus
den Gruppen der Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und
Faktoren (F50 – F59), der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60 –
F69), der Entwicklungsstörungen (F80 – 89) und der Verhaltens- und
emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit (F90 – F98) geltend
gemacht.
Unter den neun restlichen Diagnosen fanden sich sieben, die nicht aus dem
Kapitel V stammen, jeweils zwei (2,2%) aus den Kapiteln IX - Krankheiten des
Kreislaufsystems und XIII - Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems- und des
Bindegewebes und je eine (1,1%) aus den Kapiteln VI – Krankheiten des
Nervensystems, XVIII - Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde,
30
die andernorts nicht klassifiziert sind und XXI – Faktoren, die den
Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des
Gesundheitswesens führen.
F4
F3
F2
F0
Andere
Abbildung 5: Verteilung der geltend gemachten Diagnosen
Missing
keine
F6
F4
F3
F2
F1
F0
Andere
Abbildung 6: Verteilung der gutachterlichen Diagnosen
Betrachtete man die nach dem Gutachten gestellten Diagnosen, fand sich eine
etwas andere Verteilung. An der Spitze standen auch hier die affektiven
31
Störungen mit 34 Nennungen (38,2%), bereits an zweiter Stelle folgten jedoch
die organischen, einschließlich symptomatischen, psychischen Störungen mit
19 Diagnosen (21,3%).
Mit zehn gestellten Diagnosen aus dieser Gruppe (11,2%) standen die
neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen an dritter Stelle.
Bei neun der Begutachteten (10,1%) wurde eine Diagnose aus dem Spektrum
der Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60 – 69) als gutachterliche
Hauptdiagnose gestellt
Aus der Gruppe der psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope
Substanzen fanden sich sieben Diagnosen (7,9%) gegenüber zwei bei
Antragsstellung geltend gemachten Diagnosen aus dieser Gruppe.
Zwei der Gutachtendiagnosen (2,2%) stammten nicht aus dem Kapitel V -
psychische und Verhaltensstörungen.
4.1.5 Beurteilung der bisherigen Therapie
Eine Beurteilung der bisherigen therapeutischen Bemühungen war für 89 der
Gutachten möglich. In 44 Fällen (49,4%) war der Antragsstellung eine als
adäquat zu beurteilende Therapie vorausgegangen. 35 (39,3%) der
Begutachteten hatten im Vorfeld nicht dem Facharztstandard für die
Gutachtendiagnose entsprechende Therapien durchgeführt. Bei 10 der
untersuchten Ärzte hatte keinerlei psychiatrische Therapie stattgefunden.
4.1.6 Selbsteinschätzung des Schweregrades der Probleme
Bei der in fünf Grade („leicht“, „mittelschwer“, „sehr schwer“, „extrem schwer“
und „unerträglich“) unterteilten Selbstbeurteilungsskala lag der Median der 80
bearbeiteten Skalen bei „extrem schwer“. Die Verteilung im Einzelnen ist der
folgenden Tabelle zu entnehmen, wobei Doppelnennungen als zwischen den
vorgegebenen Stufen liegend behandelt wurden.
32
Tabelle 2: Selbsteinschätzung des Schweregrades
1 1,1 1,3 1,33 3,3 3,8 5,0
2 2,2 2,5 7,5
20 22,2 25,0 32,5
8 8,9 10,0 42,5
28 31,1 35,0 77,5
6 6,7 7,5 85,0
12 13,3 15,0 100,080 88,9 100,010 11,190 100,0
leicht bis mittelschwermittelschwermittelschwer bis sehrschwersehr schwersehr schwer bisextrem schwerextrem schwerextrem schwer bisunerträglichunerträglichTotal
Valid
keine AngabeMissingTotal
Frequency Percent Valid PercentCumulative
Percent
4.1.7 Selbsteinschätzung der finanziellen Lage
Mit 38 Nennungen schätzte der überwiegende Teil der Begutachteten (50%) die
eigene finanzielle Lage auf der dreiteiligen Skala als „mittel“ ein. 24 beurteilten
diese als „schlecht“ (31,6%).
Als „gut“ bewerteten 10 Antragssteller ihre aktuelle finanzielle Lage (13,2%).
In einem Fall fand sich eine Doppelnennung von „schlecht“ und „mittel“, in drei
von „mittel“ und „gut“. In 14 Fällen war vom Begutachteten keine Einschätzung
vorgenommen worden.
4.1.8 Erreichen des individuellen Berufsziels
Über das Erreichen des individuellen Berufsziels hatten 68 der Begutachteten
Angaben gemacht. 23 (33,8%) gaben an, ihr Berufsziel erreicht zu haben, 26
(38,2%) verneinten dies. 19 (27,9%) Befragte beurteilten ihr individuelles Ziel
als teilweise erreicht.
33
4.2 Testergebnisse
4.2.1 MMPI-2
4.2.1.1 Validitätsskalen
In der Betrachtung der L-(Lügen)-Skala ergab sich für die gesamte Stichprobe
ein niedriger Mittelwert von 46,90 (SE 1,02). Dies spricht für eine mögliche
Simulation und gegen eine selbstbeschönigende Darstellung.
Auf der F-(Seltenheits)-Skala lag der Mittelwert bei 61,01 (SE 1,22). Dies ist ein
leicht erhöhter Wert und spricht für ein wahrscheinlich gültiges Protokoll.
Für die K-(Korrektur)-Skala lag der Mittelwert mit 46,11 (SE 0,89) im mittleren
Niveau, was als Balance zwischen Selbstschutz und Öffnung interpretiert wird.
4.2.1.2 Klinische Basisskalen
Unter den klinischen Skalen war die Skala D (Depression) mit einem sehr
hohen Mittelwert von 80,33 (SE 1,17) die Auffälligste. Personen, die T-Werte
über 75 erzielen, werden im Manual als zurückgezogen, von Problemen
überwältigt, hoffnungslos, schuldbeladen, Gefühlen der Wertlosigkeit und
Unzulänglichkeit erlebend, sich intensiv mit Tod und Suizid beschäftigend,
verzagt und verlangsamt in Gedanken und Handlungen beschrieben.
Hohe Mittelwerte ergaben sich für die Skalen Hd (Hypochondrie): 69,69 (SE
1,21), Hy (Hysterie, Konversionsstörung): 73,41 (SE 1,17), Pp (Psychopathie,
kein FacharztInnerenervenärztlichesFachgebietOrthopädieChirurgieRadiologieUrologieAnästhesieOphtalmologieHNOPädiatrieDermatologieAllgemeinmedizinArbeitsmedizinLabormedizinTotal
ValidFrequency Percent Valid Percent
CumulativePercent
Unter den 44 nicht als berufsunfähig eingestuften Begutachteten stellten
wiederum die Ärzte ohne Gebietsbezeichnung mit 15 Personen (34,1% der
nicht Berufsunfähigen) die größte Gruppe. Mit fünf Vertretern folgten die
Anästhesisten (11,4%), die Internisten fanden sich, gemeinsam mit den
Fachärzten für HNO und Allgemeinmedizin mit je 4 Personen erst an dritter
Stelle (je 9,1%). Dermatologie und nervenärztliches Fachgebiet waren jeweils
dreimal vertreten (6,8%), die Radiologie zweimal (4,5%). Aus den Gebieten
Strahlentherapie, Ophthalmologie, Gynäkologie und Arbeitsmedizin fand sich in
diesem Teil der Stichprobe je ein Arzt (2,3%).
42
Tabelle 5: Verteilung der Fachgebiete der nicht Berufsunfähigen
kein FacharztAnästhesieInnereHNOAllgemeinmedizinDermatologienervenärztlichesFachgebietRadiologieStrahlentherapieOphtalmologieGynäkologieArbeitsmedizinTotal
ValidFrequency Percent Valid Percent
CumulativePercent
4.3.4 Zusammenhänge zwischen Diagnose und Berufsunfähigkeit
Für die organischen, einschließlich symptomatischer, psychischen Störungen
(F00 - F09) war festzustellen, dass alle 19 Begutachteten mit einer organischen
Störung als berufsunfähig beurteilt wurden. Bei den Diagnosen aus der Gruppe
der psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10
– F19) standen zwei nicht als berufsunfähig Anerkannte fünf berufsunfähigen
Antragsstellern gegenüber.
Häufiger nicht zu einer anerkannten Berufsunfähigkeit führten Diagnosen aus
dem Spektrum der affektiven Störungen (F30 – F39), hier wurden 20
(entsprechend 58,8% der so klassifizierten Begutachteten) als nicht
berufsunfähig beurteilt, 14 als berufsunfähig, Diagnosen aus der Gruppe der
neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (F40 – F49) mit sieben
Berufsunfähigen gegenüber drei nicht Berufsunfähigen sowie Diagnosen von
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60 – F69), wobei alle neun in der
letztgenannten Gruppe Klassifizierten nicht als berufsunfähig anerkannt wurden
(p<0,001).
43
Gutachtendiagnose
keineF6
F4F3
F2F1
F0Andere
Anza
hl
30
20
10
0
Berufsunfähig
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 11: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach Gutachtendiagnose
geltend gemachte Vordiagnose
F4
F3
F2
F0
Andere
Anz
ahl
30
20
10
0
Berufsunfähig
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 12: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach bei Antragsstellung geltend gemachter
Diagnose
Bezüglich der Anzahl der bei Antragsstellung angegebenen Diagnosen der
nach der Begutachtung als berufsunfähig Beurteilten stellten die jeweils zwölf
Personen (26,7% der 45 Berufsunfähigen) mit nur einer und die mit mehr als
fünf Diagnosen die größte Gruppe, elfmal waren drei Diagnosen geltend
44
gemacht worden (24,4%), sechsmal zwei (13,3%), je zweimal (4,4%) vier bzw.
fünf Diagnosen.
Unter den als nicht berufsunfähig Beurteilten hatten 15 (34,1%) bei der
Antragsstellung zwei Diagnosen geltend gemacht, neun (20,5%) eine Diagnose,
sechs (13,6%) drei oder fünf Diagnosen, fünf (11,4%) vier Diagnosen und drei
(6,8%) mehr als fünf Diagnosen. In der Darstellung als Balkendiagramm ergab
sich folgendes Bild:
Anzahl der geltend gemachten Vordiagnosen
>554321
Anz
ahl
16
14
12
10
8
6
4
2
0
Berufsunfähig
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 13: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach Anzahl der geltend gemachten Diagnosen
4.3.5 Zusammenhänge zwischen der bisherigen Therapie und der
Berufsunfähigkeit
In der nach der Beurteilung der Berufsunfähigkeit getrennten Betrachtung der
vor der Antragsstellung durchgeführten psychiatrischen Therapien zeigte sich,
dass 26 als nicht berufsunfähig anerkannte Antragssteller bislang keine
adäquate Therapie erhalten hatten während dies nur für neun der als
berufsunfähig anerkannten galt. Unter den bereits adäquat behandelten
Begutachteten fanden sich 29 als berufsunfähig Anerkannte gegenüber 15 nicht
Anerkannten (p=0,001).
45
psychiatrische Therapie
adäquatinadäquatkeine
Anz
ahl
40
30
20
10
0
Berufsunfähigkeit
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 14: Vorliegen von Berufsunfähigkeit nach bisheriger Therapie
4.3.6 Zusammenhänge zwischen der Selbsteinschätzung des
Schweregrades und der Berufsunfähigkeit
In der nach dem Vorliegen von Berufsunfähigkeit getrennten Betrachtung
schätzen sich die nicht als berufsunfähig Anerkannten tendenziell als schwerer
betroffen ein als die Berufsunfähigen (p=0,056).
46
Schweregrad
unerträglich
extrem schwer
sehr schwer
mittelschwer
Anza
hl
20
15
10
5
0
nicht berufsunfähig
berufsunfähig
Abbildung 15: Selbsteinschätzung des Schweregrades nach Berufsunfähigkeit
4.3.7 Zusammenhänge zwischen der Selbsteinschätzung der
finanziellen Lage und der Berufsunfähigkeit
Im Hinblick auf die Selbsteinschätzung der finanziellen Lage ergaben sich keine
statistisch signifikanten Zusammenhänge zur Beurteilung der Frage der
Berufsunfähigkeit.
4.3.8 Zusammenhänge zwischen dem Erreichen des individuellen
Berufszieles und der Berufsunfähigkeit
Das Erreichen oder Nichterreichen des individuellen Berufszieles stand in
keinem Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage nach der
Berufsunfähigkeit.
47
4.3.9 Unterschiede im MMPI-2 Profil hinsichtlich der
Berufsunfähigkeit
4.3.9.1 Validitätsskalen
Bezüglich der Mittelwertsdifferenzen der drei Validitätsskalen L (Lügenskala), F
(Seltenheitsskala) und K (Korrekturskala) ergaben sich keine signifikanten
Unterschiede zwischen den Gruppen der Berufsunfähigen und der nicht
Berufsunfähigen.
4.3.9.2 Klinische Basisskalen
Signifikante Mittelwertsdifferenzen fanden sich für die folgenden Skalen:
Pt (Psychasthenie), der Mittelwert der Berufsunfähigen lag bei 69,87 (SE
2,061), was als hoch interpretiert wird, der der nicht Berufsunfähigen lag noch
darüber im sehr hohen Bereich bei 77,12 (SE 1,825). Die nicht berufsunfähigen
Antragssteller machen also noch ausgeprägtere Beschwerden im Sinne von
Zwangsgedanken, Zwangshandlungen, übertriebenen Ängsten und Sorgen,
eine negative Befindlichkeit, einen hohen moralischen Anspruch,
Selbstbeschuldigungen für Misserfolge und harte Bemühungen um
Impulskontrolle geltend (p=0,010).
Si (soziale Introversion), die Berufsunfähigen erzielten einen erhöhten
Mittelwert von 64,67 (SE 1,868), die nicht Berufsunfähigen einen hohen
Mittelwert von 70,12 (SE 1,406), sie beschrieben sich also als schüchterner,
weniger sozial durchsetzungsfähig und geschickt sowie als eigenbrötlerischer
(p=0,022).
Tendenzielle Unterschiede der Mittelwerte ergaben sich für die Skalen Pp
(Psychopathie, Soziopathie, antisoziale Persönlichkeitsstörung), der Mittelwert
der Berufsunfähigen betrug hierbei 64,04 (SE 1,505), der der nicht
Berufsunfähigen 68,09 (SE 1,665) (p=0,074) und Pa (Paranoia) mit einem
48
Mittelwert von 62,42 (SE 1,638) für die Berufsunfähigen respektive 66,79 (SE
1,974) für die nicht Berufsunfähigen (p=0,091).
Die nicht Berufsunfähigen machten demnach auf beiden Skalen eine als hoch
zu interpretierende Ausprägung geltend, im Gegensatz zu den Berufsunfähigen,
die jeweils noch in den Bereich der erhöhten Ausprägung fielen.
Für die übrigen sechs klinischen Basisskalen waren keine bedeutsamen
Unterschiede der Mittelwerte beider Gruppen zu vermerken.
4.3.9.3 Aggravationstendenz (F-minus-K)
Die nicht Berufsunfähigen erzielten einen Mittelwert von 16,70 (SE 2,477), die
Berufsunfähigen von 13,18 (SE 2,571), der Unterschied war jedoch statistisch
nicht signifikant (p=0,328).
4.3.9.4 Wiener und Harmons Subtil-Offensichtlich-Subskalen
Eine signifikante Mittelwertsdifferenz war für die Skala Pa (Paranoia)
festzustellen, hier zeigte sich, dass die als berufsunfähig Beurteilten mit einem
mittleren Offensichtlich-minus-Subtil-Wert von -2 (SE 3,078) dazu neigten,
paranoide Symptome dissimulierend zu beschreiben, während die als nicht
berufsunfähig Beurteilten, die einen Mittelwert von 5,52 (SE 1,862) erzielten,
diese aggraviert geltend machten (p=0,043).
Für die übrigen Subtil-Offensichtlich-Subskalen waren keine signifikanten
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen zu vermerken.
4.3.9.5 Weitere Zusatzskalen
Eine tendenzielle Mittelwertsdifferenz zwischen den beiden Gruppen fand sich
für die Skala ASP2 (antisoziale Handlungen), die nicht als berufsunfähig
49
Anerkannten erzielten einen Mittelwert von 50,76 (SE 1,503), die
Berufsunfähigen von 55,71 (SE 2,394) (p=0,072).
Für die anderen untersuchten Zusatzskalen ASP (antisoziales Verhalten), WRK
(berufliche Probleme), TRT (negative Behandlungsindikatoren), ASP1
Persönlichkeitsstörung), Pt (Psychasthenie), Sc (Schizophrenie) und Si (soziale
Introversion) und einen erhöhten Mittelwert für die Skala Pa (Paranoia). Auffällig
hohe Ausprägungen zeigten sich des Weiteren auf den Zusatzskalen sc4 (Ich-
Mangel im Wollen), WRK (berufliche Probleme) und TRT (negative
Behandlungsindikatoren).
Bezüglich der Berufsunfähigkeit machten die nicht Berufsunfähigen signifikant
höhere Werte auf den Skalen Pt und Si sowie tendenziell höhere Werte auf den
Skalen Pp und Pa geltend.
Die Analyse der Validitätsskalen ergab für die gesamte Stichprobe auf der L-
(Lügen)-Skala einen niedrigen Mittelwert ohne Unterschied zwischen den
Untergruppen. Die übrigen Validitätsskalen sowie der F-K-Index zeigten
unauffällige T-Werte.
Bei den Subtil-Offensichtlich-Subskalen nach Wiener und Harmon fand sich im
Mittel für alle Begutachteten eine auffällige Häufung offensichtlicher gegenüber
subtiler Beschwerden für die Depressions- und die Hysterie-Subskalen.
Die nicht Berufsunfähigen zeigten auf der Paranoia-Subskala signifikant höhere
Differenzen zwischen offensichtlichen und subtilen Beschwerden ohne das die
jeweiligen Ausprägungen absolut auffällig waren.
In der Beschreibung ihrer Primärpersönlichkeit machten alle Untersuchten im
Mittel eine deutliche Verschiebung zum emotional instabilen Pol geltend, für die
nicht Berufsunfähigen war dies in signifikanter Weise stärker ausgeprägt. Sie
erzielten außerdem signifikant höhere Werte für logisches Schlussfolgern und
73
beschrieben sich tendenziell als ernster und weniger lebhaft als die
Berufsunfähigen.
In den Hirnleistungstest ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen
einem kognitiven Abbau und dem Vorliegen der Berufsunfähigkeit, das
prämorbide Intelligenzniveau unterschied sich nicht.
Einige Ergebnisse, wie die hohe Übereinstimmung von organischen Störungen
und der mit diesen Diagnosen typischerweise einhergehenden kognitiven
Einbußen oder der Zusammenhang zwischen dem Ausschöpfen der
therapeutischen Möglichkeiten und dem jeweiligen Vorliegen der
Berufsunfähigkeit sind mit der in den untersuchten Gutachten angelegten
Definition der Berufsunfähigkeit kongruent und bedürfen kaum weiterer
Interpretation.
Die bei den nicht Berufsunfähigen festgestellte stärkere Ausprägung spezieller
Beschwerden, Persönlichkeitsmerkmale und Einstellungen könnte auf eine
Aggravation dieser durch nicht die Kriterien einer Berufsunfähigkeit erfüllenden
Antragssteller hinweisen, alternativ aber auch Merkmale abbilden, die die
Berufstätigkeit für die Betroffenen erschweren und den Wunsch nach einer
vorzeitigen Berentung begünstigen.
Das Auftreten von Verfälschungstendenzen in Begutachtungen wurde durch
vorangehende Untersuchungen in der Größenordnung um 40% eingeschätzt.
Obschon sich vereinzelt Hinweise auf Aggravation ergeben haben, sind diese
unter Berücksichtigung der existierenden Literatur nicht zur Feststellung einer
solchen ausreichend. Entgegen den Erwartungen haben sich die verwendeten
Validitätsskalen und Indizes aus dem MMPI-2 als nicht geeignet erwiesen,
Verfälschungstendenzen aufzudecken und können daher zumindest für die
Fragestellung der Berufsunfähigkeit psychisch kranker Ärzte nicht empfohlen
werden.
74
7. Literaturverzeichnis American Psychiatric Association (2000). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. 4th ed. Text Revision (DSM-IV TR). Washington DC, APA Angerer, P., Petru R., Nowak, D. and Weigl, M. (2008). Arbeitsbedingungen und Depression bei Ärzten. Deutsche medizinische Wochenschrift 133, 26 - 29 Appelberg, K., Romanov, K., Heikkilä, K., Honkasalo, M.-L. and Koskenvuo, M. (1996). Interpersonal conflict as a predictor of work disability: A follow-up study of 15.348 finnish employees. Journal of Psychosomatic Research 40 (2), 157 - 167 Ben-Porath, Y. S. and Sherwood, N. E. (1993). The MMPI-2 Content Component Scales: Development, Psychometric Characteristics, and Clinical Application. Minneapolis, MN: University of Minnesota Press Berger, M., van Calker, D., Brakemeier, E.-L. and Schramm, E. (2009). Affektive Störungen. in Berger, M. (Hrsg.). Psychische Erkrankungen. Urban & Fischer, München Jena, 494 - 495 Bundesärztekammer (2012). (Zugriff vom 23.06.2012). Ergebnisse der Ärztestatistik zum 31.12.2011. http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.3.10275 Butcher, J. N., Graham, J. R., Williams, C. L. and Ben-Porath, Y. S. (1990). Development and use of the MMPI-2 Content Scales. MMPI-2 monograph series. Minneapolis, MN, US: University of Minnesota Press. XIII 213 pp Cattel, R. B., Schneewind, K. A. and Graf, J. (1998). Der 16-Persönlichkeits-Faktoren-Test - Revidierte Fassung. Verlag Hans Huber, Bern, Göttingen, Toronto, Seattle Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM), Deutsches Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM), Deutsche Gesellschaft für Klinische Psychotherapie und Rehabilitation (DGPPR) und Deutsche Gesellschaft für Neurowissenschaftliche Begutachtung (DGNB) (2012). Sk2 – Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen AWMF – Registernr.051/029 Deutsche Rentenversicherung: Statistik der Deutsche Rentenversicherung (2011). Rentenversicherung in Zeitreihen 2011. 3, 88 - 94 Dohrenbusch, R. and Balg, B. (2011). Zur Risikobewertung der Berufsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankung. Versicherungsmedizin 63 (1), 25 - 32
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Danksagung Mein Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. med. E. Klieser sowohl für die Überlassung des Themas der Dissertation als auch für die exzellente fachliche und die motivierende persönliche Betreuung während dieser Arbeit.
Lebenslauf Persönliche Daten Name Julia Bozena Pach geb. Bergmann Geburtstag/-ort 13.06.1975 in Oberhausen (Rhld.) Familienstand verheiratet Schulausbildung 1981 – 1985 Falkensteingrundschule in Oberhausen 1985 – 1994 Bertha-von-Suttner-Gymnasium in Oberhausen Abitur Hochschulausbildung 1994 – 2001 Studium der Humanmedizin an der Ruhr-Universität Bochum 8/1996 Physikum 8/1997 Erster Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 3/2000 Zweiter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 2000/2001 Praktisches Jahr:
- Abteilung für Innere Medizin des Evangelischen Krankenhauses Herne
- Klinik für Chirurgie des Evangelischen Krankenhauses Herne
- Neurochirurgische Universitätsklinik des Knappschaftskrankenhauses Bochum-Langendreer
10/2001 Dritter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und Approbation Weiterbildung 2009 Fachärztin für Neurologie 2010 Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Beruflicher Werdegang 2001 – 2002 Ärztin im Praktikum in der Neurochirurgischen
Universitätsklinik des Knappschaftskrankenhauses Bochum-Langendreer
2003 Ärztin im Praktikum in der Abteilung für
Geriatrie / Neurologie des Elisabeth Krankenhauses Recklinghausen
2003 – 2004 Assistenzärztin in der Abteilung für
Geriatrie / Neurologie des Elisabeth Krankenhauses Recklinghausen
2005 – 2006 Assistenzärztin in der Klinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik der Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen
2006 – 2007 Assistenzärztin in der Neurologischen Abteilung des
Evangelischen Krankenhauses Herne Seit 2007 Assistenzärztin in der Klinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik der Evangelischen Kliniken Gelsenkirchen