Antonovskys Salutogenese-Konzept 7 die Drei 8-9/2004 Das Konzept der Salutogenese geht auf Aaron An- tonovsky (1923-1994) zurück. Sein diesbezügli- ches Hauptwerk ist »Salutogenese. Zur Entmystifi- zierung der Gesundheit«. Die Hauptthese Anto- novskys ist, dass das Kohärenzgefühl als Kern der Frage nach der Entstehung von Gesundheit (= Sa- lutogenese) betrachtet werden muss. Unter ›Kohä- renzgefühl‹ versteht man das Empfinden des Zu- sammenhanges mit der Welt: Wie fühle ich mich ihr zugehörig? – Ein gut ausgebildetes Ko- härenzgefühl hat, so Antonovsky, wesent- lich damit zu tun, dass Menschen gesund sind. Antonovsky unter- scheidet drei Faktoren, und zwar Verstehbar- keit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit, die zusammen das so ge- nannte Kohärenzgefühl (»sense of coherence«, SOC) umfassen. Verstehbarkeit meint, dass Lebensereignisse und die eigene Bio- grafie sinnvoll geord- net und nachvollzieh- bar sind. Eine niedri- ge Ziffer in der Be- wertung der Versteh- barkeit käme jeman- dem zu, der die Dinge und Ereignisse, die ihm begegnen, zum großen Teil für zufällig und unerklärlich hielte. Mit Handhabbarkeit ist gemeint, dass das Leben und seine Erfordernisse als bewältigbar erlebt werden; Herausforderungen, die sich stellen, können angenommen werden. Die Person hat das Vertrauen, dass sie selbst, oder der Partner, ein Kollege oder Gott die gestellte Aufgabe meistern können. Der Faktor der Bedeutsamkeit betrifft die Motivati- on einer Person. Sie empfindet bestimmte Dinge ihres Lebens als wichtig und sinnvoll, und zwar wird dies nicht nur erkannt, sondern auch emotional er- lebt. Hier geht es also um das Ausmaß, in dem eine Person das Leben als sinnvoll empfindet. Antonovsky fasst die Definition des Kohärenzgefühls folgender- maßen zusammen: »Das Kohärenzgefühl ist eine glo- bale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Aus- maß man ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat«, das zur Verstehbar- keit führt, Herausforde- rungen als bewältigbar erscheinen lässt und zu- gleich dazu führt, dass das eigene Leben als wertvoll und sinnvoll empfunden und bewer- tet wird. In Kapitel 5 des ge- nannten Werkes geht Antonowsky der Frage nach, wie sich das Ko- härenzgefühl vom Säuglingsalter über die Kindheit und Adoles- zenz bis ins Erwachse- nenalter entwickelt. Für ihn ist die Ent- wicklung des Kohä- renzgefühls mit 25 Jah- ren weitgehend abge- schlossen. Warum? Weil Antonovsky die Entste- hung der Kohärenz nicht für etwas von einem Indi- viduum Hervorgebrachtes hält, sondern sie letztlich aus äußeren und psychosozialen Wirkfaktoren allein erklärt. Hier wird deutlich, dass Antonovsky mit sei- nem Salutogenesekonzept ein weiteres psychosozia- les Modell entworfen hat, das Gesichtspunkte der Selbstheilung und Selbstentwicklung weitgehend vernachlässigt. Dies steht teilweise im Gegensatz zu der Art, wie sein Ansatz häufig interpretiert wird. Auch die Hilfe eines Therapeuten oder Arztes – d.h. Aaron Antonovskys Konzept der Salutogenese Corinna Gleide »Das Kohärenzgefühl (›sense of cohe- rence‹) ist eine globale Orientierung, die ausdrückt, in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass 1. die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung ergeben, strukturiert, vor- hersehbar und erklärbar sind; 2. einem die Ressourcen zur Verfü- gung stehen, um den Anforderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen; 3. diese Anforderungen Herausforde- rungen sind, die Anstrengung und En- gagement lohnen.« Aaron Antonovsky, 1997, S. 36 www.diedrei.org