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Teil 4 ALGEBRA UND DISKRETE MATHEMATIK II 339
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Jun 14, 2020

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Teil 4

ALGEBRA UNDDISKRETE MATHEMATIK II

339

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Kapitel XV

Weiterfuhrende Aussagen uberPolynome

§ 64 Polynomringe uber Gauß’schen Ringen

In Kapitel XIII (siehe hierzu und im folgenden stets Algebra I) haben wir bereits gezeigt, daßPolynomringe uber Korpern Gauß’sche Ringe sind:

K Korper Satz 59.12=! K[X] HauptidealringSatz 58.19=! K[X] Gauß’scher Ring .

Ziel ist es nun, folgendes zu zeigen:

R Gauß’scher Ring !"! R[X] Gauß’scher Ring .

Wir setzen wie bisher voraus, daß R generell ein kommutativer Ring mit 1 #= 0 ist.

64.1 Satz

Es sei ! : R $ !R ein Ring–Homomorphismus, der Einselement auf Einselement abbildet, undes sei x % !R . Dann gibt es genau einen Ring–Homomorphismus !! : R[X] $ !R mit !!|R = !und !!(X) = x .

Beweis:

Es sei f % R[X] , etwa f =m"

µ=0fµ Xµ mit fµ % R . Soll !! obiger Bedingung genugen, so muß

gelten:

!!(f) =m#

µ=0

!(fµ)Xµ .

Man zeige nun, daß !! die geforderten Eigenschaften erfullt; dann ist !! eindeutig bestimmt.Ist a % R , so gilt: !!(a) = !!(a X0) = !(a) und !!(X) = !!(1 · X) = !(1R) · x = 1!R · x = x .

341

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342 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

Ist ferner g =n"

!=0g! X! mit g! % R , so gilt:

!!(f · g) =m+n#

"=0

$ #

µ+!="

!(fµ g!)%

x"

=m+n#

"=0

$ #

µ+!="

!(fµ) !(g!)%

x"

= !!(f) · !!(g)

und !!(f + g) = !!(f) + !!(g) . !

64.2 Bemerkung

Es sei ! : R $ !R ein Ring–Homomorphismus, der Einselement auf Einselement abbildet. Wirbetrachten die Polynomringe R[X] und !R[ !X] ; dann ergibt sich ein naturlicher Homomorphismus!! : R $ !R[ !X] , indem wir !R in !R[ !X] einbetten. Dieser Homomorphismus laßt sich gemaßSatz 64.1 fortsetzen zu einem Ring–Homomorphismus !! : R[X] $ !R[ !X] mit !!(X) = !X ,d. h.:

!!$ m#

µ=0

fµ Xµ%

=m#

µ=0

!(fµ) !Xµ .

Kurz: Die Koeffizienten von f % R[X] werden (um !!(f) zu erhalten) mittels ! ausgetauscht.

64.3 Satz

Es sei R ein Ring, a &!=

R ein Ideal und a" das von a in R[X] erzeugte Ideal. Dann gilt:

(1) a" 'R = a .

(2) Es existiert ein naturlicher Isomorphismus R[X]/a" (= (R/a)[X] .

(3) a" ist genau dann ein Primideal, wenn a ein Primideal ist.

Beweis:

zu (1): Nach Satz 56.7 ist a" =& "

endlichfi ai

''' fi % R[X] , ai % a(

. Ist a % a und f % R[X] ,

so ist a f ein Polynom, dessen Koeffizienten alle zu a gehoren. Also liegen samtlicheElemente aus a" in der Menge aller Polynome mit Koeffizienten in a . Andererseitslaßt sich jedes Polynom mit Koeffizienten in a als Summe von Monomen a Xn mita % a schreiben, gehort somit zu a" . Also besteht a" aus der Menge aller Polynomemit Koeffizienten in a . Daraus folgt direkt Aussage (1).

zu (2): Ist " : R $ R/a der kanonische Epimorphismus, so betrachten wir gemaß Bemer-kung 64.2 die naturliche Fortsetzung auf Polynomringe:

"! : R[X] $ (R/a)[X] mit "!(X) = X .

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§ 64. POLYNOMRINGE UBER GAUSS’SCHEN RINGEN 343

Da " surjektiv ist, bleibt auch "! surjektiv. Nun gilt:

f =m"

µ=0fµ Xµ % Ker "!

"! "(fµ) = 0 fur alle 0 ) µ ) m"! fµ % a fur alle 0 ) µ ) m .

Also ist Ker"! = a" (nach dem Beweis zu (1)). Dann liefert der Homomorphiesatzfur Ringe (aus Bemerkung 56.5c) die Behauptung.

zu (3): Nach Satz 58.2 ist a" genau dann Primideal in R[X] , wenn R[X]/a" ein Integritatsringist. Gemaß (2) ist dies aquivalent dazu, daß (R/a)[X] ein Integritatsring ist. NachFolgerung 59.8 ist dies wiederum dazu aquivalent, daß R/a Integritatsring ist. UndSatz 58.2 liefert dann, daß a Primideal in R ist.

!

64.4 Folgerung

Es seien R ein Integritatsring und u % R \ 0 ein beliebiges Element:

u ist Primelement in R "! u ist Primelement in R[X] .

Beweis:

Nach Satz 58.7 ist u genau dann Primelement, wenn u keine Einheit ist und das von u erzeugteIdeal ein Primideal ist. Gemaß Folgerung 59.8b) gilt: R! = R[X]! , und mit Satz 64.3 ist (u)Primideal in R genau dann, wenn u in R[X] ein Primideal erzeugt. !

64.5 Satz

Es sei R ein Integritatsring. Ferner sei a % R und a = u1 ·u2 ·. . .·un mit festen u! % R[X] . Diesesa = u1 ·u2 · . . . ·un ist genau dann eine ”Primfaktorzerlegung“ in R[X] , wenn a = u1 ·u2 · . . . ·un

eine ”Primfaktorzerlegung“ in R ist.

Beweis:

”!“: Alle u1, u2, . . . , un seien Primelemente in R[X] . Die Gradformel liefert:0 = grad a = gradu1 + gradu2 + . . . + gradun

und damit:gradu1 = gradu2 = . . . = gradun = 0 , also: u1, u2, . . . , un % R .

Gemaß Folgerung 64.4 ist dann jedes u! ein Primelement in R .

”"“: Sind u1, u2, . . . , un Primelemente in R , so sind sie nach Folgerung 64.4 auch Primelementein R[X] .

!

64.6 Folgerung

Ist R[X] ein Gauß’scher Ring, so ist R selbst ein Gauß’scher Ring.

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344 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

Von nun an sei R stets ein Gauß’scher Ring. Wir zeigen, daß jedes f % R[X] \ (R! * 0) eineendliche Produktdarstellung aus Primelementen in R[X] besitzt (vgl. Satz 58.18).

Als Primfaktorzerlegung im Gauß’schen Ring wollen wir kunftig also die bis auf eine Multipli-kation mit Einheiten und bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmte Faktorisierung in endlichviele Primelemente bezeichnen.

Ist grad f = 0 , d. h. f % R , und ist f keine Einheit in R[X] , also auch keine Einheit in R ,so besitzt f ein endliche Produktdarstellung f = u1 · u2 · . . . · un mit Primelementen u! % R .Nach Satz 64.5 ist dies zugleich eine Primfaktorzerlegung in R[X] .Ist grad f + 1 , so ist f keine Einheit mehr in R[X] ; wir mussen nur zeigen, daß spezielle f eineendliche Primfaktorzerlegung in R[X] besitzen und daraus die obige Behauptung folgt.

64.7 Hilfssatz

Fur a, b % R \ 0 existiert stets ein ggT von a und b .

Beweis:

Sei a = # · q1 · q2 · . . . · qm , b = #" · q"1 · q"2 · . . . · q"n mit Primelementen qi, q"j % R sowie Einheiten#, #" % R! . Ist p % R | p = qi fur ein i oder p = q"j fur ein j = p1, p2, . . . , pk , so gilt:

a = # ·k)

!=1

p!#! und b = #" ·

k)

!=1

p!$! mit $! , %! % IN .

Dann ist d =k*

!=1p!

min#! ,$! ein ggT von a und b . Ist namlich d" ein weiterer Teiler von a und b ,

d. h. a = a" d" oder b = b" d" , so kommen wegen der Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung (bisauf Einheiten) nur solche Potenzen von den Primelementen in d" vor, die in den Faktorisierungenvon a und b auftreten. !

64.8 Definition

Sind a0, a1, a2, . . . , an % R , so sei ggT(a0, a1, a2, . . . , an) ein ggT aller von Null verschiedenenElemente aus a0, a1, a2, . . . , an . Ein Polynom f % R[X] \ 0 mit grad f + 1 heißt primitiv,

wenn fur f =m"

µ=0fµ Xµ ein ggT(f0, f1, f2, . . . , fm) % R eine Einheit ist.

Zur Abkurzung sei I(f) := ggT(f0, f1, f2, . . . , fm) , auch Inhalt von f genannt.

Ist grad f + 1 , so schreiben wir: f = I(f) g ; dann ist I(f) % R und g primitiv. Ist I(f) % R! ,so ist f primitiv; ist I(f) % R \ (R! * 0) , so besitzt der Inhalt I(f) in R und damit in R[X]eine endliche Zerlegung in Primelemente. Es genugt also zu zeigen, daß primitive Polynome diegewunschte Produktdarstellung besitzen.

64.9 Hilfssatz

Jedes primitive Polynom f % R[X] kann als Produkt endlich vieler irreduzibler Polynome dar-gestellt werden.

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§ 64. POLYNOMRINGE UBER GAUSS’SCHEN RINGEN 345

Beweis zu Hilfssatz 64.9:

Ist f zerlegbar, etwa f = g · h mit zwei Nichteinheiten g, h % R[X] so gilt: grad g + 1 undgradh + 1 ; denn sonst ware f nicht primitiv. Zudem sind g und h primitiv, denn jeder ggT derKoeffizienten von g oder h ist auch ein gemeinsamer Teiler von f . Durch vollstandige Induktionnach dem Grad folgt dann die Behauptung, da die Gradformel wegen grad g + 1 und gradh + 1liefert: grad g < grad f und gradh < grad f . !

64.10 Satz

Es sei R ein Gauß’scher Ring und Q der Quotientenkorper von R (Korper der Bruche; vgl.Satz 25.3 aus Lineare Algebra I). Fur ein primitives Polynom f % R[X] sind dann aquivalent:

(a) f ist irreduzibel in R[X] .

(b) f ist irreduzibel in Q[X] .

(c) f ist Primelement in Q[X] .

(d) f ist Primelement in R[X] .

Beweis:

”(a) ! (b)“: Angenommen, es ware f = g · h eine echte Zerlegung in Q[X] , d. h. etwa

g =m#

µ=0

bµXµ mit m = grad g + 1 und h =

n#

!=0

c!

d!X! mit n = gradh + 1 .

Wir setzen b :=m*

µ=0bµ , d :=

n*!=0

d! und erhalten:

b g =m#

µ=0

a"µ Xµ , d. h.: b g % R[X] , und d h =n#

!=0

c"! X! , d. h.: d h % R[X] .

Betrachten wir nun b d f = (b g) · (d h) % R[X] . Ist b d keine Einheit, so gibtes eine Primfaktorzerlegung von b d in R[X] , wobei samtliche Faktoren zu R ge-horen. Ist u ein Primfaktor von b d , so wird b g oder d h in R[X] von u geteilt. Wirkurzen durch u und erhalten schließlich, nachdem wir durch alle Primfaktorenvon b d gekurzt haben: f = g0 · h0 mit g0, h0 % R[X] , wobei sich g0 und gbzw. h0 und h nur um Faktoren aus R unterscheiden. Damit liefert g0 · h0 wegengrad g0 + 1 und gradh0 + 1 eine echte Zerlegung von f in R[X] , also einenWiderspruch zur vorherigen Annahme.

”(b) ! (c)“: Da Q ein Korper ist, ist Q[X] Gauß’sch, also jedes irreduzible Element auch einPrimelement (vgl. Satz 58.18).

”(c) ! (d)“: Sei f ein Teiler von g · h mit g, h % R[X] . Dann ist f auch ein Teiler von g · hin Q[X] . Wegen (c) gilt: f | g oder f | a in Q[X] . Ohne Beschrankung derAllgemeinheit sei f ein Teiler von g in Q[X] . Zu zeigen ist nun, daß f auch inR[X] ein Teiler von g ist. Sei also f · f1 = g mit f1 % Q[X] . Dann existiert ein

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346 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

a % R\0 derart, daß f2 := a f1 % R[X] ist. Wir betrachten f ·f2 = a g % R[X].Ist a % R! , so sind wir fertig. Sonst teilt jeder Primfaktor von a das Polynom foder f2 . Da jedoch f primitiv ist, teilt jeder Primfaktor von a das Polynom f2 .So ergibt sich durch Kurzen: g = f · f3 mit f3 % R[X] .

”(d) ! (a)“: Gemaß Satz 58.7 sind Primelemente (in Integritatsringen) irreduzibel.!

64.11 Satz (nach Gauß)

Ein Polynomring R[X] ist genau dann ein Gauß’scher Ring, wenn R Gauß’sch ist.

64.12 Folgerung

Es gibt ZPE–Ringe, die keine Hauptidealringe sind, z. B. ZZ [X] (vgl. Bemerkung 58.23(i)).

64.13 Satz (Kriterium von Eisenstein89)

Es sei R ein Gauß’scher Ring und f =m"

µ=0fµ Xµ mit m = grad f + 1 ein primitives Polynom

uber R . Ferner existiere ein Primelement u % R mit folgenden Eigenschaften:

(E1) u | fµ fur alle 0 ) µ ) m, 1 .

(E2) u ! fm und u2 ! f0 .

Dann ist f irreduzibel in R[X] .

Beweis:

Angenommen, es ware f = g · h mit

g =r#

%=0

g% X% % R[X] , r = grad g + 1 und h =s#

&=0

h& X& % R[X] , s = gradh + 1 .

Wegen f0 = g0 h0 und u | f0 folgt: u | g0 oder u |h0 . Ohne Beschrankung der Allgemeinheitgelte: u | g0 . Wegen fm = gr hs und u ! fm gilt: u ! gr . Sei nun n := min 1, 2, . . . , r | u ! g% ;dann ist 1 ) n ) r , und es gilt:

fn =n#

!=0

g! hn#! sowien#1#

!=0

g! hn#! % R u , also: gn h0 = fn,n#1#

!=0

g! hn#! % R u+R u & R u

wegen n ) r < m = r + s und (E1). Da R u ein Primideal ist und gn nicht zu R u gehort, isth0 % R u . Dann ist aber f0 = g0 h0 durch u2 teilbar im Widerspruch zu (E2). !

89Ferdinand Gotthold Max Eisenstein, deutscher Mathematiker ("16.04.1823, †11.10.1852)

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§ 65. NULLSTELLEN VON POLYNOMEN 347

64.14 Beispiel

Das Polynom X5 + 4 X3 + 2 X + 2 % ZZ [X] ist irreduzibel uber ZZ . Wahle u = 2 in Satz 64.13.Nach Satz 64.10 ist dieses Polynom auch uber Q irreduzibel.

64.15 Satz

Es sei p % IN eine Primzahl; dann ist ein Polynom f =p#1"!=0

X! % ZZ [X] irreduzibel in ZZ [X] .

Beweis:

Es ist g := Xp , 1 = (X , 1) · f ; durch Substitution X -$ X + 1 erhalten wir:

!g := (X + 1)p , 1 = ((X + 1), 1) · !f = X · !f mit !g =p"

!=0

+p!

,X! , 1 =

p"!=1

+p!

,Xp , d. h.:

!f =p#

!=0

-p

&

.

X! , 1 =:p#1#

!=0

f! X! mit fp#1 =-

p

p

.

= 1 .

Fur alle anderen 1 ) & ) p , 2 gilt: p | f! "! p |-

p

& + 1

.

. Wegen f0 =-

p

1

.

= p liefert

das Kriterium von Eisenstein, daß !f irreduzibel ist und damit nach Ubungsaufgabe 64–1a) auchf selbst. !

§ 65 Nullstellen von Polynomen

Es sei f % R[X] ; in Satz 59.16 haben wir gezeigt, daß fur eine Nullstelle a % R der Linearfaktor(X , a) ein Teiler von f in R[X] ist. Ist umgekehrt X , a ein Teiler von f mit a % R , so ist aeine Nullstelle von f . Denn es gilt: f = (X , a) · g ! Φa(f) = 0 · Φa(g) . Also folgt:

65.1 Bemerkung

a % R ist Nullstelle von f % R[X] "! (X , a) ist Teiler von f in R[X] .

65.2 Definition

Es sei 0 #= f % R[X] ein Polynom und n % IN! fest; ein Element a % R heißt n-fache Nullstelleoder Nullstelle der Ordnung n von f , wenn f von (X , a)n , aber nicht mehr von (X , a)n+1

geteilt wird.Die Abbildung D : R[X] $ R[X] , f -$ D(f) mit

Df := D$ m#

µ=0

fµ Xµ%

:=

/0

1

0 , falls grad f = m = 0m"

µ=1µ fµ Xµ#1 fur alle grad f = m + 1

heißt (algebraische) Di!erentiation.Wir schreiben auch f " := Df und nennen f " die Ableitung von f .

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348 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

65.3 Satz

Die Differentiation D : R[X] $ R[X] erfullt fur f, g % R[X] , a % R und ein n % IN! die ub-lichen Regeln:

a) D(f + g) = D(f) + D(g) .

b) D(a f) = a D(f) .

c) D(f · g) = D(f) · g + f · D(g) .

d) D(fn) = n fn#1 · D(f) .

Beweis: ist klar (vgl. auch Analysis). " !

65.4 Satz

Es seien 0 #= f % R[X] und a % R .

a) Ist a eine Nullstelle von f der Ordnung n + 2 , so gilt: Df = 0 , oder a ist eine Nullstellevon Df der Ordnung j + n, 1 .

b) Ist zusatzlich n.1 kein Nullteiler in R , so ist a eine Nullstelle der Ordnung n, 1 von Df .

c) Es gilt: a ist einfache Nullstelle von f "! f(a) = 0 . f "(a) #= 0 .

Beweis:

zu a): Nach Voraussetzung ist f = (X , a)n · g mit g % R[X] und g(a) #= 0 . Daraus folgt:

Df = n (X , a)n#1 · g + (X , a)n · g" = (X , a)n#1 · (n g + (X , a) · g") .

Also ist Df = 0 , oder a ist eine Nullstelle der Ordnung j + n, 1 von Df .

zu b): Es gilt: j = n , 1 "! Φa(n g + (X , a) · g") #= 0 , d. h.: n.g(a) #= 0 . Dies istgewahrleistet, wenn n.1 kein Nullteiler in R ist.

zu c): Sei a % R eine einfache Nullstelle von f ; dann gilt: f = (X , a) · g mit g(a) #= 0 .Daraus folgt: Df = 1 · g + (X , a) · g" , also: Df(a) = g(a) #= 0 .Ist umgekehrt f(a) = 0 und f "(a) #= 0 , so kann a nach Teil a) keine mehrfacheNullstelle von f sein.

!

65.5 Satz

Es seien R ein Integritatsring, Q der Quotientenkorper von R und f % R[X] ein Polynom mitgrad f = m % IN! . Dann existiert ein Korper K , der R als Unterring enthalt und in dem f eineNullstelle besitzt.

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§ 65. NULLSTELLEN VON POLYNOMEN 349

Beweis zu Satz 65.5:

Wir fassen f als Element von Q[X] auf. Da Q[X] Gauß’sch ist, laßt sich f als endliches Produktirreduzibler Polynome f1, f2, . . . , fn % Q[X] darstellen. Wenn wir zeigen, daß jedes irreduziblePolynom f % Q[X] eine Nullstelle in einem R umfassenden Oberkorper K besitzt, sind wirfertig.Sei also f irreduzibel im Hauptidealring Q[X] ; dann ist das von f in Q[X] erzeugte Ideal (f)maximal (nach Satz 58.8), also K := Q[X]/(f) ein Korper (gemaß Folgerung 57.15). Ist dann" : Q[X] $ K der kanonische Epimorphismus, so ist seine Einschrankung # := "|Q injektiv;denn aus #(q) = q + (f) = (f) fur q % Q folgt: q = 0 . Also laßt sich Q (und damit auch R )vermoge # injektiv in K einbetten.Betrachten wir noch x := "(X) = X +(f) % K und den zugehorigen Einsetz–Homomorphismus

Φx : Q[X] $ K mit Φx(g) =m"

µ=0#(gµ)xµ fur g =

m"µ=0

gµ Xµ , so gilt:

Φx(g) =m#

µ=0

"(g) ("(X))µ

= "$ m#

µ=0

gµ Xµ%

= "(g) .

Daraus folgt: (f) = 0K = "(f) = Φx(f) , d. h. x ist eine Nullstelle von f in K . !

65.6 Folgerung

Es seien R ein Integritatsring und f % R[X] ein Polynom mit grad f + 1 . Dann existiert einR enthaltender Korper K derart, daß f uber K vollstandig in Linearfaktoren zerfallt, d. h. esgibt Elemente x1, x2, . . . , xr % K und c % R mit

f = c ·r)

%=1

(X , x%) .

Beweis: durch vollstandige Induktion nach r = grad f unter Benutzung von Satz 65.5 undBemerkung 65.1. " !

Diese Ergebnisse wollen wir nun bei der Existenzfrage endlicher Korper anwenden (vgl. Bemer-kung 57.4 in Algebra I).

65.7 Satz

Zu jeder Primzahl p + 2 und jedem m % IN! existiert stets ein Korper mit pm Elementen.

Beweis:

Nach Folgerung 65.6 existiert ein Korper L" mit L" / ZZp , in dem f = Xpm ,X vollstandig inLinearfaktoren zerfallt. Es ist charL" = p , also: Df = pm Xpm#1 , 1 = ,1 . Damit hat f in L"

nur einfache Nullstellen. Sei nun L := a1, a2, . . . , apm | aj ist Nullstelle von f in L" ; dannist L wegen des Zusammenhangs (x + y)pm = xpm + ypm (vgl. Ubungsaufgabe 55–5)ein Teilkorper von L" mit genau pm Elementen. !

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350 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

65.8 Satz

Es sei K ein endlicher Korper mit charK = p und pm Elementen (fur m % IN! ). Dann geltenfolgende Aussagen:

a) Ist k & K ein Teilkorper und gilt: |k| = pn , so ist n ein Teiler von m .

b) Ist n ein Teiler von m , so gibt es genau einen Teilkorper k & K mit |k| = pn .

c) Die Elemente von k sind die Nullstellen von Xpn ,X in K .

Beweis:

zu a): Es ist k! eine Untergruppe von K! , also pn , 1 ein Teiler von pm , 1 , d. h.:a (pn , 1) = pm , 1 . Schreiben wir m = q n + r mit 0 ) r < n , so folgt wegen

(pn)q = ((pn , 1) + 1)q =q"

!=0

+q!

,(pn , 1)! = a" (pn , 1) + 1 :

a (pn , 1) = (pn)q pr , 1= (a" (pn , 1) + 1) pr , 1= a" pr (pn , 1) + (pr , 1) .

Wegen 0 ) pr , 1 < pn , 1 kann diese Gleichung nur fur r = 0 gelten. Also ist nein Teiler von m .

zu b): Wir zeigen zunachst, daß es hochstens einen Teilkorper k & K gibt mit |k| = pn .Wegen |k!| = pn , 1 gilt fur alle x % k! : xpn = x ; dies gilt auch fur x = 0 . Alsobesteht k aus den Nullstellen von Xpn ,X = 0 , denn als Polynom vom Grade pn

kann dieses Polynom nicht mehr Nullstellen besitzen.zu b) & c): Sei n ein Teiler von m ; wir zeigen, daß die Nullstellen von Xpn,X einen Teilkorper

von K mit pn Elementen liefern.Diese Nullstellen bilden einen Teilkorper von K (vgl. Beweis zu Satz 65.7). Es bleibt zuzeigen, daß es mindestens pn,1 Elemente in K! gibt, welche die Gleichung xpn#1 = 1

erfullen. Nun ist pn,1 ein Teiler von pm,1 wegen pm,1 = (pn)q,1 = (pn,1)q#1"!=0

p!n.

Da K! zyklisch ist, existiert eine Untergruppe der Ordnung pn , 1 in K! .

!

65.9 Beispiel

Es sei p = 3 und m = 2 ; gesucht ist ein Korper K mit 9 Elementen. Nach Satz 65.7 betrachtenwir f = X9,X % ZZ3[X] ; gesucht ist eine Faktorisierung von f mit irreduziblen Faktoren. Es istf = X (X,1) (X,2) (X6 +X4 +X2 +1) . g := X6 +X4 +X2 +1 besitzt keine Linearfaktorenin einer Faktorisierung; es gilt: g = (X2 + 1) (X4 + 1) = (X2 + 1) (X2 + X + 2) (X2 + 2 X + 2) ,und alle drei Faktoren sind irreduzibel in ZZ3[X] . Bilde nun

K := ZZ3[X]/(X2 + 1) = !f + (X2 + 1) | !f % ZZ3[X] ;

dann hat f in K mindestens eine Nullstelle. Wie kann man sich solch ein K nun vorstellen? —

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§ 66. POLYNOME IN MEHREREN VERANDERLICHEN 351

Analog zu Ubungsaufgabe 59–1 kann man zeigen, daß K isomorph ist zum endlichen KorperL = u+i v | u, v % ZZ3, wobei i die Bedingung i2 = ,1 = 2 in ZZ3 erfullt und die Verknupfungenin L wie ublich definiert sind, d. h.:

(u1 + i v1) + (u2 + i v2) = u1 + u2 + i (v1 + v2)und (u1 + i v1) · (u2 + i v2) = u1 u2 , v1 v2 + i (u1 v2 + u2 v1) .

Uber K (= L laßt sich g vollstandig faktorisieren. Es gilt:

f = X (X , 1) (X , 2) (X , i) (X , 2 i) (X , (1 + i)) (X , (1 + 2 i)) (X , (2 + i)) (X , (2 + 2 i))

wegen Φ1+2 i(g) = 0 , weil:

Φ1+2 i(X2 + X + 2) = (1 + 2 i)2 + (1 + 2 i) + 2= 1 + 4 i + 4 i2 + 1 + 2 i + 2= 1 + 4 i + 2 + 2 i + 0= 0

usw.

§ 66 Polynome in mehreren Veranderlichen

Sei kunftig R wieder ein kommutativer Ring mit 1 #= 0 . Dann ist R[X1] ebenfalls ein kommu-tativer Ring mit 1 #= 0 . Also konnen wir

R[X1, X2] := (R[X1])[X2]

als Polynomring uber R[X1] in der Unbestimmten X2 definieren. Gemaß §59 ist f % R[X1, X2]eine Abbildung f % Abb(IN, R[X1]) mit f(µ) = 0 % R[X1] fur alle µ > m aus IN . Iden-tifizieren wir f mit dem ”0-Tupel“ (f(0), f(1), f(2), . . . ) , so ist X2 % R[X1, X2] das Tupel(0,1,0,0, . . . ) , wobei 1 = (1, 0, 0, . . . ) das Einselement in R[X1] und 0 = (0, 0, 0, . . . ) das Null-element in R[X1] bezeichne. Betten wir auf kanonische Art R in R[X1] und R[X1] in R[X1, X2]ein, d. h.:

R 1 r -$ (r, 0, 0, . . . ) % R[X1] undR[X1] 1 (f0, f1, f2, . . . , fm, 0, 0, . . . ) -$ ((f0, f1, f2, . . . , fm, 0, 0, . . . ),0,0, . . . ) % R[X1, X2] ,

so konnen wir R auch als Unterring von R[X1, X2] auffassen vermoge

R 1 r -$ ((r, 0, 0, . . . ),0,0, . . . ) % R[X1, X2] undR[X1] 1 X1 -$ ((0, 1, 0, 0, . . . ),0,0, . . . ) % R[X1, X2] .

Mit dieser Identifikation laßt sich f % R[X1, X2] nun eindeutig darstellen in der Form:

f =m"

µ=0fµ X2

µ mit fµ % R[X1] . Schreiben wir dies jetzt in der gewohnten Art und Weise als

fµ =nµ"

!=0fµ! X1

! mit fµ! % R und nµ % IN , so erhalten wir ausfuhrlich:

f =m#

µ=0

nµ#

!=0

fµ! X1! X2

µ .

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352 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

Induktiv ergibt sich so weiter fur n + 2 :

R[X1, X2, . . . ,Xn] := (R[X1, X2, . . . ,Xn#1])[Xn] ;

mit den entsprechenden Identifikationen laßt sich jedes f % R[X1, X2, . . . ,Xn] eindeutig in derForm

f =#

!1,!2,...,!n$0

f!1!2···!n X1!1 · X2

!2 · . . . · Xn!n

mit Koeffizienten f!1!2···!n % R darstellen, wobei hochstens endlich viele f!1!2···!n von Nullverschieden sind. Man kann sofort zeigen, daß fur alle 1 ) m < n gilt:

(R[X1, X2, . . . ,Xm])[Xm+1, Xm+2, . . . ,Xn] (= R[X1, X2, . . . ,Xn] ;

ferner gilt fur jede Permutation ' % Sn :

R[X1, X2, . . . ,Xn] (= R[X&(1), X&(2), . . . ,X&(n)] .

66.1 Definition

Der oben konstruierte Ring R[X1, X2, . . . ,Xn] heißt Polynomring uber R in n Unbestimmten(oder Veranderlichen).Die Abbildung grad: R[X1, X2, . . . ,Xn] \ 0$ IN mit

grad f := max&

&1 + &2 + . . . + &n

''' f!1!2···!n #= 0 fur

f =#

!1,!2,...,!n$0

f!1!2···!n X1!1 · X2

!2 · . . . · Xn!n % R[X1, X2, . . . ,Xn]

(

heißt Grad–Funktion auf R[X1, X2, . . . ,Xn]. Und grad f nennt man den Grad des Polynoms fin n Veranderlichen.

Da diese Grad–Funktion Satz 59.7 entsprechende Aussagen erfullt, erhalten wir durch vollstandi-ge Induktion nach n :

66.2 Satz

a) R[X1, X2, . . . ,Xn] ist Integritatsring "! R ist Integritatsring (vgl. Folgerung 59.8a).

b) Ist R ein Integritatsring, so gilt: R[X1, X2, . . . ,Xn]! = R! (vgl. Folgerung 59.8b).

c) Ist R ein Gauß’scher Ring, so auch R[X1, X2, . . . ,Xn] (vgl. Satz 64.11).

66.3 Bemerkung

Ist R ein Korper, so ist R[X] ein Hauptidealring, aber R[X1, X2] , R[X1, X2, X3] usw. nicht.

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§ 67. SYMMETRISCHE POLYNOME 353

66.4 Bemerkung

Analog zu §59 definiert man einen ”mehrdimensionalen“ Einsetz–HomomorphismusΦx1x2···xn : R[X1, X2, . . . ,Xn] $ R bei vorgegebenem (x1, x2, . . . , xn) % Rn sowie die Poly-

nomabbildungen auf R in n Veranderlichen, d. h. den Ring

Πn(R) :=&

f % Abb(Rn, R)''' f(x1, x2, . . . , xn) =

#

!1,!2,...,!n$0

f!1!2···!n x1!1 · x2

!2 · . . . · xn!n ,

fast alle f!1!2···!n = 0(

.

In der algebraischen Geometrie beschaftigt man sich mit der Nullstellenmenge von Polynomenin mehreren Veranderlichen, d. h. der Menge aller (b1, b2, . . . , bn) % Rn mit Φb1b2···bn(f) = 0 .

Zum Beispiel ist fur f % IR[X1, X2] mit f = X12 + X2

2 , r2 die Nullstellenmenge im IR2 alsKreislinie bekannt, ebenso fur f = a X1 + b X2 + c als Gerade.

§ 67 Symmetrische Polynome

Wie ublich sei R immer ein kommutativer Ring mit 1 #= 0 .

67.1 Definition

Wir definieren fur ein festes n % IN! und die symmetrische Gruppe Sn eine Abbildung2 : Sn3R[X1, X2, . . . ,Xn] $ R[X1, X2, . . . ,Xn] durch

" 2 f :=#

!1,!2,...,!n$0

f!1!2···!n X'(1)!1 · X'(2)

!2 · . . . · X'(n)!n

fur f =#

!1,!2,...,!n$0

f!1!2···!n X1!1 · X2

!2 · . . . · Xn!n % R[X1, X2, . . . ,Xn] . Ein Polynom f heißt

symmetrisch, wenn fur alle " % Sn gilt: " 2 f = f . ( Sn operiert auf R[X1, X2, . . . ,Xn] .)

67.2 Satz

Die Menge f % R[X1, X2, . . . ,Xn] | f symmetrisch aller symmetrischen Polynome bildet einenUnterring von R[X1, X2, . . . ,Xn] .

Beweis: ist klar. " !

Wir wollen einige typische symmetrische Polynome betrachten:

Sei n % IN! und P [X] := (R[X1, X2, . . . ,Xn])[X] (= R[X1, X2, . . . ,Xn, X] ;

dann sei p % P [X] definiert durch p :=n*

i=1(X , Xi) . Wir multiplizieren das Produkt aus,

sortieren nach Potenzen von X und schreiben:

(4) p =n#

!=0

(,1)! s(n)! · Xn#! mit s(n)

! % R[X1, X2, . . . ,Xn] .

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354 KAPITEL XV. WEITERFUHRENDE AUSSAGEN UBER POLYNOME

Wegen p =n*

i=1(X,Xi) =

n*i=1

(X,X'(i)) fur jedes " % Sn ist " 2s(n)! = s(n)

! fur alle 0 ) & ) n ,

also s(n)! symmetrisch. Und ein Koeffizientenvergleich liefert:

s(n)0 = 1 ,

s(n)1 = X1 + X2 + . . . + Xn =

n#

i=1

Xi ,

s(n)2 = X1 X2 + X1 X3 + . . . + X1 Xn + X2 X3 + . . . + Xn#1 Xn =

#

1%i<j%n

Xi Xj ,

s(n)3 =

#

1%i<j<k%n

Xi Xj Xk ,

...s(n)m =

#

1%i1<i2<...<im%n

Xi1 · Xi2 · . . . · Xim ,

...s(n)n = X1 · X2 · . . . · Xn .

67.3 Definition

Die durch (4) definierten symmetrischen Polynome s(n)! heißen fur 0 ) & ) n die elementarsym-

metrischen Polynome in den Unbestimmten X1, X2, . . . ,Xn.

67.4 Bemerkung

Diese s(n)! sind uns gut bekannt: Denn ist zum Beispiel f =

n"i=0

ai Xi mit an = 1 ein Polynom,

das samtliche Nullstellen x1, x2, . . . , xn in R hat, so gilt: f =n"

i=0ai Xi =

n*j=1

(X,xj) , was durch

Vergleich mit (4):an#k = (,1)k s(n)

k (x1, x2, . . . , xn)

fur 0 ) k ) n liefert. Speziell fur n = 2 ergibt sich:

f = X2 + p X + q = (X , x1) · (X , x2) "! x1 + x2 = ,p . x1 · x2 = q .

Dies wird haufig als Wurzelsatz von Vieta90 bezeichnet.

67.5 Satz (Hauptsatz fur symmetrische Polynome)91

Es sei f % R[X1, X2, . . . ,Xn] symmetrisch. Dann existiert ein Polynom g % R[X1, X2, . . . ,Xn]mit

f = g(s(n)1 , s(n)

2 , . . . , s(n)n ) .

90Francois Viete, lateinisch: Vieta, franzosischer Jurist und Mathematiker ("1540, †23.02.1603)91Dieser Satz aus dem Jahre 1673 stammt von Sir Isaac Newton, englischer Physiker, Mathematiker und Astro-

nom ("04.01.1643, †31.03.1727)

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§ 67. SYMMETRISCHE POLYNOME 355

Beweis zu Satz 67.5:

Sei f =#

!1,!2,...,!n$0

f!1!2···!n X1!1 · X2

!2 · . . . · Xn!n mit f!1!2···!n % R von Null verschieden fur

hochstens endlich viele (&1, &2, . . . , &n) % INn sowie m := grad f . Wegen der Symmetrie von fgilt fur jedes " % Sn : f!1!2···!n = f!#(1)!#(2)···!#(n)

. Also laßt sich f in der Form

f =#

m$#1$#2$...$#n$0

f#1#2···#n

#

'&!Sn

X1##(1) · X2

##(2) · . . . · Xn##(n)

schreiben mit $1 + $2 + . . . + $n ) m . Dabei bedeute " % !Sn , daß nur uber diejenigenPermutationen " % Sn zu summieren ist, die zu verschiedenen Summanden von f fuhren, wobeidie Koeffizienten von f nicht geandert werden. Wir sortieren nun die Summanden so um, daßf#1#2···#n

#

'&Sn

X1##(1) ·X2

##(2) · . . . ·Xn##(n) vor f$1$2···$n

#

'&Sn

X1$#(1) ·X2

$#(2) · . . . ·Xn$#(n) steht,

wenn fur i0 := min i % 1, 2, . . . , n | $i #= %i gilt: %i0 < $i0 . Wegen grad f = m existiertein n-Tupel ($1, $2, . . . ,$n) % INn mit $1 + $2 + . . . + $n = m und $1 + $2 + . . . + $n . Wirdefinieren g1 durch

g1 := f#1#2···#n (s(n)1 )#1##2 · (s(n)

2 )#2##3 · . . . · (s(n)n#1)

#n"1##n · (s(n)n )#n ;

dann ist g1 % R[X1, X2, . . . ,Xn] und

grad g1 = $1 , $2 + 2($2 , $3) + . . . + (n,1)($n#1 , $n) + n$n

= $1 + $2 + $3 + . . . + $n

= m .

Stellen wir g1 in kanonischer Form dar, so erhalten wir, wenn wir jeweils den ”ersten“ Term vons(n)k betrachten, als ersten Term von g1 in der Gestalt

f#1#2···#n X1#1##2 · (X1 X2)#2##3 · . . . · (X1 ·X2 ·. . .·Xn)#n = f#1#2···#n X1

#1 · X2#2 · . . . · Xn

#n .

Da g1 symmetrisch ist, kommen in der Darstellung von g1 auch alle Termef#1#2···#n X1

##(1) · X2##(2) · . . . · Xn

##(n) fur jedes " % Sn vor. Somit laßt sich g1 in der Form

g1 =#

m$#1$#2$...$#n$0

g#1#2···#n

#

'&Sn

X1##(1) · X2

##(2) · . . . · Xn##(n)

schreiben. Bezuglich der obigen Ordnung hat der erste Term den Koeffizienten f#1#2···#n . Wirbetrachten schließlich d := f , g1 ; ist d = 0 , so sind wir fertig. Anderenfalls wenden wir denoben beschriebenen Prozeß auf das symmetrische Polynom d an. Nach endlich vielen Schrittenbricht das Verfahren ab. !

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Kapitel XVI

Endliche Korper und einigeAnwendungen

Unser Hauptziel in diesem Kapitel ist die Konstruktion von t-Designs. (Vgl. §52 aus Algebra I.)Zuvor jedoch wollen wir uns Fragen aus der ”Unterhaltungs–Mathematik“ widmen.

§ 68 Lateinische Quadrate

68.1 Definition

Ein lateinisches Quadrat der Ordnung n ist eine (n3n)-Matrix L , deren Eintrage n verschiedenelateinische Buchstaben sind, mit der Eigenschaft, daß kein Buchstabe in derselben Zeile oderSpalte von L zweimal vorkommt.

68.2 Beispiel

Die folgende (4 3 4)-Matrix aus den Buchstaben a, o, m und r bildet ein lateinisches Quadratder Ordnung 4 : 2

3334

r o m ao r a mm a r oa m o r

5

6667

68.3 Bemerkung

Der Bequemlichkeit halber wahlen wir haufig die Eintrage der Quadrate als Elemente aus ZZn ,etwa: 1, 2, 3, . . . , n. Dann ist ein lateinisches Quadrat L = (lij)1%i,j%n darstellbar als quadratischeMatrix mit Koeffizienten lij % ZZn .

68.4 Satz

Fur jedes n + 2 stellt die Matrix L = (lij) % Mat(n, n;ZZn) mit lij = i + j (mod n)ein lateinisches Quadrat der Ordnung n dar.

Beweis: ist klar. " !

356

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§ 68. LATEINISCHE QUADRATE 357

68.5 Definition

Zwei lateinische Quadrate L = (lij) und L" = (l"ij) der Ordnung n heißen orthogonal, wenn dien2 Paare (lij , l"ij) paarweise verschieden sind.

68.6 Beispiel

Die lateinischen Quadrate2

3334

a b c db c d ac d a bd a b c

5

6667 und

2

3334

a b c dc d a bd c b ab a d c

5

6667

sind nicht orthogonal, jedoch2

3334

a b c dc d a bd c b ab a d c

5

6667 und

2

3334

a b c db a d cc d a bd c b a

5

6667 .

68.7 Bemerkung

Fassen wir L , L" als Elemente von Mat(n, n;ZZn) auf, so sind L und L" orthogonal genau dann,wenn fur jedes Paar (k, k") % ZZn 3 ZZn ein (i, j) % INn

2 existiert mit lij = k und l"ij = k" .

Mit der Existenz orthogonaler lateinischer Quadrate befaßte sich 1781/82 bereits L. Euler. ImJahre 1781 wollte er das ”Offiziersproblem“ losen, wobei 36 Offiziere mit 6 verschiedenen Dienst-graden aus 6 verschiedenen Regimentern auf eine (63 6)-Matrix verteilt werden sollten; dies istaquivalent zur Existenz zweier orthogonaler lateinischer Quadrate der Ordnung 6 .In 1782 fand Euler: Ist n #5 2 (mod 4) , so existieren zwei orthogonale lateinische Quadrateder Ordnung n . Und ist n 5 2 (mod 4) , so existieren keine zwei orthogonale lateinischeQuadrate der Ordnung n (Euler’sche Vermutung). Diese Vermutung ist richtig fur n = 2 undn = 6 (nach [33]; 1901), jedoch falsch fur alle n + 10 (nach [6]; 1960). Bis heute offen ist dieFrage, wieviele paarweise zueinander orthogonale lateinische Quadrate der Ordnung n fur n 5 2(mod 4) mit n + 10 maximal existieren.

68.8 Satz

Es seien p + 2 eine Primzahl, n % IN! und q := pn . Dann existieren genau q , 1 paarweiseverschiedene orthogonale lateinische Quadrate der Ordnung q .

Beweis:

Es sei K ein Korper mit q Elementen. Fur r % K! definieren wir Lr = (l(r)ij ) % Mat(q, q;K)durch l(r)ij := r i+ j mit i, j % K . Dann bildet Lr ein lateinisches Quadrat; denn aus l(r)ij = l(r)ij# ,

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358 KAPITEL XVI. ENDLICHE KORPER UND EINIGE ANWENDUNGEN

d. h. r i+ j = r i+ j" , folgt: j = j" , und aus l(r)ij = l(r)i#j , d. h. r i+ j = r i"+ j 6 r (i, i") = 0 ,folgt wegen r % K! : i = i" . Sind Lr, Ls nun zwei wie oben gebildete lateinische Quadrate, sosind Lr und Ls fur alle r #= s orthogonal. Existiert namlich ein Paar (k, k") % K 3 K und(i1, j1) sowie (i2, j2) mit r i1 + j1 = k , s i1 + j1 = k" und r i2 + j2 = k , s i2 + j2 = k" , so folgt:r (i1, i2) = j2, j1 und s (i1, i2) = j2, j1 . Ist i1 = i2 , so folgt: j1 = j2 . Und im Fall i1 #= i2erhalten wir: r = s = (i1 , i2)#1 (j2 , j1) und damit: Lr = Ls . Also sind Lr und Ls fur aller #= s orthogonal. !

68.9 Beispiel

Ist p = 3 und n = 1 , d. h. q = 3 , so sind orthogonal:

L1 =

2

340 1 21 2 02 0 1

5

67 und L2 =

2

340 1 22 0 11 2 0

5

67 .

§ 69 Differenzmethoden zur Konstruktion von Designs

69.1 Definition

Betrachte die abelsche Gruppe (ZZm,+) ; eine Menge " #= D & ZZm heißt Di!erenzmenge, wennes zu jedem a % ZZm \ 0 die gleiche Anzahl von Paaren (d, d") % D 3 D fur d #= d" mitDifferenz a = d, d" gibt.

69.2 Beispiel

Die Menge D = 1, 2, 4 ist eine Differenzmenge in ZZ7 , denn es gilt:

, 1 2 41 — 1 32 6 — 24 4 5 —

Also ist jedes a % ZZ7 \ 0 auf genau eine Art und Weise als Differenz von Elementen aus Ddarstellbar.

69.3 Bemerkung

Ist D & ZZm eine Differenzmenge mit |D| = k , so gibt es k · (k, 1) Differenzen und m, 1 vonNull verschiedene Elemente in ZZm . Also lautet die Anzahl aller Darstellungen von a % ZZm\0als Differenz von Elementen aus D genau k (k#1)

m#1 .

69.4 Satz

Es sei D & ZZm eine Differenzmenge mit |D| = k ; dann bilden die Mengen D + i mit i % ZZm

die Blocke eines 2-Designs mit den Parametern (m, k, k (k#1)m#1 ) .

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§ 69. DIFFERENZMETHODEN ZUR KONSTRUKTION VON DESIGNS 359

Beweis zu Satz 69.4:

Seien $,% % ZZm mit $ #= % gegeben. Da D eine Differenzmenge ist, existieren genau k (k#1)m#1

Paare (x, y) % D 3D mit x #= y und x, y = $, % (4) .Fur jede Losung von (4) gilt dann mit a := $ , x : $ = a + x und % = $ , (x, y) = y + a ,d. h.: $,% & D + a . !

69.5 Bemerkung

Gemaß Satz 52.17 und Satz 69.4 ist das oben konstruierte 2-Design auch ein 1-Design mit

r1 =m, 1k , 1

· r2 =m, 1k , 1

· k (k , 1)m, 1

= k und r0 = m .

Wie erhalt man nun solche Differenzmengen?

Es sei dazu K ein endlicher Korper mit pn =: q Elementen; dann ist K! zyklisch, d. h.:

K! = $,$2, $3, . . . ,$q#1

mit $ % K! . Zu jedem $2m % K! existiert dabei eine ”Quadratwurzel“ wegen ($m)2 = $2m .Angenommen, auch $2m+1 % K! besaße eine ”Quadratwurzel“, d. h. es gabe ein % % K! mit%2 = $2m+1 . Wegen % % K! existierte dann ein k % 1, 2, 3, . . . , q , 1 mit % = $k . Darausfolgte:

$2(m#k)+1 = 1 , also: 2 (m, k) + 1 = v · ordK! = v · (q , 1) .

Nun ist aber fur ungerades q die Zahl q , 1 gerade und 2 (m , k) + 1 ungerade. Also besitzenfur ungerades q nur die Elemente $2m % K! eine ”Quadratwurzel“.

69.6 Satz

Es sei p + 2 eine Primzahl, q := pn ungerade mit n % IN! sowie K ein Korper mit q Elementen,K! = $,$2, $3, . . . ,$q#1 und # := $2, $4, $6, . . . ,$q#1 die Menge aller Quadrate in K .Gilt dann: q 5 1 (mod 4) , so ist ,1 % # ; und gilt: q 5 3 (mod 4) , so folgt: ,1 /% # .

Beweis:

Da K! zyklisch ist mit |K!| = q , 1 % 2 IN , gibt es genau zwei Losungen von x2 = 1 , namlichx = 1 und x = ,1 . Andererseits ist $q#1 = 1 und auch $

12 (q#1) eine Losung von x2 = 1 .

Damit gilt: $12 (q#1) = ,1 . Nach den Voruberlegungen ist $

12 (q#1) genau dann ein Quadrat,

wenn 12(q , 1) = 2m "! q = 4m + 1 ist. !

69.7 Satz

Unter den Voraussetzungen wie in Satz 69.6 sei q 5 3 (mod 4) ; dann ist # eine Differenz-menge in K , d. h. jedes x % K! kann auf genau m unterschiedliche Arten als Differenz vonverschiedenen Quadraten dargestellt werden, wobei q = 4m + 3 ist.

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360 KAPITEL XVI. ENDLICHE KORPER UND EINIGE ANWENDUNGEN

Beweis zu Satz 69.7:

Sei z % K! ein Quadrat, etwa z = (2 mit ( #= 0 . Gibt es µ Moglichkeiten, das z als Differenzvon Quadraten darzustellen, etwa z = u2, v2 , so zeigen wir, daß es fur jedes w % K! genausoviele Darstellungen als Differenz von Quadraten gibt. Ist w ein Quadrat, etwa w = )2 , so folgt:

w = () (#1)2 · (2 =: %2 · z mit % = ) (#1 % K! , d. h.: w = %2 (u2, v2) = (% u)2, (% v)2 .

Ist w kein Quadrat, dann ist w = $2r+1 ; ferner ist ,1 = $2s+1 , also gilt:

,w = (,1) w = $2(r+s+1) =: *2

und damit: w = ,*2 = ,(* (#1)2 · (2 =: +2 · (,z) = (+ v)2 , (+ u2) .

Wegen |#| = 12(q,1) = 2m+1 ist die Anzahl der moglichen Differenzen verschiedener Quadrate

gleich 2m(2m + 1) . Mit q , 1 = 4m + 2 ist schließlich µ =2m(2m + 1)

4m + 2= m . !

69.8 Folgerung

Ist die Primzahl p von der Form 4m + 3 , so ist # eine Differenzmenge in ZZp , gemaß Satz 69.4definiert als 2-Design mit den Parametern (4m + 3 , 2m + 1 , m) .

69.9 Beispiel

Ist p = 23 , d. h. m = 5 , so ist # = 1, 2, 3, 4, 6, 8, 9, 12, 13, 16, 18 ;und wir erhalten ein 2-Design mit den Parametern (23, 11, 5) .

§ 70 Endliche Geometrien und Designs

Wie in §69 sei fur eine Primzahl p + 2 und festes n % IN! ein endlicher Korper K mit q = pn

Elementen der Charakteristik charK = p vorgegeben.

Wir betrachten den affinen Raum A................................................... = (K2, K2, $) . Dann enthalt K2 genau q2 Punkte; und

es gibt so viele Geraden durch jeden Punkt von K2 wie es eindimensionale Teilraume von K2

gibt (vgl. hierzu das Kapitel VIII aus Lineare Algebra II). Eine Gerade ist dabei die Mengealler Punkte (x, y) % K2 , welche eine Gleichung der Form a x + b y = cmit a, b, c % K erfullen, wobei a und b nicht beide gleichzeitig Null sind.

70.1 Satz

Unter den obigen Voraussetzungen bilden die Geraden in K2 die Blocke eines 2-Designs mit denParametern (q2, q, 1) .

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§ 70. ENDLICHE GEOMETRIEN UND DESIGNS 361

Beweis zu Satz 70.1:

Wir mussen zeigen, daß jede Gerade im endlichen affinen Raum A................................................... genau q Punkte enthalt und

daß je zwei Punkte genau eine Gerade festlegen.Sei dazu g eine Gerade mit den Parametern a, b, c ; ist b #= 0 , so bestimmt jedes x % K genauein y % K mit y = b#1 (c, a x) .Also hat eine solche Gerade genau q Punkte. Ist dagegen b = 0 , also a #= 0 , d. h.

a x = c "! x = a#1 c ,so erhalten wir die q Punkte (a#1c, y) mit y % K auf der Geraden g .Sind (x1, y1), (x2, y2) % K2 und (x1, y1) #= (x2, y2) , also x1,x2 #= 0 oder y1,y2 #= 0 , so liefert

(y1 , y2) x + (x2 , x1) y = x2 y1 , x1 y2 (4)die Gleichung einer Geraden, die (x1, y1) und (x2, y2) enthalt. Ist a x = b y = c eine weitereGerade, die (x1, y1) und (x2, y2) enthalt, so gilt: a xi + b yi = c fur i = 1, 2 ,d. h.: a (x2 , x1) = b (y1 , y2) . Ist x1 #= x2 , also x2 , x1 invertierbar in K , so erhalten wirweiter a = $ (y1 , y2) mit $ = b (x2 , x1)#1 . Daraus folgt: b = $ (x2 , x1) ; also gilt:c = a x1 + b y1 = $ (x2 y1 , x1 y2) und damit zusammen fur die Gerade a x + b y = c :

$ (y1 , y2) x + $ (x2 , x1) y = $ (x2 y1 , x1 y2) .Diese Gerade stellt die gleiche Punktmenge dar wie (4). Ist y1 #= y2 , so verfahre man entspre-chend. !

70.2 Bemerkung

Die affine Ebene uber K besitzt genau

b = r0 =v

k· r1 =

q2

q· r1 = q · r1

affine Geraden als Blocke des 2-Designs mit

r1 =v , 1k , 1

· r2 =q2 , 1q , 1

= q + 1 .

Also gibt es q (q + 1) Geraden, und jeder Punkt liegt auf genau q + 1 Geraden.

Ist zum Beispiel p = 3 und n = 1 , d. h. K = ZZ3 , so erhalten wir folgendes Modell fur A................................................... (vgl.

Ubungsaufgabe 32–4):

! ! !

! ! !

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A1 A2A3

A4 A5

A6

A7 A8 A9

.............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............

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Die gestrichelten Geraden bil-den in ZZ3 3 ZZ3 ein 2-Designmit den Parametern (9, 3, 1) .

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362 KAPITEL XVI. ENDLICHE KORPER UND EINIGE ANWENDUNGEN

In §40 aus Lineare Algebra II haben wir festgestellt, daß sich durch Herausnehmen einerHyperebene eines projektiven Raumes IP2(K) der Rest als affiner Raum auffassen laßt. Um-gekehrt erhalten wir, z. B. fur K = ZZ3 , die projektive Ebene uber K aus der affinen Ebeneuber K durch Hinzunahme der uneigentlichen Hyperebene. Diese uneigentliche Hyperebene isteine Gerade und enthalt vier Punkte B1, B2, B3, B4 (im Fall ZZ3 ). Wir stellen uns dies so vor,daß B1 auf den Geraden L(A1, A2, A3) , L(A4, A5, A6) und L(A7, A8, A9) liegt, B2 auf den Ge-raden L(A1, A4, A7) , L(A2, A5, A8) und L(A3, A6, A9) liegt, B3 auf den Geraden L(A1, A6, A8) ,L(A2, A4, A9) und L(A3, A5, A7) liegt sowie B4 auf den Geraden L(A1, A5, A9) , L(A2, A6, A7) ,L(A3, A4, A8) und auf L(B1, B2, B3) liegt:

! ! !

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A1 A2A3

A4 A5

A6

A7 A8 A9

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B3

B2

B4

B1

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..... .

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. . . . . . . ....

Ubertragt man obige Uberlegung auf die affine Ebene A................................................... uber K mit q2 Punkten, so erhalt man

die projektive Ebene uber K mit q2 + q +1 Punkten, mit q(q +1)+1 = q2 + q +1 Geraden undgenau q + 1 Punkten auf jeder Geraden. Je zwei Punkte legen genau eine Gerade fest. Also gilt:

70.3 Satz

Unter den obigen Voraussetzungen bilden die Geraden der projektiven Ebene uber K die Blockeeines 2-Designs mit den Parametern (q2 + q + 1 , q + 1 , 1) . Zusatzlich ist der Durchschnitt vonje zwei Blocken einelementig.

70.4 Bemerkung

Dabei gilt:

r1 =v , 1k , 1

· r2 =q2 + q

q= q + 1 und b = r0 =

v

k· r1 =

q2 + q + 1q + 1

· (q + 1) = q2 + q + 1 .

Speziell fur IP2(ZZ2) ergibt sich etwa dieses Modell:

! ! !!! !!

B2 B3 B1

A1 A2A4

A3

..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

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§ 71. EXISTENZ VON DESIGNS 363

§ 71 Existenz von Designs

71.1 Definition

Ein 2-Design mit den Parametern (4n, 1 , 2n, 1 , n, 1) heißt ein Hadamard–2-Design92.

71.2 Beispiel

Ist p eine Primzahl der Form 4m + 3 , so ist das gemaß Folgerung 69.8 gebildete 2-Design einHadamard–2-Design (mit n = m + 1 ).

71.3 Satz

Ist B ein Hadamard–2-Design mit der Grundmenge X und den Blocken B % B , so sei

X! := X * 0 mit 0 /% X

sowie B! := B+ *B#

mit B+ := B+ = B * 0 | B % Bund B# := B# = X \ B | B % B .

Dann bilden die Elemente von B! ein 3-Design mit den Parametern (4n , 2n , n, 1) .

Beweis:

Die Anzahl |X!| = 4n ist klar; fur alle B! % B! gilt:

|B!| =8

|B+| = |B| + 1 = (2n, 1) + 1 = 2n fur B! % B+

|B#| = |X|, |B| = (4n, 1), (2n, 1) = 2n fur B! % B# .

Es bleibt zu zeigen, daß jeweils 3 Punkte von X! in genau n, 1 Blocken aus B! liegen.

1. Fall: Seien x, y % X ; betrachte die Blocke B! % B! mit x, y,0 & B! . Dann istB! % B+ , da die Elemente aus B# das 0 nicht enthalten. Also sind die Blocke B! % B! mitx, y,0 & B! genau die Blocke B * 0 mit x, y & B . Davon gibt es exakt n, 1 Stuck.

2. Fall: Seien x1, x2, x3 % X und a = a(x1, x2, x3) % IN die Anzahl der Blocke B % B mitx1, x2, x3 & B . Wir berechnen nun die Anzahl c = c(x1, x2, x3) der Blocke B % B , die wederx1 noch x2 noch x3 enthalten. Das Sieb–Prinzip 52.5 liefert mit Bi := B % B | xi % B :

c = b, |B1 *B2 *B3| = b, 3r1 + 3r2 , a ,

wobei r2 = n, 1 , r1 =v , 1k , 1

r2 = 2n, 1 und b =v

kr1 = 4n, 1 ist. Also gilt: c = (n, 1), a .

Damit gibt es genau n , 1 , a Blocke B % B# & B! mit x1, x2, x3 & B . Ferner existierenexakt a Blocke B % B+ mit x1, x2, x3 & B , also insgesamt n , 1 Blocke aus B! , in denenx1, x2, x3 enthalten ist.

!92Jacques Salomon Hadamard, franzosischer Mathematiker ("08.12.1865, †17.10.1963)

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364 KAPITEL XVI. ENDLICHE KORPER UND EINIGE ANWENDUNGEN

71.4 Definition

Die gemaß Satz 71.3 aus Hadamard–2-Designs B konstruierten 3-Designs B! heißen Hadamard–3-Designs.

71.5 Beispiel

Ist p eine Primzahl der Form 4m + 3 mit m % IN , so existiert ein 3-Design mit den Parametern(4m + 4 , 2m + 2 , m) .

71.6 Bemerkungen

a) Existiert ein 2-Design mit den Parametern (v, k1, r2) , und existiert ein 2-Design mit denParametern (k1, k2, s2) , so existiert ein 2-Design mit dem Parametern (v, k2, r2s2) . ZumBeispiel gibt es ein 2-Design mit (169, 4, 1) , denn es existiert nach Satz 70.1 ein 2-Designmit den Parametern (169, 13, 1) und gemaß Satz 70.3 ein 2-Design mit den Parametern(13, 4, 1) .

b) Existieren 2-Designs mit den Parametern (v, k, r2) und (v, k, s2) , so gibt es auch ein 2-De-sign mit (v , k , r2 + s2) .

c) Ist n % IN! \ 1 mit n 5 1 (mod 6) , dann existiert ein 2-Design mit den Parametern(n, 3, 1) . Solche Designs heißen Steiner–Tripelsysteme93.

d) Es existiert ein 5-Design mit den Parametern (12, 6, 1) , der sogenannte kleine Witt’sche94

Blockplan von 1938. Daraus ergibt sich die Existenz eines 4-Designs mit (11, 5, 1) und eines3-Designs mit (10, 4, 1) .

93Jakob Steiner, schweizerischer Mathematiker ("18.03.1796, †01.04.1863)94Ernst Witt, deutscher Mathematiker ("26.06.1911, †03.07.1991)

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Kapitel XVII

Korpererweiterungen

Wir setzen die Untersuchungen aus §65 fort. Dabei seien alle Korper stets als kommutativ vor-ausgesetzt.

§ 72 Algebraische Erweiterungen

Wir betrachten einen Korper K und einen Erweiterungskorper L von K (vgl. Definition 57.5 inAlgebra I). Ist L+ die additive Gruppe von L , und definieren wir eine Skalarmultiplikation

· : K 3 L+ $ L+ durch (k, a)· := k

Multiplika-tion in L

7· a ,

so erhalten wir L+ = L als Vektorraum uber K. Dafur schreiben wir auch L+K .

72.1 Definition

Ist L Erweiterungskorper von K , so schreiben wir zur Abkurzung: L : K .Sprechweise: ”L uber K “ . Man nennt L : K dann eine Korpererweiterung.Ist Z ein Korper und Unterkorper von L mit K & Z & L , so heißt Z ein Zwischenkorper derErweiterung L : K. Wir schreiben dann auch: L : Z : K .Mit

[L : K] := dimK L+K

bezeichnen wir den Korpergrad (kurz: Grad oder Rang) von L uber K.

72.2 Satz

Sei Z Zwischenkorper der Erweiterung L : K mit [L : Z] < 0 und [Z : K] < 0 , dann gilt:

[L : K] = [L : Z] · [Z : K] .

365

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366 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

Beweis zu Satz 72.2:

Es seien n := [L : Z] und l1, l2, . . . , ln eine Basis von L+Z % VRZ sowie m := [Z : K] und

z1, z2, . . . , zm eine Basis von Z+K % VRK . Dann ist

z1l1, z2l1, . . . , zml1, z1l2, z2l2, . . . , zml2, . . . , z1ln, z2ln, . . . , zmln

eine Basis von L+K % VRK . Aus L 1 l =

n"!=1

$! l! mit $! % Z folgt wegen $! =m"

µ=1%!µzµ mit

%!µ % K die Linearkombination:

l =n#

!=1

9 m#

µ=1

%!µzµ

:l! .

Ferner sind die zµl! 1$µ$m1$!$n

linear unabhangig. !

72.3 Bemerkung

Ist L : Z : K mit [L : K] < 0 , so ist auch [L : Z] < 0 und [Z : K] < 0 . Es gilt:

[L : K] = 1 "! L = K .

72.4 Definition

Eine Erweiterung L : K heißt endlich, wenn [L : K] < 0 gilt; sonst heißt L : K eine unendlicheErweiterung.

72.5 Beispiele

a) Es ist [C : IR] = 2 mit Basis 1, i . Und es existiert kein echter Zwischenkorper vonC : IR , d. h. kein Korper Z mit IR &

!=Z &

!=C .

b) Es ist [IR : Q] = 0 . Ware namlich [IR : Q] = n < 0 und r1, r2, . . . , rn mit r! % IReine Basis von IR+

Q , so wurde gelten:

IR =& n#

!=1

q!r!

''' q! % Q(

=: M .

Nun ist aber M bijektiv auf Qn abbildbar. Damit ist M abzahlbar im Widerspruch zurUberabzahlbarkeit von IR .

72.6 Definition

Es sei L : K eine Korpererweiterung. Ein Element a % L heißt algebraisch uber K, wenn es einPolynom f % K[X] \ 0 gibt mit f(a) = Φa(f) = 0 . Und a heißt transzendent uber K, wenna nicht algebraisch uber K ist.Der Erweiterungskorper L heißt algebraisch uber K, wenn alle Elemente von L uber K algebra-isch sind. Und L heißt transzendent uber K, wenn es (mindestens) ein a % L gibt, das uber Ktranszendent ist.

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§ 72. ALGEBRAISCHE ERWEITERUNGEN 367

72.7 Beispiele

a) Betrachte C : IR und i % C , dann ist i algebraisch uber IR wegen f(i) = 0 fur dasPolynom f = 1 + X2 % IR[X] .

b) Wir betten den Korper K in den Integritatsring K[X] und diesen in seinen Quotien-tenkorper K(X) ein (vgl. Bemerkung 59.9). Wir betrachten nun K(X) : K ; dann ist dasPolynom X transzendent uber K , denn fur jedes f % K[X] mit ΦX(f) = 0 folgt wegenf = ΦX(f) sofort: f = 0 .

72.8 Satz

Ist L : K eine endliche Korpererweiterung, so ist L algebraisch uber K .

Beweis:

Sei n = [L : K] und a % L beliebig. Dann bilden 1, a, a2, a3, . . . , an % L+K eine linear abhangige

Familie. Also existieren k0, k1, k2, . . . , kn % K , nicht alle gleich Null, mitn"

i=0kiai = 0 , wobei

a0 := 1 ist. Betrachte dann f =n"

i=0kiXi . !

72.9 Satz

Es sei L : K eine Korpererweiterung und 0 #= a % L algebraisch uber K . Dann existiert einPolynom f % K[X] mit folgenden Eigenschaften:

(1) f(a) = 0 .

(2) Ist g % K[X] und grad g < grad f , so gilt: g(a) #= 0 .

(3) f ist normiert, d. h. HK(f) = 1 .

Durch diese drei Eigenschaften ist f eindeutig bestimmt.

Beweis:

Sei i := g % K[X] | g(a) = 0 ; dann ist i #= 0 und i ein Ideal in K[X] . Betrachte nun dieTeilmenge J := g % i \ 0 | HK(g) = 1 und ein Polynom h % J kleinsten Grades. Da K[X]ein Hauptidealring ist, gilt: i = (h) .Und h ist eindeutig bestimmt. (Aus i = (h1) mit HK(h1) = 1 folgt namlich wegen h1 = q · hund h = r · q1 mit q, r % K[X] : h = r ·h1 = r · q ·h , d. h. r · q = 1 . Und HK(h) = HK(h1) = 1liefert: q = 1 .)Das h ist uberdies Polynom niedrigsten Grades in K[X] mit h(a) = 0 . (Denn: Angenommen,es existierte ein g % K[X] mit g(a) = 0 und grad g < gradh ; dann ware g % i = (h) , also:g = s · h mit Widerspruch: grad g = grad s + gradh + gradh .) !

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368 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

72.10 Definition

Ist 0 #= a % L algebraisch uber K , so heißt das nach Satz 72.9 eindeutig bestimmte Polynom fdas Minimalpolynom von a uber K. Wir schreiben dann aK statt f .

72.11 Satz

Es sei L : K eine Korpererweiterung und 0 #= a % L . Dann gilt:

(i) Erfullt f % K[X] die Eigenschaften (1) und (3) aus Satz 72.9, und ist f irreduzibel uber K,so ist f = aK .

(ii) Ist a algebraisch und f = aK , so ist f irreduzibel.

Beweis:

zu (i): Gemaß Satz 59.11 gibt es q, r % K[X] mit f = q · aK + r , wobei entweder: r = 0oder: grad r < grad aK gilt. Daraus folgt:

0 = f(a) = q(a) aK(a) + r(a) = r(a) .

Wegen (2) muß r = 0 sein. Also ist f = q · aK . Und mit grad aK + 1 muß dannq % K sein, denn f ist nach Voraussetzung irreduzibel. Wegen HK(f) = 1 = HK(aK)folgt: q = 1 und damit: f = aK .

zu (ii): Angenommen, es ware f = g · h mit g, h % K[X] sowie grad g + 1 und gradh + 1 .Wegen

grad f = grad g + gradh > maxgrad g, gradh

und f(a) = g(a)h(a) ergibt sich ein Widerspruch zu (2).

!

72.12 Definition

Es seien L : K eine Korpererweiterung und M & L eine Menge; dann sei

K(M) :=;

K%Z%LZ&M Korper

Z .

Der Korper K(M) entsteht durch Adjunktion von M zu K. Ist M = a , so schreiben wir zurAbkurzung K(a) statt K(a) ; entsprechend sei fur endliches M = a1, a2, . . . , an :

K(a1, a2, . . . , an) := K(a1, a2, . . . , an) .

72.13 Bemerkung

Ist L : K eine Korpererweiterung, und gilt: M1, M2 & L , so istK(M1 *M2) = (K(M1))(M2) = (K(M2))(M1) .

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§ 72. ALGEBRAISCHE ERWEITERUNGEN 369

72.14 Satz

Es sei L : K eine Erweiterung und a % L . Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

(a) a ist algebraisch uber K .

(b) K[a] = ImΦa ist ein Korper.

(c) Es gilt: K[a] = K(a) .

(d) Es gilt: [K(a) : K] < 0 .

(e) a ist Element einer endlichen Korpererweiterung von K .

Beweis:

”(a) ! (b)“: Sei f = aK das Minimalpolynom und Φa : K[X] $ Im Φa = K[a] der Einsetz–Homomorphismus aus §59. Dann ist

Ker Φa = g % K[X] | g(a) = 0 = (aK) .Und aK ist nach Satz 72.11 irreduzibel, also (aK) gemaß Satz 58.7 maximal undK[X]/(aK) ein Korper (vgl. Folgerung 57.15).

Wegen K[X]/(aK) (= Im Φa = K[a] ist also K[a] ein Korper.

”(b) ! (c)“: folgt direkt aus der Definition von K[a] als kleinster Unterring von L , der K unda enthalt, sowie aus Definition 72.12 fur K(a) . "

”(c) ! (a)“: Angenommen, a ware nicht algebraisch uber K , d. h. es galte:f % K[X] | f(a) = 0 = KerΦa = 0 .

Dann ware K[X] (= K[a] = K(a) . Jedoch kann im Widerspruch dazu der Poly-nomring K[X] kein Korper sein (Folgerung 59.8c).

”(a) ! (d)“: Nach Definition ist

K[a] =& m#

k=0

$k ak''' m % IN und $0, $1, $2, . . . ,$m % K

(.

Also bildet (1, a, a2, a3, . . . ) ein Erzeugendensystem fur den Vektorraum K[a]+K .

Da a algebraisch ist, existiert ein f = Xn +n#1"!=0

%! X! mit f(a) = 0 , d. h.

an = ,n#1"!=0

%! a! . Daher bilden bereits 1, a, a2, a3, . . . , an#1 ein Erzeugendensy-

stem fur K[a]+K . Somit ist [K(a) : K] = [K[a] : K] < 0 .

”(d) ! (e)“: ist klar. "

”(e) ! (a)“: Angenommen, a ware nicht algebraisch uber K . Dann waren alle 1, a, a2, a3, . . .linear unabhangig im Widerspruch dazu, daß [K(a) : K] < 0 gilt.

!

72.15 Folgerung

Es seien L : K eine Erweiterung und a % L algebraisch. Ist n = grad aK , so bilden 1, a, a2, a3, . . .. . . , an#1 eine Basis von K(a)+K . Insbesondere gilt: [K(a) : K] = n .

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370 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

Beweis zu Folgerung 72.15:

Wahle im Beweisschritt ”(a) ! (d)“ von Satz 72.14: f = aK . Dann bilden 1, a, a2, a3, . . . , an#1

ein Erzeugendensystem von K(a)+K .

Ausn#1"

k=0$k ak = 0 mit ($0, $1, $2, . . . ,$n#1) % Kn \ (0, 0, 0, . . . , 0) ergabe sich ein Polynom

g =n#1"

k=0$k Xk % K[X] \ 0 mit g(a) = 0 und grad g ) n, 1 im Widerspruch zur Minimalitat

von aK mit grad aK = n . Also sind 1, a, a2, a3, . . . , an#1 linear unabhangig. !

72.16 Folgerung

Die Erweiterung L : K ist genau dann endlich, wenn es endlich viele uber K algebraischeElemente a1, a2, . . . , an gibt mit L = K(a1, a2, . . . , an) .

Beweis:

”!“: Sei [L : K] = n und (a1, a2, . . . , an) eine Basis von L+K . Dann sind a1, a2, . . . , an nach

Satz 72.8 algebraisch uber K , und es gilt nach Definition: L = K(a1, a2, . . . , an) .

”"“: Beweis durch vollstandige Induktion nach der Anzahl n der adjungierten Elemente:Fur n = 1 ist die Behauptung gerade die Aussage von Satz 72.14. "Seien nun also a1, a2, . . . , an algebraisch uber K und die Folgerung fur n , 1 bewiesen,d. h. [L1 : K] < 0 fur L1 = K(a1, a2, . . . , an#1) . Nach Bemerkung 72.13 gilt:

L = K(a1, a2, . . . , an) = (K(a1, a2, . . . , an#1))(an) = L1(an) .Da an algebraisch ist uber K , ist an auch algebraisch uber L1 . Satz 72.14 liefert:[L : L1] < 0 . Und der Gradsatz 72.2 ergibt: [L : K] = [L : L1] · [L1 : K] < 0 .

!

72.17 Folgerung

Es sei L : K eine Erweiterung und a, b % L algebraisch uber K . Dann sind auch a± b und a · bsowie

a

bfur b #= 0 algebraisch uber K .

Beweis:

Nach Folgerung 72.16 ist K(a, b) algebraisch uber K . !

72.18 Definition

a) Gegeben seien zwei Erweiterungen L1 : K und L2 : K sowie ein Korper–Isomorphismus! : L1 $ L2 . Dieses ! heißt ein K–Isomorphismus, wenn fur alle k % K gilt: !(k) = k .

b) Seien L : K eine Erweiterung und a, b % L algebraisch uber K . Die Elemente a und bheißen konjugiert uber K, wenn aK = bK gilt.

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§ 72. ALGEBRAISCHE ERWEITERUNGEN 371

72.19 Satz

Es sei L : K eine Korpererweiterung und a, b % L algebraisch uber K . Dann gilt:

a, b sind konjugiert uber K "! 8 K–Isomorphismus ! : K(a) $ K(b) mit !(a) = b .

L

!!

! ""

"K(a) (= # K(b)

""

" !!

!

K

Beweis:

”!“: Nach Folgerung 72.15 gilt mit n = grad aK = grad bK :

K(a) =& n#1#

!=0

k! a!''' k0, k1, k2, . . . , kn#1 % K

(

und K(b) =& n#1#

!=0

k! b!''' k0, k1, k2, . . . , kn#1 % K

(.

Definiere nun eine Abbildung ! : K(a) $ K(b) durch

!$ n#1#

!=0

k! a!%

:=n#1#

!=0

k! b! .

Dann ist ! bijektiv und ein Homomorphismus zwischen den additiven Gruppen (K(a),+)und (K(b),+) . Zur Homomorphie–Eigenschaft bezuglich · uberlegen wir uns:

Sind zwei zi =n#1"!=0

k(i)! a! =: gi(a) % K(a) mit gi % K[X] , so existieren h, q % K[X] mit

g1 g2 = h aK + q = h bK + q , wobei entweder q = 0 oder grad q < grad aK ist. WegenaK(a) = 0 = bK(b) folgt: g1(a) g2(a) = q(a) und g1(b) g2(b) = q(b) . Nach Definition ist!(zi) = gi(b) , also gilt:

!(z1 z2) = !(g1(a) g2(a)) = !(q(a)) = q(b) = g1(b) g2(b) = !(z1) !(z2) .

”"“: Ist f =m"

µ=0$µ Xµ % (aK) , so gilt wegen f(a) =

m"µ=0

$µ aµ = 0 :

0 = !$ m#

µ=0

$µ aµ%

=m#

µ=0

$µ (!(a))µ =m#

µ=0

$µ bµ = f(b) ,

d. h.: f % (bK) "! (aK) & (bK) . Unter Verwendung von !#1 folgt umgekehrt:(bK) & (aK) . Also ist (aK) = (bK) und damit aK = bK .

!

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372 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

72.20 Folgerung

Es seien K ein Korper und f % K[X] irreduzibel. Nach Folgerung 65.6 existiert eine ErweiterungL : K derart, daß f uber L vollstandig in Linearfaktoren zerfallt. Sind a und b Nullstellen vonf in L , so existiert ein K–Isomorphismus ! : K(a) $ K(b) mit !(a) = b .

§ 73 Separable Erweiterungen

73.1 Definition

Es sei L : K eine Korpererweiterung; ein Element a % L heißt separabel uber K, wenn a uberK algebraisch ist und a eine einfache Nullstelle von aK ist. Ein algebraisches Element a % Lheißt inseparabel uber K, wenn a eine Nullstelle der Ordnung + 2 von aK ist.Der Erweiterungskorper L heißt separabel uber K, wenn jedes a % L algebraisch und separabeluber K ist. Und L heißt inseparabel uber K, wenn L uber K algebraisch, aber nicht separabelist.

73.2 Beispiele

a) Es sei L : K eine algebraische Erweiterung mit charK = 0 ; dann ist L separabel uber K .

b) Ist K ein Korper mit charK = p > 0 und ein Monomorphismus ! : K $ K definiert durch!(k) = kp , so sei Kp := !(K) . (Diese Abbildung ! heißt auch Frobenius–Homomorphis-mus95.) Ist dann K = Kp und L eine algebraische Erweiterung von K , so ist L separabeluber K .

Beweis:

zu a): Angenommen, es existierte ein a % L derart, daß aK = (X ,a)2 g gilt mit g(a) #= 0oder g(a) = 0 . Dann ist 0 #= aK

" = DaK = 2 (X , a) g + (X , a)2 g" =: (X , a) · hmit h(a) #= 0 oder h(a) = 0 sowie aK

"(a) = 0 im Widerspruch zur Minimalitatvon aK .

zu b): Man mache denselben Ansatz wie bei a); ist aK" #= 0 , so ergibt sich ein Widerspruch

zur Minimalitat von aK . Im Falle aK" = 0 , d. h. aK

" =n"

i=1i ci Xi#1 = 0 mit

aK =n"

i=0ci Xi , gilt: i ci = 0 fur alle 1 ) i ) n , also: ci = 0 9 i.1 = 0 . Daraus

erhalt man:

aK = c0 + cp Xp + c2p X2p + c3p X3p + . . . + c%p X% p =%#

!=0

c!p (Xp)! .

Wegen K = Kp existieren b0, b1, b2, . . . , b% % K mit b!p = c!p , d. h. es gilt:

aK =%"

!=0b!

p (X!)p =9 %"

!=0b! X!

:p. Und durch p > 1 ergibt sich dann der Wider-

spruch, daß aK nicht irreduzibel ware.

!95Georg Ferdinand Frobenius, deutscher Mathematiker ("26.10.1849, †03.08.1917)

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§ 74. ZERFALLUNGSKORPER 373

73.3 Definition

Ein Korper K heißt vollkommen, wenn charK = 0 oder charK = p > 0 . K = Kp gilt.

73.4 Satz

Ein Korper K ist genau dann vollkommen, wenn jede algebraische Erweiterung von K eineseparable Erweiterung von K ist.

Beweis:

”!“: siehe Beispiel 73.2. "

”"“: Ist charK = p > 0 und Kp &!=

K , so wahlen wir ein a % K \ Kp und betrachten dasPolynom (Xp,a) % K[X] . Wir schreiben: Xp,a = q ·s mit s % K[X] , einem irreduziblenq % K[X] und HK(q) = 1 . Nach Satz 65.5 existiert eine Korpererweiterung L : K , in derq eine Nullstelle b % L besitzt. In L gilt also: 0 = bp,a = q(b) · s(b) , d. h.: a = bp . Damiterhalten wir in L[X] : Xp , a = Xp , bp = (X , b)p . Und da q in K[X] das PolynomXp , a teilt, teilt q in L[X] das Polynom (X , b)p . Somit ist q = (X , b)m mit einemm % IN! . Dabei kann m = 1 nicht auftreten, weil q % K[X] als irreduzibel angenommenwurde und b % L \ K ist. Also gilt: q = (X , b)m mit m + 2 . Wegen q = bK (nachSatz 72.11) und m + 2 ist b inseparabel uber K im Widerspruch zur Voraussetzung.

!

73.5 Folgerung

Jeder endliche Korper K ist vollkommen.

Beweis:

Ist charK = p > 0 , so ist der Frobenius–Monomorphismus ! : K $ K , k -$ kp wegen derEndlichkeit von K ein Automorphismus in K . !

§ 74 Zerfallungskorper

74.1 Definition

Es sei L : K eine Erweiterung und 0 #= f % K[X] ; ein Polynom f zerfallt in L[X], wenn es eina % K und (eine Familie) a1, a2, . . . , an % L gibt mit

f = a (X , a1) · (X , a2) · . . . · (X , an) ,

wobei n = grad f ist. Dann heißt K(a1, a2, . . . , an) ein Zerfallungskorper von f uber K. (Dabeiist K(a1, a2, . . . , an) wie ublich definiert, auch falls 8i'=j ai = aj gilt.)

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374 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

74.2 Bemerkungen

a) Die Existenz eines Zerfallungskorpers ist nach Folgerung 65.6 stets gesichert.

b) Es ist [K(a1, a2, . . . , an) : K] < 0 wegen

[K(a1, a2, . . . , an) : K] = [K(a1, a2, . . . , an) : K(a1, a2, . . . , an#1)] ··[K(a1, a2, . . . , an#1) : K(a1, a2, . . . , an#2)] · . . .

. . . · [K(a1, a2) : K(a1)] · [K(a1) : K]

und

[K(a1) : K] = gradm1 ,

[K(a1, a2) : K(a1)] = gradm2 ,...

[K(a1, a2, . . . , an) : K(a1, a2, . . . , an#1)] = gradmn ,

wobei m1 das Minimalpolynom von a1 uber K ,m2 das Minimalpolynom von a2 uber K(a1) ,...

......

mn das Minimalpolynom von an uber K(a1, a2, . . . , an#1)ist, und wobei die a1, a2, . . . , an als paarweise verschieden angenommen wurden.

c) Es sei Z ein Zwischenkorper mit L : Z : K und Z & K(a1, a2, . . . , an) . Dann istauch K(a1, a2, . . . , an) Zerfallungskorper von f % K[X] & Z[X] uber Z . (Denn: IstZ(a1, a2, . . . , an) Zerfallungskorper von f uber Z , so gilt:

K(a1, a2, . . . , an) & Z(a1, a2, . . . , an) .Wegen Z & K(a1, a2, . . . , an) und a1, a2, . . . , an % K(a1, a2, . . . , an) folgt auch:

Z(a1, a2, . . . , an) & K(a1, a2, . . . , an) . )

74.3 Satz

Seien ! : K1 $ K2 ein Korper–Isomorphismus, f1 % K1[X] irreduzibel, L1 : K1 eine Erweite-rung, a1 % L1 eine Nullstelle von f1 , und sei f2 definiert durch

f2 := f1( :=

n#

!=0

!(a!) X!

fur f1 =n"

!=0a! X! mit a! % K1 . Dann gibt es zu jeder Nullstelle a2 von f2 % K2[X] in einer

Erweiterung L2 : K2 einen Isomorphismus Φ : K1(a1) $ K2(a2) mit Φ(a1) = a2 und Φ|K1 = ! .

L1 L2

K1(a1)(= Φ# K2(a2)

K1(= !# K2

Beweis:

Der Satz 74.3 ist eine Verallgemeine-rung von Satz 72.19. " !

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§ 74. ZERFALLUNGSKORPER 375

74.4 Satz

Die Bezeichnungen und Voraussetzungen seien wie in Satz 74.3. Ist f1 #= 0 (nicht notwendigirreduzibel), K1(a1, a2, . . . , an) & L1 ein Zerfallungskorper von f1 und K2(b1, b2, . . . , bn) & L2

ein Zerfallungskorper von f2 = f1( , so existiert ein Isomorphismus

Φ : K1(a1, a2, . . . , an) $ K2(b1, b2, . . . , bn) mit Φ|K1 = ! .

Beweis: durch vollstandige Induktion nach , := [K1(a1, a2, . . . , an) : K1] :, = 1 : Es ist K1(a1, a2, . . . , an) = K1 (nach Bemerkung 72.3). Also zerfallt f1 uber K1

vollstandig in Linearfaktoren, d. h.:

f1 = a (X , k1) · (X , k2) · . . . · (X , kn)

mit a, k1, k2, . . . , kn % K1 . Damit gilt (gemaß §67 uber elementarsymmetrische Polynome):

f2 = !(a) (X , !(k1)) · (X , !(k2)) · . . . · (X , !(kn)) .

Damit liegen alle Nullstellen von f2 = f1( bereits in K2 , d. h. K2(b1, b2, . . . , bn) = K2 . Also

ist Φ = ! .Induktionsschluß von ,, 1 auf , > 1 :Die Behauptung sei bewiesen fur alle Korper–Isomorphismen - : F1 $ F2 und alle Polynome0 #= g % F1[X] mit [F1(c1, c2, . . . , cm) : F1] < , . Sei nun K1(a1, a2, . . . , an) ein Zerfallungskorpervon f1 % K1[X] mit [K1(a1, a2, . . . , an) : K1] = , . Wir schreiben: f1 = p1 r1 mit einemirreduziblen p1 % K1[X] vom Grade + 2 . Dann gilt: f2 = p2 r2 = p1

( r1( = f1

( . Undp2 % K2[X] ist ebenfalls irreduzibel. Sei dann a1 % L1 eine Nullstelle von p1 . Nach Satz 74.3existiert zu jeder Nullstelle b1 von p2 ein Isomorphismus !! : K1(a1) $ K2(b1) mit !!|K1 = !und !!(a1) = b1 . Gemaß Bemerkung 74.2c) ist K1(a1, a2, . . . , an) ein Zerfallungskorper von f1

uber K1(a1) und K2(b1, b2, . . . , bn) ein Zerfallungskorper von f2 uber K2(b1) . Wegen

[K1(a1, a2, . . . , an) : K1(a1)] =[K1(a1, a2, . . . , an) : K1]

[K1(a1) : K1]=

,

grad p1< ,

liefert die Induktionsvoraussetzung die Existenz einer linearen Fortsetzung Φ von !! aufK1(a1, a2, . . . , an) = K1(a1)(a2, a3, . . . , an) . !

74.5 Folgerung

Je zwei Zerfallungskorper eines Polynoms f % K[X] \ 0 sind stets K–isomorph.

74.6 Satz

Zu jeder Primzahl p + 2 und jedem m % IN! existiert bis auf Isomorphie genau ein Korpermit pm Elementen.

Beweis:

Ist K ein Korper mit pm Elementen, so ist charK = p und damit nach Satz 57.9 der PrimkorperP (K) isomorph zu ZZp . Gemaß Satz 65.8 ist K Zerfallungskorper von Xpm ,X uber P (K) .Sind nun K1 und K2 zwei Korper mit pm Elementen, so sind diese Zerfallungskorper uber demPrimkorper P (K1) bzw. P (K2) . Wegen P (K1) (= ZZp

(= P (K2) existiert mit Satz 74.4 auch einIsomorphismus zwischen K1 und K2 . !

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376 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

74.7 Definition

Der bis auf Isomorphie eindeutig bestimmte Korper mit pm Elementen ( p + 2 prim, m % IN! )wird als Galois–Feld96 GF(pm) bezeichnet.

74.8 Bemerkung

In Beispiel 65.9 haben wir bereits gezeigt, daß mit i2 = ,1 = 2 gilt:GF(9) = u + i v | u, v % ZZ3 .

§ 75 Normale Korpererweiterungen

75.1 Definition

Eine Korpererweiterung L : K heißt normal, wenn L uber K algebraisch ist und jedes irredu-zible Polynom f % K[X] , das in L (mindestens) eine Nullstelle besitzt, in L[X] vollstandig inLinearfaktoren zerfallt.

75.2 Satz

Es sei L : K eine endliche Erweiterung. Dann sind aquivalent:

(a) L : K ist eine normale Erweiterung.

(b) L ist Zerfallungskorper eines Polynoms f % K[X] \ 0 .

Beweis:

”(a) ! (b)“: Als Basis von L+K konnen wir die algebraischen Elemente a1, a2, . . . , an % L

wahlen, wobei n = [L : K] ist. Sei mi % K[X] das jeweilige Minimalpolynomvon ai . Nach Voraussetzung zerfallt jedes mi in L[X] und damit auchf := m1 · m2 · . . . · mn . Und L entsteht durch Adjunktion der Nullstellen von fan K (es genugt, a1, a2, . . . , an zu adjungieren). Also ist L der Zerfallungskorpervon f uber K .

”(b) ! (a)“: Sei L Zerfallungskorper von 0 #= f % K[X] und p % K[X] irreduzibel mit einerNullstelle a % L . Angenommen, p zerfiele nicht in L[X] . Dann betrachten wirden Zerfallungskorper M von p uber L und eine Nullstelle b % M \ L .Wir haben dann die umseitige Situation:

96Evariste Galois, franzosischer Mathematiker ("25.10.1811, †31.05.1832)Die Bezeichnung

”Feld“ kommt aus dem fachsprachlichen Englisch: field = Korper.

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§ 76. GALOIS–ERWEITERUNGEN 377

M

!!

! ""

"L = L(a) (= Φ # L(b)

K(a)(= ! # K(b)

""

" !!

!

K

Nach Folgerung 72.20 existiert ein Isomorphismus ! : K(a) $ K(b) mit !(a) = bund !|K = idK . Gemaß Bemerkung 74.2c) ist L = L(a) Zerfallungskorper vonf % K(a)[X] uber K(a) . Weiter ist L(b) Zerfallungskorper von f % K(b)[X]uber K(b) . Mit f1 = f und f2 = f1

( = f sowie K1 = K(a) und K2 = K(b)liefert Satz 74.4 die Existenz eines Isomorphismus Φ : L $ L(b) mit Φ|K(a) = ! ,d. h. speziell Φ(k) = k fur alle k % K . Damit gilt:

[L : K] = dim L+K = dimL(b)+K = [L(b) : K] ;

wegen L(b) : L : K liefert der Gradsatz 72.2:

[L(b) : L] =[L(b) : K][L : K]

= 1 ,

woraus nach Bemerkung 72.3 sofort L(b) = L folgt im Widerspruch zu b % M \L .Als endliche Erweiterung ist L : K auch algebraisch.

!

§ 76 Galois–Erweiterungen

76.1 Definition

Eine Korpererweiterung L : K heißt eine Galois–Erweiterung von K (oder der Erweiterungs-korper L heißt galois’sch uber K), wenn L : K zugleich endlich, separabel und normal ist.Ist L : K eine beliebige Erweiterung, so bildet die Menge aller K–Automorphismen auf L eineUntergruppe der Korper–Automorphismengruppe von L mit der Verknupfung 2(.,') = ' 2 . .Diese Untergruppe heißt die Galois–Gruppe von L uber K und wird mit G(L,K) bezeichnet.

76.2 Satz

Ist L : K eine Galois–Erweiterung, so ist |G(L,K)| = [L : K] .

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378 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

Beweis zu Satz 76.2: durch vollstandige Induktion nach Grad , := [L : K] :

Fur , = 1 ist L = K , also G(L,K) = idK . "Induktionsschluß von , , 1 auf , + 2 : Seien a % L \ K , ma % K[X] das Minimalpolynomvon a mit n := gradma und a2, a3, . . . , an die weiteren Nullstellen von ma in L . Dann sinda, a2, a3, . . . , an wegen der Separabilitat von L : K paarweise verschieden. Der Gradsatz liefert:

, = [L : K] = [L : K(a)] · [K(a) : K] ;

wegen a % L \ K ist dabei [K(a) : K] > 1 , also s := [L : K(a)] < , und , = s · n . Da Lnach Voraussetzung uber K galois’sch ist, ist L auch uber dem Zwischenkorper K(a) galois’sch.Seien nun .1, .2, . . . , .s die paarweise verschie-denen K(a)–Automorphismen von L . Wir kon-struieren damit , paarweise verschiedene K–Automorphismen von L . Dazu seien zunachst$j : K(a) $ K(aj) fur alle 1 ) j ) n mita1 = a die K–Isomorphismen mit $j(a) = aj

(vgl. Folgerung 72.20). Nach Satz 74.4 kanndann jedes $j fortgesetzt werden zu einem K–Automorphismus 'j : L $ L mit 'j |K(a) = $j .

L(= 'j # L

K(a)(= $j # K(aj)

""

" !!

!

K

Wir definieren jetzt noch !ij := 'j 2 .i fur alle 1 ) i ) s und 1 ) j ) n . Dann sind die !ij

paarweise verschiedene K–Automorphismen auf L . (Denn: Angenommen, es ware'j1 2 .i1 = 'j2 2 .i2 ; dann gilt speziell:

'j1(.i1(a)) = 'j2(.i2(a))d. h.: 'j1(a) = 'j2(a)oder aj1 = aj2

"! j1 = j2 .

Daraus folgt: .i1 = .i2 6 i1 = i2 .)Insgesamt gibt es also genau , K–Automorphismen !ij . Wir zeigen schließlich, daß es keineanderen K–Automorphismen von L gibt. (Sei namlich + ein beliebiger K–Automorphismus aufL ; dann gilt: +(a) = aj mit j % 1, 2, . . . , n . Daraus folgt: 'j

#1(+(a)) = a ; also ist 'j#1 2 +

ein K(a)–Automorphismus, d. h. 'j#1 2 + = .i fur ein i % 1, 2, . . . , s oder + = 'j 2 .i = !ij .)

!

76.3 Definition

Es sei f % K[X] ein Polynom mit grad f + 1 ; ist dann Z der Zerfallungskorper von f uber K ,so heißt G(Z, K) die (Galois–)Gruppe von f uber K.

76.4 Bemerkung

Ist G(Z, K) die Galois–Gruppe von f und g % K[X] mit einer Nullstelle a % Z , so ist !(a)eine Nullstelle von g fur alle ! % G(Z, K) .

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§ 76. GALOIS–ERWEITERUNGEN 379

76.5 Beispiel

Wir betrachten: X4 + 1 % Q[X] ; X4 + 1 besitzt die vier Nullstellen(

22 ± 1 ± i mit i2 = ,1 .

Numerieren wir diese Nullstellen mit a1, a2, a3, a4 , so gilt: Z := Q(a1, a2, a3, a4) = Q(:

2, i) .Da Z uber Q galois’sch ist, gilt nach Satz 76.2: |G(Z, Q)| = [Z : Q] . Nun ist der Grad

[Z : Q] = [Q(:

2, i) : Q(:

2 )] · [Q(:

2 ) : Q] = 2 · 2 = 4 .

Betrachte die Minimalpolynome g = X2,2 und h = X2 +1 , dann muß fur jedes ! % G(Z, Q)nach Bemerkung 76.4 gelten: !(

:2 ) = ±

:2 und !(i) = ±i .

1,:

2, i, i:

2 ist eine Basis von Z+Q . Jedes ! % G(Z, Q) ist eindeutig festgelegt durch die

Werte auf ±:

2 und ±i . Also kann ! aufgefaßt werden als Element von S(M) (= S4 mitM =

:2,,

:2, i,,i . Identifizieren wir

:2 mit 1 , ,

:2 mit 2 , i mit 3 und ,i mit 4 , so gibt

es folgende Moglichkeiten fur ! :-

1 2 3 41 2 3 4

.

,

-1 2 3 41 2 4 3

.

,

-1 2 3 42 1 3 4

.

oder-

1 2 3 42 1 4 3

.

,

d. h. in Zykel–Schreibweise: (1) , (3, 4) , (1, 2) , (1, 2)(3, 4) . Damit ist G(Z, Q) (= A(2,2) .

76.6 Hilfssatz

Gegeben seien zwei Korper L und R sowie n paarweise verschiedene Korper–Monomorphismen+i : L $ R mit 1 ) i ) n . Gibt es dann Elemente r1, r2, . . . , rn % R mit

n#

i=1

ri +i(l) = 0 fur alle l % L ,

so folgt: r1 = r2 = . . . = rn = 0 .

Beweis: durch vollstandige Induktion nach n :

n = 1 : Sei r1 +1(l) = 0 fur alle l % L ; dann folgt fur l = 1 : r1 · 1R = 0 6 r1 = 0 .Induktionsschluß von n , 1 auf n + 2 : Wegen +1 #= +n existiert ein a % L \ 0 mit+1(a) #= +n(a) . Aus

n#

!=1

r! +!(l) = 0 ;l&L (4)

folgt dann fur alle l % L :n#

!=1

r! +!(a l) = 0<· +n(a#1) #= 0

"!n#1#

!=1

r! +n(a#1) +!(a) +!(l) + rn +n(a#1) +n(a)= >? @

=1R

+n(l) = 0 . (44)

Aus der Differenz (4), (44) ergibt sich:

n#1#

!=1

r! (1, +n(a#1) +!(a))= >? @

=:r#!

+!(l) = 0 ;l&L .

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380 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

Nach Induktionsvoraussetzung folgt: r"! = 0 fur alle 1 ) & ) n , 1 , d. h. speziell fur & = 1 :r1 (1, +n(a#1) +1(a)) = 0 , also wegen +1(a) #= +n(a) : r1 = 0 . Damit reduziert sich (4) auf eine

”(n, 1)-fache Linearkombination“ von r2, r3, . . . , rn . Die Induktionsvoraussetzung liefert dann:r2 = r3 = . . . = rn = 0 . !

76.7 Definition

Gegeben seien zwei Korper L und R sowie n paarweise verschiedene Korper–Monomorphismen+1, +2, . . . , +n von L nach R ; dann heißt die Menge

F := F (+1, +2, . . . , +n) := l % L | +1(l) = +2(l) = . . . = +n(l) = l

der Fixbereich von +1, +2, . . . , +n.

76.8 Hilfssatz

Ist F der Fixbereich von +1, +2, . . . , +n : L $ R , so ist F ein Teilkorper von L mit [L : F ] + n .

Beweis:

Sind 0, 1 % L , so gilt auch: 0, 1 % F . Mit a, b % F folgt auch: a, b % F wegen

+1(a, b) = +1(a), +1(b) = +!(a), +!(b) = +!(a, b) ;1%!%n .

Ferner gilt fur a % F und b % F \ 0 auch: a b#1 % F wegen

+1(a b#1) = +1(a) +1(b#1) = +!(a) (+!(b))#1 = +!(a b#1) ;1%!%n .

Angenommen, es ware nun [L : F ] =: d < n . Sei dann b1, b2, . . . , bd eine Basis von L+F . Wir

betrachten das homogene lineare Gleichungssystemn#

!=1

+!(bi) x! = 0 (4)

fur alle i = 1, 2, . . . , d mit (x1, x2, . . . , xn) % Rn . Da (4) nicht–trivial losbar ist, existiert ein

(r1, r2, . . . , rn) % Rn \ (0, 0, . . . , 0) . Weiter sei a % L dargestellt in der Form l =d"

i=1!i bi mit

!i % F . Ausn"

!=1+!(bi) r! = 0 folgt durch Multiplikation mit +1(!i) = +2(!i) = . . . = +n(!i) :

n"!=1

+!(!i bi) r! = 0 ; und Addition dieser Gleichungen fur i = 1, 2, . . . , d liefert:n"

!=1+!(l) r! = 0.

Hilfssatz 76.6 ergibt dann einen Widerspruch zur Voraussetzung der nicht–trivialen Losbarkeitvon (4). !

76.9 Hilfssatz

Gegeben seien n paarweise verschiedene Automorphismen +1, +2, . . . , +n des Korpers L . Bil-den dann +1, +2, . . . , +n eine Gruppe G (bezuglich der kanonischen Verknupfung 2), und ist derFixbereich als F := F (G) = l % L | +(l) = l ;)&G bekannt, so gilt: [L : F ] = n = |G| .

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§ 76. GALOIS–ERWEITERUNGEN 381

Beweis zu Hilfssatz 76.9:

Nach Hilfssatz 76.8 ist [L : F ] + n . Angenommen, es ware [L : F ] > n . Dann existiertenn+1 linear unabhangige Elemente b1, b2, . . . , bn+1 in L+

F % VRF . Wir betrachten das homogene

lineare Gleichungssystemn+1#

!=1

+i(b!)x! = 0 ;1%i%n . (4)

(r1, r2, . . . , rn+1) sei eine nicht–triviale Losung von (4) und / = /(r1, r2, . . . , rn+1) die Anzahl dervon Null verschiedenen Komponenten. Sei /0 die minimale Anzahl der von Null verschiedenenKomponenten aller nicht–trivialen Losungen von (4), und sei

(0, 0, . . . , 0, ri1 , 0, 0, . . . , 0, ri2 , 0, 0, . . . , 0, ri$0, 0, 0, . . . , 0)

eine dieser nicht–trivialen Losungen mit genau /0 von Null verschiedenen Komponenten. DurchUmnumerierung erreichen wir, daß der Losungsvektor die Form (r1, r2, . . . , r*0 , 0, 0, . . . , 0) be-sitzt. Ohne Beschrankung der Allgemeinheit sei dabei r*0 = 1 . Es ist dann /0 + 2 . (Warenamlich /0 = 1 , so lieferte (4): +i(b1) r1 = 0 ;1%i%n ; daraus folgte: r1 = 0 im Widerspruchzur Definition von /0 .) Wir betrachten nun:

*0#

!=0

+i(b!) r! = 0 ;i=1,2,...,n (44)

mit r*0 = 1 . Nicht alle r1, r2, . . . , r*0 gehoren zu F . (Denn: Angenommen, es waren alle

r1, r2, . . . , r*0 % F ; dann ergabe sich wegen r! = +i(r!) aus (44):*0"

!=1b! r! = 0 im Widerspruch

zur linearen Unabhangigkeit von b1, b2, . . . , bn+1 .) Ohne Einschrankung sei r1 /% F ; dann exi-

stiert ein + % G mit +(r1) #= r1 . Fur dieses + gilt dann fur alle 1 ) i ) n:*0"

!=1+2+i(b!) +(r!) = 0.

Da G eine Gruppe bildet, ist + 2G = G . Also enthalten wir nach eventueller Umnumerierung:*0#

!=1

+i(b!) +(r!) = 0 ;i=1,2,...,n . (444)

Und die Differenz (44), (444) betragt*0#

!=1

+i(b!) (r! , +(r!)) = 0 ;1%i%n .

Wegen r*0 = 1 ist r*0 , +(r*0) = 0 , und wegen +(r1) #= r1 ergibt dies einen Widerspruch zurMinimalitat von /0 . !

76.10 Satz

Es sei L : K eine endliche Korpererweiterung; dann sind aquivalent:

(a) L ist galois’sch uber K .

(b) Es gilt: F (G(L,K)) = K .

Beweis:

”(a) ! (b)“: Zur Abkurzung sei F = F (G(L,K)) ; nach Definition ist K & F . Also gilt:

[L : K] = [L : F ] · [F : K]

mit [L : K] = |G(L,K)| (nach Satz 76.2) und [L : F ] = |G(L,K)| (gemaßHilfssatz 76.9). Daraus folgt: [F : K] = 1 "! F = K .

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382 KAPITEL XVII. KORPERERWEITERUNGEN

”(b) ! (a)“: Zu zeigen bleibt folgendes:(i) L ist normal uber K .(ii) L ist separabel uber K .Beweis:

zu (i): Sei p % K[X] irreduzibel und p(a) = 0 mit a % L . Ohne Beschrankungder Allgemeinheit sei HK(p) = 1 . Wir zeigen, daß p in L[X] zerfallt. Seidazu G(L,K) = +1, +2, . . . , +n mit n = [L : K] und ohne Einschrankung+1 = idL . Dann sind a = +1(a), +2(a), +3(a), . . . , +n(a) Nullstellen von p .Gegebenenfalls nach Umnumerierung seien a = +1(a), +2(a), . . . , +m(a) diem paarweise verschiedenen Elemente unter allen +1(a), +2(a), . . . , +n(a) .Wir setzen noch ai := +i(a) fur alle 1 ) i ) n und betrachten:+(a1), +(a2), . . . , +(am) fur jedes + % G(L,K) . Es ist

+(a1), +(a2), . . . , +(am) = + 2 +1(a), + 2 +2(a), . . . , + 2 +m(a)= +1(a), +2(a), . . . , +m(a)= a1, a2, . . . , am .

Bilde nun f % L[X] mit f = (X , a1) · (X , a2) · . . . · (X , am) . Nach§67 gilt:

f =m#

µ=0

(,1)µ s(m)µ (a1, a2, . . . , am) · Xm#µ .

Wegen a1, a2, . . . , am = +(a1), +(a2), . . . , +(am) ;)&G(L,K) gilt:

+(s(m)µ (a1, a2, . . . , am)) = s(m)

µ (a1, a2, . . . , am)

fur alle + % G(L,K) und 0 ) µ ) m . Wegen F (G(L,K)) = K ists(m)µ (a1, a2, . . . , am) % K und damit f % K[X] . Da p das Minimalpolynom

zu a ist und f(a) = 0 gilt, ist p ein Teiler von f . Wegen grad p + grad ffolgt also: f = p .

zu (ii): Wahle in (i) einfach: p = aK ; dann ergibt sich direkt die Behauptung. "

!

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Kapitel XVIII

Der Hauptsatz der Galois–Theorieund einige Anwendungen

§ 77 Konstruktion mit Zirkel und Lineal

Wir betrachten von jetzt an die euklidische Ebene IE2 und eine Menge M & IE2 von Punkten,die (mindestens) zwei Punkte der Entfernung 1 enthalte.

77.1 Definition

(1) Eine Gerade g in IE2 heißt (aus M) konstruierbar, wenn es zwei Punkte P,Q % M gibtmit P #= Q und P,Q % g .

(2) Ein Kreis K in IE2 heißt (aus M) konstruierbar, wenn es drei Punkte M0, P, Q % M gibtmit P #= Q und97 K = R % IE2 | d(R,M0) = d(P,Q) .

! !<% M=

M 1..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.....................................

.................................................................................................................................................................................................................................................

.........................

...............................

................................................................................................................................................................................................................................................................................................ ........

.........

.....................................................................................

.......................

..............................

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

...........................................................................................................................................................

........

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........

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........

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........

........

..

........

........

........

........

........

........

........

........

........

........$ #1

!

!

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

! !=M (1) 1

<% M (1)

(3) Mit G(M) bezeichnen wir die Menge aller aus M konstruierbaren Geraden oder Kreise.

(4) Ein Punkt P % IE2 heißt (aus M) konstruierbar, wenn es Geraden oder KreiseA, B % G(M) mit A #= B derart gibt, daß P Schnittpunkt von A und B ist.

97Dabei bezeichne d die euklidische Metrik in IE2 , d. h. die von der euklidischen Norm auf dem IR2 induzierteMetrik.

383

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384 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

(5) Die Menge aller (aus M) konstruierbaren Punkte aus IE2 bezeichnen wir mit M (1) . Furein n + 2 sei

M (n) := (M (n#1))(1) und Ω(M) :=)A

n=1

M (n) .

(6) Das Ω(M) ist die Menge aller Punkte der euklidischen Ebene IE2 , welche aus M in endlichvielen Schritten mit Zirkel und Lineal konstruiert werden konnen.

77.2 Satz

Gegeben seien zwei Teilmengen M,N & IE2 , die jeweils mindestens zwei Punkte (der Entfer-nung 1) enthalten. Dann gilt:

a) M & M (1) .

b) M (m) & M (n) fur alle n + m .

c) Ω(Ω(M)) = Ω(M) .

d) Aus M & N folgt: M (n) & N (n) fur alle n % IN! und damit: Ω(M) & Ω(N) .

e) Ist M & N & Ω(M) , so ist Ω(M) = Ω(N) .

Beweis:

zu a): ist klar. "zu b): ist mit a) auch klar. "zu c): Es genugt, (Ω(M))(1) & Ω(M) zu zeigen. Sei dazu P % Ω(M)(1) ; dann gibt es

A, B % G(Ω(M)) mit A #= B derart, daß P Schnittpunkt von A und B ist. Zu Aund B gibt es nun endlich viele Punkte P1, P2, . . . , Pm % Ω(M) , die A und B gemaßDefinition 77.1 (1) bzw. (2) bestimmen. Also existiert ein n % IN! mit Pµ % M (n)

fur alle 1 ) µ ) m . Damit ist P % (M (n))(1) = M (n+1) & Ω(M) .

zu d): Die erste Behauptung folgt durch vollstandige Induktion nach n . "Der zweite Teil ist dann klar. "

zu e): c) und d) ergeben sofort: Ω(M) & Ω(N) & Ω(M) ! Ω(M) = Ω(N) .

!

77.3 Satz

Die Menge M & IE2 enthalte mindestens zwei Punkte (der Entfernung 1). Eine Gerade g inIE2 sei aus Ω(M) konstruierbar. Dann gilt:

a) Ist P % Ω(M) mit P /% g , so ist die Parallele zu g durch P aus Ω(M) konstruierbar.

b) Ist P % Ω(M) , so ist die Senkrechte zu g durch P aus Ω(M) konstruierbar.

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§ 77. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 385

Beweis zu Satz 77.3:

zu a): Seien Q1, Q2 % Ω(M) mit Q1 #= Q2 und Q1, Q2 % g . Erganze PQ1Q2 zu einemParallelogramm:

! !..............................................

............................................................................................

............................................................................................

............................................................................................

............................................................................................

.............

Q1

Q2

g

!P

..................................

................................

..

........................................................

........................................................

......................................

......................................

........................................................

........................................................

!..............................................

............................................................................................

............................................................................................

............................................................................................

...................................................................... >

zu b): 1. Fall: P % g ; wahle Q % Ω(M)' g mit Q #= P . Der Schnittpunkt von g mit demKreis um P mit Radius d(P,Q) sei Q" . Die Schnittpunkte der Kreise um Q bzw. Q"

mit Radius d(Q,Q") bestimmen dann die Senkrechte zu g durch P :

!...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Q g

!P......................

......................

.................................

.................................!Q"

............................................

............................................

............................................

.........................

...................

...........................

.................

............................................

.......................................

.................................................

!

!

...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

?

2. Fall: P /% g ; wahle Q % Ω(M)'g derart, daß Q nicht Fußpunkt des Lotes von Pauf g ist. Schlage einen Kreis um P mit Radius d(P,Q) , der zweite Schnittpunkt mitg sei Q" % Ω(M) . Schlage dann Kreise um Q bzw. Q" mit Radius d(Q,Q") . DerenSchnittpunkte bestimmen die gesuchte senkrechte Gerade durch P :

!...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................Q g

!P.......................

.......................

..................................

.................................. !

Q"

........................................................

........................................................

........................................................

........................

......................

..........

............................

............................

........................................................

.......................................

.................

........................................................

!

!

...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

?

!

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386 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

Sei nun M & IE2 stets eine feste Menge mit zwei Punkten P,Q % M mit d(P,Q) = 1. Wir legenein Koordinatensystem derart in IE2 fest, daß P die Koordinaten (0, 0) und Q die Koordinaten(1, 0) hat:

........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... . . . . . . . . . . . . . .

..

..

..

..

..

..

..

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..

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..

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..

..

..

..

#

%

! !P = (0, 0) (1, 0) = Q

Im

Re................................

................................

............................................... ...............................................!i

...............................................................................................................................................................................................................................!

......................

......................

...

...............................................

..............................................................................!

z

eit

r

......................

........

..............................

........

........

....

....................

..............................

..............................

.....................................................................................................................................................................................! z

Durch dieses Koordinatensystem konnen wir IE2 mit IR2 , d. h. mit C identifizieren. Eine reelleZahl a % IR ist also genau dann konstruierbar, wenn (a, 0) bezuglich des obigen Koordinaten-systems mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist.

77.4 Satz

Vermoge des oben eingefuhrten Koordinatensystems gilt:

a) Es ist i % Ω(M) .

b) Gilt: z % Ω(M) , dann ist auch z % Ω(M) .

c) Ist z = r eit % C \ 0 , so gilt: z % Ω(M) "! r, eit % Ω(M) .

Beweis: klar durch Konstruktion (siehe oben). "

77.5 Satz

Die Menge Ω(M) & C ist ein Korper.

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§ 77. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 387

Beweis zu Satz 77.5:

Definitionsgemaß enthalt Ω(M) die Zahlen 0, 1 % C . Zeige nun:

a) Mit z, w % Ω(M) ist auch z , w % Ω(M) .

b) Mit z, w % Ω(M) und w #= 0 ist auchz

w% Ω(M) .

zu a): Die Differenz z,w ist Schnittpunkt des Kreises um z mit Radius |w| und des Kreisesum ,w mit Radius |z| .

zu b): Es sei z = r eit , w = s eiu % Ω(M) mit s #= 0 . Wegenz

w=

r

sei(t#u) genugt es nach

Satz 77.4c) zu zeigen: Mit s > 0 und r ist auchr

skonstruierbar, und mit eit und eiu

ist auch ei(t#u) konstruierbar:

#

%

! !

! !

0 1

i 1 + i

..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

g

! !r s

................................

........

.........

.........

.............................................................................................

.......................

.........................

....

............................................

........

........

........

.........

.........

.........

............................................................................................................................................................................................

......................

.......................

.........................

..............

!

!

a

b

!c

......................................................................................................................................................................................................................................

.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

g2

g1

Wegen 1, i % Ω(M) gilt auch: 1 + i % Ω(M) . Also ist die Gerade g durch 0 und1 + i aus Ω(M) konstruierbar. Sei a Schnittpunkt vom Kreis um 0 mit Radius r undder Geraden g sowie b Schnittpunkt vom Kreis um 0 mit Radius s und der Geradeng . Nach Definition ist g1 % G(Ω(M)) und nach Satz 77.3a) ist g2 % G(Ω(M)) (alsParallele zu g1 durch a ). Sei c der Schnittpunkt von g2 mit der ”reellen Achse“ inΩ(M) . Der erste Strahlensatz liefert dann:

c

1=

|a||b| =

r

s"! c =

r

s.

Mit eiu ist auch eiu = e#iu konstruierbar und damit auch eit#iu = ei(t#u) .

!

77.6 Folgerung

Wegen char C = 0 ist P (C) (= Q , also Ω(M) ein Zwischenkorper der Erweiterung C : Q .

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388 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

77.7 Satz

Ist z % Ω(M) und ) % C mit )2 = z , so gehort auch die ”Quadratwurzel“ ) zu Ω(M) .

Beweis:

Wegen Satz 77.4c) reicht es, fur z = r eit zu zeigen:

a) Ist r % IR ' Ω(M) und r > 0 , so gilt::

r % Ω(M) .

b) Ist eit % Ω(M) , so ist auch ei t2 % Ω(M) .

zu a): Sei zunachst r > 1 ; a sei der Schnittpunkt vom Kreis um 0 mit Radius r und der

”oberen imaginaren Achse“ in Ω(M) . Mit a,,i % Ω(M) ist auch a#i2 % Ω(M) . Dann

gehort der Thales–Kreis98 um a#i2 mit Radius r+1

2 zu G(Ω(M)) , und damit ist auchs % Ω(M) :

#

%

! !

!

!

!

!

0 1

i

,i

r

a

!a#i2 !s

.......................................................................................

.....................................

.................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

.......................

.........................

.............................

.....................................

.................................................................................

.......

...........................................................................................................................................................................

................

................

................

................

................

................

................

................

................

................

................

................

........

Der Hohensatz von Euklid liefert dann: s2 = r · 1 , d. h.: s =:

r .

Ist nun r < 1 , so ist1r

> 1 , alsoB

1r% Ω(M) und damit

$B1r

%#1

=:

r % Ω(M) .

Der Fall r = 1 ist trivial.

zu b): ist klar (einfache Winkelteilung). "

!

Wir wollen uns nunmehr mit der Umsetzung der behandelten geometrischen Aspekte in dieAlgebra beschaftigen.

98Thales von Milet, altgriechischer Philosoph und Mathematiker ("ca. 624 v. Chr., †544 v. Chr.)

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§ 77. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 389

77.8 Bemerkung

Es sei N & C , und N enthalte mindestens zwei Elemente (mit Abstand 1); wir setzen kurzK := Q(N, N ) als Korper–Adjunktion aller komplexen und konjugiert komplexen Zahlen ausN an Q . Fur jedes z % N (1) gilt dann:

[K(z) : K] ) 2 und [K(z) : K] ) 2 .

Beweis:

Nach Definition 77.1 ist genau dann z % N (1) , wenn es Geraden oder Kreise A, B % G(N) mitA #= B derart gibt, daß z Schnittpunkt von A und B ist.

1. Fall: A und B sind Geraden.Eine Gerade in der Ebene C besteht aus allen Punkten w , welche die Gleichung w = a + c terfullen bei festem a % C , bei festem c % C \0 und beliebigem t % IR . Durch Ubergang zumKonjugiert–Komplexen erhalten wir: c (w , a) = c (w , a) .Sind A, B % G(N) Geraden, so existieren a1, a2, b1, b2 aus N mit a1 #= a2 , b1 #= b2 , a1, a2 % Aund b1, b2 % B . Mit c := a2 , a1 und d := b2 , b1 sind dann z und z Losungen des linearenGleichungssystems

c (w , a1), c (w , a1) = 0d (w , b1), d (w , b1) = 0

in w und w . Da die Koeffizienten dieses Gleichungssystems zu K gehoren, folgt: z % K und soauch: z % K .

2. Fall: A ist eine Gerade, und B ist ein Kreis.Die Gerade A wird beschrieben durch eine Gleichung der Form

b (w , a), b (w , a) = 0 (1)

mit a, b % K und b #= 0 . Der Kreis wird beschrieben durch eine Gleichung der Form

(w , c) (w , c) = s , (2)

wobei c % N ist und s das Quadrat des Abstandes zweier Punkte aus N ist. Insbesondere sindc, s % N (1) . Ein Schnittpunkt z von A und B erfullt zusammen mit z beide Gleichungen. AusGleichung (1) folgt zum Beispiel:

z =b (z , a)

b+ a .

Einsetzen in (2) ergibt dann eine quadratische Gleichung fur z . Entsprechend erhalt man einequadratische Gleichung fur z .

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390 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

3. Fall: A und B sind Kreise.Fur einen Schnittpunkt z gilt dann:

(z , a) (z , a) = rund (z , b) (z , b) = s

mit a, b, r, s % K und a #= b . Durch Subtraktion beider Gleichungen erhalten wir:

(b, a) z + (b, a) z = r , s + b b, a a =: c ;

dann lost z das Gleichungssystem

(b, a)w + (b, a) w = c(w , b) (w , b) = s .

Wegen a #= b ist a, b #= 0 , also der dritte Fall auf den zweiten zuruckgefuhrt.

!

77.9 Satz

Fur z % C sind folgende Aussagen aquivalent:

a) Es ist z % Ω(M) .

b) Es existiert eine Kette von Korpern Q(M, M ) =: L0 & L1 & L2 & . . . & Lm = L & Cderart, daß z % L und [Lj : Lj#1] ) 2 ist fur alle 1 ) j ) m .

Beweis:

”a) ! b)“: Ist z % Ω(M) , so existiert ein n % IN mit z % M (n) . Also gibt es endlich vielePunkte aus M (n#1) , aus denen z konstruierbar ist. Insgesamt erhalten wir sofortfahrend endlich viele Punkte z1, z2, . . . , zm mit folgenden Eigenschaften:(i) Es gilt: zm = z .(ii) Fur µ = 2, 3, . . . ,m ist zµ aus M * z1, z2, . . . , zµ#1 konstruierbar.(iii) z1 ist aus M konstruierbar.Sei nun N1 := M und Nµ := M * z1, z2, . . . , zµ#1 fur alle µ = 2, 3, . . . ,m+1 .Ferner sei Lµ := Q(Nµ+1, Nµ+1 ) = L0(z1, z2, . . . , zµ, z1, z2, . . . , zµ) fur alle0 ) µ ) m . Dann liefert Bemerkung 77.8:

[Lµ#1(zµ) : Lµ#1] ) 2und [Lµ#1(zµ) : Lµ#1] ) 2 ,

d. h.: [Lµ : Lµ#1] ) 2 ;1%µ%m .

”b) ! a)“: Wir zeigen durch vollstandige Induktion nach m , daß die Elemente aus Lm kon-struierbar sind:Die Elemente von L0 sind konstruierbar. "Sei nun [Lm : Lm#1] = 2 . Dann existiert ein bm % Lm mit einem zugehorigenMinimalpolynom f = X2 + c X + d % Lm#1[X] , und es ist Lm = Lm#1(bm) .

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§ 77. KONSTRUKTION MIT ZIRKEL UND LINEAL 391

Wegen f = (X + c2)2 + d , c2

4 existiert dann ein am#1 % Lm#1 derart, daßLm = Lm#1(

:am#1 ) ist. Alle Elemente von Lm lassen sich somit in der Form

b + c:

am#1 mit b, c % Lm#1 darstellen. Nach Induktionsvoraussetzung sind b, cund am#1 konstruierbar, also auch b, c und :am#1 (gemaß Satz 77.7) und damitauch b + c

:am#1 % Ω(M) .

!

77.10 Folgerung

a) Ist z % C aus M konstruierbar, so existiert ein endlicher Korperturm

Q(M, M ) = L0 & L1 & L2 & . . . & Ls = L & C

derart, daß z % L und [Lj : Lj#1] = 2 ist fur alle 1 ) j ) s . Also gilt: [Ls : L0] = 2s .

b) Ist a % C algebraisch uber L0 , f das Minimalpolynom von a uber L0 und n = grad fdurch eine Primzahl p #= 2 teilbar, so ist a nicht konstruierbar.

Beweis:

zu a): ist klar. "zu b): Ware a % C konstruierbar, so existierte eine Erweiterung L : L0 mit a % L und

[L : L0] = 2s . Daraus folgt mit dem Gradsatz 72.2 und Folgerung 72.15 der Wider-spruch:

2s = [L : L0] = [L : L0(a)] · [L0(a) : L0] = [L : L0(a)] · n ,

also: n = 2k mit k % IN .

!

77.11 Bemerkung

Ist M = 0, 1 , so ist L0 = Q . Alle folgenden Konstruierbarkeitsfragen beziehen sich aufdieses M . Ohne Beweis benutzen wir, daß " uber Q transzendent ist. Allgemein sind samtlichetranszendenten Zahlen nicht konstruierbar.

77.12 Beispiel (Das Delische Problem99)

Existiert eine aus M = 0, 1 mit Zirkel und Lineal konstruierbare Zahl a % C mit a3 = 2? Diegesuchte Zahl ware dann Nullstelle des uber Q irreduziblen Polynoms f = X3,2 % Q[X] . Alsoist f das Minimalpolynom von a uber Q . Doch wegen grad f = 3 ist a nach Folgerung 77.10b)aber nicht konstruierbar und somit eine Wurfelverdopplung nicht durchfuhrbar.

99Der antiken Sage nach hat das Orakel von Delos in einem seiner Spruche gefordert, einen Apoll geweihtenAltarwurfel zu

”verdoppeln“. Das bedeutet, es ist aus einem vorgegebenen Wurfel mit Kantenlange l ein Wurfel

zu konstruieren mit dem Volumen 2 l3 . Ohne Einschrankung sei dabei l = 1 .

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392 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

77.13 Beispiel (Quadratur des Kreises)

Existiert eine aus M = 0, 1 mit Zirkel und Lineal konstruierbare Zahl a % C derart, daßdas Quadrat mit Kantenlange a denselben Flacheninhalt hat wie der Einheitskreis? — Gabees nun ein solches a % Ω(M) , so ware a algebraisch uber Q und damit auch a2 = " (vgl.Folgerung 72.17) im Widerspruch dazu, daß " transzendent uber Q ist. Also ist die Quadraturdes Kreises unmoglich.

77.14 Beispiel (Winkeldreiteilung)

Gegeben sei ein Winkel - mit 0 ) - ) " . Kann ein beliebiger Winkel ! = +3 dann mit Zirkel

und Lineal aus M konstruiert werden?! ist genau dann konstruierbar, wenn cos ! konstruierbarist. Bei gegebenem c = cos - ist also a = cos ! gesucht mit

c = cos 3! = 4 cos3 !, 3 cos ! = 4 a3 , 3 a ;

somit ist a Nullstelle von f = 4X3 , 3 X , c % Q(c)[X] .Um nun zu entscheiden, ob a konstruierbar ist, mussen wirdas Minimalpolynom von a uber Q(c) bestimmen. Und obf dabei uber Q(c) irreduzibel ist, hangt von c % IR ab.

#

%

........

.........

.....................................................................................

.......................

..............................

.....................................................................

..........................................................................................................................................................................................................

! !0 1

!!

! ei(

cos !..................................................................................................................

Ist zum Beispiel - = '3 , d. h. c = cos - = 1

2 , so ist Q(c) = Q und f = 4X3 , 3 X , 12

ist irreduzibel uber Q , da g = 2 f = 8X3 , 6 X , 1 durch die Substitution X -$ X+12

in h = 8 (X+12 )3 , 6 (X+1

2 ) , 1 = X3 + 3 X2 , 3 ubergeht und h nach dem Kriterium vonEisenstein 64.13 mit u = 3 irreduzibel ist. Nach Folgerung 77.10b) ist also der Winkel - = '

3nicht mit Zirkel und Lineal in drei gleich große Teile zu unterteilen.Ist dagegen - = '

2 , d. h. c = cos - = 0 , so ist das sich entsprechend ergebende Polynomf = 4X3 , 3 X = X · (4 X2 , 3) reduzibel uber Q(c) = Q . Und das Minimalpolynom zua = cos +

3 = cos '6 lautet g = 4X2 , 3 . Damit ist a = cos '

6 = 12

:3 mit Zirkel und Lineal

konstruierbar.

Ein allgemeines Verfahren zur Winkeldreiteilung mit Zirkel und Lineal gibt es jedoch nicht.

§ 78 Der Hauptsatz der Galois–Theorie

Hier sei L : K generell eine Galois–Erweiterung; mit Φ(L : K) bezeichnen wir die Menge allerZwischenkorper Z von L : K , und mit U bezeichnen wir die Menge aller Untergruppen U derGalois–Gruppe G(L,K) . Wir definieren auf Φ(L : K) eine Abbildung . mit .(Z) := G(L,Z)und auf U eine Abbildung ' mit '(U) := F (U) fur den Fixbereich F (G) .

78.1 Satz (Hauptsatz der Galois–Theorie)

Unter den obigen Voraussetzungen gilt:

a) Das . ist eine bijektive Abbildung von Φ(L : K) auf U .

b) Es gilt: .#1 = ' .

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§ 78. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE 393

c) Fur Z1, Z2 % Φ(L : K) gilt: Z1 & Z2 "! G(L,Z1) / G(L,Z2) .

d) Es gilt: |G(L,Z)| = [L : Z] , und der Index von G(L,Z) in G(L,K) ist [Z : K] , wobeiL : Z : K sei.

Beweis zu Satz 78.1:

zu a): . ist eine Abbildung von Φ(L : K) nach U , weil G(L,Z) eine Untergruppe vonG(L,K) ist.. ist injektiv, da aus G(L,Z1) = G(L,Z2) folgt: F (G(L,Z1)) = F (G(L,Z2)). Hierausergibt sich mit Satz 76.10: Z1 = Z2 .Und . ist surjektiv. Denn: Sei dazu U die Untergruppe von G(L,K) ; und wir be-trachten Z := F (U) . Hilfssatz 76.9 liefert: [L : Z] = |U | . Wegen U & G(L,F (U))( + % U ! +(z) = z ;z&F (U) ) ist

|U | ) |G(L,F (U))| = [L : F (U)] = [L : Z] = |U | .

Also gilt sogar: U = G(L,F (U)) und damit: .(Z) = G(L,Z) = U .

zu b): folgt sofort aus der Definition von ' und . . "zu c): ist auch klar. "zu d): Es gilt nach Satz 76.2:

|G(L,K)| = [L : K]= [L : Z] · [Z : K]= |G(L,Z)| · [Z : K]

"! indG(L,K) G(L,Z) = [Z : K] .

!

Das Ziel ist es nun, die Aussagen a) – c) von Hauptsatz 78.1 zusammenzufassen.

78.2 Definition

Eine Menge M #= " heißt teilweise geordnet, wenn eine Relation ) existiert, die folgendeEigenschaften erfullt:

(i) a ) a ;a&M .

(ii) ( a ) b . b ) a ) ! a = b ;a,b&M .

(iii) ( a ) b . b ) c ) ! a ) c ;a,b,c&M .

Eine Menge M heißt geordnet, wenn M teilweise geordnet ist und das Trichotomiegesetz erfulltist:

(iv) Fur alle a, b % M gilt: a ) b 9 b ) a .

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394 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

Ist M teilweise geordnet, so heißt s = sup(a, b) = a @ b % M das Supremum von a und b, wennfolgendes gilt:

a ) s . b ) s und ( ;t&M : a ) t . b ) t ! s ) t ) .

Entsprechend wird das Infimum inf(a, b) = a A b % M von a und b erklart.

Ein Verband ist eine teilweise geordnete Menge, in der je zwei Elemente a und b Supremum undInfimum besitzen. Zwei Verbande V1 und V2 heißen isomorph bzw. dual–isomorph (oder antiiso-morph), wenn eine bijektive Abbildung $ : V1 $ V2 mit folgenden Eigenschaften existiert:

(i) $(a @ b) = $(a) @ $(b) bzw. $(a @ b) = $(a) A $(b) .

(ii) $(a A b) = $(a) A $(b) bzw. $(a A b) = $(a) @ $(b) .

78.3 Bemerkung

Es sei L : K eine Galois–Erweiterung; Φ(L : K) wird zu einem Verband, wenn wir fur zweiZwischenkorper Z1, Z2 von L : K definieren:

Z1 ) Z2 :"! Z1 & Z2

sowie Z1 @ Z2 :=;

F*L KorperZi*F fur i=1,2

F = K(Z1 * Z2) = Z1(Z2) = Z2(Z1)

und Z1 A Z2 := Z1 ' Z2 .

Und U wird zu einem Verband, wenn fur zwei Untergruppen U1, U2 von G(L,K) entsprechend

U1 ) U2 :"! U1 & U2

sowie U1 @ U2 :=;

U*G(L,K) GruppeUi*U fur i=1,2

U

und U1 A U2 := U1 ' U2

gesetzt wird.

78.4 Satz (Andere Form des Hauptsatzes)

Es sei L : K eine Galois–Erweiterung. Dann ist der Zwischenkorper–Verband Φ(L : K) dual–isomorph zum Untergruppen–Verband U von G(L,K) .

Beweis:

Seien Z1, Z2 % Φ(L : K) ; dann gilt: Zi & Z1 @ Z2 fur i = 1, 2 , also: .(Zi) / .(Z1 @ Z2) furi = 1, 2 und damit: .(Z1)' .(Z2) / .(Z1 @Z2) . Da aber kein + aus .(Z1)' .(Z2) \ .(Z1 @Z2)existiert, gilt: .(Z1 @ Z2) = .(Z1) A .(Z2) .Entsprechend folgt: .(Z1 A Z2) = .(Z1) @ .(Z2) . !

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§ 78. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE 395

78.5 Beispiel

Wir betrachten K = Q und den Zerfallungskorper L von f = X3 , 2 % Q[X] . Dann ist L : Kgalois’sch. Wie sieht der Zwischenkorper–Verband Φ(L : K) nun aus?Die Nullstellen von f sind $ = 3

:2 und %1/2 = ,#

2 (1 B:,3 ) . Also gilt: L = Q($,

:,3 )

und damit: [L : Q] = [L : Q($)] · [Q($) : Q] = 2 · 3 = 6 . Eine Basis von L+Q ist etwa

1, $, $2, 0, 0$, 0$2 mit 0 :=:,3 . Wie in Beispiel 76.5 erhalten wir:

G(L,K) (= S3 mit S3 = (1) , (1, 2) , (1, 3) , (2, 3) , (1, 2, 3) , (1, 3, 2) .

Es ergeben sich Untergruppen von S3 der Ordnung:

n = 1 : (1) = E

n = 2 : (1) , (1, 2) , (1) , (1, 3) , (1) , (2, 3)n = 3 : (1) , (1, 2, 3) , (1, 3, 2) = A3 ,

also der Untergruppen–Verband:

S3&&&&&&&&

""

"

''''''''A3 (1, 2) (1, 3) (2, 3)

'''''''' !!

!&&&&&&&&

E

und damit der Zwischenkorper–Verband:

Q($,:,3 )

&&&&&&&&

""

"

''''''''Q(:,3 ) Q($) Q(%1) Q(%2)

'''''''' !!

!&&&&&&&&

Q

Ohne Beweis (vgl. Ubungsaufgabe 78–3) erwahnen wir noch:

78.6 Satz

Es sei L : K galois’sch und Z ein Zwischenkorper dieser Erweiterung. Z ist genau dann galois’schuber K , wenn G(L,Z) ein Normalteiler von G(L,K) ist. Ist Z : K galois’sch, so existiert einnaturlicher Isomorphismus G(Z, K) (= G(L,K)/G(L,Z) .

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396 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

§ 79 Einheitswurzeln und Kreisteilungskorper

Unser Ziel in diesem Abschnitt ist die Untersuchung der Elemente von K! endlicher Ordnung.

79.1 Definition

Ist K ein Korper und L = En(K) der Zerfallungskorper von f = Xn , 1 % K[X] , so heißendie Nullstellen von f in L die n-ten Einheitswurzeln. Eine n-te Einheitswurzel x heißt primitiv,wenn fur alle 1 ) & < n gilt: x! #= 1 .

79.2 Beispiel

Ist f = X2, 1 % C[X] , so ist 1 nicht primitiv, aber ,1 eine primitive 2-te Einheitswurzel. Furf = X4, 1 % C[X] sind 1 und ,1 nicht primitiv, aber i und ,i primitive 4-te Einheitswurzeln.

79.3 Satz

Es sei K ein Korper und n % IN! kein Vielfaches von charK . Die n-ten Einheitswurzelnbilden eine zyklische Untergruppe von En(K)! der Ordnung n . Es gibt genau !(n) primitiveEinheitswurzeln in En(K) .

Beweis:

Ist N die Menge aller Nullstellen von f = Xn,1, so ist |N | ) n. Und N bildet eine Untergruppevon En(K)! . Nach Satz 59.18 ist dann N zyklisch. Ist n kein Vielfaches von charK , so besitztf wegen f " = n Xn#1 und f "(a) #= 0 fur alle a % En(K)! nur einfache Nullstellen. Da fuber En(K) zerfallt, hat f also in En(K) genau n = grad f paarweise verschiedene Nullstellen.Damit ist N zyklisch mit ordN = n . Und gemaß Folgerung 43.8 gibt es dann in En(K) exakt!(n) Elemente der Ordnung n . !

79.4 Definition

Ist K = Q , so heißt En(Q) fur n % IN! der n-te Kreisteilungskorper. (Dieser Name beruhtauf folgendem Zusammenhang: En(Q) ist genau dann aus M = 0, 1 mit Zirkel und Linealkonstruierbar, wenn das regelmaßige n-Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist.)

#

%

! !..............................................................................

.........................

........................................

....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

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..................................................................................................................................!!

! !0 1

e2#in

...........

...........

...........

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...........

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§ 79. EINHEITSWURZELN UND KREISTEILUNGSKORPER 397

79.5 Satz

Der Kreisteilungskorper En(Q) ist fur jedes n % IN! galois’sch uber Q ; die Galois–GruppeG(En(Q), Q) ist isomorph zur primen Restklassengruppe ZZ !n .

Beweis:

Als Zerfallungskorper ist En(Q) uber Q wegen char Q = 0 galois’sch (vgl. Beispiel 73.2 undSatz 75.2). Samtliche n-ten Einheitswurzeln sind von der Form

/(n)! := e! 2#i

n = cos (& 2'n ) + i · sin (& 2'

n ) ;1%!%n .

Primitive n-te Einheitswurzeln sind diejenigen /(n)! , fur die ggT(&, n) = 1 gilt. Dann ist zum

Beispiel En(Q) = Q(/(n)1 ) . Setzen wir nun fur m % IN! :

Φm :=)

1%d%mggT(d,m)=1

(X , /(m)d ) ,

so gilt:

(a) Φm % ZZ [X] .

(b) HK(Φm) = 1 .

(c) Xn , 1 =)

1%m%nm |n

Φm .

(d) Φm ist irreduzibel uber Q .

zu (b): ist klar. "zu (c): ergibt sich durch Betrachtung der Nullstellen der rechten bzw. linken Seite. "zu (a): folgt durch vollstandige Induktion unter Berucksichtigung von (c). "zu (d): vgl. zum Beispiel Satz 272 aus [31] oder Satz 45.3 in [16] oder Satz 6.8.7 aus [29b].

Damit ist Φn das Minimalpolynom von /(n)1 uber Q ; und es gilt:

[En(Q) : Q] = grad Φn = !(n) .

Also ist: |G(En(Q), Q)| = !(n) . Die Automorphismen + % G(En(Q), Q) sind bekannt, wenn+(/(n)

1 ) bekannt ist. Nach Bemerkung 76.4 kommen fur +(/(n)1 ) nur diejenigen Nullstellen / von

Φn in Frage. Somit folgt:

G(En(Q), Q) = +d | 1 ) d ) n mit ggT(d, n) = 1 mit +d(/(n)1 ) = ed 2#i

n .

Der gesuchte Isomorphismus - : G(En(Q), Q) $ ZZ !n ist dann durch -(+d) := d gegeben. !

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398 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

79.6 Satz

Das regelmaßige n-Eck ist genau dann (aus M = 0, 1 ) mit Zirkel und Lineal konstruierbar,wenn !(n) eine Potenz von 2 ist.

Beweis:

Ist z = /(n)1 , so bleibt zu untersuchen, ob z % Ω(M) ist. Nach §77 ist dies genau dann der Fall,

wenn [Q(z) : Q] = 2s gilt mit s % IN . !

79.7 Bemerkung

Wann ist nun !(n) = 2s ?Sei dazu n = p1

s1 · p2s2 · . . . · pr

sr die Primfaktorzerlegung von n mit r paarweise verschiedenenPrimzahlen p% . Dann gilt gemaß Folgerung 45.10 (aus Algebra I):

!(n) =r)

%=1

p%s%#1 (p% , 1) .

Also ist !(n) = 2s genau dann, wenn fur alle Primzahlen p% #= 2 gilt:

s% = 1 und p% , 1 = 2k% .

79.8 Definition

Eine Primzahl p > 2 heißt eine Fermat’sche Primzahl, wenn p, 1 eine Zweierpotenz ist.

Daraus ergibt sich eine andere Formulierung von Satz 79.6:

79.9 Satz

Das regelmaßige n-Eck ist genau dann (aus M = 0, 1 ) mit Zirkel und Lineal konstruierbar,wenn n die Darstellung n = 2m · p1 · p2 · . . . · pr besitzt, wobei m % IN ist und p1, p2, . . . , pr

paarweise verschiedene Fermat’sche Primzahlen sind.

79.10 Satz

Ist p eine Fermat’sche Primzahl, so hat p die Darstellung p = 22t + 1 mit t % IN .

Beweis:

Ist s % IN! ungerade, so ist ,1 eine Nullstelle von Xs+1 % ZZ [X] . Also gilt: Xs,1 = (X+1)·gmit einem g % ZZ [X] . Ist r % IN! , dann folgt:

(2r)s + 1 = 2rs + 1 = (2r + 1) · g(2r) .

Ist p = 2m + 1 und m = r s mit ungeradem s > 2 , so folgt: 2m + 1 = (2r + 1) g(2r) ; d. h. pist dann keine Primzahl. Damit p eine Primzahl ist, muß also m = 2t sein. !

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§ 80. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 399

79.11 Bemerkung

Fur t = 0, 1, 2, 3, 4 erhalten wir gemaß Satz 79.10 die Primzahlen: 3 , 5 , 17 , 257 , 65 537 .Bei t = 5 dagegen ergibt sich keine Primzahl. Bis heute hat man fr t + 5 keine weiterenFermat’schen Primzahlen gefunden!Und Satz 79.9 liefert dann, daß das regelmaßige n-Eck zum Beispiel fur n = 3 , 4 , 5 , 6 , 8 , 10 ,12 , 15 , 16 , 17 , 20 konstruierbar ist, aber fur n = 7 , 9 , 11 , 13 , 14 , 18 , 19 nicht.

§ 80 Auflosung algebraischer Gleichungen

In diesem Paragraphen sei K immer ein Korper der Charakteristik charK = 0 .

80.1 Definition

Ein Polynom f % K[X] heißt auflosbar durch Radikale uber K, wenn es einen Korperturm

K = K0 & K1 & K2 & . . . & Km = L (4)gibt, in dem Ki+1 aus Ki durch Adjunktion einer Wurzel des Polynoms Xni , ai % Ki[X]entsteht, d. h. Ki+1 = Ki(bi) mit bi

ni = ai % Ki ist, und wobei der Zerfallungskorper von fuber K in L enthalten sei.

80.2 Beispiele

a) f = a X2 + b X + c % K[X] mit a #= 0 ist auflosbar durch Radikale.

b) f = a X3 + b X2 + c X + d % K[X] mit a #= 0 ist auflosbar durch Radikale.

c) f = a X4 + b X3 + c X2 + d X + e % K[X] mit a #= 0 ist auflosbar durch Radikale.

Beweis:

zu a): Wir setzen p :=b

aund q :=

c

a; dann ist x bekanntlich Nullstelle von f genau dann,

wenn 9x, p

2

:2=

p2

4, q

gilt. Setzen wir noch * :=

Cp2

4, q , so erhalten wir: x +

p

2= ±* .

Also sind ”beide“ Nullstellen in K(*) enthalten.

zu b): Sei x Nullstelle von f ; wir setzen y := x+b

3aund zeigen, daß y in einem Korperturm

der Form (4) liegt. Aus f(x) = 0 folgt wegen x = y , b

3a:

a$

y3 +$

c

a, 1

3

9 b

a

:2%

= >? @=: p

y +227

9 b

a

:3, bc

3a2+

d

a= >? @

=: q

%= 0 .

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400 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

Also ist y Nullstelle von g = X3, p X + q aus K[X] . Im Fall p = 0 sind wir bereitsfertig.Betrachte sonst eine Nullstelle z von h = X2 , y X , p

3% K(y)[X] . Wegen p #= 0

ist z #= 0 ; aus z (z, y) =p

3folgt dann: z, y =

p

3z"! y = z, p

3z. Und wegen

g(y) = 0 ergibt sich weiter: z3 , p3

27z3+ q = 0 . Also ist w := z3 eine Nullstelle

von h1 = X2 + q X , p3

27% K[X] .

zu c): Sei x eine Nullstelle von f ; wir setzen y := x +b

4aund zeigen, daß y in einer

entsprechenden Korpererweiterung liegt. Wie oben zeigt man, daß y eine Nullstellevon g = X4 + p X2 + q X + r % K[X] ist. Dazu bestimmen wir z so, daß in

y4 + py2 + qy + r = y4 + y2z +z2

4, y2z , z2

4+ py2 + qy + r

=9y2 +

z

2

:2,

D(z , p)y2 , qy +

9z2

4, r

:E

die eckige Klammer ein Quadrat der Form ($y + %)2 wird. Dies ist gewahrleistet,wenn z so gewahlt wird, daß

q2 = 4(z , p)9z2

4, r

:

gilt. Ein solches z existiert und liegt nach b) in einer Korpererweiterung der Form

(4). Dann sind $ und % Quadratwurzeln aus z , p undz2

4, r . Damit folgt:

y4 + py2 + qy + r =9y2 +

z

2

:2, ($y + %)2

=Dy2 + $y +

9z

2+ %

:E·Dy2 , $y +

9z

2, %

:E.

Wegen g(y) = 0 ist also y Nullstelle eines quadratischen Polynoms und mit a) zuberechnen.

!

80.3 Bemerkung

Ist ein Korperturm (4) wie in Definition 80.1 gegeben:

K = K0 & K1 & K2 & . . . & Km = L mit Ki+1 = Ki(bi) und bini = ai % Ki ;0%i%m#1 ,

so heißt L eine Radikalerweiterung von K. Ohne Beschrankung der Allgemeinheit kann manstets voraussetzen, daß alle ni Primzahlen sind.

80.4 Satz

Ist L : K eine Radikalerweiterung von K , so existiert eine Erweiterung M : L derart, daßM : K eine galois’sche Radikalerweiterung von K ist.

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§ 80. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 401

Beweis zu Satz 80.4: durch vollstandige Induktion nach [L : K] = n :

n = 1 : ist klar. "Sei also n > 1 und der Satz bewiesen fur Radikalerweiterungen vom Grad ) n, 1 . Sei L : Keine Radikalerweiterung mit [L : K] = n . Dann existiert wegen n + 2 ein Zwischenkorper Zder Erweiterung L : K mit folgenden Eigenschaften:

(a) Es ist L = Z(x) mit x % L und xr % Z fur ein r % IN! .

(b) Es gilt: [L : Z] + 2 .

Wegen (b) gilt nach dem Gradsatz 72.2: [Z : K] ) n , 1 . Gemaß Induktionsvoraussetzungexistiert eine galois’sche Radikalerweiterung N von K mit Z & N . Wir betrachten das Polynom

f :=)

(&G(N,K)

(Xr , !(xr)) =#

i

ai Xi % N [X] ;

und M sei der Zerfallungskorper von f . Sei nun - % G(N, K) beliebig und -! : N [X] $ N [X]die Fortsetzung von - gemaß §64. Dann gilt:

-!(f) = -!$ #

i

ai Xi%

=#

i

-(ai)Xi =)

(&G(N,K)

(Xr , - 2 !(xr)) = f ,

also: -(ai) = ai , d. h.: ai % F (G(N, K)) = K . Somit ist f % K[X] . Da M durch Adjunktionvon r-ten Wurzeln von Elementen aus N entsteht, ist M : N eine Radikalerweiterung. WeilN : K bereits eine Radikalerweiterung, ist auch M : K eine Radikalerweiterung. x % L ist eineNullstelle von f , also gilt: L = Z(x) & M . Es bleibt zu zeigen, daß M : K auch galois’sch ist.Da N : K galois’sch ist, ist N Zerfallungskorper eines Polynoms g % K[X] \ 0 . Ferner ist MZerfallungskorper von f (uber N), also M Zerfallungskorper von f · g % K[X] \ 0 und damitM galois’sch uber K (wegen charK = 0 ). !

Als Vorbereitung zeigen wir:

80.5 Satz

Es seien G eine Gruppe und G1, G2, . . . , Gm Untergruppen von G mit

G = G0 / G1 / G2 / . . . / Gm = e .

Ist Gi+1 Normalteiler von Gi fur alle i = 0, 1, 2, . . . ,m,1 und Gi/Gi+1 abelsch fur 0 ) i ) m,1,so ist G auflosbar.(Die Folge G0 $ G1 $ G2 $ . . . $ Gm heißt dann eine abelsche Normalreihe der Lange m.)

Beweis: per Induktion nach m :

Ist m = 1 , d. h. G0/G1(= G abelsch, dann ist G auflosbar wegen K(G) = e .

Sei m > 1 und die Behauptung gezeigt fur alle abelschen Normalreihen der Lange ) m . SeiG0 / G1 / G2 / . . . / Gm eine abelsche Normalreihe der Lange m ; dann ist G1 / G2 / . . .. . . / Gm nach Induktionsvoraussetzung auflosbar. Da G1 in G Normalteiler ist mit abelscherFaktorgruppe G/G1 , liefert Satz 50.9c) (aus Algebra I) die Auflosbarkeit von G . !

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402 KAPITEL XVIII. DER HAUPTSATZ DER GALOIS–THEORIE

80.6 Satz

Ist L : K eine galois’sche Radikalerweiterung, so ist G(L,K) auflosbar.

Beweis:

Betrachte noch einmal den Korperturm (4) aus Definition 80.1:

K = K0 & K1 & K2 & . . . & Km = L mit Ki+1 = Ki(bi) und bini = ai % Ki ;0%i%m#1 .

Wir setzen n = n0 ·n1 ·n2 · . . . ·nm#1 und wahlen eine primitive n-te Einheitswurzel * . Definierenwir Ki

" := Ki(*) , so gilt: Ki+1" = Ki

"(bi) mit bini = ai % Ki fur alle i = 0, 1, 2, . . . ,m, 1 .

Ki" enthalt fur 0 ) i ) m, 1 eine primitive ni-te Einheitswurzel *i . (Ist namlich n = nisi , so

gilt mit *i := *si : (*i)ni = *sini = 1.) Damit ist Mi := *i

!bi | 1 ) & ) n die Nullstellenmengevon fi = Xni , ai % Ki[X] mit |Mi| = ni . Also ist Ki+1

" der Zerfallungskorper von fi uberKi

" und damit galois’sch uber Ki" . Die Galois–Gruppe Gi := G(Ki+1

", Ki") ist zyklisch, da ein

injektiver Homomorphismus Φ : Gi $ ZZni existiert. (Denn: Ist + % Gi , so gilt: +(bi) % Mi ;also existiert genau ein & % 1, 2, . . . , n mit +(bi) = *i

!bi . Wir definieren Φ(+) := & . Ist weiter+" % Gi mit Φ(+") = µ , dann gilt:

+" 2+(bi) = +"(*i!bi) = *i

!*iµbi = *i

!+µbi , d. h. Φ(+" 2+) = (& +µ) mod ni = Φ(+")+Φ(+) .

Ist Φ(+) = 0 fur ein + % Gi , so gilt: *inibi = +(bi) , d. h.: + = idKi

# .)Da L : K nun galois’sch ist, sind auch L(*) : K und L(*) : K(*) galois’sch. (Da namlich L : Kgalois’sch ist, existiert ein g % K[X] derart, daß L Zerfallungskorper von g uber K ist. Dannist L(*) Zerfallungskorper von g · (Xn , 1) .)Zu dem Korperturm K = K0 & K0(*) & K1(*) & K2(*) & . . . & Km(*) = L(*) gehort nachdem Hauptsatz der Galois–Theorie 78.1, Teil c), eine Kette von Gruppen

G(L(*), K) / G(L(*), K(*)) / G(L(*), K1(*)) / . . . / G(L(*), L(*)) = idL(,)

mit K = K0 und Km = L . Da L(*) : Ki" und Ki+1

" : Ki" galois’sch sind, liefert Satz 78.6, daß

G(L(*), Ki+1") ein Normalteiler von G(L(*), Ki

") ist und daß

G(Ki+1", Ki

") (= G(L(*), Ki")/G(L(*), Ki+1

")

gilt fur alle i = 0, 1, 2, . . . ,m , 1 . Ferner sind L(*) : K und K(*) : K galois’sch; also istG(L(*), K(*)) ein Normalteiler von G(L(*), K) mit

G(K(*), K) (= G(L(*), K)/G(L(*), K(*)) .

Wegen char K = 0 ist G(K(*), K) isomorph zu einer Untergruppe von ZZ !n , also abelsch. Daalle Gruppen Gi zyklisch, also abelsch sind, liefert Satz 80.5 die Auflosbarkeit von G(L(*), K) .Weil in der Erweiterung L(*) : K der Zwischenkorper L uber K galois’sch ist, ergibt Satz 78.6wieder:

G(L,K) (= G(L(*), K)/G(L(*), L) .

Und Satz 50.9b) liefert schließlich die Auflosbarkeit von G(L,K) . !

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§ 80. AUFLOSUNG ALGEBRAISCHER GLEICHUNGEN 403

80.7 Satz

Ist f % K[X] auflosbar durch Radikale uber K , so ist die Galois–Gruppe G von f uber Kauflosbar.

Beweis:

Ist M der Zerfallungskorper von f , so ist G = G(M, K) , und M ist Zwischenkorper einergalois’schen Radikalerweiterung M " : K (gemaß Satz 80.4). Nach Satz 80.6 ist G(M ", K) auf-losbar. Da M : K galois’sch ist, gilt:

G(M,K) (= G(M ", K)/G(M ", M) ;

also ist G(M,K) mit Satz 50.9b) auflosbar. !

80.8 Folgerung

Ist f % Q[X] mit grad f + 5 , so ist f im allgemeinen nicht durch Radikale auflosbar.

Beweis:

Als Gegenbeispiel betrachte f = X5,2 X4+2; sei K der Zerfallungskorper von f uber Q . Nachdem Kriterium von Eisenstein 64.13 ist f irreduzibel, besitzt also funf paarweise verschiedeneNullstellen x1, x2, x3, x4, x5 % C . Wegen f(,1) = ,1 < 0 , f(0) = 2 > 0 , f(3

2) = ,1732 < 0 und

f(2) = 2 > 0 besitzt f mindestens drei paarweise verschiedene reelle Nullstellen. Angenommen,f besaße mehr als drei reelle verschiedene Nullstellen; dann hatte f " nach dem Satz von Rolle100

(aus Analysis I) mindestens drei paarweise verschiedene reelle Nullstellen. Nun ist jedochf " = 5X4,8 X3 = X3 (5 X,8), also hat f genau 3 reelle verschiedene Nullstellen. Es gilt ferner:x4 = x5 . Ist + % G(K, Q) , so werden die Nullstellen x1, x2, x3, x4, x5 auf sich abgebildet.Also entspricht jedem + % G(K, Q) eindeutig eine Permutation Φ(+) =: " % S5 der Indizes1, 2, 3, 4, 5 . Und Φ : G(K, Q) $ S5 ist ein injektiver Homomorphismus; damit ist G(K, Q)isomorph zu einer Untergruppe von S5 . Wir zeigen, daß Φ(G(K, Q)) eine Transposition und einElement der Ordnung 5 enthalt. Dazu betrachten wir die Abbildung - : C $ C mit -(z) = zund setzen ! := -K . Dann ist ! % G(K, Q) mit !(xi) = xi fur i = 1, 2, 3 und !(x4) = x5

sowie !(x5) = x4 . Also ist Φ(!) =: . eine Transposition, namlich . = (4, 5) . Ferner gilt nachdem Gradsatz 72.2:

[K : Q] = [K : Q(xi)] · [Q(xi) : Q] = [K : Q(xi)] · 5 ;

also ist 5 ein Teiler von [K : Q] = |G(K, Q)| . Nach dem Satz von Cauchy (Folgerung 47.3)enthalt G(K, Q) und damit Φ(G(K, Q)) & S5 ein Element der Ordnung 5 .

Ein Element ' % S5 hat die Ordnung 5 "! ' ist ein 5-Zykel.Nach Ubungsaufgabe 49–1a) erzeugen . und ' dann die symmetrische Gruppe S5 . Also istΦ(G(K, Q)) = S5 , d. h. G(K, Q) (= S5 , und S5 ist gemaß Satz 50.8 nicht auflosbar.

Um diese Aussage fur alle Polynome f mit grad f > 5 zu beweisen, betrachten wir Xk · f mitgeeigneten k % IN! . (Zum allgemeinen Vorgehen siehe auch Ubungsaufgabe 80–3a).) !

100Michel Rolle, franzosischer Mathematiker ("21.04.1652, †08.11.1719)

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Kapitel XIX

Elemente der Codierungstheorie

Gegeben sei ein Alphabet Fq := $1, $2, . . . ,$q mit q paarweise verschiedenen Symbolen (vgl.Definition 51.7 aus Algebra I). Im folgenden wird Fq haufig durch ZZq oder einen endlichenKorper dargestellt, d. h. Fq = GF(pm) mit einer Primzahl p und q = pm , m % IN! . Sehrgebrauchlich ist p = 2 und m = 1 , also: F2 = ZZ2 .Es gibt genau qn Worter der Lange n . Wir konnen ein Wort der Lange n im Alphabet Fq alsgeordnetes n-Tupel schreiben, d. h. als Element von Fq

n = (Fq)n auffassen.Ein (q-narer) Code der Lange n ist eine Teilmenge C von Fq

n . Wir wollen eine Nachricht uber-mitteln, d. h. eine Folge von M Elementen aus C , also von M Codewortern aussenden. DieseNachricht konnen wir in einer (M 3 n)-Matrix darstellen, wobei die Zeilen der Matrix jeweilsElemente von C sind.101

Beispiel

Ein Gerat soll durch Ubermittlung der Nachrichten ”rechts“, ”links“, ”oben“ bzw. ”unten“ be-wegt werden:

C C C%

C $ % # C

(C C C

Wir benotigen zur Codierung dieser vier Befehle eine 4-elementige Teilmenge C von ZZ2n (fur

q = 2 ) und konnen die Lange n des binaren Codes bestimmen.Ist n = 2 , so mussen wir C1 = ZZ2

2 zulassen; ist dagegen n = 3 oder n = 6 , so konnen wiraus 8 Elementen bzw. 64 Elementen auswahlen. Wir erhalten zum Beispiel:

Code Lange ”oben“ ”unten“ ”rechts“ ”links“

C1 2 00 10 01 11C2 3 000 110 011 101C3 6 000000 111000 001110 110011

101Hier werden also nur sogenannte Block–Codes betrachtet, d. h. im Code haben alle Codeworter dieselbekonstante Lange.

404

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§ 81. DAS HAUPTPROBLEM DER CODIERUNGSTHEORIE 405

Soll damit das Gerat — etwa durch Fernsteuerung — um zwei Einheiten nach ”oben“ und eineEinheit nach ”rechts“ bewegt werden, so ist eine (33 n)-Matrix zu ubermitteln, und zwar:

0 00 00 1

oder0 0 00 0 00 1 1

oder0 0 0 0 0 00 0 0 0 0 00 0 1 1 1 0

.

Bei Benutzung des Codes C1 kann kein Fehler entdeckt werden, der bei der Ubermittlung mogli-cherweise auftaucht. Bei Verwendung von C2 kann jeder Fehler, der durch Abanderung genaueines Bits entstanden ist, zwar festgestellt werden, aber nicht korrigiert werden. Bei Benutzungdes Codes C3 konnen alle Fehler, die durch Abanderung genau eines Bits aufgetreten sind,erkannt und auch korrigiert werden.

§ 81 Das Hauptproblem der Codierungstheorie

81.1 Definition

Gegeben sei ein Alphabet Fq ; wir definieren fur n % IN! einen Abstand d : Fqn 3 Fq

n $ INdurch

d(x, y) := |i % 1, 2, . . . , n | xi #= yi fur x = x1x2 · · ·xn % Fqn und y = y1y2 · · · yn % Fq

n| .

Dann stellt d eine Metrik auf Fqn dar, namlich die sogenannte Hamming–Metrik102.

Ist C & Fqn ein q-narer Code der Lange n , so heißt

d(C) := min d(x, y) | x, y % C . x #= y

der Minimalabstand von C.Wird ein Codewort x % C ubermittelt, und erreicht den Empfanger das Wort y % Fq

n , sobesteht das Prinzip des nachsten Nachbarn darin, als Decodierung ein Codewort x" % C zuwahlen, fur das der Hamming–Abstand d(x", y) minimal ist.

81.2 Beispiel

Fur die obigen Codes C1, C2 und C3 gilt: d(C1) = 1 , d(C2) = 2 und d(C3) = 3 .

81.3 Satz (Fehlererkennung, Fehlerkorrektur)

(a) Ein Code C (der Lange n ) kann bis zu s Fehler in jedem Codewort entdecken, wenn gilt:

d(C) + s + 1 .

(b) Ein Code C kann (mit dem Prinzip des nachsten Nachbarn) bis zu t Fehler in jedemCodewort korrigieren, wenn

d(C) + 2t + 1

gilt.102Richard Wesley Hamming, amerikanischer Mathematiker ("11.02.1915)

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406 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

Beweis zu Satz 81.3:

zu (a): Ein Wort x % C werde ubermittelt und als y % Fqn empfangen mit d(x, y) ) s .

Ist dann d(C) + s + 1 , so folgt wegen d(C) ) d(x, z) fur alle x, z % C mit x #= zsofort: y /% C .

zu (b): Es werde x % C gesendet und y % Fqn empfangen mit d(x, y) ) t . Fur alle z % C

mit z #= x gilt dann: d(z, y) + t + 1 . (Denn aus d(z, y) ) t fur ein z % C \ xfolgte: d(x, z) ) d(x, y) + d(y, z) ) 2t im Widerspruch zu d(C) + 2t + 1 .)Also ist x das eindeutig bestimmte Element aus C mit minimalem Abstand zu y .

!

81.4 Definition

Wir sprechen von einem (q-naren) (n, M, d)-Code C, wenn C ein (q-narer) Code der Lange nmit genau M := |C| Codewortern und Minimalabstand d := d(C) ist.

81.5 Bemerkung

Ein ”guter“ (n, M, d)-Code hat kleines n (fur schnelle Ubermittlung), großes M (um viele ver-schiedene Nachrichten senden zu konnen) und großes d (um moglichst viele Fehler erkennen undkorrigieren zu konnen). Diese drei Forderungen widersprechen sich jedoch. Das Hauptproblemder Codierungstheorie besteht nun darin, bei zwei fest vorgegebenen Parametern die dritte Großezu optimieren. Wir betrachten eines dieser Probleme.Dazu legen wir fest:

81.6 Definition

Bei vorgegebenen Parametern q , n und d sei

Aq(n, d) := max M % IN! | es existiert ein q-narer (n, M, d)-Code .

81.7 Satz

Es gilt fur alle q, n % IN! :

(a) Aq(n, 1) = qn .

(b) Aq(n, n) = q .

Beweis:

zu (a): Wegen d(C) + 1 fur alle Codes C der Lange n kommt nur C = Fqn als Code mit

den meisten Elementen in Frage.

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§ 81. DAS HAUPTPROBLEM DER CODIERUNGSTHEORIE 407

zu (b): Es sei C ein q-narer (n, M, n)-Code; dann unterscheiden sich jeweils zwei Codeworterx, y % C mit x #= y in allen Komponenten. Also stehen z. B. in der ersten Komponentealler Codeworter aus C verschiedene Elemente von Fq . Damit ist M = |C| ) q .Andererseits ist der Wiederholungscode C der Lange n mit

C = $j$j · · ·$j | j = 1, 2, . . . , q

ein (n, q, n)-Code; d. h. es gilt: Aq(n, n) = q .

!

Unser Ziel ist es, einen Uberblick von der Große Aq(n, d) zu bekommen.

Zunachst sei q = 2 . Fur zwei Worter x, y % ZZ2n mit x = x1x2 · · ·xn und y = y1y2 · · · yn

definieren wir:x + y := x1+y1 x2+y2 · · · xn+yn ,

x ' y := x1y1 x2y2 · · · xnyn

und w(x) := |i % 1, 2, . . . , n | xi = 1| .

Dann gilt stets: d(x, y) = w(x + y) und d(x, y) = w(x) + w(y), 2 w(x ' y) .

Wir erhalten daraus:

81.8 Satz

Es sei d % IN ungerade. Ein binarer (n, M, d)-Code existiert genau dann, wenn ein binarer(n+1, M, d+1)-Code existiert.

Beweis:

”!“: Sei C ein binarer (n, M, d)-Code. Wir definieren eine Menge FC & F2n+1 durch

FC :=&x = x1x2 · · ·xnxn+1

''' x1x2 · · ·xn % C und xn+1 =n#

i=1

xi mod 2(

.

Dann ist w(x) % 2 IN fur alle x % FC , also d(x, y) % 2 IN fur alle x, y % FC und damitauch d( FC) % 2 IN! . Ferner ist d = d(C) ) d( FC) ) d + 1 . Da d ungerade ist, muß somitd( FC) = d + 1 gelten. Also ist FC ein (n+1, M, d+1)-Code.

”"“: Sei D ein (n+1, M, d+1)-Code. Betrachte x, y % D mit d(x, y) = d + 1 und wahle eineKomponente i0 % 1, 2, . . . , n+1 mit xi0 #= yi0 . Bilde dann

C := x = x1x2 · · ·xi0#1xi0+1 · · ·xn+1 | x1x2 · · ·xn+1 % D ,

so ist C ein (n, M, d)-Code.

!

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408 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

81.9 Folgerung

Ist d ungerade, so gilt: A2(n+1, d+1) = A2(n, d) ;und ist d gerade, so gilt: A2(n, d) = A2(n,1, d,1) .

Fur beliebige q % IN! , n % IN! und ein 0 ) r ) n heißt

B(u, r) := v % Fqn | d(u, v) ) r

die Kugel (oder der Ball) um u % Fqn mit Radius r.

Es folgt:

81.10 Hilfssatz

Fur jedes u % Fqn und jedes r % 0, 1, 2, . . . , n gilt:

|B(u, r)| =r#

!=0

-n

&

.

(q , 1)! .

Beweis:

Ist & % 0, 1, 2, . . . , n , so berechnen wir die Anzahl aller v % Fqn mit d(u, v) = & . Es gibt

genau+n!

,Moglichkeiten, die & Komponenten auszuwahlen, in denen sich u und v unterscheiden.

Fur jede solche Komponente von v gibt es nun q,1 Moglichkeiten, sich von der entsprechendenKomponente von u zu unterscheiden. !

81.11 Satz (”Kugelpackungsschranke“)

Ist C ein q-narer (n, M, 2t+1)-Code, so gilt:

M ·t#

!=0

-n

&

.

(q , 1)! ) qn .

Beweis:

Fur x, y % C mit x #= y ist B(x, t) ' B(y, t) = " . (Ware namlich z % B(x, t) ' B(y, t) , soergabe sich mit der Dreiecksungleichung fur die Hamming–Metrik:

d(x, y) ) d(x, z) + d(z, y) ) t + t = 2t

ein Widerspruch zur Voraussetzung d(C) = 2t + 1 .)Also bilden die Kugeln um die Codeworter mit Radius t eine disjunkte Familie in Fq

n . Jede

solcher Kugeln enthalt nach Hilfssatz 81.10 exaktt"

!=0

+n!

,(q,1)! Elemente; ferner ist |Fq

n| = qn .

!

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§ 82. LINEARE CODES 409

81.12 Bemerkungen

a) Speziell fur q = 2 ergibt sich:

M ·t#

!=0

-n

&

.

) 2n

fur einen (n, M, 2t+1)-Code.

b) Aus Satz 81.11 erhalten wir Abschatzungen fur Aq(n, d) nach oben. Ist zum Beispiel C einbinarer (5, M, 3)-Code, so liefert Teil a):

M · [1 + 5] ) 25 = 32 ! A2(5, 3) ) 5 .

81.13 Definition

Existiert ein q-narer (n, M, 2t+1)-Code C mit

M ·t#

!=0

-n

&

.

(q , 1)! = qn ,

so heißt C ein perfekter Code.

§ 82 Lineare Codes

Von nun an sei q := pm mit einer Primzahl p und mit m % IN!. Dann konnen wir Fqn := GF(q)n

zu einem Vektorraum uber GF(q) machen, indem wir komponentenweise addieren bzw. mitSkalaren multiplizieren. Wir bezeichnen diesen Vektorraum kurz mit V (n, q) .

82.1 Definition

Ein linearer Code C uber GF(q) ist ein Untervektorraum C von V (n, q) , wobei n % IN! sei.Ist C ein k-dimensionaler Untervektorraum von V (n, q) , so sprechen wir von einem (q-naren)[n, k, d]-Code der Lange n mit Minimalabstand d = d(C) .Wir definieren als Gewichtsfunktion die Abbildung103

w : V (n, q) $ IN durch w(x) := |i % 1, 2, . . . , n | xi #= 0| .

82.2 Bemerkung

Fur alle x, y % V (n, q) gilt: d(x, y) = w(x, y) .

82.3 Satz

Ist C ein linearer Code, so gilt: d(C) = w(C) , wobei w(C) := min w(x) | x % C \ 0 sei.103Engl. weight = Gewicht

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410 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

Beweis zu Satz 82.3:

Seien x, y % C mit d(x, y) = d(C) . Dann gilt wegen x, y % C : d(C) = w(x, y) + w(C) .Andererseits gilt fur ein x % C \ 0 mit w(C) = w(x) :

w(C) = w(x, 0) = d(x,0) + d(C) . !

82.4 Definition

Es sei C ein q-narer [n, k, d]-Code; jede (k 3 n)-Matrix mit Eintragen aus GF(q) , deren Zeilen-vektoren eine Basis von C % VRGF(q) bilden, heißt eine erzeugende Matrix von C.Zwei lineare [n, k, d]-Codes heißen aquivalent, wenn sie durch eine endliche Anzahl von Opera-tionen folgenden Typs ineinander ubergefuhrt werden konnen:

(A) Permutation von Komponenten der Codeworter.

(B) Multiplikation der i-ten Komponente aller Codeworter mit einem Skalar $ % GF(q)\0 .

Mit Hilfsmitteln aus der Linearen Algebra folgt (siehe auch §8):

82.5 Satz

Zwei (k3n)-Matrizen erzeugen aquivalente [n, k, d]-Codes uber GF(q) , wenn die beiden Matri-zen durch elementare Zeilenumformungen (d. h. Zeilenvertauschung, Multiplikation einer Zeilemit einem von Null verschiedenen Skalar, Addition eines skalaren Vielfachen einer Zeile zu ei-ner anderen Zeile) und elementare Spaltenumformungen (Spaltenvertauschung, Multiplikationeiner Spalte mit einem von Null verschiedenen Skalar, aber keine Spaltenaddition) auseinanderhervorgehen.

82.6 Satz

Ist G erzeugende Matrix fur einen linearen [n, k, d]-Code, so kann G durch die in Satz 82.5aufgefuhrten elementaren Zeilenumformungen auf die sogenannte Standardform

2

34

1 01A. . .

0 1

5

67 =: [ Ek | A ]

mit einer Matrix A % Mat(k , n,k ; ZZq) transformiert werden.

82.7 Beispiel

Die Menge C2 = 000, 110, 011, 101 ist ein binarer (3, 4, 2)-Code. Er ist linear mit dimZZ2 C2 = 2.Also ist C2 ein [3, 2, 2]-Code; als Basis konnen wir z. B. 011, 101 wahlen. Eine erzeugende

Matrix ist dann G =-

0 1 11 0 1

.

. Durch eine Spalten- bzw. Zeilenvertauschung erhalten wir

die Standardform:-

1 0 10 1 1

.

.

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§ 82. LINEARE CODES 411

Sei nun C ein [n, k, d]-Code uber GF(q) mit erzeugender Matrix G . Sind z1, z2, . . . , zk die Zeilenvon G , so gilt fur jedes Codewort x % C :

x =k#

i=1

ui zi mit ui % GF(q) .

Jedem x % C ordnen wir so eindeutig ein u = u1u2 · · ·uk % V (k, q) zu. Es gilt also: x = u ·G .Wir nennen die Abbildung f : V (k, q) $ C mit f(u) = u · G die Codierungsfunktion oderkurz: den Codierer.Wir stellen uns vor:Eine Nachrichtenquelle gibt den Nachrichtenvektor u = u1u2 · · ·uk vor; der Codierer liefert dasCodewort x = u ·G . Es wird x % C ubermittelt. Der Empfanger erhalt den Vektor y % V (n, q)mit dem Fehler e := y , x und muß nun entscheiden, welches Codewort tatsachlich gesendetwurde.Bezeichnen wir mit D·, ·E das Skalarprodukt auf dem GF(q)–Vektorraum V (n, q) , d. h.:

Du, vE :=n#

i=1

ui vi

fur u = u1u2 · · ·un und v = v1v2 · · · vn aus V (n, q) , so sei fur einen jeden linearen Code Cder duale Code C+ & V (n, q) definiert durch

C+ := v % V (n, q) | Dv, uE = 0 fur alle u % C .

Ist C ein [n, k]-Code uber GF(q) , d. h. ein [n, k, d]-Code C mit irgendeinem Minimalabstandd % IN , so ist C+ ebenfalls ein linearer Code, und zwar ein [n, n,k]-Code.

82.8 Definition

Eine Paritatsprufungsmatrix 104 H eines [n, k]-Codes C ist eine erzeugende Matrix des dualenCodes C+ .

Ist C ein [n, k, d]-Code mit erzeugender Matrix G % Mat(k, n; GF(q)) und Paritatsprufungsma-trix H % Mat(n , k , n ; GF(q)) , so bilden die Zeilen h1, h2, . . . , hn#k von H stets eine Basisvon C+ , d. h.:

Dz-, h"E = z- · h"t = 0 ; 1$&$k

1$'$n"k"! G · Ht = 0 .

Wegen (C+)+ = C erhalten wir:

C = x % V (n, q) | Dx, vE = x · vt = 0 ;v&C'

= x % V (n, q) | x · Ht = 0 .

Also ist jeder lineare Code eindeutig bestimmt durch eine Paritatsprufungsmatrix. Ist zum Bei-

spiel H =-

1 1 0 00 0 1 1

.

, so lautet der zugehorige Code C fur q = 2 :

C = x1x2x3x4 % V (4, 2) | x1 +x2 = 0 . x3 +x4 = 0 , d. h. C = 0000, 1100, 0011, 1111 .

104Manchmal nennt man H auch einfach Kontrollmatrix zu C.

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412 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

82.9 Definition

Eine Paritatsprufungsmatrix H % Mat(n, k , n ; GF(q)) besitzt die Standardform, wenn

H = [ B | En#k ]

ist mit B % Mat(n,k , k ; GF(q)) .

82.10 Satz

Liegt eine erzeugende Matrix G des [n, k, d]-Codes C in Standardform vor, so ist

H = [ ,At | En#k ]

eine Paritatsprufungsmatrix fur C , falls G = [ Ek | A ] gilt.

Beweis:

Es genugt zu zeigen, daß jede Zeile von H zu jeder Zeile von G orthogonal ist. Nun gilt:

Dzi, hjE = D(0, 0, . . . , 0,

i-te

71, 0, 0, . . . ,

k-te Komponente

70, ai1, ai2, . . . , ai,n#k) ,

(,a1j ,,a2j , . . . ,,akj , 0, 0, . . . , 0, 1F

(k + j)-te Stelle

, 0, 0, . . . , 0)E

= ,aij + aij

= 0 .

!

82.11 Satz

Sei C ein linearer [n, k]-Code uber GF(q) mit Paritatsprufungsmatrix H . Es gilt genau dann:d = d(C) , wenn jeweils d , 1 Spalten von H linear unabhangig sind, aber d linear abhangigeSpalten von H existieren.

Beweis:

Nach Satz 82.3 ist d(C) = w(C) = min w(x) | x % C \ 0 ; und nach unserer Voruberlegungist x = x1x2 · · ·xn % V (n, q) genau dann ein gultiges Codewort aus C , wenn

x · Ht = x1 · s1 + x2 · s2 + . . . + xn · sn = 0

gilt, wobei s1, s2, . . . , sn die Spalten von H seien.

”!“: Ist d = d(C) und x % C \0 mit d = w(x) , so existieren d linear abhangige Spalten vonH . Denn: Angenommen, es gabe d, 1 linear abhangige Spalten von H ; dann existiertenIndizes i1, i2, . . . , id#1 % 1, 2, . . . , n und Skalare xi1 , xi2 , . . . , xid"1 % GF(q) mit

(xi1 , xi2 , . . . , xid"1) #= (0, 0, . . . , 0) sowie xi1 si1 + xi2 si2 + . . . + xid"1 sid"1 = 0 .

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§ 82. LINEARE CODES 413

Damit ware

x = (0, 0, . . . , 0,

i1-te

7xi1 , 0, 0, . . . , 0,

i2-te Stelle

7xi2 , 0, 0, . . . , xid"1 , 0, 0, . . . , 0) % C

wegen x · Ht = 0 und w(x) = d, 1 im Widerspruch zu d = d(C) = w(C) .

”"“: entsprechend. "

!

82.12 Definition

Sei H eine Paritatsprufungsmatrix eines [n, k]-Codes. Dann heißt fur jedes Wort y % V (n, q)der Zeilenvektor

S(y) := y · Ht

das Syndrom105 von y.

82.13 Bemerkung

Fur y1, y2 % V (n, q) sind aquivalent:

(a) S(y1) = S(y2) .

(b) y1 + C = y2 + C , d. h. y1 und y2 liegen in derselben Aquivalenzklasse von V (n, q)/C .

Beweis:

S(y1) = S(y2) "! (y1 , y2) · Ht = 0 "! y1 , y2 % C "! y1 + C = y2 + C .

!

Wir beschreiben nun den Decodierungsvorgang nach der Ubermittlung unter Benutzung einesq-naren [n, k, d]-Codes C zunachst ohne und danach mit Verwendung von S .Dazu betrachten wir die paarweise verschiedenen Aquivalenzklassen

0 + C , a1 + C , a2 + C , a3 + C , . . . , as + C aus V (n, q)/C

mit s := qn#k , 1 und bilden den sogenannten Standard–Array , d. h. eine (qn#k 3 qk)-Matrix,in der alle Elemente aus V (n, q) eingetragen werden, und zwar auf folgende Art und Weise:

1. Schritt: Schreibe in der ersten Zeile alle Codeworter von C auf, beginnend mit 0 = a0 .

2. Schritt: Wahle a1 % V (n, q) \ C mit minimalem Gewicht w(a1) , und schreibe in diezweite Zeile alle Elemente von a1 + C , beginnend mit a1 .

3. Schritt: Wahle a2 % V (n, q) \ (C * (a1 + C)) mit minimalem w(a2) , und schreibe indie dritte Zeile alle Elemente von a2 + C , beginnend mit a2 .

(s+1)-ter Schritt: Fahre so fort, bis alle Elemente von V (n, q) aufgelistet sind.105Analog zur Medizin, wo das Syndrom als Menge charakteristischer Symptome ein Krankheitsbild beschreibt,

wird hier dieser Begri! zur”Diagnose“ eines Ubertragungsfehlers e = y ! x verwendet.

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414 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

Beispiel: Fur den [4, 2, 2]-Code C = 0000, 1100, 0011, 1111 erhalt man als Standard–Array:

0000 1100 0011 11111000 0100 1011 01110010 1110 0001 11010110 1010 0101 1001

Wird nun ein y % V (n, q) empfangen, so finden wir y in der (j + 1)-ten Zeile des Standard–Arrays von C , d. h.: y % aj + C mit j % 0, 1, 2, . . . , s . Wir decodieren ydurch

x" = y , aj % C ;

dann ist namlich d(y, x") = w(y , x") = w(aj) . Also wird nach dem Prinzip des nachstenNachbarn decodiert.

Benutzen wir jetzt das Syndrom S , so gilt nach Bemerkung 82.13 in jeder Zeile des Standard–Arrays:

S(aj) = S(aj + u) ;u&C .

Wird ein y % V (n, q) empfangen, so existiert ein Index j % 0, 1, 2, . . . , s mit

S(y) = S(aj) .

Dann wahle man wie oben als Decodierung von y das Codewort x" = y , aj .Fur diese Syndrom–Decodierung benotigen wir also nur zwei Spalten, anstatt den gesamtenStandard–Array aufzustellen:

00 · · · 0 00 · · · 0a1 S(a1)a2 S(a2)...

...as S(as)

82.14 Beispiel

Wir betrachten fur q = 2 den [4, 2]-Code C mit C = 0000, 1011, 0101, 1110 ;

dann ist G =-

1 0 1 10 1 0 1

.

eine erzeugende Matrix von C und H =-

1 0 1 01 1 0 1

.

eine

Paritatsprufungsmatrix von C jeweils in Standardform.Wir erhalten: a1 = 1000 , a2 = 0100 , a3 = 0010 und wegen S(ai) = ai · Ht : S(a1) = 11 ,S(a2) = 01 , S(a3) = 10 . Also ist etwa im Rechner bloß abzuspeichern:

0000 001000 110100 010010 10

Wird dann y = 1111 empfangen, so berechnen wir S(y) = 01 und wahlen als Decodierungvon y : x" = y , 0100 = 1011 .

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§ 83. CODES UND LATEINISCHE QUADRATE 415

§ 83 Codes und lateinische Quadrate

Zum Ziel haben wir eine Verbesserung bzw. eine konkrete Berechnung von Aq(n, d) fur einbeliebiges Alphabet Fq := ZZq mit q % IN! \ 1 .Nach Satz 81.11 gilt zum Beispiel fur n = 4 und d = 3 :

Aq(4, 3) ) q4

4q , 3.

Fur q + 4 erhalten wir folgende Verscharfung:

83.1 Satz

Fur alle q % IN! gilt: Aq(4, 3) ) q2 .

Beweis:

Sei C ein q-narer (4, M, 3)-Code. Sind x = x1x2x3x4 und y = y1y2y3y4 aus C mit x #= y , sofolgt: (x1, x2) #= (y1, y2) wegen d(C) = 3 . Damit gilt fur

A := (x1, x2) | x1x2x3x4 % C & Fq2

die Abschatzung: |A| = M ) q2 . !

Existiert nun ein q-narer (4, q2, 3)-Code?Der Beweis zu Satz 83.1 liefert, daß ein solcher Code von der Form

(i, j, aij , bij) | (i, j) % Fq2 . aij , bij % Fq

sein muß.

83.2 Satz

Es existiert genau dann ein q-narer (4, q2, 3)-Code, wenn es zwei orthogonale lateinische Quadrateder Ordnung q gibt.

Beweis:

Wir zeigen, daßC := (i, j, aij , bij) | (i, j) % Fq

2 . aij , bij % Fq

genau dann einen q-naren (4, q2, 3)-Code bildet, wenn A = (aij) und B = (bij) ein Paarorthogonaler lateinischer Quadrate der Ordnung q ist.Es gilt: d(C) = 3 genau dann, wenn die Menge aller Paare von zwei Komponenten der Code-worter aus exakt M = q2 Elementen besteht. Und A ist genau dann ein lateinisches Quadrat,wenn die q2 2-Tupel (i, aij)(i,j)&Fq

2 bzw. (j, aij)(i,j)&Fq2 paarweise verschieden sind. Entsprechend

ist B genau dann ein lateinisches Quadrat, wenn (i, bij) bzw. (j, bij) paarweise verschieden sind.A und B sind nur dann orthogonal, wenn die q2 Paare (aij , bij)(i,j)&Fq

2 jeweils verschieden sind.!

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416 KAPITEL XIX. ELEMENTE DER CODIERUNGSTHEORIE

83.3 Folgerung

Ist q = pm eine Primzahlpotenz mit q #= 2 , so existiert ein q-narer (4, q2, 3)-Code.

Beweis: siehe Satz 83.2 und Satz 68.8. " !

83.4 Bemerkung

Benutzen wir die Ergebnisse von L. Euler bzw. aus [6] (vgl. §68, Seite 357), so gilt fur alle q #= 2und q #= 6 :

Aq(4, 3) = q2 .

Fur q = 2 erhalt man dagegen: A2(4, 3) = 2 , und fur q = 6 ergibt sich: A6(4, 3) = 34 .

Durch Ubertragung des Beweises zu Satz 83.1 erhalten wir:

83.5 Satz

Fur alle q % IN! gilt: Aq(n, d) ) qn#d+1 .

Durch Verallgemeinerung von Satz 83.2 folgt weiter:

83.6 Satz

Es existiert genau dann ein q-narer (n, q2, n,1)-Code, wenn es n , 2 paarweise verschiedeneorthogonale lateinische Quadrate der Ordnung q gibt.

83.7 Folgerungen

a) Es gilt: Aq(3, 2) = q2 fur alle q % IN! .

b) Ist q = pm mit Primzahl p und m % IN! sowie n ) q + 1 , so gilt: Aq(n, n,1) = q2 .

Beweis:

zu a): Satz 83.6 mit n = 3 und Satz 68.4 liefern die Existenz eines (3, q2, 2)-Codes C . UndSatz 83.5 zeigt, daß C bereits optimal ist.

zu b): Satz 83.6 und Satz 68.8 liefern die Existenz eines (n, q2, n,1)-Codes C fur allen , 2 ) q , 1 "! n ) q + 1 . Dann zeigt Satz 83.5 wieder, daß C schon optimalist.

!

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§ 83. CODES UND LATEINISCHE QUADRATE 417

83.8 Bemerkung

Welche Werte bzw. Abschatzungen gibt es nun fur die Große A2(n, d) binarer Codes bei bestimm-ten Parametern n und d ? — Siehe hierzu folgende Tabelle aus [15] unter Berucksichtigung vonFolgerung 81.9:

n d = 3 d = 53 2 — Satz 81.74 2 — Bemerkung 83.45 4 2 Satz 81.76 8 27 16 28 20 49 40 610 72 – 79 1211 144 – 158 2412 256 3213 512 6414 1 024 12815 2 048 25616 2 560 – 3 276 256 – 340

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Kapitel XX

Elemente der Graphentheorie

§ 84 Grundlegende Begriffe

84.1 Definition

Ein geordnetes Paar G := (V,E) heißt ein (endlicher, schlichter106, ungerichteter107) Graph,wenn V #= " eine endliche Menge und E eine Teilmenge ist von

P2(V ) := v, v" | v, v" % V mit v #= v" .108

Dabei ist V die Eckenmenge109 von G, ein Element von V heißt eine Ecke (oder ein Knoten)von G. Analog heißt E die Kantenmenge110 von G, und jedes Element e = v, v" % E nenntman eine Kante (oder Seite) von G.Man sagt, daß eine Kante e = v, v" die Ecken v und v" miteinander verbindet und daß v undv" in G benachbart sind.Ist E = P2(V ) , so heißt der Graph vollstandig und wird mit Kn bezeichnet, wobei n = |V |ist.

84.2 Beispiel

Es sei V = a, b, c, d und E = a, b, b, c, b, d, c, d, a, d . Dann ist G = (V,E) einGraph, den man sich folgendermaßen vorstellen kann:

! !!!

d

c

ba

..................................................................................................

..................................................................................................

.............................................................................................................................................................................................

..................................................................................................

............................................................................................................................................................................................................................................................................................

..............................................................................................................................................................................................

106Unter schlicht verstehen wir, daß nur einfache Kanten existieren, d. h. es gibt maximal nur eine Kante voneiner Ecke zur anderen.

107Und ungerichtet bedeutet, daß wir keine Richtung festlegen, in der eine Kante verlauft.108Da v und v# paarweise verschieden sind, treten keine

”Schlingen“ auf, also Kanten, die von einer Ecke direkt

wieder zu derselben Ecke zurucklaufen.109Engl. vertex (Plural: vertices) = Scheitelpunkt; Ecke, Knoten110Engl. edge = Rand, Kante, Grenze; Seite

418

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§ 84. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE 419

Der vollstandige Graph K4 laßt sich durch Erganzung von G mit a, c ”kreuzungsfrei“ darstellenetwa in der Form:

!

!

!!

a

b

c

d

...................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..............................

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.......

84.3 Definition

Zwei Graphen G = (V,E) und G" = (V ", E") heißen isomorph, wenn es eine bijektive Abbildung$ : V $ V " derart gibt, daß je zwei Ecken v1, v2 % V genau dann in G benachbart sind, wenn$(v1), $(v2) % V " in G" benachbart sind.

Fur eine Ecke v % V heißt die Anzahl derjenigen Kanten von G , die v enthalten, also

deg(v, G) := |e % E | v % e| ,

der Eckengrad111 von v in G. Eine Ecke v in G heißt gerade bzw. ungerade, wenn deg(v, G) % INgerade bzw. ungerade ist.

84.4 Satz

Ist G = (V,E) ein Graph, dann gilt stets:#

v&V

deg(v, G) = 2 · |E| .

Beweis:

Sei S := (v, e) % V 3 E | v % e ; dann lautet die Zeilensummezv(S) = |e % E | (v, e) % S| = deg(v, G) ,

und die Spaltensumme ist se(S) = |v % V | (v, e) % S| = 2 . Also liefert Satz 51.4 (ausAlgebra I):

|S| =#

v&V

zv(S) =#

v&V

deg(v, G) =#

e&E

se(S) = 2 · |E| .

!

84.5 Folgerung

Ist Vg := v % V | v gerade und Vu := v % V | v ungerade , so gilt:#

v&Vu

deg(v, G) % 2 IN .

111Engl. degree = Grad

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420 KAPITEL XX. ELEMENTE DER GRAPHENTHEORIE

Beweis zu Folgerung 84.5:

Es gilt:#

v&V

deg(v, G) =#

v&Vg

deg(v, G) +#

v&Vu

deg(v, G) % 2 IN und#

v&Vg

deg(v, G) % 2 IN .

!

84.6 Beispiele

Ist G = Kn , so gilt: |E| =-

n

2

.

und deg(v, G) = n, 1 fur jedes v % Kn :

!!...........................................................................................................

n = 2! !

!.........................................................................................................................................................

........................................................................................................................................................................................................................................................

n = 3! !

!!

...............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

....................................................................................................................................................................

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........

........

......

n = 4! !!!

!.........................................................................................................................................................

..........................................................................................................................................................................................................................................................................

....................................

......................................................................................................................

........................

........................

........................

......................................................................................................................

........

........

........

........

.........

........

........

........

.......

n = 5

........................

..................................................................................

Ist G der sogenannte GEW–Graph:

! ! !! ! !...........................................................................................................................................................................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

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G E W

A1 A2 A3

Versorger:

Verbraucher:

GaswerkElektrizitatswerkWasserwerk

Hauser

so heißt dieser Graph auch K3,3–Graph.

84.7 Definition

Ein Graph G = (V,E) heißt r-regular, wenn fur alle v % V gilt: deg(v, G) = r .(Wegen r · |V | = 2 · |E| muß fur einen regularen Graphen mit ungeradem r stets |V | % 2 INsein.)Ein Kantenweg in einem Graphen ist eine endliche Folge von Ecken v1, v2, . . . , vk derart, daßvi und vi+1 fur alle 1 ) i ) k , 1 benachbart sind. Ist v1 = vk , so heißt der Kantenweggeschlossen. Sind die Ecken eines Kantenweges paarweise verschieden, so sprechen wir von einemWeg. Ein geschlossener Kantenweg v1, v2, . . . , vk heißt ein geschlossener Weg, wenn alle Eckenv1, v2, . . . , vk paarweise verschieden sind.Ein Kantenweg v1, v2, . . . , vk , in dem jede Kante von G genau einmal (als vi, vi+1 ) auftritt,heißt Euler’sche Linie.Ein Graph G heißt zusammenhangend, wenn zwischen jeweils zwei Ecken x, y % V ein Wegx = v1, v2, . . . , vk = y existiert.Ein Graph T = (V,E) heißt ein Baum112, wenn folgende Eigenschaften erfullt sind:

(T1) T ist zusammenhangend.(T2) Es gibt keinen geschlossenen Weg in T .

112Engl. tree = Baum

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§ 84. GRUNDLEGENDE BEGRIFFE 421

Beispiel fur einen Baum:

!!!

! !! !

! !

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................................................................................................................................................

..................................................................................................................................................................................... ................................................................................

84.8 Satz

Ist T = (V,E) ein Baum mit |V | + 2 , so gilt auch:

(T3) Fur alle x, y % V gibt es genau einen Weg in T von x nach y .(T4) Entsteht T " aus T durch Wegnahme einer Kante, so gilt:

T " = T1 * T2 := (V1 * V2 , E1 * E2)

mit zwei Baumen Ti = (Vi, Ei) .(T5) Es ist |E| = |V |, 1 .

Beweis:

zu (T3): Da T zusammenhangend ist, existiert ein Weg x = v1, v2, . . . , vk = y von x nach y .Angenommen, es gabe noch einen anderen Weg x = u1, u2, . . . , ul = y von x nachy . Sei i % IN! die kleinste Zahl mit ui+1 #= vi+1 . Wegen vk = ul existiert einekleinste Zahl j > i derart, daß vj = u" fur irgendein 1 % 1, 2, . . . , l gilt. Dann istvi, vi+1, . . . , vj , u"#1, u"#2, . . . , ui+1, vi ein geschlossener Weg in T im Widerspruch zu(T2).

zu (T4): Sei u, v eine Kante in T ; wir bilden T " = (V,E") mit E" := E \ u, v . Sei nun

V1 := x % V | es existiert in T ein Weg von x nach v , der durch u geht .

Ist x % V1 und x = x1, x2, . . . , xs, u, xs+2, . . . , v , so muß bereits xs+2 = v sein, dasonst ein geschlossener Weg in T , namlich u, xs+2, . . . , u existierte. Also gibt es zujedem x % V1 einen Weg in T " nach u . Damit ist T1 = (V1, E1) zusammenhangend.Sei V2 := V \ V1 ; ist x % V2 , so existiert kein Weg in T von x nach y , der durch ugeht. Damit gibt es zu jedem x % V2 einen Weg in T " zu v . Also ist T2 = (V2, E2)zusammenhangend. In T1 und T2 gibt es keine geschlossenen Wege, da solche auchnicht in T existieren.

zu (T5): Beweis durch vollstandige Induktion nach |V | :|V | = 2 ist klar. "Ist T ein Baum mit |V | = n + 1 , so betrachten wir T1 und T2 gemaß (T4), die durchWegnahme der Kante u, v aus T entstehen. Die Induktionsvoraussetzung liefertdann: |Ei| = |Vi|, 1 , also:

|E| = |E"|+ 1 = (|E1|+ |E2|) + 1 = |V1|, 1 + |V2|, 1 + 1 = |V1|+ |V2|, 1 = |V |, 1 .

!

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422 KAPITEL XX. ELEMENTE DER GRAPHENTHEORIE

§ 85 Klassische Fragen der Graphentheorie

a) Das Konigsberger Bruckenproblem

A, B,C, D seien (im geographischen Sinne) die Stadtteile von Konigsberg (Kaliningrad), diedurch insgesamt sieben Brucken uber den Fluß miteinander verbunden sind:

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............... ...............

............... ...............

Pregel

A

B

C

D

Existiert nun ein Weg durch alle Stadtteile, wobei jede Brucke nur genau einmal betreten wird?Gibt es sogar einen Rundweg mit der gleichen Bedingung?

Verbinden wir A, B,C, D gemaß dem ”Bruckenplan“, so entsteht folgender nicht–schlichterGraph:

!!

!!......................................................................................................................................

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..........................................

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........................................................................................

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..................................................................................................................................

....A

B

C

D

Um daraus einen schlichten Graphen zu erhalten, unterteilen wir die Stadtteile A, B,C in jeweilszwei Bezirke:

! !! !! !

!................................................................................................................................................................................................

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.....A1 A2

B1B2

C1 C2

D

Das Konigsberger Bruckenproblem ist gelost, wenn die Frage nach der Existenz einer (geschlos-senen) Euler’schen Linie im obigen Graphen positiv entschieden ist.

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§ 85. KLASSISCHE FRAGEN DER GRAPHENTHEORIE b) 423

85.1 Satz

Sei G = (V,E) ein zusammenhangender Graph.

a) G besitzt genau dann eine geschlossene Euler’sche Linie, wenn deg(v, G) fur jedes v % Vgerade ist.

b) Besitzt G genau zwei Ecken mit ungeradem Eckengrad, so besitzt G eine Euler’sche Linie,deren Anfangs- und Endpunkt diese beiden Ecken sind, und umgekehrt.

Beweis:

zu a):

”!“: Sei v1, v2, . . . , vk, vk+1 eine geschlossene Euler’sche Linie in G ; ist v % V beliebigund e % E mit v % e , so existiert genau ein Index i % 1, 2, . . . , k mite = vi, vi+1. Also ist v = vi oder v = vi+1 ; im ersten Fall ist auch v % vi#1, vi(mit v0 = vk ), im zweiten Fall ist auch v % vi+1, vi+2 (mit vk+2 = v2 ).

”"“: durch vollstandige Induktion. "zu b):

”!“: Sind u, v % V mit ungeraden deg(u, G) und deg(v, G) , dann erweitere man denGraphen G zu einem Graphen G" = (V,E") mit E" = E*u, v im Fall u, v /% Eoder zu G" = (V ", E") mit V " = V *w (w /% V ) und E" = E*u, w*v, wim Falle u, v % E . So entsteht ein Graph G" , der ebenfalls zusammenhangendist und in dem alle Ecken gerade sind. Nach Teil a) existiert eine geschlosseneEuler’sche Linie in G" . Entfernt man dann die hinzugefugten Kanten, so erhaltman in G eine Euler’sche Linie mit u und v als Anfangs- bzw. Endpunkt.

”"“: ist klar. "!

85.2 Folgerung

Das Konigsberger Bruckenproblem ist nicht losbar.

b) Plattbare Graphen

Wir untersuchen eine Darstellung von Graphen auf Mannigfaltigkeiten.

85.3 Definition

Gegeben sei ein topologischer Raum X; ein Graph G = (V,E) heißt ein topologischer Graph oderein Graph auf X, wenn V eine Teilmenge von X ist und zu jeder Kante e = v, w eine ho-moomorphe Abbildung +e : [ 0 ; 1 ] $ X mit +e(0) = v und +e(1) = w derart existiert, daßder Durchschnitt je zweier verschiedener ”Kanten“ +e([ 0 ; 1 ]) und +e#([ 0 ; 1 ]) stets entweder leeroder gleich einer gemeinsamen Ecke der Kanten e = v, w und e" = v", w" ist.

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424 KAPITEL XX. ELEMENTE DER GRAPHENTHEORIE

(Ein Graph G heißt eine Darstellung eines Graphen G", wenn G und G" isomorph sind und Gein topologischer Graph ist.)

Ein Graph G auf der euklidischen Ebene IE2 heißt ein ebener Graph. Ein Graph heißt plattbar,wenn er zu einem ebenen Graphen isomorph ist.

Ein zusammenhangender ebener Graph G zerlegt IE2 (nach dem Jordan’schen Kurvensatz) inendlich viele Gebiete, wovon ein Gebiet nicht beschrankt ist. Diese Gebiete heißen Gebiete oderLander von G.Ein ebener Graph G = (V,E) heißt ein ebener Streckengraph, wenn die ”Kanten“ +e([ 0 ; 1 ])fur alle e % E Strecken in IE2 sind. Ein ebener Streckengraph G heißt ein Dreiecksgraph, wennjedes Gebiet von G durch ein Dreieck berandet ist.Mit $0 , $1 und $2 bezeichnen wir |V | , |E| und die Anzahl der Gebiete eines zusammenhangen-den ebenen Graphen, wobei bei $2 das nicht–beschrankte Gebiet mitgezahlt wird.

85.4 Satz (Euler’scher Polyedersatz fur die Ebene)

Ist D ein zusammenhangender ebener Graph, so gilt stets: $0 , $1 + $2 = 2 .

85.5 Beispiele

! !!

!!!

!!

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8 Ecken, 12 Kanten+ 6 Gebiete= 2

Weitere Beispiele fur D :

! !!

!!

!!

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$0 $1 $2

G 7 8 36 6 2 $

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!! !.......................................................................................................................................................................................

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85.6 Satz

Die Graphen K5 und K3,3 sind nicht plattbar.

85.7 Satz

Ein Graph ist genau dann plattbar, wenn er weder eine Unterteilung von K5 noch eine Unter-teilung von K3,3 enthalt.

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§ 85. KLASSISCHE FRAGEN DER GRAPHENTHEORIE b) 425

85.8 Definition

Konvexe Polyeder im IR3 , die kongruente regelmaßige Vielecke als Seitenflachen haben, heißenPlatonische113 Korper.

85.9 Bemerkung

Es gibt genau funf Platonische Korper, namlich das Tetraeder, das Hexaeder (Wurfel), dasOktaeder, das Dodekaeder und das Ikosaeder (benannt nach den griechischen Namen fur dieAnzahl der Seitenflachen):

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Tetraeder: 4 gleich-seitige Dreiecke

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Hexaeder: 6 Quadrate

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Oktaeder: 8 gleich-seitige Dreiecke

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Dodekaeder: 12 regel-maßige Funfecke

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Ikosaeder: 20 gleich-seitige Dreiecke

Fassen wir die Ecken und Kanten eines Platonischen Korpers als Graph im IR3 auf, so ergibtsich der zugehorige Graph des Platonischen Korpers.

85.10 Satz

Die Graphen der Platonischen Korper sind plattbar.113Plato, altgriechischer Philosoph und Mathematiker ("27.05.429 v. Chr., †ca. 348 v. Chr.)

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426 KAPITEL XX. ELEMENTE DER GRAPHENTHEORIE

Zum Beispiel sehen die Plattungen von Tetraeder und Wurfel etwa so aus:

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c) Farbung von Graphen. Das Vier–Farben–Problem

85.11 Definition

a) Ist G = (V,E) ein Graph und c : V $ IN eine Funktion mit c(x) #= c(y) fur x, y % E ,so heißt c eine Ecken–Farbung von G. Ist |c(V )| = k , so sagt man, daß c genau k Farben114

zur Ecken–Farbung von G benutzt. Die kleinste Zahl k % IN! , mit der eine Ecken–Farbungdurchgefuhrt werden kann, heißt die chromatische Zahl 2(G) von G.Durch eine Ecken–Farbung von G mit k Farben erhalten wir eine disjunkte Unterteilungvon V , d. h.

V = V1 * V2 * . . . * Vk ,

wobei keine Seite von E zwei Ecken aus einer Menge Vi verbindet.

b) Eine Seiten– (oder Kanten–)Farbung eines Graphen G = (V,E) ist eine disjunkte Zerle-gung von E , d. h.

E = E1 * E2 * . . . * El ,

wobei die Seiten aus einer Menge Ej keine gemeinsame Ecken haben.

c) Ist G = (V,E) ein zusammenhangender Graph und G die Familie der Gebiete von G , soheißt eine disjunkte Zerlegung von G in

G = F1 * F2 * . . . * Fm ,

wobei die Gebiete aus einer Familie Fµ nicht benachbart sind, also keine gemeinsame Seitehaben, eine Landkarten–Farbung von G.

85.12 Bemerkung

Zu jeder Landkarte auf dem Globus bzw. in der Zeichenebene mit endlich vielen Landern laßtsich stets ein (zusammenhangender) ebener Graph derart angeben, daß die Gebiete des Graphendie Lander der Landkarte sind.

Zu jedem zusammenhangenden ebenen Graphen G = (V,E) existiert ein dualer Graph G!, derfolgendermaßen konstruiert wird:

i) Man wahle in jedem Gebiet (Land) von G einen Punkt aus, etwa die Hauptstadt desentsprechenden Landes. Diese Punkte bilden dann die Ecken von G! .

114Engl. colour = Farbe

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§ 85. KLASSISCHE FRAGEN DER GRAPHENTHEORIE c) 427

ii) Zwei Ecken aus G! werden durch eine Kante verbunden, wenn die beiden Lander, ausdenen die Ecken stammen, benachbart sind.

Jede Landkarten–Farbung von G induziert so eine Ecken–Farbung des dualen Graphen G! undumgekehrt.

85.13 Satz

Die Lander einer jeden Landkarte konnen mit hochstens vier Farben so gefarbt werden, daß jezwei benachbarte Lander verschieden gefarbt sind.

85.14 Bemerkung

Nach den Uberlegungen aus Bemerkung 85.12 ist das sogenannte Vier–Farben–Problem gelost,wenn gezeigt werden kann, daß die chromatische Zahl 2 eines ebenen zusammenhangendenGraphen G hochstens 4 betragt. Dies liefert die Behauptung von Satz 85.13, der lange alsVermutung galt. Heute wird aufgrund computergestutzter Ergebnisse der Satz als bewiesenangesehen.Daß die chromatische Zahl 2(G) im allgemeinen nicht kleiner als 4 sein kann, zeigt das folgendeletzte Beispiel:

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