5. Verh¨ altniszahlen, Messzahlen und Indexzahlen Ziel dieses Kapitels: • Grundlegende Maßzahlen der praktischen Wirtschaftsstatistik 5.1 Verh¨ altniszahlen Definition 5.1: (Verh¨ altniszahl) Eine Verh¨ altniszahl ist allgemein der Quotient zweier statistis- cher Gr¨oßen. Die den beiden Gr¨oßen zugrunde liegenden Grund- gesamtheiten k¨onnen identisch oder verschieden sein. Als spezi- elle Verh¨ altniszahlen unterscheidet man Gliederungszahlen, Be- ziehungszahlen und Messzahlen. 139
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5. Verh¨altniszahlen, Messzahlen und Indexzahlen · 158. Rechenregel f¨ur Umbasierung: [II] •! Zirkularit¨at von Messzahlen: ms;t = ms;r † mr;t Verkettung von Messzahlen: ...
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5. Verhaltniszahlen, Messzahlen und Indexzahlen
Ziel dieses Kapitels:
• Grundlegende Maßzahlen der praktischen Wirtschaftsstatistik
5.1 Verhaltniszahlen
Definition 5.1: (Verhaltniszahl)
Eine Verhaltniszahl ist allgemein der Quotient zweier statistis-cher Großen. Die den beiden Großen zugrunde liegenden Grund-gesamtheiten konnen identisch oder verschieden sein. Als spezi-elle Verhaltniszahlen unterscheidet man Gliederungszahlen, Be-ziehungszahlen und Messzahlen.
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Gliederungszahl:
• Aussage uber die Struktur der Grundgesamtheit G eines (me-trisch skalierten) Merkmals U
• Annahme: G zerfallt in J Teilgesamtheiten, d.h.
G = G1 ∪G2 ∪ . . . ∪GJ
• Es bezeichne uj die Merkmalssumme von U in der Teilge-samtheit Gj (j = 1, . . . , J), so dass gilt
u =J
∑
r=1ur = Merkmalssumme von U auf ganz G
• Definiere nun fur j = 1, . . . , J die Gliederungszahlen
gj =uj
u
140
Bemerkungen:
• Die Gliederungszahlen gj sind Anteile, d.h. es gilt
gj ≥ 0∑J
r=1 gr = 1
Beispiele:
• Anteile der Studierenden der unterschiedlichen Disziplinenam Fachbereich WiWi der WWU(Betriebs-, Volkswirte, Wirtschaftsinformatiker)
• Anteile von Bund, Landern und Kommunen an der Gesamtver-schuldung der BRD
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Beziehungszahl: [I]
• Aussage uber die Struktur der Grundgesamtheit G in Bezugauf 2 (metrisch skalierte) Merkmale U und V
• Annahme: G zerfallt in J Teilgesamtheiten, d.h.
G = G1 ∪G2 ∪ . . . ∪GJ
• Es bezeichnen uj und vj die Merkmalssummen von U und Vin der Teilgesamtheit Gj (j = 1, . . . , J), so dass gilt
Bundesland BIP pro Kopf in DMBaden-Wurttemberg 50049.05Bayern 50967.18Berlin 45186.81Brandenburg 29428.68Bremen 59851.63Hamburg 82844.57Hessen 56516.91Meck.-Vorpommern 26498.89Niedersachsen 40248.57NRW 44479.00Rheinland-Pfalz 38835.24Saarland 40629.05Sachsen 27439.19Sachsen-Anhalt 25799.41Schleswig-Holstein 41273.12Thringen 26202.58Deutschland insgesamt 44163.35
147
Einige Zusammenhange: [I]
• Es gilt:
b =uv
=1v
J∑
j=1uj =
J∑
j=1
uj
v
=J
∑
j=1
vj
v·uj
vj
=J
∑
j=1hj ·
uj
vj
−→ Beziehungszahl b = uv ist gewogenes arithmetisches Mittel
der Beziehungszahlenujvj
mit den Gewichten hj =vjv
148
Einige Zusammenhange: [II]
• Ferner gilt:
b =(v
u
)−1=
∑Jj=1 vj
u
−1
=
J∑
j=1
uj
u·vj
uj
−1
=
J∑
j=1gj
(
uj
vj
)−1
−1
=1
∑Jj=1 gj · 1
bj
−→ b = uv ist gewogenes harmonisches Mittel der bj =
ujvj
mit den
Gewichten gj =uju
149
Messzahl:
• Quotient zweier sachlich aufeinander bezogener Maßzahlenfur zwei statistische Massen
Beispiele: [I]
• Geschlechterverhaltnis
Geschl.-Verhaltn. =Manner in der BRD am 1.1.2010Frauen in der BRD am 1.1.2010
(Messzahl des sachlichen Vergleichs)
150
Beispiele: [II]
• Einwohnerrelation zwischen 2 Landern
Einwohnerel. =Einwohner der BRD am 1.1.2010
Einwohner Frankreichs am 1.1.2010(Messzahl des raumlichen Vergleichs)
• Einwohnerrelation eines Landes an 2 Zeitpunkten
Einwohnerel. =Einwohner der BRD am 1.1.2010Einwohner der BRD am 1.1.2005
(Messzahl des zeitlichen Vergleichs)
151
5.2 Messzahlen des zeitlichen Vergleichs
Ausgangssituation und Begriffe: [I]
• Betrachte eine zeitlich geordnete Folge von Zeitpunkten t0 ≤t1 ≤ . . . ≤ tT sowie die Auspragungen eines (metrischen)Merkmals X zu diesen Zeitpunkten:
• Der Index t steht fur die Zeit (time). Deshalb nennt man dieobige Urliste xt0, . . . , xtT eine Zeitreihe
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Ausgangssituation und Begriffe: [II]
• Sind die Abstande zwischen den Zeitpunkten t0, t1, . . . , tT im-mer gleich, d.h.
t1 − t0 = t2 − t1 = . . . = tT − tT−1,
so spricht man von aquidistanten Zeitpunkten. In diesemFall benennt man die Zeitpunkte t0, t1, . . . , tT der Einfachheithalber um in 0,1, . . . , T und notiert die obige Zeitreihe als
x0, x1, . . . , xT
Beispiele fur Zeitreihen:
• Monatliche Arbeitslosenquoten
• Tagliche Wechselkurse zwischen Euro und US-$
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Haufiges Vorgehen in der Empirischen Wirtschaftsforschung:
• Wahle aus der Menge aller moglichen Zeitpunkte einen Ba-siszeitpunkt s ∈ {t0, . . . , tT} und setze die gesamte Zeitreihext, t = t0, . . . , tT , ins Verhaltnis zur Beobachtung xs des Ba-siszeitpunktes. Fur einen beliebigen Berichtszeitpunkt t be-trachtet man also den Quotienten
ms,t =xt
xsfur t = t0, . . . , tT
• Begrundung:Man interessiert sich fur die Entwicklung der Zeitreihe relativzur Auspragung des Basiszeitpunktes s(in praxi wird oft s = t0 gewahlt)
154
Definition 5.2: (Messzahl mit fester Basiszeit)
Fur einen konkreten Basiszeitpunkt s ∈ {t0, . . . , tT} nennt manden Quotienten
ms,t =xt
xs
die Messzahl fur die Berichtszeit t.
Man beachte:
• Aus Definition 5.2 folgt unmittelbar:
mt,t = 1
ms,t =xt
xs=
1xs/xt
=1
mt,s
155
Beispiel:
• Wechselkurszeitreihe ’Griechische Drachme zum Euro’(Tagesdaten)
Offensichtlich:
• Qualitativer Verlauf gleich
• Untere Grafik betont Kursverlauf relativ zum Startwert
156
320
325
330
335
340
345
15/12/98 3/07/99 19/01/00 6/08/00
Originale Zeitreihe
0.96
0.98
1.00
1.02
1.04
15/12/98 3/07/99 19/01/00 6/08/00
Zeitreihe zum Basiszeitpunkt s=0 (Basiswert: 328.388)
5.2.1 Umbasierung und Verkettung von Mess-zahlen
Definition 5.3: (Umbasierung)
Unter der Umbasierung einer Messzahl zum Basiszeitpunkt s ver-steht man den Ubergang zu einer Messzahl mit anderer Basiszeitr ∈ {t0, . . . , tT}.
Rechenregel fur Umbasierung: [I]
• Offensichtlich gilt fur jedes t ∈ {t0, . . . , tT}
mr,t =xt
xr=
xt/xs
xr/xs=
ms,t
ms,r
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Rechenregel fur Umbasierung: [II]
−→ Zirkularitat von Messzahlen:
ms,t = ms,r ·mr,t
Verkettung von Messzahlen:
• Betrachtete aquidistante Zeitreihe x0, x1, . . . , xT und Folgenvon Messzahlen zu den Basiszeiten 0 bzw. s
m0,t fur t = 0,1, . . . , sms,t fur t = s, s + 1, . . . , T
• Gesucht: durchgehende (vollstandige) Folgen von Messzahlenzu den Basiszeiten 0 bzw. s
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Losung:
• Messzahlenfolge fur die Basiszeit 0:
m0,t =
{
m0,t fur t = 0,1, . . . , sm0,s ·ms,t fur t = s + 1, s + 2, . . . , T
• Messzahlenfolge fur die Basiszeit s:
ms,t =
m0,tm0,s
fur t = 0,1, . . . , s− 1
ms,t fur t = s, s + 1, . . . , T
Zahlenbeispiel:
• In den Tutorien
160
5.2.2 Zuwachsraten und Zuwachsfaktoren
Betrachte:
• Aquidistante Zeitreihe xt, t = 0,1, . . . , T
• Messzahl mit fester Basiszeit
ms,t =xt
xs
(vgl. Definition 5.2, Folie 155)
161
Definition 5.4: (Zuwachsfaktor, Zuwachsrate)
Die Messzahl ms,t bzeichnet man auch als Zuwachsfaktor bzw. alsWachstumsfaktor. Die absolute Anderung xt − xs bezogen aufden Wert zur Zeit s
ws,t =xt − xs
xs= ms,t − 1
bezeichnet man als Zuwachsrate bzw. Wachstumsrate.
Bemerkungen:
• Zuwachsfaktoren und -raten werden oft in Prozent angegeben
• Es gilt
xt = ms,t · xs bzw. xt − xs = ws,t · xs
162
Beispiel:
• Bargeldumlauf in der BRD
Jahr Umlauf Zuwachsfaktor Zuwachsrate(in Mio. DM) (in Prozent)
Als durchschnittlichen Zuwachsfaktor zwischen Anfangs- undEndzeitpunkt bezeichnet man das geometrische Mittel (vgl. Def-inition 4.7, Folie 98) der 1-periodigen Zuwachsfaktoren:
mG = T√
m0,1 ·m1,2 · . . . ·mT−1,T .
Bemerkungen: [I]
• Es gilt:
mG = T√
m0,1 ·m1,2 · . . . ·mT−1,T
= T
√
x1
x0·x2
x1·x3
x2· . . . ·
xT−1
xT−2·
xTxT−1
= T
√
xTx0
(Durchschnittl. Zuwachsfaktor hangt nur von x0 und xT ab)
164
Bemerkungen: [II]
• Wenn x0 jede Periode um den durchschnittlichen Zuwachs-faktor steigt, ergibt sich nach T Perioden xT :
t = 0 : x0
t = 1 : x0 ·mG
t = 2 : x0 ·mG ·mG = x0 ·m2G
... ...
t = T : x0 ·mTG = x0 ·
(
T
√
xTx0
)T= xT
165
Definition 5.6: (Durchschnittliche Zuwachsrate)
Als durchschnittliche Zuwachsrate bezeichnet man den um 1 ver-minderten durchschnittlichen Zuwachsfaktor:
w = mG − 1 = T
√
xTx0
− 1.
166
5.2.3 Logarithmische Zuwachsraten
Definition 5.7: (Logarithmische Zuwachsrate)
Unter der logarithmischen Zuwachsrate (auch stetige Zuwach-srate) zwischen den Zeitpunkten s, t versteht man die Große
rs,t = ln(xt
xs
)
= ln(xt)− ln(xs).
Bemerkungen: [I]
• Es gilt:
xt = xs · ers,t
167
Bemerkungen: [II]
• Zwischen der log. Wachstumsrate rs,t und der Zuwachsratews,t aus Definition 5.4 gilt in ’guter’ Naherung:
rs,t = ln(xt)− ln(xs) ≈xt − xs
xs= ws,t
Vorteile der logarithmischen Wachtumsrate: [I]
• Addierbarkeit:
r0,T = ln(xT )− ln(x0) =T
∑
t=1
[
ln(xt)− ln(xt−1)]
=T
∑
t=1rt−1,t
(Wachstumsrate r0,T ist Summe der 1-periodigen Wachs-tumsraten rt−1,t)
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Vorteile der logarithmischen Wachtumsrate: [II]
−→ Durchschnittliche logarithmische Zuwachsrate r zwischen denZeitpunkten 0 und T ist arithmetisches Mittel der 1-periodigenlogarithmischen Wachstumsraten
r =1T·
T∑
t=1rt−1,t =
1T· r0,T
• ’Symmetrie’:Verandert sich der Wert xt in der Folgeperiode t+1 auf xt+1und fallt dann in t+2 auf xt zuruck (also xt+2 = xt), so sinddie log. Wachstumsraten rt,t+1 und rt+1,t+2 vom Betrage hergleich (mit entgegengesetzen Vorzeichen)
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Beispiel: Symmetrische Aktienkursbewegung
Periode Kurs rt,t+1 wt,t+1t 100
t + 1 110 0.0953 0.1t + 2 100 −0.0953 −0.0909
Summe: 0 0.0091
Anwendungsgebiete der log. Zuwachsrate:
• Finanzmathematik (stetige Verzinsung)
• Finanzmarkte (Aktien- und Wechselkursanderungen)
• Modelle der Wachstums- und Konjunkturtheorie
170
5.3 Indexzahlen
Bisher:
• Zeitliche Entwicklung einer okonomischen Große uber Mess-zahlen
Jetzt:
• Zeitliche Entwicklung mehrerer Großen gleichzeitig