Flechten-Kiefernwälder in Deutschland - aktuelle Situation und Perspektiven Göttingen, 02.11.2011 Institut für Biochemie und Biologie Biodiversitätsforschung/Spezielle Botanik Universität Potsdam Thilo Heinken Abgrenzung und aktuelle Situation von Flechten-Kiefernwäldern in Deutschland 1. Abgrenzung a) Was sind Flechten-Kiefernwälder? • Ökologische Stellung • Vegetation: Physiognomie & Artenkombination • Standorte • Untertypen b) Entstehung von Flechten-Kiefernwäldern 2. Aktuelle Situation a) Verbreitung b) Bedeutung und Gefährdung • Diversität • Sukzession • Stickstoffeinträge • Aktueller Rückgang und Verarmung der Flora • Schutzstrategien: mögliche Maßnahmen Flechten-Kiefernwälder in Deutschland
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Abgrenzung und aktuelle Situation von Flechten ... · Vegetation: Sand-und Silikat-Kiefernwälder ... •EU: Estland, Lettland, Litauen, Polen, ... • atlantisches Klima
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Flechten-Kiefernwälder in Deutschland- aktuelle Situation und PerspektivenGöttingen, 02.11.2011
Institut für Biochemie und Biologie Biodiversitätsforschung/Spezielle Botanik Universität Potsdam
Thilo Heinken
Abgrenzung und aktuelle Situation von Flechten-Kiefernwäldern in Deutschland
LUNG (2006)Flechten-Kiefern-Wald des Binnenlandes (WKF)
jaMecklenburg-Vorpommern
LUA (2007)Flechten-Kiefernwald (WG) und Untertyp „Silbergras-Kieferngehölz (WKC)“ der
Kiefernwälder trockenwarmer Standorte (WK)
jaBrandenburgeigener Biotoptyp
QuelleFassung/Abgrenzung als Biotoptyp
Vorkommendes
Biotoptyps
Bundesland
Deutlich unterrepräsentiert in Vegetationsaufnahmen in Heinken (2008)
Abgrenzung der Biotoptypen in den Bundesländern
Aktuelle Situation: Verbreitung von Flechten-Kiefernwäldern
Fischer et al. 2009, Natur & Landschaft 84: 281-287
HMLWLFN (1995), Hessen-
Forst FENA (2006)
SandkiefernwälderunklarHessen
LFU (2001)Kiefern-Wald auf Flugsand wahrscheinl.Baden-Württemberg
LAWUF, TLU (1996)
Kiefernwald auf meso- bis oligotrophen Standorten im
submontanen Bereich
jaThüringen
schriftl. Mitt.LFUG
bisher kein eigener Biotoptyp, in Erprobungsphase
jaSachsen
von Drachenfels (2004)
Kiefernwald armer, trockener Sandböden (WKT)
jaNiedersachsen
LfU (2006)Kiefernwald, bodensauer (WP)jaBayern
Quelleweiter gefasster Kiefernwald-Biotoptyp
Vorkommendes
Biotoptyps
Bundesland
Abgrenzung der Biotoptypen in den Bundesländern
Aktuelle Situation: Verbreitung von Flechten-Kiefernwäldern
Brunner 2006, Vegetation des Nürnberger Reichswaldes (Diss.)
Aktuelle Situation: Verbreitung von Flechten-Kiefernwäldern
Fischer et al. 2009, Natur & Landschaft 84: 281-287
schriftl. Mitt. Naturschutzamt Hamburg (2007)
Kiefernwald, naturnah, auf trocken-mageren Standorten
(WNK)Zusatz: fl = flechtenreich
neinHamburg
LOEBF (2007)Kiefernwald (AK0),Zusatz: ti = flechtenreich
jaNordrhein-Westfalen
LANU (2003)Kiefern- und Fichten-Pionierwald (WPn), Zusatz: LBf
= Besonderer Lebensraum Flechten
unklar(unwahr-
scheinlich)
Schleswig-Holstein
LUWG (2005)Trockenwald (W 25) Zusatz W 03
Kryptogamenreichtum
unklarRheinland-Pfalz
Quelleweiter gefasster Kiefernwald-Biotoptyp
Vorkommendes
Biotoptyps
Bundesland
Abgrenzung der Biotoptypen in den Bundesländern
Aktuelle Situation: Verbreitung von Flechten-Kiefernwäldern
Was sind Flechten-Kiefernwälder?
Verifizierung der Vorkommens von Flechten-Kiefernwäldern in Rheinland-Pfalz
(Dahner Felsenland, August 2011)
Aktuelle Situation: Verbreitung von Flechten-Kiefernwäldern
Nur ein Teil der Flechten-Kiefernwälder wird aktuell dem LRT 91T0 zugeordnet
(HEINKEN) (BfN)
Aktuelle Situation: Verbreitung von Flechten-Kiefernwäldern
Verbreitung in NaturräumenQuelle: Heinken (2008): Synopsis der Pflanzengesellschaften Deutschlands -Dicrano-Pinion
Ergänzt!
?
Aktuelle Situation: Verbreitung von Flechten-Kiefernwäldern
HintergrundBedeutung und Gefährdung von Flechten-Kiefernwäldern
► Es gibt nur wenige natürliche Kiefernwälder in Deutschland.
► Sie sind durch Nährstoffknappheit charakterisiert.
► Sie sind heute in ihrem Fortbestand bedroht.
► Dies gilt besonders für den Flechten-Kiefernwald.
► Hauptursache sind die hohen über die Luft eingetragenen Stickstoffverbindungen.
► Auch sekundäre Sukzession nach Aufgabe historischer Nutzungsformen spielt eine Rolle; ihr Anteil ist unklar.
Allgemein: Nährstoffarme Standorte sind Lebensraum zahlreicher seltener und gefährdeter Arten und haben große Bedeutung für die Biotop- und Arten-diversität auf Landschaftsebene. Extremstandorte gehen teilweise verloren.
HintergrundBedeutung und Gefährdung von Flechten-Kiefernwäldern
Sukzession auf silikatarmen Sandböden
(aus HEINKEN 1995)
Pflanzung
Gefährdung der Flechten-KiefernwälderBedeutung und Gefährdung von Flechten-Kiefernwäldern
Voraussetzungen für flächenhaftes Wachstumvon Flechten: • extreme Nährstoffarmut des Standortes• eine nicht bzw. gering entwickelte Humus- und
Pflanzendecke
Heutige Situation:• fehlender Nährstoffentzug• Nährstoffeinträge aus der Luft (v. a. Stickstoff-
immissionen)• Natürliche Sukzession auf degradierten Standorten
(Humus- und Nährstoffakumulation)
àFörderung konkurrenzstarker Arten (Moose,Gefäßpflanzen)
Gefährdung der Flechten-Kiefernwälder
5 cm
Bedeutung und Gefährdung von Flechten-Kiefernwäldern
Drahtschmielen-Kiefernwald (dunkelgrün)• nährstoffreichere u. feuchtere Standorte
Fischer et al. 2005
Rückgang v. a. durch Stickstoffeinträge: Beispiel Kaarßer Sandberge
Sommer 2005:Erfassung der Biotoptypen und Pflanzenarten im Naturwaldreservat „Kaarßer Sandberge“ unter besonderer Berücksichtigung der Situation von Flechten-Kiefernwäldern im Auftrag der NFV
Ergebnis: Deutlicher Rückgang der Flechten-Kiefernwälder gegenüber 1994 (Biotopkartierung KELM), dramatischer Rückgang gegenüber 1960er Jahre (Angaben des ehem. Revierleiters)
Aktueller Rückgang und Verarmung der Flora
1776
Gefährdung der Flechten-Kiefernwälder
Rückgang durch Stickstoffeinträge: Beispiel Kaarßer Sandberge
Aktueller Rückgang und Verarmung der Flora
Rückgang von Flechten-Kiefernwäldern durch Stickstoffeinträge
Flechten-Kiefernwald im Wendland, 1991
Aktueller Rückgang und Verarmung der Flora
Flechten-Kiefernwald im Wendland, 2005
Rückgang von Flechten-Kiefernwäldern durch Stickstoffeinträge
Aktueller Rückgang und Verarmung der Flora
• Abnahme des Flechtenschicht-Deckungsgrades(z. T. von 5-25 % auf 0 %)
• Zunahme des Moosschicht-Deckungsgrades (v. a. pleurokarpe Moose)(z. T. von 8 % auf ca. 50 %)
• z. T. Zunahme des Krautschicht-Deckungsgrades (z. B. Drahtschmiele)
• z. T. deutliche Zunahme der Baumschicht-Höhe
• Zunahme der Humusauflage
• einige Probeflächen heute kein Flechten-Kiefernwald mehr
Entwicklungstendenzen auf den Aufnahmeflächen von Heinken 1990/91:
• Gartower Talsandfläche und Küstener Wald westl. Lüchow
• Wierener Berge bei Uelzen (sandige Endmöränen der Saale-Eiszeit)
Aktueller Rückgang und Verarmung der Flora
• meist Abnahme der Artenzahl der Flechten
• qualitative Veränderungen
- meist noch vorkommend: z. B. Cladonia portentosa
- oft verschwunden: Cladonia rangiferina, Cetraria islandica u. a.
Cladonia rangiferina Cetraria islandica
Gefährdung der Flechten-KiefernwälderAktueller Rückgang und Verarmung der Flora
Entwicklungstendenzen auf den Aufnahmeflächen von Heinken 1990/91:
Ritter & Tölle 1978, Beitr. Forstwirtschaft 4
Stickstoff-Düngungsversuche Brandenburg: Mykorrhizierung von Kiefern-Feinwurzeln
0
20
40
60
80
100
0 1000 2000 3000 4000
N-Düngung [kg/ha]
Myk
orrh
izaf
requ
enz
[%] .
Britz 1Britz 2Busendorf
• Abnahme mit zunehmender Stickstoffversorgung• Kiefern gehen Mykorrhiza-Symbiose nur auf nährstoffarmen Standorten ein
Aktueller Rückgang und Verarmung der Flora
Benkert 1993, Rote Liste Makromyzeten Brandenburg
Gefährdung von Mykorrhiza-Pilzen der Kiefer durch Stickstoffeinträge
• wichtige Gruppe gefährdeter Arten (14,5% der Gesamt-Artenzahl)• Stickstoffeinträge: wesentliche Ursache ihres Rückgangs
0
2
4
6
8
10
12
14
16
1 2 3
Gefährdungsgrad
Zahl
der
Arte
n Moor-Kiefernwald
Weißmoos-Kiefernwald
Flechten-Kiefernwald
Aktueller Rückgang und Verarmung der Flora
Schmutziger Stacheling
Habichtspilz
gefährdete Mykorrhiza-Pilze der Flechten-Kiefernwälder
Grünling
Halsband-Ritterling
Aktueller Rückgang und Verarmung der Flora
Heinken (2008), Mitt. NW-FVA 2
• Keine Bestandesdüngung oder Kalkung nährstoffarmer Kiefernstandorte!
Schutzstrategien für Flechten-Kiefernwälder
• Schutz vor Düngereinträgen durch Gestaltung abschirmender Waldränder
• Keine Genehmigung von Großmastanlagen in unmittelbarer Nähe vonnähstoffarmer Kiefernstandorte
• Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Flechten-Kiefernwäldern durchPlaggen- bzw. Streunutzung? → Vortrag von Petra Fischer u.a.