PARODONTOLOGIE Einleitung Parodontitis ist eine durch Bakterien verursachte, ent- zündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates. Durch eine Entzündungsreaktion getriggert, kommt es zum Abbau zahntragender Strukturen. Exogene wie endo- gene Risikofaktoren, beispielsweise Rauchen und Dia- betes mellitus, beeinflussen die Ausprägung und den Schweregrad des Krankheitsbildes 2 . Die kausale The- rapie der Parodontitis besteht aus der mechanischen Zerstörung und nachfolgenden Reduktion der patho- genen Bakterien durch die Entfernung harter sowie weicher supra- und subgingivaler Beläge. Im Jahr 1962 wurde in einem Fallbericht über eine deutliche Besserung einer „akuten Gingivitis“ berich- tet, nachdem die Patientin wegen einer bakteriellen Tim Hacker, Benjamin Ehmke, Oliver Laugisch Tim Hacker ZA Benjamin Ehmke Prof. Dr. med. dent. Poliklinik für Parodontologie Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Universitätsklinikum Münster Albert-Schweitzer-Campus 1 48149 Münster E-Mail: [email protected]Oliver Laugisch Dr. med. dent. Poliklinik für Parodontologie Universitätsklinikum Münster und Klinik für Implantologie und prothetische Zahnmedizin ACTA, Amsterdam, Niederlande Quintessenz 2014;65(7):813–828 813 Adjuvante Antibiotikagabe in der Parodontitistherapie Aktuelle Literaturübersicht und Falldarstellung Indizes Parodontitis, parodontale Therapie, Antibiotikum, adjuvante Antibiotikatherapie, Amoxicillin, Metronidazol, Azithromycin Zusammenfassung Vor dem Hintergrund, dass der kariesbedingte Zahnverlust stetig abnimmt und gleichzeitig die Prävalenz von Parodontitiden ansteigt, stellt die Therapie der Parodontitis einen immer wichtiger werdenden Bestandteil im zahnärztlichen Behandlungskonzept dar. Grundlegend besteht diese in der mechanischen Zerstörung dentaler supra- und subgingivaler Biofilme. Einer pathophysiologischen Logik folgend könnte eine adjuvante systemische Antibiose das Behandlungsergebnis über die reine mechanische Therapie hinaus positiv beeinflussen. Zahlreiche Studien haben, neben anderen surrogaten Parametern, beispielsweise einen additiven positiven Effekt auf die Reduktion der Taschensondierungstiefen nach adjuvanter Antibiose gefunden. Weiterhin konnte eine Reduktion der parodontalpathogenen Keime bis zu 2 Jahre nach der Therapie nachge- wiesen werden. In der vorliegenden Übersicht sollen für den praktizierenden Zahnarzt aus heutiger Sicht die Möglichkeiten und Limitationen dieser adjuvanten Therapie zusammengefasst werden. Abschließend wird anhand eines Patientenfalls die Therapie einer lokalisierten aggressiven Parodontitis mit begleitender adjuvanter Antibiose vorgestellt.
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PARODONTOLOGIE
Einleitung
Parodontitis ist eine durch Bakterien verursachte, entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates. Durch eine Entzündungsreaktion getriggert, kommt es zum Abbau zahntragender Strukturen. Exogene wie end ogene Risikofaktoren, beispielsweise Rauchen und Diabetes mellitus, beeinflussen die Ausprägung und den Schweregrad des Krankheitsbildes2. Die kausale Therapie der Parodontitis besteht aus der mechanischen Zerstörung und nachfolgenden Reduktion der pathogenen Bakterien durch die Entfernung harter sowie weicher supra und subgingivaler Beläge.
Im Jahr 1962 wurde in einem Fallbericht über eine deutliche Besserung einer „akuten Gingivitis“ berichtet, nachdem die Patientin wegen einer bakteriellen
Tim Hacker, Benjamin Ehmke, Oliver Laugisch
Tim Hacker ZA
Benjamin Ehmke Prof. Dr. med. dent.Poliklinik für ParodontologieZentrum für Zahn-, Mund- und KieferheilkundeUniversitätsklinikum MünsterAlbert-Schweitzer-Campus 148149 MünsterE-Mail: [email protected]
Oliver Laugisch Dr. med. dent.Poliklinik für ParodontologieUniversitätsklinikum MünsterundKlinik für Implantologie und prothetische ZahnmedizinACTA, Amsterdam, Niederlande
Quintessenz 2014;65(7):813–828 813
Adjuvante Antibiotikagabe in der ParodontitistherapieAktuelle Literaturübersicht und Falldarstellung
ZusammenfassungVor dem Hintergrund, dass der kariesbedingte Zahnverlust stetig abnimmt und gleichzeitig die Prävalenz von Parodontitiden ansteigt, stellt die Therapie der Parodontitis einen immer wichtiger werdenden Bestandteil im zahnärztlichen Behandlungskonzept dar. Grundlegend besteht diese in der mechanischen Zerstörung dentaler supra- und subgingivaler Biofilme. Einer pathophysiologischen Logik folgend könnte eine adjuvante systemische Antibiose das Behandlungsergebnis über die reine mechanische Therapie hinaus positiv beeinflussen. Zahlreiche Studien haben, neben anderen surrogaten Parametern, beispielsweise einen additiven positiven Effekt auf die Reduktion der Taschensondierungstiefen nach adjuvanter Antibiose gefunden. Weiterhin konnte eine Reduktion der parodontalpathogenen Keime bis zu 2 Jahre nach der Therapie nachge-wiesen werden. In der vorliegenden Übersicht sollen für den praktizierenden Zahnarzt aus heutiger Sicht die Möglichkeiten und Limitationen dieser adjuvanten Therapie zusammengefasst werden. Abschließend wird anhand eines Patientenfalls die Therapie einer lokalisierten aggressiven Parodontitis mit begleitender adjuvanter Antibiose vorgestellt.
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PARODONTOLOGIEAdjuvante Antibiotikagabe in der Parodontitistherapie
givalen Biofilm nahezu 600 verschiedene Bakterienspezies nachgewiesen werden10.
In zwei systematischen Übersichtsarbeiten14,17 wurde gezeigt, dass die alleinige systemische Antibiotikatherapie ohne supra und subgingivales Debridement keinen signifikanten Effekt auf die Bakterienmenge und parodontale Ergebnisparameter hat. Bedingt durch die Biofilmstruktur erfolgt eine Exposition mit Antibiotika und Antiseptika nur in den äußeren Schichten des Biofilms in wirksamer Konzentration, während eine Penetration in die Tiefe strukturbedingt unwahrscheinlich ist. Zusätzlich sinkt die Konzentration der antimikrobiellen Substanzen aufgrund des Verbrauchs durch andere Bakterien als die Zielkeime. Dies kann zur Unterschreitung der minimalen Hemmkonzentration gegenüber den Zielkeimen führen. Hierdurch wird prinzipiell die Ausbildung von Antibiotikaresistenzen begünstigt.
Eine weitere Besonderheit in bakteriellen Biofilmen ist das Auftreten von Bakterien in stoffwechselinaktiven Zuständen. In diesen Zuständen sind Antibiotika meist wirkungslos, wohingegen die Bakterien die medikamentöse Therapie überdauern und nach Abschluss der Antibiotikagabe erneut wachsen22. Durch die mechanische Zerstörung des Biofilms wird die Empfänglichkeit von Bakterien gegenüber Antibiotika erhöht. In einer Studie von Haffajee et al.13 konnte gezeigt werden, dass sich durch die mechanische Therapie die Zusammensetzung des subgingivalen Biofilms verändert und eine zusätzliche Antibiotikagabe klassische parodontalpathogene Spezies in ihrer Anzahl bis 12 Monate nach der Therapie auf Werte unterhalb des Ausgangsniveaus reduziert.
Systemische Antibiotika in der Parodontologie (Wirkstoffe/ Substanzklassen)
Amoxicillin ist ein BetaLactamAntibiotikum mit breitem Wirkspektrum, vor allem gegen grampositive Bakterien. Bei der Therapie von Parodontitiden wird es in den meisten Fällen in Kombination mit Metronidazol verordnet, da die alleinige Wirkung gegen anaerobe
Vaginitis systemisch Metronidazol erhalten hatte35. In den darauffolgenden Jahren wurde die Wirksamkeit verschiedener antibiotischer Wirkstoffe bei der Parodontitistherapie untersucht16,27. So konnte u. a. gezeigt werden, dass nach adjuvanter Metronidazolgabe aufgrund klinischer und röntgenologischer Befunde die Notwendigkeit parodontalchirurgischer Eingriffe im Vergleich zur Situation vor mechanischer Therapie mit und ohne Antibiotikagabe abnimmt25 und dass sich bei Patienten mit aggressiver Parodontitis durch die Kombination von Amoxicillin mit Metronidazol eine Reduktion des parodontalen Pathogens Aggregatibacter actinomycetemcomitans erreichen ließ37. In einer Langzeituntersuchung wurde herausgestellt, dass die adjuvante Antibiotikatherapie mit Amoxicillin und Metronidazol bei Patienten mit chronischer Parodontitis in etwa 40 % der Fälle zu einer Zunahme des klinischen Attachments um 2 mm an initial erhöhten Taschensondierungstiefen ab 7 mm führte und dass Aggregatibacter actinomycetemcomitans über 18 bis 24 Monate signifikant reduziert werden konnte8.
Systematische Übersichtsarbeiten zur adjuvanten Antibiotikatherapie zeigen statistisch signifikant bessere Resultate bei der zusätzlichen Verabreichung von Antibiotika, was vor allem für Patienten mit stark erhöhten Taschensondierungstiefen ab 6 mm gilt. Anhand der Ergebnisse aktueller klinischer Studien und systematischer Übersichtsarbeiten soll dem praktizierenden Zahnarzt nachfolgend eine Übersicht zur adjuvanten systemischen Antibiotikatherapie in der Parodontalbehandlung gegeben werden.
Orale Biofilme
Bakterien der Mundhöhle bilden sowohl supra als auch subgingival Biofilme. Die Struktur oraler Biofilme erleichtert den Bakterien die Kolonisation der Zahnoberflächen und erschwert den therapeutischen Zugriff auf die Bakterien. Für Biofilme sind die Einbettung der Bakterien in eine extrazelluläre Polysaccharidmatrix sowie der Austausch von Stoffwechselprodukten und Genen charakteristisch. Durch moderne Nachweisverfahren wie die Pyrosequenzierung konnten im subgin
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resultate mit und ohne adjuvante Antibiotikabehandlung ergaben sich Unterschiede des klinischen Attachmentniveaus zwischen 0,6 und 4 mm zum Vorteil der Antibiotikagruppe, wobei die meisten Studien über Werte zwischen 1 und 2 mm berichteten. Relevant ausgeprägte Reduktionen der Taschensondierungstiefen wurden für initiale Werte über 5 bzw. 6 mm zugunsten der Antibiotikagruppe festgestellt (5 bis 30 %).
Die Verordnung anderer Antibiotika führte zu uneinheitlichen Ergebnissen: So hatte die Gabe von Metronidazol in einigen Studien eine signifikante Verbesserung der Taschensondierungstiefen gegenüber der Kontrollgruppe um bis zu 3 mm zur Folge15,26,36; in anderen Studien konnten hingegen keine Unterschiede zwischen Test und Kontrollgruppe festgestellt werden20,30. Untersuchungen zur adjuvanten systemischen Anwendung von Doxycyclin36, Tetracyclin16 sowie Amoxicillin in Kombination mit Clavulansäure39 zeigten ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zur Kontrollgruppe. Für Azithromycin und Spiramycin waren die Ergebnisse ähnlich heterogen wie für Metronidazol. Einige Studien ergaben signifikante Unterschiede zwischen der Gruppe mit adjuvanter Antibiose und der Kontrollgruppe, während in anderen keine signifikanten Unterschiede dargestellt wurden. Für Azithromycin lag die Reduktion der Taschensondierungstiefen zwischen 0,8 und 1,5 mm9,15, für Spiramycin zwischen 0,3 und 0,4 mm1,4. Für Clindamycin wurden signifikante Unterschiede hinsichtlich des klinischen Attachmentniveaus in zwei28,36 und bezüglich der Taschensondierungstiefen in einer von drei eingeschlossenen Studien dargestellt36, welche zwischen 0,2 und 3,3 mm lagen.
In einer Arbeit von Cionca et al.7 aus dem Jahr 2010 wurde die adjuvante Antibiotikabehandlung mit Amoxicillin und Metronidazol unabhängig vom mikrobiologischen Nachweis der klassischen Parodontalpathogene zur nicht chirurgischen Parodontitistherapie untersucht. Auch in dieser Studie war die Anzahl verbliebener Resttaschen > 4 mm mit Blutung auf Sondieren in der Antibiotikagruppe signifikant geringer. Insgesamt führte die empirische Antibiotikatherapie zu ähnlichen Ergebnissen wie eine spezifische, nach dem mikrobiologischen Befund ausgewählte adjuvante Medikation.
Pathogene nicht ausreichend ist. Die Einnahme erfolgt üblicherweise dreimal täglich in Dosen von 250 bis 500 mg über einen Zeitraum von 7 Tagen.
Bei Metronidazol handelt es sich um ein Chemotherapeutikum aus der Gruppe der Nitroimidazole. Es wirkt bakterizid und vorwiegend gegen Anaerobier. Bei Langzeitanwendung besteht ein möglicher mutagener Effekt durch die Induktion von DNAStrangbrüchen. In der Parodontologie ist eine isolierte Gabe oder die Kombination mit Amoxicillin üblich. Meistens wird es in Dosierungen von 250 bis 500 mg dreimal täglich über einen Zeitraum von 7 Tagen angewendet.
Azithromycin ist ein Makrolidantibiotikum, das bakteriostatisch durch Eingriffe in der Proteinbiosynthese wirkt. Es hat eine sehr lange Wirkdauer von bis zu 4 Tagen nach letztmaliger Einnahme. Das Wirkspektrum richtet sich stärker gegen gramnegative als grampositive Bakterien. Das Therapieschema besteht aus der Einnahme von entweder 3 x 500 mg über 3 Tage oder von 500 mg am ersten Tag und von 250 mg an den folgenden 5 Tagen.
Systemische Antibiose in der Parodontitistherapie
Die häufigste Parodontalerkrankung ist die chronische Parodontitis23. Durch die nicht chirurgische Therapie kann in Abhängigkeit von der initialen Taschensondierungstiefe eine Reduktion der klinischen Zeichen und der Taschensondierungstiefe um 1 bis 2 mm erreicht werden3. In der Regel wurde in früheren Arbeiten die Antibiotikatherapie nach mikrobiologischer Testung verordnet. Zwei systematische Übersichtsarbeiten konnten in Metaanalysen einen additiven positiven Effekt durch die adjuvante Antibiotikagabe aufzeigen14,18. Dieser bestand für Stellen mit initialen Taschentiefen > 6 mm in einer Zunahme des klinischen Attachments von 0,2 bis 0,6 mm und war damit stärker ausgeprägt als für initiale Taschentiefen < 6 mm, die einen Gewinn von 0,02 mm zeigten. In einer aktualisierten Fassung der Übersichtsarbeit von Herrera et al.17 wurden günstige Ergebnisse für die adjuvante Gabe von Amoxicillin und Metronidazol aufgezeigt. Im Vergleich der Studien
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adjuvanten Antibiotikagabe gezeigt werden. Für initiale Taschentiefen > 6 mm betrug die Reduktion 2,6 mm und die Zunahme an klinischem Attachment 1,7 mm; für initial > 7 mm tiefe Taschen lag die Reduktion der Taschentiefen bei 3,7 mm und die Zunahme klinischen Attachments bei 2,7 mm.
Antibiotikaeinsatz in der Parodontal-chirurgie
Parodontalchirurgische Eingriffe sind aus verschiedenen Gründen indiziert. Zum einen können pathologisch erhöhte Resttaschen > 6 mm nach nicht chirurgischer Behandlung durch resektive Eingriffe reduziert werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, einen regenerativen parodontalchirurgischen Eingriff durchzuführen. Die Indikation zur postoperativen Antibiotikagabe kann in der Vermeidung von Entzündungen in der Heilungsphase liegen. Allerdings ist die Häufigkeit von Infektionen nach parodontalchirurgischen Eingriffen mit 2 bis 4 % relativ gering6,29,31. Bei der Verwendung von Membranen beträgt die Häufigkeit einer postoperativen Infektion 3 %31. Kommen bei einem regenerativen Eingriff Schmelzmatrixproteine zum Einsatz, ergibt der Vergleich des Vorgehens mit oder ohne adjuvante postoperative Antibiotikatherapie keine Unterschiede33.
Antibiotika bei nekrotisierenden Parodontalerkrankungen und Parodontalabszessen
Die Gruppe der nekrotisierenden Parodontalerkrankungen umfasst die nekrotisierende ulzerierende Gingivitis (NUG) und die nekrotisierende ulzerierende Parodontitis (NUP). Beide Erkrankungen sind selten, und hauptsächlich werden Fusobakterien sowie Spirochäten mit diesem Krankheitsbild in Verbindung gebracht. Die Therapie besteht primär in der symptomatischen Behandlung der erkrankten Parodontien durch Debridement unter Lokalanästhesie, Entfernung der nekrotischen Gewebeanteile, chemische Plaquekontrolle mit Chlorhexidindigluconat und Schmerzmedikation mit
Systemische Antibiotika bei aggressiver Parodontitis
Eine aggressive Parodontitis ist seltener als die chronische Form und betrifft meist allgemeinmedizinisch gesunde, jüngere Patienten. In vielen Fällen gibt es eine familiäre Häufung21.
Die Effekte einer nicht chirurgischen Parodontitistherapie bei aggressiver Parodontitis sind u. a. in einer Studie von Hughes et al.19 beschrieben, die eine Reduktion der Mittelwerte für die Taschensondierungstiefen um 2 mm und eine Zunahme des klinischen Attachments aufzeigen konnten. Einige Arbeiten dokumentieren jedoch ein schnelles Wiederaufflammen der Infektion und einen fortschreitenden Knochenverlust trotz Therapie. In vielen Fällen ließ sich Aggregatibacter actinomycetemcomitans als Leitkeim in den Läsionen nachweisen32. Aufgrund dieser Beobachtungen wurde die adjuvante Antibiotikatherapie bei aggressiver Parodontitis näher untersucht. Die Arbeitsgruppe um van Winkelhoff38 beschrieb als eine der ersten den ausgeprägten Effekt der Kombination von Metronidazol und Amoxicillin auf Aggregatibacter actinomycetemcomitans. Durch die Antibiotikatherapie konnte die Spezies unter die Nachweisgrenze reduziert werden. Die Untersuchung von Patienten mit generalisierter aggressiver Parodontitis zeigte eine statistisch signifikant höhere Reduktion für initiale Taschensondierungstiefen > 7 mm, wohingegen sich bei moderaten Taschen ≤ 3 mm kein statistisch signifikanter Unterschied feststellen ließ11.
Auch die einmalige adjuvante Gabe von Azithromycin wurde über einen Zeitraum von 12 Monaten bei Patienten mit aggressiver Parodontitis nachuntersucht. Es ergab sich eine stärker ausgeprägte Reduktion der Taschensondierungstiefen um 1 mm in der Antibiotikagruppe12.
Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit40 fasste Ergebnisse der adjuvanten Antibiotikatherapie mit Amoxicillin und Metronidazol für die chronische und aggressive Parodontitis bei der nicht chirurgischen Behandlung zusammen. Insbesondere bei initial tieferen Taschen konnte ein stärker ausgeprägter Effekt der
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PARODONTOLOGIEAdjuvante Antibiotikagabe in der Parodontitistherapie
handlungen und der Beginn der Antibiotikaeinnahme nach Therapieabschluss führen neben günstigeren Ergebnissen dazu, dass die Behandlungsqualität vom Patienten als besser empfundenen wird17.
Diskussion
Anhand der besprochenen Studien können eine Reduktion der pathologisch erhöhten Taschensondierungstiefen durch die nicht chirurgische Parodontitistherapie und ein Rückgang der klinischen Entzündungszeichen bei gleichzeitiger Zunahme gingivaler Rezessionen festgestellt werden. Eine statistisch signifikant stärkere Reduktion der Taschensondierungstiefen, vor allem für initiale Taschen > 6 mm, wurde bei der adjuvanten Antibiotikatherapie gezeigt. Klinisch betragen diese Unterschiede für die gemittelten Taschensondierungstiefen 1 bis 2 mm.
Nachteile der adjuvanten Antibiotikatherapie sind die sukzessive Resistenzbildung gegenüber in der Allgemeinmedizin wichtigen Arzneimitteln, die dort zur Behandlung potenziell lebensgefährlicher Erkrankungen eingesetzt werden. Nachteilig ist auch die gastrointestinale Wirkung der Antibiotikatherapie, da durch sie eine geringere Compliance der Patienten erwartet werden kann. Als Folge mangelnder Compliance besteht die Möglichkeit eines Konzentrationsabfalls der Antibiotika auf Werte unterhalb der minimal inhibitorischen Konzentration, was einer weiteren Resistenzbildung Vorschub leisten könnte. Ggf. kann durch die gezielte Beseitigung einzelner pathogener Bakterienspezies auch eine ökologische Nische für schlechter handhabbare Pathogene entstehen, die einen weiteren Attachmentverlust bedingen könnten.
In der Vergangenheit wurde die spezifische Antibiotikagabe nach mikrobiologischer Testung favorisiert5. Aufgrund der Ergebnisse der weiter oben besprochenen Arbeit von Cionca et al.7 kann die mikrobiologische Testung kritisch hinterfragt werden. Ein signifikanter Effekt der adjuvanten Antibiotikatherapie, vor allem an Stellen mit initialen Taschensondierungstiefen von > 6 mm, ist anscheinend nicht vom Vorliegen parodontalpathogener Bakterienspezies abhängig. Insofern er
Analgetika. Der Einsatz von Antibiotika beschränkt sich lediglich auf Fälle mit Fieber und Lymphadenopathien. Dies gilt in gleichem Maße für parodontal bedingte Abszesse, vor allem wenn die Gefahr der Ausbreitung in benachbarte Logen besteht. In den meisten Fällen erfolgt die Behandlung mit einem hoch dosierten Breitbandantibiotikum zusätzlich zur lokalisierten subgingivalen Instrumentation.
Zeitpunkt der Antibiotikagabe
Die klassische nicht chirurgische Therapie wird quadrantenweise im Wochenabstand durchgeführt. Neuere Therapieansätze beschreiben die supra und subgingivale Instrumentierung in kürzeren Zeitabständen – teilweise innerhalb von 1 Tag. Als Begründung für die kürzeren Abstände wurde die Gefahr einer Reinfektion bereits gereinigter Bereiche postuliert. Auch für den Einsatz adjuvanter Antibiotika bietet sich eine möglichst komplette Desintegration des supra und subgingivalen Biofilms innerhalb eines kurzen Zeitraums an.
Wie bereits erwähnt, greifen viele Antibiotika in die Reproduktionsmechanismen der Bakterien ein und können ihre volle Wirkung entfalten, wenn sich Bakterien in der Wachstumsphase befinden. Aus diesem Grund sollte möglichst kurz nach Abschluss der vollständigen Instrumentierung mit der Antibiotikatherapie begonnen werden, um die erneute Etablierung eines pathogenen Biofilms zu verhindern. In einer Arbeit von Loesche und Giordano24 wurden die Ergebnisse aus zwei vorangegangenen Studien nachuntersucht. Die Verschreibung des Antibiotikums erfolgte hier zunächst nach dem ersten und im Folgenden nach dem letzten Therapietermin. Es konnte nachgewiesen werden, dass in der Gruppe mit Antibiotikagabe nach Abschluss des Debridements signifikant weniger Zähne mit pathologisch erhöhten Taschensondierungstiefen vorhanden waren als in der Gruppe, in der die Antibiotikatherapie nach der ersten Sitzung begonnen wurde. Ein InvitroBiofilmmodell zeigte, dass sich der Biofilm innerhalb von ca. 48 Stunden wieder aufbaut und höhere Antibiotikakonzentrationen zur Bakterienbekämpfung notwendig werden34. Eine schnellere zeitliche Abfolge der Be
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Rahmen der universitären Weiterbildung zum Fachzahnarzt. Zu Dokumentations und Studienzwecken wurde initial ein mikrobiologischer Befund erhoben. Dieser zeigte eine erhöhte Konzentration von Aggregatibacter actinomycetemcomitans und Porphyromonas gingivalis. Aufgrund aktueller Evidenz war jedoch lediglich die klinische Diagnose ausschlaggebend, um eine adjuvante Antibiotikatherapie mit Amoxicillin und Metronidazol für 7 Tage zu rechtfertigen. Das subgingivale Debridement im Sinne der nicht chirurgischen Parodontaltherapie erfolgte innerhalb von 24 Stunden mit begleitender adjuvanter Antibiose. Bei der Reevaluation des Behandlungsergebnisses nach 3 Monaten konnte im mikrobiologischen Profil dokumentiert werden, dass die parodontalen Pathogene beseitigt worden waren. Aus primär kieferorthopädischen Gründen wurden zur Behandlung einer mandibulären Prognathie die Zähne 36 und 46 extrahiert, um Platz für eine Distalisierung des anterioren Segments mittels eines kombiniert kieferorthopädischkieferchirurgischen Eingriffs zu schaffen. 1 Jahr nach Beginn der kieferorthopädischen Multibandtherapie zur prächirurgischen Ausformung der Zahnbögen zeigte sich der parodontale Befund mit physiologischen Taschensondierungstiefen von 3 mm stabil. Im Anschluss erfolgte die chirurgische Intervention.
scheint die empirisch gewählte adjuvante Therapie mit Amoxicillin und Metronidazol unter Berücksichtigung der weiteren Indikationen der Leitlinie5 naheliegend. Eine mikrobiologische Testung könnte in Fällen eines Therapieversagens mit Amoxicillin und Metronidazol weiterhin erfolgen, wobei ein zusätzlich angefertigtes Antibiogramm unter Umständen eine gezielte Antibiose ermöglicht.
Die adjuvante Antibiotikatherapie sollte vor dem Gesichtspunkt der begrenzten klinischen Effekte auf die Verbesserung von Taschentiefen und klinischem Attachment kritisch hinterfragt werden, so dass auch ein genereller Einsatz in der Parodontaltherapie nicht zu empfehlen ist5,14,17. Die oben beschriebenen Effekte bei Patienten mit einem hohen Anteil von Taschensondierungstiefen > 6 mm lassen die adjuvante Antibiotikatherapie nur bei generalisiert sehr schwer erkrankten Parodontitispatienten vernünftig erscheinen, jedoch konnten auch diese Patienten ohne adjuvante Antibiotikagabe erfolgreich behandelt werden3.
Patientenfall
In den Abbildungen 1 bis 5 ist die Therapie einer lokalisierten aggressiven Parodontitis bei einem 25jährigen Patienten dargestellt. Die Behandlung erfolgte im
Abb. 1a und b Ausgangsbefund mit frontal offenem Biss bei mesialer Bisslage (dentale Angle-Klasse III)
a a
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Abb. 2a Intraorale Detailaufnahmen des Ausgangsbefundes. Die marginale Gingiva erscheint lokalisiert geschwollen und kaum gerötet, an den Zähnen 22 und 23 sind gingivale Rezessionen ersichtlich
Abb. 2b Die Panoramaschicht-aufnahme zeigt einen generalisierten Knochenverlust von 10 bis 40 %, lokalisiert bis zu 80 % an den furkations - involvierten Zähnen 36 und 46
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Abb. 2c Initialbefund mit generalisierten Taschensondie-rungstiefen von 2 bis 6 mm, lokalisiert bis 12 mm an den Zähnen 36 und 46 sowie Furkations-beteiligungen an den Zäh- nen 36 und 46
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PARODONTOLOGIEAdjuvante Antibiotikagabe in der Parodontitistherapie
Abb. 3a Situation 3 Monate nach Initialtherapie. Es sind generalisierte gingivale Abrasionen im Sinne eines Putztraumas zu erkennen
Abb. 2d Ergänzende Zahnfilme der Ober- und Unterkieferfront. Am Zahn 22 liegen eine insuffiziente Füllung und eine apikale Aufhellung vor. An den Zähnen 31 und 41 ist ein horizontaler Knochenverlust von 20 bis 40 % der Wurzellänge ersichtlich
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PARODONTOLOGIEAdjuvante Antibiotikagabe in der Parodontitistherapie
Abb. 3b Der Reevaluations-befund zeigt ei- ne generalisierte Verringerung der Taschensondie-rungstiefen auf Werte von 2 bis 4 mm bei gleichzeitiger Zunahme der Rezessionen. An den Zähnen 36 und 46 liegen noch erhöhte Taschensondie-rungstiefen bis 7 mm vor
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PARODONTOLOGIEAdjuvante Antibiotikagabe in der Parodontitistherapie
Abb. 4a Klinische Situation bei Beginn der prächirurgisch-kieferorthopädischen Therapie. Die Zähne 36 und 46 sind extrahiert worden, und es wurde eine kieferorthopädische Apparatur eingesetzt
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PARODONTOLOGIEAdjuvante Antibiotikagabe in der Parodontitistherapie
Abb. 4b Der Befund zu Beginn der kieferorthopä-dischen Therapie stellt sich stabil mit lokalisiert erhöhten Taschensondie-rungstiefen bis 4 mm dar
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Abb. 5a Klinische Situation 1 Jahr nach Beginn der prächirurgisch-kieferorthopädischen Therapie
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PARODONTOLOGIEAdjuvante Antibiotikagabe in der Parodontitistherapie
Abb. 5b Der Befund 1 Jahr nach Beginn der kieferorthopä-dischen Therapie ist mit physiologischen Taschensondie-rungstiefen von 1 bis 3 mm weiterhin stabil
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PARODONTOLOGIEAdjuvante Antibiotikagabe in der Parodontitistherapie
• Die Anzahl parodontalpathogener Bakterien ist bis 24 Monate nach der Antibiotikagabe reduziert.
• Durch die adjuvante Kombinationsanwendung von Amoxicillin und Metronidazol kann eine Reduktion von Aggregatibacter actinomycetemcomitans unter die Nachweisgrenze ermöglicht werden.
• Falls eine adjuvante Antibiose durchgeführt werden soll, kann empirisch mit Amoxicillin und Metronidazol behandelt werden. Eine mikrobiologische Diagnostik sollte sich auf Fälle beschränken, in denen mit einer empirischen Antibiotikatherapie keine Verbesserung des klinischen Befundes erreicht wird.
Fazit für die Praxis
Auf der Basis der oben diskutierten Studien können folgende Schlüsse gezogen werden:• Antibiotika sollten nicht als Monotherapie, sondern
in Kombination mit einer nicht chirurgischen Therapie angewendet werden.
• Eine adjuvante Antibiotikatherapie bei parodontalchirurgischen Eingriffen verbessert das Ergebnis nicht; postoperative Infektionen sind selten.
• Unabhängig von der Diagnose profitieren vor allem solche Patienten von der Antibiotikaanwendung, die hohe Anteile an Taschensondierungstiefen von > 6 mm aufweisen.
Abb. 5c Der radiologische Abschlussbefund zeigt im Vergleich zum Ausgangsbefund keinen weiteren Knochenverlust; am Zahn 22 hat eine Wurzelkanalbehandlung stattgefunden
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