Behandlungsfehler und Fehlermanagement in Klinik und (Hausarzt-)Praxis Dr. Torsten Buchheit Facharzt für Innere Medizin Naturheilverfahren, Notfallmedizin, Akupunktur Fachkunde Geriatrie Münchweiler / Rodalb 12.11.2014 Zentrum Allgemeinmedizin Medizinische Fakultät Homburg / Saar Universität des Saarlandes
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Behandlungsfehler und Fehlermanagement
in Klinik und (Hausarzt-)Praxis
Dr. Torsten BuchheitFacharzt für Innere MedizinNaturheilverfahren, Notfallmedizin, AkupunkturFachkunde Geriatrie
Münchweiler / Rodalb
12.11.2014
Zentrum AllgemeinmedizinMedizinische Fakultät Homburg / Saar
Fehler = Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Lernen- aus eigenen Fehlern- aus von Anderen begangenen Fehlern
Deshalb benötigen wir einen offenen Umgang mit Fehlern!
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1. Warum Fehlermanagement?Ziel
Verbesserungder Patientensicherheit
Hausärzte sind die erste Fachgruppe mit einem bundesweiten
Fehlerberichtssystem
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2. Fehlerforschung
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2. Fehlerforschung Technischer Fehler (jfz 510)
Patientin mit bekanntem Diabetes war zur DMP-Routineblutentnahme in der Praxis, klagte über Schwindel
BZ-Stix: 651 mg% sofortige Krankenhauseinweisung
Wo liegt der Fehler?
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2. FehlerforschungGeschichte
Seneca (1-65 n.Chr.): Irren ist menschlich.
Horaz (65-8 v.Chr.): In Fehler führt uns die Flucht vor Fehlern.
Konfuzius (551-479 v.Chr.): Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten.
Cicero (106-43 v.Chr.): Jeder Mensch kann irren, aber nur Dummköpfe verharren im Irrtum.
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2. FehlerforschungIshikawa-Diagramm (1940): „4M“ Ursache und Wirkung
Mensch Maschine
Methode Material
Problem
„Fischgräten-Diagramm“
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2. Fehlerforschung Technischer Fehler (jfz 510)
Rückruf vom Krankenhaus: BZ ist 160
Fehler: BZ-Gerät wurde verkehrt herum gehalten (651 statt 159)
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2. Fehlerforschung Technischer Fehler (jfz 510)
Gerät war neu, Helferin ohne Einweisung
BZ-Geräte werden für die Selbstmessung konstruiert: Anzeige zeigt oft zum Patienten
keine Einheit in der Anzeige, nur Zahlen
BZ-Geräte zeigen meist keine Werte über 400 mg% an, sondern die Fehlermeldung „High“ oder „Ketone“
Die Messung hätte wiederholt werden können, Ergänzung durch Urinstatus (Harnzucker)
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2. Fehlerforschung Technischer Fehler (jfz 510)
Mensch Maschine
Methode Material
Problem
Keine Einweisung am Gerät
Kein narrensicheres Display
KH-Einweisungohne Kontrollwert
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2. FehlerforschungTechnischer Fehler (jfz 510)
Schaden: Keiner (aber: Umstand, Kosten)
Gefährdungspotential: Gering bis hochWiederholungsgefahr: Gering
Maßnahmen:- In Zukunft immer Geräteeinweisung- Ergänzungsmessung
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2. FehlerforschungRisikomanagement
Systematisches Erkennen von Schwachstellen, um vorbeugend Gegenmaßnahmen aufzubauen
Ultra-Safe-Industries (Luft- und Raumfahrt, Kernenergie, Petrochemie) schon seit vielen Jahren
Die Medizin befaßte sich erst relativ spät damit.
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2. FehlerforschungFehleranalyse jedes einzelnen Fehlers
Fehler im Ansatz
korrigieren
Fehler systemischverhindern
Fehlerpotentialerkennen
Fehlerauswirkungminimieren
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2. FehlerforschungFehleranalyse: Paravasat bei Chemotherapie“http://www.habichtswaldklinik.de/media/files/Download/Leitlinie_Paravasat.pdf
Fehler im Ansatz
korrigieren
Fehler systemischverhindern
Fehlerpotentialerkennen
Fehlerauswirkungminimieren
Notfall-Therapie-schemata
Patienten überwachen
Schulung der Ärzte und Pfleger
Bewußtsein schärfen
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2. FehlerforschungJames Reason:Human error: models and management, BMJ 2000;320:768-770
Verschiedene Schichten, um Fehler abzuwehren - Technische Systeme- Personal- Sicherheitskontrollen- Qualitätsmanagement
In jeder dieser Schichten können latente Fehler vorliegen.
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2. FehlerforschungSchweizer-Käse-ModellFehlerkultur und Teamtraining – das „missing link“ im medizinischen Risikomanagement(N. Pateisky – Universitätsfrauenklinik Wien)
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3. FehlerkulturHeute noch: Anprangern von Fehlern
Öffentlich anklagen
Bloßstellen
Erniedrigen
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3. FehlerkulturHeute noch: Anprangern von Fehlern
Öffentlich anklagen
Bloßstellen
Erniedrigen
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3. Fehlerkulturan jeder Arbeitsstätte aufbauen
weg von der Sündenbockmentalität(engl: name, shame and blame)
Fehler straffrei und ohne Imageverlust aufarbeiten
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3. Fehlerkulturan jeder Arbeitsstätte aufbauen
Fehler = Schatz
(weil: Fehler = Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen)
Fehlersammlung = Schatzkiste
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3. Fehlerkulturan jeder Arbeitsstätte aufbauen
Alle Fehler erfassen und analysieren, gerade im Hinblick auf Systemfehler.- Fehlerbuch- Dummy-Patient Fritz Fehler im Computer
Regelmäßige Teambesprechungen mit Verbesserungsvorschlägen
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3. FehlerkulturDie Reform beginnt von unten
Heutige Chef- und Oberärzte: mit einer Fehlerkultur nicht aufgewachsen und nicht vertraut
Zukünftige Ärzte: Fehlerkultur aufbauen und vorleben
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3. FehlerkulturPraxisadministration
Anruf vom Pflegedienst kurz nach 12 Uhr: „Die Frau Maria W. ist gestürzt, hat Schürfwunden, ob der Doktor sich das nicht mal ansehen könnte?“
Hausbesuch gleich nach der Sprechstunde
Frau Maria W. trinkt mit einer Freundin Kaffee, lächelt verwundert.
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3. FehlerkulturPraxisadministration
In der Praxis gibt es zwei Patientinnen namens Maria W.
Die Helferin wissen das, weil es öfter schon Verwechselungen gab.
Die Helferin hatte die feste Vorstellung, es könne nur die eine Frau W. sein, so daß die erforderliche Rückfragenach Geburtsdatum oder Adresse unterblieb.
Uhrzeit: Kurz vor der Mittagspause
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3. FehlerkulturPraxisadministration
Schaden: Keiner
Gefährdungspotential: Gering bis hochWiederholungsgefahr: Hoch
Maßnahmen:- Fehlerdokumentation in Fehlersammlung- Teambesprechung- Sicherheitsfrage („Ist das auch die richtige Frau W.?“)
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4. Fehlerberichtssystem
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4. Fehlerberichtssystem
(Fehler = Schatz, Fehlersammlung = Schatzkiste)
Ursprünglich aus dem Bereich Luftfahrt(Critical incident reporting System: CIRS)
später auch in anderen Bereichen verwendet
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Patientin einschärfen- in Zukunft bei jeder Schmerzmittelgabe Allergie angeben- im Krankenhaus oder bei anderen Ärzten- aber auch beim Hausarzt
Arzt einschärfen- Routinemäßige Frage vor jeder Verschreibung: Haben Sie das Medikament schon mal
genommen? Und gut vertragen?
Apotheker einbeziehen
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4. FehlerberichtssystemBandbreite der gemeldeten Fehler
Verständigungsproblememit dem Patienten
Fehler durch Patienten
Abstimmungs– und Kommunikationsprobleme
MedizinischeFehleinschätzungen
Administrative Fehler
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5. Pseudofehler
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5. PseudofehlerThoraxschmerzN. Donner-Banzhoff, Z Allg Med 2014 (5) 0200-0260
50jähriger Patient mit stechendem Brustschmerz seit Wochen nicht in Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, macht Sport Palpation: Thoraxdruckschmerz auslösbar klinische Untersuchungen von Herz und Lunge unauffällig, EKG unauffällig
Diagnose: Brustwandsyndrom
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5. PseudofehlerThoraxschmerzN. Donner-Banzhoff, Z Allg Med 2014 (5) 0200-0260
zehn Tage später (Vertretungspraxis) immer noch Beschwerden, Patient wünscht Überweisung zum Lungenfacharzt
in Ambulanz der Lungenklinik zusammengebrochen, Diagnose: Myokardinfarkt einen Tag später verstorben
Nachträgliche Analyse:
Gemäß der Leitlinie „Brustschmerz“ der DEGAM war alles korrekt eingeschätzt. Arzt hat sich gemäß dem professionellen Standard verhalten.
Kein Fehler, sondern ein Pseudofehler!
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5. PseudofehlerThoraxschmerzN. Donner-Banzhoff, Z Allg Med 2014 (5) 0200-0260
Gefahr des Pseudofehlers:
Veränderung des ärztlichen Verhaltens Absenkung der diagnostischen Schwellenz.B.: Patienten werden jetzt früher zu invasiver Koronardiagnostik
geschickt
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5. Pseudofehler
Definition: Unerwünschtes Ereignis bei standardgemäßem Vorgehen
Es gibt Situationen, in denen ein unerwünschtes Ereignis mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit auftreten wird und akzeptiert werden muß.
Defensivmedizin gaukelt nur besondere Sorgfalt vor, tatsächlich wird der Patient hintergangen.
Unterscheidung Fehler und Pseudofehler
Frage: Läßt sich im Rückblick eine plausible, konkrete und praktikable Regel formulieren, deren Beachtung das Ereignis verhindert hätte?
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5. Pseudofehler
Ein Fehler sollte zu einer Veränderung des ärztlichen Verhaltens führen.
Ein Pseudofehler darf nicht zu einer Veränderung des ärztlichen Verhaltens führen!
Aus dem Pseudofehler können wir nichts lernen.
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6. Qualitätsmanagement
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6. Qualitätsmanagement
Verbindlich für: Krankenhäuser Arztpraxen seit 2005
- kontinuierliche Sicherung und Verbesserung der Qualität der medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung
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Detaillierte Beschreibung des Weges jedes angeforderten Laborwertes- Blutentnahme- Ausfüllen der Laboranferoderung- Laborbote holt Blut- Labor bearbeitet - Laborbote bringt am nächsten Tag Laborergebnisse- Helferin legt Laborzettel auf den Schreibtisch
Definition der Kontrolle der Werte (wer, wann, wo, wie), ggf. abzeichnen.- Laborarzt kontrolliert- Labor ruft bei auffälligen Werten in der Arztpraxis an- Arzt liest eingehendes Labor und zeichnet es ab- Bei auffälligen Werten wird der Patient einbestellt
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