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Schönheits-
operationen.
Philosophische
Aspekte
eingereicht am 15.07.2010
von
Christin Zühlke | Stettiner Straße 36 | 48147 Münster
Matrikel-Nr.: 7259479 | Philosophie, Germanistik B.A. | 8. Semester
Gutachter: Zweitgutachter:
Prof. Dr. Heiner Hastedt Dr. Andris Breitling
Bachelorarbeit
Philosophische Fakultät | Institut für Philosophie
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Inhaltsverzeichnis
1 Hinführung - `Kunst, die unter die Haut geht` 2
2 Plastische Chirurgie allgemein 4
2.1 Ethnisch motivierte `Schönheitsoperationen` 5
2.2 rekonstruktive Chirurgie 9
3 Zur Problematik der Begriffe um die `Schönheitsoperation` 11
3.1 Tattoos und Piercings 12
3.2 Begriffsvorschlag 14
4 Zu Gesellschaft und Individuum: Schönheitsideal - Schnitt-Stelle(n) der Macht 16
5 Zur Gesellschaft: Ethische Aspekte 31
5.1 Der Arzt 32
5.2 Natur versus Technologie – Das Ver-Rücken der Wirklichkeit 38
6 Zum Individuum 44
6.1 Identität 45
6.2 Subjekt und Objekt – Sein und Design 46
7 Fazit 52
8 Abbildungen 56
9 Quellen 58
9.1 Abbildungsverzeichnis 58
9.2 Literaturverzeichnis 59
9.3 Internetquellen 61
10 Erklärung 64
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1 Hinführung - `Kunst, die unter die Haut geht`
`Schönheitsoperationen` scheinen relativ oberflächlich zu sein. Es könnte jedoch sein,
dass sie viel tiefer unter die Haut gehen, als man für gemeinhin annimmt. Nehmen wir zu
Anfang ein Beispiel dafür unter die Lupe:
Auf dem Deckblatt dieser Arbeit befinden sich zwei Photographien, die nicht einem
medizinischen Lehrbuch entnommen wurden, sondern Teil eines Kunstwerkes sind.
Dieses wird der Künstlerin Orlan zugeordnet. 1980 begann Orlan mit der „Art Charnel“1,
indem sie im Laufe der Zeit neun Schönheitsoperationen an sich durchführen ließ. Dabei
wurde ihre Haut zum Arbeitsmaterial, der Operationssaal zur Bühne: Lesungen aus
Büchern, Chirurgen in Haute Couture etc.2 Der chirurgischen Veränderung des Körpers
der Künstlerin ging eine Computersimulation voraus, in der u.a. Körperteile von Botti-
cellis „Venus“, Moreaus „Europa“ sowie Leonardos „Mona Lisa“ mit dem damaligen
Körper Orlans kombiniert wurden.3 Dies diente als Vorlage für die darauf folgenden
Operationen zur Verwirklichung ihres eigenen Schönheitsideals. Die Performance an sich
selbst steht im Mittelpunkt der Arbeit Orlans, nicht die `Schönheitsoperation`.4
So schwingt sich ORLAN als Künstlerin auf die Ebene der aktuellen öffentlichen
Debatte über Jugend- und Schönheitskult, Schönheitschirurgie und andere
Körpermanipulationen.5
1 Kann übersetzt werden mit „Fleischliche Kunst“. Vgl. Portal Kunstgeschichte: Retrospektive
http://www.portalkunstgeschichte.de/kunstgeschehen/?print=yes&id=2116&p=0&PHPSESSID=f
wflcaru&PHPSESSID=fwflcaru 08.05.2010
„Art Charnel“ ist der Performancekunst zugehörig, in der, u.a. durch Selbstverletzung und
Körpermodifikation, der Körper des Agierenden zum eigentlichen Bild wird. Durch diese Art der
Kunst ist eine neue Form der künstlerischen Auseinandersetzung mit Diskursen, Problemen und
Themen möglich geworden. Vgl. Brunner, Markus: „Körper im Schmerz“ – Zur Körperpolitik der
Performancekunst von Stelarc und Valie Export. In: schön normal. Manipulation am Körper als
Technologien des Selbst. Hrsg. v. Paule-Irene Villa. Bielefeld: transcript 2008. S. 21-40. 2 Das überschüssige Fett nach der Fettabsaugung verwendet Orlan in ihrer Kunst weiter, indem sie
es als sogenanntes „Relikt“ in ein Glasgefäß füllt und mit einem Ausschnitt ihrer Philosophie auf
einer Tafel versieht. Vgl. Meyer, Helge: Schmerz als Bild. Leiden und Selbstverletzung in der
Performance Art. Bielefeld: transcript 2008. S. 238. 3 Dabei gehe es Orlan um die ironische Darstellung der Klischees von Schönheit und Hässlichkeit.
Vgl. Blume, Anna: Chirurgische Ästhetik – Zur ››Carnel-Art‹‹ der französischen Performarin
ORLAN. In : Zur Phänomenologie der ästhetischen Erfahrung. Hrsg. v. Anna Blume. Freiburg:
Karl Alber 2005. S. 164f. 4 Laut Helge Meyer soll die Kunst Orlans nicht als Kritik an der Schönheitsoperation verstanden
werden, sondern als „feministische Umdeutung des Schöpfermythos“. Vgl. Meyer, Helge:
Schmerz als Bild. S. 238.
Das Wort `Schönheitsoperation` soll im Themenfeld 2 fokussiert werden, daher wird das Wort, nur
zur Kenntlichmachung, dass dieser Begriff problematisch ist, in Anführungszeichen gesetzt. 5 Blume, Anna: Chirurgische Ästhetik – Zur ››Carnel-Art‹‹ der französischen Performarin
ORLAN. S. 161.
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Es stellt sich bei der Betrachtung dieser Kunstrichtung die Frage, warum sie die
Schönheitsoperation als Arbeitsmittel wählt. Eine Intention von Orlan sei es, die Grenzen
der Medizin in den Focus der Diskussion zu rücken.6
Der Fall ORLAN erscheint mir nun auch philosophisch relevant, weil sich hier
ein vielschichtiges Dilemma – das Dilemma unabsehbarer Selbstmanipulation des
Menschen, die Problematik von Selbst- und Fremdbestimmung, der alte
Dualismus von Determination und Freiheit womöglich und der Subjekt-Objekt-
Antagonismus - in dieser ›Selbst‹-Bearbeitung exemplarisch zeigt.7
Orlan soll hier als Metapher und Ausgangspunkt für die folgende Arbeit dienen, denn
anhand ihrer künstlerischen Arbeit lassen sich verschiedene Themen aufgreifen, die zur
Untersuchung der `Schönheitsoperation` leitend sein können. Dazu zählen Fragen wie:
Wo sind oder sollten die Grenzen der Medizin sein? Welche Funktionen kann die
`Schönheitsoperation` haben? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der
kosmetischen Chirurgie und dem Schönheitsideal?8 Bei Betrachtung der Kunst Orlans
scheint nicht nur ihr die Kunst im wahrsten Sinne des Wortes `unter die Haut zu gehen`,
sondern auch dem Betrachtenden, dem stillen Zuschauer, der eine Art Voyeur des
chirurgische-künstlerischen Spektakels wird.9
Grundlegend kann diese Arbeit in zwei thematische Ebenen aufgeteilt werden: dem
vorangehenden begriffsanalytischen und den anschließenden philosophischen Aspekt.
Zuerst wird die plastische Chirurgie im Allgemeinen (2) kurz thematisch umrissen.
Danach folgt die Beschäftigung mit der ethnisch motivierten `Schönheitsoperation` als
besonderem Fall der plastischen Chirurgie (2.1). Darauf wird ein Abriss zur rekon-
struktiven Chirurgie folgen, vor allem auch in Bezug auf die `Schönheitsoperation` (2.2.).
Im dritten Punkt dieser Arbeit findet einer Beschäftigung mit Begriffen bezüglich
`Schönheitsoperationen` statt, für die Körpermodifikationen wie Piercings und Täto-
6 Weiterhin ist beabsichtigt, die Frage nach den Grenzen der Kunst aufzuwerfen. Zudem stellt sie
sich innerhalb des medizinischen Aktes der Operation zur öffentlichen Schau und lässt die
Zuschauer, quasi als `Voyeur` des eigentlich privaten Operationsvorganges und der
„sadomasochistischen Beziehung“, wie Helge Meyer es nennt, z.B. an dem postoperativen
Schmerz teilhaben. Vgl. Meyer, Helge: Schmerz als Bild. S. 237-243. 7 Blume, Anna: Chirurgische Ästhetik – Zur ››Carnel-Art‹‹ der französischen Performarin
ORLAN. S. 160. 8 Hier ist bewusst nur der Singular verwendet worden, um auf ein ganz bestimmtes, das westliche
Ideal zu referieren, das im Punkt 4 näher erläutert und auch analysiert wird. 9 Indirekte Quellen zur Hinführung:
Vgl. Basis Wien: "Habe meinen Körper der Kunst geschenkt" http://www.basis-
wien.at/avdt/htm/178/00060594.htm 08.05.2010
Vgl. Buschhaus, Markus: Der Körper ist eine Baustelle: Anatomisches Theater und Art Charnel
http://www.gradnet.de/papers/pomo2.papers/buschhaus00.htm 19.05.2010
Vgl. Portal Kunstgeschichte: Retrospektive
http://www.portalkunstgeschichte.de/kunstgeschehen/?print=yes&id=2116&p=0&PHPSESSID=f
wflcaru&PHPSESSID=fwflcaru
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wierungen herangezogen werden (3.1). Mittels dieser Körpermodifikationen soll im Teil
3.2 ein neuer Begriff für die `Schönheitsoperation` abgeleitet und entwickelt werden.
Mit dem vierten Punkt beginnt der eigentliche philosophische Part dieser Arbeit. Die
Theorie von Michel Foucault wird dazu dienen, die Beziehung zwischen Gesellschaft und
Individuum bezüglich der `Schönheitsoperation` zu überprüfen. Gesellschaftliche,
ethische Aspekte werden im Punkt 5 aufgegriffen und beziehen sich vor allem auf den
Arzt (5.1) und `Schönheitsoperation` als Technologie (5.2). Zur letzten philosophischen
Betrachtung wird der Philosoph Hans Jonas mit seinem Ansatz zur Ethik herangezogen.
Den Schluss der philosophischen Darstellung bildet die Fokussierung auf das Individuum
im Punkt 6 mit den Unterpunkten zur Identität (6.1) und zum Verhältnis von Subjekt und
Objekt (6.2). Für 6.2 wird ein Ausschnitt der Philosophie Jean Paul Sartres als
theoretisches Fundament gewählt. Daran anschließen wird sich das Fazit mit der
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse sowie einem kurzen Ausblick.
Für die Beschäftigung mit dem Thema `Schönheitsoperation` sollen drei Leitthesen die
Arbeit anregen: Die erste These lautet: `Schönheitsoperationen` sind Ausdruck von
Macht und dem Wunsch nach Anerkennung. Als zweite These wird gewählt: Die
`Schönheitsoperation` wirft ethische Probleme auf. Und zuletzt: Mittels der
`Schönheitsoperation` kann das Subjekt sich selbst objektivieren.
Als Themen können aufgrund der Kürze folgende Bereiche nicht behandelt werden: Die
Untersuchung nach `sex` bzw. `gender` hinsichtlich ihrer Wirkung auf die
`Schönheitsoperation, der Vergleich von verschiedenen Schönheitsidealen sowie
Enhancement als Diskurs. Auch die Medien mit ihrem Einfluss auf Gesellschaft und Indi-
viduum können in dieser Arbeit lediglich im Fazit erwähnt werden, da eine
Problematisierung in dieser Arbeit aufgrund der thematischen Einschränkung nicht
möglich sein wird.
Dieser Arbeit liegt die Annahme zugrunde, dass sich das Phänomen `Schönheits-
operationen`, philosophisch betrachtet, sowohl auf die Gesellschaft als auch auf das
Individuum beziehen. Daher habe ich den zweiten Teil dieser Arbeit die Betrachtung der
Beziehung von Gesellschaft und Individuum, in die spezifische Thematisierung der
Gesellschaft und in die Fokussierung des Individuums differenziert. Um nun in das
Thema ein-zusteigen, folgt der Punkt zur plastischen Chirurgie, dem Fachbereich, dem
`Schönheitsoperationen` zugeordnet werden.
2 Plastische Chirurgie allgemein
Die plastische Chirurgie „ist die Perfektion chirurgischer Feinarbeit, die Kreativität und
das künstlerische Vermögen, Vorhandenes zu formen, Fehlendes zu ersetzen und
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Überschüssiges zu entfernen.“10
Ein plastischer Chirurg verändert demnach den Körper
durch Einsatz, Formung und Entfernung von Teilen des Körpers.
Die wichtigsten Disziplinen der plastischen Chirurgie sind Verbrennungschirurgie,
kraniofaziale Chirurgie,11
rekonstruktive Chirurgie, Handchirurgie und `Ästhetische
Chirurgie`, d.h. unter der plastischen Chirurgie finden sich verschiedene Arten der
Chirurgie.
Die plastische Chirurgie stellt nicht nur Körperfunktionen wieder her, sondern
hilft auch das Körperbild eines Patienten zu korrigieren und damit dessen
Selbstempfinden zu verbessern.12
In diesem Zitat wird sowohl die wiederherstellende als auch die ästhetische Funktion der
plastischen Chirurgie angesprochen. Für diese Arbeit ist vor allem die `Ästhetische
Chirurgie` relevant, sowie die als Äquivalent wirkende rekonstruktive Chirurgie.13
Nachdem nun, relativ kurz, die plastische Chirurgie als Teilbereich der medizinischen
Tätigkeit definiert wurde, sollen nun im Folgenden zwei Disziplinen näher betrachtet
werden: die ethnisch motivierte `Schönheitsoperation` als Bestandteil der `Ästhetischen
Chirurgie` sowie die rekonstruktive Chirurgie. Beginnen wir mit dem Fall der ethnisch
motivierten `Schönheitsoperation`.
2.1 Ethnisch motivierte `Schönheitsoperationen`
„Um das Gefühl zu haben, `dazuzugehören`, bedarf es also immer der anderen, die nicht
dazugehören.“14
Im Grunde funktioniert so das Prinzip der Gruppenzugehörigkeit. Durch
10 Antonic, Magda, Hollos, Peter: Schönheitsoperationen. Methoden – Erfolge – Risiken – Kosten
– Adressen. Berlin: Urania 1998. S. 9. 11
Unter kraniofazialer Chirurgie wird die operative Korrektur komplexer, angeborener oder
erworbener Schädel- und Gesichtsdeformierungen durch umformendes Durchtrennen des
Knochens durch Meißel oder Säge verstanden.
Vgl. O.A.: Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. 261., neu bearbeitete und erweiterte Aufl. Berlin:
de Gruyter 2007.
Vgl. Universitätskliniken LKH Innsbruck: Kraniofaziale Chirurgie.
http://plastik.uklibk.ac.at/index.cfm?i_id=803 16.06.2010 12
Horch, Raymund E.: Sein und Design – Plastische Chirurgie bei der Korrektur des menschlichen
Erscheinungsbildes. In: Die Medizin und der Körper des Menschen. Hrsg. v. Franz J. Illard. Bern:
Hans Huber 2001. S. 60. 13
Indirekte Quelle für Punkt 2:
Vgl. Horch, Raymund E.: Sein und Design – Plastische Chirurgie bei der Korrektur des
menschlichen Erscheinungsbildes. In: Die Medizin und der Körper des Menschen. Hrsg. v. Franz
J. Illard. Bern: Hans Huber 2001. S. 59-71. 14
Lenk, Christian: Therapie und Enhancement. Ziele und Grenzen der modernen Medizin.
Münster: LIT 2001. S. 86.
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die Bildung eines Zusammengehörigkeitsgefühls15
und dadurch, dass jemand aufgrund
von äußeren Merkmalen als außerhalb der Gruppe dargestellt wird, auch `Out-Gruppe`16
genannt, bildet sich Gruppenzugehörigkeit. Wer sind solche Menschen der Out-Gruppe?
Menschen, die ausgeschlossen wurden und deshalb an sich ethnisch motivierte
Operationen vornehmen ließen.
Als Beispiel für solch eine Out-Gruppe können irische Migranten genannt werden, die im
19. Jahrhundert in die USA einwanderten. Diesen Menschen wurde nachgesagt, die
körperlichen Merkmale der `Stupsnasen` und `Fledermausohren` zu besitzen. Ein
weiteres bekanntes Beispiel ist die vor allem im Nationalsozialismus gängige
Stereotypisierung von Juden und Jüdinnen. Ihnen wurde nachgesagt, ebenso wie den Iren,
eine klar erkennbare allen Gruppenmitgliedern gemeinsame Nasen- und Schädelform
aufzuweisen. Diese wurden darüber hinausgehend als anatomische Referenz für die
Hinterlistigkeit des Juden bzw. der Jüdin und weitere negative Charaktereigenschaften
gewertet. Einige Schwarze ließen bzw. lassen sich die Haut bleichen, Nasen
verschmälern, Lippen verdünnen, um weniger schwarz auszusehen. Seit den 70er Jahren
sind Lidkorrekturen bei Asiat_innen bis hin zur Kombination mit Nasenverlängerungen
und Kinnimplantaten in der Beliebtheit gestiegen. Ab Ende des letzten Jahrhunderts hat
sich auch ein Trend zur Veränderung der Nasen bei z.B. Iranerinnen entwickelt, bei der
eine ausgeprägtere Form wie die Hakennase europäisiert wird, weil die Frauen nicht auf
„den ersten Blick mit dem Fundamentalismus in Verbindung gebracht werden
möchten.“17
Die als typisch empfundene Nasenform wird mit der Zugehörigkeit zu einem
Land und der extremistischen Ausprägung des Islams verbunden. An diesen Beispielen
lässt sich Folgendes erkennen und zusammenfassen:
Ethnisch kosmetische Chirurgie zielt oft auf die am stärksten identifizierbaren
und häufig karikierten Gesichtszüge – bei jüdischen Personen die Nasen, bei
asiatischen Augen und Nase und bei Afroamerikaner/innen Nasen und Lippen.18
Kathy Davis bemerkte in Gesprächen, dass eine unterschiedliche Beurteilung bei
`Schönheitsoperationen` an verschiedenen `race`19
, bezüglich `weißen`, europäisch
15 Dies kann zur `In-Gruppen-Verzerrung` führen, bei der die „Beurteilung der eigenen Gruppe
gegenüber anderer Gruppen als besser“ stattfindet. Zimbardo, Philip G., Gerrig, Richard J.:
Psychologie. 16., aktualisierte Aufl. München: Pearson Studium 2004. S. 816. 16
Zur Klarheit soll die folgende Definition zugrunde gelegt werden: „Die Gruppen, mit welchen
sich Menschen nicht identifizieren.“ Ebd. S. 816. 17
Gillman, Sander L.: Ethnische Fragen in der Schönheitschirurgie. In: Schönheitschirurgie. Hrsg.
v. Angelika Taschen. Köln: Taschen 2005. S. 135. 18
Davis, Kathy: Surgical passing – Das Unbehagen an Michael Jacksons Nase. In: schön normal.
Manipulation am Körper als Technologien des Selbst. Hrsg. v. Paule-Irene Villa. Bielefeld:
transcript 2008. S. 46.
Laut Kathy Davis verwenden Mediziner/innen für eine Art der `Schönheitsoperation` die
Bezeichnung `ethnisch kosmetische Chirurgie`. Ebd. S. 46.
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aussehenden Menschen und z.B. Schwarzen,20
vorzuliegen scheint. Warum könnte dies so
sein? Äußere Merkmale, die ganzen Gruppen zugeschrieben werden, rekurrieren meist
auf Vorurteile21
sowie Stereotypen22
und damit auf Zuordnungen von Charakter-
merkmalen. Ein Beispiel ist die erwähnte Ableitung negativer Charaktermerkmale aus der
propagierten phänotypischen Gemeinsamkeit von Juden und Jüdinnen. Durch die
`kosmetische Chirurgie` wurde und ist es möglich, sich von marginalisierenden23
anatomischen Merkmalen im wahrsten Sinne des Wortes zu befreien. Der vorher als
`anders`, als `anormal`, als `fremd` aufgrund seiner `race` angesehene Mensch konnte
ethnisch24
`anonymisiert` werden. Diese ethnische `Anonymisierung` wird auch als
`Passing` bezeichnet. Das bedeutet, dass jemand
eine neue Identität annimmt, um die Unterordnung und Unterdrückung,
die die bisherige Identität begleitet, zu entkommen und den Status und
die Privilegien der neuen Identität zu erlangen.25
Ethnisch motivierte `Schönheitsoperationen` werden demnach durchgeführt, damit
Personen die Benachteiligung und das damit verbundene Leiden überwinden können. Die
von Diskriminierung durch Zuordnung zu einer marginalisierten Gruppe soll gelöst
werden, indem die Person bestimmte anatomischer Merkmale aufgibt. Wenn ein Asiat
sein Augenlid dem weißen, nicht-kaukasischen Phänotyp angleicht, sich die Nase
verlängern und eventuell sein Profil modifizieren lässt, so verändert sich nicht nur die
19 In diesem Kontext möchte ich, ähnlich wie Kathy Davis, das Wort `race` statt `Rasse`
verwenden. Während für mich `Rasse` eindeutig negativ konnotiert ist, durch Rassenideologien
des Nationalsozialismus` und der heutigen Neonazist_innen-Szene, gibt Davis an, dass dem Wort
`race` diese negative Konnotation fehle. Daher werde ich diesen Begriff übernehmen. Was der
Nachfrage an der `ethnisch kosmetischen Chirurgie` zugrundeliegt, soll in diesem Abschnitt
umrissen werden, dafür ist es notwendig eine neutrale Begriffsebene mit dem Wort `race`
herzustellen. 20
Zu der Bezeichnung `Schwarz`: Sie wird als Selbstbezeichnung von Menschen, die politisch
unkorrekt als `farbig` betitelt werden. `Schwarz` ist zwar in dem Sinne als Begriff problematisch,
weil es einen starken Kontrast zu `weiß` herstellt. Da es aber eine selbst gewählte Bezeichnung
dieser Menschen ist, möchte ich ihn gern übernehmen.
Vgl. Der braune Mob: Informationen für Journalisten zu diskriminierungsfreier Sprache. Es gibt
keine „Farbigen“. http://www.derbraunemob.de/shared/download/warum_keine_farbigen.pdf
13.06.2010 21
Als Vorurteil wird eine „gelernte Einstellung gegenüber einem Zielobjekt [bezeichnet], die
negative Gefühle (Abneigung oder Furcht), negative Überzeugungen (Stereotypen), welche die
Einstellungen legitimieren, und eine Verhaltensabsicht umfasst, Objekte der Zielgruppe zu
vermeiden, zu kontrollieren, zu dominieren oder auszulöschen.“ Zimbardo, Philip G., Gerrig,
Richard J.: Psychologie. S.815. 22
Unter dem Begriff `Stereotypen` werden „Generalisierungen über eine Gruppe von Personen
[verstanden], wobei allen Mitgliedern dieser Gruppe die gleichen Merkmale zugewiesen werden.“
Ebd. S. 818. 23
„Marginalisieren“ soll als „an den Rand, in das (politische) Abseits drängen“ definiert werden. 24
Dieser Begriff soll als Adjektiv zu `race` verstanden werden, um `rassischen` aufgrund seiner
negativen Konnotation nicht verwenden zu müssen. 25
Davis, Kathy: Surgical passing – Das Unbehagen an Michael Jacksons Nase. S. 48.
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zuvor augenscheinliche Zugehörigkeit zu seinem Herkunftskontext, sondern auch sein
komplettes Gesicht. Dieser Mensch sieht nach einer so umfassenden chirurgischen
Veränderung seines Gesichtes nicht mehr wie vor der Operation aus, sondern wie ein
anderer Mensch. Höchstwahrscheinlich wird es Freund_innen oder Bekannten nach dem
operativen Eingriff schwer fallen, ihn wiederzuerkennen. Es ist, als habe er seine auf den
ersten Blick optisch wahrnehmbare Identifizierbarkeit verloren.26
Ein Vorher-Nachher-
Photo einer solchen ethnisch motivierten `Schönheitsoperation` ist im Anhang zu finden
(Abbildung 1).
Sich von ethnisch anatomischen Merkmalen zu trennen, kann zu Problemen mit
Mitgliedern der eigenen Ethnie führen. Diese können der operierten Person vorwerfen,
das eigene ethnische Erbe zu abzulehnen und Mitglieder der eigentlichen Herkunft
abzuwerten. Zudem löst die äußerliche Veränderung eines Einzelnen nicht das Problem
der Zuschreibung von angeblichen Charaktereigenschaften aufgrund anatomischer
Merkmale, sondern verstärkt diese sogar eventuell.
Zurück zu der Frage warum bei `Weißen`, von Diskriminierung aufgrund von `race`
weniger betroffenen Menschen, chirurgische Veränderungen des Äußeren
unproblematischer erscheinen, `Schönheitsoperationen` bei marginalisierten Gruppen
jedoch eher abgelehnt werden. Die Ausgangsfrage dazu lautet: Wo liegt der Unterschied
zwischen ethnisch motivierten Operationen und anderweitig motivierten kosmetischen
Operationen? Die Ausgrenzung und das Leid, das Menschen erfahren, weil sie z.B. als
Schwarze eine große, nichtweiße Nase und volle Lippen besitzen, diese negativen
Erfahrungen können Menschen auch mit weißer `race` machen, wenn sie aus anderen
Gründen nicht dem Schönheitsideal entsprechen, z.B. zu dick sind. Die Folge der
jeweiligen Andersartigkeit ist also vergleichbar. Kathy Davis weist jedoch auf einen
Unterschied hin:
Sie [die ethnisch motivierte `Schönheitsoperation`] verweist auf die unbequeme
Tatsache, dass in vordergründig demokratischen Gesellschaften Menschen noch
immer als `anders` definiert werden und daher gezwungen sind, Wege zu finden,
ihre `Andersartigkeit` zu verstecken und unsichtbar zu werden, um ihre
Lebenschancen zu verbessern.27
Der Bezugspunkt der ethnisch motivierten `Schönheitsoperation` ist ein anderer als bei
Weißen. Es ist die Zugehörigkeit zu einer Ethnie. Nach dem Antisemitismus des
Nationalsozialismus, der Bewegung in den USA gegen Rassismus in den 1960er Jahren
und ähnlichen Ereignissen, sollten (eigentlich) Vorurteile und Minderbewertung aufgrund
26 Die Frage der Identität soll hier lediglich gestellt, unter dem Punkt 6.1 aufgenommen und
bearbeitet werden. 27
Davis, Kathy: Surgical passing – Das Unbehagen an Michael Jacksons Nase. S. 61f.
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von `race` keine Rolle mehr im Denken und Handeln der Menschen spielen – dies ist
jedoch nicht so. Würden sich Menschen nicht aufgrund ihrer `race` benachteiligt fühlen,
müssten sie nicht ethnisch motivierte Schönheitsoperationen durchführen lassen. Der
Unterschied zwischen ethnisch und anderweitig motivierten Operationen liegt also im
Bezugspunkt und dem Unbehagen, dass Menschen verspüren, weil sie wissen, dass es
dieses rassenorientierte Denken nicht mehr geben dürfte. 28
Die Motivation, an sich
`Schönheitsoperationen` durchführen zu lassen, scheint angestrebte soziale Akzeptanz zu
sein. Das Anteil-haben-Wollen an dem Schönheitsideal der Weißen wirft demnach
verschiedene Fragen auf und verweist auf soziale Ungleichheiten.29
Dieses Thema der
Partizipation an der sozialen Akzeptanz soll unter dem Punkt 4 weiter verfolgt werden.
Die ethnisch motivierte `Schönheitsoperation` stellt einen Bereich der `Ästhetischen
Chirurgie` dar. Es stellt sich bei der Betrachtung der Themenfelder `wiederherstellende
Chirurgie` und `Ästhetische Chirurgie` die Frage, wie klar diese beiden Arten der
plastischen Chirurgie sich wirklich voneinander trennen lassen.
2.2 rekonstruktive Chirurgie
Der Begriff `rekonstruktiv`, also wiederherstellend, sagt aus, dass Teile des Körpers in
ihren natürlichen Zustand zurückgebildet werden sollen oder in einen vorherigen Zustand.
Dieser Teil kann von außen, z.B. durch einen Unfall oder durch Krankheit verändert sein.
Ein Beispiel für die rekonstruktive Chirurgie kann die Wiederherstellung der weiblichen
Brust nach Brustkrebsbefall sein.
Wenngleich auch ausgefeilte plastisch-chirurgische Operationsverfahren meist
nicht sämtliche Spuren der Brustkrebsoperation beseitigen können, so kann
jedoch durch die weitgehende Wiederherstellung des verlorengegangenen
Körperbildes ein enormer Gewinn an Lebensqualität bei betroffenen Patientinnen
erzielt werden.30
Dabei scheint es, dass etwas rein medizinisch indiziert ist, weil rekonstruktiv gearbeitet
wird. Dies lässt vermuten, dass … eine ästhetische Komponente in der wieder-
28 Der Fall, dass Menschen sich nicht zur `race`-Anonymisierung, sondern aus rein ästhetischen
Gründen, wie sie angeben, operieren lassen, soll an dieser Stelle nicht weiter thematisiert werden.
Eine ausführliche Darstellung der Für und Wider ist durch die Begrenzung der Größe der Arbeit
nicht möglich. Auch kann das Thema der ethnisch motivierten Operationen in dieser Arbeit
insgesamt nur sehr verkürzt wiedergegeben werden. 29
Indirekte Quellen zu 2.1:
Vgl. Davis, Kathy: Surgical passing – Das Unbehagen an Michael Jacksons Nase. S. 41-65.
Vgl. Gillman, Sander L.: Ethnische Fragen in der Schönheitschirurgie. S. 112-136.
Vgl. Lenk, Christian: Therapie und Enhancement. 30
Horch, Raymund E.: Sein und Design – Plastische Chirurgie bei der Korrektur des menschlichen
Erscheinungsbildes. S. 62.
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herstellenden chirurgischen Tätigkeit keine Rolle spielt. Es ist jedoch in Fachkreisen
strittig, was genau rekonstruktiv und was ästhetisch ist. Rekonstruktive Chirurgie kann
nicht in jedem Falle stringent als funktional oder medizinisch notwendig angesehen
werden, sondern kann auch ästhetische Komponenten in sich fassen. Jedoch scheint die
operative Rekonstruktion eine gewisse Legitimation dadurch zu erhalten, dass es „das
Recht eines jeden [ist], wieder so auszusehen, wie er [oder sie] von Natur aus aussehen
würde“.31
Ein Beispiel dafür, wie schwer es ist rekonstruktive und ästhetische Elemente getrennt zu
behandeln, ist der Fall der Herstellung einer neuen Brust aufgrund der Amputation bei
einer Patientin nach Krebsbefall. Im Anhang befindet sich ein Photo, das die
rekonstruktive Arbeit auch in ihrer ästhetischen Konnotation zeigt (Abbildung 2).
Sicherlich ist für den Laien verständlich, dass eine Neubildung der Brust nach der
Krankheit ein wichtiger Aspekt für die Patientin ist: Offensichtlichere Spuren der
Krankheit werden versucht zu beseitigen, insofern es möglich ist, da postoperative
Narben außer durch eine entsprechende Extrabehandlung nicht zu vermeiden sind. Der
Ersatz kann der amputierten Brust dazu führen, dass sich diese Frau wieder als (fast)
physisch vollkommener Mensch und auch als Frau wieder wahrnehmen kann.
Die ästhetische Komponente stellt auch bei der Wiederherstellung immer einen
unverzichtbaren und untrennbaren Anteil der plastisch-chirurgischen
Bemühungen dar.32
Das skizzierte Beispiel zeigt also bereits, dass chirurgische Arbeit sowohl wieder-
herstellend und damit medizinisch indiziert, sowie ästhetisch relevant sein kann. In einer
gewissen Grauzone zwischen der wiederherstellenden und der `Ästhetischen Chirurgie`
sind Mammareduktionsplastiken33
. Was den Eingriff in Form und Funktion des Körpers
angeht, so gleicht dieses Beispiel dem ersten, jedoch findet sich bei dieser Form der
Operation meist kein krankhaft vergrößerter weiblicher Busen, sondern ein, durch andere
Gründe, größerer Busen als sich die Patientin wünscht. Seit wenigen Jahren wird ein
solcher Fall als medizinisch und nicht rein ästhetisch indiziert bewertet. Denn bei
31 Für die Legitimität eines chirurgischen Eingriffes ist zudem die Auffälligkeit und Sichtbarkeit
der „Deformation“ von Relevanz, sowie der Leidendruck, der individuell wahrgenommen wird,
und die Art des Eingriffes scheint von Wichtigkeit zu sein, um Anerkennung im Umfeld zu
erreichen. Barbara Meili gibt an, dass Brust- und Lippenvergrößerung mehr gegenüber dem
Umfeld gerechtfertigt werden müssen.
Vgl. Meili, Barbara: Experten der Grenzziehung – Eine empirische Annäherung an
Legitimationsstrategien von Schönheitschirurgen zwischen Medizin und Lifestyle. In: schön
normal. Manipulation am Körper als Technologien des Selbst. Hrsg. v. Paule-Irene Villa.
Bielefeld: transcript 2008. S. 123. 32
Horch, Raymund E.: Sein und Design – Plastische Chirurgie bei der Korrektur des menschlichen
Erscheinungsbildes. S. 60. 33
Verkleinerung der weiblichen Brust.
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größerem Busen kann das Gewicht des Busens an sich zu somatischen Beschwerden, z.B.
zu Rückenschmerzen und anderen Beeinträchtigungen führen. Dieser kurze Einblick in
die Begrifflichkeit der rein rekonstruktiven Chirurgie, soll lediglich auf die Problematik
einer klaren Grenze zwischen wiederherstellender und `Ästhetischer Chirurgie`
verdeutlichen.34
Nachdem in die plastische Chirurgie mit ihren Disziplinen und Begriffen eingeführt
wurde, soll nun das eigentliche Thema dieser Arbeit seine Würdigung erhalten.
Grundlegend dafür wird es sein, auch die synonymen Begriffe für `Ästhetische Chirurgie`
genauer unter die Lupe zu nehmen im Hinblick auf ihre Eindeutigkeit und Aussagekraft.
3 Zur Problematik der Begriffe um die `Schönheitsoperation`
Die Begriffe `ästhetische Chirurgie`, `Schönheitschirurgie`, `Schönheitsoperation` und
`kosmetische Chirurgie` besitzen wenig inhaltliche Unterschiede. Minimalinvasive
Eingriffe (Eingriffe ohne Operation), wie z.B. Botox-Injektionen35
, gehören aufgrund
ihrer Funktionsweise fachlich korrekt gesehen nicht zur `Schönheitsoperation`, werden
jedoch umgangssprachlich salopp dazu gezählt.36
Um dem Problem der Titelvielfalt auf dem wirtschaftlichen Markt und der damit
einhergehenden Verwirrung der Kund_innen Einhalt zu gebieten, wurde eine
Modifizierung der Berufsbezeichnung beschlossen. Nach dieser weist sich der
`Schönheitschirurg` als nicht staatlich anerkannter Praktizierender aus. Im Jahre 2005
wurde während des Deutschen Ärztetages beschlossen, dass die Facharztbezeichnung
`Plastischer Chirurg` mit dem Zusatz `Ästhetischer` versehen wird und dieser Titel an
eine einheitliche Ausbildung und damit an eine gewisse Qualifikation geknüpft ist.37
Was sagt ein Wort wie `Schönheitschirurgie` aus bzw. was suggeriert es? Zum einen
scheint es sich stark auf Schönheit an sich zu beziehen, eventuell sogar auf ein Ideal.38
34 Indirekte Quellen für den Punkt 2.2:
Vgl. Horch, Raymund E.: Sein und Design – Plastische Chirurgie bei der Korrektur des
menschlichen Erscheinungsbildes. S. 59-71.
Vgl. Meili, Barbara: Experten der Grenzziehung – Eine empirische Annäherung an
Legitimationsstrategien von Schönheitschirurgen zwischen Medizin und Lifestyle. S. 119-142. 35
Bei der Faltenunterspritzung werden mit Hilfe von Kollagen oder auch dem Patienten/ der
Patientin entnommenem Fett die Falte „aufgepolstert“. Beide Stoffe, Kollagen und Eigenfett,
werden innerhalb einiger Monate vom Körper vollständig abgebaut, dieser Eingriff ist demnach
reversibel. Vgl. Horch, Raymund E.: Sein und Design – Plastische Chirurgie bei der Korrektur des
menschlichen Erscheinungsbildes. S. 69. 36
Vgl. Meili, Barbara: Experten der Grenzziehung – Eine empirische Annäherung an
Legitimationsstrategien von Schönheitschirurgen zwischen Medizin und Lifestyle. S. 119-142. 37
Powerpointpräsentation der Bundesärztekammer „Koalition gegen den Schönheitswahn“
http://www.bundesaerztekammer.de/search.asp?his=0.307 28.05.2010 38
Das Schönheitsideal wird im Punkt vier näher dargestellt und soll daher weniger relevant sein.
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12 | S e i t e
Zum anderen fällt das Wort `Chirurg` auf. Die Bezeichnung `Chirurg` lässt auf eine
medizinische Ausbildung schließen. Im besten Falle verbindet der Patient bzw. die
Patientin mit dem Begriff qualitative Arbeit. Mit dem Beruf des Arztes wird meist auch
eine heilende Tätigkeit verbunden.39
`Schönheitsoperationen` wie z.B. die
Brustvergrößerungen sind jedoch, in den meisten Fällen, medizinisch nicht indiziert. Sie
heilen nicht unseren Körper. Teilweise sollen sie die seelischen Wunden des Patienten/
der Patientin heilen, das ist jedoch nicht die Aufgabe des Arztes, sondern eines
entsprechend ausgebildeten Psychotherapeuten. Das Wort `Schönheitschirurgie` oder
auch `Schönheitsoperation` suggeriert demnach dem Kunden/ der Kundin40
: Der Arzt
wird mich durch seine `Schönheitschirurgie` heilen. `Schönheitschirurgie` heilt jedoch,
außer bei Grenzfällen,41
keine physischen Wunden, sondern sie fabriziert sie, indem bei
Operationen Haut aufgeschnitten wird, die danach wieder zusammenwachsen muss.
Begriffe wie `Schönheitschirurgie` oder `ästhetische Chirurgie` sind für den Laien
irreführend und daher abzulehnen.42
3.1 Tattoos und Piercings
Tätowierungen43
und Piercings44
sind historisch tradiert und nicht nur im westlichen
Alltag, sondern auch z.B. bei Naturvölkern in Afrika Arten von Körpermodifikation.45
Gerade in den letzten Jahren wurden in der westlichen Welt neue Methoden der
Körpermodifikation entwickelt bzw. weiterentwickelt, dazu gehören z.B. Scarifications
39 Der Arzt wird unter 5.2 gesondert behandelt, daher wird die Problematik an dieser Stelle
verkürzt dargestellt. 40
Es soll der Effekt von der Problematik von dem Bezug zum Arzt verstärkt werden, indem in
diesem Abschnitt objektiver von Kunden anstatt von Patienten gesprochen werden soll. 41
Diese Grenzfälle wurden bereits im Punkt zwei thematisiert und sollen der Kürze wegen hier
vernachlässigt werden. 42
Indirekte Quellen für den Punkt 2:
Vgl. Meili, Barbara: Experten der Grenzziehung – Eine empirische Annäherung an
Legitimationsstrategien von Schönheitschirurgen zwischen Medizin und Lifestyle. S. 119-142.
Vgl. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesärztekammer
http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/taetigkeit2005_11.pdf 28.05.2010 43
„Farbe unter die Haut zu bringen“ wird als Tattoo oder auch Tätowierung benannt. Abendroth,
Alana: Bodymodification. Tattoos, Piercings, Scarifications. Diedorf: Ubooks 2009. S. 10. 44
Piercings lassen sich als „Durchstoßen bestimmter Körperpartien zur Anbringung von
Schmuck“ beschreiben. Abendroth, Alana: Bodymodification. Tattoos, Piercings, Scarifications.
Diedorf: Ubooks 2009. S. 56. 45
Körpermodifikation soll hier als bewusste Veränderung des Körpers verstanden werden. Dabei
werden Frisurveränderungen, Make-up etc. weniger relevant sein, da sich die Person leichter in
ihren ursprünglichen Zustand zurückverändern kann und die hier angeführten
Körpermodifikationen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gänzlich wieder zurückbilden. Sicher
kommt es vor, dass das Einstickloch nachdem das Piercing entfernt wurde, wieder zuwächst, aber
in fast allen Fällen bleibt eine Narbe oder ähnliches zurück. Tattoos können wieder entfernt
werden, jedoch verbleiben auch hier Narben nach dem Eingriff am Körper.
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und Halb- sowie Vollimplantate. Zu den Piercings, auch „perkutaner Körperschmuck“46
genannt, gehören u.a. Nasen- und Intimpiercings, aber `Subdermale 3D-Implantate`,
welche vollständig unter der Haut liegen.47
Das Tattoo wird, wie beim Piercing im besten Falle, vom geübten Fachmann bzw. der
geübten Fachfrau vorgenommen48
. Von der Methode ist das Tattoo dem Piercing ähnlich,
weil auch hier etwas unter die Haut transportiert wird, nur ist es in diesem Falle kein
Schmuck, sondern Farbe. Das Motiv hinter der Körpermodifikation kann Ausdruck der
Identitätssuche, dem Wunsch nach äußerlicher Darstellung der Persönlichkeit sowie des
Zeigens von Individualität und Einzigartigkeit sein.49
Seit den 70er und 80er Jahren des
letzten Jahrhunderts konnten sich Körpermodifikationen, durch Musik- und
Lebensformen wie Punk und Metal, sowie dank MTV mit der permanenten Bereitstellung
von Musikvideos jeglicher couleur, ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft finden.
Anfangs trugen nur Menschen einiger Subkulturen wie z.B. der Punkszene diese
Körpermodifikationen, aber gerade in den letzten Jahren ist „[e]in Tattoo zu tragen […]
Mainstream geworden“, 50
wie z.B. die Tattoos über dem Po bei Frauen vor einigen
Jahren ziemlich beliebt waren.
Mit einem Tattoo dagegen ist die Möglichkeit gegeben, ein stärkeres Zeichen zu
setzen, und Veränderungsprozesse, die sich innerlich vollziehen, mit einem Bild
nach außen zu tragen und so die eigene Lebensgeschichte in Bildern auf der Haut
zu tragen. Besonders einschneidende Erlebnisse gehen so im wahrsten Sinne des
Wortes unter die Haut.51
Körpermodifikationen sind vor allem in Situationen der Veränderung des Selbst, wie z.B.
reversible Frisuränderung nach von Trennung von/m PartnerIn recht häufig ist, gerade
Tattoos stehen als Sinnbild für den Umbruch im Inneren und in der Umgebung dieser
Person. Dadurch hat sich auch die in den 70ern und 80ern entstandene Motivtradition
46 Abendroth, Alana: Bodymodification. S. 73.
47 Nach der Definition eines `Piercings` können die Implantate, auch wenn sie vollständig unter
der Haut liegen, dazu gezählt werden, da die Absicht das Anbringen von Schmuck ist und dazu die
Haut durchbrochen werden muss, damit das Implantat eingesetzt werden kann. 48
Im Gegensatz zum Arzt durchläuft das Personal in einem Tattoo- und Piercingstudio keine
professionelle, staatlich anerkannte Ausbildung, so darf z.B. der Tätowierer kein
Lokalanästhetikum spritzen. Der Tätowierer sollte aber basales Wissen zu Themen wie Anatomie
des menschlichen Körpers, Wundversorgung und –heilung, Notfallmaßnahmen bei Ohnmacht etc.
haben. Zudem sollte er aber auch Wissen zu Krankheiten, die übertragbar sind oder z.B. beim
Tätowieren zu Problemen führen könnten (wie Bluterkrankheit), haben. Zudem wird, im besten
Falle, auf Hygiene und Sterilität großen Wert gelegt und dies auch regelmäßig vom
Gesundheitsamt überprüft. Vgl. Abendroth, Alana: Bodymodification. 49
Trattner, Agnes: Piercing, Tattoo und Schönheitsoperationen. Jugendliche Protesthaltung oder
psychopathologische Auffälligkeit? Frankfurt am Main: Peter Lang 2008 (Erziehung in
Wissenschaft und Praxis). 50
Abendroth, Alana: Bodymodification. S. 51. 51
Ebd. S. 52.
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14 | S e i t e
verändert. So zierten Elemente oder ganze Motive wie Anker im Grunde nur Seeleute.
Dies hat sich gerade seit den letzten Jahrzehnten gewandelt:
Und so kann ein Tattoo unendlich viele Bedeutungen haben oder auch völlig
bedeutungslos sein, weil es gerade en vogue ist, eine bestimmte Tätowierung zu
haben.52
Die tradierte Bedeutung der Tattoos ist nicht zwingend vorhanden, da heute die
individuelle Bedeutung für den Träger/ die Trägerin wichtiger ist. Nun stellt sich die
Frage, warum Tattoos und Piercings in dieser Arbeit thematisiert werden. Die Antwort
darauf lautet: Ich möchte sie als Ausgangsbasis verwenden, um einen neuen Begriff zur
`Schönheitschirurgie` zu entwickeln.53
3.2 Begriffsvorschlag
Im vorigen Unterpunkt wurden `Subdermale 3D-Implantate` erwähnt. Alana Abendroth
sagt über diese Schmuckvariante: „Das Einarbeiten von Implantaten als
Körpermodifikation gilt als sanfte Form der Plastischen Chirurgie und es wird immer
noch mit zweierlei Maß gemessen.“54
Es scheint demnach eine gewisse Grauzone zwischen Körpermodifikationen wie z.B.
dem Piercing und der `Schönheitsoperation` zu geben.
Da derartige Körpermodifikationen [Tätowierungen, Piercings und
`Schönheitsoperationen`] immer auch eine Körperverletzung und
Schmerzzufügung beinhalten, weisen sie eine phänomenologische55
Ähnlichkeit
mit selbstverletzenden Verhalten auf.56
Es scheint einen Zusammenhang zwischen den im letzten Teil fokussierten
Körpermodifikationen und der `Schönheitsoperation` als eine gewisse Schmerzzufügung
durch den/die PiercerIn bzw. den Arzt/ die Ärztin zu geben. Beispielsweise wird beim
Durchführen des Piercings (durch das Durchstechen der Haut) Schmerz zugefügt und
52 Abendroth, Alana: Bodymodification. S. 51.
53 Das Thema kann innerhalb dieser Arbeit genauer behandelt werden, da Körpermodifikationen
eine lange Geschichte besitzen und die verschiedenen Arten, unterschiedlicher Methoden, die
Motive, Gründe usw. eine Abhandlung darüber füllen könnten. Vgl. Abendroth, Alana:
Bodymodification. 54
Ebd. S. 112. 55
Das Wort `phänomenologisch´ soll hier mehr als `etwas, das in seiner Erscheinungsform
ungewöhnlich ist, auffällig` im umgangssprachlichen Sinne verstanden werden und weniger als
philosophisch geprägt. 56
Trattner, Agnes: Piercing, Tattoo und Schönheitsoperationen. S. 13.
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15 | S e i t e
spätestens mit den postoperativen Schmerzerscheinungen (durch das Aufschneiden und
Verändern der Haut) erfolgt hier die Schmerzzufügung bei `Schönheitsoperationen`.57
In einem weiteren Punkt scheinen sich Tattoos, Piercings und
`Schönheitsoperationen` zu gleichen: der Intention.
Der Wunsch zur Körpermodifikation ergibt sich aus einer sich verändernden
Einstellung zum Körper. Der Körper soll sowohl der Norm entsprechen als auch
hochgradig individuell sein.58
Körpermodifikationen referieren in gewisser Weise auf das Schönheitsideal, weil Tattoos
Moden aufgreifen und `Schönheitsoperationen` sich oft am Standart z.B. der Stupsnase
orientieren. Der Wunsch nach Individualität scheint bei Piercings und Tattoos z.B. durch
die persönliche Sinngebung bei Tattoos stärker als bei der chirurgischen Veränderung zu
sein. Die extreme Angleichung an ein Schönheitsideal wie z.B. das Ideal der Barbie ist
sehr selten,59
sondern es werden oft nur einzelne Teile des Körpers als Makel betrachtet
und verändert.
In den verschiedenen Arten des Piercings, in der Tätowierung sowie in der
`Schönheitsoperation` finden sich Aspekte des Schmerzes, ob als Nebenerscheinung oder
als zusätzlicher Reiz und als positive Veränderung des Äußeren. Die Problematik (vor
allem) des Begriffes `Schönheitsoperation` wurde bereits dargestellt, nun soll die Frage
aufgenommen werden, warum auch Tätowierungen und Piercings thematisiert wurden.
Auch wenn die Gewichtungen der einzelnen Elemente, wie z.B. Angleichung an die
Norm gegenüber der nach außen gezeigten Individualität, bei den genannten
Körpermodifikationen und der chirurgischen Veränderung des Körpers unterschiedlich
sind, lassen sich durchaus starke Parallelen finden. Zur Verdeutlichung ziehe ich noch
einmal das Beispiel des Subdermalen 3D-Implantates heran. Das Material des
Schmuckstückes besteht meist gänzlich aus Silikon, es gibt auch Versuche z.B. mit
Teflon, wobei dieses dann aber mit Silikon ummantelt ist. Diese Implantate liegen
vollständig in der Haut an einem festen Punkt, d.h. es ist nicht intendiert, dass sie
innerhalb des Körpers wandern. Das Material und die Funktionsweise sind dem Implantat
bei der Vergrößerung der weiblichen Brust sehr ähnlich, die Brustimplantate sind
lediglich wesentlich größer als die des Subdermalen 3D-Implantates. Permanent Make-
57 Den Diskurs darüber, ob Körpermodifikation als selbstverletzendes Verhalten begriffen werden
kann, möchte ich nicht eingehen, da komplexe Themen wie Schmerz an sich und damit auch
Subjektivität, psychische Störungen und die dazugehörigen Grauzonen u.ä. in dieser Arbeit keinen
Platz finden können. 58
Abendroth, Alana: Bodymodification. S. 53. 59
So hat sich z.B. die Transsexuelle Amanda Lepore einer weitreichenden äußerlichen
Veränderung unterzogen und ähnelt nun stark der Barbiepuppe.
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16 | S e i t e
up, das umgangssprachlich zu den `Schönheitsoperationen` gezählt wird, funktioniert
durch die gleiche Methode wie ein Tattoo: Farbe wird in die Hautschichten gebracht.
Um den konnotativen Bezug zum Arzt bei dem Begriff `Schönheitsoperation` zu
vermeiden, schlage ich daher eine andere Bezeichnung vor: `ästhetische
Körpermodifikation`. Dieser Begriff hat gewisse Schwächen, da er sich stark an den
traditionellen Körpermodifikationen wie Tattoo und Piercing orientiert. Dagegen
scheinen Operationen wie das Facelifting einen starken Kontrast zu z.B. dem Tattoo zu
bilden. Es ist jedoch wichtig, sich auf der begrifflichen Ebene von der Suggestion, die mit
dem Begriff des Arztes einhergeht und dem damit erwarteten Heilungsprozess zu lösen.
`Ästhetische Körpermodifikation` weist diesen Bezug nicht auf und durch den Zusatz
`ästhetisch` soll die Intention des Kunden bzw. der Kundin das Äußere zu verändern
herausgehoben werden. Zudem fällt der Wortteil `Operation` in dem entwickelten Begriff
gänzlich weg. Dadurch lassen sich leichter verschiedene Arten der Modifikation in ihm
fassen, die durch `Operation` widersprüchlich wirkten, wie minimalinvasive Eingriffe.
Der neue Begriff `ästhetische Körpermodifikation` hat gegenüber den momentan
üblichen Bezeichnungen folgende Vorteile: Verschiedene Formen des ästhetischen
Eingriffes in den Körper, die fachlich ungenau als `Schönheitsoperation` benannt werden,
wie nichtoperative, minimalinvasive Eingriffe sowie Operationen werden unter
`ästhetische Körpermodifikation` erfasst. Durch die namentliche Nähe zu
Körpermodifikationen wie Tätowierungen und Piercings wird die ästhetische Intention
betont, vor allem durch den Zusatz `ästhetisch` im Begriff. Zudem fällt die Suggestion
des Heilungsprozesses durch den Verzicht auf den Begriff `Arzt` gänzlich weg, da
jeglicher Bezug dazu entnommen wurde.60
4 Zu Gesellschaft und Individuum: Schönheitsideal - Schnitt-Stelle(n)61 der Macht
Nachdem im ersten Teil begriffsanalytisch zur `ästhetischen Körpermodifikation`
gearbeitet wurde, werde ich mich nun dem zweiten Teil dieser Arbeit widmen, welcher
philosophisch angelegt ist. Dieser Abschnitt der Arbeit lässt sich in drei thematische
Aspekte, einteilen, auch wenn die Grenzen fließend sind. Der erste Aspekt des
philosophischen Teils wird sich mit dem Schönheitsideal, welches Schnitt-Stelle
zwischen Individuum und Gesellschaft ist, beschäftigen. Aufgrund der ausladenden
60 Indirekte Quelle für den Punkt 3.2:
Vgl. Abendroth, Alana: Bodymodification. Tattoos S. 107-117. 61
Wort übernommen von Seier, Andrea, Surma, Hanna: Schnitt-Stellen – Mediale
Subjektivierungsprozesse in THE SWAN. In: In: schön normal. Manipulation am Körper als
Technologien des Selbst. Hrsg. v. Paule-Irene Villa. Bielefeld: transcript 2008. S. 173.
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17 | S e i t e
Größe des Themenkomplexes `Schönheit`62
kann nur eine Metaanalyse geleistet werden,
zu deren Erläuterung Ausschnitte aus der Theorie Michel Foucaults herangezogen
werden.63
Auch wenn Foucault die `ästhetischen Körpermodifikation` nicht in seine Theorie mit
aufnahm, so lassen sich in seiner Arbeit Ansatzpunkte für die Problematisierung finden.
Dazu zählen z.B. seine Gedanken zur Bio-Politik. Foucault bezeichnet den Körper als
etwas durch Disziplin Bearbeitbares, so dass sich die Ressourcen und Möglichkeiten des
Körpers optimaler nutzen lassen. Der Körper wird in Systeme wirtschaftlicher Art
eingebunden und lässt sich dadurch besser kontrollieren, im besten Falle auf die
gewünschte Nutzung ausrichten.
Seine [des Körpers] Dressur, die Steigerung seiner Fähigkeiten, die Ausnutzung
seiner Nützlichkeit und seiner Gelehrigkeit, seine Integration in wirksame und
ökonomische Kontrollsysteme […].64
In dem Kontrollsystem werden Geburt und Tod, Fortpflanzung und allgemeiner Zustand
des Körpers etc. beobachtet und aufgrund dieser Beobachtungen wird regulierend
gehandelt. Dies kann man sich an dem Beispiel der Vorsorgeuntersuchungen für
Erkrankungen vor Augen führen: Meist werden Beobachtungen über Gründe und
Häufigkeiten der Erkrankung nach bestimmten Kriterien (Geschlecht, Alter usw.) getätigt
und anhand derer werden Studien vorgenommen, um die Annahmen zu verifizieren oder
zu falsifizieren. Anschließend werden je nach den Ergebnissen Maßnahmen eingeführt
oder auch nicht. So ist das Glaukom65
eine Krankheit, die die Augen betrifft.
Vorsorgeuntersuchungen ab mittlerem Alter sollen der Erkrankung bzw. ihrer
Verstärkung vorbeugen. Der grüne Star kann bei frühzeitiger Feststellung durch
Augentropfen gut behandelt werden. Vorsorgeuntersuchungen greifen also in den
ursprünglich natürlichen Lauf ein, wenn auch in diesem Beispiel zum (wahrscheinlichen)
Vorteil des Erkrankten.
62 Körperliche Schönheit, wie die ästhetische Chirurgie sie sieht, ließe sich entsprechend als durch
ein jugendliches und natürliches Aussehen sowie durch ausgeglichene Proportionen definieren.
Vgl. Ach, Johannes S.: Komplizen der Schönheit? Anmerkungen zur Debatte über die ästhetische
Chirurgie. In: no body is perfect. Baumaßnahmen am menschlichen Körper – Bioethische und
ästhetische Aufrisse. Bielefeld: transcript 2006. S. 193. 63
Diese Ausschnitte sind bereits entsprechend dem Thema der Arbeit ausgewählt worden und
können nur einen geringen Teil des gesamten Werkes Michel Foucaults bezüglich Themen,
Zeitdimension und daher auch Entwicklungen in der Theorie abbilden. Eine umfassendere
Betrachtung kann in dieser Arbeit nicht geleistet werden. 64
Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen. Band 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1983.
(Sexualität und Wahrheit). S. 134f. 65
Initiativkreis zur Glaukomfrüherkennung e. V.: Glaukom. Informationen zur Vorsorge.
http://www.glaukom.de/ 11.07.2010
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18 | S e i t e
Das von mir gewählte Beispiel soll die positive Seite der Bio-Politik aufzeigen. Foucault
kritisiert jedoch einen ganz wesentlichen Aspekt der Bio-Politik:
Die Installierung dieser großen doppelgesichtigen – anatomischen und
biologischen, individualisierenden und spezifizierenden, auf Körperleistungen
und Lebensprozesse bezogenen – Technologie charakterisiert eine Macht, deren
höchste Funktion nicht mehr das Töten, sondern die vollständige Durchsetzung
des Lebens ist.66
Dadurch, dass das menschliche Leben, durch die Kontrolle des Körpers durch die Bio-
Politik so massiv beobachtet und durch Maßnahmen in den individuellen Prozess des
Körpers einer Person eingegriffen wird, entsteht eine neue Regulierung, die auf den
menschlichen Körper ausgerichtet ist, die „Bio-Macht“.67
Jedes einzelne menschliche
Leben wird mittels der Kontrolle des individuellen Körpers beeinflusst. Die Technologie
spielt für diese Beeinflussung eine große Rolle, da sich durch sie anatomische und
biologische Leistungen und Prozesse aufzeichnen lassen und reguliert werden können.
Beispielsweise gibt es Medikamente wie neuere Antidepressiva, die in den
Hormonhaushalt des Gehirns eingreifen, um Depressionen zu heilen. Jedoch können
diese Medikamente lediglich das hormonelle Gleichgewicht im Körper wieder herstellen,
können bei psychischen Problemen aber keine Psychotherapie ersetzen.68
Die
`vollständige Durchsetzung des Lebens` führt zu einer neuen Form der Macht, die nicht
mehr auf das Ausschalten der Gegner, sondern auf deren Regulierung abzielt. Foucault
fasst dies wie folgt zusammen: „Zum ersten Mal in der Geschichte reflektiert sich das
Biologische im Politischen.“69
Das Thema Macht soll nun genauer bearbeitet werden. Es wurde bereits verdeutlicht, dass
der Körper des Menschen in den Fokus der Politik geriet, dies ist jedoch nur ein Teil des
Blickes, denn dieser Blick auf das Individuum wird auch vom Individuum selbst geleistet.
Die Beherrschung des eigenen Körpers und das Bewußtsein von diesem konnten
nur als Effekt der Besetzung des Körpers durch die Macht erworben werden: die
Gymnastik, der Muskelaufbau, die Nacktheit und das Schwärmen vom schönen
Körper … das alles liegt auf der Linie, die durch eine beharrliche, hartnäckige
und gewissenhafte Arbeit, […] zum Begehren des eigenen Körpers führt.70
Das Formen des eigenen Körpers gewinnt an Wert, wird aber durch Macht besetzt. Das
Individuum kann durch harte Arbeit seinen Körper selbst nach Wunsch (wenn auch in
66 Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen. S. 135.
67 Ebd. S. 135
68 Focus Online: Antidepressiva. Chemische Stimmungsmacher:
http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/depression/behandlung/antidepressiva/antidepressiva_aid
_16955.html 30.06.2010 69
Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen. S. 138. 70
Foucault, Michel: Analytik der Macht. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2005. S. 75.
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19 | S e i t e
gewissem Maße begrenzt) modellieren durch z.B. Sport. Gleichzeitig führt es aber dazu,
dass sich ein bestimmtes Bild des Körpers manifestiert, das nun verfolgt wird.
Wie lässt sich `Macht` als Begriff Foucault charakterisieren? Anhand von Eigenschaften,
die den Begriff macht definieren können, wird sich die Arbeit dem Foucault`schen
Begriff `Macht` nähern. Wenn man an Machtausübung denkt, so verbindet man wohl vor
allem im ersten Augenblick damit etwas eher Negatives wie Verbote. Foucault versteht
Macht in diesem Sinne anders: Gerade Verbote, das Unterdrücken von Unerwünschtem,
sind nicht die allein die prägende Kraft der Macht, auch wenn Foucault die
Unterdrückung nicht gänzlich ausschließt, so ist treibendes Element auch das Begehren.
„Wenn wir aber davon ausgehen, dass Macht nicht in erster Linie die Funktion hat zu
verbieten […] Lust zu schaffen, können wir verstehen, warum wir der Macht
gehorchen.“71
Macht wirkt, laut dem Philosophen, deshalb so extrem, weil Wünsche im
Menschen geweckt werden. Das Wechselspiel zwischen Bearbeitung des eigenen Körpers
und der Manifestation von Idealen somit damit von Begehren finden wir hier erwähnt.
Aber auch durch die Macht über den Körper können wir auch tiefergehendes Wissen über
ihn erlangen, durch Untersuchungen jeglicher Art.
Momentan wurde nur von Macht im Singular gesprochen, Foucault stellt fest, dass es
nicht `die` Macht an sich gibt, sondern sie sich aus Mächten und verschiedenen
Wirkungen hierarchisch zusammensetzt.
Eine Gesellschaft ist kein einheitliches Gebilde, in dem nur eine einzige
Macht herrschte, sondern ein Nebeneinander, eine Verbindung, eine
Koordination und auch eine Hierarchie verschiedener Mächte, die
dennoch ihre Besonderheit behalten.72
Macht ist demnach als ein Geflecht zu verstehen. Auch die starke Trennung von
Machtausübenden und Machterfahrenden bestätigt Foucault nicht, im Gegenteil schrieb
er: „Ich glaube, dass wir Machtbeziehungen nicht schematisch betrachten dürfen, auf der
einen Seite jene, die Macht haben, auf der anderen jene, die keine haben.“73
Anscheinend
lassen sich hier fließende Übergänge zwischen den Machthabenden und den Machtlosen
zeigen, denn „[d]ie Machtbeziehungen sind überall.“74
Im gleichen Buch, `Analytik der
Macht`, findet sich eine Aussage von Foucault, die dem Zitat gerade zu widersprechen
schein: „Macht wird immer von den ››einen‹‹ über die ››anderen‹‹ ausgeübt.“75
Dieses
Zitat sagt im Bezug zu dem anderen entweder aus, dass es Menschen gibt, die Macht
71 Foucault, Michel: Analytik der Macht. S. 238.
72 Ebd. S. 226.
73 Ebd. S. 239.
74 Ebd. S. 239.
75 Ebd. S. 255.
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20 | S e i t e
haben, diese aber nicht ausüben, wohingegen die Aussage zuvor sich auf die Ausübung
von Macht bezieht. Also kann es sein, dass Foucault zwischen dem Besitz und der
tatsächlichen Ausübung von Macht unterscheidet oder er widerspricht sich in `Analytik
der Macht` selbst. Dass aber genau die Trennung zwischen Machtausübenden/
Machtbesitzern und Machterfahrenden/Machtlosen schwierig ist, soll später noch einmal
thematisiert werden. Foucault bietet also für diese Problematik eine Basis in seinen
eigenen scheinbar widersprüchlichen Aussagen.
Welche Folge hat diese Form der Macht für den einzelnen Menschen? Durch das
`Durchsetzen` des kompletten menschlichen Lebens, was bereits beschrieben wurde,
findet die Macht auch ihren Eingang in das alltäglich Leben des Individuums, denn die
Macht gibt dem Individuum vor, was angestrebt werden soll, ein Ideal – das `Gesetz der
Wahrheit`:
Diese Machtform gilt dem unmittelbaren Alltagsleben, das die Individuen in
Kategorien einteilt, ihnen ihre Individualität zuweist, sie an ihre Individualität
bindet und ihnen das Gesetz einer Wahrheit auferlegt, die sie in sich selbst und
die anderen in ihnen zu erkennen haben. Diese Machtform verwandelt die
Individuen in Subjekte.76
Paradox scheint hier, dass die Machtform den Individuen sowohl ihre Individualität als
auch Kategorien zuweist.77
Das `Gesetz der Wahrheit`, von mir als Idealvorstellung des
Körpers interpretiert, wandelt die Individuen in Subjekte,78
die sich dieser Wahrheit des
Ideals in sich und im Gegenüber bewusst werden müssen. Dadurch, dass der Einzelne
diese Wahrheit für sich selbst erkennen kann, wird er zum Subjekt, das diese Wahrheit
annimmt und daher sich an diese Wahrheit und an die Macht, die das Ideal geprägt hat,
bindet, sich ihr unterordnet.
Ein weiteres Merkmal der Macht ist es, dass sie das Handeln vom Gegenüber beeinflusst,
d.h. der Einfluss lässt sich an den Taten des Anderen erkennen. „Die Ausübung von
Macht ist keine bloße Beziehung zwischen individuellen oder kollektiven ››Partnern‹‹,
sondern eine Form handelnder Einwirkung auf andere.“79
Zudem wird zur Macht-
ausübung die Bildung eines Konsens sowie die Verwendung von Gewalt genutzt, aber
76 Foucault, Michel: Analytik der Macht. S. 245.
77 Eine tiefergehende, komplexe Darstellung dieser anscheinenden Widersprüchlichkeit soll hier
nicht vorgenommen werden, um Macht in seinen Eigenschaften kurz zu charakterisieren.
Aufgrund der Kürze der Arbeit soll dieser Teil vernachlässigt werden mit dem Verweise auf das
Aufgreifen in der Anwendung auf die `ästhetische Körpermodifikation`. 78
Als Subjekt versteht Foucault zwei Formen: Als Subjekt, das Herrschaft eines anderen
Menschen untergeordnet ist und daher von ihm in irgendeiner Weise abhängig ist. Und: Als
Subjekt, eine individuelle Identität besitzt, weil es sich selbst bewusst ist und zur Selbsterkenntnis
fähig. Dies ist Merkmal eines Subjektes, da ein Objekt diese Fähigkeiten nicht besitzt.
Vgl. Foucault, Michel: Analytik der Macht. S. 245. 79
Ebd. S. 255.
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21 | S e i t e
diese beiden Formen sind nicht unweigerlicher Teil der Machtausübung. „Gewalt und
Konsens sind Mittel oder Wirkungen, nicht Prinzip oder Wesen der Machtausübung.“80
Da auf Gewalt (meist) eine Reaktion folgt und die Bildung von Konsens auch auf einen
Einfluss z.B. durch Diskussion hindeutet,81
lassen sich diese als Mittel der Macht
ausdrücken.
Auch das Verhältnis vom Machtausübung und Freiheit der Machtlosen hat sich der
französische Philosoph gewidmet: „[…]einem Verhältnis, das durch gegenseitiges
Antreiben und Kampf geprägt ist und weniger durch einen Gegensatz, in dem beide
Seiten einander blockieren, als durch ein permanentes Provozieren.“82
Der Wille zur
Freiheit und die Einschränkung durch den Machthabenden sollen sich nicht gegenseitig
zur Handlungsunfähigkeit beschränken, sondern sich in einem kämpferischen
Spannungsverhältnis befinden. Dies scheint auf relativ gleichwertige Antagonisten
hinzuweisen, da keiner von beiden den Kampf für sich entscheiden kann, sondern es ein
andauerndes Kräftemessen sein soll.
Michel Foucault hat das Thema `Bio-Politik` des Staates auf die Regierung ausgeweitet.
Er bezeichnet als „Gouvernement“ die Regierung, die sich durch Machtbeziehung „››gou-
vernementalisier[…]‹‹“.83
Dies geschieht vor allem dadurch, dass sie Leitungsstellen der
staatlichen Institutionen differenziert, rationalisiert und zentralisiert. Die Leitung der
Regierung wird also an der Vernunft ausgerichtet und verzweigter, aber zentral gesteuert.
„Die eigentliche Verankerung der Machtbeziehung ist außerhalb der Institutionen zu
suchen, auch wenn sie in einer Institution Gestalt annehmen.“84
Die Institutionen, die
gebildet wurden, wie Polizei, Beamtenapparat etc., tragen laut Foucault die Macht nicht,
sondern „[d]ie Machtbeziehungen wurzeln im permanenten gesellschaftlichen
Geflecht.“85
Dies lässt sich dadurch erklären, dass die Individuen das `Gesetz der
Wahrheit` verinnerlichen und ein bedeutend großer Teil an dieses Ideal glaubt. Dadurch
beeinflussen sich die Menschen gegenseitig und geben das Ideal weiter. Die Macht
durchzieht die Macht die Gesellschaft.86
Nachdem die Theorie Foucaults im Auszug vorgestellt wurde, soll nun diese auf die
`ästhetische Körpermodifikation` angewendet werden. Wir wollen die `ästhetische
80 Foucault, Michel: Analytik der Macht. S. 255.
81 Persönlich finde ich, dass Konsens nicht zwingend auf Beeinflussung von Machthabenden
beruht, da Konsens auch durch freien Austausch gleichwertiger Gesprächspartner hergestellt
werden kann, so dass man sich auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner einigt. Foucaults Aussage
lässt jedoch eher darauf schließen, dass Konsensbildung als Beeinflussung gesehen werden kann. 82
Foucault, Michel: Analytik der Macht. S. 257. 83
Ebd. S. 260. 84
Ebd. S. 258. 85
Ebd. S. 260. 86
Indirekte Quelle für den Punkt 4 zur Betrachtung der Theorie von Foucualt:
Vgl. Foucault, Michel: Analytik der Macht.
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22 | S e i t e
Körpermodifikation` als Schnitt-Stelle zwischen Individuum und Gesellschaft
untersuchen.
Die Auseinandersetzung mit Praxen der Verkörperung erfordert eine
Beschäftigung mit der Schnittstelle zwischen den Erfahrungen, die eine Person
mit ihrem Körper macht einerseits und den kulturellen Bedeutungen, die dem
Körper und den spezifischen Körperpraxen zukommen andererseits.87
Wir können also von der Erfahrung des Individuums mit seinem Körper und dem
sozialen, kulturell geprägten Verständnis vom Körper ausgehen. Liegt eine Ursache für
den Wunsch nach einer `ästhetischen Körpermodifikation` in solch einem sozialen Punkt?
„Das Motiv, das hinter Schönheitsoperationen steht, ist häufig der Glaube, dadurch
Erfolg, Ansehen oder eine neue Partnerschaft zu gewinnen.“88
Das bedeutet im Grunde,
dass mit der `ästhetische Körpermodifikation` die Hoffnung auf ein positiveres Leben
verbunden wird, in der sich Wünsche wie Erfolg, Anerkennung oder eine
Liebesbeziehung ausdrücken. Schöne89
Menschen erfahren mehr Anerkennung, mehr
positives Feedback vom Gegenüber, als Menschen, die als weniger schön angesehen
werden. Da Menschen sich vom Schönsein Vorteile versprechen, wie z.B. Anerkennung,
arbeiten sie daran für den Anderen schön(er) zu sein durch Make-up, durch für die
individuelle Figur passende(re) (betonende oder kaschierende) Kleidung, durch
Frisurveränderung oder durch `ästhetische Körpermodifikation` um jünger auszusehen
etc. „Schönheitshandeln ist mit anderen Worten ein sozialer Prozess, in dem Menschen
versuchen, soziale (Anerkennungs-)Effekte zu erzielen.“90
Diese vielfältige offensichtlich
äußerliche Veränderung referiert also auf Wahrnehmung und Erfahrung, was als
schön(er) empfunden wird und daraufhin inszeniert sich der Einzelne um dem Gegenüber
zu gefallen. „Moderne Körperinszenierungen erscheinen damit als Versuch der Teilhabe
um soziale Macht: Nicht eine Rolle lediglich spielen, sondern verkörpern ist die
Maxime.“91
Die Rolle `jung, schön, attraktiv` wird nicht nur gespielt, sondern
verinnerlicht. Warum, lässt sich an Foucaults `Gesetz der Wahrheit` verdeutlichen.
Nach den Ergebnissen sozialpsychologischer Studien haben schöne Menschen
(im Sinn der statistisch-mehrheitlichen Auffassung von Schönheit) mehr Erfolg in
87 Davis, Kathy: Surgical passing – Das Unbehagen an Michael Jacksons Nase. S. 59.
88 Trattner, Agnes: Piercing, Tattoo und Schönheitsoperationen. S. 75.
89 Auch wenn das Schönheitsideal an sich nicht in seiner komplexen historischen Entwicklung
hier angeführt wird, soll das Thema kurz später folgen, in seiner momentanen Ausprägung. In
dieser Arbeit wird es aber vor allem eine Metaanalyse sein. 90
Degele, Nina: Normale Exklusivitäten – Schönheitshandeln, Schmerznormalisieren, Körper
inszenieren. In: schön normal. Manipulation am Körper als Technologien des Selbst. Hrsg. v.
Paule-Irene Villa. Bielefeld: transcript 2008. S. 71. 91
Ebd. S. 80.
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der Liebe, im Beruf und im Leben überhaupt. […] Schönheit befähigt zu sozialer
Macht, dient ihrer Inszenierung und verkörpert Status.92
Das `Gesetz der Wahrheit` sagt in der momentanen, westlichen Gesellschaft aus: Wenn
du schön bist, bist du erfolgreicher in allen Bereichen deines Lebens. Die Menschen
haben dieses Gesetz dogmatisch angenommen, bis sie selbst zum Subjekt wurden, das
dies für sich selbst erkannt hatte und ihm die (scheinbare) Richtigkeit dieses Gesetzes
bewusst wurde. Das Ideal des schönen, schlanken Aussehens hat sich manifestiert in den
Köpfen, in der Seele der Menschen – in ihnen. Bei dieser Vorstellung referiert die
Äußerlichkeit des Menschen auf sein Innerstes: „Der Körper erhielt nun die Funktion, die
unsichtbaren Tiefenschichten des `Charakters` auszudrücken.“93
Schönheit wird mit
charakterlichen Eigenschaften verbunden.
Was jedoch verwundert, ist, dass das gegenteilige Denken auch im Denken der Menschen
aktiv ist. Menschen mit besonders guten Aussehen werden negative Merkmale wie
unzulänglich, materialistisch, weniger positiv gegenüber Bedürftigen oder sozial
Schwächeren, untreu, weniger verantwortungsbewusst, eitel, und neurotisch bezeichnet –
einem Potpourri negativer Zuschreibungen. Auch hier gibt es einen engen imaginierten
Zusammenhang zwischen Innerem und Äußerem eines Menschen.94
Ähnlich ist es bei der offiziellen Aussage, sich nicht am Schönheitsideal zu orientieren,
weil man nicht möchte, dass es scheint, also wolle man sich ausschließlich für andere
schön machen. Sich für sich selbst schön zu machen, klingt unabhängiger,
selbstbewusster und zeugt von Authentizität und Selbstbewusstsein. Menschen, die dies
aussagen, möchten nicht als `gehirnfreie Barbiepuppe` kategorisiert werden, sondern als
Mensch mit innerem Wert, als Individuum. Menschen wollen gern als einzeln, als
Individuum mit eigenem Wert verstanden werden. Hier finden sich demnach Beispiele
für die scheinbar paradoxe Verstrickung von Kategorisierung und Individualität.
Im Falle der `ästhetischen Körpermodifikation` finden sich einige der oben beschriebenen
Phänomene. So wollten Juden und Jüdinnen sich von antisemitischen, stereotypen
negativen Zuschreibungen durch eine Nasenoperation lösen. Das zeigt, dass das Bild des
Juden mit einer Hakennase eine feste Verbindung zwischen diesem äußeren Merkmal und
schlechten Charakter im Kopf des Menschen herzustellen vermag. Der Wunsch nach
92 Degele, Nina: Schönheit – Erfolg – Macht. In: APuZ. Aus Politik und Zeitgeschichte. 18/2007.
Hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung. Frankfurt am Main: Frankfurter Societäts-
Druckerei 2007. S. 29. 93
Alkemeyer, Thomas: Aufrecht und biegsam. Eine politische Geschichte des Körperkults. In:
APuZ. Aus Politik und Zeitgeschichte. 18/2007. Hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung.
Frankfurt am Main: Frankfurter Societäts-Druckerei 2007. S. 7. 94
Höchstwahrscheinlich lässt sich dies durch den Neid des Gegenübers erklären, der die gleiche
Anerkennung wie der als schön empfundene Mensch erfahren möchte.
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Anerkennung und mehr Erfolg lässt sich bei Asiat_innen finden, die ihr Gesicht an
`Merkmale` der weißen `race` angleichen wollen durch Augenlidkorrektur, Nasen-
verlängerung und Einsatz von Implantaten. Von der äußerlichen Veränderung erhoffen
sie sich mehr Erfolg im Beruf oder auch bessere Chancen bei der Partnerwahl.95
Frauen,
die bereits weiß sind und daher schon ein Merkmal des westlichen Schönheitsideals
erfüllen, möchten sich diesem weiter annähern und lassen sich z.B. die Brust vergrößern.
Sie lassen aber, bis auf Ausnahmen, nicht ihren kompletten Körper modifizieren, sondern
einzelne Stellen wie eine zu lange Nase oder zu kleine Brüste. Dies zeigt, dass die
Kategorie des Schönheitsideals als Vorbild zur Veränderung genutzt wird. Gleichzeitig
bleiben aber individuelle Bestandteile des Körpers durch die `ästhetische
Körpermodifikation` weniger berührt: Wird beispielsweise die Nase begradigt und
verkürzt auf eine Stupsnase, so bleiben Wangen und Mund, obwohl sie dem Ideal nicht
entsprechen, weil vielleicht der Mund zu schmal und die Wangenknochen nicht hoch
genug sind, in ihrem Zustand. Ein gewisser Grad an Individualität wird demnach
geschätzt und geschützt wird. Allerdings werden trotzdem Kategorien gebildet, wie etwas
auszusehen hat und wenn es das nicht tut, wie es dann bezeichnen wird und auf was es,
z.B. bei Vorurteilen, referiert. Dies kann als Übertragung der Aussage von Foucault
gesehen werden, dass Individuen in Kategorien eingeteilt werden, ihnen aber trotzdem
Individualität zugeschrieben wird. Nun bin ich im vorigen Satz von der Gesellschaft
ausgegangen, die diese Zuschreibungen vornimmt, meine Beispiele haben sich jedoch
auch auf den Wunsch des einzelnen Menschen zur Veränderung bezogen. Wie kann hier
die Verbindung mit Hilfe Foucault gezogen werden?
Michel Foucault spricht von einem `handelnden Einfluss`, der durch Macht ausgeübt
wird. Mittel dafür sind Gewalt und Konsens. Wenn Gewalt, im Gegensatz zum Konsens,
als physische Aktion verstanden wird, so ist es schwer ein Beispiel innerhalb des
Komplexes der `ästhetischen Körpermodifikation` zu finden, das physische Gewalt zur
Machtausübung zeigt. Sicherlich kann der Eingriff der `ästhetische Körpermodifikation`
als Gewaltanwendung verstanden werden, da ja ein Eingriff in den Körper vorgenommen
wird. Es geschieht mit Einwilligung der Patientin bzw. des Patienten, kann also weniger
als Gewalt verstanden werden. Als Mittel zur Machtausübung lässt sich Gewalt demnach
nicht in der `ästhetische Körpermodifikation` finden.96
95 Dieser Aspekt wurde bereits unter 2.1 thematisiert und soll hier zur Demonstration
herangezogen werden. 96
Jedenfalls sind mir keine solchen Fälle bekannt. Gewalt könnte auch als psychische Gewalt
verstanden werden, so wie es Psychoterror z.B. gibt. Als assoziativen Begriff würde ich Gewalt
bezogen auf das Schönheitsideal und die `ästhetische Körpermodifikation` als zu stark verstehen,
sondern eher als extreme Einflussnahme und diese wird diskutiert werden.
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Es gibt für Foucault noch ein weiteres Mittel zur Machtausübung: Konsens. Als
`Konsens` soll eine Einstellung zu etwas oder eine Denkweise verstanden werden.
Gemeinhin wird sie von einem Großteil der Mensch akzeptiert, findet deren Einwilligung.
Kann das Schönheitsideal als `Konsens` bezeichnet werden? Auch wenn das Ideal der
Schönheit, wenn überhaupt, nur durch viel Disziplin und harte Arbeit am Körper sowie
eventuell durch Eingriffe von `ästhetische Körpermodifikation` erreicht werden kann,
richten sich viele Menschen nach diesem Ideal oder orientieren sich daran. Ich denke, die
Begründung liegt in dem sozialen Anerkennungseffekt, der bereits beschrieben wurde.
Menschen wünschen sich Anerkennung durch andere, die sie aufgrund von gutem
Aussehen erhalten. Diese Anerkennung erhalten sie dann, weil der soziale
Anerkennungseffekt auf den Konsens des Schönheitsideals Bezug nimmt. Dieses Ideal
findet Bestätigung im Konsens und referiert auf ihn. Nun, es scheint hier ein
Zirkelschluss vorzuliegen. Er wirkt logisch, da ich den Wunsch nach Anerkennung und
den Konsens als starke Triebkräfte für Handeln, die sich gegenseitig bedingen, auffasse.
Auch wenn nicht alle Menschen sich an dem Ideal orientieren, so doch eine große Zahl.
Dieser `Teufelskreis` von gegenseitigem Bezug auf sozialer Anerkennung und Konsens
zeigt ein gewisse eigene Dynamik: Durch die wechselseitige Referenz auf einander
verstärken sich beide Ursachen, da sie weiter im Denken der Menschen manifestieren
können, das Ideal und seine Gründe `schleifen` sich quasi im Inneren des Menschen ein.
Der menschliche Körper ist ein durch und durch soziales Phänomen: Was immer
Menschen mit ihrem Körper tun, welche Einstellung sie zu und welches Wissen
sie von ihm haben, ist geprägt von der Kultur, Gesellschaft und Epoche, in der
diese Körperpraktiken, -vorstellungen und –bewertungen auftreten.97
Das Ideal wird von kulturellen, zeitlichen und gesellschaftliche Faktoren beeinflusst. So
verändert sich das Ideal des Körpers in Zeiten finanzieller und existentieller Not. Haben
die Menschen wenig Geld und wenig Nahrung, steigt die Tendenz zum Ideal von
Menschen mit mehr Leibesfülle.98
Inszenierungen des Körpers sind also auch von
Veränderungen im Leben bzw. innerhalb der Gesellschaft beeinflusst. Ob Krieg und
damit einhergehend Mangel an Luxusgütern und besonderem Essen besteht oder ob
davon im Überfluss da ist, bestimmt die Gesellschaft mit. Dadurch gab es im Laufe der
Zeit verschiedene Schönheitsideale wie die Rubensfrauen mit verstärkt weiblichen
97 Gugutzer, Robert: Körperkult und Schönheitswahn – Wider den Zeitgeist. In: APuZ. Aus Politik
und Zeitgeschichte. 18/2007. Hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung. Frankfurt am Main:
Frankfurter Societäts-Druckerei 2007. S. 4. 98
Zur Vereinfachung soll innerhalb dieser Arbeit kein Unterschied zwischen Leib und Körper
angenommen werden.
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Rundungen oder androgyne Frauen wie Twiggy in den 60er Jahren des letzten
Jahrhunderts.
Der Effekt des Schönheitsideals und die Verankerung in der Gesellschaft haben auch
durch die neuen Technologien andere Ausmaße angenommen:
Die Kultur der Optimierung hat sich mittlerweile auf eine Art und Weise
verselbständigt, dass nicht mehr die Veränderung und der Versuch einer
Verbesserung der Begründung bedürfte, sondern nun vielmehr begründet werden
muss, dass eine Optimierung unterlassen werden kann.99
Dieses Zitat spricht die Macht des Schönheitsideals an, denn es thematisiert, dass es nicht
mehr normal angesehen wird, seine Natürlichkeit zu behalten und weniger seinen Körper
auf irgendeine Art und Weise verändern zu wollen. Das Zitat sagt aus, dass, wenn diese
Modifikation abgelehnt wird, das Verhalten auf Unverständnis stößt. Dies kann man sich
am Beispiel des Ohrenanlegens verdeutlichen. Es ist nachvollziehbar, dass einem Kind,
das Segelohren hat, diese angelegt werden, so dass sie nicht mehr abstehen. Da
Segelohren nicht dem Schönheitsideal entsprechen, liegt es nahe, dass sie in den meisten
Fällen korrigiert werden. Wird dies jedoch nicht gemacht, so kann man sich vorstellen,
wie Bekannte und Freunden nach dem Grund für diese `Verweigerung` fragen. Die
Möglichkeiten der `ästhetische Körpermodifikation` nicht zu nutzen, kann auf
Unverständnis stoßen. Ähnlich ist es mit Menschen, die Übergewicht haben. Ihnen wird
(höchstwahrscheinlich) regelmäßig von besorgten Mitmenschen nahe gelegt, jetzt doch
endlich einmal abzunehmen, denn so, wie sie seien, seien sie nicht schön. Dabei werden
Sportarten und Diäten im besten Falle gleich empfohlen. Sich nicht permanent am
Schönheitsideal zu orientieren und Schönheitshandeln zu betreiben, kann demnach eine
negative Reaktion anderer Menschen nach sich ziehen, was die Einflusskraft auf das
Handeln der Menschen und damit die Macht zeigt.
Foucault hat seine Untersuchung zur Macht nicht auf die Gesellschaft begrenzt, sondern
auch auf den Staat ausgeweitet. So schuf er die Verbindung zwischen Politischem und
Biologischem im Begriff `Bio-Politik`. In der Bio-Politik wird der Körper des Menschen
kontrolliert, reguliert und durch Eingriffe verändert. Als Beispiel habe ich die
Vorsorgepraxis zum Glaukom angeführt. Diese Kontrolle und Modifizierung des Körpers
lässt sich auch auf die `ästhetische Körpermodifikation` anwenden. Sabine Maasen
beschreibt die `ästhetische Körpermodifikation` in der Bio-Politik folgendermaßen:
`Ästhetische Körpermodifikationen` seien Teile „bioästhetisch orientierter Gouver-
99 Lenk, Christian: Verbesserung als Selbstzweck? Psyche und Körper zwischen Abweichung,
Norm und Optimum. In: no body is perfect. Baumaßnahmen am menschlichen Körper –
Bioethische und ästhetische Aufrisse. Bielefeld: transcript 2006. S. 66.
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nementalität“1. Das Individuum verstünde sich als frei, selbstbestimmt und authentisch.
Es sähe seine Möglichkeit auf Selbstoptimierung und zur Gemeinschaft beizutragen.1 Das
Schönheitshandeln würde als frei gewähltes und weniger durch Andere suggeriert
empfunden. Dabei solle das eigene Leben verbessert, individuellen Chancen gesteigert
werden unter Verwendung von Technologien und Wissen.
Auch die Regierungswirkung schönheitschirurgischer Angebote ergibt sich ja in
aller Regel nicht, oder nicht allein, durch Zwangswirken, sondern auch durch den
individuellen Eindruck zu seiner Optimierung selbst etwas beitragen zu können –
und, wo es technisch möglich ist, es eigentlich auch zu müssen.100
Das bedeutet, dass Schönheitshandeln und damit auch die `ästhetische
Körpermodifikation` aus der individuellen Entscheidung heraus verwendet werden, um
das Leben zu verbessern, in dem Gedanken, dass mit steigernder Annäherung an das
Schönheitsideal die soziale Anerkennung und damit das Glück steigt. Sich der
Verwendung von `ästhetischen Körpermodifikationen` zu verweigern, bedeutet die
Technologie nicht zu nutzen und damit nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben
und daraus folgend selbst schuld am eigenen Unglück zu sein.
Aus gouvernementalitätstheoretischer Perspektive verweben sich
Optimierungsmotiv (Selbstführung) und Gemeinwohlgebot (Fremdführung) zum
zentralen Movens für die Akzeptabilität schönheitschirurgischer Aktivitäten.101
Der Staat hat also Anteil daran, dass sich Motive von Individuum und Gesellschaft
vermischen. Dies kann man sich dadurch erklären, dass er den Konsens als Basis nimmt
und z.B. Angebote unterstützt wie Präventionsprogramme gegen Krankheiten, die durch
Übergewicht hervorgerufen oder verstärkt werden, Diätmaßnahmen oder Mitfinanzierung
von Forschung in bestimmten medizinischen Bereichen, wie Foucault beschrieb. Selbst-
und Fremdführung des Individuums führen dazu, dass `ästhetische Körper-
modifikationen` akzeptiert und als positiv bewertet werden. Sie helfen dem Einzelnen,
schöner und erfolgreicher zu werden, sich damit in den Konsens einzufügen. Macht wird
in diesem Falle aber vorwiegend von der Gesellschaft auf den Einzelnen ausgeübt durch
Konsens und durch Suggestion, während der einzelne Mensch sich mehr beeinflussen
lässt als er selbst jemanden beeinflusst. Trotzdem muss man den Einzelnen als Teil des
Ganzen sehen und damit, dass er bzw. sie selbst zu der Machtausübung der Gesellschaft
als Zahnrad im Getriebe beiträgt.
100 Maasen, Sabine: Bio-ästhetische Gouvernementalität – Schönheitschirurgie als Biopolitik. In:
schön normal. Manipulation am Körper als Technologien des Selbst. Hrsg. v. Paule-Irene Villa.
Bielefeld: transcript 2008. S. 102. 101
Ebd. S. 103.
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28 | S e i t e
Auch die Freiheit des Individuums wurde kurz als Thema angeführt. Die politische
Macht bezieht sich vor allem auf das Wohl und damit die Interessen der Gemeinschaft
und weniger auf den einzelnen Menschen, da dessen Interesse sehr individuell,
unabhängig und konträr zum Gemeinwohl sein kann. Die Freiheit des Einzelnen wird im
Interesse der Gesellschaft eingeschränkt. Wie weit wird die Freiheit höchstwahrscheinlich
begrenzt?
Johannes Ach bekräftigt die These, dass dem Individuum das `Gesetz der Wahrheit` als
eigene Chance suggeriert und der Mensch damit beeinflusst werde. Ach geht weiter,
indem er behauptet, dass die `ästhetische Körpermodifikation` Indikator eines glück-
licheren Lebens sei und diese Aussicht dadurch zu einem Zwang werde, der eine Wahl
nur noch in der Theorie zulasse.
[…] dass es einen massiven, stetig zunehmenden Druck auf Frauen gebe, sich
solchen Maßnahmen zu unterziehen. Die Schönheitschirurgie verspreche
praktisch allen Frauen die Möglichkeit, sich einen schönen, jung aussehenden
Körper kreieren zu lassen. Dieser ››technologische Schönheitsimperativ‹‹ aber
mache die Freiheit der Wahl letztlich zu einer Illusion […]102
Der ` technologische Schönheitsimperativ` lässt sich inhaltlich mit dem Schönheits-ideal,
dem Foucault´schen `Gesetz der Wahrheit` gleichsetzten. Die Freiheit sei, laut Ach, reine
Illusion. Johannes Ach formuliert einen drastischeren Fall als bisher skizziert: Wenn man
davon ausgeht, dass `ästhetische Körpermodifikationen`, vor allem bei Frauen,103
massiv
beeinflusst genauer als fremdbestimmt angesehen werden sollen,
[…] können Entscheidungen einer Person überhaupt nur dann als autonom und
selbstbestimmt gelten, wenn sie nicht durch heterogene Motive ››kontaminiert‹‹
sind. Eine solche Vorstellung von Autonomie ist aber unrealistisch und jedenfalls
über Gebühr anspruchsvoll.104
Wie können wir Entscheidungen verstehen, die nicht durch heterogene Motive
`kontaminiert` sind? Ich denke, dass dies im Sinne des Aspektes der Beeinflussung
aufzufassen ist, als Denkstrukturen, die durch andere Menschen an das Individuum
herangetragen werden und dazu führen können, dass sich die Einstellung des Individuums
zu einem Thema, einer Sache verändern kann, so wie es von Foucault als Einfluss der
Macht auf das Handeln von Menschen formuliert wurde. Das Prinzip des sozialen
102 Ach, Johannes S.: Komplizen der Schönheit? S. 198.
103 Ach begrenzt es hier vor allem auf Frauen, da sie stärker dem Ideal ausgesetzt bzw. von ihm
tangiert werden. Der Aspekt über geschlechtsspezifisches Schönheitsideal und damit verbunden
die geschlechtsspezifische `ästhetische Körpermodifikation` kann in dieser Arbeit nicht weiter
behandelt werden. Es gibt jedoch gerade in Fachkreisen der feministischen Theorie bereits eine
längere Debatte über diese Themen. 104
Ach, Johannes S.: Komplizen der Schönheit? S. 202.
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Anerkennungseffektes und der Konsens in ihrer verstrickten Beziehung lassen sich hier
als Beispiel anführen. Der Wunsch nach Anerkennung durch Andere, durch die
Gesellschaft, sowie die Übernahme von Einstellungen des Konsens können dazu führen,
dass sich ein Individuum im Sinne des `Gesetzes der Wahrheit` der Gesellschaft
verändert, `ästhetische Körpermodifikationen` an sich durchführen lässt, um als schön(er)
zu gelten. Das Individuum wird also von Motiven von außen beeinflusst oder
`kontaminiert`. Wenn man sich aber vor Augen führt, dass der Einzelne in einer
Gesellschaft lebt, in einem sozialen Geflecht und nicht einsam auf einer Insel als Kind
dort auftaucht und ohne Kennenlernen eines anderen Menschen stirbt, bewegen sich
Menschen immer in einem gesellschaftlichen Raum. Dieser wird unweigerlich durch
Erfahrungen mit den Mitmenschen oder auch nur durch sinnliche Phänomene geprägt.
Ein vollständig von der menschlichen Umgebung unberührter Mensch ist schon aufgrund
der Einflüsse von Erziehung, Familie, Kindergarten und Schule kaum denkbar. Johannes
Ach gibt selbst an, dass eine 100 %ige Autonomie des Menschen eher abwegig ist, was
ich gerade versucht habe zu demonstrieren.
Nehmen wir eine gegenteilige Meinung: Die Ansicht Thomas Schrammes dazu verhält
sich zu beiden Aussagen von Johannes Ach konträr:
Nun kann man aber in der Modifikation des eigenen Körpers, in der
Überschreitung seiner biologischen Gegebenheit, die höchste Form der Ausübung
menschlicher Freiheit sehen. […] was einige Menschen als Verstümmelung
ansehen, gilt anderen als Perfektionierung ihrer physischen Erscheinung.105
Schramme versteht die Modifizierung des eigenen Körpers als Ausdruck von Freiheit,
weil der Mensch seinen Körper nach eigenem Belieben und Vorstellung verändern kann.
Die eigenen Wünsche, das eigene Ideal drückt sich somit in dem Aussehen des Menschen
aus. Aber auch hier besteht das Problem, dass das Ideal der Gesellschaft sich bei den
meisten Menschen verinnerlicht findet. Ist diese Beeinflussung nicht bereits
Einschränkung der Freiheit und die Modifizierung des Äußeren damit nicht manifestierte
Referenz auf explizit dieses Ideal und damit Verweis auf die Macht der Gesellschaft über
den Einzelnen?
Problematisch an den beiden von Johannes Ach angeführten Zitaten ist die Aussage der
Einschränkung der Freiheit bis zur Fremdbestimmung des Individuums durch Andere. Ich
habe versucht zu zeigen, dass das Schönheitsideal mittels der Gesellschaft eine gewisse
Macht auf das Individuum ausübt und dass es schwer für das Individuum sein kann, sich
105 Schramme, Thomas: Freiwillige Verstümmelung. Warum eigentlich nicht? In: no body is
perfect. Baumaßnahmen am menschlichen Körper – Bioethische und ästhetische Aufrisse.
Bielefeld: transcript 2006. S. 173.
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dieser Macht zu widersetzen. Wenn wir jedoch davon ausgehen, dass Macht bezüglich
dessen, was als Schönheit zu verstehen ist, auf die Menschen ausgeübt wird, müssen wir
uns fragen, wie weit dann ästhetische Entscheidungen auch der `ästhetischen
Körpermodifikation` als frei gewählt verstanden werden können. Johannes Ach und
Thomas Schramme bieten die zwei Eckpunkte einer Skala von ästhetischer Freiheit des
Individuums. An dem eigenen Körper Veränderungen vorzunehmen bedarf (fast) immer
der Initiative des Individuums106
und auch dessen Einwilligung, vor allem im Falle der
`ästhetische Körpermodifikationen`. Bei dieser kann von einer offiziellen, mündlichen
und schriftlichen Einwilligung in die körperliche Veränderung gegenüber einer anderen
Person, wie dem Arzt, ausgegangen werden. In diesem Moment vor dem Eingriff, in dem
Moment, in dem eingewilligt wird, kann das Individuum sich quasi noch umentscheiden.
Doch wir müssen davon ausgehen, dass viele Entscheidungen vor allem ästhetische
beeinflusst sind vom sozialen Geflecht und dem damit verbundenen Konsens. Soziale
Anerkennung ist ein starkes Motiv, denn kein Mensch möchte permanent nur abgelehnt
werden, vor allem nicht von den Menschen, die ihm wichtig sind und die er oder sie liebt.
Ich denke, diese Machtstruktur, der die Menschen durch das soziale Geflecht -
Gesellschaft - ausgesetzt sind, muss den Menschen stärker aufgedeckt und als solche
Machtstruktur und mit seinen Folgen vermittelt werden. Durch diese Art von Aufklärung
können Menschen die Einflüsse, die sie betreffen, besser reflektieren und hinterfragen.
Dies würde zu freieren Entscheidungen führen, weil das Individuum durch Aufklärung
mehr Möglichkeiten hat, sich zu distanzieren vom Machtgefüge. Bei dieser Distanzierung
können wir folgendes als Leitgedanke zu Rate ziehen:
Wir müssen uns vorstellen und konstruieren, was wir sein könnten, wenn wir uns
dem doppelten politischen Zwang entziehen wollen, der in der gleichzeitigen
Individualisierung und Totalisierung der modernen Machtstrukturen liegt.107
Jeder kann sich anhand dieser Aussage überlegen, was die `ästhetische
Körpermodifikation` an dem Menschen selbst verändert und wie wir wirklich sein
wollen.108
106 Veränderungen am Aussehen eines Kindes z.B. das Flechten von Zöpfen des kindlichen
Haares und ähnliche Fälle sollen ausgeklammert werden. Diese Betrachtung bezieht sich auf
Menschen ab der Pubertät, da ab da zunehmend eigene, bewusste Entscheidungen getroffen
werden. Auch Menschen mit geistiger Behinderung oder Alzheimer und ähnliche Gedächtnis- und
bewusstseinsbeeinflussenden körperlichen Zuständen sollen an dieser Stelle vernachlässigt
werden. 107
Foucault, Michel: Analytik der Macht. S. 250. 108
Indirekte Quellen zum Punkt 4:
Vgl. Degele, Nina: Schönheit – Erfolg – Macht. S. 27-32.
Vgl. Maasen, Sabine: Bio-ästhetische Gouvernementalität – Schönheitschirurgie als Biopolitik. S.
99-118.
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Am Ende der Betrachtung vom Verhältnis zwischen Gesellschaft und Individuum kann
festgehalten werden, dass das Schönheitsideal als Form der Machtstruktur verstanden
werden kann. Das Partizipieren an der Macht drückt sich in dem Wunsch nach sozialer
Anerkennung aus. Nun soll die Gesellschaft im Zusammenhang mit möglichen ethischen
Problematiken und der `ästhetischen Körpermodifikation` näher beleuchtet werden.
5 Zur Gesellschaft: Ethische Aspekte
Die `ästhetische Körpermodifikation` wirft mit ihrer Existenz und Verbreitung
verschiedene ethische Problematiken auf. Dazu zählt z.B. die eigene Verantwortung für
die Integrität109
des menschlichen Körpers, denn
[a]us der modernen Erwartung, seinen Körper zu gestalten, ergeben sich neue
Möglichkeiten des Körperumgangs und der Körperinszenierung, aber auch die
Eigenverantwortung für den Körper und den Druck sich Schönheitsnormen
eigenaktiv anzunähern.110
So wächst durch die Inszenierung und Veränderung vom eigenen Körper auch die Anzahl
der Variationen und diese stehen dem Einzelnen zur Verfügung. Aber jeder Mensch hat
auch nur seinen eigenen Körper, nur ein einziges Mal111
und daher muss er seinen Körper
so weit pflegen, dass dieser zum Leben funktionsfähig ist. Körpermodifikationen, egal
welcher Art, verletzen die Integrität des Körpers z.B. durch das Erzeugen von Wunden
bei Operationen oder bei Piercings. Auch Schönheitsnormen können die Integrität des
menschlichen Körpers einschränken, was Korsetts aus dem 19. Jahrhundert beweisen:
Durch das massive Zusammenschnüren wurden Rippen verbogen und Organe in eine
andere Form gedrängt, dies führte zu Beschwerden bei der Trägerin des Korsetts. In
diesem Themenfeld kann eine Frage lauten: Wie weit darf die Integrität des eigenen
Körpers eingeschränkt werden?
Durch das jeweilig geltende Schönheitsideal können Versprechungen im Einzelnen
geschürt werden, wie „Wenn ich diesem Ideal entspreche, werde ich glücklicher.“ Ideale
können den Menschen Hinweise geben, welchen Weg sie gehen sollten, wie die Ideale
der Tugenden. Ideale können aber auch weit entfernte vollkommende Vorbilder sein, die
sich vornehmlich auf Äußerlichkeiten beziehen und meist nicht zu erreichen sind. „So
Vgl. Menninghaus, Winfried: Der Preis der Schönheit: Nutzen und Lasten ihrer Verehrung. In:
APuZ. Aus Politik und Zeitgeschichte. 18/2007. Hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung.
Frankfurt am Main: Frankfurter Societäts-Druckerei 2007. S. 33-38. 109
Definition im Punkt 5.2 110
Trattner, Agnes: Piercing, Tattoo und Schönheitsoperationen. S. 13. 111
Ersatzvarianten von Organen und Körperteilen durch Transplantation sollen hier nicht weiter
betrachtet werden, da sie weniger relevant sind in dieser Betrachtung bezüglich der `ästhetische
Körpermodifikation`.
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wie der Mensch ist, wie wir ihn als Teil der Natur vorfinden, bleibt er stets hinter den
Idealen und Wünschen zurück.“112
Hier muss der Einzelne für sich das Maß, zwischen
Akzeptanz des Individuellen und Arbeiten zum Ideal hin, finden. Jedoch scheint dies für
Menschen leichter zu sein, die vermögend sind, um durch die Dienstleistung anderer
ihrem Ideal näher zu kommen oder bereits zu großem Teil diesem Ideal entsprechen. „Mit
der bisherigen Verteilung natürlicher körperlicher und geistiger Gaben sind vielleicht
auch nur diejenigen zufrieden, die dabei günstig weggekommen sind.“113
Dies sind nur zwei ethische Themen, die den Komplex der `ästhetische
Körpermodifikation` berühren. Da eine tiefergehende Betrachtung der ethischen
Problematiken zur `ästhetische Körpermodifikation`, aufgrund der Kürze, in dieser
Arbeit nicht geleistet werden kann, möchte ich mich auf zwei ausgewählte Bereiche
beschränken. Leitfragen sind hierfür: Welche Rolle nimmt der Arzt in der `ästhetische
Körpermodifikation` ein? Und: Wie kann die `ästhetische Körpermodifikation` als
Technologie innerhalb der hier leitenden Ethik Hans Jonas` eingeordnet werden? Ich gebe
der ersten Frage im Folgenden den chronologischen Vorrang.
5.1 Der Arzt
Die Frage: Welche Rolle nimmt der Arzt in der `ästhetische Körpermodifikation` ein?
soll zur besseren Übersichtlichkeit in zwei Themen gegliedert werden: Zuerst wird der
Arzt als Heilender fokussiert, danach als Dienstleister.
Wir erhoffen uns vom Arzt (Hilfe auf) Heilung. Der Arzt repariert verletzte Körperteile
und leitet sie, unterstützend durch Salben etc. an, sich selbst zu heilen oder therapiert sie.
Auch um Krankheiten vorzubeugen gehen Menschen zum Arzt. Die Menschen erhoffen
sich demnach vor allem Heilung oder Abwehr von Krankheit durch den Arzt. Wie jedoch
heilt der Arzt einen Menschen, wenn er oder sie an sich eine `ästhetische
Körpermodifikation` vornehmen lässt? Peter Baumgartner fasst es wie folgt zusammen:
In dieser Wechselbeziehung [zwischen fehlendem lebenserhaltenden Motiv und
meist günstigem Einfluss auf die Psyche des Patienten/ der Patientin] ist das
112 Bayertz, Kurt, Schmidt, Kur W.: ››Es ist ziemlich teuer, authentisch zu sein…!‹‹ Von der
ästhetischen Umgestaltung des menschlichen Körpers und der Integrität der menschlichen Natur.
In: no body is perfect. Baumaßnahmen am menschlichen Körper – Bioethische und ästhetische
Aufrisse. Bielefeld: transcript 2006. S. 43-62. 113
Siep, Ludwig: Die biotechnische Neuerfindung des Menschen. In: no body is perfect.
Baumaßnahmen am menschlichen Körper – Bioethische und ästhetische Aufrisse. Bielefeld:
transcript 2006. S. 38.
Page 34
33 | S e i t e
heilende Moment zu sehen, das die kosmetische Chirurgie vor allem aus
gesellschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten der heutigen Zeit rechtfertigt.114
Was also heilt der Arzt mittels der `ästhetischen Körpermodifikation` Seele115
oder
Körper?116
Baumgartner spricht wesentliche Aspekte im Hinblick auf den Arzt und auf
die `ästhetische Körpermodifikation` an: Bei `ästhetischen Körpermodifikation` bestehen
keine existentiell gefährdende Gründe um die Modifikationen durchzuführen. Die
Veränderung des Körpers mit Hilfe des Arztes habe einen Einfluss auf die Psyche des
Patienten bzw. der Patientin. Baumgartner sagt sogar aus, dass dieser Einfluss meist
positiv sei.117
Zudem gibt Baumgartner an, dass die Heilung durch den Arzt aus dem
Einfluss auf die Seele und nicht aus der existentiellen Notwendigkeit heraus bestehe.
Sehen wir uns diese nicht existentiell notwendige Körpermodifikation kurz etwas genauer
an.
Die größte Zahl der Eingriffe sind Operationen der Wahl das heißt die geplanten
Operationen werden nicht zur direkten Abwehr einer Lebensgefahr […]
vorgenommen, sondern zur Änderung eines Zustandes, der an und für sich keine
Bedrohung für das Leben bedeutet.118
Eigentlich ist der Arzt vor allem dazu da, den kranken Körper zu therapieren.119
Bei der
`ästhetischen Körpermodifikation` liegt jedoch keine körperliche Krankheit vor.120
Es
werden zu aller erst keine Wunden versorgt, sondern in vielen Fällen wie
Fettabsaugungen oder Lidoperationen Wunden dem Körper hinzugefügt. Zudem wird ein
Risiko vor allem durch Operationen für den Patienten/ die Patientin erst geschaffen, wie
z.B. an Folgen und Komplikationen (schweren körperlichen) Schaden zu erleiden oder
114 Baumgartner, Peter: Schönheit und Verjüngung durch kosmetische Chirurgie? Ein
medizinischer Ratgeber über Möglichkeiten, Grenzen, aber auch die Berechtigung kosmetischer
Eingriffe. Stuttgart: Georg Thieme 1972. S. 4. 115
Seele soll hier in einem nicht-theologischen Kontext als Begriff für den Charakter, aber auch
Gefühle verwendet werden. Es stellt in dieser Arbeit das Äquivalent zum Körper dar. 116
Den folgenden Überlegungen liegt die Annahme zugrunde, dass es sowohl den Körper als auch
die Seele gibt und diese zwei getrennte Bereiche sind, Überschneidungen dieser beiden Bereiche
werden dabei nicht ausgeschlossen. 117
Gründe und eine Problematisierung werden im Punkt 4 thematisiert. Hier soll lediglich eine
Nennung, keine Vertiefung folgen. 118
Baumgartner, Peter: Schönheit und Verjüngung durch kosmetische Chirurgie? S. 2. 119
Als Therapie wird die „Gesamtheit der Maßnahmen zur Behandlung einer Krankheit mit dem
Ziel der Wiederherstellung der Gesundheit, der Linderung der Krankheitsbeschwerden und der
Verhinderung von Rückfällen“ verstanden.
Brockhaus. Enzyklopädie Online: Therapie. http://www.brockhaus-
enzyklopaedie.de/be21_article.php?document_id=0x0dfa75da@be 27.06.2010. 120
Teilweise kann von einer seelischen Erkrankung als Grund für eine `ästhetische
Körpermodifikation` ausgegangen werden, dieses Thema soll jedoch nicht explizit genauer
untersucht werden.
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34 | S e i t e
sogar daran zu sterben.121
Man kann demnach schließen, dass der Patient bzw. die
Patientin durch `ästhetische Körpermodifikationen` einem Risiko ausgesetzt wird, dass es
ohne diese Veränderung nicht geben würde. Drastisch formuliert „gaukelt die Medizin
eine fast unbegrenzte und risikoarme Manipulierbarkeit des Aussehens vor“.122
Der (eventuell positive) Einfluss der `ästhetische Körpermodifikation` auf die
Persönlichkeit mag vielleicht damit indirekt Verdienst des Arztes sein, fällt aber
strenggenommen nicht in seinen Tätigkeitsbereich, den Körper. Es gibt für die Be-
handlung oder Heilung der Persönlichkeit ein eigenes, spezielles Berufsfeld: die
Psychologie bzw. Psychiatrie. Es sollte bei einer (relativen) Trennung zwischen den
Spezialisten für den menschlichen Körper und den der Seele bleiben.123
„Manche [Ärzte]
erzählen, sie behandeln die Seele mit dem Skalpell.“124
Damit beanspruchen sie, meiner
Meinung nach, Kompetenzen und Bereiche, die ihnen aufgrund ihrer körperorientierten
Ausbildung eher weniger zu stehen.
Eine weitere Problematik, die sich bei der Fokussierung auf den Arzt auftut, ist dass er
oder sie als z.B. Chirurg_in teilhat an der Verletzung des Körpers des Patienten/ der
Patientin. Der Patient/ die Patientin willigt ein, dass der eigene Körper in seinem
momentanen körperlichen Gesundheitszustand, verändert wird, ihm durch den Arzt
Wunden zugefügt werden. „Für die Gestaltung des Körpers waren und sind Menschen
bereit, die Integrität ihres Körpers verletzen zu lassen oder selbst zu beschädigen.“125
Dies
zeigt, dass der Arzt sich dem Grundsatz Menschen zu heilen wiedersetzt, wenn von einem
121 Allein in dem Zeitraum von 1998 bis 2002 ergaben sich nach Fettabsaugungen 71 Fälle mit
schweren Komplikationen, von denen 20 Menschen starben. Todesursachen waren Infektionen,
Perforationen der inneren Organe, Bakterieneinschwemmung in der Blutbahn etc. Die
Patient_innen, die überlebten waren von irreversiblen Lungenschädigungen, Narben und weiteren
Entstellungen betroffen.
Steinau, Hans-Ulrich: Komplikationen bei Fettabsaugungen. In: Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) (Hrsg.): "Spieglein, Spieglein an der Wand ..." - Zur
Diskussion um den Schönheitswahn - http://infomed.mds-
ev.de/sindbad.nsf/218bca09ea55e01dc12571e800562766/c26316526ac3202ac1256feb00297607/$
FILE/Sch%C3%B6nheit_BMGS-2005.pdf 19.05.2010 122
Degele, Nina: Fragen an Prof. Nina Degele. In: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung (BMGS) (Hrsg.): "Spieglein, Spieglein an der Wand ..." - Zur Diskussion um den
Schönheitswahn - http://infomed.mds-
ev.de/sindbad.nsf/218bca09ea55e01dc12571e800562766/c26316526ac3202ac1256feb00297607/$
FILE/Sch%C3%B6nheit_BMGS-2005.pdf 19.05.2010 123
Sicherlich gibt es Überschneidungen der beiden Felder in Symptomen bestimmter psychischer
Krankheiten. So wird jemand, der an einer somatoformen Störung leidet, wahrscheinlich aufgrund
seiner körperlichen Beschwerden, wie Bauch-, Rücken- oder Kopfschmerzen zuerst zu einem
Allgemeinmediziner gehen. Nachdem geklärt wurde, dass keine organischen Ursachen für die
Beschwerden vorliegen, wird er/ sie sich wahrscheinlich an einen Psychologen wenden. Bei
solchen Fällen sind jedoch die Ursachen der Beschwerden entscheidend und nach ihnen sollte der/
die Spezialist_in ausgesucht werden. 124
Ensel, Angelica: Nach seinem Bilde. Schönheitschirurgie und Schöpfungsphantasien in der
westlichen Welt. Bern: eFeF 1996. S. 12. 125
Ebd. S. 17.
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35 | S e i t e
streng körperlichen Tätigkeitsbereich ausgegangen wird. So entstehen Narben bei
Brustvergrößerungen etc., die ohne die `ästhetische Körpermodifikation` nicht gewesen
wären. Wenn ich, wie Christian Lenk, von einem zweiteiligen Therapiebegriff ausgehe
[…] sind also vor allem zwei Möglichkeiten einer Bestimmung des
Therapiebegriffes ins Auge zu fassen, nämlich einmal Therapie im engeren Sinn
als Heilung (manifester) Krankheiten, zweitens aber auch Therapie in einem
weiteren Sinn als Erhaltung und Wiederherstellung von Gesundheit, was
präventive und prophylaktische Maßnahmen mit einbezieht.126
Daraus lässt sich schließen, dass im Falle der `ästhetischen Körpermodifikation` der Arzt
nicht nur nicht heilt, sondern auch der (körperlichen) Gesundheit zuwider handelt. Dem
Hippokratischen Eid, hier im Auszug, auf den jeder Arzt und jede Ärztin schwören soll
„zum Nutzen der Kranken will ich eintreten“127
widerspricht dieses Handeln.
Im `Leitfaden Ästhetische Medizin`, der sich vor allem an Medizinstudent_innen richtet,
findet man „Paradigmen der ästhetischen Chirurgie“128
zur „kritische[n] Selbstprüfung
des Arztes in jedem Patientengespräch“.129
Zu diesen Punkten zählen der Leitsatz: „Der
Schutz der Gesundheit des Pat. steht an erster Stelle.“ und die Frage „Wird die
Gesundheit der Pat. durch den geplanten Eingriff gefährdet?“. Diesen beiden Fragen galt
der bisherige Untersuchungsteil zum Arzt als Heilenden. Nun wollen wir uns mit dem
Arzt als Dienstleister anhand der Frage „Stehen kommerzielle Interessen im Vordergrund
[…]?“130
beschäftigen.
Im `Leitfaden Ästhetische Medizin` finden sich Aussagen der Autoren, die nun
herangezogen werden, um das Thema `Arzt als Dienstleister` genauer zu betrachten.
Aus den mit dem Abschluss des Arzt-Patienten-Vertrags für den Arzt
resultierenden Pflichten sei hier vor allem die Beratungspflicht des Arztes
besonders angesprochen und hervorgehoben.131
Das Beratungsgespräch dient vor allem dazu, individuelle Gründe des Patienten/ der
Patientin für den Eingriff und über Risiken sowie mögliche Beschwerden aufzuklären.
Nach dem Beratungsgespräch muss sich der Patient/ die Patientin über den Eingriff, den
Ablauf wie Krankenhausaufenthalt etc. sowie über eventuell Folgendes wie Nach-
126 Lenk, Christian: Therapie und Enhancement. S. 34.
127 Hippokratischer Eid http://www.uni-heidelberg.de/institute/fak5/igm/g47/bauerhip.htm
28.05.2010 128
Dirschka, Thomas u.a.: Leitfaden Ästhetische Medizin. München: Urban & Fischer 2003. S.
50. 129
Ebd. S. 50. 130
Ebd. S. 50. 131
Ebd. S. 35.
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36 | S e i t e
operationen, Gefühlslosigkeit durch Durchtrennen der Nerven aber auch Infektionen usw.
klar sein, d.h. er/sie muss das Risiko, welches besteht, begreifen können.
Meist wird in einem solchen Beratungsgespräch auch über das Finanzielle gesprochen,
also welche Kosten auf den Patienten/ die Patientin zukommen können. Auch für diesen
Aspekt findet sich im `Leitfaden Ästhetische Medizin` ein Hinweis für (angehende)
Mediziner_innen: „Der Preis sollte nie alleine stehen, vielmehr mit Vorteilen und daraus
resultierenden Nutzen für den Patienten verbunden werden […]“132
Im
Beratungsgespräch müssen Risiken des Eingriffes besprochen werden, jedoch scheint mir
dieses Zitat als solle der Arzt/ die Ärztin den Preis mit positiven Gedanken wie Vorteile
und Nutzen für den Gegenüber ausstatten. Der Preis wird durch die für den Patienten/ die
Patientin absehbare Chance auf die gewünschte äußerliche Veränderung quasi relativiert.
Im Grunde kann hier von einer Einflussnahme auf den Patienten/ die Patientin zugunsten
des Arztes und durch den Arzt ausgegangen werden. Dies ist natürlich nur ein Beispiel
und kann weder für alle medizinischen Bücher bzw. Ratgeber, noch für alle
Mediziner_innen stellvertretend stehen.
Dieses Beispiel des `Leitfaden Ästhetische Medizin` zeigt jedoch, dass der Mediziner/ die
Medizinerin ihr Handwerk, ihre Leistung und damit den Eingriff in gewisser Weise
verkauft.
Da hier [in der Klinik] eine medizinische Behandlung verkauft wird, hat das
Beratungsgespräch doppelten Charakter – den einer ärztlichen Konsultation und
den eines Geschäftsabschlusses.133
In der Klinik werden im Zimmer des Arztes/ der Ärztin folglich zwei Komponenten der
`ästhetischen Körpermodifikation` zusammengeführt: Beratung und Bezahlung. Auch
hier findet sich das kritische Moment wieder, dass der Arzt nicht mehr allein (körperlich)
Heilender ist, was bereits verdeutlicht wurde.
Die Kliniken und mit ihnen die darin Arbeitenden sind aber nicht die Einzigen, aber der
größte Teil, der finanziell von der `ästhetische Körpermodifikation` profitiert. Es gibt
viele Berufe und Firmen, die damit ihr Geld verdienen, allein die Branche für Make-up
und Kosmetik arbeitet permanent an neuen Cremes, Methoden etc. um den Menschen
jünger oder schöner wirken zu lassen. „Schönheit als käufliche Ware ist in unserer Kultur
eine wichtige Wirtschaftsbranche mit Milliardenumsatz.“134
Die Kliniken und
Mediziner_innen, die `ästhetische Körpermodifikationen` anbieten, reihen sich damit in
132 Dirschka, Thomas u.a.: Leitfaden Ästhetische Medizin. München: Urban & Fischer 2003.. S.
92. 133
Ensel, Angelica: Nach seinem Bilde. S. 58. 134
Ebd. S. 25.
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37 | S e i t e
diesen ökonomischen Teil des menschlichen Lebens ein und haben daran durch Angebot
und Nachfrage Anteil.
Abschließend für diese Betrachtung lässt sich folgendes (sehr kritisch formuliert) sagen:
Schönheitschirurgie ist eine Ware, die als medizinische Behandlung verkauft
wird und damit unter dem Deckmantel der Notwendigkeit erscheint.
Schönheitschirurgie ist somit als eine Deformation der Medizin zu sehen.135
Der Arzt heilt, bis auf Ausnahmen, keine körperlichen Beschwerden, wenn er `ästhetische
Körpermodifikationen` durchführt. Damit entfernt er sich von seinem eigentlichen Ziel,
den Kranken zur Gesundung zu verhelfen. Zudem verkauft er bzw. sie die eigene
handwerkliche Leistung des körpermodifizierenden Eingriffes. Er nimmt damit eine neue
Position, die des Verkäufers, mit in seinen Aufgabenbereich auf. Das, was gemeinhin mit
dem Arzt verbunden wird, einen spezifisch auf den Körper ausgebildeten Menschen, der
sich der Heilung Kranker widmet, entspricht nicht mehr der Realität. Die gedankliche
Bezugnahme wird damit zu einem Trugbild für den Laien, den Patienten bzw. die
Patientin. Die Menschen müssen sich von diesem eindimensionalen Bild des Mediziners
lösen und sich die neue Rolle des Arztes/ der Ärztin, als Verkäufer und nicht mehr
Heilender, verdeutlichen. Dafür wäre es für den Laien hilfreich, eine neue Bezeichnung
für diese Ärzte, die momentan als `Ästhetischer plastischer Chirurg` betitelt werden, zu
formulieren, die sich von der medizinischen und damit hippokratischen Konnotation
absetzten. Eine mögliche Bezeichnung ist `Spezialist für ästhetische Körpermodifikation`.
Die sagt aus, dass die Person jemand ist, der eine gewisse Qualifikation besitzt und die
Bezeichnung dem Kontext des Medizinischen enthoben und damit nicht medizinisch
indiziert, sondern rein ästhetisch. Um Unklarheiten zu vermeiden, sollten medizinisch
indizierte Eingriffe und vor allem ästhetische auch durch unterschiedliche Begriffe
markiert werden. Für alles medizinisch Indizierte bleibt das tradierte Wort `Arzt` in all
seinen Varianten wie `Plastische Chirurg` usw. und für `ästhetische
Körpermodifikationen` gibt es dann den gesonderten Begriff `Spezialist für ästhetische
Körpermodifikation`.136
Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist
es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre
135 Ensel, Angelica: Nach seinem Bilde. S. 69.
136 Für den Punkt 5.1 sind folgende indirekte Quellen verwendet worden:
Dirschka, Thomas u.a.: Leitfaden Ästhetische Medizin.
Steinau, Hans-Ulrich: Komplikationen bei Fettabsaugungen. In: Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) (Hrsg.): "Spieglein, Spieglein an der Wand ..." - Zur
Diskussion um den Schönheitswahn - http://infomed.mds-
ev.de/sindbad.nsf/218bca09ea55e01dc12571e800562766/c26316526ac3202ac1256feb00297607/$
FILE/Sch%C3%B6nheit_BMGS-2005.pdf 19.05.2010
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38 | S e i t e
Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern
bzw. verändern können.137
5.2 Natur versus Technologie – Das Ver-Rücken der Wirklichkeit
„Die Kluft zwischen Kraft des Vorherwissens und Macht des Tuns erzeugt ein neues
ethisches Problem.“138
Hans Jonas schrieb in Betrachtung auf Technologien139
wie z.B.
die Atombombe. Wenn man sich allein die Gewalt(igkeit) der Atombombe, die auf
Hiroshima fiel, vergegenwärtigt, ist der Gedanke einer aufgrund der neuen Technologie
entwickelte Ethik nicht weit entfernt. Durch die neuen Möglichkeiten der massiven
Verletzung bzw. Auslöschung von Menschen in sehr kurzer Zeit, benötigt der Mensch
eine Ethik, die sich mit genau diesen Technologien und ihren Folgen auseinandersetzt. Ist
die `ästhetische Körpermodifikation` ein ähnlicher Fall, bei der es einer
Weiterentwicklung der Ethik bedarf?
Wenn dann also die neuartige Natur unseres Handelns eine neue Ethik
weittragender Verantwortlichkeit verlangt, kommensurabel mit der Tragweiter
unserer Macht, dann verlangt sie im Namen eben jener Verantwortlichkeit auch
eine neue Art von Demut – eine Demut nicht wie frühere wegen der Kleinheit,
sondern wegen der exzessiven Größe unserer Macht, die ein Exzeß unserer Macht
zu tun über unserer Macht vorzusehen und über unsere Macht zu werten und zu
urteilen ist.140
Jonas geht davon aus, dass die Menschheit mit dem permanenten Fortschritt eine neue
Art von Macht erlangt, eine exzessive, die normalen Grenzen überschreitende Macht. Das
bedeutet, dass die menschliche Macht eine neue, vorher nicht vorhandene Dimension
annimmt. So muss sich die Menschheit im Hinblick auf die neuen Möglichkeiten der
Macht auch einer daraus erwachsenden neuen ethischen Dimension stellen. Er bezeichnet
es als „Demut“.141
Wie kann das Wort `Demut` in einem nichttheologischen Kontext
verstanden werden?142
`Demut` kann (und soll in dieser Arbeit) als der bewusste
137 Ottawa Charta http://www.euro.who.int/AboutWHO/Policy/20010827_2?language=German
12.05.2010 138
Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische
Zivilisation. Frankfurt am Main: suhrkamp 2003. S. 28. 139
Als `Technologie` soll hier die „Gesamtheit der technischen Kenntnisse, Fähigkeiten und
Möglichkeiten, das technische Wissen hinsichtlich eines Gebietes“ bezeichnet werden.
Vgl. Brockhaus. Enzyklopädie Online: Technologie. http://www.brockhaus-
enzyklopaedie.de/be21_article.php?document_id=0x0dd8bf45@be 25.06.2010. 140
Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. S. 55. 141
Ebd. S. 55. 142
Da dieses Wort ursprünglich vor allem in einem christlich-religiösen Zusammenhang auftaucht,
möchte ich diesen verwenden, um den Begriff kurz herzuleiten. Im Alten Testament bezeichnet
`Demut` vor allem die basale Abhängigkeit des Menschen von seinem Schöpfer. Im Neuen
Testament, und damit im Christentum, wird die `Demut` als Tugend verstanden, in der der Mensch
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39 | S e i t e
Ausdruck der menschlichen Würde angesehen werden. Im Hinblick auf diese Demut, in
Bezug auf die menschliche Würde und damit auch auf das menschliche Leben, hat sich
die Verantwortung der Menschen für einander verändert. Diese Verantwortung muss, wie
Jonas es sagt, die Größe der menschlichen Macht und damit verbunden auch die
(negativen) Ausmaße in Betracht ziehen. Nur wenn dies getan wird, kann die Menschheit
über diese Macht urteilen und sie werten.
„Die biotechnologischen Revolutionen unserer Zeit sollen die Grenzen des Verfügbaren
ausdehnen und das bislang Unverfügbare kassieren.“143
Arnd Pollmann gibt hier eine
mögliche Dimension der neuen Technologien, spezifisch der Biotechnologie, an: Das
Machbare soll, durch die Technologien, das bis dahin Unmögliche, das Nichtmachbare,
möglich machen. Am Beispiel der Humangenetik wirft Hans Jonas ein Problem auf: der
Verstand des Menschen.
Zum einen bleibt der spätmoderne Mensch mit seinem Verstand um Längen
hinter den großen technischen Prozessen zurück, die er in Gang setzt und hält,
man denke an das Beispiel der Humangenetik, zugleich jedoch wird die
technische Verfügungsgewalt des Menschen längst nicht all jenen Hoffnungen
und Träumen gerecht, die seinen Fortschrittsoptimismus einst beflügelten.144
Der Mensch könne, laut Jonas, die neuen Technologien in ihrem Gesamtmaß an
Wirkungen und Folgen nicht vollends überblicken, da neue Technologien ein Novum
seien und daher nicht alle Konsequenzen in ihrer Bandbreite überblickt werden können
z.B. die Wechselwirkungen auf andere Technologien und Wissenschaften. Zudem können
nicht die vielfältigen Hoffnungen und Wünsche, die in den Fortschritt gesteckt werden,
gänzlich erfüllt werden. Je nachdem welches Defizit der Einzelne sehe, richten sich seine
Hoffnungen und Wünsche auf den technologischen Fortschritt. Technologien überfordern
den menschlichen Verstand zuweilen und können dem Optimismus, der in sie gesteckt
seine eigenen Grenzen akzeptiert und sich den Geboten Gottes, vor allem der Gottes- und
Nächstenliebe, unterordnet. Losgelöst vom religiösen Hintergrund kann `Demut` als „Ausdruck
für das Bewusstsein von der Würde des Menschen verstanden“ werden. Denn die christliche
Nächstenliebe lässt sich in nichtreligiöse Denkweisen übertragen, indem Menschen einander
akzeptieren, respektieren und helfen. Dieser Umgang zwischen Menschen kann jedoch nur
wirklich in die Tat umgesetzt werden, wenn Menschen als gleichwertig, wertvoll und mit einer
grundlegenden, unantastbaren Würde ausgestattet sind. Um dies als Denk- und Handlungsweise
annehmen zu können, müssen auch menschliche Grenzen beachtet werden, wie das Recht auf
Selbstbestimmung etc. `Demut` ist damit die Anerkennung menschlicher Würde.
Vgl. Brockhaus. Enzyklopädie Online: Demut. http://www.brockhaus-
enzyklopaedie.de/be21_article.php 25.06.2010 143
Pollman, Arnd: Hart an der Grenze. Skizze einer Anamnese spätmodernen Körperkults. In: no
body is perfect. Baumaßnahmen am menschlichen Körper – Bioethische und ästhetische Aufrisse.
Bielefeld: transcript 2006. S.310. 144
Ebd. S.313.
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40 | S e i t e
wird, nicht vollkommen gerecht werden, so Jonas. Im Grunde „[…]wissen [wir] erst, was
auf dem Spiel steht, wenn wir wissen, daß es auf dem Spiel steht.“145
Nicht nur die begrenzte imaginäre Reichweite des menschlichen Verstandes stellt für
Jonas ein Problem dar, sondern auch die Dynamik des technologischen Fortschrittes.
Diese Dynamik der Technologie ist „irreversibel“146
und „vorantreibend“147
. Im Grunde
lässt sich dies wieder an der Atombombe verdeutlichen. In dem Moment, indem sie
entwickelt und getestet bzw. das erste Mal abgeworfen wurde, war ihre Existenz in der
Welt nicht mehr umkehrbar. Sie ist feste Tatsache der menschlichen Welt: es gibt
Formeln, Dokumente, Fotos, Erfahrungen – Zeugnisse von ihrem Sein.
Dies ist aber nur ein Teil der Dynamik der Technologie, den zweiten stellt die
vorantreibende Komponente dar. Nicht nur die bloße Existenz der Atombombe von
Hiroshima, sondern auch deren Weiterentwicklung führt zu einer neuen Dynamik, einer
Eigendynamik. Nach der Hiroshima- Atombombe folgten weitere, die heute möglichen
Atombomben könnten, wenn nur eine einzige abgefeuert wird, zu einem sogenannten
`Overkill` führen, d.h. zur theoretisch mehrfachen Auslöschung der Menschheit. Auch die
wachsende Anzahl der Atombomben kann als `vorantreibend` erfasst werden, denn mehr
und mehr Länder haben atomare Waffen oder das Potential dazu, sie zu bauen. Neue
Technologien können also eine eigene Dynamik entwickeln, sich damit
verselbstständigen.
Damit verändert sich auch die menschliche Macht: „Die Macht ist selbstmächtig
geworden, während ihre Verheißung in Drohung umgeschlagen ist, ihre Heilsperspektive
in Apokalyptik.“148
Anhand der Atombombe wurden die `irreversiblen` und
`vorantreibenden` Aspekte des technologischen Fortschrittes demonstriert, die auch zu
einer neuen Macht führen können, Macht über andere Menschen, wie die Bedrohung
eines Landes durch ein anderes mittels atomarer Waffen. Das ursprünglich Gute an einer
neuen Technologie, kann sich auch in rein Negatives wenden.149
Jonas hat im Hinblick auf diese Problematik der neuen Technologien dafür plädiert, eine
neue Ethik zu entwickeln. Eine Grundlage dafür schuf er selbst, indem er einen neuen
kategorischen Imperativ formulierte: „››Schließe in deine gegenwärtige Wahl die
zukünftige Integrität des Menschen als Mit-Gegenstand deines Wollens ein‹‹.“150
Diese
145 Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. S. 8.
146 Ebd. S. 72.
147 Ebd. S. 72.
148 Ebd. S. 253.
149 Das Beispiel der Atombombe ist hier weniger schlüssig, denn in einem demütigen Sinne kann
die Atombombe nicht einen guten Zweck haben, sondern lediglich die Androhung oder
Ausführung von atomarer Gewalt. 150
Eine mögliche Formulierung des neuen kategorischen Imperativs.
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41 | S e i t e
ausgewählte Variante orientiert sich besonders an der Integrität151
des Menschen. Dieser
neue Imperativ soll die Menschen anleiten, bei dem Treffen von Entscheidungen immer
die Zukunft zu bedenken. Die Folgen für die Integrität des Menschen sollen in der
Entscheidung als Maßgabe angelegt sein. Ich denke, dass Integrität in dieser
Formulierung ganz klar auf die Demut und Verantwortlichkeit des Menschen referiert.
Nur durch Einhaltung und Schutz der menschlichen Würde, kann die Zukunft des
Menschen adäquat gesichert werden. „Aber der neue Imperativ sagt eben, daß wir zwar
unser eigenes Leben, aber nicht das der Menschheit wagen dürfen […]“152
Über das
eigene Leben darf bestimmt werden, aber nicht über das anderer in einem existentiellen
Sinn.153
„Der neue Imperativ ruft eine andere Einstimmigkeit an: nicht die des Aktes mit
sich selbst, sondern die seiner schließlichen Wirkungen mit dem Fortbestand
menschlicher Aktivität in der Zukunft.“154
Die menschliche Existenz ist grundlegender Maßstab für Entscheidungen im Sinne des
neuen Imperativs. Die Wirkung in die Zukunft hinein darf das menschliche Sein nicht
gefährden.
Nun wurde viel Basales zur Theorie Hans Jonas bezüglich neuen Technologien und der
menschlichen Verantwortung dazu dargestellt. Wie lässt sich genau dieser Ethikkomplex
auf das Thema der `ästhetischen Körpermodifikation` beziehen? Technologie kann als
Gesamtheit der technischen155
Kenntnisse, Fähigkeiten und Möglichkeiten auf einem
Gebiet verstanden werden. Die `ästhetische Körpermodifikation` kann daher als
Technologie eingeordnet werden, da es zur Durchführung einer Reihe von technischen
Kenntnissen und Fähigkeiten wie der Anästhesie, chirurgischen Grundfähigkeiten,
anatomischen Kenntnisse etc. bedarf. Die `ästhetischen Körpermodifikation` erfüllt also
eine Eigenschaft, die der Zugehörigkeit zur Technologie, um sie einer Überprüfung im
Sinne der Ethik Hans Jonas´ zu unterziehen. Was jedoch der `ästhetischen
Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. S. 36. 151
Die Frage, ob die `ästhetische Körpermodifikation` die Würde des Menschen verletzt, kann in
diesem Rahmen nicht beantwortet werden, denn dem müsste eine intensive Auseinandersetzung
mit dem Begriff der menschlichen Würde vorausgehen. Danach müsste eingehend geprüft werden,
in wie weit die `ästhetischen Körpermodifikation` die Würde des Menschen, wenn man ihn als
z.B. freies Individuum betrachtet, bedroht. 152
Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. S. 36. 153
Die existentielle Dimension ist hier von Relevanz, da die Politik durchaus über das Leben der
Menschen bestimmen kann und auch muss, durch Gesetze, Pflichten etc., aber die Politik darf
nicht über das Leben richten. 154
Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. S. 37. 155
Technik wird als „besondere Art des Vorgehens oder der Ausführung einer Handlung“
definiert.
Vgl. Brockhaus. Enzyklopädie Online: Technik. http://www.brockhaus-
enzyklopaedie.de/be21_article.php 25.06.2010.
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42 | S e i t e
Körpermodifikation` fehlt, ist die (offensichtliche) existentielle Dimension. Wie Jonas
herausstellt, kann die Menschheit nicht alle Folgen der Technologie fassen und so scheint
es mir auch bei dieser Technologie zu sein. Ich sehe derzeit keine grundlegende
existentielle Problematik bei der `ästhetischen Körpermodifikation`, abgesehen von dem
Risiko, das bei einer jeden Operation z.B. durch Behandlungsfehler und Nebenwirkungen
besteht. Es gibt Todesopfer durch `ästhetische Körpermodifikation`, aber die massive
existentiell bedrohliche Dimension ähnlich der Atombombe scheint mir nicht gegeben.156
Angenommen die Stufe der Bedrohung menschlicher Existenz erreicht die
`ästhetische Körpermodifikation` nicht – muss sie dann trotzdem an dem neuen
kategorischen Imperativ gemessen werden? Um dies zu beantworten, scheint es mir
wichtig zu klären, warum es an Jonas Ethik entschieden werden kann. Obwohl Jonas
höchstwahrscheinlich das Thema der `ästhetischen Körpermodifikation` nicht in Betracht
gezogen hat, gibt er einen Hinweis auf das Warum:
Das Paradoxe unserer Lage besteht darin, daß wir die verlorene Ehrfurcht vom
Schaudern, das Positive vom vorgestellten Negativen zurückgewinnen müssen:
die Ehrfurcht für das, was der Mensch war und ist, aus dem Zurückschauen vor
dem, was er werden könnte und als diese Möglichkeit aus der vorgedachten
Zukunft anstarrt.“157
Wenn wir also die `ästhetische Körpermodifikation` in die Zukunft transferieren, sind
dann die Menschen durch die `ästhetischen Körpermodifikation` in einem anderen
Zustand als in der Vergangenheit? Jonas gibt an dieser Stelle zu bedenken, dass wir eine
Ehrfurcht vor dem menschlichen Sein wieder entwickeln müssen. Die Ehrfurcht vor der
Natürlichkeit des menschlichen Lebens und damit auch des Körpers wird thematisiert,
`was der Mensch war und ist`. Vielleicht hat sich Jonas mit dieser Möglichkeit des `wie`
gar nicht so genau beschäftigt, aber indirekt mitgedacht scheint es wohl zu sein. Da die
`ästhetischen Körpermodifikation` in die Natürlichkeit des Körpers eingreift, durch
Botox-Injektionen, die die Nerven durch Gift lähmen und Operationen wie Liftings, weist
Jonas auch dazu an, Ehrfurcht vor dem ursprünglichen Zustand des menschlichen
Körpers zu entwickeln.
Jonas spricht in dem „Prinzip Verantwortung“ einen weiteren Aspekt an, der für die
`ästhetische Körpermodifikation` von Bedeutung ist: „Doch der Mensch ist selbst unter
die Objekte der Technik geraten.“158
Die Technologie, die der Mensch schuf, lässt den
Menschen zum Gegenstand der Technik selbst werden. Es lässt sich z.B. durch die
156 Vielleicht liegt es auch in der Begrenzung meines menschlichen Verstandes, die Jonas
problematisiert, diese Dimension zu sehen. Womit die These von Jonas, dass der menschliche
Verstand in seiner Vorstellungskraft beschränkt ist, sich an meinem Beispiel bestätigt hat. 157
Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. S. 393. 158
Ebd. S. 47.
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43 | S e i t e
vorantreibende Dynamik verdeutlichen, die bereits thematisiert wurde. Technologien
entwickeln eine eigene Dynamik, die den Fortschritt der Technologien antreibt. Die
Technologie ist nicht mehr nur auf die Natur außerhalb des Menschen beschränkt,
sondern bezieht ihn in den Fortschritt mit ein. Dies kann sich weiter dynamisch
verändern, sodass der Mensch weiter und weiter entsubjektiviert und dadurch objektiviert
wird.159
So kommt zu der Feststellung, daß die Beschleunigung technologisch gespeister
Entwicklung sich zu Selbstkorrekturen nicht mehr die Zeit läßt, die weitere hinzu,
daß in der dennoch gelassenen Zeit die Korrekturen immer schwieriger, die
Freiheit dazu immer geringer werden.160
Ein nächster Aspekt der Technologie soll hier, anhand von Jonas, nicht nur aufgeworfen,
sondern auch auf das Thema der Arbeit bezogen werden. Jonas spricht von der eigenen
Korrektur der Technologie. Diese Korrekturen werden bei auftretenden Defiziten
angebracht sein. Für solche Veränderungen ist, laut dem Philosophen, kein zeitlicher
Raum durch die technologische Dynamik gegeben. Wenn die Technologie sich
permanent innerhalb kurzer Zeit weiterentwickelt, kann sie sich nicht mehr genügend
korrigieren. Überprüfungen, Abwägungen, Alternativen finden keinen Platz, weil die
Technologie nicht optimiert, sondern erweitert werden soll. Jonas spricht in diesem
Zusammenhang noch etwas an: die Freiheit zur Korrektur. Sollte es die Möglichkeit der
Optimierung durch Korrektur geben, so ist die Zeitspanne dafür gering, weil es den
Fortschritt geben muss. Der Fortschritt nimmt sich die Änderung, das Verweilen in einer
Phase zur Überarbeitung, als Möglichkeit, als Freiheit. Was bedeutet das für die
`ästhetische Körpermodifikation`? Nach Jonas wird sie immer weiter vorangetrieben,
aber korrigiert sich nicht selbstständig. Auf der einen Seite gibt es immer wieder neue
Varianten des Lifting wie z.B. nur ein Stirnlifting oder ein komplettes Gesichtslifting.
Meiner Meinung nach lässt sich jedoch auf der anderen Seite an der Entwicklung von den
Materialien für Brustimplantate einer gewisse Korrektur feststellen. Anfangs wurde das
Silikon lediglich in den Brustbereich gespritzt, was zu Beschwerden wie Infektionen
führte. Jahre später wurde das Silikonkissen entwickelt, erst mit Kochsalzlösung, dann
mit Silikon gefüllt. Später wurde die Oberfläche von glatt auf rau korrigiert, sowie die
Position von ursprünglich über den Brustmuskel auf vorwiegend untern den Brustmuskel
verlegt. Auch wenn es noch verschiedene Füllungen der Implantate gibt, mit ihren
jeweiligen Vor- und Nachteilen, so wurde anhand von Beschwerden der Patientinnen
Beschaffenheit und Material der Brustimplantate korrigiert. In diesem Punkt muss man
159 Ausführlicher soll dies im Punkt 6.2 problematisiert werden.
160 Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. S. 72.
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44 | S e i t e
demnach Jonas widersprechen, wenn er sagt, dass die Technologien sich wenig oder gar
nicht korrigieren (lassen). Das Beispiel der Brustimplantate zeigt einen anderen Fall. Was
wir jedoch im Sinne Jonas auf die `ästhetische Körpermodifikation` festhalten können, ist
dass die Menschen, die heute leben und an sich `ästhetische Körpermodifikation`
vornehmen lassen und auch andere, die sie beobachten, für die Menschen in der Zukunft
Verantwortung haben. „Verantwortung ist die als Pflicht anerkannte Sorge um ein
anderes Sein, die bei Bedrohung seiner Verletzlichkeit zur ››Besorgnis‹‹ wird.“161
Die
Verantwortung der Menschen liegt darin, sich zu sorgen. Im Falle der `ästhetischen
Körpermodifikation` liegt die Sorge in dem ursprünglich natürlichen Sein des Menschen,
da eine existentielle Bedrohung zu diesem Zeitpunkt nicht abgesehen werden kann. Was
die Menschen in die Ethik, in ihre eigenen Betrachtungen einbeziehen müssen ist, die
„Pflicht zu jener Wachsamkeit über die Anfänge“162
, wie Jonas es formulierte. Denn
dadurch kann der Eigendynamik der Technologie und fehlenden Demut der Menschen
Einhalt geboten werden.163
6 Zum Individuum
Es wurde das Schönheitsideal mit seiner praktischen Umsetzung als Bindeglied zwischen
Gesellschaft und Individuum sowie die gesellschaftsorientierte Dimension der
`ästhetischen Körpermodifikation` demonstriert. Nun wenden wir uns dem letzten
philosophischen Aspekt der Arbeit zu: dem Individuum. Bezogen auf Schönheit, dem
Schön-heitshandeln, schrieb Nina Degele: „Sich schön machen ist mitunter harte Arbeit,
die bis hin zur Frage `wer bin ich und wer will ich sein?` reicht.“164
Genau dies soll uns
als leitenden Gedanken für die folgenden Betrachtungen begleiten: Wer bin ich und wer
will ich sein?
161 Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung. S. 391.
162 Ebd. S. 72.
163 Indirekte Quellen für den Punkt 5.2:
Vgl. Gilman, Sander L.: Die erstaunliche Geschichte der Schönheitschirurgie. In:
Schönheitschirurgie. Hrsg. v. Angelika Taschen. Köln: Taschen 2005. S. 62- 108.
Vgl. Jonas, Hans: Das Prinzip Verantwortung.
Vgl. Karcher, Eva: Operative Eingriffe In: Schönheitschirurgie. Hrsg. v. Angelika Taschen. Köln:
Taschen 2005. S. 354-363. 164
Degele, Nina: Normale Exklusivitäten – Schönheitshandeln, Schmerznormalisieren, Körper
inszenieren. S. 70.
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45 | S e i t e
6.1 Identität
Die Schönheitschirurgie eröffnet ihren Klientinnen die Möglichkeit in ein
neues Verhältnis zum eigenen Körper einzutreten und im Rahmen dieses
Prozesses auch ihre Identität neu zu konstruieren.165
Menschen weisen anderen Menschen eine Identität166
zu, indem sie den Anderen z.B. als
etwas bezeichnen oder sie beschreiben. Zu dieser Beschreibung können Aspekte wie
Aussehen und Charakter gehören. Wenn jedoch das Äußere nichts Beständiges ist, kann
dies zu Schwierigkeiten der Identitätszuweisung führen:
Wie ist Identität zu denken, wenn sie nicht mehr durch den Rekurs auf den
››eigenen‹‹ Körper definiert werden kann, weil der Körper nicht mehr der Eigene,
sondern ein Gemachter und teilweise ein Fremder ist.167
Dabei referiert Identität nicht nur auf das schnell Sichtbare, sondern kann sich auch auf
jegliche Definitionen wie Geschlecht,168
Herkunft, Alter etc. beziehen.
Identitäten werden in spezifischen historischen und sozialen Kontexten
verhandelt, in denen kulturelle Konstruktion von `race`, Ethnizität, gender
Sexualität, Alter und Nationalität individuelle Wahrnehmungen des eigenen
Körpers formen und vorgeben, welche Praxen der Veränderung des Körpers
wünschenswert, akzeptabel oder angemessen sind.169
In diesen historischen und gesellschaftlichen Bereichen spielt der Körper und damit
Praktiken in Bezug auf den Körper wie Schönheitshandeln für die Identität eine Rolle.
Dies hat sich bereits im Punkt 4 bei der Beziehung zwischen Gesellschaft und Individuum
gezeigt, weil z.B. ein Konsens über ein Schönheitsideal herrscht. Identität als
Zuschreibung einer Bezeichnung zu etwas Bezeichneten, kann sich demnach, durch
Einflüsse aus der Gesellschaft, verändern.
165 Borkenhagen, Ada: Gemachte Körper. Die Inszenierung des modernen Selbst mit dem Skalpell.
Aspekte zur Schönheitschirurgie
http://www.ssoar.info/ssoar/files/2008/577/gemachte%20k%C3%B6rper.pdf 19.05.2010 166
Als Definition für `Identität` soll wie folgt gelten: „die völlige Übereinstimmung einer Person
oder Sache mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird.“
BROCKHAUS. ENZYKLOPÄDIE ONLINE: Identität. http://www.brockhaus-
enzyklopaedie.de/be21_article.php 10.07.2010 167
Borkenhagen, Ada: Gemachte Körper. Die Inszenierung des modernen Selbst mit dem Skalpell.
Aspekte zur Schönheitschirurgie
http://www.ssoar.info/ssoar/files/2008/577/gemachte%20k%C3%B6rper.pdf 19.05.2010 168
Im Sinne von z.B. biologischem aber auch gesellschaftlichem Geschlecht. 169
Davis, Kathy: Surgical passing – Das Unbehagen an Michael Jacksons Nase. S. 58.
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46 | S e i t e
6.2 Subjekt und Objekt – Sein und Design170
Um die Beziehung von Subjekt und Objekt in der `ästhetischen Körpermodifikation`
verstehen zu können, werden wir mit Hilfe des französischen Philosophen Jean-Paul
Sartre das Thema untersuchen. Dabei soll die Theorie Sartres angesprochen, jedoch von
vornherein auf die für unsere Betrachtung wichtigen Punkte begrenzt werden: der Andere
und der Blick.
Für die Betrachtung mittels Jean Paul Sartre bezüglich der `ästhetischen Körper-
modifikation` wollen wir den Ausgangspunkt in einem Thema suchen, dass bereits bei
`Gesellschaft und Individuum` aufgegriffen worden ist: Freiheit. Jean Paul Sartre nimmt
als Grundzustand des Menschen ein `Geworfen sein` in die Welt an, der Mensch existiert
anfangs lediglich. „Es bedeutet, daß der Mensch zuerst existiert, sich begegnet, in der
Welt auftaucht und sich danach definiert.“171
Erst später füllt bzw. wird der Mensch z.B.
von Erfahrungen mit anderen Menschen und daraus resultierenden Zuordnungen zu In-
Gruppen u.ä. gefüllt. Ein Definition, eine Zuordnung besteht für den Menschen nicht mit
Beginn seines Lebens, sondern erst nach und nach. Dies liegt vor allem auch daran, weil
die Existenz eines Gottes172
nicht angenommen wird. Dadurch gibt es kein sinnstiftendes,
transzendentales Wesen, welches Werte und Normen (in Form von Ge- und Verboten) für
das (Zusammen-)Leben der Individuen vorgibt.
Also gibt es keine menschliche Natur, da es keinen Gott gibt, um sie zu
entwerfen. Der Mensch ist lediglich so, wie er sich konzipiert – ja nicht allein so,
sondern wie er sich will und wie er sich nach der Existenz konzipiert […], der
Mensch ist nichts anderes als wozu er sich macht.173
Das heißt, der Mensch muss sich Sinn und ethische Vorstellungen etc. selber vorgeben.
Da kein göttliches Wesen angenommen wird, das dem Menschen einen bestimmten Platz
und ein göttliches, einzelnes Schicksal zuweist, muss sich das Individuum selbst den Sinn
geben. Es müsse Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen und die
Konsequenzen dafür tragen. Jeder Einzelne ist für sein Glück oder Unglück selbst
170 Titel übernommen von Horch, Raymund E.: Sein und Design – Plastische Chirurgie bei der
Korrektur des menschlichen Erscheinungsbildes. S. 59. 171
Sartre, Jean-Paul: Ist der Existentialismus ein Humanismus? 2. Aufl. Zürich: Europa 1947. S.
14. 172
Zu dem Verweis auf Gott gibt Sartre folgendes an:
„Der Existentialismus ist mithin nicht ein Atheismus im Sinne, daß er sich erschöpfen würde im
Beweis, Gott existiert nicht. […] Nicht, als ob wir glaubten, daß Gott existiert, aber wir denken,
daß die Frage nicht die seiner Existenz ist; der Mensch muß sich selber wieder finden und sich
überzeugen, daß ihn nichts vor sich selber retten kann, wäre es auch ein gültiger Beweis der
Existenz Gottes.“ Die Frage nach der Existenz Gottes ist demnach eher weniger relevant, sondern
es ist wichtiger herauszustellen, dass der Mensch sich selbst mit all den Konsequenzen entwerfen
kann. Vgl. Sartre, Jean-Paul: Ist der Existentialismus ein Humanismus? S. S. 67. 173
Ebd. S. 15f.
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verantwortlich, mit den Worten Sartres: „Aber wenn wirklich die Existenz der Essenz
vorausgeht, so ist der Mensch verantwortlich für das, was er ist.“174
Kurz und knapp lässt
sich zusammenfassen: „Der Mensch ist verurteilt, verurteilt frei zu sein.“175
Verbunden
mit der Aufforderung sich selbst zu entwerfen.
Sehen wir uns nun den Zusammenhang zwischen Individuen genauer an. Sartre geht
davon aus, dass die eigene sinnliche, vor allem visuelle, Wahrnehmung sich immer auf
etwas außerhalb unseres Selbst, außerhalb unseres Bewusstseins bezieht: auf ein Objekt.
Dies kann ein anderer Mensch sein. Und mit genau diesem Fall, dem Wahrnehmen eines
anderen Menschen, eines Gegenübers, beschäftigt sich Sartre sehr genau und dieser Fall
soll nun in den Fokus genommen werden. Indem ein Anderer mich ansieht, verliere ich
für ihn meine Subjektivität und werde durch seinen Blick zum Objekt. Indem ich ihn
ansehe, wird er zu einem Objekt für mich, denn „[…] der Andere ist auch Gegenstand für
mich.“176
Das Sehen und das Gesehenwerden ist ein reflexiver Aspekt des Seins in der Welt mit
anderen Menschen, in der gilt: „Das ‹‹Vom-Andern-gesehen-werden›› ist die Wahrheit
des ‹‹Den-Andern-sehn››.“177
Dies lässt sich dadurch erklären, dass durch Wahrnehmen
des Anderen, vor allem durch das Anblicken, und das wechselseitige Gegenstück, man
selbst angeblickt wird, d.h. man selbst wird objektiviert.
Ohne diesen Anderen ist zwar meine eigene Existenz gegeben, ich bin in der Welt, jedoch
kann ein `Ich` nur durch den Anderen mir bewusst werden. Ich kann mich selbst nur als
`Ich` begreifen, mir dessen bewusst werden, wenn ich etwas habe, von dem ich mich
abgrenzen kann und das auf mich als etwas anderes verweist, was in Sartres Falle der
Andere ist. Der Philosoph drückt es wie folgt aus:
Ich bin allein auf der Ebene des nicht-theoretischen Bewußtseins (von) mir. Das
bedeutet zunächst, daß es kein Ich gibt, das mein Bewußtsein bewohnt. Also
nichts, worauf ich meine Handlungen beziehen könnte, um sie zu qualifizieren.178
Sartre spricht hier noch eine weitere Dimension neben der Wahrnehmung an: meine
Handlungen. Meine Handlungen können erst durch einen anderen Menschen qualifiziert
werden. Dazu bringt Sartre ein Beispiel an: böse sein. Ich kann in Bezug auf mich nicht
böse sein, sondern nur als Handlung gegenüber einem anderen Menschen, indem ich
mich ihm gegenüber schlecht verhalte. Eine solche Qualität ist, laut Sarte, ohne ein
174 Sartre, Jean-Paul: Ist der Existentialismus ein Humanismus? S. 15f.
175 Ebd.. S. 25.
176 Sartre, Jean-Paul: Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie. 10.
Aufl. Reinbek: 2004 Rowohlt. S. 462. 177
Ebd. S. 464. 178
Ebd. S. 467.
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48 | S e i t e
Gegenüber nicht möglich. Mit meinem theoretischen Bewusstsein meines `Ichs` und
meiner Handlungen als Qualitäten bin ich „[…] für mich nur als reine Verweisung auf
Andere.“179
Denn ich verweise darauf, dass es jemanden gibt, der mich ansieht und der
mir Qualitäten zuschreibt.
Der Blick des Anderen, der mich (be)trifft, bedeutet für mich absolute Objektivität. Kann
ich mich nicht selbst objektivieren? Sartre antwortet darauf folgendermaßen:
Und wenn ich naiv setze, daß es möglich ist, daß ich, ohne es zu merken, ein
objektives Sein sei, so setze ich gerade dadurch implizit die Existenz des Andren
voraus, denn wie wäre ich Objekt, wenn nicht für ein Subjekt?180
Er schließt demnach aus, dass man für sich selbst Objekt ist. Man kann immer nur für ein
anderes Subjekt selbst Objekt sein. Wenn ich Objekt bin, muss es jemanden geben, der
mich dazu macht, selbst wenn ich ihn nicht sehe, so muss ich ihn als existent annehmen.
Folglich, laut Sartre, „[…] kann [ich] für mich selbst nicht Objekt sein […]“181
Nachdem ein Bruchteil der Theorie Jean Paul Sartres zu Grunde gelegt wurde, wollen wir
anhand dieser Theorie genauer untersuchen, welche Rolle das Individuum in der
`ästhetischen Körpermodifikation` einnimmt.
Als ersten Punkt wählen wir die Basis der menschlichen Existenz bei Sartre: die gottlose
Welt.182
„Nicht mehr das Schicksal bestimmt uns. Vielmehr sind wir selbst verantwortlich
für das, was wir tun und sind.“183
Wir haben unser Schicksal selbst in den Händen.
Erinnern wir uns, was im Punkt 4 herausgearbeitet wurde: Schönheitshandeln und
`ästhetische Körpermodifikation` referieren auf Machtstrukturen bzw. zeigen den Wunsch
soziale Anerkennung zu erfahren. Gibt es keinen von vornherein durch ein göttliches
Wesen vorgegebenen Sinn, keine Bestimmung und damit keinen als bereits
festgeschriebenen angenommenen Weg des einzelnen Menschen, muss sich der Mensch
selbst entwerfen. Er kann sein Aussehen selbst entwerfen, vor allem auch durch die
Möglichkeiten der `ästhetischen Körpermodifikation`. So kann der eigene Körper eine
ganz andere Bedeutung gewinnen: als sinnstiftendes Objekt.
179 Sartre, Jean-Paul: Das Sein und das Nichts. S. 470.
180 Ebd. S. 486.
181 Ebd. S. 486.
182 Ob es einen Gott gibt oder nicht, kann hier nicht diskutiert werden, deshalb wähle ich Sartres
Ansatz von einer Welt ohne Gott. 183
Degele, Nina: Fragen an Prof. Nina Degele. In: Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung (BMGS) (Hrsg.): "Spieglein, Spieglein an der Wand ..." - Zur Diskussion um den
Schönheitswahn - http://infomed.mds-
ev.de/sindbad.nsf/218bca09ea55e01dc12571e800562766/c26316526ac3202ac1256feb00297607/$
FILE/Sch%C3%B6nheit_BMGS-2005.pdf 19.05.2010
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49 | S e i t e
Denn in der Tat wird der menschliche Körper von einer großen Personengruppe
als sinnstiftendes Objekt verehrt, das durch diverse Körperrituale geformt und
ästhetisiert wird.184
Trotz Säkularisierung der Welt benötigt das Individuum in irgendeiner Art und Weise
einen Sinn für sein Leben, ein individuell definiertes Glück wie z.B. soziale
Anerkennung. Trotz des Bedeutungsverlustes der Religionen durch Säkularisierung
besteht weiterhin das Bedürfnis nach einem Sinn.
Auch wird der Körper an sich nicht mehr als feststehender Teil des Selbst verstanden,
sondern als formbares Element. „Für immer mehr Menschen ist der eigene Körper nicht
mehr ein gott- oder naturgegebenes Schicksal, das man ergeben hinzunehmen habe.“185
So müssen vom Individuum als Makel empfundene Teile des Körpers nicht mehr
akzeptiert werden, sondern können verändert werden. Am Körper kann abgesaugt,
beliebig vergrößert oder verkleinert werden, Implantate an den verschiedensten Stellen
(Po, Waden, Busen, Wangen, Kinn) eingesetzt, Knochen verschoben werden, frei nach
dem Satz: Entwirf dich selbst.
Bei der Auffassung vom Körper als Projekt wird dieser gerade nicht mehr als
authentisches Zentrum erlebt, sondern als ein weitgehend (selbst)gemachter und
(selbst)machbarer.186
Der eigenen, körperlichen Veränderungen sind nur gewisse Grenzen gesetzt: So ist es
momentan nicht möglich,187
dass ein Körper komplett umgeformt werden kann, so dass
sich das gesamte Skelett nach Wunsch verändert. Wie wir aber auf der Abbildung 1 sehen
können, hat sich das Gesicht des Mannes nach der `ästhetischen Körpermodifikation`
stark verändert und nur nach einem (mindestens) zweiten Blick mit Vergleich des
Vorher-Photos erkennen wir ihn vielleicht wieder. D.h. durch die `ästhetische
Körpermodifikation` kann sich das Individuum zu einem sehr großen Teil auf Wunsch
modifizieren.
So radikal faszinierend dieser Gedanke des `Entwirf dich selbst` scheinen mag, wird
dabei ein Thema bewusst oder unbewusst ausgespart: Der eigene Körper ist individuell,
weil er nicht dem Schönheitsideal zu 100% entspricht und das auch andere Menschen
nicht tun, es gibt demnach keinen natürlich-perfekten Standartmenschen èn masse. In
unserem Gesicht, an unserem Körper tragen wir Spuren unserer Individualität, wie z.B.
184 Gugutzer, Robert: Körperkult und Schönheitswahn – Wider den Zeitgeist. S. 3.
185 Ebd. S. 6.
186 Borkenhagen, Ada: Gemachte Körper. Die Inszenierung des modernen Selbst mit dem Skalpell.
Aspekte zur Schönheitschirurgie
http://www.ssoar.info/ssoar/files/2008/577/gemachte%20k%C3%B6rper.pdf 19.05.2010 187
Es ist mir jedenfalls nicht bekannt.
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50 | S e i t e
die Narbe am Knie durch einen Fahrradsturz als Kind oder die Falten am Hals, die sich
mit zunehmendem Alter einstellen.
Dabei [bei der Betrachtung des Körpers als beliebig manipulierbare Masse] wird
der menschliche Körper als zu optimierende Materie betrachtet, nicht als
eigenlogischer lebendiger Leib, der immer auch die Spuren einer individuellen
Biographie trägt und damit auch Spuren des Alterns und der Erfahrungen (auch
der `negativen` wie Krankheiten oder Auffälligkeiten).188
Die mögliche Radikalität der `ästhetischen Körpermodifikation` auch im Hinblick auf die
Zukunft und die Weiterentwicklung der Technik birgt Risiken für die Individualität des
Einzelnen.
Sartre schreibt, dass sich das Individuum, das Subjekt, nicht selbst zum Objekt machen
kann, sondern nur durch den Blick des Anderen . Wir können den Anderen mit seinem
Blick also annehmen, seine Existenz annehmen. Wählen wir als Beispiel den Blick in den
Spiegel.
Unser Spiegelbild ist nicht einfach ein leb- und sinnloses Abbild189
unserer
äußeren Erscheinung. Der Blick in den Spiegel ist für viele Menschen ein Blick
auf ihr Selbstbewusstsein, auf ihre Akzeptanz im Freundeskreis, auf ihren Erfolg
am Arbeitsplatz.190
Beim Blicken in den Spiegel, z.B. beim Haarekämmen und Schminken, sehen wir uns
nicht nur selbst, sondern wir sehen auch unsere Makel. Wir sehen, was an uns nicht
perfekt ist – laut Konsens. Und genau in diesem Moment kippt die reine, individuelle
Wahrnehmung in gesellschaftliche Wahrnehmung. Indem wir unsere äußeren,
gesellschaftlichen Makel im Spiegel sehen, sehen wir den Anderen mit. Der Spiegel ist
Spiegelung gesellschaftlicher Meinung zu uns zurück. Im extremsten Falle sehen wir,
dass, weil, wir so weit vom `als schön sein empfunden` entfernt sind, wir z.B. diese
Beförderung nicht bekommen haben, weil schöne Menschen (angeblich) mehr Erfolg
haben. Der Spiegel ist Rückkopplung zu unseren Freunden, unserer Familie, zur
Gesellschaft.
Kathryn Pauly Morgan geht explizit für Frauen davon aus, dass Frauen, wenn sie sich
selbst oder andere Frauen betrachten, dies aus der Sicht von Männern tun.
188 Villa, Paula-Irene: Der Körper als kulturelle Inszenierung und Statussymbol. In: APuZ. Aus
Politik und Zeitgeschichte. 18/2007. Hrsg. v. Bundeszentrale für politische Bildung. Frankfurt am
Main: Frankfurter Societäts-Druckerei 2007. S. 20. 189
Im Sinne dieses Zitates kann man `Abbild` wohl als philosophisch weniger aufgeladene eher
visuelle Wiederspieglung von etwas verstehen. 190
Horch, Raymund E.: Sein und Design – Plastische Chirurgie bei der Korrektur des
menschlichen Erscheinungsbildes. S. 66.
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51 | S e i t e
Der Trick und die Infamie einer sexistisch organisierten Gesellschaft bestehen für
Morgan gerade darin, dass Frauen sich selbst immer schon durch die Augen
tatsächlicher oder hypothetischer Männer und deren ästhetisches Normensystem
sehen.191
Auch wenn ihre Auffassung von Gesellschaft strittig ist, kann man jedoch davon
ausgehen, dass jeder sich selbst auch durch die Augen anderer sieht. Der Blick des
Anderen schiebt sich in unser Sich-selbst-ansehen ein.
Indem Schönheitshandeln und damit auch `ästhetische Körpermodifikation` auf
Machtstrukturen referiert, referiert sie zugleich auf den Blick des Anderen, der auf das
Individuum geworfen wird. In diesem Blick finden wir gesellschaftliche Konvention und
Konsens. Daher kann man schlussfolgern, dass „[d]ie Klientinnen von
Schönheitschirurgie versuchen, aktiv über sich selbst als Bild für den Blick der anderen
zu bestimmen und damit über ihre eigene Identität.“192
Dies kann so verstanden werden:
Wenn wir uns mit dem Blick des Anderen anblicken, beziehen sich die Veränderungen,
die wir uns für unser Aussehen wünschen, zum großen Teil auf die Meinung des
Anderen. Wir möchten (meist) Anteil haben an sozialer Anerkennung.
Ich habe versucht zu zeigen, dass, wenn wir uns selbst ansehen, wir dies mit dem Blick
des Anderen tun. Im Falle des Schönheitshandelns und der `ästhetischen
Körpermodifikation` lässt sich über die Beziehung von Ich und Anderer sagen:
„Menschen machen Diät, stylen sich, werden operiert – alles, um sich zu verwandeln in
die, die sie sein wollen sollen.“193
Hans Jonas hat im Falle der Technologie die
Problematik der Eigendynamik aufgeworfen. Er sagte, dass Technologien ein Moment
der Irreversibilität und des Vorantreibenden in sich tragen. `Ästhetische Körper-
modifikation` als Technologie betrachtet, kann dieses Moment auch entfalten. In
Verbindung zu Jean Paul Sartre liegt es in dem Moment, indem sich das Subjekt von
seiner Subjektivität entfernt und sich selbst zum Objekt machen kann. Ich denke, dass es
Fälle gibt, in denen das Subjekt jegliche individuelle Emotionen und Gedanken verliert.
Diese speist das Subjekt dann aus dem `Gesetz der Wahrheit` dem Schönheitsideal und
dem gesellschaftlichen Konsens. Denn in diesem Moment löst sich das Individuum von
seiner Individualität und verfällt in einen Zustand starker Abhängigkeit vom Anderen.
Der Blick des Anderen wird zum eigenen Blick auf sich selbst. Dies lässt sich vor allem
191 Ach, Johannes S.: Komplizen der Schönheit? Anmerkungen zur Debatte über die ästhetische
Chirurgie. S. 197. 192
Borkenhagen, Ada: Gemachte Körper. Die Inszenierung des modernen Selbst mit dem Skalpell.
Aspekte zur Schönheitschirurgie
http://www.ssoar.info/ssoar/files/2008/577/gemachte%20k%C3%B6rper.pdf 19.05.2010 193
Villa, Paula-Irene: Einleitung – Wider die Rede vom Äußerlichen. In: schön normal.
Manipulation am Körper als Technologien des Selbst. Hrsg. v. Paule-Irene Villa. Bielefeld:
transcript 2008. S. 7.
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in der Verfügbarkeit und Eigendynamik der Technologie `ästhetische Körpermodi-
fikation` zeigen. Es kann Fälle geben, in denen die positive Bewertung von Individualität
durch Makel entfällt und der Wunsch dem Idealbild zu gleichen, zu einer Reihe von
`ästhetischen Körpermodifikationen` führt. Je nachdem welche Makel (angeblich) vor-
liegen, wird implantiert, abgesaugt, eingesetzt und entfernt sowie in anderer Art
verändert. „Der Versuch, das körperliche Erscheinungsbild zu kontrollieren, wird so zur
Gestaltung des eigenen Ichs.“194
Im Sinne Sartres gestaltet das Subjekt sein Ich, indem es
seinen Körper als Objekt mittels des Blickes des Anderen wahrnimmt.
Jean Paul Sartre schreibt, dass man sich selbst keine Qualitäten zuschreiben kann, wie
z.B. böse sein. Man könne sich selbst gegenüber nicht böse sein. Auch in diesem Punkt
lässt sich ein Argument gegen Sartre aufstellen: Man auf sich selbst verweisen und sich
selbst Qualitäten zuschreiben. Nehmen wir als Beispiel das Wort `autoaggressiv`. In
diesem Wort drückt sich die auf das Subjekt bezogene Aggressivität aus, der Wortteil
`auto-` weist darauf hin. Autoaggressive Menschen fügen sich oft selbst z.B. physischen
Schaden zu. Dies ist eine Qualität, wenn auch eine negative, die im Grunde nicht eines
Gegenübers, eines anderen Menschen, bedarf. Die Gründe für dieses Verhalten können
auf andere Menschen verweisen, aber die Handlung bezieht sich nur auf das Individuum.
Ob sich deshalb das `Ich` im Bewusstsein des Subjektes durch solche `auto`-Qualitäten
selbst bilden kann, kann hier nicht diskutiert werden.195
Wenn wir uns selbst als individuell verstehen und das `Gesetz der Wahrheit`, das
Schönheitsideal, auf einen perfekten Zustand ohne Individualität sondern auf Konformität
abzielt, so können wir das Streben nach sozialer Anerkennung als „Kampf um Perfektion
[…] [als] Spirale des Wettrüstens gegen das eigene Selbst“196
verstehen. Die `ästhetische
Körpermodifikation` speist sich aus dem Blick des Anderen auf das Individuum und kann
daher dazu beitragen, dass sich das Subjekt objektiviert.197
7 Fazit
Nicht nur die Kunst von Orlan, die als Metapher für diese Arbeit diente, sondern auch das
Thema der `ästhetischen Körpermodifikation` geht wörtlich unter die Haut. Die Eingriffe
194 Borkenhagen, Ada: Gemachte Körper. Die Inszenierung des modernen Selbst mit dem Skalpell.
Aspekte zur Schönheitschirurgie
http://www.ssoar.info/ssoar/files/2008/577/gemachte%20k%C3%B6rper.pdf 19.05.2010 195
Meiner Meinung nach, führt diese Problematik zu weit von der `ästhetischen
Körpermodifikationen` thematisch weg. 196
Pollman, Arnd: Hart an der Grenze. S.308. 197
Indirekte Quelle für den Punkt 6.2:
Vgl. Gugutzer, Robert: Körperkult und Schönheitswahn – Wider den Zeitgeist. S. 6.
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53 | S e i t e
verletzen Hautschichten, ähnlich wie Piercings und Tattoos. Daher muss, auch um die
begriffliche Nähe zum medizinisch-hippokratischen Teil der plastischen Chirurgie zu
verhindern, ein neuer Begriff für die `Schönheitsoperation` gefunden werden. Ein Ansatz
wurde in dieser Arbeit mit der Bezeichnung `ästhetische Körpermodifikation` geschaffen.
Aber nicht nur auf der begrifflichen Ebene berührt die `ästhetische
Körpermodifikation` empfindliche Punkte, sondern auch auf menschlicher Ebene.
`Ästhetische Körpermodifikation` gehen im übertragenen Sinne unter die Haut, da sie
Bezug nehmen auf Machtstrukturen und den Wunsch sozial anerkannt zu werden. Dies
wurde mit Hilfe der Machtdefinition von Michel Foucault dargestellt.
Die Betrachtung des Arztes als ausgebildeten Heilenden mit seiner neuen Funktion als
nicht mehr Heilender, sondern als Verletzender der körperlichen Unversehrtheit, sowie
als Handwerker, der seine Leistung verkauft, wurde verdeutlicht. Dem Rollenwandel des
Arztes wurde in der Schaffung einer neuen Berufsbezeichnung als `Spezialist für
ästhetische Körpermodifikation` Rechnung getragen. Der Bezeichnungswandel intendiert
einen Bedeutungswandel, ähnlich der `ästhetischen Körpermodifikation`.
Mit Hans Jonas wurde die Problematik der `ästhetischen Körpermodifikation` als
Technologie mit Eigendynamik verdeutlicht. Gerade in der Beschäftigung mit Jonas wird
klar, dass wir mit neuen Technologien, neue ethische Maßstäbe festsetzen müssen.
Im letzten Teil dieser Arbeit diente die Theorie des Anderen und des Blickes zur
Untersuchung, ob sich das Subjekt zum Objekt machen kann. Nach der Betrachtung
können wir in bestimmten Fällen davon ausgehen, dass die Objektivierung durch das
Subjekt möglich ist.
Die Arbeit bedient demnach zwei Ebenen: die begriffsbezogene sowie die
philosophische. In dieser philosophischen Ebene wurden drei Dimensionen thematisiert:
die Beziehung zwischen Gesellschaft und Individuum, im Besonderen die Gesellschaft
und explizit das Individuum. Die drei Leitthesen: `Schönheitsoperationen` sind Ausdruck
von Macht und dem Wunsch nach Anerkennung. Und: Die `Schönheitsoperation` wirft
ethische Probleme auf. Sowie: Mittels der `Schönheitsoperation` kann das Subjekt sich
selbst objektivieren. wurden auf ihre Richtigkeit überprüft.
Mit Hilfe dieses Arbeit lässt sich folgendes konstatieren: Ein neue, auf die
technologischen Möglichkeiten zugeschnittene Ethik muss entwickelt und im Denken der
Menschen verankert werden. Zudem muss eine Debatte über Begriffe wie
`Schönheitsoperation` und `Arzt` geführt werden, um den Bedeutungswandel des
Bezeichneten auch in der Bezeichnung kenntlich zu machen. Und zuletzt: Die
Gesellschaft und das Individuum müssen sich stärker mit der `ästhetischen
Körpermodifikation` und den damit verbundenen Problematiken beschäftigen. Wir
müssen die Dimension der `ästhetischen Körpermodifikation` erfassen und einer breit
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gefächerten Debatte freigeben, denn die `ästhetische Körpermodifikation` geht uns tief
unter die Haut, wörtlich und metaphorisch.
Welche Fragen bleiben offen? Für den nötigen Diskurs und auch für die
wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema kann das Verhältnis von
männlichen und weiblichen Patienten der `ästhetischen Körpermodifikation` von
Bedeutung sein. Im Jahre 2009 war der Anteil der männlichen Patienten im Gegensatz zu
weiblichen Patientinnen wesentlich geringer: Nur jede zehnte `ästhetische
Körpermodifikation` wurde an einem Mann vorgenommen.198
Sollte sich dies im Laufe
der Zeit ändern, kann auf Männer eine stärkere Einflussnahme durch das Schönheitsideal
angenommen werden. Frauen und Männer könnten sich in ihrer Form des ausdrücklichen
Strebens nach sozialer Anerkennung annähern. Dies könnte für die Soziologie und
Genderforschung von besonderem Interesse sein.
Ein Thema, dass bereits in der Hinführung erwähnt wurde, soll an dieser Stelle
aufgenommen werden: die Medien. In dieser Arbeit habe ich die Rolle der Medien als
Beeinflussungsmöglichkeit auf den Menschen bewusst vernachlässigt. Im Ausblick sollen
die Medien, wie Fernsehen und Printmedien, jedoch Beachtung finden. Ich denke, dass
ein (deutlicherer) Diskurs stattfinden muss, um den Einfluss der Medien auf das
Individuum bewusst zu machen. Das Fernsehen mit Werbung und Hollywoodfilmen etc.
kann gerade Heranwachsenden und jungen Menschen ein falsches Bild davon vermitteln,
wie Mensch aussehen oder sein sollen. Allein die Retuschierung, günstiges Licht und
vorteilhaftes Styling können einen Menschen besonders schön aussehen lassen. Es wird
nicht deutlich, dass die Schauspieler_innen oder Models in der Realität auch Makel
haben. Ein erhöhter Konsum von Filme mit perfekten Menschen kann Heranwachsenden
und Jugendlichen das Schönheitsideal zu stark vermitteln. Auch Zeitschriften, besonders
Frauen- und Teenagerzeitschriften mit Themen wie Stars und Mode, vermitteln Werte,
die der positiven Bewertung von Individualität zuwider laufen. Daher muss ein Diskurs
und daran anknüpfend Aufklärung stattfinden. Besonders junge Menschen, die in ihrer
Persönlichkeit weniger gefestigt sind, sollten mit den Trugbildern aus den Medien
konfrontiert werden. Ihnen sollte die Möglichkeit zur selbstständigen Reflexion von
Macht, Schönheit und sozialer Anerkennung aufgezeigt werden.
So sollten sich auch die Medien kritischer mit ihrer Rolle und ihrer Macht
auseinandersetzen. Es gibt bereits einige wenige Kampagnen, die z.B. Modelle zeigen,
die nicht untergewichtig sind. Eine der ersten Kampagnen dieser Art wurde im Jahre
198 Welt Online: Plastische Chirurgie. Immer mehr Männer lassen ihre Brüste verkleinern.
http://www.welt.de/gesundheit/article6226111/Immer-mehr-Maenner-lassen-ihre-Brueste-
verkleinern.html 11.07.2010
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1998 von `The Body Shop` initiiert.199
Bei dieser Kampagne wurde eine Puppe mit
weiblichen Kurven gezeigt.200
(Abbildung 3 im Anhang) Da die Werbebranche vor allem
perfekte Menschen zeigt, sollte auch hier ein Diskurs über die zu vermittelnden Werte
geführt werden. Dabei sollte als Intention weniger das Erreichen von neuen
Absatzmärkten, sondern auch eine positive soziale Funktion sein. Anstatt Arbeit an
Konformität mittels eines Schönheitsideals zu vermitteln, sollten verschiedene Teile der
Gesellschaft daran mitarbeiten, Individualität als Wert zu akzeptieren und zu
respektieren.
199 ANITA RODDICK: DISPATCH: Ruby, the Anti-Barbie.
http://www.anitaroddick.com/readmore.php?sid=13 11.07.2010. 200
Vgl. MUT (Fachverlag für Marketing und Trendinformationen): Wie sich gesellschaftliches
und politisches Engagement für Ihre Firma bezahlt machen. http://www.marketing-
trendinformationen.de/pr/sponsoring/beitrag/wie-sich-gesellschaftliches-und-politisches-
engagement-fuer-ihre-firma-bezahlt-machen-1337.html 11.07.2010
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8 Abbildungen
Abbildung 1
20-jähriger Japaner. In beide
oberen Augenlider wurde je
eine Lidfalte eingefügt. Zur
Vergrößerung der Nasenwurzel
und des Nasenrückens sowie
der Verlängerung der Nasen-
scheidewand diente ein Rippen-
knorpeltransplantat, zudem
wurden die Augen im
Verhältnis zu Nase und Stirn
chirurgisch nach hinten
verlagert.
Abbildung 2
17-jähriges Mädchen nach einer
modifiziert radikaler
Entfernung der Brust. Ursache
war Krebs, der dich Milchgänge
betraf (Photos rechte Spalte).
Zustand nach Rekonstruktion
mit Positionierung der
Hautinsel seitlich unten, um
eine adäquate Projektion und
Fülle des Brustvolumens zur
Symmetrieherstellung zu
erreichen (Photos linke Spalte).
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Abbildung 3
Anita Roddick, Mitgründerin
von „The Body Shop“, schuf
die Figur „Ruby“. Andere
Plakate der Kampagne waren
mit dem Satz „There are 3
billion women who don’t look
like supermodels and only 8
who do“ versehen.
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9 Quellen
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Brueste-verkleinern.html 11.07.2010
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10 Erklärung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benutzung
anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt
oder indirekt übernommenen Gedanken, sind als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit
wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.
Münster, der 15.07.2010