Heft 86 | Ausgabe 4 – November 2017 | ISSN 2509-5609 | Preis 12 Euro BAO Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO) Hygienemanagement Richtlinien, Gesetze und Verordnungen … Wer soll da den Überblick behalten ? Honorarabschluss Die freiberufliche Leistungsstruktur wird zunehmend behindert Notfallversorgung Das geplante dreistufige Konzept können Niedergelassene sich nicht leisten ! Im Ruhestand weltweit aktiv Senior Expert Service (SES) sucht Fachleute für Ambulantes Operieren
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BAO - WordPress.com · 2017. 11. 27. · gesellschaft (DKG) und die Bundesärztekammer (BÄK) klar dagegen ausgesprochen, europäische Normen im Gesundheitsdienstleistungs-bereich
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Heft 86 | Ausgabe 4 – November 2017 | ISSN 2509-5609 | Preis 12 Euro
BAO
Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
Hygienemanagement
Richtlinien, Gesetze und Verordnungen … Wer soll da den Überblick behalten ?
Honorarabschluss
Die freiberufliche
Leistungsstruktur wird
zunehmend behindert
Notfallversorgung
Das geplante dreistufige Konzept
können Niedergelassene sich
nicht leisten !
Im Ruhestand weltweit aktiv
Senior Expert Service (SES)
sucht Fachleute für
Ambulantes Operieren
1. UND 2. DEZEMBER 2017 IN BERLIN
3. FORUM AMBULANTES OPERIERENTagung zu Rahmenbedingungen und Strukturen
des ambulanten Operierens heute und morgen
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InhaltBerufspolitikLeitartikel BNC Honorarabschluss 2018, Notfallversorgung und der ganze Rest … 8Leitartikel BAO Freiberufliche Versorgungsstruktur wird zunehmend behindert 12Im Ruhestand weltweit aktiv Senior Experten Service (SES) sucht Fachleute für Ambulantes Operieren 14NARKA 2017 Bewährtes Kongress-Konzept an neuem Veranstaltungsort 16
RegionalAnsprechpartner Kontakt zu den Geschäftsstellen und Regionalverbänden von BNC und BAO 18Meldungen Aktuelle Nachrichten aus den ANC, den LAO, KVen und Landesärztekammern 19
ServicePraxisteam Mit Kommunikationsakten verbessern Sie den Informationsaustausch in Ihrer Praxis 24Aktuelles vom BNC-Justiziar LSG Sachsen stärkt Schutzvorschriften für Ärzte und Apotheker gegenüber Kliniken 26Aktuelles vom BAO-Justiziar Was macht eine Fachgesellschaft aus? Oder: Ist Lobbyismus eigentlich justiziabel? 28Arzthaftungsrecht Aus Fehlern lernen beim Ambulanten Operieren 30
MedizinHygiene Surveillance nosokomialer Infektionen und Antibiotikaverbrauch sowie -resistenzen 36Hygiene Vorgaben des IfSG von 2012 und Schnittstellen zu QM- und BG-Vorgaben 40Hygiene Erfahrungsbericht: Curriculare Weiterbildung Krankenhaushygiene 44Hygiene Evidenz aus Studien als Grundlage für informierte Entscheidungen 48
VerschiedenesEditorial Papier ist geduldig – die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind es nicht mehr 4Impressum Kontakt zu Herausgebern, Redaktion, Verlag, Grafik und Anzeigenabteilung 4Nachrichten Aktuelle Informationen aus Politik und Wissenschaft 5Termine Kongresse, Seminare und Workshops für die fachärztliche Weiterbildung 31Buchtipps Aktuelle Neuerscheinungen für Chirurgen, Operateure und Anästhesisten 32Industrie Nachrichten und Produktneuheiten unserer Partner aus der Industrie 34
4 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
EditorialPapier ist geduldig – die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind es nicht mehr
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
auch wenn die Bundestagswahl mittlerweile zwei Monate zurückliegt, ist eine arbeitsfähige
neue Regierung derzeit noch nicht in Sicht. Bei den Sondierungsgesprächen zwischen Christ-
demokraten, Grünen und Liberalen für eine mögliche „Jamaika-Koalition“ spielte die Gesundheits-
politik keine große Rolle; sie gilt auch nicht als einer der kriegsentscheidenden Schauplätze.
Dabei gilt es gerade in der Gesundheitspolitik für die unmittelbare Zukunft viele Weichen zu
stellen: Digitalisierung, Notfallversorgung, Ärztemangel, Medizinerausbildung und – last but not
least – Budgetierung sind nur einige der zentralen Baustellen, die es zu bearbeiten gilt. Die
niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte wissen das. Ihre Berufsverbände und Organe der Selbst-
verwaltung veröffentlichen in schöner Regelmäßigkeit Positions- und Strategiepapiere zu den
genannten Themen. Papier ist geduldig – die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind es
häufig nicht mehr. Zu lange schon werden sie von der Politik hingehalten, wird über ihre Köpfe
hinweg entschieden, werden Richtlinien und Vorschriften verschärft, ohne dass der für die Ein-
haltung dieser Vorgaben erforderliche Mehraufwand sich in der Vergütung widerspiegelt.
Doch es gibt Lichtblicke. Etwa das neue Vergütungsmodell zum Ambulanten Operieren in
Thüringen, wo die Techniker Krankenkasse endlich ernst macht mit dem Motto „gleiches Geld
für gleiche Leistung“, unabhängig davon, ob sie in einer ambulanten Einrichtung oder in einem
Krankenhaus erbracht wurde (siehe Seite 20). Ein Pilotprojekt, dem Erfolg und viele Nachahmer
in der gesamten Republik zu wünschen sind. Berufliche und private Lichtblicke wünschen wir
mit Blick auf die Weihnachtszeit und den Jahreswechsel auch unseren Leserinnen und Lesern.
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Antje Thiel
Redaktionsleitung
Impressum: Chirurgen Magazin + BAO Depesche
Offizielles Verbandsorgan des Berufsverbandes Niedergelas-sener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbandes Ambulantes Operieren (BAO). BNC-Mitglieder und BAO-Mitglieder erhalten das Magazin im Rahmen ihres Mitgliedsbeitrags.
Herausgeber und verantwortlich für den Inhalt:Berufsverband Niedergelassener Chirurgen Deutschland e. V.Dorfstraße 6 d, 22941 JersbekTelefon 04532 2687560, Fax 04532 [email protected], www.bncev.de
Bundesverband Ambulantes Operieren e. V. BAOJoachim-Karnatz-Allee 7, 10557 BerlinTelefon 030 31958413, Fax 030 [email protected], www.operieren.de
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Verbreitete Auflage:Das Chirurgen Magazin + BAO Depesche ist Mitglied der Infor-mationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW).7.280 Exemplare (IVW, Quartal 3.2017)
Erscheinungsweise: vier Ausgaben pro JahrBezugspreis: Jahresabonnement 48,00 Euroinklusive Versand und MwSt.
8 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
Ich kann jedem nur raten, in Zukunft seine Arbeit noch konse-
quenter nach betriebswirtschaftlichen Kriterien einzuteilen. Die Kos-
tenträger lassen uns keine andere Wahl, schließlich tragen wir alle
auch Verantwortung gegenüber unserem Betrieb und unseren Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern, die auch immer mehr für das bisschen
Geld leisten müssen.
Notfallversorgung wird zum Lieblingsthema der Politik
Ein weiteres und ernstzunehmendes Thema ist die sogenannte
„Notfallversorgung“. Der BNC hatte dazu in einem Spot an seine
Mitglieder Vorschläge unterbreitet. Wegen
mehrerer Rückfragen möchte ich dazu noch
Begründungen nachliefern. Die Notfallversor-
gung, de facto aber meist eher die sofort ver-
langte Spontanbehandlung, mausert sich seit
einiger Zeit neben dem „Wunderthema“ Digi-
talisierung mit zum wichtigsten Vorhaben der
meist fehlinformierten Politik.
Alle Beteiligten schieben sich gegenseitig
den schwarzen Peter zu. Die Politik kann natürlich gar nichts dafür:
Schließlich können Fehlsteuerungen wie eine über 25 Jahre alte Bedarfs-
planung, die massive Budgetierung der Leistungen, Regressgefahr für
die Kollegeninnen und Kollegen und die zum Teil schon konkretisierte
Landarztquote (!) nach einer Reduktion der Zahl der Studienplätze auf
das Niveau der 1990er Jahre nun wirklich nicht dafür herhalten, dass
das massiv gesteigerte Anspruchsverhalten der Bevölkerung bei jeg-
lichen Bagatellfällen nicht ausreichend schnell bedient werden kann!
Es geht mir nicht darum, Patienten zu beschimpfen. Es geht auch
nicht grundsätzlich um eine notwendige Notfallversorgung. Es geht mir
ausschließlich um den stetig zunehmenden Missbrauch der vorhande-
nen Bereitschaftsdienst- und Notfallstrukturen, die auf diesem Wege
zu einer ganz normalen „Regelversorgung rund um die Uhr“ umgewan-
delt werden. Durch dieses Verhalten werden auch professionell organi-
sierte Krankenhaus-Notfallambulanzen mehr und mehr an oder über
ihre Belastungsgrenzen gebracht. Echte Notfälle können schon allein
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Honorarabschluss 2018, festgelegt durch den Erweiterten Bewer-
tungsausschuss im Schiedsverfahren, also insbesondere auch mit der
Stimme von Prof. Jürgen Wasem, kann nur mit einem Wort charakteri-
siert werden: Desaster!
Alle Beteiligten sind sich darüber einig – außer natürlich die Kosten-
träger (und Prof. Wasem!). So sprach Johann-Magnus von Stackelberg
vom GKV-Spitzenverband sinngemäß von einem maßvollen Abschluss,
der die Interessen der Ärztinnen und Ärzte sowie der Versicherten
angemessen berücksichtige.
Honorarsteigerung bleibt unterhalb
der Inflationsrate
Mit einer Steigerung des Orientierungs-
punktwertes von 1,18 Prozent liegt das Delta
deutlich unterhalb der Inflationsrate, die im
September 2017 laut Statistischem Bundes-
amt bei 1,8 Prozent lag, was auch objektiv
diese Aussage des GKV-Spitzenverbands ad absurdum führt. Auf gut
Deutsch: 2018 gibt es einmal mehr de facto weniger Honorar, es wird
wieder einmal abgesenkt! Die übrigen „Mehrzahlungen“ gelten für
zusätzliche Leistungen, die nicht mit einer Erhöhung des Stundenlohns
(wie in allen anderen Branchen üblich) verwechselt werden sollte.
Aber mit dem garantierten Rückenwind durch die Politik kommt
man als sogenannter Kostenträger mit Ignoranz und Verantwortungs-
losigkeit für die Versorgung halt auch durch’s Leben – insbesondere,
wenn wachsende unvermeidbare Betriebsausgaben oder geänderte
gesetzliche Bedingungen ein Fremdwort sind und man selbst unisono
nur saubere Kleidung zu seiner eigenen „Arbeit“ mitzubringen hat. Was
sind da schon Betriebskosten?
Um es abzukürzen: Ich verstehe sehr gut die ernsthafte Absicht der
KBV, in Zukunft Gesamtverträge kassenspezifisch verhandeln zu wol-
len, um auch dahingehend den GKV-Spitzenverband endlich überflüs-
sig zu machen. Dies wäre eine längst überfällige Maßnahme.
Leitartikel BNC
Honorarabschluss 2018, Notfallversorgung und der ganze Rest …Der als „maßvoll“ deklarierte Honorarabschluss für das kommende Jahr wird Vertragsärztinnen und Vertrags-
ärzte teuer zu stehen kommen, denn er kompensiert nicht einmal die Inflationsrate. Allein deshalb können wir
uns zusätzliche Kosten, wie sie durch die geplante dreistufige Notfallversorgung drohen, nicht leisten.
Von Dr. Christoph Schüürmann
Berufspolitik
» Es geht mir nicht darum, Patienten zu beschimpfen. Es geht mir um den stetig zunehmenden Missbrauch der vorhandenen Bereitschaftsdienst- und Notfallstrukturen zu einer „Regelversor-gung rund um die Uhr“ «
» Es ist nicht Aufgabe von Krankenhaus-Notfallambulanzen, rund um die Uhr chronische oder Bagatellerkrankungen zu behandeln, nur weil ein Patient dies wünscht. Hier wird der Begriff der freien Arztwahl komplett missverstanden. «
Dr. Christoph Schüürmann
10 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
überhaupt kein Problem, aber wir Vertragsärztinnen und Vertragsärzte
wollen das nicht bezahlen!
Ob man die Prozentsätze nun etwas nach oben oder nach unten
korrigiert: Das ist meines Erachtens in vielen Fällen Missbrauch und
Geldverschwendung aus ganz anderen Motiven, allein auf unsere Kos-
ten, und das muss abgestellt werden!
Wenn die moderne „Notfallgesellschaft“ von heute nun unbedingt
diese neue und dritte „RundumdieUhrfürallesjedenundüberallsofort“-
Totalversorgung will und Politiker nur gewählt werden, wenn sie das
umsetzen, dann muss das auch durch die Gesellschaft selbst finanziert
werden und nicht durch die Vertragsärz-
teschaft! Denn schließlich hat eine sol-
che Totalversorgung mit den geltenden
„WANZ-Kriterien“, die im SGB V eindeutig
geschrieben stehen, nichts mehr zu tun.
Zur Erinnerung: § 12 SGB V
Wirtschaftlichkeitsgebot
(1) Die Leistungen müssen ausrei-
chend, zweckmäßig und wirtschaftlich
sein; sie dürfen das Maß des Notwen-
digen nicht überschreiten. Leistungen, die
nicht notwendig oder unwirtschaftlich
sind, können Versicherte nicht beanspru-
chen, dürfen die Leistungserbringer nicht
bewirken und die Krankenkassen nicht
bewilligen. Und da werden wir auch nicht
mehr nachgeben! Wenn das Drei-Stufen-
Konzept ungebremst mit uns als unfrei-
willigen Zahlmeistern kommt, werden bis
zu weitere 20 Prozent unserer bisherigen
Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung
(MGV) dafür draufgehen.
Die bereits bekannten Begriffe oder Vorgänge wie Portal- und Part-
nerpraxen sowie ÄBD-Zentralen im Krankenhaus und die bereits
eingeleiteten oder fertiggestellten Reformen des Ärztlichen Bereit-
schaftstdienstes in vielen Bundesländern werden aktuell ergänzt durch
neue Begriffe wie „Integrierte Notfallversorgung“ oder „Integrierte Not-
fallzentren“ in je nach Sichtweise unterschiedlichen Modellen eines
sogenannten „Ein-Tresen-Prinzips“ mit Zusammenführung der Ruf-
nummern 112 und 116117.
Die KBV und der Marburger Bund haben ein gemeinsames Konzept
vorgelegt. Der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen sieht die
Leitung des Tresens, beim dem sich alle Patienten vorzustellen haben
und anschließend triagiert und der passenden Versorgungsebene zuge-
wiesen werden sollen, bei erfahrenen KV-Ärzten. Dies wiederum ruft
natürlich sofort unter anderem die Deutsche Krankenhausgesellschaft
(DKG) und die Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und
Notfallmedizin mit massiver Kritik auf den Plan. Sie argumentieren
sinngemäß, für die Notfallbehandlung seien grundsätzlich erfahrene
Notfallmediziner notwendig, die Krankenhäuser müssten entsprechend
die Oberhand behalten. Sie sehen, wo die Reise derzeit wieder hingeht.
Auch der GKV-Spitzenverband ist gegen die Federführung der inte-
grierten Notfallzentralen (INZ) durch die KVen. Es gibt aber auch andere
Stimmen, die eine gemeinsame Leitung des Tresens durch Kranken-
haus- und KV-Ärzte fordern.
Uns aber betreffen – unabhängig von der Herkunft der Konzepte –
die Vorschläge auch, und zwar direkt. Da ist einmal ernsthaft von
zusätzlichen Öffnungszeiten der Praxen abends und an Wochenenden
die Rede, auch von der Ausdehnung des ÄBD auf 24 Stunden und sieben
Tage pro Woche, weiter von Portalpraxen
oder Notfallzentralen, die durchgängig
besetzt werden sollen. Da muss die Frage
erlaubt sein, mit welchen Ärztinnen und
Ärzten dies angesichts einer antiken und
rein historischen Bedarfsplanung von
1990 gelingen soll – und welche Budgets
dafür aufgehoben werden. Dazu muss
man gar keine großartige Meinung mit
heruntergerückter Brille entwickeln,
da reicht ein Refresherkurs in den vier
Grundrechenarten für die Klärung der
Frage, ob das geht.
Jeder Vertragsarzt, jeder ermächtigte
Arzt und auch jeder ärztlich tätige Privat-
arzt ist zur Teilnahme am ÄBD verpflich-
tet. Und nun besteht bei Kenntnis aller
notwendigen Benchmarks eigentlich für
uns nur noch die Frage, mit welchem
Aufwand wieviele Spontan-Patienten in
die richtige Versorgungsebene umgelei-
tet werden können, was sicher nicht die
Lösung für alles ist. In Hessen beispiels-
weise kommt in jede Notfallambulanz pro Stunde etwa ein Patient bzw.
eine Patientin.
Daher rühren meine Vorschläge im Spot, die übrigens ganz verschie-
dene Reaktionen ausgelöst haben. Ich freue mich sehr über bessere
Vorschläge, die mit noch weniger Umstellung des üblichen Praxisab-
laufs ebenso wirksam sind. Aber eines ist sicher: Es ist kein voraus-
eilender Gehorsam, es sprengt auch nicht die unerträglichen Budget-
ketten, es führt jedoch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht
in eine Fallzahlabstaffelung, es ist ausschließlich darauf ausgerichtet,
Schlimmeres zu verhindern.
Unverzichtbar ist, dass wir diese in der Praxis ankommenden Spon-
tanpatienten vorsorglich durch Sonderziffern kennzeichnen können.
Diese Morbiditätserhöhung muss auch nachweislich gesondert doku-
mentiert werden können. É
Mit den besten kollegialen Grüßen
Dr. Christoph Schüürmann
Berufspolitik
Foto
: Pix
abay
Welche Rolle spielt der Vertragsarzt, wenn das dreistufige
Konzept der Notfallbehandlung sich tatsächlich durchsetzt?
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14 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
allen offen steht, die ihre professionelle Erfahrung und ihr Fachwissen
an andere weitergeben möchten: das ehrenamtliche Engagement als
Expertin oder Experte des Senior Experten Service, kurz SES.
12.000 Ehrenamtliche sind bereit, Einsätze zu übernehmen
Der SES ist die größte deutsche Entsendeorganisation für ehrenamt-
liche Fach- und Führungskräfte im Ruhestand oder einer beruflichen
Auszeit. Seit über 30 Jahren fördert der SES den Wissenstransfer von der
älteren an die jüngere Generation – rund um den Globus und in allen
Branchen. Anfang 2017 hat er den Weltdienst 30+ ins Leben gerufen
und entsendet seither auch Berufstätige.
Zurzeit sind beim SES mehr als 12.000 Expertinnen und Experten
aus allen beruflichen Richtungen registriert und bereit, ehrenamtliche
Einsätze zu übernehmen. Aufwarten kann der SES mit Basis- und Spe-
zialwissen aus Handwerk und Technik, Handel und Industrie, Dienst-
leistung und Vertrieb, Bildung und Wissenschaft, Verwaltung und
öffentlichem Dienst.
Im Bereich der Medizin allgemein und insbesondere der niederge-
lassenen Chirurgie ist der SES dringend auf Expertennachwuchs ange-
wiesen. Immer häufiger wird Wissen aus diesen Gebieten nachgefragt
Er kommt. Der Tag, an dem die Nachfolge geregelt, die Praxis über-
geben und der Arbeitsplatz geräumt ist. Dann beginnt der Ruhestand.
Und dann? Dann heißt es, frei verfügbare Zeit zu gestalten. Manch
einer wird reisen, der andere Rosen züchten, sein Klavierspiel, seine
Rückhand oder auch sein Handicap verbessern. Der eine ist froh, dass
er Praxis, Klinik oder Labor nur noch von außen sieht, der andere
bedauert es und freut sich, hin und wieder eine Urlaubsvertretung
übernehmen zu können.
Jeder wird den sogenannten dritten Lebensabschnitt anders ver-
bringen. Es gibt eine Möglichkeit der nachberuflichen Betätigung, die
Im Ruhestand weltweit aktiv
Senior Experten Service (SES) sucht Fachleute für Ambulantes OperierenDer SES ist die größte deutsche Entsendeorganisation für ehrenamtliche Fachkräfte im Ruhestand oder in einer
beruflichen Auszeit. Insbesondere beim Ambulanten Operieren ist der SES dringend auf Expertennachwuchs
angewiesen. Immer häufiger wird er hier um die Entsendung spezialisierter Ärztinnen und Ärzte gebeten.
Von Dr. Elisabeth Sümmermann
Berufspolitik
Senior Experten Service: Fachwissen aus über 50 Branchen
Der SES – die Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusam-
menarbeit – ist die führende deutsche Entsendeorganisation für ehrenamt-
liche Fach- und Führungskräfte im Ruhestand oder einer beruflichen Auszeit
(Weltdienst 30+). Der SES hat seinen Sitz in Bonn. Er wird bundesweit von
15 Büros und international von 180 Repräsentantinnen und Repräsentanten
in 90 Ländern vertreten.
Zurzeit sind beim SES mehr als 12.000 Expertinnen und Experten registriert.
Sie bringen das Fachwissen aus über 50 Branchen mit. Ihr Durchschnittsalter
liegt bei 69 Jahren, der Frauenanteil bei 18 Prozent. Seit seiner Gründung im
Jahr 1983 hat der SES mehr als 42.000 ehrenamtliche Einsätze in 160 Ländern
durchgeführt, etwa ein Viertel davon in Deutschland.
Träger des SES sind die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft: der
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche Industrie- und Handels-
kammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Finanzielle Unterstützung erhält der SES von der öffentlichen und der
privaten Hand: vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (BMZ), vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF), aus der Wirtschaft und von vielen unternehmensnahen Stiftungen.
Kontakt:
Senior Experten Service (SES)
Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit
Die Landesärztekammer Baden-Württemberg hat bundesweit erstmals
die ausschließliche Fernbehandlung von Privatversicherten geneh-
migt. Wie die Kammer Ende Oktober 2017 mitteilte, wird das auf zwei
Jahre angelegte Modellprojekt von dem in München ansässigen Unter-
nehmen Teleclinic GmbH gemeinsam mit zwei privaten Kranken-
versicherungen getragen und soll im ganzen Südwesten starten. Ein
sogenannter „verantwortlicher Arzt“ soll dabei als Mitglied der Landes-
ärztekammer Baden-Württemberg die gewissenhafte Einhaltung des
berufsrechtlichen Rahmens gemäß der ärztlichen Berufsordnung
sowie Patientensicherheit und Datenschutz garantieren.
Vorangegangen war eine entsprechende Änderung eben dieser
Berufsordnung der Landesärztekammer. Deren Präsident, Dr. Ulrich
Clever, betonte: „Nach intensiven Vorarbeiten sind wir nun die erste
ärztliche Körperschaft in der Bundesrepublik, die Ärzten die aus-
schließliche Fernbehandlung im Rahmen von Modellprojekten erlaubt,
und wir betreten damit Neuland in Deutschland. In Baden-Württem-
berg wird das möglich, was außerhalb Deutschlands längst tägliche
Routine und zukünftig nicht mehr aufzuhalten ist: Arzt und Patient
können sich beispielsweise am Telefon oder via Handy-App begegnen,
und der Arzt darf eine individuelle Diagnose stellen und die Therapie
einleiten.“ Die ärztliche Berufsordnung hatte bislang die ausschließ-
liche Behandlung über Kommunikationsnetze untersagt. (Video-) Tele-
fonie durfte immer nur mit Bestandspatienten erfolgen.
Dr. Clever erklärte weiter: „Der diesjährige Deutsche Ärztetag hat die
baden-württembergische Innovation sehr positiv aufgenommen und
will sie sich zum Vorbild nehmen. Denn wir prüfen jeden einzelnen
Modellantrag sehr kritisch, damit unter anderem Patientensicherheit
und Datenschutz gewährleistet sind. Die Behandlung in einem von uns
genehmigten Modellprojekt darf ausschließlich durch unsere Kam-
mermitglieder – Ärztinnen und Ärzte aus Baden-Württemberg – vorge-
nommen werden – nicht etwa durch im Ausland ansässige und tätige
Ärzte.“ Weitere Anträge auf Modellprojekte seien bereits in der Pipeline,
unter anderem auch für gesetzlich Krankenversicherte, ergänzte der
Kammerpräsident: „Wir gehen davon aus, dass ein erster diesbezüg-
licher Antrag bald entscheidungsreif vorliegend wird.“
Eine begleitende wissenschaftliche Evaluation werde kontinuier-
lich überprüfen, ob den Patienten auch bei der ausschließlichen Fern-
behandlung die gleiche Qualität und Expertise wie in der Arztpraxis
oder im Krankenhaus geboten werde. Wann immer die Behandlung
auf Distanz im Einzelfall unmöglich sei, werde auf entsprechende
regionale Experten und Behandlungsangebote verwiesen. Lebens-
bedrohliche Notfälle würden immer sofort an die Rettungsleitstelle
weitergegeben.
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Niedersachsen
Ärztekammer fordert neue Landesregierung auf, gegen Ärztemangel vorzugehen
„Um die ärztliche Versorgung in Niedersachsen langfristig zu sichern,
fordere ich die im Landtag vertretenen Parteien dazu auf, dem drohen-
den Ärztemangel konsequent entgegenzusteuern!“ Mit diesen Worten
appellierte Dr. Martina Wenker, Präsidentin der
Ärztekammer Niedersachsen, Ende Oktober an die
neugewählte Landesregierung. In einigen länd-
lichen Regionen des Landes mangele es bereits
heute spürbar an Fachärzten.
„Ich halte es für dringend erforderlich, dass die
Politik rasch die Voraussetzungen dafür schafft,
die Zahl der Medizinstudienplätze an allen deut-
schen Hochschulen wieder deutlich zu erhöhen,
nachdem diese in den vergangenen 25 Jahren bun-
desweit von 16.000 auf 9.000 verringert worden ist.
Wir benötigen 1.000 neue Medizinstudienplätze
deutschlandweit, an den niedersächsischen Hoch-
schulen mindestens 100“, forderte die Kammer-
präsidentin mit Blick auf die laufenden Koalitions-
verhandlungen in Hannover und Berlin. Vor dem
Hintergrund des Anstiegs der Zahl ausländischer Ärzte in Niedersach-
sen von 3.282 im Jahr 2013 auf 4.327 im Jahr 2016 warnte Dr. Wenker
aber auch davor, die ärztliche Versorgung zu sehr auf Einwanderer zu
stützen: „Diese Ärzte fehlen dann für die ärztliche
Versorgung in den Herkunftsländern – wie zum
Beispiel in Rumänien, Bulgarien, der Ukraine oder
Griechenland.“
Angesichts der bevorstehenden Pensionierungs-
welle der geburtenstarken Jahrgänge in den kom-
menden zehn bis 15 Jahren erreiche der Ärzteman-
gel bald eine problematische Dimension: „Auf der
einen Seite kommen auch viele aktive Ärzte in das
Rentenalter, und auf der anderen Seite steigt der
Versorgungsbedarf, weil ältere Menschen bekannt-
lich mehr medizinische Unterstützung benötigen.
Die künftige Landesregierung trägt Verantwortung
und muss jetzt handeln“, betonte Dr. Wenker.
Kontakt: www.aekn.de
Foto
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K N
iede
rsac
hsen
Warnt davor, sich bei der ärztlichen
Versorgung zu sehr auf Einwanderer
zu stützen: die Präsidentin der LÄK
Niedersachsen, Dr. Martina Wenker
22 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
Regional
Hamburg
55 Prozent der Patienten in Notaufnahmen ohne dringliche Beschwerden
Wenn immer mehr Patienten nicht mit Blaulicht in die Notaufnahme
gebracht werden, sondern vereinzelt sogar mit dem Fahrrad angera-
delt kommen, dann läuft etwas falsch im Gesundheitswesen. Und so
diskutieren Gesundheitspolitiker und Standesvertreter in letzter Zeit
immer häufiger über mögliche Strategien zur Patientensteuerung. Wer
im Zuge dieses Diskurses allerdings bislang nicht befragt wurde, waren
die Patienten selbst.
Die Studie „Patientinnen und Patienten in Notaufnahmen“ (PINO)
liefert nun erstmals umfangreiche Daten zur Motivation und zur
Selbsteinschätzung von Patienten, die Notaufnahmen aufsuchen. Hier-
für wurden über einen Zeitraum von acht Monaten zwischen Oktober
2015 und Juli 2016 in drei Krankenhäusern in Hamburg sowie in zwei
Kliniken in Schleswig-Holstein insgesamt 1.299 Patienten in ausführ-
lichen Interviews befragt. Ziel war es herauszufinden, wer die Notauf-
nahme aus welchen Gründen aufsucht und wie dringlich er diesen
Besuch selbst einschätzt.
Die zentrale Erkenntnis, zu der Studienleiter Prof. Martin Scherer
vom Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) dabei gelangt
ist: Nur gut 45 Prozent der im Rahmen der PINO-Studie befragten
Patienten hielten ihre Beschwerden selbst für wirklich dringlich. Diese
Selbsteinschätzung stimmt auch längst nicht immer mit der Einschät-
zung des Pflegepersonals überein – der Anteil echter Notfälle ist also
eigentlich noch geringer.
Auch weitere Zahlen geben Anlass zur Sorge: So kannte nicht
einmal ein Drittel der Patienten den fahrenden Notdienst der Kas-
senärztlichen Vereinigung (KV), der bundesweit unter der Nummer
116 117 zu erreichen ist. Mehr als die Hälfte wussten nicht Bescheid
über die nächstgelegene Notfallpraxis. Gut ein Viertel gab an, dass
sie die Notaufnahme aufsuchen, weil keine Hausarztpraxis geöffnet
habe.
Prof. Scherer schließt aus den Daten, dass hinter der Inanspruch-
nahme der Notaufnahme im Krankenhaus „ein Potpourri individueller
Beweggründe und Erwartungen“ steckt: „Da gibt es zum einen eine
gewisse Affinität zum Krankenhaus an sich. Patienten glauben, dort gut
versorgt zu werden, weil immer jemand da ist und alle Fachrichtungen
vertreten sind – selbst wenn man dafür ein paar Stunden Wartezeit in
Kauf nehmen muss.“
Zum anderen offenbart die PINO-Studie aus seiner Sicht eine
erschreckend geringe Gesundheitskompetenz der Patienten – und
zwar sowohl was die Einschätzung ihrer eigenen Symptome als auch
die Kenntnis des ambulanten Versorgungsangebots angeht: „Viele
Menschen wissen ganz einfach nicht, mit welchen Beschwerden man
wann wo hingehen sollte“, erklärt Prof. Scherer.
Manche Gesundheitspolitiker oder Standesvertreter glauben,
dass Patienten sich im Grunde nicht umerziehen oder steuern las-
sen. Andere würden angesichts der offensichtlichen Fehlsteuerung
in Notaufnahmen am liebsten eine Eigenbeteiligung bzw. Gebühr für
Patienten einführen. Prof. Scherer allerdings hält das Problem für eine
gesellschaftspolitische Frage: „Wollen wir die freie Arztwahl erhalten
oder wollen wir Patienten ganz gezielt steuern?“
Er selbst setzt auf Kommunikation und Gesundheitserziehung,
selbst wenn es sich dabei um ein Generationenprojekt handelt: „Pati-
enten müssen ein besseres Bewusstsein für ihren eigenen Körper und
seine Symptome entwickeln. Außerdem brauchen wir ein Erwartungs-
management im Gesundheitswesen, auch wenn das eigentlich ein
Business-Begriff ist. Wenn Patienten klar ist, welche Versorgung sie
an welcher Stelle realistischerweise vom Gesundheitswesen erwarten
dürfen, dann ist das ein sanfterer Weg als gleich die freie Arztwahl ein-
zuschränken“, meint Prof. Scherer.
Den langen, aber möglicherweise nachhaltigeren Weg der Kommu-
nikation unterstützen auch die KV-Chefs aus Hamburg und Schleswig-
Holstein. Sie wollen die Nummer des kassenärztlichen Notdienstes
116 117 bekannter machen und die Bevölkerung intensiver als bisher
darüber informieren, welche Erkrankungen in der Regel ambulant
behandelt werden.
Entlastung der Notaufnahmen: Gesundheitskompetenz stärken, Versorgungsstrukturen erklären, Patienten steuern
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Marburger Bund
haben Mitte September 2017 ein gemeinsames Konzeptpapier zur integra-
tiven Notfallversorgung vorgestellt. Sie setzen auf die Einrichtung gemein-
samer medizinischer Anlaufstellen durch die Vertrags- und Krankenhausärzte-
schaft grundsätzlich am Krankenhaus, auf die (IT-technische) Vernetzung
beider Strukturen, auf ein einheitliches System zur Ersteinschätzung an
allen primären Anlaufstellen, die zudem telefonisch vernetzt werden, auf die
Koordination der über die unmittelbare Notfallbehandlung hinausgehenden
Versorgung und auf die Sicherstellung der erforderlichen Teilnahme am ver-
Einer Studie der Universität Bielefeld aus dem Jahre 2016 zufolge hat mehr
als die Hälfte der Menschen in Deutschland erhebliche Mühe, sich in der stän-
dig anwachsenden Fülle an Gesundheitsinformationen zurechtzufinden und
Entscheidungen für die eigene Gesundheit zu treffen. Dem wollen die Univer-
sität Bielefeld, der AOK-Bundesverband und die Hertie-School of Governance
mit einem „Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz“ entgegenwirken.
www.tinyurl.com/Studie-Gesundheitskompetenz
Das Anfang September 2017 vorgestellte Gutachten des Aqua-Instituts
schlägt vor, dass spezialisierte Pflegekräfte in den Notaufnahmen eine Erstein-
schätzung von Notfallpatienten vornehmen sollen. Daneben soll es unter der
Nummer 116 117 eine telefonische Erstberatung geben, die Patienten bei
Bedarf an die diensthabende Bereitschaftspraxis oder an die Notrufnummer
112 weitervermitteln kann. www.tinyurl.com/Aqua-Institut
Der Sachverständigenrat Gesundheit arbeitet derzeit an einem Gutachten
zur bedarfsgerechten Steuerung des Angebots und der Inanspruchnahme von
Gesundheitsleistungen. Ein wichtiger Teilbereich hiervon wird die Notfallver-
sorgung (Optionen zur Veränderung der Struktur, Organisation und Finanzie-
rung) sein. Hierbei wird ersten Angaben zufolge u. a. die Zusammenlegung
der Notfallnummern 112 und 116 117 befürwortet. Die Veröffentlichung des
Gutachtens ist für Frühjahr 2018 geplant. www.svr-gesundheit.de
Regional
Laut der Bonner Venenstudie1 leiden bis zu 60% der erwachsenen
Be völ kerung an Besenreisern oder retikulären Varizen. Als Therapie-
methode der ersten Wahl gilt laut Leitlinie2 die [Mikro-Sklerotherapie].
In ca. 15 Minuten können Besenreiser und retikuläre Varizen durch
Injektionen ausgeschaltet werden. Die [Mikro-Sklerotherapie] bietet
ein interessantes Potenzial für Ihre Praxis oder Klinik – und das ohne
hohe Investitionen für Therapiegeräte.
Gerne unterstützen wir Sie und Ihre Patienten mit unseren Ratgebern
und weiterem Servicematerial. Weitere Informationen fi nden Sie unter
www.kreussler-pharma.de.
1 Rabe et al. Bonner Venenstudie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie. Phlebologie 2003;32:1-142 Rabe et al. Leitlinie: Sklerosierungsbehandlung der Varikose; www.phlebology.de/leitlinien-der-dgp-mainmenu2 Rabe et al. Leitlinie: Sklerosierungsbehandlung der Varikose; www.phlebology.de/leitlinien-der-dgp-mainmenu
werde im STABS bislang nicht berücksichtigt, könne aber durch einen
Aufschlag von etwa 15 Prozent geleistet werden, der zugleich als Inves-
titionszulage fungieren würde.
Weitere Informationen: www.tinyurl.com/Fachtagung-KVNO
24 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
Die eine oder andere Situation kommt Ihnen doch bekannt vor?
Dann wird es Zeit für den Patienten Norbert Neues. Und wenn Sie es
detailgenau mögen, für Dora Dringlich, Theo Team und Zacharias Ziffer.
Patientenakten mit fiktiven Namen
Norbert, Dora, Theo und Zacharias sind fiktive Patienten mit eige-
nen Patientenakten, über deren „Zustand“ sich alle Teammitglieder zu
Dienstbeginn informieren müssen.
Manchmal gehen Details im Informationsfluss der Praxis verloren,
weil sich zwar alle im Chaos einigermaßen zurechtfinden, die Über-
gabe aber nicht geregelt ist. Nutzen auch Sie die in vielen Praxen
bereits bewährte Teamarbeit mit Kommunikationsakten – und die
Übergabe gelingt.
Der Informationsfluss in Ihrer Praxis funktioniert immer reibungs-
los? Dann kennen Sie folgende Situationen aus Ihrem Arbeitsalltag
vermutlich nicht:
Ihre Teilzeitkraft, die wie immer am Mittwoch kommt, soll eigent-
lich sofort über die Ergebnisse der kurzfristig anberaumten Team-
besprechung vom Montag informiert werden. Nur: Wer hat für diese
Übergabe Zeit?
Während Sie dienstfrei hatten, wurde in der Praxis eine neue Pau-
senregelung beschlossen. Und auch im DMP, das Sie betreuen, gab es
Änderungen. Nur: Wo finden Sie diese Änderungen dokumentiert?
Für die Abrechnung gelten neue Ziffern. Wodurch erfahren Sie nach
Ihrem Urlaub davon?
}
}
}
Praxisteam
Mit Kommunikationsakten verbessern Sie den Informationsaustausch in Ihrer PraxisWie kommunizieren Sie in Ihrer Praxis? Auf standardisierten Wegen? Sie verfügen also jederzeit über alle
Informationen zu Patientendaten, zu Änderungen in der Praxisorganisation, zu neuen Ziffern, Vorschriften und
Regeln, um ihre Arbeit richtig und gut zu machen? Oder stockt der Informationsfluss in Ihrer Praxis?
Legen Sie in Ihrer Praxissoftware fiktive Patienten mit sprechenden
Namen als Kommunikationsakten an und notieren Sie darin wich-
tige Informationen und Hinweise für Ihre Kolleginnen. Im Unter-
schied zu handschriftlichen Zetteln oder To-do-Listen können diese
Akten nicht verlorengehen.
Unter Norbert Neues hinterlegen Sie oder Ihre Kolleginnen immer
sofort Änderungen medizinischer Vorgaben und Richtlinien sowie
Handlungsanweisungen für Ihre tägliche Arbeit, zum Beispiel: Stuhl-
test nur noch mit iFOBT-Verfahren statt Hämoccult; Herrn Übelhör
immer direkt zum Chef durchstellen etc.
Dora Dringlich enthält wichtige Informationen wie: Praxisbegehung
am Freitag; der Ehemann von Frau Schmidt ist am Montag verstor-
ben; korrigiertes Heilmittelrezept von Frau Schön an Massagepra-
xis Seiler schicken; Frau Bolz anrufen, sobald ihr Kurantrag unter-
schrieben ist; Macumar-Ausweis von Herrn Maier an das Altenheim
faxen etc.
Mittels Theo Team informieren Sie sich über Team-Interna: Annika
und Günel haben die Schicht getauscht; Martina hat am Mittwoch
einen Zahnarzttermin und kommt zwei Stunden später; Beate
bringt am Freitag einen Kuchen mit etc.
Zacharias Ziffer schließlich kennt sich aus mit geänderten Ziffern
und Abrechnungsvorschriften aus EBM und GOÄ.
Wichtig: Legen Sie nur wenige Akten für die Kommunikation an.
Nutzen Sie die fiktiven Patienten niemals zum Üben von Einga-
ben und tragen Sie keine Ziffern ein. Und falls Sie fiktive Patienten
nicht mögen: Es gibt auch Praxissoftware mit To-do-Listen für das
Personal.
Jede Kollegin weiß Bescheid
Künftig genügt morgens ein kurzer Blick in die Patientenakten, und
jedes Teammitglied ist umfassend informiert. Am Start eines neuen
Praxistages heißt es daher:
Umziehen,
Desinfizieren,
Kommunikationsakten anschauen,
Mit Kürzel, Datum und Uhrzeichen abzeichnen.
Sorgfältige Pflege jeder Akte
Nicht nur die internen Kommunikationsakten müssen aktuell sein –
Ihre gesamte Patientendatei lebt von gewissenhafter, sorgfältiger Pflege.
Folgende Punkte sollten dabei nicht vergessen werden:
Überprüfen Sie tagesaktuell die medizinische Dokumentation des
Arztes: Hat er alle Untersuchungen, Befunde, Verordnungen und
Rezepte vollständig eingetragen?
Denken Sie daran, auch mitgegebene Medikamente aus den Bestän-
den Ihrer Praxis sofort sauber in der Patientenakte zu dokumentie-
ren. Achten Sie also auch darauf, ob Ihr Chef ein Medikament über
den Tresen reicht. Lassen Sie es sich dann kurz geben, damit Sie den
Namen und die Dosierungsanweisung in der Akte des Patienten
notieren können. É
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}
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}
}
}
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Service
Fortbildung: Termine für das Praxisteam
2. Dezember 2017, Hamburg Impfkurs: Basiswissen SchutzimpfungenInhalte u. a.: Basiswissen Immunsystem, Prävention von Infektionskrankheiten, Ständige Impfkommission (STIKO), aktuelle Empfehlungen, Aufklärung und Dokumentation, Basiswissen Impfstoffe (Handhabung, Anwendung, altersge-mäßer Einsatz)Information und Anmeldung:Fortbildungsakademie der Ärztekammer Hamburg, Höbke PrielippRegina Schwieger-Weinreis und Marina StechWeidestraße 122 b, 22083 Hamburg, Tel.: 040 202299-250, [email protected]
2. Dezember 2017, Berlin Sachkundenachweis „Sichere Probengewinnung von Blut und Blutbestandteilen“Inhalte: Grundlagen, venöse und kapillare Blutentnahme, QM, RiliBÄk, KRINKOInformation und Anmeldung:Bildungswerk für Gesundheitsberufe, Andrea FolwerkTel.: 0561 2086-4815, [email protected]
6. Dezember 2017, Hamburg SprechstundenbedarfInhalte u. a.: Rechtliche Grundlagen, Grundausstattung und Ersatzbeschaf-fung, Wirtschaftlichkeitsgebot, richtige Verordnung, Prüfungsarten, praktische ÜbungenInformation und Anmeldung:Fortbildungsakademie der Ärztekammer Hamburg, Höbke PrielippRegina Schwieger-Weinreis und Marina StechWeidestraße 122 b, 22083 Hamburg, Tel.: 040 202299-250, [email protected]
6. Dezember 2017, Rostock Neuer Gehalts- und Manteltarifvertrag für Medizinische FachangestellteInhalte: Veränderungen ab 1. Januar 2018, Chancen der Tätigkeitsgruppen im Gehaltstarifvertrag auch ohne direkte TarifbindungInformation und Anmeldung:Verband medizinischer Fachberufe e. V., Landesverband NordAnett Haack, Tel.: 0151 21063348, [email protected]
27. Januar 2018, Stuttgart 25. Tag der Medizinischen FachangestelltenInhalte: Potenziale der Tarifverträge für Medizinische Fachangestellte kennen und optimal nutzen, Einarbeitung leicht gemachtInformation und Anmeldung:Verband medizinischer Fachberufe e. V., Landesverband SüdStefanie Teifel, Tel.: 07936 990954-0, [email protected]
24. Februar 2018, Nürnberg Tag der Medizinischen Fachangestellten im Rahmen des Bundeskongress ChirurgieInhalte: Grundlagen der modernen Wundversorgung, Wundreinigung, Wund-auflagen, Verbandtechniken, Abrechnung von Verbänden und Wundversor-gung nach GOÄ, Hygienemanagement in der Praxis Information und Anmeldung:MCN Medizinische Congressorganisation Nürnberg AGMiriam Quanz, Tel.: 0911 39316-39, Fax: 0911 39316-20 [email protected]
3. bis 24. März 2018, Stuttgart20. April bis 9. Juni 2018, Köln Fachzertifikat – Ambulantes Operieren für Medizinische Fachangestellte und Medizinisches AssistenzpersonalInhalte: Auf Basis des Curriculums der Bundesärztekammer. Gesamtdauer 60 Stunden. Information und Anmeldung:Bildungswerk für Gesundheitsberufe, Anne GerlachTel.: 0561 2086-4815, [email protected]
26 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
Weder das Sozialgericht noch das Sächsische Landessozialgericht
haben diese Argumentation gelten lassen. In einer Mitteilung des LSG
hierzu heißt es: „Wurde ein Versicherter in einem Krankenhaus statio-
när behandelt, obwohl dies nicht im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V
erforderlich war, weil eine ambulante Krankenbehandlung ausgereicht
hätte, steht dem Krankenhausträger weder ein Vergütungsanspruch
nach dem DRG-Fallpauschalensystem noch ein bereicherungsrecht-
licher Anspruch zu.“
Ambulante Versorgung ist vorrangig zu nutzen
Dies gelte auch dann, wenn die ambulante Behandlung für die Kran-
kenkasse höhere Kosten als die stationäre Krankenhausbehandlung
verursacht hätte. Nach der Konzeption des Gesetzgebers sei die ambu-
lante vertragsärztliche Versorgung vorrangig
zu nutzen. Es handele sich daher um eine Fehl-
belegung, weil die vollstationäre Krankenhaus-
behandlung nicht erforderlich gewesen sei.
Das LSG betonte, die Beurteilung dieser Frage
richte sich allein nach medizinischen Erforder-
nissen. Solche medizinischen Gründe lagen in
den entschiedenen Fällen nach Auffassung des
Gerichts nicht vor. Hinzu kommt, dass die öffent-
lichen Apotheken bei der Abgabe von Medika-
menten an die vorgegebenen Preise gebunden
sind. Diese gesetzliche Vorgabe könnte durch die
Kostenvorteile der Krankenhausapotheke unter-
laufen werden.
Fehlbelegungsprüfungen binden
viele Ressourcen
Rechtsstreitigkeiten wie die in Sachsen ver-
handelten sind keine Einzelfälle. Fehlbelegungs-
prüfungen durch den Medizinischen Dienst der
Krankenkassen (MDK) überschreiten teilweise
schon 50 Prozent der Fallzahl onkologischer
Krankenkassen müssen die Kosten stationärer Behandlungen nicht
bezahlen, wenn die Patienten statt im Krankenhaus ebenso gut ambu-
lant behandelt werden können. Das hat das Sächsische Landessozial-
gerichts (LSG) in mehreren Urteilen in zweiter Instanz entschieden
(Aktenzeichen L 1 KR 244/16, 233/16, 257/16, 23/17, 49/17 und 50/17
vom 30. Mai 2017).
Das Krankenhaus hatte gegen die Entscheidung der Krankenkasse
beim Sozialgericht Klage erhoben. Es argumentierte, es sei nicht abzu-
sehen gewesen, dass die Chemotherapie komplikationslos verlaufen
werde. Außerdem sei die Therapie als stationäre Behandlung günstiger
als eine ambulante Behandlung. Die Medikamente über Apotheken zu
beziehen, würde höhere Kosten verursachen.
Aktuelles zum Arztrecht vom BNC-Justiziar
LSG Sachsen stärkt Schutzvorschriften für Ärzte und Apotheker gegenüber KlinikenSelbst wenn eine ambulante Versorgung im vertragsärztlichen Sektor die Krankenkasse im Einzelfall teurer
zu stehen kommt als eine stationäre Versorgung, gilt dennoch der Leitsatz „ambulant vor stationär“, wie das
Landessozialgericht Sachsen klargestellt hat. Für vertragsärztliche Berufsverbände ein wichtiges Urteil.
Service
Von Jörg Hohmann
Foto
: Wik
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Die ambulante vertragsärztliche Versorgung ist gegenüber der stationären Versorgung im Krankenhaus
vorrangig zu nutzen. Dies hat das LSG Sachsen in Bezug auf die Chemotherapie entschieden
Zugleich solle „der fachliche Diskurs und die in den beschlussbegrün-
den- den Unterlagen des G-BA zu dokumentierende Auseinanderset-
zung mit den Stellungnahmen (…) der Transparenz, dem Verständnis
und der Akzeptanz der Entscheidungen“ dienen.
Primär wissenschaftliche Zielsetzung ist entscheidend
Zu Recht mache der G-BA daher – so das Gericht – die Aufnahme
von Organisationen in den Kreis der stellungnahmeberechtigten wis-
senschaftlichen Fachverbände abhängig von einer in erster Linie und
schwerpunktmäßig wissenschaftlichen Ausrichtung der jeweiligen
Organisation, ausgewiesen durch Regelungen in der Satzung und
weitere spezifische Voraussetzungen. Der Nachdruck auf die „primär
wissenschaftliche Zielsetzung“ ermöglicht eine Abgrenzung zu im
Gesundheitswesen ebenso anzutreffenden primär berufsverbandlich
tätigen Organisationen, die sich als Interessenvertretung der jeweiligen
Berufsgruppe verstehen. Einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft ist
in Abgrenzung zur Interessenvertretung hauptsächlich an Vermittlung
Der Kampf um das Gehör der (politischen und anderer) Entschei-
dungsträger erfolgt auf vielen Ebenen, mit unterschiedlichen Mitteln
und mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Nach Schätzungen von
„Abgeordnetenwatch“ gibt es allein in Berlin 6.500 Interessenvertreter,
auf einen Bundestagsabgeordneten kommen also ca. zehn Lobbyisten.
Auch und gerade im Gesundheitssystem wird zum Beispiel im
Rahmen von Gesetzgebungs- oder Richtlinienverfahren eine Vielzahl
von Interessenvertretern (Krankenkassen, KVen, Kammern, Verbände,
Vereine, etc.) eingebunden. Dies ist auf einer ersten Stufe nicht proble-
matisch. Vielmehr erscheint es durchaus als nützlich, das Fachwissen
Dritter in (politische) Entscheidungen einzubeziehen. Schwierig wird
es dann, wenn Fachwissen und Eigeninteressen nicht auseinanderge-
halten werden (können oder sollen).
Aufgenommen und gleich wieder rausgekickt
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte sich vor diesem
Hintergrund am 28. Juni 2017 (Aktenzeichen L 9 KR 89/15 KL) mit der
Klage eines ärztlichen Berufsverbandes zu beschäftigen, der im Rah-
men von Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses
(G-BA) begehrte, weiterhin dem Kreis der stellungnahmeberechtigten
wissenschaftlichen Fachgesellschaften anzugehören. Dabei handelte
es sich um den Bundesverband Deutscher Opthalmochirurgen (BDOC),
in dem rund 80 Prozent der operierenden Augenärzte in Deutschland
organisiert sind. Der Berufsverband war – kurz nachdem er aufge-
nommen wurde – aus diesem Kreis durch den G-BA wieder gestrichen
worden. Dies erfolgte, nachdem der G-BA von „dritter, im Verwaltungs-
vorgang nicht benannter Seite mit der Auffassung konfrontiert“ wor-
den war, dass der BDOC „die Voraussetzungen zur Aufnahme in diesen
Kreis nicht erfülle“.
Der G-BA ist ein bedeutsames Organ im System der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) und bestimmt in Form von Richtlinien
den Leistungskatalog der GKV für mehr als 70 Millionen Versicherte. Er
legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von
der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maß-
Aktuelles zum Arztrecht vom BAO-Justiziar
Was macht eine Fachgesellschaft aus ? Oder: Ist Lobbyismus eigentlich justiziabel ?Dem Bundesverband Deutscher Ophtalmochirurgen (BDOC) ist es nicht gelungen, vor Gericht die Wiederauf-
nahme in den Kreis der stellungnahmeberechtigten wissenschaftlichen Fachgesellschaften im G-BA durchzu-
setzen. Mit dem Urteil wurden Berufsverbände und Fachgesellschaften nun klar voneinander abgegrenzt.
36. Jahrestagung Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für VerbrennungsbehandlungThemen u. a: Quo vadis Verbrennungsmedizin (Evidenz, Nachwuchsgewinnung),
Organkomplikationen, Intensivmedizin, Verbrennungsmedizin im Spannungsfeld
von Ethik und Ökonomie, Neues aus der „Burn Unit“, Innovationen, enzymatisches
Debridement: Langzeitergebnisse, Kombination mit Spalthauttransplantation und
70. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie e. V.Themen u. a: Health Care associated Infections, Antimicrobial Agents and Infect-
ious Diseases, Host Susceptibility, Fungal Diseases, Association of Microbiome and
Diseases, Genome Sequencing (WGS) History & Application
Information und Anmeldung:
Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH, Christian Tschäpe
Psczolla, Matthias et al. (Hg.): Weißbuch Konservative Orthopädie und Unfallchi-rurgie. Heidelberg: Berlin: De Gruyter Verlag, 2017. 327 Seiten, gebunden, 79,95 Euro.
Lippert, Hans (Hg.): Fehler in der Allgemein- und Viszeralchirurgie. Stuttgart: Thieme Verlag, 2017. 231 Seiten, gebunden, 149,99 Euro.
Meißner, Carl (Hg.): Ernährung in den operativen Disziplinen. Berlin: De Gruyter Verlag, 2017. 303 Seiten, gebunden, 69,95 Euro
Strutz, Jürgen et al. (Hg.): Praxis der HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie. Stuttgart: Thieme Verlag, 2017. 2. Auflage, 1096 Seiten, gebunden, 129,99 Euro
Weißbuch Konservative Orthopädie und Unfallchirurgie
Rückenschmerzen, Arthrose oder Osteoporose sind Volkskrankheiten, bei
denen ein operativer Eingriff in der Regel nicht angezeigt ist. Stattdessen
kommen konservative Verfahren wie Medikamente, manuelle Medizin,
Schmerz- oder Physiotherapie zum Einsatz. Der Versorgungsauftrag von
Orthopäden und Unfallchirurgen wird angesichts der alternden Gesellschaft
in Zukunft noch weiter wachsen, konservative Behandlungsmethoden soll-
ten daher gleichberechtigt neben dem operativen Teil stehen.
Das vorliegende Weißbuch bietet erstmalig strukturierte, evidenzbasierte
Erkenntnisse zur Evaluation der konservativen Therapie in Orthopädie und
Unfallchirurgie. Erfahrene Experten stellen zu jedem Indikationsgebiet die
konservativen Behandlungsmethoden dar, beurteilen deren Stellenwert,
decken Versorgungsmängel auf und beschreiben, wie die Defizite im kon-
servativen Bereich so entwickelt werden können, dass das Fach Orthopädie /
Unfallchirurgie in seiner ganzen Breite zukunftsfähig abgebildet wird.
Fazit: Eine strukturierte Übersicht über die konservative Orthopädie und
Unfallchirurgie, die auf Versorgungs- und Strukturmängel verweist und The-
sen zur Zukunftssicherung sowie Weiterentwicklung formuliert.
Fehler in der Allgemein- und Viszeralchirurgie
Nur wer Fehler kennt, kann Strategien zur Vermeidung entwickeln. Auch
erfahrene Chirurginnen und Chirurgen erleben immer wieder Überra-
schungen und unerwartete Situationen. Dann gilt es, richtig zu handeln, den
Schaden zu begrenzen und aus Fehlern zu lernen. Das vorliegende Werk
schildert Fallbeispiele und deren rechtliche Konsequenzen. Alle Beispiele
beruhen auf tatsächlichen Fällen und sind praxisnah beschrieben.
Der Aufbau der Fallbeispiele ist immer gleich: Welche Fehler sind meinen
Kollegen unterlaufen? Welche rechtlichen Konsequenzen hatten sie? Wie
kann ich einen ähnlichen Fall vermeiden oder, falls bereits eingetreten, was
kann ich tun, um den Schaden zu begrenzen? Mit den ergänzenden Hin-
weisen zum aktuellen Standard in Diagnostik, Therapie und Dokumentation
stellt das Buch ein praxisorientiertes Instrument zur Qualitätssicherung in
der Chirurgie dar. Der gesamte Buchinhalt ist über einen im Buch abgedruck-
ten Zugangscode auch online verfügbar.
Fazit: Das Buch ermöglicht es seinen Leserinnen und Lesern, die eigene
professionelle Qualität zu verbessern, in dem sie aus den Fehlern anderer
lernen. Ein guter Beitrag zu mehr Sicherheit und Kompetenz in der Chirurgie.
Ernährung in den operativen Disziplinen
Der Ernährungszustand eines Patienten, der sich einer Operation unterzie-
hen muss, beeinflusst die Prognose, die Komplikationsrate und die Kranken-
hausverweildauer. Unter- und Mangelernährung müssen daher frühzeitig
erkannt und ernährungstherapeutisch behandelt werden, um den Erfolg der
chirurgischen Intervention zu gewährleisten.
Das vorliegende Buch behandelt zunächst die Physiologie der Verdauung
ebenso wie das Stufenschema der Ernährungstherapie in ihrem jeweiligen
klinischen Zusammenhang. Eigene Kapitel sind der präoperativen Ernährung,
dem postoperativen Kostaufbau, dem Einfluss der Ernährung auf die posto-
perative Wundheilung, der Ernährung nach Transplantation, der Ernährung
in der Kinderchirurgie und den Besonderheiten der bariatrischen Chirurgie,
dem Weiterleitungsmanagement und der Ernährung im Rahmen des DRG-
Systems gewidmet. Abschließend werden individuelle Ernährungsregime
anhand von Fallbeispielen dargestellt.
Fazit: Eine praktische Anleitung für das Erkennen und die Behandlung von
Mangelernährung vor, während und nach dem stationären Aufenthalt in der
Chirurgie.
Praxis der HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie
Die Otorhinolaryngologie und die zervikofasziale Chirurgie sind ein sehr
dynamisches Fach. Die vorliegende unveränderte 3. Auflage der einbändigen
Gesamtdarstellung richtet sich an junge Kolleginnen und Kollegen auf dem
Weg zum Facharzt ebenso wie an HNO-Ärzte in Klinik und Praxis. Das Buch
ist in drei große Hauptabschnitte gegliedert: Untersuchung und Diagnostik,
konvervative und operative Therapie.
In die Diagnostik und Behandlung der verschiedenen HNO-Erkrankungen
wurden dabei verschiedene Grenzgebiete mit einbezogen, etwa Orbita- und
Schädelbasischirurgie, Manualtherapie, Umweltmedizin und Allergologie.
Das Buch überzeugt durch eine moderne didaktische Aufbereitung mit vie-
len Abbildungen, Zeichnungen und Schemata sowie praxisorientierten Hand-
lungsanleitungen. Aktuelle Leitlinien, juristische Grundlagen, Arztrecht und
Begutachtung wurden ebenso berücksichtigt wie der neue Ausbildungskata-
log für die Gebietsbezeichnung HNO-Heilkunde. Der gesamte Buchinhalt ist
über einen im Buch abgedruckten Zugangscode auch online verfügbar.
Fazit: Arbeits- und Lehrbuch, kompetenter Ratgeber sowie Nachschlage-
werk für den erfahrenen HNO-Arzt – ein gelungener Spagat in einem Band.
34 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
IndustrieDie Beiträge in der Rubrik Industrie beruhen auf Informationen der angegebenen Firmen. Herausgeber und Redaktion sind nicht ver-antwortlich für die Inhalte.
Abfallentsorgung
„OP-Abfall ist bei uns kein Problem mehr !“
Die Praxis Dres. Christoph Daub und Stefan Schölzel in Villingen-
Schwenningen hat Großes vor, denn der Umzug in größere und schö-
nere Räumlichkeiten steht an. Wie die Firma Illenseer berichtet, sollte
in diesem Zuge auch ein Problem gelöst
werden: das Handling der riesigen Berge
an OP-Abfällen. Bei zirka 3.000 Eingrif-
fen pro Jahr keine leichte Aufgabe.
Nicht nur das große Volumen an
Abdecktüchern, Kitteln, Hauben, Hand-
schuhen und Co. stelle eine Heraus-
forderung dar. Auch die hygienische
Entsorgung und die damit verbundene
Vermeidung von Kontamination an Pati-
enten und Mitarbeitern sei ein wichtiger
Aspekt. Auf dem Hygienekongress in
Freiburg wurden die beiden innovativen
und ehrgeizigen Chirurgen dann auf das
Konzept der Vakuumierung mit Hilfe der
VACURAPRO in sicheren Kunststoffbeu-
teln aufmerksam.
Nach einem kurzen Testlauf war klar:
Dieses Gerät muss her. „Das System hat
uns direkt überzeugt. Wir haben eine Volumenreduzierung von fast
70 Prozent. Das löst schon mal ganz viele Probleme in Bezug auf die
Lagerung im Haus und den Müll-Containern im Hof. Aber auch die
Gewissheit, dass der Müll nach dem
Vorgang hermetisch verschweißt ist und
kein Keimrisiko mehr davon ausgeht,
hat uns überzeugt“, erklärte Dr. Schölzel.
Wie das Unternehmen betont, ist
die Handhabung der Maschine denkbar
einfach. Das Resultat aus kleinen, hand-
lichen Paketen, die nun zeitunkritisch
entsorgt werden können, begeistere
auch das Praxisteam. „Wir sparen mit
unserer VACURAPRO, die im Team liebe-
voll R2D2 genannt wird, Zeit und Geld
und zusätzlich haben wir ein gutes
Gefühl beim Transport unseres Mülls im
Haus.“ Nun steht einem erfolgreichen
Start der neuen Praxis nichts mehr im
Wege.
Kontakt: www.illenseer.de
Foto
: Ille
nsee
rDr. Stefan Schölzel (links) und Dr. Christoph Daub (rechts)
mit der VACURAPRO
Neue Studie zur Schaum-Sklerotherapie
Schaum-Sklerosierung von Stammvarizen mit Langzeiterfolg von über 90 Prozent
Weltweit steht die Sklerotherapie bei der Behandlung von Besenrei-
sern und retikulären Varizen bei Phlebologen an erster Stelle und wird
in den Leitlinien – national und international – als Behandlungsme-
thode der Wahl beschrieben. Wie das Unternehmen Kreussler Pharma
mitteilt, konnten durch die Einführung der ultraschallkontrollierten
Schaum-Sklerotherapie die Behandlungserfolge der Sklerotherapie
besonders bei größeren Varizen weiter verbessert werden. Die Sklero-
therapie sei gut verträglich, insbesondere bei älteren Patienten, und
biete die Möglichkeit, sofort nach der Behandlung wieder in den Alltag
zurückzukehren. Zudem sei sie im Vergleich zu operativen oder ther-
mischen Methoden sehr kosteneffektiv. Einer aktuellen retrospektiven
Studie [Baeshko et al. Vascular and endovascular surgery 2016; 50 (8):
528–533] zufolge könnten die langfristigen Behandlungserfolge der
Schaum-Sklerosierung von Stammvarizen weiter optimiert werden.
Um optimale Ergebnisse zu erreichen, solle während der Injektion
möglichst absolute Blutleere in der zu behandelnden Vene herrschen.
Man erreiche dies durch eine Lagerung der Extremitäten im 60°-Win-
kel. Damit der Schaum bei der Hochbeinlage nicht nach distal abflie-
ßen kann, werde der Unterschenkel vom Fuß bis zum Knie mit einer
elastischen Bandage umwickelt. Die Blutleere bedinge eine vollständige
Füllung des zu behandelnden Venenabschnitts mit dem Sklerosierungs-
schaum und ermögliche so eine optimale Wirkung des Schaums in der
Stammvene. Zusätzlich habe man den Sklerosierungsschaum in der
Studie kurz vor der Injektion auf wenige Grad Celsius herabgekühlt.
Um die Auswirkungen der beschriebenen Parameter auf die Ergeb-
nisse der Schaum-Sklerotherapie nachzuweisen, wurden im Zeitraum
von 2009 bis 2014 bei 326 Patienten insgesamt 395 Stammvarizen sowie
Seitenäste behandelt. In 34,2 Prozent erfolgte die Therapie mit Aethoxy-
sklerol 1 % und in 65,8 Prozent mit Aethoxysklerol 3 %. In der Regel
waren mehrere Sitzungen bis zum optimalen Therapieerfolg notwen-
dig. Eine Woche nach der ersten Injektion konnte bei 95 Prozent aller
behandelten Stammvarizen eine Okklusion nachgewiesen werden.
Darüber hinaus konnte die Studie sehr gute Langzeitergebnisse bele-
gen: So wiesen den Angaben zufolge fünf Jahre nach der Behandlung
92 Prozent der behandelten Stammvarizen eine bestehende Okklusion
auf. Wie das Unternehmen betont, stellt sich die Schaum-Sklerothera-
pie folglich als sehr effektive Therapie dar, deren Langzeitergebnisse
durch die genannten Parameter weiter optimiert werden konnten.
IndustrieDie Beiträge in der Rubrik Industrie beruhen auf Informationen der angegebenen Firmen. Herausgeber und Redaktion sind nicht ver-antwortlich für die Inhalte.
Anästhesie und Intensivmedizin
Kompaktes Update zu Normen,
Richtlinien und Empfehlungen
Ärztinnen und Ärzte sind heutzutage umgeben von Normen und
Richtlinien. Bei einem Symposium der Firma B. Braun im Rahmen des
diesjährigen DAC in Nürnberg verschafften die Referenten den ca. 350
Teilnehmern einen kompakten Überblick über aktuelle Normen, Richt-
linien und Empfehlungen in Anästhesie und Intensivmedizin
Verwechslungssichere Anschlüsse: Implementierung der ISO 80369-6:
In den letzten Jahren wurden ISO-Standards für unterschiedliche
medizinische Anwendungsbereiche definiert, die Verwechslungen
von Anschlüssen verhindern sollen. Für die Normierung neuraxialer
und regionaler Anästhesieverfahren (NRFit) habe man die ISO-Norm
(80369-6) entwickelt. „Noch bis vor kurzem gab es in der Anästhesie
und Intensivmedizin einen Luer-Konnektor für alle kleinlumigen Ver-
bindungen, daher passte vieles zusammen“, erklärte Prof. Thomas
Prien, Münster. Mit der neuen Norm erhielten nun alle betroffenen Pro-
dukte einen neuen Konnektor – eine Umstellung, für die Kliniken und
Einrichtungen Projektteams bilden und Zeit einplanen sollten.
Ultraschallgestützte Regionalanästhesie und Punktion zentraler
Gefäße: Regionalanästhesien und Gefäßzugänge gelten als häufige
Ursachen für Komplikationen und Schäden in der Anästhesie. Exper-
ten hofften daher auf sinkende Komplikationsraten durch den Einsatz
ultraschallgestützter Verfahren. Noch gebe es hierfür in Deutschland
keine Leitlinie, wie Prof. Paul Kessler, Frankfurt, erläuterte. Dennoch
gebe es mittlerweile eindeutige Evidenz für bestimmte Maßnahmen.
„Ultraschall hat sich neben der Nervenstimulation als eine, zumindest
gleichwertige, Methode zur Lokalisation von Nerven etabliert“, erklärte
Kessler. So könne beispielsweise die Vena jugularis, deren Lage anato-
misch sehr variabel ist, mittels Ultraschall leichter detektiert werden.
„Allerdings sind Ultraschallgeräte nicht überall in allen Abteilungen
verfügbar“, sagte Kessler. Außerdem seien für den Einsatz ultraschallge-
stützter Verfahren Ausbildung und Training unerlässlich.
Gefäßkatheter-assoziierte Infektionen: Drei Eintrittspforten können
für die Entstehung einer Kathetersepsis verantwortlich sein: die Haut,
die Infusionslösung oder der Ansatzkonus bzw. Dreiwegehahn. „Die
neuen KRINKO-Empfehlungen zur Prävention Katheter-assoziierter
Infektionen sind sehr umfangreich“, erklärte Dr. Johannes Tatzel, Hei-
denheim. Als wichtigste Neuerungen nannte er zum einen die Emp-
fehlung für eine innenseitige Desinfektion von Katheteransatzstücken
vor allen Manipulationen an Hubs und Dreiwegehähnen: „Eine außen-
seitige Sprühdesinfektion reicht hier nicht aus.“ Ein weiterer wichtiger
Punkt sei die Compliance bei der Desinfektion vor Benutzung. Für den
postoperative Wundinfektionen“, aktueller Stand vom 28. August 2017.
Hinzu kommt die „Einrichtungsbefragung“.
Alle Vorschriften gehören inhaltlich untrennbar zusammen
Günstig ist, dass alle Vorschriften letztlich bereits inhaltlich untrenn-
bar zusammengehören. So sind für alle Vorschriften notwendig die
aktuelle Version meines Dokumentationsbogens Ambulantes Operieren,
der entsprechende Auszug aus dem Hygieneplan und Vorschläge für
die vorgeschriebenen Bewertungen „Infekte und Antibiotikaverbrauch“
(Antibiotikaprophylaxe und Antibiotikatherapie, Antibiotikaverbrauch).
Zum besseren Verständnis zunächst folgender Auszug aus dem
Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten
beim Menschen, kurz Infektionsschutzgesetz (IfSG):
4. Abschnitt Verhütung übertragbarer Krankheiten
§ 23 Nosokomiale Infektionen; Resistenzen
(4) Die Leiter von Krankenhäusern und von Einrichtungen für
ambulantes Operieren haben sicherzustellen, dass die vom RKI nach
Hygiene
Surveillance nosokomialer Infektionen und Antibiotikaverbrauch sowie -resistenzenIfSG, MedHygV und Qesü-RL sind die Wortungetüme bzw. Abkürzungen, mit denen sich niedergelassene
Chirurgen und Operateure zwingend beschäftigen müssen. Im Folgenden daher praxisnahe Tipps zum korrekten
Umgang mit den einschlägigen Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen zum Hygienemanagement.
Von Dr. Rainer Woischke
Medizin
Foto
: Pix
abay
Der Antibiotikaverbrauch einer Einrichtung muss fortlaufend in zusammen-
Vorgaben des IfSG von 2012 und Schnittstellen zu QM- und BG-VorgabenDie Reform des IfSG schafft mehr Rechtssicherheit, wenngleich einige begriffliche Unschärfen bleiben. Das
Hygienemanagement in der niedergelassenen Praxis wird dabei immer anspruchsvoller. Für ambulante
Operationen gelten auch hier die gleichen Qualitätsmaßstäbe wie dies für stationäre Operationen der Fall ist.
von nosokomialen Infektionen zu treffen (Umsetzung der KRINKO-
und ART-Empfehlungen),
die getroffenen Maßnahmen in verbindliche Handlungsanwei-
sungen im einrichtungsbezogenen Hygieneplan umzusetzen,
den Hygieneplan mindestens jährlich, darüber hinaus bei neuen
Veröffentlichung von Empfehlungen der KRINKO/ART und anlass-
bezogen zu überprüfen,
eine fortlaufende Erfassung und Bewertung nosokomialer Infektio-
nen und multiresistenter Erreger.
Hier müssen also einrichtungsspezifische Umsetzungsmöglich-
keiten gefunden werden, um den gesetzlichen Vorgaben Genüge zu
tun. Bislang war dies in Bezug auf die postoperativen Wundinfektionen
durch die Teilnahme an Ambu-KISS möglich. Es handelte sich dabei
um ein Surveillance-Protokoll für postoperative Wundinfektionen in
Einrichtungen für das Ambulante Operieren, welches über das Natio-
nale Referenzzentrum für Surveillance von nosokomialen Infektionen
(www.nrz-hygiene.de) betrieben wurde. Basis waren die einheitlichen
Definitionen für postoperative Wundinfektionen nach CDC (Centers
for Disease Control). Ambu-KISS wurde 2015 eingestellt, sodass dieses
Instrument nicht mehr vorhanden ist.
Handreichungen
AG Praxishygiene der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaus-
hygiene: Leitfaden zu Organisation und Hygienemanagement in der
Arztpraxis (Struktur- und Prozessqualität). In: Hyg Med 2013; 38–3,
}
}
}
}
Arbeitskreis für „Krankenhaus- & Praxishygiene“ der AWMF: Emp-
fehlungen zur Hygiene in Klinik und Praxis. In: www.hygiene-klinik-
praxis.de,
Kassenärztliche Bundesvereinigung, Reihe PraxisWissenSpezial.
Überwachungen und Begehungen von Arztpraxen durch Behörden,
Informationen zu gesetzlichen Grundlagen und Checklisten (wird
laufend aktualisiert und liegt daher nur als downloadfähige Datei
vor). Diese Broschüre bietet eine umfassende und immer wieder
aktualisierte Übersicht. Besonders hervorzuheben sind die Anhänge.
So kann anhand eines Fragebogens zu Hygiene und Medizinpro-
dukten der einrichtungsinterne Status Quo erhoben werden. Es
werden Checklisten angeboten, KVen genannt und die Zuständig-
keiten in den Bundesländern dargestellt. Quelle: www.kbv.de/html/
hygiene.php.
Zusammenfassung
Die Reform des IfSG schafft mehr Rechtssicherheit, wenngleich
einige begriffliche Unschärfen bleiben. Es werden erhöhte organisato-
rische Anforderungen im ambulanten Bereich gestellt, und es konkre-
tisiert den Pflichtenkreis vor allem für Einrichtungen des Ambulanten
Operierens. Das IfSG als Bundesgesetz trat am 30. Juli 2011 in Kraft und
enthielt eine Verpflichtung der Länder, bis 31. März 2012 entsprechende
Rechtsverordnungen in ihrem Zuständigkeitsgebiet zu erlassen.
Was ist konkret zu tun?
Hygieneplan erstellen und kontinuierlich aktualisieren, sowie jähr-
liche Pflichtinformation aller Mitarbeiter (=Pflichtschulung).
Hygieneverantwortlichen Arzt bestellen.
Hygieneverantwortliche Pflegekraft bestellen.
Laufende Dokumentation von Infektionen mit multiresistenten
Erregern, Bewertung und sachgerechte Schlussfolgerungen hin-
sichtlich der erforderlichen Präventionsmaßnahmen durchführen,
die Art und Umfang des Antibiotikaverbrauches erfassen (unter
Berücksichtigung der lokalen Resistenzsituation).
Aufbewahrungsfrist: 10 Jahre, der zuständigen Gesundheitsbehörde
ist auf Verlangen Einsicht zu gewähren.
Fazit
Die Situation in der niedergelassenen Praxis gestaltet sich immer
anspruchsvoller. Für ambulante Operationen gelten auch in Bereich
der Hygiene die gleichen Qualitätsmaßstäbe wie dies für stationäre
Operationen der Fall ist. Dieser erhöhte Sach- und Personalaufwand
wird in der Vergütung nicht berücksichtigt. Bereits 2015 forderte der
BAO aufgrund eines Gutachtens von Dr. Rainer Woischke (siehe Artikel
Seite 36) einen Zuschlag von 55 Euro pro Operation, um die mit dem
IfSG und den Länder-Hygieneverordnungen ausgelösten finanziel-
len Mehraufwände abzudecken. Demgegenüber erhielten laut dem
Bericht des GKV-Spitzenverbandes 2013/2014 über 1.000 Krankenhäu-
ser 66,6 Millionen Euro zur Verbesserung der personellen Ausstattung
bei Hygienepersonal. É
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Medizin
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Art und Umfang des Hygienemanagements hängen vom Risiko für Infektionen
bei den jeweiligen Eingriffen ab
44 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
Laut Schätzung gab es 2010 in der Bundesrepublik 350 Krankenhaushy-
gieniker, bei 2.064 Krankenhäusern, 1.237 Rehabilitationseinrichtungen
und 411 Tageskliniken [5] und einer unbekannten Zahl von Einrich-
tungen für Ambulantes Operieren sowie Dialysezentren, die Beratung
durch oder hauptamtliche Krankenhaushygieniker haben müssten [6].
Folglich kann ein Großteil der Gesundheitseinrichtungen den gesetz-
lichen Normen infolge des Personalmangels nicht nachkommen. Der
derzeit am häufigsten gesuchte Facharzt ist deshalb der Krankenhaus-
hygieniker. Eine Entspannung der Nachfrage ist auch auf Jahre hin
nicht zu erwarten [7]. Es ist auch völlig unklar, wie sich im Schadenfall
ein Mangel an Beratung auswirken könnte.
Anforderungen und Inhalte der curricularen Fortbildung
Die Teilnehmer der curricularen Fortbildung Krankenhaushygiene
müssen eine abgeschlossene Weiterbildung zum Facharzt mit Patien-
tenbezug oder eine abgeschlossene Weiterbildung zum Facharzt für
öffentliches Gesundheitswesen haben. Sie absolvieren insgesamt sechs
Module, die innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen werden sollen.
Ferner übernehmen die Teilnehmer „Krankenhaushygieniker in struk-
turierter curricularer Fortbildung“ die Aufgabe des hygienebeauftragten
Arztes in einer bettenführenden Abteilung mit 50 Prozent einer Vollzeit-
stelle für mindestens zwei Jahre.
Praktische Erfahrungen durch Praktika und Fallkonferenzen
Ferner müssen sich die Teilnehmer einen qualifizierten Supervisor
suchen, der von der Landesärztekammer anerkannt sein muss, und
praktische Erfahrungen nachweisen, die durch insgesamt 20 Fallkon-
ferenzen mit dem qualifizierten Supervisor sowie durch Hospitationen
erfolgen. Diese umfassen eine Woche in einem krankenhaushygie-
nischem Labor, zwei Wochen im öffentlichen Gesundheitsdienst und
vier Wochen in der Klinikhygiene mit Begehung, Prozessbeobachtung
und krankenhaushygienischen infektiologischen Visiten. Sind diese
Voraussetzungen erfüllt, kann sich der Teilnehmer der Weiterbildungs-
maßnahme einer Prüfung vor der Landesärztekammer unterziehen,
um die Bezeichnung „Krankenhaushygieniker“ zu erhalten.
Im Infektionsschutzgesetz (IfSG) [1] wird im § 23 Absatz 8 Satz 3 die
Ausstattung mit qualifiziertem Hygienefachpersonal von Krankenhäu-
sern, Einrichtungen für Ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabili-
tationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare
medizinische Versorgung erfolgt, Dialyseeinrichtungen und Tageskli-
niken geregelt. Jedes Bundesland hat in einer Hygieneverordnung diese
Vorgaben umgesetzt (siehe Tabelle 1).
Die Notwendigkeit der Beratung durch Krankenhaushygieniker in
den einzelnen Bundesländern beim Ambulanten Operieren und in
Tageskliniken wird unterschiedlich beurteilt. Die aktuelle Empfehlung
zum Kapazitätsumfang für die Betreuung von Krankenhäusern und
anderen medizinischen Einrichtungen durch Krankenhaushygieniker
der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
(KRINKO) am Robert Koch-Institut (RKI) sieht die Beratung ambulanter
bzw. nicht bettenführender Einrichtungen mit mindestens einem Prä-
senztermin pro Jahr, inklusive der Durchführung von Fortbildungen für
das ärztliche und gegebenenfalls nicht-ärztliche Personal vor [2].
Geringe Ausbildungskapazitäten für Krankenhaushygieniker
Diese Festlegung geht auf eine Grundsatzempfehlung des Bundes-
gesundheitsamtes (heute RKI) aus dem Jahre 1976 zurück und wurde
in den Folgejahren immer wieder präzisiert. Es zeigte sich jedoch
schon 2009, dass der Bedarf an Krankenhaushygienikern aufgrund zu
geringer Ausbildungskapazitäten in den Folgejahren nicht zu decken
sein würde [3]. Im November 2011 erfolgte dann die Herausgabe der
strukturierten curricularen Fortbildung Krankenhaushygiene durch
die Bundesärztekammer. Ergänzende Rahmenbedingungen wurden im
September 2013 publiziert [4].
Man erhoffte sich durch diese Weiterbildung die Ausbildung von
ausreichend vielen Krankenhaushygienikern, um den Vorgaben des
Gesetzgebers zu entsprechen. Jedoch war die Nachfrage bislang viel zu
gering, so dass die Übergangsfrist um drei Jahre auf den 31. Dezember
2019 verlängert werden musste. Jedoch wurde diese Verlängerung nicht
in allen Medizinhygieneverordnungen der Länder sofort umgesetzt.
Hygiene
Erfahrungsbericht: Curriculare Weiterbildung KrankenhaushygieneWarum absolviert ein niedergelassener Chirurg eine zeit- und kostenintensive Weiterbildung, obwohl die Behör-
den die gesetzlichen Vorgaben im ambulanten Bereich in Ermangelung von Krankenhaushygienikern vermutlich
nicht einfordern werden können? Weil für Chirurgen Hygiene die Grundlage jeglicher chirurgischer Therapie ist.
Tabelle 1: Hygieneverordnungen nach Bundesländern: Beratung durch Krankenhaushygieniker
Tagesklinik Ambulantes Operieren
Baden-Württemberg
beratend beratend
Bayern
beratend beratend
Berlin
keine Pflicht keine Pflicht
Brandenburg
keine Pflicht keine Pflicht
Bremen
keine Pflicht keine Pflicht
Hamburg
beratend beratend
Hessen
keine Pflicht beratend
Mecklenburg-Vorpommern
beratend beratend
Niedersachsen
beratend beratend
Nordrhein-Westfalen
angemessene klinisch mikrobiologisch pharmazeutische, sowie baulich technische Beratung
Anmerkung: Es gilt die Empfehlung KRINKO „personelle organisatorische Vorraussetzungen zur Prävention nosokomialer Infektionen“ in aktueller Version.
Rheinland-Pfalz
beratend beratend
Anmerkung: Hygienekommission nötig in Tagesklinik
Saarland
beratend beratend
Anmerkung: Hygienekommission nötig in Tagesklinik
Sachsen
beratend beratend
Sachsen-Anhalt
beratend beratend
Anmerkung: hauptamtlich nur in Maximalversorgungs- und Schwerpunktkrankenhäusern
Schleswig-Holstein
beratend beratend
Anmerkung: hauptamtlich nur in Maximalversorgungs- und Schwerpunktkrankenhäusern
Thüringen
beratend beratend
Anmerkung: mindestens halbjährliche Begehung durch Krankenhaushygieniker
Quelle: Krankenhaushygieneverordnungen der Bundesländer [8]
46 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
dieser Erkenntnisse in klinische Strukturen und Prozesse, ebenso wie
die Überwachung nosokomialer Infektionen und von Erregern mit
besonderen Resistenzen sowie die Rückkopplung der Ergebnisse und
Analysen an die Funktionseinheiten vermittelt. Der Schwerpunkt lag
dabei auf endemisch sowie epidemisch auftretenden Infektionen und
den Schnittstellen zu den Aufsichtsbehörden. Ein Ausbruchs- und
Krisenmanagement einschließlich Moderation und Kommunikation
wurde vorgestellt, und wir erarbeiteten einrichtungsspezifische Algo-
rithmen zur Erkennung und Kontrolle von Clusterausbrüchen sowie
Ausbruchsrisiken.
Praktika und Hospitationen
Mein vierwöchiges Krankenhauspraktikum absolvierte ich im Kli-
nikum Landshut in der Abteilung Krankenhaushygiene. Der dortige
Krankenhaushygieniker gewährte mir tiefe Einblicke in die tägliche
Arbeit, aber auch in die Fragestellungen zu hygienerelevanten Themen,
die es zu beantworten gilt. Er war gleichzeitig mein Supervisor, mit
dem ich vor Ort und in Nachbesprechungen klinikrelevante Themen
besprechen konnte. Wir suchten gemeinsam 20 Themen für die Fall-
konferenzen, die ebenfalls besprochen und dokumentiert wurden.
Die Woche im mikrobiologischen Labor absolvierte ich bei Synlab
in Weiden. Die Betreuung durch die mikrobiologischen Kollegen war
hervorragend. Ich wurde in die tägliche Routinediagnostik, aber auch
spezielle mikrobiologische Fragestellungen der Krankenhaus- und
Umwelthygiene eingebunden. Mittlerweile hat sich daraus, auch für
meine tägliche Praxis, eine sehr gute Zusammenarbeit entwickelt.
Mein zweiwöchiges Praktikum im öffentlichen Gesundheitsdienst
leistete ich am Gesundheitsamt Regensburg ab. Auch hier wurde ich
sehr zuvorkommend aufgenommen und bekam einen umfassenden
Einblick in das breite Spektrum seiner Tätigkeitsfelder. Ich wurde zu
Krankenhausbegehungen, Begehungen von öffentlichen und privaten
Brunnen, Wasserwerken, Seniorenheimen und Hygieneüberprüfungen
von Küchen mitgenommen, aber auch zu Untersuchungen in Flücht-
lingsheimen, der TBC-, Impf- und Suchtberatung sowie zu Schulein-
gangsuntersuchungen. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich
bei meinen Ausbildern für die viele Zeit bedanken, die sie sich genom-
men und die vielen Fragen, die sie mir beantwortet haben und immer
noch beantworten. Als Resümee kann ich guten Gewissens sagen, dass
die gesamte Fortbildung ausgesprochen interessant war.
Allerdings hat der Besuch der sechs Module nicht nur durch die Teil-
nahmegebühren, Fahrten und mit ggf. notwendigen Übernachtungen,
Kosten verursacht, sondern natürlich auch Umsatzausfall in der Pra-
xis. Dies war auch ein hoher Kostenfaktor bei den insgesamt sieben
Wochen an Hospitationen. Da der Supervisor durch die Landesärzte-
kammer qualifiziert sein muss, ist es mittlerweile auch üblich, dass die
Kollegen für ihre Tätigkeit ebenfalls entlohnt werden wollen.
Dieses Jahr im August habe ich dann vor dem Prüfungsausschuss
der bayerischen Landesärztekammer die Prüfung absolviert, aber nicht
bestanden. Ausgerechnet Antworten auf Fragen im Bereich meiner
Facharztkompetenzen sah der Ausschuss als nicht richtig an.
Oft wurde ich gefragt, warum ich mir diese Weiterbildung antue,
obwohl es unwahrscheinlich sein dürfte, dass Behörden die gesetz-
lichen Vorgaben im ambulanten Bereich aufgrund der mangelnden
Anzahl an Krankenhaushygienikern durchsetzen werden können.
Für uns Chirurgen ist Hygiene die Basis unseres Tuns und die Grund-
lage jeglicher chirurgischer Therapie. Die per Facharztanerkennung
bereits als Krankenhaushygieniker qualifizierten Fachärzte für Mikro-
biologie, Virologie und Infektionsepidemiologie sowie für Hygiene
und Umweltmedizin haben in ihren Ausbildungscurricula die nötigen
Qualifikationen bereits enthalten. Meiner Meinung nach können einge-
hende Kenntnisse und Erfahrungen in den Risikobereichen eines Kran-
kenhauses nur erworben werden, wenn man jahrelang dort klinisch
tätig gewesen ist. Gerade in der curricularen Fortbildung wird deshalb
ein Facharzt in einem Fachgebiet mit Patientenbezug ausdrücklich
gefordert. Wir Chirurgen haben diese Erfahrungen und Kenntnisse
durch unsere tägliche Arbeit. Wir können und müssen unser eigenes
Tun kritisch beurteilen, denn wir sind verantwortlich, wenn unsere
Patienten mit den Konsequenzen von Hygienefehlern leben müssen.
Plädoyer für mehr Chirurgen in der Krankenhaushygiene
Trotz meiner schlechten Erfahrungen in der Prüfung, gegen die ich
zunächst ein Abhilfeverfahren beantragt habe, möchte ich dem mög-
lichen Eindruck deutlich widersprechen, dass es sich nicht lohnt, eine
solche Fortbildung zu durchlaufen. Ich möchte aber auch die chirur-
gischen Berufsverbände ermutigen, über die Möglichkeit zu diskutie-
ren, die Weiterbildungsinhalte der Krankenhaushygiene in die chirur-
gische Facharztausbildung zu integrieren. Selbstverständlich sollte ein
Chirurg über die Gebäudetechnik im Operationssaal, die eingesetzten
Flächen- und Hautdesinfektionsmittel und über die Sterilität seines
Instrumentariums Bescheid wissen. Auf der Intensivstation erlernt
er die Kenntnisse der notwendigen einzuhaltenden Hygiene beim
Legen von Gefäß-, Blasenkathetern, Drainagen, Punktionen, Endosko-
pien und auch bei der künstlichen Beatmung. Die Behandlung von
Infektionen chronischer und akuter Wunden, sowie Kenntnisse der
Antibiotikatherapie sind ebenfalls längst Ausbildungsinhalte. Gezielte
Präventionsmaßnahmen mit der Überwachung von Keimresistenzen,
qualitätssichernde Maßnahmen, Grundlagen der Mikrobiologie und
die Organisation von Hygienemaßnahmen sind uns doch zunehmend
vertraut. Und wer kann denn am Besten baulich technische Anfor-
derungen an unsere Arbeitsplätze beurteilen, wenn nicht wir, die
tagtäglich in diesen Räumen arbeiten? Wir Chirurgen dürfen uns die
Kenntnisse und Erfahrungen in der Hygiene nicht nehmen lassen, sie
gehören zu unserem Selbstverständnis.
Auch vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben, die voraus-
sichtlich auf längere Sicht nicht eingehalten werden können, wäre es
wünschenswert, die Anzahl kompetenter Ansprechpartner zu erhöhen
und das Bewusstsein für unsere Kompetenzen in Sachen der Hygiene
zu stärken. É
Literaturliste beim Verfasser oder bei der Redaktion erhältlich.
Medizin
Ja, ich will Mitglied des Berufsverbandes Niedergelassener Chirurgen Deutschland e. V. (BNC) werden.
Dazu beantrage ich die Mitgliedschaft in der für mich zuständigen regionalen Arbeitsgemein-schaft Niedergelassener Chirurgen (ANC) und bitte Sie, dieses Schreiben an den jeweiligen Vorsitzenden weiterzuleiten.
Der Jahresbeitrag für den BNC beträgt 330 Euro. Hinzu kommt der individuell unterschiedliche Jahresbeitrag meiner ANC.
Mit meiner Mitgliedschaft unterstütze ich die gesundheitspolitischen Aktivitäten des BNC für alle niedergelassenen Chirurgen in Deutsch-land und erhalte Zugang zum exklusiven BNC-Mitgliederservice.
Beitrittscoupon
Bitte einsenden an den
oder faxen an: 04532 2687561
Titel | Name | Vorname
Straße | PLZ | Ort
Zuständiger KV-Bereich
Geburtsdatum | Telefon privat
Telefon- und Faxnummer Praxis
E-Mail-Adresse | ggf. Homepage
Ort | Datum | Unterschrift
CM
BD
86 |
Aus
gabe
4 –
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embe
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17
Berufsverband
Niedergelassener Chirurgen (BNC)
Geschäftsstelle
Dorfstraße 6 d
22941 Jersbek
48 Organ des Berufsverbands Niedergelassener Chirurgen (BNC) und des Bundesverbands Ambulantes Operieren (BAO)
inzwischen auch etabliert, der sich im allgemeinen aus fünf Schritten
zusammensetzt [1]:
Formulieren der Fragestellung in einer strukturierten Form,
Systematische Suche in elektronischen Datenbanken,
Datenextraktion und Qualitätsbewertung der identifi zierten Studien,
Synthese der Studien eines defi nierten Qualitätsniveaus,
Interpretation der Ergebnisse und Anwendung.
Dieses auch aus der Perspektive des gesunden Menschenverstands
plausible Vorgehen ist durch die Publikation des Institute of Medicine
mit dem markanten Titel „Finding What Works in Health Care: Stan-
dards for Systematic Reviews“ als methodisches Fundament akzeptiert
und in tausenden wissenschaftlichen Artikeln und vermutlich mehre-
ren hundert Lehrbüchern angewendet worden [2]. Systematic Review
(im Folgenden abgekürzt mit SR) ist der Oberbegriff und bedeutet das
Vorgehen nach den obigen Schritten. In der Praxis wird durch die Vermi-
schung mit dem Begriff Metaanalyse (im Folgenden abgekürzt mit MA)
jedoch viel Verwirrung gestiftet. Darunter wird die quantitative Zusam-
1.
2.
3.
4.
5.
Entscheidungen in der medizinischen Versorgung sollten sich auf
Ergebnisse systematischer Forschung stützen, um optimalen Nutzen
diagnostischer oder therapeutischer Verfahren zu erzielen und dabei
Risiken und Schäden minimieren. Zentrale Bedeutung kommt Stu-
dien zu, welche die Auswirkung am Patienten oder auch am Gesunden
bewerten. Sie bilden heute einen immer schneller wachsenden globalen
Wissenspool, der für fast jede Fragestellung mehr als eine Studie liefert.
Das Konzept „Evidenzbasierung“
Diese Studien weltweit zu identifi zieren, daraus diejenigen oberhalb
einer Qualitätsschwelle zu bestimmen und deren Ergebnisse zu einer
Antwort zusammenzufassen, erfordert hohe Kompetenz und geeig-
nete Strukturen für die Durchführung. „Knowing what works?“ ist die
modern formulierte Frage, die durch solche Synthesen einzelner Studi-
energebnisse beantwortet wird und damit die Evidenz für die jeweilige
Intervention generiert.
Im Konzept der evidenzbasierten Medizin bzw. Gesundheitsversor-
gung wird dieser objektivierbare Anteil als externe Evidenz bezeich-
net. Dazu kommen noch zwei Komponenten hinzu: einmal
die Erfahrung des Arztes und zum zweiten die Werte des
Patienten. Diese Anteile sind sehr subjektiv und damit viel
schwieriger zu erfassen. Sie unterscheiden sich stark zwi-
schen den Fachgebieten und den verschiedenen Fragestel-
lungen. Im Folgenden liegt der Fokus auf der Evidenz aus
Studien, da es in der Hygiene vielfach um die Bewertung
von strukturellen oder prozeduralen Maßnahmen geht und
weniger um Interventionen am einzelnen Patienten.
Systematische Übersichtsarbeiten
und Metaanalysen
Zentrale Technologie zur Evidenzgenerierung und
Wissensakkumulation. Für die Wissenssynthese durch
Zusammenfassung der hochwertigen klinischen Studien
hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten ein methodischer
Apparat entwickelt und nach vielen Auseinandersetzungen
Hygiene
Evidenz aus Studien als Grundlage für informierte EntscheidungenDer Publikationsbias, die Massenproduktion von Studien, die Krise des Publikationswesens sowie Sprachbarrieren
behindern und verzerren den Wissenstransfer. Doch ein beeindruckender Schritt in die Richtung Evidenzbasierung
auf der Basis des globalen Wissens ist die neue Empfehlung zur Prävention von Gefäßkatheter-Infektionen.
Von Prof. Gerd Antes und Daniela Küllenberg de Gaudry
Medizin
Abbildung 1: Wissensprozess vom Patienten zum Patienten
sprachigen Ländern dar (nur sechs Prozent der Weltbevölkerung
spricht Englisch als Muttersprache [15]). Heute findet die Wissens-
kommunikation fast ausschließlich in englischsprachigen Zeit-
schriften in englischsprachigen Ländern statt (http://bit.ly/2ziKlVR).
Dieses Wissen in lokalen Sprachen für die Anwendung bereitzustellen
und aktuell zu halten, wird fast nirgendwo in den nicht-englischspra-
chigen 94 Prozent der Welt geleistet, sodass für den größten Teil der
Welt eine evidenzbasierte Gesundheitsversorgung erschwert ist [16].
Einige dieser Fehlentwicklungen (2 und 3) sind neu, die Nichtpubli-
kation seit über dreißig Jahren bekannt, die Sprachbarriere alt, aber erst
seit Kurzem in ihren Auswirkungen erkannt. Versuche, die Ursachen zu
beseitigen oder die Auswirkungen zu kontrollieren, gibt es viele, jedoch
weitgehend ohne große Erfolge. SRs spielen dabei eine zentrale Rolle:
Einmal sind sie Opfer durch die verzerrte Datenbasis. Anderseits stam-
men die Erkenntnisse zu den Punkten 1 bis 4 aus der Entwicklung von
SRs und deren Methoden.
Wissensprozess in der Hygiene am Beispiel Gefäßkatheter
Wissensakkumulation und systematische Anwendung in der Praxis
sind akzeptiert und als Prinzip etabliert. Die beschriebenen Barrieren,
finanzielle Unterausstattung und Ressourcenmangel führen jedoch
zu einem sehr diffusen Bild bei der Umsetzung. SRs als methodischer
Kern für HTA-Reports (Health Technology Assessment), klinische Leit-
linien sowie Patienteninformationen (siehe Abb. 2) werden auf sehr
unterschiedlichem Niveau realisiert. Das gilt für die gesamte Medizin,
so auch für die Hygiene, wie sich an der in diesem Jahr publizierten
Empfehlung zur Prävention von Infektionen, die von Gefäßkathetern
ausgehen, erkennen lässt (http://bit.ly/2zeA8tv).
Beispiele der oben dargestellten Strukturen des Wissenstransfers
lassen sich an Teil 1 (Nicht getunnelte zentralvenöse Katheter) abbilden
[17]: (a) Die Stufen der Evidenz werden in der Einleitung vor den Emp-
fehlungen gezeigt [17]; (b) Von den 516 aufgelisteten Literaturzitaten
sind 23 deutschsprachig, vor allem Kommissionsberichte oder Gesetzes-
texte. Der Wissenschaftsbeitrag ist somit fast vollständig in Englisch [17];
und (c) Die Literaturliste zeigt deutsche Hygienewissenschaftler und
bestätigt damit die Publikation von deutscher Forschung in englischer
Sprache [17].
Resümee: Beeindruckender Schritt zur Evidenzbasierung
Als Resumee lässt sich festhalten, dass mit dieser neuen Empfeh-
lung ein beeindruckender Schritt in die Richtung Evidenzbasierung
auf der Basis des globalen Wissens geleistet wurde. SRs und englisch-
sprachige Literatur wurden in breitem Umfang zugrundegelegt und die
Aktualisierung wird thematisiert. Kritische Punkte bleiben eine feh-
lende explizite Methodenbeschreibung und insbesondere der Umgang
mit neuem Wissen in der Zeit bis zur nächsten Aktualisierung. Diese
Herausforderungen sind nicht zuletzt auch eine Frage der Ressourcen
und lassen sich relativ leicht bearbeiten, da die eingeschlagene Rich-
tung stimmt. É
Literatur
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Medizin
Zu wissen, wie sie auftreten wollen, ist Ihre Sache.
Zu wissen, wie man das erreicht, ist unSer Job.
WerbebotSchafterfür die Medizin- und Gesundheitsbranche